Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 15. Jan. 2014 - L 9 KA 5/12

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2014:0115.L9KA5.12.0A
bei uns veröffentlicht am15.01.2014

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. Mai 2012 sowie die Bescheide des Beklagten vom 25. April 2008 und 29. April 2009 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge sowie des Vorverfahrens trägt der Beklagte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht zu erstatten sind.

Die Revision wird zugelassen.

Der Gegenstandswert wird auch für das Berufungsverfahren auf 16.311,60 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist in dem verbundenen Verfahren bezogen auf die Quartale II/2006 bis I/2007 die Rechtmäßigkeit wegen Unwirtschaftlichkeit festgesetzter Arzneikostenregresse i.H.v. insgesamt 16.311,60 Euro.

2

Die Klägerin ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und mit Vertragsarztsitz in K. im Bezirk der Beigeladenen zu 2) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

3

Mit am 30. April 2007 (Quartal II/2006), 28. Juni 2007 (Quartal III/2006), 28. September 2007 (Quartal IV/2006) bzw. 28. Dezember 2007 (Quartal I/2007) beim Prüfungsausschuss bzw. der Prüfungsstelle eingegangenen Anträgen der Beigeladenen zu 1) setzte dieser/diese nach vorheriger Anhörung der Klägerin ihr gegenüber zu Gunsten der Beigeladenen zu 1) mit Bescheiden vom 25. Juli 2007 (Quartal II/2006), 25. Oktober 2007 (Quartal III/2006), 17. Dezember 2007 (Quartal IV/2006) und 24. Juni 2008 (Quartal I/2007) Regresse i.H.v. dreimal 4.028,40 EUR (Quartale II-IV/2006) sowie 4.226,40 EUR (Quartal I/2007) fest und führte zur Begründung aus: Aufgrund des von ihr getätigten Bezugsweges über die Apotheke habe die Klägerin hinsichtlich der Verordnung des Gerinnungsfaktors VIII SDH Inters 1000 DFL an einen Versicherten der Beigeladenen zu 1) Mehrkosten in der regressierten Höhe verursacht, die bei einem Direktbezug über den Hersteller hätten vermieden werden können. Dadurch sei das Wirtschaftlichkeitsgebot missachtet worden. Zwei Mitarbeiterinnen der Beigeladenen zu 1) hätten die Klägerin am 28. Oktober 2005 in einem persönlichen Gespräch über die Möglichkeiten und die damit verbundene Kostenersparnis des Direktbezuges gemäß § 47 Arzneimittelgesetz (AMG) informiert. Danach dürften pharmazeutische Unternehmer das bezeichnete Präparat u.a. auch an Ärzte abgeben. Im Hinblick auf die Behandlung von Hämophilie-Patienten sei dies die wirtschaftlichste Verordnungsweise. Das von der Klägerin vorgetragene Argument, wegen damaliger auswärtiger Tätigkeit des Patienten sei der Bezug nur über die Apotheke möglich gewesen, sei nicht nachvollziehbar. Sowohl die Arztpraxis als auch die Apotheke, von der der Patient das Medikament bezogen habe, hätten sich an dessen Wohnort befunden. Die jeweils werktags erfolgten Abholungen seien demnach auch durch Angehörige möglich gewesen. Ebenso wenig überzeuge ihr Vortrag, sie habe über keine geeigneten Lager- und Kühlmöglichkeiten für das Medikament verfügt. Für dieses sei eine Lagerung in einem Umkarton (Lichtschutz) nicht über 25° C (kein Einfrieren) vorgesehen. Es sei nicht ersichtlich, dass derartige Bedingungen (Lagerung bei Raumtemperatur oder im Kühlschrank) in der Arztpraxis nicht zu gewährleisten seien. Die Rechnungslegung des Herstellers erfolge direkt unter Beifügung der Verordnung gegenüber der Krankenkasse. Somit sei die Arztpraxis auch von einem zusätzlichen Arbeitsaufwand, wie z.B. einer Einziehung der Medikamentenzuzahlung, befreit.

4

Zur Begründung ihrer dagegen am 15. August, 6. November und 28. Dezember 2007 sowie 15. Juli 2008 erhobenen Widersprüche führte die Klägerin im Wesentlichen aus: Für die Regressfestsetzung fehle es an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Ihre Inanspruchnahme verstoße gegen die Art. 2, 12 und 14 Grundgesetz (GG). Die §§ 2 und 12 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) stellten lediglich Rechtsprinzipien dar; § 106 SGB V regele den vorliegenden Einzelfall nicht. Aus § 47 AMG lasse sich weder eine Verpflichtung des Herstellers zur Belieferung anderer Abnehmer als Apotheken noch eine Verpflichtung anderer Abnehmer zum Bezug und zur Abnahme entnehmen. Vorliegend habe es sich lediglich um die Nachverordnung eines für den Patienten lebenswichtigen Präparats gehandelt, auf das er vom Hämophiliezentrum der Martin-Luther-Universität H.-W. eingestellt worden sei. Auch auf die §§ 3 und 12 der einschlägigen Prüfvereinbarung (PV) ließen sich die Regresse nicht stützen. Zwar hätten Mitarbeiterinnen der Beigeladenen zu 1) sie auf den alternativen Bezugsweg hingewiesen, nicht jedoch auf eine angebliche Verpflichtung, diesen auch zu nutzen.

5

Mit Bescheiden vom 25. April 2008 (Prüfbescheide vom 25. Juli und 25. Oktober 2007) und 29. April 2009 (Prüfbescheide vom 17. Dezember 2007 und 24. Juni 2008) wies der Beklagte die Widersprüche unter Bezugnahme auf die Argumentation in den Prüfbescheiden als unbegründet zurück.

6

Gegen den ihr am 28. April 2008 zugestellten Bescheid vom 25. April 2008 hat die Klägerin am 28. Mai 2008 und gegen den ihr am 30. April 2009 zugestellten Bescheid vom 29. April 2009 am 29. Mai 2009 vor dem Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. § 47 AMG sei nicht konzipiert, um hinsichtlich der Leistungserbringer das Wirtschaftlichkeitsprinzip sicher zu stellen. Im Übrigen lägen auch die Voraussetzungen von § 47 Abs. 1 Ziff. 2a) AMG nicht vor. Sie sei keine hämostaselogisch qualifizierte Ärztin. Schließlich müsse sie beim Direktbezug die Versicherung erhöhen, was nicht gefordert werden könne. Angesichts des hohen Abgabepreises des Präparats sei diese nämlich im Hinblick auf Diebstahl, Vandalismus, Elementarschäden sowie Schutz vor Verderbnis bei Stromausfall anzupassen, was eine Prämiensteigerung um mehrere 100,00 EUR bedinge.

7

Der Beklagte hat darauf verwiesen, dass der Vertragsarzt nach § 13 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) verpflichtet sei, die notwendigen Verordnungen zu treffen, soweit die zu verordnenden Leistungen in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fielen. Dabei habe er das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten und seine Verordnungsweise danach einzurichten. Mit dem gewählten Bezugsweg habe die Klägerin das Maß des Notwendigen überschritten, weil der Direktbezug vom Hersteller deutlich kostengünstiger sei. Der in § 47 AMG geregelt Sondervertriebsweg habe der Klägerin offen gestanden, zumal sie von der Beigeladenen zu 1) hierauf hingewiesen worden sei. Kosten oder Aufwendungen für Versicherungen, die auf die Klägerin abgeschoben würden, seien insoweit nicht ersichtlich.

8

Mit Beschlüssen vom 20. Mai 2009, 16. Dezember 2011 und 27. Januar 2012 hat das SG die Beigeladenen an den Verfahren beteiligt und diese zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

9

Mit Urteil vom 9. Mai 2012 hat das SG die Klagen abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise festgesetzten Regresse seien zu Recht erfolgt, wobei weder die Wahl der Prüfmethode noch die Höhe der Regresses zu beanstanden seien. Die von der Klägerin getätigten Verordnungen seien hinsichtlich des Bezugsweges zwar grundsätzlich zulässig gewesen. Allerdings habe die Möglichkeit einer wesentlich kostengünstigen Versorgung bestanden, über die sie von der Beigeladenen zu 1) rechtzeitig unterrichtet worden sei. Da diese ihr gegenüber lediglich beratend tätig werden könne, sei unerheblich, wenn die Klägerin von der Beigeladenen zu 1) nicht darauf hingewiesen worden sei, zwingend den günstigeren Vertriebsweg zu nutzen. Es sei auch kein Grund dafür ersichtlich, weshalb der Patient das streitige Präparat notwendig aus der Apotheke statt der Arztpraxis der Klägerin habe holen sollen. Darauf, ob die Klägerin über die Zusatzbezeichnung Hämostaseologie verfügt habe, komme es vorliegend nicht an. Denn die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt vom 27. November 1993 in der Fassung vom 11. November 2002 habe derartiges nicht vorgesehen. Anderes ergebe sich erst nach der am 16. April 2005 beschlossenen und am 8. Dezember 2005 durch das Ministerium für Gesundheit und Soziales genehmigten Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, nach der die Weiterbildungszeit zwölf Monate betrage. Schließlich greife auch der Einwand einer höheren Versicherungsprämie nicht, da nicht erkennbar sei, weshalb keine sofortige Übergabe an den Versicherten bzw. einen seiner Familienangehörigen habe erfolgen können.

10

Gegen das ihr am 6. Juni 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin noch im selben Monat Berufung eingelegt und an ihrer Ansicht festgehalten. Ergänzend verweist sie darauf, dass die Berücksichtigung des Bezugsweges im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots allenfalls auf Grundlage von § 73 Abs. 8 SGB V möglich sei. Diese Vorschrift sei jedoch erst zum 1. April 2007 in Kraft getreten und somit auf den streitgegenständlichen Zeitraum (1. April 2006 bis 31. März 2007) nicht anwendbar. Auch dieser Umstand stütze ihre Auffassung.

11

Die Klägerin beantragt,

12

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. Mai 2012 sowie die Bescheide des Beklagten vom 25. April 2008 und 29. April 2009 aufzuheben;

13

hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide zu verpflichten, ihre Widersprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

14

Der Beklagte beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Unter Wiederholung und Vertiefung seiner Ausführungen verteidigt er seine Entscheidungen und diejenige des SG. Ihre Position als Vertragsärztin beinhalte für die Klägerin zugleich Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gelte nicht nur in Bezug auf die Versorgung der Versicherten mit gleich wirksamen Medikamenten, sondern ebenso für die Wahl des Bezugsweges. Es gebe keinen sachlichen Grund, dem Versicherten bei unterschiedlich teuren Bezugsquellen einen Anspruch auf Versorgung mit dem Medikament aus der teureren Quelle zu gewähren. Entgegen der Ansicht der Klägerin komme es auch nicht darauf an, ob sie über die Zusatzbezeichnung "Hämostaseologie" verfügt habe.

17

Auf entsprechenden Hinweis des Berichterstatters hat die Beigeladene zu 1) mitgeteilt, dass im Rahmen der Regressberechnung der Herstellerrabatt nicht mit eingeflossen und das streitgegenständliche Blutplasmakonzentrat nach der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) auch nicht herstellerrabattpflichtig sei. Ansonsten haben sich die Beigeladenen nicht (weiter) geäußert und insbesondere keine Anträge gestellt.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe

19

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte sowie auch ansonsten zulässige Berufung hat Erfolg.

20

Der Senat ist nach den §§ 10 Abs. 2 Satz 1, 31 Abs. 2, 40 Satz 2 SGG für die Entscheidung zuständig, weil es sich beim vorliegenden Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung um eine klassische vertragsärztliche Angelegenheit handelt. Dabei entscheidet der Senat in der sich aus den §§ 12 Abs. 3 Satz 1, 33 Abs. 1, 40 Satz 1 SGG ergebenden Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und der Vertragsärzte, da der Rechtsstreit die Entscheidung eines Gremiums betrifft, in welchem deren Vertreter mitgewirkt haben.

21

Die zulässigen (kombinierten) Klagen (vgl. hierzu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 6. Mai 2009 – B 6 KA 3/08 R – MedR 2010, 276; Urteil vom 16. Juli 2003 – B 6 KA 44/02 R – GesR 2004, 144; Urteil vom 24. November 1993 – 6 RKa 20/91 – SozR 3-2200 § 368n Nr. 6; Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 37/08 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 26) sind im Sinne des Hauptantrags begründet. Die Bescheide des Beklagten vom 25. April 2008 und 29. April 2009 sind rechtswidrig und beschweren die Klägerin damit im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

22

Als Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide kommt § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V in der hier noch maßgeblichen Fassung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes vom 14. November 2003 (BGBl. I, 2190) i.V.m. den §§ 3 und 12 der auf Grundlage von § 106 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 SGB V auf Landesebene geschlossenen und – grundsätzlich – im Zeitraum der Quartale I/2004 bis IV/2012 anwendbaren PV der Beigeladenen zu 2) in Betracht. Danach hat der Prüfungsausschuss u.a. auf begründeten Antrag einer Krankenkasse zu prüfen, ob der Vertragsarzt durch veranlasste, verordnete oder selbst erbrachte Leistungen im einzelnen Behandlungs- bzw. Verordnungsfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat (§ 12 Abs. 1 Satz 1 PV). Er entscheidet, ob und in welcher Höhe Unwirtschaftlichkeit besteht (§ 12 Abs. 3 Satz 2 PV), wobei es auf ein ärztliches Verschulden nicht ankommt (vgl. statt aller nur BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 6 KA 27/12 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 40, m.w.N.; Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 37/08 R, s.o.).

23

Ausgehend hiervon sind die angefochtenen Bescheide in formeller Hinsicht zunächst nicht zu beanstanden. Insbesondere sind im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren die insoweit zu beachtenden Anforderungen erfüllt. Die Beigeladene zu 1) hat ihre Prüfanträge ausführlich begründet und jeweils die zugrunde liegenden Unterlagen (etwa die einzelnen Verordnungen) beigefügt. Daneben sind die Anträge jeweils auch innerhalb der nach § 12 Abs. 2 PV zu beachtenden Frist von zwölf Monaten nach Ablauf des Behandlungsquartals, in dem die entsprechenden Verordnungen durch die Klägerin ausgestellt wurden, bei den Prüfgremien eingegangen (vgl. hierzu aber auch BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 37/08 R, a.a.O.).

24

1. In der Sache hat der Beklagte jedoch unzutreffend entschieden, dass die Klägerin gegen das von ihr zu beachtende Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat.

25

Nach dem im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V) müssen die Leistungen an die Versicherten ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können die Versicherten nicht beanspruchen und dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken. Für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung wird das Gebot in den §§ 70 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2, 75 Abs. 2 SGB V nochmals aufgegriffen und in § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassen (EKV), der auf Grundlage von § 83 Abs. 3 SGB V (in der Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I, 2477) vereinbart und auf Basis von § 83 Abs. 1 SGB V (in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes, BGBl. I, 2266) geändert wurde (nunmehr § 83 Satz 1 bis 3 SGB V), konkretisiert. Danach hat jeder Vertragsarzt das – durch die auf Bundes- und Landesebene vertraglich geregelte – Gebot der Wirtschaftlichkeit zu beachten und hierauf seine Behandlungs- und Verordnungsweise einzurichten. Die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (nunmehr Gemeinsamer Bundesausschuss – GBA) nach § 92 SGB V zur ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten beschlossenen Richtlinien sind für ihn verbindlich (§ 91 Abs. 6 SGB V). Weiter bestimmt § 15 Abs. 2 Satz 1 EKV in Aufgriff von § 73 Abs. 5 Satz 1 SGB V, dass der Vertragsarzt bei der Verordnung von Arzneimitteln die Preisvergleichsliste nach § 92 Abs. 2 SGB V beachten soll. Insgesamt resultiert hieraus die vertragsärztliche Verpflichtung, sich nicht nur insgesamt, sondern auch bei jeder einzelnen Leistung entsprechend dem Wirtschaftlichkeitsgebot zu verhalten (ständige Rspr. des BSG, vgl. nur Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 6 KA 38/10 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 33; Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 44/06 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 17).

26

Auch wenn der Vertragsarzt danach verpflichtet ist, bei der Verordnung von Arzneimitteln insbesondere auf deren Preise zu achten (siehe § 9 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 Arzneimittelrichtlinien – AMRL), folgt aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot entgegen der Auffassung des Beklagten, der Beigeladenen zu 1) und des SG grundsätzlich nicht ohne Weiteres auch seine Verpflichtung, den preisgünstigsten Bezugsweg zu wählen. Eine im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einem Regress führende vertragsärztliche Verantwortung zur Beachtung der Bezugsquelle lässt sich vielmehr nur dann begründen, wenn Entsprechendes durch (unter-)gesetzliche Regelungen eindeutig angeordnet ist. Das ist im vorliegenden Zusammenhang nicht der Fall.

27

a) Eine Grundlage für einen Regress ergibt sich insbesondere nicht aus § 73 Abs. 8 Satz 1 SGB V. Nach der hier maßgeblichen vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2007 gültigen Fassung dieser Vorschrift hatten u.a. die Krankenkassen die Vertragsärzte auch vergleichend über die jeweiligen Preise verordnungsfähiger Leistungen zu informieren. Abgesehen davon, dass sich die Norm damit schon nicht an die Vertragsärzte selbst richtete, gehörte die Bezugsquelle überdies nicht zu ihrem Regelungsgehalt. Hieran hat sich auch auf Grundlage der seit dem 1. April 2007 gültigen Normfassung nichts geändert. Denn durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007 (BGBl. I, 1622) wurden hinter den Begriff "Leistungen" zwar die Wörter "und Bezugsquellen" eingefügt. Schon nach dem Gesetzeswortlaut ist der Adressatenkreis aber gleich geblieben. Die Kassenärztlichen Vereinigungen, Kassenärztlichen Bundesvereinigungen sowie die Krankenkassen und ihre Verbände haben lediglich zusätzlich die Möglichkeit erhalten, den Vertragsarzt auch über kostengünstige Bezugswege zu informieren. Bestätigt wird diese Auslegung durch die Gesetzesbegründung, wonach durch die Neufassung das Vertragsprinzip in der Arzneimittelversorgung gestärkt werden, das Recht der freien Wahl des Anbieters durch die Vertragsärzte – und die Versicherten – allerdings ausdrücklich unberührt bleiben sollte (BT-Drucks. 16/3100, 13 und 111). Dieser gesetzgeberische Wille ist im Normwortlaut klar zum Ausdruck gekommen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die vom Beklagten und der Beigeladenen zu 1) angenommene Verpflichtung des Vertragsarztes zur Wahl des preisgünstigsten Bezugsweges nicht besteht.

28

b) Auch aus § 47 AMG lässt sich keine im Falle der Nichtbeachtung zum Regress führende Verpflichtung der Klägerin zur Wahl einer bestimmten Bezugsquelle herleiten, womit unerheblich ist, dass sie Ende Oktober 2005 von Mitarbeiterinnen der Beigeladenen zu 1) auf den insoweit eröffneten preisgünstigeren Vertriebsweg hingewiesen worden ist. Dabei kann offen bleiben, ob diese Norm auf die Klägerin überhaupt anwendbar ist, wozu der Senat im Ergebnis neigt.

29

Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) AMG "dürfen" pharmazeutische Unternehmer und Großhändler neben Blutzubereitungen und gentechnisch hergestellten Blutbestandteilen auch Gerinnungsfaktorenzubereitungen unmittelbar an einen hämostaseologisch qualifizierten Arzt im Rahmen der von ihm kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern abgeben. Der Senat geht davon aus, dass es sich bei den vorliegenden Verordnungen des Gerinnungsfaktors VIII SDH Inters 1000 DFL an einen Versicherten der Beigeladenen zu 1) um ein Präparat im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) AMG handelt. Zwar verfügte die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum über keine Zusatzbezeichnung als hämostaseologisch qualifizierte Ärztin, die im Bezirk der Beigeladenen zu 2) nach Abschnitt C der zum 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt ohnehin erst ab Anfang 2007 geführt werden konnte. Hierauf würde es nach Ansicht des Senats aber nicht entscheidend ankommen. Da § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) AMG insbesondere auf Hämophiliezentren ausgerichtet ist, die – wie hier – die Präparate ihren Patienten zur ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung mitgeben, und zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens (7. Juli 1998) schon rein faktisch keine hämostaseologisch qualifizierten Vertragsärzte im Sinne der Norm existierten, erfüllt nämlich jeder Arzt, der schon einige Zeit in diesem Bereich tätig ist, die einschlägige Vorgabe (von Czettritz in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2010, § 24 Rn. 24). Hierfür sprechen auch die Gesetzesmaterialien. § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) AMG in seiner seit Juli 1998 gültigen Fassung beruht auf dem Transfusionsgesetz vom 1. Juli 1998 (BGBl. I, 1752). Zuvor waren Gerinnungsfaktorbestimmungen von der Vorschrift nicht erfasst. Mit der Ergänzungsregelung sollte klargestellt werden, dass der Arzt entsprechende Präparate auch dann abgeben darf, wenn die Behandlung nicht in seiner Praxis stattfindet. Bereits seinerzeit hätte sich die Selbstbehandlung von Blutern seit etwa 25 Jahren bewährt; die Abgabe der Gerinnungsfaktoren durch den Arzt sei geduldete Praxis. Im Übrigen wollte der Gesetzgeber hierdurch Kosten im Gesundheitswesen einsparen (BT-Drucks. 13/9594). Darüber hinaus gehende inhaltliche Anforderungen an eine "hämostaseologische Qualifikation" lassen sich dem Gesetz (im streitgegenständlichen Zeitraum) nicht entnehmen. Davon, dass die Klägerin bereits einige Zeit in diesem Bereich tätig war, ist auszugehen.

30

Der Annahme, aus § 47 Abs. 1 AMG in Verbindung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot folge ohne weiteres die vertragsärztliche Verpflichtung zur ausnahmslosen Nutzung dieses Bezugsweges, steht jedoch die eindeutige Gesetzesformulierung entgegen. Die Norm spricht nur davon, dass bestimmte Arzneimittel u.a. an Ärzte abgegeben werden "dürfen". Von einer Beschränkung allein auf diese Bezugsoption in allen Katalogfällen des § 47 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AMG ist gerade nicht die Rede. Zudem sprechen die Systematik sowie der Sinn und Zweck des Gesetzes für diese Auslegung. Während § 43 AMG den Grundsatz normiert, dass Arzneimittel an Endverbraucher nur von Apotheken abgegeben werden dürfen, sofern sie nicht generell von der Apothekenpflicht ausgenommen sind, bestimmt § 47 AMG Ausnahmen von dieser Regel und nennt abschließend ganz bestimmte Fälle eines zulässigen – allerdings nicht verpflichtenden – Direktbezugs (vgl. Rehmann, AMG, 2003, § 47 Rn. 1). Auch ansonsten dient das AMG nicht der Sicherstellung des Wirtschaftlichkeitsgebots, sondern bezweckt im Interesse der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von Mensch und Tier die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu gewährleisten, insbesondere für deren Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zu sorgen (§ 1 AMG).

31

Ein abweichendes Verständnis (quasi im Sinne einer Inpflichtnahme des Vertragsarztes) würde für den betroffenen Vertragsarzt überdies bedeuten, vorsorglich für alle abstrakt von § 47 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AMG erfassten Arzneimittel die notwendigen Aufbewahrungs- und Sicherungsvorkehrungen zu treffen. Diese mögen entsprechend den Darlegungen des Prüfungsausschuss für die vorliegenden Präparate zwar noch überschaubar sein; sie lassen sich in dieser Form jedoch nicht entsprechend auf jeden Anwendungsfall der Norm übertragen. Jedenfalls verbliebe eine weitere Vorsorgeverpflichtung zur Abwendung von Straftaten und zu versichernden Risiken, die nach dem nachvollziehbaren Vortrag der Klägerin mit zusätzlichen finanziellen Aufwendungen verbunden wäre. Denn davon, dass ein Medikament – wie vorliegend – sogleich in Empfang genommen wird, kann nicht bei jedem Patienten ausgegangen werden. Überdies ist auch nicht ersichtlich, weshalb eine vertragsärztliche Beschränkung auf den Bezugsweg des § 47 AMG für den Versicherten in jedem Fall vorteilhafter sein soll, als die übliche und bewährte Versorgung über die Apotheke, bei der unter Berücksichtigung von Bereitschaftsdiensten regelmäßig ein wartezeitloser Zugang "rund um die Uhr" gewährleistet ist.

32

c) Eine Verpflichtung der Klägerin zur Beachtung der Bezugsquelle lässt sich auch nicht den Regelungen der hier maßgeblichen und vom 1. Juli 2004 bis zum 31. März 2012 gültigen Sprechstundenbedarfsvereinbarung (SSBV) der Beigeladenen zu 2) entnehmen. Nach § 2 Abs. 7 Sätze 1 und 2 SSBV waren als Sprechstundenbedarf nur die in der Anlage dieser Vereinbarung aufgeführten Mittel, wozu nach Nr. 7 der Anlage auch bestimmte Arzneimittel zählten, verordnungsfähig. Andere Mittel durften als Sprechstundenbedarf nicht verordnet werden. Soweit in § 2 Abs. 6 SSBV angeordnet ist, dass die nach den §§ 44 oder 47 AMG von der Apothekenpflicht oder der Vertriebsbindung ausgenommenen Arzneimittel unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit der Bezugsquelle zu beziehen sind, sind hiervon nur Arzneimittel des Sprechstundenbedarfs betroffen. Diese werden in § 2 Abs. 7 Satz SSBV in Verbindung mit Punkt 7 seiner Anlage aufgeführt, zu dem § 2 Abs. 6 SSBV in unmittelbarem systematischem Zusammenhang steht, und allein diese sind Gegenstand der genannten Vereinbarung. Hierzu zählen weder Gerinnungsfaktorenzubereitungen noch sämtliche sonstigen in § 47 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AMG aufgeführten Arzneimittel. Im Übrigen ergibt sich aus der SSBV schon deshalb keine vertragsärztliche Vorgabe im Sinne einer Bezugsverpflichtung direkt vom Hersteller, die als Ausdruck eines allgemein gültigen Rechtsgedankens verstanden werden könnte, weil Sprechstundenbedarf nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SSBV (nur) verordnet werden "kann". Nur dann, wenn der Vertragsarzt Arzneimittel als solchen verordnet, hat er insbesondere die durch § 2 Abs. 6 und 7 SSBV normierten Einschränkungen zu beachten. Besteht danach für ihn aber bereits keine Verpflichtung, überhaupt Sprechstundenbedarf zu verordnen, kann aus der SSBV erst recht keine – verallgemeinerungsfähige – Pflicht zur Wahl der preisgünstigsten Bezugsquelle erwachsen. Vielmehr liegt auch hier der Umkehrschluss nahe, dass der Vertragsarzt außerhalb des Anwendungsbereichs der SSBV (also allgemein) frei über die Wahl des Bezugsweges entscheiden kann.

33

d) Schließlich enthalten die zur wirtschaftlichen Verordnungsweise von Arzneimitteln in § 9 AMRL getroffenen Konkretisierungen im Hinblick auf den Bezugsweg ebenfalls keine Ausführungen.

34

e) Weitere gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen, aus denen sich eine Verpflichtung herleiten ließe, bei Arzneimittelverordnungen die finanziellen Auswirkungen des Bezugsweges zu beachten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere reicht § 12 Abs. 1 SGB V insoweit als alleinige Ermächtigungsgrundlage nicht aus. Diese Norm stellt zwar eine Konkretisierung der allgemeinen Vorschriften des SGB V dar. So bestimmt bereits § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V, dass die Krankenkassen den Versicherten die im dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung zu stellen haben, und § 2 Abs. 4 SGB V, dass Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte darauf zu achten haben, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden. Gleichwohl wird § 12 Abs. 1 SGB V seinerseits in diversen Einzelnormen wie § 27a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 28 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 1, § 39 Abs. 1 Satz 2, § 40 Abs. 1, § 43 Abs. 1 und § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V – sowie im vertragsärztlichen Bereich durch die §§ 70 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2, 75 Abs. 2 und 92 SGB V in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Sätze 1 und EKV – weiter konkretisiert (s.o. unter 1., S. 8). Hintergrund hierfür ist die Notwendigkeit, das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot mit anderen wichtigen Grundprinzipien – einschließlich der Grundrechte der Leistungserbringer und der Versicherten – in Konkordanz zu bringen (vgl. Ulmer in Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 13 Rn. 10, 17 ff.).

35

Eine solche Konkretisierung durch eine andere (unter-)gesetzliche Regelung ist hier zwingend erforderlich, was insbesondere aus § 92 Abs. 1 SGB V folgt. Danach beschließt der GBA zur Sicherung der ärztlichen Versorgung Richtlinien über die Gewährung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten. Nach dem klaren Wortlaut kann er dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen einschränken oder ausschließen, wenn deren Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen ist. Ausdrücklich kann er auch die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischem oder therapeutischem Nutzen verfügbar ist. Weder im streitgegenständlichen Zeitraum noch aktuell hat der GBA in der AMRL für den Vertragsarzt jedoch eine Vorgabe zur Beachtung der Bezugsquelle aufgestellt (siehe zuvor unter d). Die in § 92 Abs. 2 SGB V niedergelegten umfangreichen Anforderungen an Richtlinien, um "dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie" zu ermöglichen, wären überflüssig, wenn der Beklagte auch ohne sie direkt aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot eine Verpflichtung zur Wahl der preisgünstigsten Bezugsquelle ableiten könnte.

36

Auch § 72 Abs. 2 SGB V spricht dagegen, § 12 Abs. 1 SGB V als ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Regressfestsetzungen anzusehen. Danach ist die vertragsärztliche Versorgung ausdrücklich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des GBA durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln ist, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewährleistet ist. Diese Vorschrift ginge ins Leere, wenn der Beklagte einseitig (ohne schriftliche Verträge oder Richtlinienvorgaben) festlegen könnte, wie eine wirtschaftliche Versorgung der Versicherten inhaltlich zu geschehen hat.

37

2. War damit bereits dem Hauptantrag stattzugeben, kam es auf das Hilfsbegehren der Klägerin nicht mehr entscheidend an. Insoweit weist der Senat – sofern man sich seiner zuvor dargelegten Rechtsansicht nicht anschließen würde – nur darauf hin, dass auch die Festsetzung des Regresses der Höhe nach rechtswidrig, da ermessensfehlerhaft war. Weil es sich vorliegend gerade nicht um einen Arzneikostenregress wegen unzulässiger Verordnungen handelte, war insoweit auch eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 37/08 R, s.o.).

38

Dem Recht der Wirtschaftlichkeitsprüfung kommt im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ein hoher Stellenwert zu. Bei der Festlegung der Höhe der Honorarkürzungen als Reaktion auf eine festgestellte Unwirtschaftlichkeit steht den Prüfgremien regelmäßig ein Ermessensspielraum zu, der eine ganze Bandbreite denkbarer vertretbarer Entscheidungen bis hin zur Kürzung des gesamten unwirtschaftlichen Mehraufwandes ermöglicht und der gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt (zur Geltung im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen siehe schon BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 – 6 RKa 5/96 – SozR 3-2500 § 106 Nr. 38; Urteil vom 21. Mai 2003 – B 6 KA 32/02 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 1). Die danach anzustellende gerichtliche Kontrolle bezieht sich darauf, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten und von ihm in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Das schließt ein, dass alle für die Entscheidung relevanten Tatsachen bei der Ermessensausübung berücksichtigt worden sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn der Beklagte, der die Schadensberechnung der Beigeladenen zu 1) bei seinen Entscheidungen unverändert übernommen hat, hat keinerlei Überlegungen im Hinblick auf eine Berücksichtigung des Arzneimittelherstellerrabatts angestellt. Insoweit liegt ein vollständiger Ermessensausfall vor.

39

Die Rabattierungspflicht ist aber auch im Rahmen des § 47 AMG (= Fall des § 1 Abs. 3 Nr. 3 AMPreisV vom 14. November 1980, BGBl. I, 2147; zuletzt geändert durch Art. 3 des Apothekennotdienstsicherstellungsgesetzes vom 15. Juli 2013, BGBl. I, 2420) zu beachten (siehe hierzu näher BSG, Urteil vom 29. April 2010 – B 3 KR 3/09 R – SozR 4-2500 § 130a Nr. 6; Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 1 KR 7/09 R – SozR 4-2500 § 130a Nr. 4). Das geht auch konform mit der Rechtsprechung des 6. Senats des BSG. Denn nach dieser ist nur dann kein Raum für einen Rabattabzug und/oder einen Abzug von Patienteneigenanteilen, wenn die Arzneimittel nicht – wie vorliegend – von Apotheken bezogen werden (siehe nochmals Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 37/08 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 26). Allein maßgeblich ist insoweit die tatsächlich erfolgte Abgabeform, was sich aus Wortlaut, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der einschlägigen Regelungen ergibt (siehe nochmals BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 1 KR 7/09 R, a.a.O.).

40

a) Eine Nichtberücksichtigung des Rabatts ließe sich entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1) auch nicht auf § 1 Abs. 3 Nr. 6 AMPreisV stützen, wonach das Arzneimittelpreisrecht für die Abgabe von Blutkonzentraten, die zur Anwendung bei der Bluterkrankheit bestimmt sind, nicht gilt. Denn dieser Norm kommt jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang im Verhältnis zu § 1 Abs. 3 Nr. 3 AMPreisV keine eigenständige Bedeutung zu.

41

Letztgenannte Vorschrift knüpft an § 47 Abs. 1 Nr. 2a) AMG an. Bereits nach dessen Wortlaut kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass es sich auch beim hier relevanten Präparat um eine Blutzubereitung handelt. Denn nach dem Gesetzestext, der auf " ... aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen oder gentechnisch hergestellte Blutbestandteile, die, soweit es sich um Gerinnungsfaktorenzubereitungen handelt ..." abstellt, sind Gerinnungsfaktoren ausdrücklich als eine Untergruppe von Blutzubereitungen zu verstehen. Hierfür spricht auch § 4 Abs. 2 AMG, der Blutzubereitungen dahin legal definiert, als dies Arzneimittel sind, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumkonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen sind oder als Wirkstoffe enthalten. Danach lassen sich Blutzubereitungen in zwei Gruppen untergliedern, nämlich in Transfusionsprodukte und Plasmaderivate. Zu letzteren gehören insbesondere auch Gerinnungsfaktoren zur Behandlung der Bluterkrankheit (siehe Hergert in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2010, § 32 Rn. 6 und 8). Handelt es sich demnach bei den zur Behandlung von Blutern hergestellten Gerinnungsfaktoren um nichts anderes als ein zum selben Zweck bestimmtes Blutkonzentrat gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 6 AMPreisV (= Blutzubereitung im Sinne des AMG), muss diese Vorschrift die gleiche Rechtsfolge nach sich ziehen, die § 1 Abs. 3 Nr. 3 AMPreisV in der zuvor aufgezeigten Auslegung durch das BSG, der sich der Senat anschließt, erfahren hat. Ansonsten würde das insoweit gefundene Ergebnis letztlich leer laufen, da die zur Behandlung der Bluterkrankheit bestimmten Blutzubereitungen im vorliegenden Zusammenhang mit anderen Worten notwendigerweise vom sachlichen Anwendungsbereich beider Normen erfasst werden.

42

Die von der Beigeladenen zu 1) vertretene Auffassung würde letztlich auch dem Ziel des Gesetzgebers widersprechen, das er mit der Rabattierungsregelung des § 130a Abs. 1 SGB V und der dabei erfolgten Anknüpfung an das Arzneimittelpreisrecht verfolgte. Durch diese Regelung sollte nämlich insbesondere Einfluss auf die Ausgabenentwicklung und die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung genommen und insoweit auch den pharmazeutischen Unternehmen zur Stabilisierung des Aufwandes der Krankenkassen für die Arzneimittel ein angemessener Beitrag abverlangt werden (vgl. BT-Drucks. 15/28, 1, 11 und 12). Wenn die Krankenkassen diesen Beitrag aber als Herstellerrabatt vom Abgabepreis abziehen können, ist dies auch bei der Höhe der Regressfestsetzung zu beachten.

43

Auf § 130a Abs. 1 Satz 5 SGB V könnte die Beigeladene zu 1) sich ebenfalls nicht stützen. Selbst wenn nämlich der Gesetzgeber der Auffassung gewesen sein sollte, auch eine Blutzubereitung wie das vorliegende Gerinnungspräparat werde nicht von der Herstellerrabattpflicht nach § 130a SGB V erfasst, was durch die Anfügung des Satzes 5 an dessen Absatz 1 klargestellt werden sollte, ändert dies nichts an der sich aus den §§ 43, 47 und 78 AMG sowie der AMPreisV ergebenden gegenteiligen Rechtslage (näher hierzu nochmals BSG, Urteil vom 29. April 2010 – B 3 KR 3/09 R – SozR 4-2500 § 130a Nr. 6).

44

b) Folglich wäre das Preisbildungssystem des § 1 Abs. 1 AMPreisV einschlägig und der vom Arzneimittelhersteller bekannt gemachte sowie in der sogenannten "Lauer-Taxe" ausgewiesene Abgabepreis zu Grunde zu legen, über dessen Höhe zwischen den Beteiligten kein Streit besteht. Danach ergäbe sich für das Quartal I/2007 auf Grundlage der von der Beigeladenen zu 1) mitgeteilten Daten folgende Berechnung: Abzüglich der Zuzahlungen wurde das Präparat dem Versicherten 120mal zu einer Netto-Taxe i.H.v. insgesamt 117.752,40 EUR verordnet. Wird hiervon der nach § 130a Abs. 1a) Satz 1 SGB V einschlägige Rabatt subtrahiert, der sich auch nach den im streitgegenständlichen Zeitraum gültigen Fassungen der Vorschrift auf 16 % des Nettoabgabepreises belief, ergibt sich ein Betrag i.H.v. 98.912,02 EUR. Dem ist der Netto-Herstellerpreis des Medikaments i.H.v. 795,00 EUR multipliziert mit 120 gegenüber zu stellen (= 95.400,00 EUR). Wird dieser Wert von 98.912,02 EUR abgezogen, resultiert für das Quartal I/2007 ein Betrag i.H.v. 3.512,02 EUR (statt vom Beklagten entsprechend der Berechnung der Beigeladenen zu 1) angesetzten 4.226,40 EUR). Wird entsprechend für die Quartale II bis IV/2006 verfahren (Netto-Taxe i.H.v. jeweils insgesamt 114.782,40 EUR minus 16 % [= 96.417,22 EUR] abzüglich 95.400,00 EUR), ergibt sich jeweils ein Betrag i.H.v. 1.017,22 EUR (statt jeweils 4.028,40 EUR). Zusammengerechnet würde dies gegenüber der vom Beklagten festgesetzten Regresssumme i.H.v. 16.311,60 EUR zu einem Wert von 6.563,68 EUR führen.

45

Nach alledem war der Berufung stattzugeben.

46

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und folgt hinsichtlich der Beigeladenen aus den §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

47

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil der Senat der Frage, inwieweit der Vertragsarzt im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots die Auswirkungen der Bezugsquelle zu beachten hat, grundsätzliche Bedeutung zumisst. Entsprechendes gilt im Hinblick auf eine Berücksichtigung des Herstellerrabatts bei einer ggf. vorzunehmenden Schadensberechnung.

48

Die Entscheidung zum Gegenstandswert ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. den §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 40 und 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz und entspricht der Höhe des insgesamt festgesetzten Regresses.


Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 15. Jan. 2014 - L 9 KA 5/12

Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 15. Jan. 2014 - L 9 KA 5/12

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 15. Jan. 2014 - L 9 KA 5/12 zitiert 41 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 92 Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses


(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erforder

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 39 Krankenhausbehandlung


(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bish

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 12 Wirtschaftlichkeitsgebot


(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 33 Hilfsmittel


(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen od

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 106 Wirtschaftlichkeitsprüfung


(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und d

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 73 Kassenärztliche Versorgung, Verordnungsermächtigung


(1) Die vertragsärztliche Versorgung gliedert sich in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung. Die hausärztliche Versorgung beinhaltet insbesondere1.die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung eines Patienten in Diagnostik und Ther

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 91 Gemeinsamer Bundesausschuss


(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 4 Sonstige Begriffsbestimmungen


(1) Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in so

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 40 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation


(1) Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs. 2 beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationsei

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 28 Ärztliche und zahnärztliche Behandlung


(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung

Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen


Gesundheits-Reformgesetz - GRG

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 72 Sicherstellung der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung


(1) Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, medizinische Versorgungszentren und Krankenkassen wirken zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zusammen. Soweit sich die Vorschriften dieses Kapitels auf Ärzte beziehen, gelten

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 78 Preise


(1) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates1.Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel oder in Apotheken im Wiederverkauf

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 130a Rabatte der pharmazeutischen Unternehmer


(1) Die Krankenkassen erhalten von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 7 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Für Arzneimittel nach Absatz 3b Satz 1 beträgt

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 157


Das Landessozialgericht prüft den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Es hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 70 Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit


(1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten m

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 60 Fahrkosten


(1) Die Krankenkasse übernimmt nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. W

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 43 Apothekenpflicht


(1) Arzneimittel, die nicht durch die Vorschriften des § 44 oder der nach § 45 Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, dürfen außer in den Fällen des § 47 berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbr

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 27a Künstliche Befruchtung


(1) Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn 1. diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind,2. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteh

Arzneimittelpreisverordnung - AMPreisV | § 1 Anwendungsbereich der Verordnung


(1) Für Arzneimittel, die im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (Fertigarzneimittel) und deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes den Apotheken vorbehalten ist

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 12


(1) Jede Kammer des Sozialgerichts wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzern tätig. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden wirken die ehrenamtlichen Richter n

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 47 Vertriebsweg


(1) Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler dürfen Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an1.andere pharmazeutische Unternehmer und Großhändler,2.Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich handelt u

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 83 Gesamtverträge


Die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk einschließlich de

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 1 Zweck des Gesetzes


Es ist der Zweck dieses Gesetzes, im Interesse einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel, nach

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 10


(1) Bei den Sozialgerichten werden Kammern für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit, für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende, für Angelegenheit

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 43 Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation


(1) Die Krankenkasse kann neben den Leistungen, die nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 sowie nach §§ 73 und 74 des Neunten Buches als ergänzende Leistungen zu erbringen sind, 1. solche Leistungen zur Rehabilitation ganz oder teilweise erbringen oder förder

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 44 Ausnahme von der Apothekenpflicht


(1) Arzneimittel, die von dem pharmazeutischen Unternehmer ausschließlich zu anderen Zwecken als zur Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden zu dienen bestimmt sind, sind für den Verkehr außerhal

Referenzen - Urteile

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 15. Jan. 2014 - L 9 KA 5/12 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 15. Jan. 2014 - L 9 KA 5/12 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 20. März 2013 - B 6 KA 27/12 R

bei uns veröffentlicht am 20.03.2013

Tenor Auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. September 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhan

Bundessozialgericht Urteil, 19. Okt. 2011 - B 6 KA 38/10 R

bei uns veröffentlicht am 19.10.2011

Tenor Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. März 2010 und des Sozialgerichts Mainz vom 16. April 2008 sowie der Bescheid des Beklagten vom

Bundessozialgericht Urteil, 29. Apr. 2010 - B 3 KR 3/09 R

bei uns veröffentlicht am 29.04.2010

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob die Abgabe des Arzneimittels "Berinert P" an Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dem Arzneimittelher

Bundessozialgericht Urteil, 03. Feb. 2010 - B 6 KA 37/08 R

bei uns veröffentlicht am 03.02.2010

Tatbestand 1 Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Regressbescheiden wegen der Verordnung autologer Tumorvakzine (Quartale II und III/1998, I, II und IV/1999).

Referenzen

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler dürfen Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an

1.
andere pharmazeutische Unternehmer und Großhändler,
2.
Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich handelt um
a)
aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen mit Ausnahme von Gerinnungsfaktorenzubereitungen,
b)
Gewebezubereitungen oder tierisches Gewebe,
c)
Infusionslösungen in Behältnissen mit mindestens 500 ml, die zum Ersatz oder zur Korrektur von Körperflüssigkeit bestimmt sind, sowie Lösungen zur Hämodialyse und Peritonealdialyse, die, soweit es sich um Lösungen zur Peritonealdialyse handelt, auf Verschreibung des nephrologisch qualifizierten Arztes im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung seiner Dialysepatienten an diese abgegeben werden dürfen,
d)
Zubereitungen, die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen,
e)
medizinische Gase, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist,
f)
radioaktive Arzneimittel,
g)
Arzneimittel, die mit dem Hinweis "Zur klinischen Prüfung bestimmt" versehen sind, sofern sie kostenlos zur Verfügung gestellt werden,
h)
Blutegel und Fliegenlarven, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist, oder
i)
Arzneimittel, die im Falle des § 21 Absatz 2 Nummer 3 zur Verfügung gestellt werden,
3.
Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte, soweit es sich um Impfstoffe handelt, die dazu bestimmt sind, bei einer unentgeltlichen auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) durchgeführten Schutzimpfung angewendet zu werden oder soweit eine Abgabe von Impfstoffen zur Abwendung einer Seuchen- oder Lebensgefahr erforderlich ist,
3a.
spezielle Gelbfieber-Impfstellen gemäß § 7 des Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005), soweit es sich um Gelbfieberimpfstoff handelt,
3b.
Krankenhäuser und Gesundheitsämter, soweit es sich um Arzneimittel mit antibakterieller oder antiviraler Wirkung handelt, die dazu bestimmt sind, auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes zur spezifischen Prophylaxe gegen übertragbare Krankheiten angewendet zu werden,
3c.
Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen im Einzelfall benannte Stellen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für den Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, bevorratet werden,
4.
Veterinärbehörden, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die zur Durchführung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen bestimmt sind,
5.
auf gesetzlicher Grundlage eingerichtete oder im Benehmen mit dem Bundesministerium von der zuständigen Behörde anerkannte zentrale Beschaffungsstellen für Arzneimittel,
5a.
durch Landesrecht bestimmte Betreiber der Luftrettung, soweit es sich um aus menschlichem Blut gewonnene Erythrozytenkonzentrate handelt,
6.
Tierärzte im Rahmen des Betriebes einer tierärztlichen Hausapotheke, soweit es sich um Fertigarzneimittel handelt, zur Anwendung an den von ihnen behandelten Tieren und zur Abgabe an deren Halter,
7.
zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigte Personen, soweit es sich um Fertigarzneimittel, die ausschließlich in der Zahnheilkunde verwendet und bei der Behandlung am Patienten angewendet werden, oder um medizinische Gase handelt,
8.
Einrichtungen von Forschung und Wissenschaft, denen eine Erlaubnis nach § 3 des Betäubungsmittelgesetzes erteilt worden ist, die zum Erwerb des betreffenden Arzneimittels berechtigt,
9.
Hochschulen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung der Studierenden der Pharmazie und der Veterinärmedizin benötigt werden,
10.
staatlich anerkannte Lehranstalten für pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten, sofern es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung benötigt werden.

(2) Die in Absatz 1 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Empfänger dürfen die Arzneimittel nur für den eigenen Bedarf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben beziehen. Die in Absatz 1 Nr. 5 bezeichneten zentralen Beschaffungsstellen dürfen nur anerkannt werden, wenn nachgewiesen wird, dass sie unter fachlicher Leitung eines Apothekers stehen und geeignete Räume und Einrichtungen zur Prüfung, Kontrolle und Lagerung der Arzneimittel vorhanden sind.

(3) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels abgeben oder abgeben lassen an

1.
Ärzte oder Zahnärzte,
2.
andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde beim Menschen berufsmäßig ausüben, soweit es sich nicht um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt,
3.
Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe.
Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe nur in einem dem Zweck der Ausbildung angemessenen Umfang abgeben oder abgeben lassen. Muster dürfen keine Stoffe oder Zubereitungen
1.
im Sinne des § 2 des Betäubungsmittelgesetzes, die als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind, oder
2.
die nach § 48 Absatz 2 Satz 3 nur auf Sonderrezept verschrieben werden dürfen,
enthalten.

(4) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Personen nach Absatz 3 Satz 1 nur auf jeweilige schriftliche oder elektronische Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen. Mit den Mustern ist die Fachinformation, soweit diese nach § 11a vorgeschrieben ist, zu übersenden. Das Muster dient insbesondere der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels. Über die Empfänger von Mustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe von Mustern sind gesondert für jeden Empfänger Nachweise zu führen und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.

(1) Die vertragsärztliche Versorgung gliedert sich in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung. Die hausärztliche Versorgung beinhaltet insbesondere

1.
die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung eines Patienten in Diagnostik und Therapie bei Kenntnis seines häuslichen und familiären Umfeldes; Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen,
2.
die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen einschließlich der Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins bei einem an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer,
3.
die Dokumentation, insbesondere Zusammenführung, Bewertung und Aufbewahrung der wesentlichen Behandlungsdaten, Befunde und Berichte aus der ambulanten und stationären Versorgung,
4.
die Einleitung oder Durchführung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen sowie die Integration nichtärztlicher Hilfen und flankierender Dienste in die Behandlungsmaßnahmen.

(1a) An der hausärztlichen Versorgung nehmen

1.
Allgemeinärzte,
2.
Kinder- und Jugendärzte,
3.
Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben,
4.
Ärzte, die nach § 95a Abs. 4 und 5 Satz 1 in das Arztregister eingetragen sind und
5.
Ärzte, die am 31. Dezember 2000 an der hausärztlichen Versorgung teilgenommen haben,
teil (Hausärzte).
Die übrigen Fachärzte nehmen an der fachärztlichen Versorgung teil. Der Zulassungsausschuss kann für Kinder- und Jugendärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung eine von Satz 1 abweichende befristete Regelung treffen, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für die Arztgruppe der Hausärzte, der Kinder- und Jugendärzte oder der Fachinternisten eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 Satz 1 getroffen, fasst der Zulassungsausschuss innerhalb von sechs Monaten den Beschluss, ob eine Regelung nach Satz 3 getroffen wird. Kinder- und Jugendärzte mit Schwerpunktbezeichnung können auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen. Der Zulassungsausschuss kann Allgemeinärzten und Ärzten ohne Gebietsbezeichnung, die im Wesentlichen spezielle Leistungen erbringen, auf deren Antrag die Genehmigung zur ausschließlichen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung erteilen.

(1b) Die einen Versicherten behandelnden Leistungserbringer sind verpflichtet, den Versicherten nach dem von ihm gewählten Hausarzt zu fragen; sie sind verpflichtet, die den Versicherten betreffenden Behandlungsdaten und Befunde mit dessen Zustimmung zum Zwecke der bei dem Hausarzt durchzuführenden Dokumentation und der weiteren Behandlung zu übermitteln. Der Hausarzt ist mit Zustimmung des Versicherten verpflichtet, die für die Behandlung erforderlichen Daten und Befunde an die den Versicherten behandelnden Leistungserbringer zu übermitteln. Bei einem Hausarztwechsel ist der bisherige Hausarzt mit Zustimmung des Versicherten verpflichtet, dem neuen Hausarzt die bei ihm über den Versicherten gespeicherten Unterlagen vollständig zu übermitteln.

(1c) (weggefallen)

(2) Die vertragsärztliche Versorgung umfaßt die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung und kieferorthopädische Behandlung nach Maßgabe des § 28 Abs. 2,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, soweit sie § 56 Abs. 2 entspricht,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Verordnung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
6.
Anordnung der Hilfeleistung anderer Personen,
7.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung oder Behandlung in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen,
7a.
Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen,
8.
Verordnung häuslicher Krankenpflege und außerklinischer Intensivpflege,
9.
Ausstellung von Bescheinigungen und Erstellung von Berichten, die die Krankenkassen oder der Medizinische Dienst (§ 275) zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben oder die die Versicherten für den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts benötigen; die Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit ist auch auszustellen, wenn die Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 übermittelt werden,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1,
11.
ärztlichen Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Soziotherapie,
13.
Zweitmeinung nach § 27b,
14.
Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach § 37b.
Satz 1 Nummer 2 bis 4, 6, 10, 11 und 14 gilt nicht für Psychotherapeuten; Satz 1 Nummer 9 gilt nicht für Psychotherapeuten, soweit sich diese Regelung auf die Feststellung und die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit bezieht. Satz 1 Nummer 5 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Leistungen zur psychotherapeutischen Rehabilitation. Satz 1 Nummer 7 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Ergotherapie, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung. Satz 1 Nummer 8 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Leistungen der psychiatrischen häuslichen Krankenpflege. Das Nähere zu den Verordnungen durch Psychotherapeuten bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in seinen Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 8 und 12.

(3) In den Gesamtverträgen ist zu vereinbaren, inwieweit Maßnahmen zur Vorsorge und Rehabilitation, soweit sie nicht zur kassenärztlichen Versorgung nach Absatz 2 gehören, Gegenstand der kassenärztlichen Versorgung sind.

(4) Krankenhausbehandlung darf nur verordnet werden, wenn eine ambulante Versorgung der Versicherten zur Erzielung des Heil- oder Linderungserfolgs nicht ausreicht. Die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ist bei der Verordnung zu begründen. In der Verordnung von Krankenhausbehandlung sind in den geeigneten Fällen auch die beiden nächsterreichbaren, für die vorgesehene Krankenhausbehandlung geeigneten Krankenhäuser anzugeben. Das Verzeichnis nach § 39 Abs. 3 ist zu berücksichtigen.

(5) Der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt und die ermächtigte Einrichtung sollen bei der Verordnung von Arzneimitteln die Preisvergleichsliste nach § 92 Abs. 2 beachten. Sie können auf dem Verordnungsblatt oder in dem elektronischen Verordnungsdatensatz ausschließen, dass die Apotheken ein preisgünstigeres wirkstoffgleiches Arzneimittel anstelle des verordneten Mittels abgeben. Verordnet der Arzt ein Arzneimittel, dessen Preis den Festbetrag nach § 35 überschreitet, hat der Arzt den Versicherten über die sich aus seiner Verordnung ergebende Pflicht zur Übernahme der Mehrkosten hinzuweisen.

(6) Zur kassenärztlichen Versorgung gehören Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten nicht, wenn sie im Rahmen der Krankenhausbehandlung oder der stationären Entbindung durchgeführt werden, es sei denn, die ärztlichen Leistungen werden von einem Belegarzt erbracht.

(7) Es ist Vertragsärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Versicherten oder für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. § 128 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(8) Zur Sicherung der wirtschaftlichen Verordnungsweise haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen sowie die Krankenkassen und ihre Verbände die Vertragsärzte auch vergleichend über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen und Bezugsquellen, einschließlich der jeweiligen Preise und Entgelte zu informieren sowie nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Hinweise zu Indikation und therapeutischen Nutzen zu geben. Die Informationen und Hinweise für die Verordnung von Arznei-, Verband- und Heilmitteln erfolgen insbesondere auf der Grundlage der Hinweise nach § 92 Abs. 2 Satz 3, der Rahmenvorgaben nach § 84 Abs. 7 Satz 1 und der getroffenen Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 1. In den Informationen und Hinweisen sind Handelsbezeichnung, Indikationen und Preise sowie weitere für die Verordnung von Arzneimitteln bedeutsame Angaben insbesondere auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 in einer Weise anzugeben, die unmittelbar einen Vergleich ermöglichen; dafür können Arzneimittel ausgewählt werden, die einen maßgeblichen Anteil an der Versorgung der Versicherten im Indikationsgebiet haben. Die Kosten der Arzneimittel je Tagesdosis sind nach den Angaben der anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikation anzugeben. Es gilt die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrage des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebene Klassifikation in der jeweils gültigen Fassung. Die Übersicht ist für einen Stichtag zu erstellen und in geeigneten Zeitabständen, im Regelfall jährlich, zu aktualisieren.

(9) Vertragsärzte dürfen für die Verordnung von Arzneimitteln, von Verbandmitteln, von digitalen Gesundheitsanwendungen und von Produkten, die gemäß den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können, nur solche elektronischen Programme nutzen, die mindestens folgende Inhalte mit dem jeweils aktuellen Stand enthalten:

1.
die Informationen nach Absatz 8 Satz 2 und 3,
2.
die Informationen über das Vorliegen von Rabattverträgen nach § 130a Absatz 8,
3.
die Informationen nach § 131 Absatz 4 Satz 2,
4.
die zur Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans nach § 31a und des elektronischen Medikationsplans nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 notwendigen Funktionen und Informationen,
5.
die Informationen nach § 35a Absatz 3a Satz 1 und
6.
ab dem 1. Oktober 2023 das Schulungsmaterial nach § 34 Absatz 1f Satz 2 des Arzneimittelgesetzes und die Informationen nach § 34 Absatz 1h Satz 3 des Arzneimittelgesetzes, auch in Verbindung mit § 39 Absatz 2e des Arzneimittelgesetzes oder § 39d Absatz 6 des Arzneimittelgesetzes
und die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere insbesondere zu den Mindestanforderungen der Informationen nach Satz 1 Nummer 5 zu regeln. Es kann in der Rechtsverordnung auch das Nähere zu den weiteren Anforderungen nach Satz 1 regeln. Es kann dabei Vorgaben zur Abbildung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Regelungen zur Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen Therapiemöglichkeiten machen. Es kann auch Vorgaben zu semantischen und technischen Voraussetzungen zur Interoperabilität machen. Weitere Einzelheiten sind in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 zu vereinbaren. Die Vereinbarungen in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 sind innerhalb von drei Monaten nach dem erstmaligen Inkrafttreten der Rechtsverordnung nach den Sätzen 2 bis 4 sowie nach dem jeweiligen Inkrafttreten einer Änderung der Rechtsverordnung anzupassen. Sie sind davon unabhängig in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen. Auf die Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen nach § 33a findet Satz 1 vor dem 1. Januar 2023 keine Anwendung.

(10) Für die Verordnung von Heilmitteln dürfen Vertragsärzte ab dem 1. Januar 2017 nur solche elektronischen Programme nutzen, die die Informationen der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in Verbindung mit § 92 Absatz 6 und über besondere Verordnungsbedarfe nach § 106b Absatz 2 Satz 4 sowie die sich aus den Verträgen nach § 125a ergebenden Besonderheiten enthalten und die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind. Das Nähere ist in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 zu vereinbaren.

(11) Stellt ein Vertragsarzt bei einem Versicherten eine Diagnose nach § 125a und die Indikation für ein Heilmittel, sind Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten vom Heilmittelerbringer festzulegen. In medizinisch begründeten Fällen kann der Vertragsarzt auch bei Vorliegen einer Diagnose nach § 125a selbst über die Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten entscheiden; in diesem Fall sind auf die Verordnung die Regelungen der Verträge nach § 125 Absatz 1 anzuwenden. Die Vertragsärzte sollen zum Beginn des auf den rechtskräftigen Abschluss des Vertrages nach § 125a folgenden Quartals, frühestens jedoch nach sechs Wochen, nach den Regelungen dieses Absatzes verordnen.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Bei den Sozialgerichten werden Kammern für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit, für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende, für Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes sowie für Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts (Recht der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden) und des Schwerbehindertenrechts gebildet. Für Angelegenheiten der Knappschaftsversicherung einschließlich der Unfallversicherung für den Bergbau können eigene Kammern gebildet werden.

(2) Für Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten, Psychotherapeuten, Vertragszahnärzten (Vertragsarztrecht) einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände sind eigene Kammern zu bilden. Zu diesen Streitigkeiten gehören auch

1.
Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, soweit diese Entscheidungen und die streitgegenständlichen Regelungen der Richtlinien die vertragsärztliche Versorgung betreffen,
2.
Klagen in Aufsichtsangelegenheiten gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss, denen die in Nummer 1 genannten Entscheidungen und Regelungen der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zugrunde liegen, und
3.
Klagen aufgrund von Verträgen nach § 73b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und § 73c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch in der am 22. Juli 2015 geltenden Fassung sowie Klagen im Zusammenhang mit der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung aufgrund von Ermächtigungen nach den §§ 116, 116a und 117 bis 119c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, Klagen wegen der Vergütung nach § 120 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sowie Klagen aufgrund von Verträgen nach § 140a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, soweit es um die Bereinigung der Gesamtvergütung nach § 140d des Fünften Buches Sozialgesetzbuch geht.

(3) Der Bezirk einer Kammer kann auf Bezirke anderer Sozialgerichte erstreckt werden. Die beteiligten Länder können die Ausdehnung des Bezirks einer Kammer auf das Gebiet oder Gebietsteile mehrerer Länder vereinbaren.

(1) Jede Kammer des Sozialgerichts wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzern tätig. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit.

(2) In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Streitigkeiten auf Grund des § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und der Arbeitsförderung gehört je ein ehrenamtlicher Richter dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber an. Sind für Angelegenheiten einzelner Zweige der Sozialversicherung eigene Kammern gebildet, so sollen die ehrenamtlichen Richter dieser Kammern an dem jeweiligen Versicherungszweig beteiligt sein.

(3) In den Kammern für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts wirken je ein ehrenamtlicher Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit. In Angelegenheiten der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten wirken als ehrenamtliche Richter nur Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit. Als Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychotherapeuten gelten auch bei diesen oder in medizinischen Versorgungszentren angestellte Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten, die Mitglied der Kassenärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung sind.

(4) In den Kammern für Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts wirken je ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder dem Recht der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen und dem Kreis der Versorgungsberechtigten, der behinderten Menschen im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und der Versicherten mit; dabei sollen Hinterbliebene von Versorgungsberechtigten in angemessener Zahl beteiligt werden.

(5) In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes wirken ehrenamtliche Richter aus den Vorschlagslisten der Kreise und der kreisfreien Städte mit.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Regressbescheiden wegen der Verordnung autologer Tumorvakzine (Quartale II und III/1998, I, II und IV/1999).

2

Der Kläger zu 1. betrieb bis zum Quartal III/1999 zusammen mit dem Kläger zu 2. eine Gemeinschaftspraxis, die danach in eine Praxisgemeinschaft umgewandelt wurde. Beide waren bzw sind als Fachärzte für Innere Medizin im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gegen sie bzw gegen die von ihnen geführte Gemeinschaftspraxis ergingen Regressbescheide, weil sie in den Quartalen II und III/1998, I, II und IV/1999 autologe Tumorvakzine verordnet hatten, ohne dass sie dazu berechtigt gewesen seien. Die jeweiligen Patienten waren bzw sind bei den zu 2., 9. bis 11. beigeladenen Krankenkassen (KKn) - bzw bei deren Rechtsvorgängern - versichert.

3

Die Verordnungen betrafen das Therapieverfahren der sogenannten aktiv-spezifischen Immunisierung (ASI) mit autologen Tumorvakzinen (Impfungen mit eigenem Körperzellmaterial) bei Patienten, die an Darmkrebs, Nierenkrebs oder Osteosarkom litten. Die Gewinnung autologer Tumorvakzine wird als sogenanntes Rezepturarzneimittel auf Rezeptblättern verordnet und erfolgt für jeden Patienten individuell aus seinen körpereigenen Tumorzellen. Die Bearbeitung und die Injektion der Zellen führte für die Kläger der damalige Pharmahersteller macropharm GmbH bzw für diese Firma der Arzt Dr. N. durch. Dabei fielen je Verordnung bzw Verordnungsserie ca 15.000 DM an. Das vorliegende Revisionsverfahren betrifft insgesamt zehn solcher Verordnung(sseri)en.

4

Die wegen dieser Verordnungen ergangenen Regressbescheide bestätigte - unter Zurückweisung der Widersprüche der Kläger - der beklagte Beschwerdeausschuss. Im Verlauf des sozialgerichtlichen Klageverfahrens ersetzte der Beklagte seine Bescheide durch neue Bescheide vom 9.11.2002. Hierin führte er unter Bezugnahme auf § 106 SGB V aus, dass er von einer vorgängigen Beratung habe absehen können, weil die Kläger - bereits seit 1992 bzw 1997 vertragsärztlich tätig - über das Wirtschaftlichkeitsgebot ausreichend informiert gewesen seien. Zur ASI mit autologen Tumorvakzinen habe es keine Anwendungsempfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und KKn (BA - heute Gemeinsamer Bundesausschuss ) gegeben.

5

Der BA beschloss am 10.4.2000 die Zuordnung der ASI zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden (s Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs 1 SGB V mit der Anfügung der Nr 29 in die Anlage B "nicht anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden", BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828).

6

Das von den Klägern angerufene SG hat ihre Klagen abgewiesen (Gerichtsbescheide vom 18.8.2003, vom 26.8.2003, vom 27.8.2003, vom 8.10.2003, vom 29.10.2003, vom 20.11.2003, vom 19.11.2003 und vom 2.12.2003). Mit ihren dagegen gerichteten Berufungen sind die Kläger nur zu einem geringen Teil erfolgreich gewesen. Das LSG, das die Berufungsverfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat mit Urteil vom 27.8.2008 auf die Berufung des Klägers zu 2. den Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 insoweit aufgehoben, als dieser einen Regress wegen der Verordnung im Quartal IV/1999 auch gegen den Kläger zu 2. ausgesprochen hatte (L 3 KA 484/03 - in Juris dokumentiert): Hierzu hat das LSG ausgeführt, die Gemeinschaftspraxis habe nur bis zum Quartal III/1999 bestanden und daher habe der Kläger zu 2. diese Verordnung nicht mehr mitzuverantworten, vielmehr habe der Kläger zu 1. sie allein vorgenommen.

7

Im Übrigen hat das LSG in seinem Urteil vom 27.8.2008 die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Der Bescheid vom 9.11.2002, der alleiniger Gegenstand des Verfahrens sei (§ 96 SGG), sei hinsichtlich des Klägers zu 2. im Übrigen rechtmäßig und hinsichtlich des Klägers zu 1. insgesamt rechtmäßig. Der auf eine Einzelfallprüfung nach § 106 SGB V gestützte Regress sei sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Weder hätte zunächst eine Beratung durchgeführt werden müssen, noch stehe dem Regress eine Überschreitung der Prüfantragsfrist entgegen. Die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Bescheide ergebe sich daraus, dass eine Leistungspflicht der KKn für die ASI nicht bestanden habe. Für diese habe es keine Empfehlung des BA oder des G-BA gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V gegeben. Es habe sich auch nicht um Fälle seltener Krankheiten im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu ausnahmsweise zulässigen sogenannten Einzelimporten gehandelt. Zwar seien die betroffenen Patienten im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG lebensbedrohlich erkrankt; sie hätten an metastasierenden bzw rezidivierenden Karzinomerkrankungen mit infauster Prognose gelitten. Die ASI sei allerdings nur adjuvant zur Lebensverlängerung eingesetzt worden. Es fehle sowohl an Darlegungen zur Nichteignung der allgemein anerkannten medizinischen Standardmaßnahmen als auch an ernsthaften Hinweisen dafür, dass die umstrittene Therapie Aussicht auf positive Einwirkung geboten habe, was erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen Wirkungszusammenhang erfordere. Wirksamkeitsbelege mit Aussagekraft für die hier zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm ergäben sich indessen aus den von den Klägern angeführten Phase-III-Studien nicht. Die von der Firma macropharm selbst veröffentlichte Studie von R. reiche nicht aus, denn sie weise methodische Unzulänglichkeiten auf, wie bereits ein LSG und das BSG ausgeführt hätten. Ferner fehle es an der erforderlichen Dokumentation durch die Kläger. Diese hätten lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen angefertigt, zudem habe die verantwortliche Behandlung jedenfalls in einigen Fällen nach ihren eigenen Berichten nicht bei ihnen gelegen, sondern bei Dr. N. Im Übrigen gebe es Zweifel, ob es sich nicht um ein Massenexperiment gehandelt habe, das als Heilversuch den Anforderungen der Deklaration von Helsinki mit vorheriger Anhörung der Ethik-Kommission und ausdrücklicher Einwilligung der Patienten hätte Rechnung tragen müssen. Schließlich könne zur Rechtfertigung der ASI nicht auf ein sogenanntes Systemversagen wegen verspäteter Entscheidung des BA zurückgegriffen werden. Dies komme allenfalls in Betracht, wenn die Wirksamkeit der Therapie durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken aufgrund einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt gewesen sei. Solche Belege hätten bis 1998/1999 nicht vorgelegen, wie sich daraus ableiten lasse, dass der BA kurze Zeit später (10.4.2000) festgestellt habe, dass es an ausreichenden Wirksamkeitsnachweisen fehle; dies habe auch das BSG in seiner ASI-Entscheidung vom 28.3.2000 so bestätigt. Auch dafür, dass sich die ASI 1998/1999 wenigstens in der medizinischen Praxis durchgesetzt habe, lägen keine ausreichenden Belege vor. Aufgrund der nach alledem zu verneinenden Leistungspflicht der KKn für die ASI könne der bei den KKn entstandene Schaden regressiert werden. Wie sich aus der Rechtsprechung des BSG ergebe, sei weder Raum für den Gesichtspunkt, dass ohne den Einsatz der Tumorvakzine - durch andere Behandlungsmaßnahmen - ebenfalls Kosten entstanden wären (sogenannte Vorteilsausgleichung), noch sei bei Verordnungsregressen, die auf § 106 SGB V gestützt seien, ein etwaiges Fehlen von Verschulden bedeutsam.

8

Der Kläger zu 1. hat allein Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß eine falsche Anwendung des § 106 SGB V in formeller und materieller Hinsicht. Entgegen der Auffassung des LSG sei der Prüfantrag nicht fristgerecht mit hinreichender Begründung gestellt worden. Auch in materieller Hinsicht sei der Regress nicht rechtmäßig. Die Auffassung, er und sein Partner, der Kläger zu 2., hätten die ASI nicht verordnen dürfen, treffe nicht zu. Als zulassungsfreie Rezepturarzneimittel hätten die Tumorvakzine keiner Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) bedurft. Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der BA durch sein Schreiben vom 7.6.1999 die Tumorvakzine vorläufig als verordnungsfähig anerkannt habe. Auch wenn dieses Schreiben nicht die rechtliche Form einer Richtlinie habe, sei es zumindest im Rahmen des Vertrauensschutzes bzw Ermessens bei der Regressentscheidung bis zu der ablehnenden Entscheidung des BA vom 10.4.2000 maßgebend gewesen. Das LSG habe auch die Vorgaben des BVerfG vom 6.12.2005 und des sogenannten Systemversagens fehlerhaft verneint. Die Annahme, die vorliegenden statistischen Wirksamkeitsnachweise seien auf die Vakzine der Firma macropharm nicht übertragbar, leide an Defiziten der Sachverhaltsaufklärung. Soweit das LSG der Auffassung sei, die Vakzine der Firma macropharm unterschieden sich wesentlich von denen, zu denen die Wirksamkeitsnachweise vorgelegen hätten, hätte dem zumindest ein Hinweis an die Kläger vorausgehen müssen, damit klägerseits hätte weiter vorgetragen werden können. Die Ansicht des LSG stehe im Gegensatz zu den Feststellungen des Gerichtsgutachters in dem früheren Verfahren des LSG Niedersachsen und der Studie von Vermorken von 1999. Auch gehe es nicht an, die bei unerklärten Krankheiten geminderten Anforderungen an ein Systemversagen bei Krebserkrankungen mit hohen Erkrankungszahlen außer Anwendung zu lassen. Jedenfalls bei Nieren- und Darmkrebs könne nicht einfach von der Zahl der Erkrankungen auf eine Klärung von Entstehung und Verlauf geschlossen werden. Zu beanstanden sei ferner das Erfordernis, die ASI könne nur dann als verordnungsfähig anerkannt werden, wenn auch eine substantiierte Dokumentation erfolgt sei. Derartige Dokumentationen seien vor 10 Jahren noch nicht üblich gewesen und könnten nicht jetzt nachträglich gefordert werden. In Fällen der vorliegenden Art dürfe nur eine Schlüssigkeit gefordert werden. Dem genügten seine - des Klägers zu 1. - Darlegungen, dass es sich bei den Krebserkrankungen in jedem Einzelfall um unheilbare Erkrankungen gehandelt habe, bei denen die ASI eine nicht fern liegende Aussicht auf Heilung bzw jedenfalls Linderung versprochen habe. Die Anforderung einer Dokumentation passe auch nicht zur Durchführung einer Einzelfallprüfung. Diese gebiete nötigenfalls die Heranziehung der Patienten. Insofern liege ein Mangel der Sachaufklärung vor. Schließlich sei zu beanstanden, dass das LSG das Erfordernis eines Verschuldens und einen Ermessensspielraum der Prüfgremien verneint habe. Dies sei weder mit § 106 Abs 5 SGB V noch mit dem verfassungsrechtlichen Willkür- und Übermaßverbot vereinbar. Die Prüfgremien müssten im Rahmen der von ihnen geforderten wertenden Entscheidung eine Verschuldensprüfung vornehmen oder jedenfalls eine Ermessensentscheidung mit einer Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen und den Auswirkungen auf den betroffenen Arzt treffen. Eine Haftung könne im Falle bösgläubiger Ärzte berechtigt sein, aber nicht bei schuldlos handelnden wie den Klägern, die in nachvollziehbarem Vertrauen subjektiv rechtstreu gehandelt hätten. Ein Regress stelle sich als "maßlose" Haftung des Vertragsarztes dar, die einer Garantiehaftung für ein Verhalten von vor 10 Jahren gleichkomme und zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit weder erforderlich noch verhältnismäßig sei.

9

Der Kläger zu 1. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 und die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Hannover vom 18.8.2003, 26.8.2003, 27.8.2003, 8.10.2003, 29.10.2003 und 19.11.2003 sowie die Bescheide des Beklagten vom 9.11.2002 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Die Beigeladene zu 2. beantragt ebenfalls, wie sie schriftsätzlich ausgeführt hat,

die Revision zurückzuweisen.

12

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1., 2., 6., 9. und 10. verteidigen das Urteil des LSG.

13

Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers zu 1. ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet. Das angefochtene Urteil des LSG lässt keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Der angefochtene Arzneikostenregress ist nicht zu beanstanden.

15

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die neuen Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 9.11.2002, mit denen dieser - seine früheren Bescheide gemäß § 96 SGG ersetzend - die Widersprüche gegen die Regressbescheide des Prüfungsausschusses wegen Verordnung autologer Tumorvakzine im Rahmen von ASI-Behandlungen zurückgewiesen, dh die Regressforderungen des Prüfungsausschusses bestätigt hat(zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids vgl stRspr des BSG, zB BSGE 72, 214, 219 f = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 10 f; BSGE 74, 59, 60 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f). Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide allerdings nur insoweit, als sie sich gegen den Kläger zu 1. gerichtet haben. Der Kläger zu 2. hat das Urteil des LSG nicht angefochten; deshalb sind die Bescheide, soweit sie gegen ihn gerichtet worden sind, bestandskräftig.

16

Da nur noch der Kläger zu 1. das Verfahren im Revisionsverfahren weiter betreibt, stellt sich hier nicht die Frage, ob die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis im Rubrum als Gemeinschaftspraxis zu führen sind. Die Befugnis des Klägers zu 1., sowohl die Revision als auch die zugrunde liegende Anfechtungsklage allein zu führen, ist nicht zweifelhaft. Er ist persönlich haftender Schuldner für Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis, die sich zB im Falle rechtswidrigen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens von Praxispartnern ergeben (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21 f; BSG SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 15; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17 mwN; - zum fiktiven Fortbestehen der Gemeinschaftspraxis für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten s § 730 Abs 2 Satz 1 BGB und BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 14; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17). Als Gesellschafter muss er für solche Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis auch in eigener Person einstehen (s zB Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 714 RdNr 10 ff mwN; vgl auch zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22). Er kann Forderungen, die gegenüber der Gemeinschaftspraxis geltend gemacht werden, wahlweise zusammen mit seinen Praxispartnern gemeinschaftlich abwehren, oder er kann sie - sowohl wenn sie nur gegenüber der Gemeinschaftspraxis als auch wenn sie auch ihm selbst gegenüber geltend gemacht werden - allein abwehren (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; vgl auch BSG, MedR 2004, 172). Aus der Befugnis, eigenständig zu handeln, folgt zugleich, dass der Mitgesamtschuldner weder als sogenannter notwendiger Streitgenosse einbezogen noch notwendig beigeladen werden muss (so auch BSGE aaO mwN). Die eigenständige Anfechtungsbefugnis und Aktivlegitimation steht dem Kläger zu 1. nicht nur gegenüber denjenigen Regressforderungen zu, die die Verordnungen in den Quartalen II und III/1998 sowie I und II/1999 betreffen, sondern ohnehin auch gegenüber der Regressforderung für die Verordnung(sserie) im Quartal IV/1999, als die Gemeinschaftspraxis bereits aufgelöst war.

17

2. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266, die in den Jahren 1998 und 1999 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (aaO Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Diese Prüfvereinbarungen (PrüfVen) ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen. Diese waren auch in § 9 Abs 3, § 12 Abs 6 ff der hier einschlägigen PrüfV vorgesehen(vgl zur Nicht-Revisibilität der Feststellung und Auslegung von Landesrecht § 162 SGG, dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14 mwN). Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und die Wahl dieser Prüfmethode daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14).

18

3. Die durchgeführten Einzelfallprüfungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Weder die vom Kläger erhobenen formellen Rügen (nachfolgend a) noch seine materiellen Beanstandungen (unten b) greifen durch.

19

a) Der Senat folgt nicht der Ansicht des Klägers zu 1., das Prüf- und Regressverfahren hätte hinsichtlich derjenigen Quartale, für welche die Prüfanträge erst nach Ablauf der in der PrüfV normierten Frist gestellt worden seien, nicht durchgeführt werden dürfen. Zwar galt nach § 12 Abs 6 PrüfV(hier zugrunde zu legen in der Fassung vom 24.6.1996) eine Frist von zwölf Monaten nach Quartalsende; innerhalb dieser Frist konnten die KKn die Prüfung der Verordnungsweise nach Einzelfällen beantragen. Aus einer Versäumung dieser Frist kann aber nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden.

20

Der Senat hat bereits früher dargelegt, dass solche Fristen nicht zum Schutz des Arztes im Sinne eines Ausschlusses der Verfahrensdurchführung normiert sind, sondern dass sie - auch im Interesse des Arztes - der Verfahrensbeschleunigung dienen, also dem Interesse an effektiver Verfahrensdurchführung (s insbesondere BSG USK 9596 S 526; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159 f zur Zulässigkeit späterer Antragsnachholung). Wird der Antrag zu spät gestellt, so ist damit dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung nicht Rechnung getragen. Daraus aber ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt abzuleiten, liefe der Zielrichtung der Regelungen und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise zuwider.

21

Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regressverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (zu dieser Frist allgemein zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12 ff; BSG MedR 2008, 100, 101 f RdNr 16 ff; vgl jetzt § 106 Abs 2 Satz 7 Halbs 2 SGB V zur Frist von zwei Jahren für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina). Von dieser Ausschlussfrist und ihrer Funktion unterscheidet sich die Zwölf-Monate-Frist für die Stellung des Prüfantrags mit ihrer Ausrichtung auf Beschleunigung. Würde aus deren Versäumung ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden, so würde ihr die Funktion beigemessen, die allein der Vier-Jahres-Frist zukommt.

22

Hat mithin die Nichteinhaltung der Zwölf-Monats-Frist nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt es vorliegend nicht darauf an, ob diese Frist in einem der Regressfälle überschritten wurde. Im Übrigen beginnt sie gemäß § 12 Abs 6 PrüfV jeweils erst ab Quartalsende. Daher wurde sie vorliegend auch ohnehin nur in wenigen Fällen - und jeweils auch nur um wenige Tage - überschritten (Eingang der KK-Anträge für das Quartal II/1998 erst am 12.7.1999 - Fall 2 - und am 20.7.1999 - Fall 1 - und für das Quartal II/1999 erst am 3.7.2000 - Fall 6 -; zu diesen Feststellungen s LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 - L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 4 bis 9 iVm 37).

23

Soweit der Kläger zu 1. der Ansicht ist, entsprechend dem Grundsatz "Beratung vor Regress" hätte kein Regress, sondern nur eine Beratung erfolgen dürfen, trifft das nicht zu. Für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise ist eine vorgängige Beratung gemäß § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V dann nicht erforderlich, wenn dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines sogenannten offensichtlichen Missverhältnisses anzulasten ist(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 mit Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 296; SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 19; BSG MedR 2004, 577, 578 f). Noch weniger ist eine vorgängige Beratung dann geboten, wenn nicht Unwirtschaftlichkeiten durch einen zu hohen Aufwand, sondern einzelne Fälle gänzlich unzulässiger Verordnungen in Frage stehen, wenn also dem Arzt das Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, ein unzulässiger Off-Label-Use, eine Verordnung entgegen einem Verordnungsausschluss durch die Arzneimittel-Richtlinie (AMRL) oder die Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V angelastet wird, also in Fällen, in denen ein sogenannter Basismangel vorliegt(vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 am Ende; - zu solchen Verordnungsregressfällen vgl Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, , jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 53 ff, 56 ff, 71 ff). Dementsprechend ist in der hier einschlägigen PrüfV ausdrücklich geregelt, dass im Falle von Verordnungen unter Verstoß gegen die Arznei-, Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien Regressfestsetzungen keine vorherige Beratung voraussetzen (§ 12 Abs 10 iVm Abs 12 PrüfV). Die dem gleichwertige Konstellation des Vorwurfs der Unvereinbarkeit von Verordnungen mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V ist hier gegeben.

24

b) Die vom Kläger zu 1. angefochtenen Verordnungsregresse sind inhaltlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der ASI bestand weder eine Leistungspflicht der KKn noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.

25

Der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln besteht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur nach Maßgabe des § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 31 Abs 1 SGB V. Aus den dabei mit heranzuziehenden § 2 Abs 1 Satz 3 und § 12 Abs 1 SGB V folgt, dass im Rahmen der GKV nur solche Verordnungen zulässig sind, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, bieten(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 17 mwN).

26

aa) Für die Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hält die Rechtsordnung zwei Verfahren bereit, zum einen für Arzneimittel die Überprüfung im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung - durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach §§ 21 ff AMG oder durch die Europäische Arzneimittel-Agentur nach Europäischem Verordnungs- und Richtlinienrecht -, und zum anderen für Behandlungs- und Untersuchungsmethoden die Überprüfung durch den BA - bzw heute G-BA - gemäß § 135 Abs 1 SGB V. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müssen grundsätzlich anhand zuverlässiger wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen aufgrund der Beurteilung einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt sein; dafür ist in beiden vorgenannten Verfahren die Überprüfung durch Auswertung sogenannter randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien vorgesehen.

27

Soweit diese Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, wie es bei Arzneimitteln die Regel ist, bereits im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfolgt, wird eine etwaige zusätzliche Prüfung nach § 135 Abs 1 SGB V als entbehrlich angesehen(vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 19 mwN zur Rspr und zum Streitstand). Bei Arzneimitteln folgt somit im Regelfall aus der Verkehrsfähigkeit zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV (vgl zu diesem Zusammenhang BSG SozR aaO und MedR aaO, jeweils RdNr 19)

28

bb) Von diesen Grundsätzen sind bei Arzneimitteltherapien allerdings Ausnahmen anerkannt. In den Fällen, in denen die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit nach dem AMG ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erlangt werden kann, fehlt die Grundlage dafür, um von der Verkehrsfähigkeit gemäß dem AMG auf die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV schließen zu können.

29

In diesem Sinne hat das BSG zu Fällen aus der ersten Zeit nach der Neuordnung des deutschen Arzneimittelrechts Ende der 70er Jahre ausgesprochen, dass die damalige sogenannte fiktive Zulassung, die übergangsrechtlich bis zur fundierten Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gewährt wurde, nicht für die Annahme der Verordnungsfähigkeit ausreicht (BSG - 1. Senat - BSGE 95, 132 RdNr 18 ff = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 ff; BSG - 1. Senat - BSGE 82, 233, 235 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 17 ff; BSG - 6. Senat - SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 21 ff).

30

Dem ist vergleichbar, wenn - wie vorliegend - ein Arzneimittel ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit deshalb nach dem AMG verkehrsfähig ist, weil es sich um ein sogenanntes Rezepturarzneimittel handelt. Bei Rezepturarzneimitteln, dh solchen, die nicht wie Fertigarzneimittel im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (§ 4 Abs 1 AMG), reicht für die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit eine Herstellungserlaubnis aus (vgl §§ 13 bis 15 iVm § 43 Abs 2 Halbs 2 iVm § 47 AMG); ein Zulassungsverfahren mit Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien ist arzneimittelrechtlich nicht vorgesehen (vgl dazu BSGE 86, 54, 60 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 65 f). Bei solchen Arzneimitteln fehlt es mithin an der fundierten Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, sodass sie zwar verkehrsfähig gemäß dem AMG sind, aber ohne dass daraus abgeleitet werden könnte, dass sie auch verordnungsfähig sind.

31

cc) Anders wiederum liegt der Fall, wenn das Arzneimittel, das arzneimittelrechtlich keiner Zulassung bedarf, so eingesetzt wird, dass darin zugleich eine auf einem bestimmten theoretisch-wissenschaftlichen Konzept fußende Vorgehensweise der Krankenbehandlung liegt (sogenannte Pharmakotherapie - zur Definition s zB BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f; zum Methodenbegriff vgl ferner zB BSG - 6. Senat - zB BSGE 84, 247, 249 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 11 S 50 f; BSG SozR 3-5533 Nr 2449 Nr 2 S 9 f; ebenso BSG - 1. Senat - zB BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 14 mwN). Dann liegt eine Behandlungsmethode vor, deren Einsatz im Rahmen der GKV gemäß § 135 Abs 1 SGB V eine positive Empfehlung durch den BA bzw G-BA erfordert. In solchen Fällen ist zwar arzneimittelrechtlich keine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vorgesehen; da aber eine Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V vorliegt, ist das Arzneimittel bzw die dieses einschließende Behandlungsmethode im Verfahren gemäß § 135 Abs 1 SGB V zu überprüfen(BSGE 86, 54, 58, 59 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63, 65; vgl auch zB BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12 S 55 f). Falls die in diesem Verfahren stattfindende Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien zu einer positiven Empfehlung des BA bzw G-BA führt, ist das Arzneimittel dann auch verordnungsfähig. Kommt es demgegenüber zur Zuordnung zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden, so darf eine Therapie mit diesem Arzneimittel nicht erfolgen; dieses ist nicht verordnungsfähig.

32

Differenziert sind die Fälle zu beurteilen, in denen das Arzneimittel im Rahmen einer Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V eingesetzt werden soll, aber - wie im vorliegenden Fall - im Behandlungszeitpunkt die nach dieser Bestimmung notwendige Überprüfung durch den BA bzw G-BA noch nicht zu einem Ergebnis geführt hat(zur Maßgeblichkeit des Behandlungszeitpunkts s zB BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 69 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 12 ff; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 15 f). Dann ist zu prüfen, ob die Vorenthaltung des Einsatzes in der GKV noch gerechtfertigt ist, ob nämlich die Dauer des Verfahrens noch rechtens ist oder ob die Durchführung des Verfahrens aus sachfremden Gründen verzögert wurde; in letzterem Fall ist weiter zu prüfen, ob die Behandlungsmethode als dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechend bewertet werden kann und deshalb ungeachtet des Noch-Nicht-Vorliegens einer positiven Empfehlung für die GKV freigegeben werden kann (BSGE 86, 54, 60 ff, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66 ff, 69 ff; BSGE 94, 221 RdNr 23 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 24). Bei der ersatzweise gerichtlicherseits vorzunehmenden Bewertung sind die Belege zu würdigen, die im Behandlungszeitpunkt für eine Wirksamkeit sprechen konnten. Dabei sind für eine Wirksamkeitsanerkennung grundsätzlich wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken zu fordern. Im Falle von Krankheiten allerdings, bei denen Entstehung und Verlauf ungeklärt sind, sodass Therapien nur bei Symptomen ansetzen können, und daher die Forderung von Wirksamkeitsbelegen den Anspruch auf umfassende Krankenbehandlung gemäß § 27 Abs 1 SGB V und die damit korrespondierende Behandlungspflicht des Vertragsarztes unmöglich machen würde(vgl zu diesem Ansatz BSGE 86, 54, 60 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66), reicht es ersatzweise aus, wenn sich die in Anspruch genommene Therapie in der medizinischen Praxis und/oder in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat (BSG aaO S 62 bzw S 67 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 37; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 25 ff, 29) bzw - in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen - eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung bzw auf eine positive Einwirkung auf den weiteren Krankheitsverlauf gegeben ist (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33).

33

Auch in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen sind aber weitere einschränkende Voraussetzungen zu beachten. Zwar ergeben sich aus der Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33 f) und dem von diesem herangezogenen Sozialstaatsprinzip sowie aus der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates einerseits Abschwächungen zugunsten der Versicherten (vgl hierzu BVerfGE aaO S 41 ff, 44 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 17 ff, 24 ff; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 24 ff). Andererseits besteht aber auch eine Schutzpflicht in der Weise, dass der Staat den Versicherten davor zu bewahren hat, mit zweifelhaften Therapien behandelt zu werden. Dem dient das Erfordernis fundierter Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Dies darf nicht durch eine vermeintlich großzügige Gestattung der Versorgung mit Arzneimitteln unterlaufen und umgangen werden (vgl BSG aaO RdNr 25 iVm 35). Dementsprechend darf eine Pharmakotherapie, bei der eine fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel nicht stattgefunden hat, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur eingesetzt werden, wenn der Wirksamkeitszusammenhang, der dieser Arzneimitteltherapie zugeschrieben wird, wenigstens in gewissem Umfang belegt werden kann. Fehlen höherwertige Studien, so können als Beleg auch Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Berichte von Expertenkomitees, Konsensuskonferenzen und Einzelfallberichte in Betracht kommen (vgl Nr 8.2 unter III der NUB-RL; vgl ebenso BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40 am Ende). Insgesamt müssen - auch bei lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen - erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen jedenfalls individuellen Wirkungszusammenhang vorliegen (BSG aaO RdNr 47). Dabei kommt auch der fachlichen Einschätzung durch den behandelnden Arzt Bedeutung zu (vgl BVerfGE aaO S 50 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5, RdNr 35 am Ende und BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende).

34

dd) Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf die vorliegend zu beurteilenden Verordnungen ergibt sich, dass die vom Kläger zu 1. durchgeführten ASI-Verfahren in der GKV nicht zulässig waren. Die autologen Tumorvakzine wurden im Rahmen einer gemäß § 135 Abs 1 SGB V anerkennungsbedürftigen Behandlungsmethode verordnet, wie das BSG bereits in seiner früheren Entscheidung vom 28.3.2000 ausgeführt hat (BSGE 86, 54, 57 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 62). In dem Zeitpunkt, als der Kläger zu 1. bzw die Gemeinschaftspraxis die Verordnungen vornahm (1998/1999), war das Verfahren der ASI gemäß § 135 Abs 1 SGB V noch beim BA anhängig (dieser gab erst am 10.4.2000 eine - negative - Empfehlung ab, s BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828), sodass also der Fall fehlender Entscheidung des BA bzw G-BA gemäß § 135 Abs 1 SGB V vorlag.

35

Zu der Frage, ob das Verfahren beim BA im Sinne der in RdNr 32 angesprochenen ersten Voraussetzung zu lange dauerte, braucht vorliegend nicht Stellung genommen zu werden. Denn es fehlen jedenfalls die weiteren Voraussetzungen für eine Akzeptanz der Anwendung dieser Therapiemethode: Ausgehend davon, dass die betroffenen Patienten hier an lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen litten (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 17 betreffend Darmkrebs), bedürfte es wenigstens ausreichender Belege im Sinne erheblicher ernsthafter Hinweise auf einen individuellen Wirkungszusammenhang (s oben RdNr 33 am Ende). Daran fehlt es.

36

Nach den Feststellungen im Berufungsurteil (L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 45) gab es zwar Phase-III-Studien, diesen konnte aber keine Aussagekraft für die vom Kläger zu 1. verordneten Tumorvakzine der Firma macropharm entnommen werden. Denn die Tumorvakzine unterschieden sich nach den vorinstanzlichen Feststellungen schon in der Herstellungsweise der verschiedenen Herstellerfirmen. Diese hatten unterschiedliche Anwendungs- und Verarbeitungsmethoden. Zudem erfolgte die Herstellung jeweils speziell für den jeweiligen Versicherten, sodass sie auch untereinander verschieden waren und individueller Beurteilung bedurften (vgl LSG aaO RdNr 44). Tauglich könnte insoweit lediglich die von der Firma macropharm veröffentlichte Studie von R. sein; diese wies aber nach den Feststellungen im Berufungsurteil (aaO RdNr 45) und auch nach der Wertung des BSG in seinem früheren Urteil (BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70) methodische Unzulänglichkeiten auf.

37

Auch hatte sich die ASI mit autologen Tumorvakzinen nicht etwa schon in der medizinischen Praxis durchgesetzt. Diese Behauptung hat das Berufungsgericht als nicht ausreichend belegt bezeichnet (LSG aaO RdNr 48 bis 51). Die dazu vom Kläger zu 1. erhobene Verfahrensrüge, das LSG habe insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, greift nicht durch. Die Rüge unzureichender Aufklärung des LSG erfordert im Falle eines Klägers, der bereits dort anwaltlich vertreten gewesen ist, die Darlegung, dass sich dem LSG auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen (vgl zB BVerwGE 131, 186, 189 RdNr 13; s auch zB BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 24 bis 26). In der Revisionsbegründung wird indessen nicht aufgezeigt, aufgrund welcher konkreten Darlegungen des Klägers zu 1. im LSG-Verfahren sich dem LSG weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Mit seinen Ausführungen, entgegen der Auffassung des LSG hätten die vorliegenden Phase-III-Studien durchaus Aussagekraft für die von ihm zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm, setzt der Kläger zu 1. dem LSG lediglich seine gegenteilige Ansicht entgegen. Er müsste aber konkrete Ansatzpunkte für Möglichkeiten des LSG zu weitergehender Aufklärung benennen und darlegen, dass er auf diese schon im LSG-Verfahren hingewiesen habe. Dies ist der Revisionsbegründung so nicht zu entnehmen.

38

Zu diesem Fragenkomplex hat es keines Hinweises des LSG bedurft - wie der Kläger zu 1. geltend macht -. Denn dieser Streitpunkt lag schon während des gesamten Verfahrens zu Tage (s dazu auch schon BSGE 86, 54, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70 ff). Zudem hat bei ihm, da er bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertreten gewesen ist, vorausgesetzt werden können, dass er die Anforderungen kennt, die erfüllt sein müssen, damit das Gericht Anlass zu weiterer Aufklärung hat.

39

Bei den hier betroffenen Behandlungsfällen fehlt zudem eine weitere Voraussetzung, die für die Anerkennung ärztlich sachgerechten Vorgehens erforderlich wäre: Für die ausnahmsweise Zulässigkeit von Verordnungen zweifelhafter Art muss eine ausreichend substantiierte fachliche Einschätzung durch den verordnenden Arzt selbst erkennbar sein (vgl hierzu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende und 50); dafür ist auch eine entsprechende therapiebegleitende Kontrolle und Dokumentation durch den behandelnden Arzt erforderlich (vgl dazu BSG aaO RdNr 50 f; s auch BSG SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8). Indessen lag nach den Feststellungen im Urteil des LSG die Behandlung vor allem in den Händen des Dr. N., der im Auftrag der Firma macropharm die autologen Tumorvakzine herstellte und bearbeitete sowie die ASI bei den Patienten im Wesentlichen durchführte (LSG aaO RdNr 46). Wie im Urteil des LSG festgestellt ist, fertigten der Kläger zu 1. bzw der Partner der damaligen Gemeinschaftspraxis lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen an (LSG aaO RdNr 46).

40

Diese Feststellungen des LSG sind nach alledem tragfähig. Dem LSG fallen keine Verfahrensmängel zur Last. Abgesehen davon, dass die erhobenen Aufklärungsrügen nicht durchgreifen, sind auch keine Verstöße gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ersichtlich. Insbesondere liegen keine ausreichenden Umstände für die Annahme einer unzulässigen Überraschungsentscheidung vor. Dass das LSG, ohne dass dies voraussehbar gewesen wäre, strengere Anforderungen gestellt hätte als die bisherige BSG-Rechtsprechung, kann bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nicht anerkannt werden (vgl zB zu vorgenannten Dokumentationsanforderungen: BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 50 f). Der Kläger zu 1. hat das auch nicht in ausreichend substantiierter Weise geltend gemacht.

41

ee) Waren mithin die autologen Tumorvakzine nicht verordnungsfähig, so war Unwirtschaftlichkeit gegeben (zu dieser Gleichsetzung s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 25 mwN). Bei unwirtschaftlicher Verordnungsweise ist die Festsetzung eines Regresses grundsätzlich berechtigt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt vorliegend nicht in Betracht.

42

(1) Ohne Erfolg ist der Einwand des Klägers, ihm könne kein Verschulden oder höchstens vermindertes Verschulden angelastet werden und deshalb sei entweder ein Regress ganz ausgeschlossen oder dieser müsse jedenfalls erheblich herabgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG setzen Honorarkürzungen oder Verordnungsregresse gemäß § 106 SGB V kein Verschulden des Vertragsarztes voraus(zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 28 mwN, im Anschluss an BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 18; BSG MedR 2004, 577, 578) .

43

Bei Verordnungsregressen der hier vorliegenden Art ist auch kein Raum für eine Ermessensausübung. Bei Regressen, denen unzulässige Verordnungen zugrunde liegen, wie dies beim Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, bei einem unzulässigen Off-Label-Use, bei Verordnung entgegen einem AMRL-Verordnungsausschluss oder bei Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V der Fall ist, kann eine Unwirtschaftlichkeit nur bejaht oder verneint werden(sogenannter Basismangel, vgl oben RdNr 23, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29). Mit dem Regress lediglich einen Teil der Unwirtschaftlichkeit abzuschöpfen, kann nur in anders gelagerten Fällen in Betracht kommen, zB im Rahmen eines Regresses aufgrund einer sogenannten Durchschnittsprüfung bei insgesamt deutlich höherem Verordnungsvolumen als im Durchschnitt der Arztgruppe und/oder bei einer Anfängerpraxis, evtl auch bei der Belassung von Restüberschreitungen (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30 am Ende; vgl weiterhin BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29 mit Hinweis auf die Fallgruppe "Anfängerpraxis", hierzu s zB Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 145-147 mwN). Bei Rezepturarzneimitteln, die nicht von Apotheken bezogen werden, ist im Übrigen nicht einmal Raum für einen Abzug von Apothekenrabatt und/oder Patienteneigenanteilen (vgl hierzu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 269 mwN; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 32; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 33). Dementsprechend ist in solchen Fällen die Höhe des Regresses dahingehend vorgezeichnet, dass vom Arzt Ersatz der vollen Kosten zu fordern ist. Raum für eine Regressermäßigung aufgrund einer Ermessensentscheidung besteht nicht.

44

(2) Zu Unrecht beruft sich der Kläger weiterhin darauf, dass er jedenfalls vor dem Hintergrund des Schreibens des BA vom 7.6.1999 auf die Zulässigkeit der ASI habe vertrauen dürfen. Ein Vertrauen könnte insoweit ohnehin allenfalls für diejenigen Verordnungen in Betracht gezogen werden, die der Kläger zu 1. nach Bekanntwerden des BA-Schreibens tätigte (also für seine Verordnungen im Quartal IV/1999). Indessen begründet das Schreiben bereits von seinem Inhalt her keinen Vertrauensschutz. Denn der BA hat ausdrücklich mitgeteilt, dass der Behandlungsansatz (die Verordnung autologer Tumorvakzine) "bisher ohne abschließendes Ergebnis" von dem dem BA zuarbeitenden Arbeitsausschuss bearbeitet worden sei und dass daher "eine verbindliche Auskunft … zum jetzigen Zeitpunkt nicht gemacht" werden könne. Da das Schreiben somit schon aufgrund seines "offenen Inhalts" für eine Vertrauensbegründung nicht ausreichen kann, bedarf es keiner Erörterung, ob der vom Kläger zu 1. geltend gemachten rechtlichen Bedeutung auch entgegensteht, dass das Schreiben des BA nicht an ihn selbst gerichtet war und dass es nicht die dem BA durch § 135 Abs 1 SGB V vorgegebene Handlungsform "Richtlinie" aufwies. Ist das Schreiben des BA vom 7.6.1999 mithin für den vorliegenden Fall rechtlich irrelevant, so fehlt der vom Kläger zu 1. erhobenen Verfahrensrüge, das LSG hätte es nicht ausreichend berücksichtigt, die Grundlage.

45

Ein Vertrauenstatbestand kann auch nicht darauf gestützt werden, dass in der Regel aus der arzneirechtlichen Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels dessen Verordnungsfähigkeit folgt. Denn dies betrifft nur den Regelfall von Fertigarzneimitteln, für deren Verkehrsfähigkeit das Zulassungsverfahren mit fundierter Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchlaufen werden muss, während hier der besondere Fall eines Rezepturarzneimittels zu beurteilen ist. Dass insoweit keine Überprüfung nach dem AMG und typischerweise auch keine dem nahekommende Überprüfung stattgefunden hat, kann bei Ärzten als bekannt vorausgesetzt werden (zur ärztlichen Sachkunde vgl BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 24 mit Hinweis auf zB BSGE 96, 1= SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 34). Von daher bedürfte es besonderer Umstände, um annehmen zu können, der Arzt habe auf die Verordnungsfähigkeit vertrauen dürfen. Hierfür fehlt es an den ausreichenden Anhaltspunkten. Den vom Kläger zu 1. angeführten Gerichtsentscheidungen stehen gegenläufige Entscheidungen gegenüber, in denen die Verordnungsfähigkeit autologer Tumorvakzine verneint wurde (s die Angaben im Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 S 4; vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 30).

46

(3) Ohne Erfolg wendet der Kläger zu 1. ferner ein, er habe sich in schwierigen Konfliktsituationen bei lebensbedrohlichen Erkrankungen dafür entschieden, eine Behandlung durchzuführen, die immerhin von manchen Medizinern und Gerichten gebilligt worden sei, und deshalb sei unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) ein Regress ausgeschlossen. Dabei ist schon zweifelhaft, inwieweit nach der vom Beklagten und von den Vorinstanzen vorgenommenen umfänglichen Prüfung überhaupt noch Raum für eine Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sein kann. Selbst wenn hierfür Raum wäre, könnte dies nicht zu einem Erfolg für den Kläger zu 1. führen. Denn mit den autologen Tumorvakzinen sind Arzneimittel betroffen, bei denen sich Zweifel an der Verordnungsfähigkeit aufdrängen mussten: Eine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in einem Zulassungsverfahren hatte - da Rezepturarzneimittel - erkennbar nicht stattgefunden, eine Empfehlung des BA gab es nicht, und die Studienlage konnte nicht ohne Weiteres als tragfähig angesehen werden (vgl oben RdNr 34 ff). Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits - und daher offenzulassen - ist die Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen ein Arzt, der von einem pharmazeutischen Hersteller zur Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel veranlasst bzw verleitet wird und Regress an die vertragsärztlichen Institutionen leisten muss, Rückgriff gegen den Hersteller nehmen kann.

47

Im Rahmen von Regressen in der GKV ist auch kein Raum für die Berücksichtigung des Gesichtspunktes, dass bei Nicht-Durchführung dieser Arzneimitteltherapie Kosten für andere Behandlungsarten angefallen wären - sogenannte Vorteilsausgleichung - (vgl BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-2500 § 115b Nr 2 RdNr 21).

48

c) Dem Regress stehen schließlich auch keine Grundrechtspositionen des Klägers zu 1. entgegen. Insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 Abs 1 GG nicht verletzt. Dieses Grundrecht unterliegt - ebenso wie Art 14 Abs 1 GG - einem Gesetzesvorbehalt, darf also durch Gesetz eingeschränkt werden. Das ist durch die vorliegend einschlägigen Bestimmungen der §§ 106, 135 Abs 1 SGB V geschehen. Die Anwendung dieser Regelungen belastet den Kläger zu 1. nicht unverhältnismäßig (vgl oben RdNr 46).

49

4. Nach alledem ist nicht nur der Hauptantrag des Klägers zu 1. auf Bescheidaufhebung zurückzuweisen, sondern ebenso der Hilfsantrag: Für die hilfsweise begehrte Zurückverweisung der Sache an das LSG ist kein Raum, denn der gegenüber dem Kläger zu 1. ausgesprochene Regress hat sich im Revisionsverfahren gemäß vorstehenden Ausführungen abschließend als rechtmäßig erwiesen.

50

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden - im Hinblick auf die Klageerhebung vor diesem Stichtag hier noch anwendbaren - Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

Das Landessozialgericht prüft den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Es hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. September 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Arzneimittelregress wegen der Verordnung von Wobe Mugos E in den Quartalen III/1999 bis I/2000.

2

Der Kläger nimmt als Arzt für Allgemeinmedizin im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) an der vertragsärztlichen Versorgung teil. In den Quartalen III/1999 bis I/2000 verordnete er einer Patientin, die bei der zu 2. beigeladenen gesetzlichen Krankenkasse versichert war, wiederholt das Fertigarzneimittel Wobe Mugos E. Auf Antrag der Beigeladenen zu 2. setzte der Prüfungsausschuss einen Arzneimittelregress in Höhe von 1863,06 Euro fest; der beklagte Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 21.8.2003 zurück. Das SG hat den Bescheid aufgehoben (Urteil des SG vom 6.10.2010); hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte den Bescheid vom 21.8.2003 gemäß § 44 Abs 2 SGB X wegen unzulässiger Mitwirkung eines Krankenkassenvertreters zurückgenommen, in der Sache jedoch erneut wegen fehlender Verordnungsfähigkeit von Wobe Mugos E einen Arzneimittelregress in Höhe von 1863,06 Euro festgesetzt(Bescheid vom 1.6.2011).

3

Das LSG hat den Bescheid des Beklagten vom 1.6.2011 aufgehoben (Urteil vom 15.9.2011 = MedR 2012, 764). Der Bescheid sei rechtswidrig, da sich der Kläger auf Vertrauensschutz berufen könne. Die Versicherte und der Kläger hätten ausdrücklich bei der Beigeladenen zu 2. nachgefragt, ob der Versicherten Wobe Mugos E zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden dürfe, woraufhin diese ausdrücklich die Zulässigkeit der Verordnung im konkreten Einzelfall bejaht habe. Dies habe der Kläger mehrfach glaubhaft dargelegt; der Senat habe keine Veranlassung, an seinen Angaben zu zweifeln. § 34 SGB X sei nicht einschlägig, da eine schriftliche Erklärung nicht zwingend Voraussetzung für die Bejahung eines Vertrauensschutzes sei; vielmehr sei eine Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Danach habe der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass die Beigeladene zu 2. keinen Prüfantrag stelle und der Beklagte keinen Regress festsetze.

4

Mit ihren Revisionen rügen sowohl der Beklagte als auch die Beigeladene zu 2. die Verletzung von Bundesrecht. Der Beklagte führt aus, vorliegend sei kein Umstand gegeben, der einen Vertrauensschutz des Klägers begründen könne. Hierfür bedürfe es eines besonderen Vertrauenstatbestandes, insbesondere deswegen, weil bei einem Arzneimittel, welchem die arzneimittelrechtliche Zulassung fehle, keine Überprüfung hinsichtlich dessen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit stattgefunden habe. Nur die Schriftform stelle sicher, dass die Krankenkassen, deren Aufgabe es sei, die Patienten vor Gesundheitsgefahren zu schützen, nicht ohne sorgfältige Kontrolle und Überprüfung der Sachlage eine Kostenzusage erteilten. Gerade beim Einsatz medizinisch umstrittener Arzneimittel träten häufig medizinisch und/oder pharmakologisch schwierige Problemstellungen auf, welche die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) erforderten. Auch sei die Durchführbarkeit der Wirtschaftlichkeitsprüfung insgesamt in Gefahr, wenn die Prüfgremien zur Klärung der Glaubhaftigkeit des Vortrags eine umfangreiche Beweiserhebung durchzuführen hätten. Hinzuweisen sei schließlich auch auf den durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) eingefügten § 2 Abs 1a SGB V.

5

Die Beigeladene zu 2. führt aus, vorliegend sei unstreitig gegenüber der Versicherten keine Kostenübernahmeerklärung durch Verwaltungsakt erfolgt. Es liege auch keine Zusicherung iS des § 34 SGB X vor, da diese zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfe. Nach der gängigen Praxis reichten Ärzte Anfragen zur Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln schriftlich ein, und diese Anfragen würden ebenfalls schriftlich beantwortet. Da es bei einer Krankenkasse eine Vielzahl von Arzneimittelanfragen gebe, könne eine ordnungsgemäße Abwicklung nur gewährleistet werden, wenn die Schriftform eingehalten werde. Gerade bei einem umstrittenen Off-Label-Use und bei Import-Verordnungen bedürfe es in der Regel der Prüfung durch den MDK, um die Krankenkasse in die Lage zu versetzen, eine Entscheidung zu treffen. Für das Schriftformerfordernis spreche auch, dass bei den Krankenkassen in regelmäßigen Abständen eine Überprüfung durch den Landesprüfdienst bzw das Bundesversicherungsamt erfolge.

6

Der Beklagte sowie die Beigeladene zu 2. beantragen übereinstimmend,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15.9.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

8

Für die vom Beklagten sowie von der Beigeladenen zu 2. geforderte Schriftform als Wirksamkeitserfordernis fehle es an jeder gesetzlichen Grundlage. Gerade bei der Frage der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln mache eine rasche und unbürokratische Entscheidung Sinn. Praktischen Schwierigkeiten könne die Beigeladene zu 2. dadurch begegnen, dass sie entsprechende Dienstanweisungen erlasse, wonach für den Fall einer mündlichen Genehmigung zumindest ein schriftlicher Vermerk zu den Akten genommen werde.

9

Die Beigeladene zu 1. führt - ohne einen Antrag zu stellen - aus, das LSG sei zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass eine entsprechende Genehmigung der Krankenkasse vor Ausstellung der Verordnung vorgelegen habe. Ein Schriftformerfordernis bestehe nicht. Bewillige eine Krankenkasse eine Leistung, bringe sie dadurch zum Ausdruck, dass diese aus ihrer Sicht ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sei. Damit entfalle ihr Recht, nachträglich eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit in die Wege zu leiten. Vor dem Hintergrund des konkreten Krankheitsgeschehens sei eine möglichst zeitnahe Entscheidung durch die Krankenkasse zu treffen; dies möge im Einzelfall auch dazu führen, dass eine derartige Entscheidung telefonisch abgefragt und bestätigt werde. Die Beigeladene zu 2. habe es selbst in der Hand, ihre Mitarbeiter zu verpflichten, derartige Genehmigungen nicht in mündlicher Form zu erteilen.

10

Die übrigen Beigeladenen haben sich weder geäußert noch Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 2. sind in dem Sinne begründet, dass der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist. Ob das LSG den Bescheid des Beklagten vom 1.6.2011 zu Recht aufgehoben hat, kann der Senat auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht beurteilen.

12

1. In prozessualer Hinsicht ist klarzustellen, dass das LSG über den während des Berufungsverfahrens ergangenen und Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheid des Beklagten vom 1.6.2011 nicht auf Berufung, sondern erstinstanzlich "auf Klage" zu entscheiden hatte (stRspr des BSG, vgl BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 36 mwN). Einer Aufhebung auch des sozialgerichtlichen Urteils bedarf es nicht, weil insoweit Erledigung eingetreten ist, da der Beklagte den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 21.8.2003 zurückgenommen und durch einen neuen Bescheid ersetzt hat, der (alleiniger) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist.

13

2. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass der Beklagte im Ausgangspunkt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der klagende Arzt Wobe Mugos E wegen der generell, also indikationsunabhängig fehlenden Verordnungsfähigkeit von Wobe Mugos E auch schon im hier betroffenen Zeitraum (den Quartalen III/1999 bis I/2000) nicht zu Gunsten der bei der zu 2. beigeladenen Krankenkasse versicherten Patientin verordnen durfte.

14

a. Der Beklagte hat zutreffend erkannt, dass Verordnungen, die die Grenzen der Leistungspflicht der GKV nicht eingehalten haben, keinen "sonstigen Schaden" der Krankenkasse darstellen (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 21 ff), sondern ein Arzneikostenregress durchzuführen ist, dessen Rechtsgrundlage § 106 Abs 2 SGB V ist(zur Zugrundelegung des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 und BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 14).

15

Soweit das Quartal IV/1999 betroffen ist, ist § 106 Abs 2 SGB V in der vom 1.1.1993 bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) maßgeblich; auf das Quartal I/2000 findet § 106 Abs 2 SGB V in der ab 1.1.2000 geltenden Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 (<GKV-GRG 2000> vom 22.12.1999, BGBl I 2626) Anwendung. Nach § 106 Abs 2 SGB V idF des GSG wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder bei Überschreitung der Richtgrößen nach § 84 SGB V(aaO Satz 1 Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2) geprüft. Nach § 106 Abs 2 SGB V idF des GKV-GRG 2000 wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder nach Durch-schnittswerten oder bei Überschreitung der Richtgrößen nach § 84 SGB V(aaO Satz 1 Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V (in der durch das GKV-GRG 2000 unveränderten Fassung des GSG) andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (s zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 bis 14 mwN); nach den Feststellungen des LSG sah auch die vorliegend maßgebliche Prüfvereinbarung dies vor. Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und ihre Auswahl daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in einem bestimmten Behandlungsfall hinsichtlich des Behandlungs- und Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Dem Bescheid des Beklagten ist auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass er eine Einzelfallprüfung wegen Unwirtschaftlichkeit durchgeführt hat.

16

b. Die im vorliegenden Fall aufgrund vorgenannter Rechtsgrundlage durchgeführte Einzelfallprüfung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Annahme der Unwirtschaftlichkeit wie auch die Höhe des festgesetzten Regresses sind nicht zu beanstanden. Wie der erkennende Senat - in Fortführung der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG (BSGE 95, 132 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3) - mit Urteilen vom 5.11.2008 (B 6 KA 63/07 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und B 6 KA 64/07 R) sowie vom 6.5.2009 (B 6 KA 3/08 R = USK 2009-14 = MedR 2010, 276) entschieden hat, war die von den dortigen Klägern vorgenommene Verordnung von Wobe Mugos E in den Quartalen III/1999 bis I/2000 nicht zulässig (zuletzt BSG Beschluss vom 27.6.2012 - B 6 KA 72/11 B - Juris RdNr 8 ff). Denn dieses Arzneimittel durfte nicht im Rahmen der GKV verordnet werden; insoweit bestand weder eine Leistungspflicht der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten. Jedenfalls seit der Ablehnung der Zulassungsverlängerung durch den Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 9.6.1998 war Wobe Mugos E nicht mehr verordnungsfähig iS des SGB V (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 25). Fehlt die Verordnungsfähigkeit, so ist Unwirtschaftlichkeit gegeben (BSG aaO unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 281 f und BSG MedR 2007, 557).

17

3. Ob die Festsetzung des Regresses aus anderen Gründen - namentlich wegen eines Vertrauenstatbestandes - ausgeschlossen ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Soweit das LSG indessen angenommen hat, die telefonische Zusage der Verordnungsfähigkeit von Wobe Mugos E seitens eines Mitarbeiters der beigeladenen Krankenkasse begründe zu Gunsten des Klägers einen Vertrauenstatbestand, der die Festsetzung eines Regresses hindert, kann der Senat dem - jedenfalls auf der Basis der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen - nicht folgen.

18

a. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Anerkennung von Vertrauensschutz zunächst erfordert, dass ein anderer Beteiligter insoweit einen besonderen Vertrauenstatbestand gesetzt hat (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 18 mwN<= Rspr zur Aufhebung von Honorarbescheiden>; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 17; zuletzt BSG Beschluss vom 14.12.2011 - B 6 KA 57/11 B - Juris RdNr 9). Bei umstrittenen Verordnungen kann ein derartiger Vertrauenstatbestand nur von den Prüfgremien oder vom Kostenträger - der Krankenkasse - gesetzt werden (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 19, 21). Vertrauensschutz setzt nach der Rechtsprechung des Senats zudem voraus, dass die zuständigen Körperschaften oder Gremien explizit die für die von den betroffenen Ärzten praktizierte oder beabsichtigte Verordnungsweise gebilligt und die Ärzte in Kenntnis dieser Auskunft ihre Verordnungsweise fortgesetzt bzw aufgenommen haben (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 17). Erforderlich ist eine auf eine verbindliche Festlegung zielende behördliche Äußerung der Entscheidungs- bzw Kostenträger (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 19, 21; BSG Beschluss vom 14.12.2011 - B 6 KA 57/11 B - Juris RdNr 9).

19

b. Zusagen oder Erklärungen einer Krankenkasse, eine bestimmte Leistung dem Versicherten als vertragsärztliche Leistung zu gewähren oder die Kosten dafür zu übernehmen, sind nicht von vornherein ausgeschlossen. Insbesondere lässt sich ein derartiges Verbot nicht aus § 29 Abs 1 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) herleiten. Dort ist zwar bestimmt, dass die Genehmigung von Arzneimittelverordnungen durch die Krankenkasse unzulässig ist; hieraus hat der Senat abgeleitet, dass sich ein Vertragsarzt vertragsärztliche Verordnungen nicht einzeln genehmigen lassen darf. Dieses Verbot hat sich - wie der Senat dargelegt hat - jedoch immer nur auf Verordnungen im Rahmen der Leistungspflicht der Krankenkassen bezogen (BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27, RdNr 44), nicht hingegen auf (grundsätzlich) außerhalb der Leistungspflicht der GKV liegende Verordnungen. Im Übrigen gehen die zuständigen Senate des BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass in den Fällen, in denen es um die Frage geht, ob ein - grundsätzlich ausgeschlossenes - Arzneimittel ausnahmsweise zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse verordnet werden darf, Raum für eine sogenannte "Vorab-Prüfung" (und -Genehmigung) durch die Krankenkasse ist (s hierzu unter 3.c.cc.(1)).

20

c. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das LSG auch davon aus, dass Erklärungen der Krankenkasse, ausnahmsweise die Kosten für die Verordnung eines Arzneimittels zu übernehmen, obwohl das Medikament außerhalb seiner arzneimittelrechtlichen Zulassung eingesetzt werden soll bzw ein Arzneimittel betroffen ist, das überhaupt keine in Deutschland gültige Zulassung besitzt, keinem gesetzlichen Formerfordernis unterliegen. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob es dabei - wie vorliegend - um die Genehmigung der ausnahmsweisen vertragsärztlichen Verordnung eines Arzneimittels geht oder um eine Kostenübernahmeerklärung in dem Sinne, dem Versicherten die Kosten des Arzneimittels nach § 13 Abs 3 SGB V zu erstatten.

21

Verwaltungsakte können in jeder Form - also auch mündlich - erlassen werden (§ 33 Abs 2 Satz 1 SGB X; s auch § 9 Satz 1 SGB X). Etwas anderes gilt somit nur dann, wenn die Schriftform ausdrücklich vorgeschrieben ist. Ein derartiges Schriftformerfordernis für die hier in Rede stehende "Entscheidung" der Krankenkasse ist jedoch weder dem Gesetz noch den Bestimmungen des BMV-Ä zu entnehmen (aa.). Ebenso wenig ergibt es sich unter dem Gesichtspunkt einer Zusicherung (bb.). Auch in der Rechtsprechung des BSG zur "Vorab-Prüfung" wird dies nicht gefordert (cc.).

22

aa. Ein gesetzliches Schriftformerfordernis für Erklärungen der Krankenkasse, die die Genehmigung der ausnahmsweisen Verordnung von (grundsätzlich ausgeschlossenen) Arzneimitteln bzw eine "Kostenübernahme" zum Gegenstand haben, lässt sich dem vorliegend maßgeblichen Recht nicht entnehmen. Hieran hat sich auch durch die in jüngerer Zeit in Kraft getretenen Gesetzesänderungen nichts geändert. Weder § 2 Abs 1a SGB V in der ab dem 1.1.2012 geltenden Fassung des GKV-VStG (vom 22.12.2011, BGBl I 2983) noch § 13 Abs 3a SGB V in der ab dem 26.2.2013 geltenden Fassung des Patientenrechtegesetzes (vom 20.2.2013, BGBl I 277) sehen solches vor. § 2 Abs 1a SGB V, der für besondere Ausnahmesituationen einen Anspruch auf eine von § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung begründet, regelt allein, dass die Krankenkasse auf Antrag des Versicherten bzw des Leistungserbringers eine Kostenübernahmeerklärung erteilt(Satz 2 aaO), mit der die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung festgestellt wird (Satz 3 aaO); in welcher Form diese Kostenübernahmeerklärung zu erfolgen hat, ist jedoch nicht bestimmt. Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich im Übrigen zweifelsfrei der Wille des Gesetzgebers entnehmen, dass Antrag und Kostenübernahmeerklärung formlos erfolgen können (s Ausschussbericht zum GKV-VStG, BT-Drucks 17/8005 S 103 zu § 2 Abs 1a SGB V; so auch Peters in Kasseler Komm, § 2 SGB V RdNr 6). Auch § 13 Abs 3a SGB V, der Regelungen für den zeitlichen Ablauf des Bewilligungsverfahrens enthält, trifft keine Aussagen zur Form der Bewilligungsentscheidung bzw der Ablehnung des Antrags; geregelt ist insoweit allein, dass die Krankenkasse dann, wenn sie die (Entscheidungs-)Frist nicht einhalten kann, dies schriftlich mitzuteilen hat (aaO Satz 5). Bestimmungen des BMV-Ä lässt sich ebenfalls kein Schriftformerfordernis entnehmen.

23

bb. Entgegen der Auffassung des Beklagten wie der Beigeladenen zu 2. folgt ein Schriftformerfordernis für die hier in Rede stehende Erklärung einer Krankenkasse auch nicht aus § 34 SGB X, weil es sich dabei nicht um eine "Zusicherung" im Sinne dieser Vorschrift handelt. Nach § 34 Abs 1 Satz 1 SGB X bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Mithin ist die Zusicherung nach § 34 SGB X vom eigentlichen Verwaltungsakt abzugrenzen: Sie unterscheidet sich dadurch vom Verwaltungsakt, dessen Erlass bzw Unterlassen zugesichert werden soll, dass sie keine gegenwärtige Sachregelung trifft, sondern den Erlass (bzw die Unterlassung) eines Verwaltungsaktes für die Zukunft verbindlich in Aussicht stellt(Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 34 RdNr 6); das Wesen der Zusicherung liegt darin, dass der Verwaltungsakt erst in der Zukunft erlassen wird (Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, K § 34 RdNr 9). Bei der Abgrenzung von Zusicherung und Verwaltungsakt ist auf den objektiven Sinngehalt der Erklärung abzustellen, wie ihn der Empfänger der Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen musste (Engelmann aaO mwN).

24

Nach diesen Maßstäben stellt die Erklärung der Krankenkasse, auf die sich der Kläger beruft, keine Zusicherung eines späteren Verwaltungsaktes dar, sondern ist bereits selbst dieser Verwaltungsakt. Dabei spielt es insoweit keine Rolle, ob die Erklärung auf die Genehmigung einer ausnahmsweisen vertragsärztlichen Verordnung eines Arzneimittels gerichtet ist, dessen Verordnung außerhalb der für das Arzneimittel erteilten Zulassung erfolgt bzw ein Arzneimittel betrifft, das überhaupt keine in Deutschland gültige Zulassung besitzt, oder ob sie die Übernahme der Kosten im Rahmen des § 13 Abs 3 SGB V betrifft. Klarzustellen ist, dass derartige Entscheidungen nur gegenüber dem Patienten selbst erfolgen können; gegenüber dem Vertragsarzt kommt eine Entscheidung der Krankenkasse durch Verwaltungsakt schon wegen des fehlenden Über-Unterordnungsverhältnisses sowie wegen der gesetzlich vorgegebenen Trennung der Rechtskreise (s hierzu BSGE 61, 19, 25 = SozR 2200 § 368f Nr 11 S 34; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 9 RdNr 32)nicht in Betracht.

25

Das Leistungsrecht der GKV ist auf Sach- bzw Naturalleistungen gerichtet. Die Versicherten erhalten die ihnen zustehenden Leistungen nicht unmittelbar von ihrer Krankenkasse, sondern gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V als Sach- und Dienstleistungen, über deren Erbringung die Krankenkassen Verträge mit den Leistungserbringern schließen (§ 2 Abs 2 Satz 3 SGB V). Diese erbringen gemäß den geschlossenen Verträgen die von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen oder veranlassen deren Erbringung - etwa durch Verordnung von Arzneimitteln - in eigener Verantwortung (vgl § 29 Abs 1 Satz 2 BMV-Ä für die Verordnung von Arzneimitteln). Im Regelfall liegt daher der Leistungsgewährung überhaupt kein - etwa auf die Versorgung mit Arzneimitteln gerichteter - Verwaltungsakt der Krankenkasse zugrunde.

26

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Bereich der "regulären" Versorgung verlassen wird, insbesondere wenn es um die Verordnung von Arzneimitteln geht, die außerhalb ihrer Zulassung verordnet werden sollen bzw die überhaupt keine Zulassung besitzen. In Abweichung vom Regelsystem, das die Entscheidung über die Verordnung von Arzneimitteln in die Verantwortung des Vertragsarztes stellt (vgl § 29 Abs 1 Satz 1 BMV-Ä), kommt in diesem Bereich eine Verordnung zu Lasten der GKV durch den Vertragsarzt nur und erst dann (regressfrei) in Betracht, wenn die zuständige Krankenkasse die Verordnung im Ausnahmefall genehmigt hat. Diese "Ausnahmegenehmigung" stellt einen Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 SGB X dar. Auch ein Versicherter oder dessen behandelnder Vertragsarzt, die eine "Vorab-Prüfung" bei der Krankenkasse beantragen, werden deren Erklärung, die Kosten eines bestimmten Arzneimittels zu übernehmen, in aller Regel als Entscheidung über das ausnahmsweise Bejahen einer Leistungspflicht verstehen.

27

cc. Schließlich ist auch in der Rechtsprechung des BSG zur "Vorab-Prüfung" keine Festlegung erfolgt, in welcher Form eine Krankenkasse dem anfragenden Vertragsarzt oder Versicherten das Ergebnis einer von ihr durchgeführten "Vorab-Prüfung" mitzuteilen hat.

28

(1) Die zuständigen Senate des BSG haben in ständiger Rechtsprechung darauf verwiesen, dass der Vertragsarzt in Fällen unklarer Verordnungen - insbesondere bei einem medizinisch umstrittenen Arzneimitteleinsatz bzw in Fällen eines Off-Label-Use - der Krankenkasse als Kostenträger eine Vorab-Prüfung ermöglichen muss, ob sie die Verordnungskosten übernimmt, wenn er sich nicht dem Risiko eines Regresses aussetzen will (BSG Beschluss vom 31.5.2006 - B 6 KA 53/05 B - Juris RdNr 13 = MedR 2007, 557; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 17; BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27, RdNr 43; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 37). Diese "Vorab-Prüfung" kann zum einen vom Arzt selbst veranlasst werden (s hierzu BSG Beschluss vom 31.5.2006 - B 6 KA 53/05 B - Juris RdNr 13 = MedR 2007, 557; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 17 f; BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27, RdNr 43), zum anderen durch den Versicherten, der nach § 13 Abs 3 SGB V Kostenerstattung begehrt (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 37): Ein gängiger Weg ist es, dem Versicherten ein Privatrezept auszustellen und es diesem zu überlassen, sich bei seiner Krankenkasse um Kostenerstattung zu bemühen (vgl BSG Beschluss vom 31.5.2006 - B 6 KA 53/05 B - Juris RdNr 13 = MedR 2007, 557; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 37). Bestätigt die Krankenkasse im Rahmen dieser Prüfung, dass eine Leistung - die Verordnung des in Rede stehenden Arzneimittels bzw die Übernahme der Verordnungskosten - zu Unrecht abgelehnt wurde, begründet diese Feststellung einen Vertrauenstatbestand, auf den sich (auch) der verordnende Vertragsarzt berufen kann. Der Vertragsarzt kann aber auch zunächst selbst bei der Krankenkasse deren Auffassung als Kostenträger einholen und (erst) im Ablehnungsfall dem Patienten ein Privatrezept ausstellen (BSG Beschluss vom 31.5.2006 - B 6 KA 53/05 B - Juris RdNr 13 = MedR 2007, 557; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 17).

29

(2) Dass die von der Krankenkasse abzugebende Erklärung über das Ergebnis der von ihr durchgeführten Vorab-Prüfung der Schriftform bedarf, lässt sich der Rechtsprechung nicht entnehmen und wäre nach den vorstehenden Ausführungen zur fehlenden Erforderlichkeit der Schriftform auch nicht begründbar. Gestützt wird diese Annahme dadurch, dass der Gesetzgeber in seiner Begründung zu § 2 Abs 1a SGB V verdeutlicht hat, dass Kostenübernahmeerklärungen der Krankenkassen formlos erfolgen können(Ausschussbericht zum GKV-VStG, BT-Drucks 17/8005 S 103 zu § 2 Abs 1a SGB V); dass für die ausnahmsweise Genehmigung der Verordnung eines an sich nicht (vertragsärztlich) verordnungsfähigen Arzneimittels etwas anderes gelten soll, ist nicht erkennbar. Der Senat stellt daher klar, dass grundsätzlich auch mündliche bzw telefonische Erklärungen der Krankenkasse, die vertragsärztliche Verordnung eines Arzneimittels zu genehmigen, das außerhalb seiner Zulassung verordnet wird oder das über keine in Deutschland gültige Zulassung verfügt, wirksam sein und einem nachfolgenden Regress entgegenstehen können.

30

Zwar wird in der Regel eine schriftliche oder - in Eilfällen - per Mail zugeleitete Entscheidung schon aus Gründen der Rechtssicherheit unverzichtbar sein, auch weil sich ein Leistungserbringer mutmaßlich kaum auf die telefonische Mitteilung eines ihm in der Regel nicht bekannten Mitarbeiters einer Krankenkasse verlassen dürfte. Denn nach allgemeinen Grundsätzen der objektiven Beweislast (s hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 103 RdNr 19a mwN)trägt derjenige, der sich auf eine Willensäußerung beruft, das Risiko des fehlenden Nachweises (vgl auch BFHE 159, 114 - Juris RdNr 20). Das Risiko, das sich immer dann ergibt, wenn sich das Telefongespräch oder dessen genauer Inhalt nicht nachweisen lassen, trägt in der hier zu beurteilenden Konstellation also der Arzt. Eine schriftliche Dokumentation ist somit zwar sinnvoll, aber - wie dargelegt - keine Wirksamkeitsvoraussetzung.

31

d. Daher ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch eine telefonisch übermittelte Zusage einer Krankenkasse, eine Verordnung zu genehmigen, die an sich gesetzlich ausgeschlossen ist, einen Vertrauensschutz des Vertragsarztes begründen kann, der hiervon Kenntnis erlangt oder selbst Empfänger der Mitteilung ist. Das ist jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen der Fall, deren Vorliegen das LSG hier zumindest nicht festgestellt hat.

32

aa. Die lediglich telefonische Mitteilung eines Mitarbeiters der zuständigen Krankenkasse, diese sei mit der Verordnung eines Arzneimittels außerhalb seiner Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (Off-Label-Use) oder eines Mittels ohne deutsche oder europäische Zulassung (Unlicensed Use) einverstanden, kann allenfalls in besonders gelagerten Konstellationen Vertrauensschutz begründen. Denn zum einen setzt die Entscheidung der Krankenkasse, die zulassungsüberschreitende Verordnung eines Arzneimittels oder eines solchen, welches über keine in Deutschland wirksame Zulassung verfügt, auf der Grundlage der hierzu von der Rechtsprechung bzw vom Gesetzgeber aufgestellten Voraussetzungen ausnahmsweise zu genehmigen, die Klärung schwieriger Fragen voraus, die im Regelfall der Hinzuziehung medizinischen Sachverstands bedarf (1). Zum anderen bedarf auch die Tragweite der "Erlaubnis" einer Verordnung auf "Kassenrezept" der Präzisierung (2).

33

(1) Bei der Entscheidung einer Krankenkasse, ob sie ausnahmsweise die Verordnung eines Arzneimittels genehmigt, dessen grundsätzliche Verordnung ausgeschlossen ist, handelt es sich nicht um eine Routineentscheidung wie die Gewährung von Krankengeld oder Haushaltshilfe. Vielmehr kommt in derartigen Fällen eine Genehmigung der Verordnung durch den Vertragsarzt (und damit die Übernahme der Kosten) durch die - an Recht und Gesetz gebundenen - Krankenkassen nur in Ausnahmefällen in Betracht, in denen die in der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Voraussetzungen vorliegen. Dies ist nur dann der Fall, wenn es sich um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer beeinträchtigenden) Erkrankung handelt, keine anderweitige anerkannte Therapie verfügbar ist und aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (zusammenfassend BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 16); hinreichende Erfolgsaussichten bestehen nur dann, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse über Nutzen und Risiken des Mittels aufgrund von Phase III-Studien vorliegen, die eine erweiternde Zulassung ermöglichen (BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 17). Ergänzend hat die Krankenkasse zu prüfen, ob ausnahmsweise eine Verordnung unter Zugrundelegung der vom BVerfG in seinem Beschluss vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) aufgestellten - und jetzt in § 2 Abs 1a SGB V nF normierten - Voraussetzungen zulässig und geboten ist. Auch diese Entscheidung setzt eine eingehende Prüfung voraus, die auf der einen Seite eine Beurteilung des Gesundheitszustandes des Patienten und auf der anderen Seite die Beurteilung der vorhandenen (alternativen) Therapiemöglichkeiten umfasst. Nichts anderes gilt im Falle der Verordnung eines Mittels ohne deutsche oder europäische Zulassung (Unlicensed Use).

34

(2) Zum anderen ist in jedem Einzelfall die Tragweite der von der Krankenkasse durch ihren Mitarbeiter abgegebenen "Erklärung" klärungsbedürftig. So ist zunächst danach zu differenzieren, ob der Mitarbeiter der Krankenkasse dem Arzt zusichert, die Krankenkasse werde die Kosten des Mittels übernehmen, oder ob sie den Vertragsarzt "ermächtigt", eine vertragsärztliche Verordnung auszustellen.

35

In der erstgenannten Konstellation hat die "Zusage" für den Arzt die Konsequenz, dass er ein Privatrezept ausstellt und dem Patienten versichern kann, dass die Krankenkasse die Kosten auf der Grundlage des § 13 Abs 3 SGB V erstatten wird. Der Schutz der Zusage der Krankenkasse wirkt insoweit vor allem haftungsrechtlich, als der Arzt sich in der Regel darauf verlassen darf, dass der Patient das verordnete Mittel tatsächlich zur Verfügung haben wird. Das ist - gerade bei sehr teuren Mitteln und bei Patienten mit geringem Einkommen - ohne die Zusage der Krankenkasse nicht gesichert, was der Arzt für die Behandlung bedenken muss und was ihn gegebenenfalls zur Wahl einer Behandlungsalternative verpflichten kann.

36

Die rechtlichen Wirkungen einer "Zusage" des Mitarbeiters der Krankenkasse, der Arzt dürfe das umstrittene Mittel vertragsärztlich verordnen - allein dies steht vorliegend im Streit -, können sehr viel weiter gehen. Je nach gesundheitlicher Situation des Patienten und Inhalt der "Zusage" kann sich der Arzt legitimiert fühlen, einem Versicherten ein bestimmtes Medikament ohne zeitliche und quantitative Begrenzung zu verordnen. Daher ist der Inhalt der Erklärung nicht zuletzt hinsichtlich der (genehmigten) zeitlichen Dauer der Verordnung und der Verordnungsmenge festzustellen. Aus Sicht des Vertragsarztes beinhaltet die Erklärung der Krankenkasse zudem vorrangig die verbindliche Zusage, insoweit auf einen Regress zu verzichten. Der Vertragsarzt könnte dabei davon ausgehen, mit dem Regressverzicht habe die Krankenkasse nicht nur auf den Regress wegen der fehlenden Verordnungsfähigkeit verzichtet, sondern zugesagt, dass die "genehmigte" Verordnung generell der Wirtschaftlichkeitsprüfung - sei es nach Richtgrößen, sei es nach Durchschnittswerten - entzogen wird. Dies ist zwar nachvollziehbar, da andernfalls für den Arzt gerade bei sehr teuren Medikamenten, die die Ärzte seiner Fachgruppe wegen deren Ausschluss aus der Leistungspflicht der Krankenkasse nicht verordnen, das Risiko besteht, dass er wirtschaftlich von dem Verzicht der Krankenkasse auf einen (Einzelfall-)Regress nicht profitiert: Dies wäre dann der Fall, wenn die Verordnung zwar als zulässig, jedoch als unwirtschaftlich iS der §§ 12, 106 SGB V beurteilt wird und insoweit auch keine Praxisbesonderheiten anerkannt sind. Ob die Erklärung der Krankenkasse jedoch überhaupt im Sinne eines derart weitgehenden Regressverzichts zu verstehen ist oder ob sie allein darauf gerichtet ist, die ausnahmsweise Verordnung des Arzneimittels dem Grunde nach zu genehmigen, bedarf gleichfalls der Klärung im Einzelfall.

37

bb. Wegen der schwierigen Fragestellungen sowie der Trageweite der "Erlaubnis" einer vertragsärztlichen Verordnung und der Notwendigkeit, diese präzise nach zeitlicher Dauer und Verordnungsmenge zu bestimmen, kann der Arzt auf die Erklärung der Krankenkasse somit nur vertrauen, wenn er sicher ist, dass diese insbesondere die Voraussetzungen für die Genehmigung fundiert geprüft hat bzw durch den MDK hat prüfen lassen, oder die Entscheidung einer ständigen Verwaltungspraxis der Krankenkasse entspricht. Wenn der Arzt - etwa nach Gesprächen mit (medizinisch oder pharmakologisch) fachkundigen Mitarbeitern der Krankenkasse oder eines Arztes des MDK - sicher sein kann, dass eine solche Prüfung stattgefunden hat, und/oder er aus anderen Gründen davon ausgehen kann, dass der Krankenkassenmitarbeiter sich der Tragweite seiner Erklärung bewusst ist, ist er auch dann geschützt, wenn ihm das Ergebnis der Prüfung "nur" telefonisch übermittelt wird.

38

Hat der Vertragsarzt hingegen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Krankenkasse die Sach- und Rechtslage hinsichtlich der umstrittenen Verordnung geprüft hat, kann er nicht sicher sein, dass der in der Regel insoweit nicht fachkundige Mitarbeiter (in der Leistungsabteilung oder in der Geschäftsstelle der Krankenkasse) die Frage nach der Verordnungsfähigkeit eines an sich ausgeschlossenen Arzneimittels richtig verstanden und seine Antwort in Kenntnis der insoweit maßgeblichen Voraussetzungen und vertragsarztrechtlichen Konsequenzen gegeben hat. Es ist dann naheliegend, dass die vermeintliche "Zusage" auf eine lediglich telefonische Rückfrage hin auch nur eine unverbindliche Meinungsäußerung des Krankenkassenmitarbeiters gewesen sein kann, er sehe keine Bedenken, ohne wirklich den Sachverhalt hinreichend übersehen zu können. Es obliegt dem Vertragsarzt, der eine Entscheidung von unter Umständen erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen auf eine so unsichere Grundlage stützen will, sich durch Bitte um schriftliche Bestätigung der telefonischen "Zusage" bei der Krankenkasse rückzuversichern. Dies wird in aller Regel zumutbar sein.

39

Insoweit zieht der Senat die Rechtsprechung des BFH (vgl BFHE 159, 114, 119 mwN) zur - sehr begrenzten - Verbindlichkeit mündlicher und vor allem telefonischer Zusagen von Mitarbeitern der Finanzverwaltung gegenüber Steuerpflichtigen heran. Danach liegt bei mündlichen Äußerungen von Mitarbeitern der Finanzverwaltung die Annahme nahe, dass lediglich eine unverbindliche Meinungsäußerung abgegeben worden ist und deshalb an den Nachweis der eine Bindung begründenden Merkmale strenge Anforderungen zu stellen sind. Insbesondere muss zweifelsfrei feststehen, dass der Sachverhalt und die rechtliche Frage zutreffend dargelegt sowie von dem die Auskunft erteilenden Mitarbeiter richtig verstanden worden sind (aaO). Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass im Steuerrecht ohnehin nur Erklärungen des zuständigen Sachgebietsleiters oder des Vorstehers des Finanzamtes Relevanz besitzen (stRspr des BFH, vgl BFHE 159, 114, 119; BFH Urteil vom 21.8.2012 - VIII R 33/09 = NJW 2013, 639, 640 mwN). Das Risiko, dass der Mitarbeiter Sachverhalt und rechtlich relevante Frage richtig verstanden und auf dieser Basis geantwortet hat, trägt danach grundsätzlich der Steuerpflichtige (BFHE 159, 114, 119). Diese Risikoverteilung ist gerechtfertigt, weil der Betroffene es in der Hand hat, sich mit zumutbarem Aufwand Gewissheit darüber zu verschaffen, ob er auf die mündlich oder telefonisch geäußerte Auffassung - bzw auf das, was er als Auffassung seines Gesprächspartners wahrgenommen hat - vertrauen darf. Das gilt auch für den Vertragsarzt im Rechtsverhältnis zur Krankenkasse seiner Patienten.

40

Etwas anderes gilt nur dann, wenn bei der betreffenden Krankenkasse eine Verwaltungspraxis der Art besteht, dass auf eine Prüfung der rechtlichen sowie der fachlichen Voraussetzungen durch den MDK bzw eigenes (medizinisch oder pharmakologisch) fachkundiges Personal generell verzichtet und/oder die Entscheidung über die Genehmigung der Verordnung derartiger Arzneimittel dem jeweiligen Sachbearbeiter überlassen bleibt. Begibt sich eine Krankenkasse auf diese Art und Weise ihrer Überprüfungsmöglichkeit und ist dies dem Vertragsarzt bekannt, reicht dies aus, um ein Vertrauen des Vertragsarztes in die Verbindlichkeit der Erklärung der Krankenkasse zu begründen. Außer Frage steht, dass eine schriftliche Bestätigung nicht gefordert werden kann, wenn dies seitens der Krankenkasse abgelehnt wird.

41

cc. Somit setzt die Annahme von Vertrauensschutz auf eine lediglich telefonisch erteilte "Erlaubnis" einer bestimmten vertragsärztlichen Verordnung - grundsätzlich - eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände voraus. Unter Berücksichtigung des Ausnahmecharakters der Verordnung und der damit verbundenen schwierigen medizinischen Fragestellungen (oben 3.d.aa.1) sowie der klärungsbedürftigen Tragweite der Verordnung (oben 3.d.aa.2) ist hierbei etwa von Bedeutung, ob den betreffenden Mitarbeiter der Krankenkasse zum Zeitpunkt des Telefonats der zugrundeliegende Sachverhalt bereits bekannt war; zu berücksichtigen ist daher, ob Erst- oder Folgeverordnungen betroffen sind bzw ob hinsichtlich der Behandlung des betroffenen Patienten schon Kontakt zwischen Vertragsarzt und Krankenkasse bestand. Weiter kann von Bedeutung sein, ob der Arzt eine im Rahmen einer Krankenhausbehandlung begonnene Off-Label-Therapie ambulant fortsetzen will bzw muss oder einen ganz neuen Behandlungsansatz verfolgt.

42

In die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind auch die weiteren Umstände der Verordnung, insbesondere deren wirtschaftliche Tragweite; denn es liegt auf der Hand, dass die Entscheidung der Krankenkasse nicht losgelöst von den Kosten des Medikaments und/oder der Dauer der geplanten Therapie betrachtet werden kann. Auch dem verordnenden Arzt ist bewusst, dass die Krankenkasse die Genehmigung einer Verordnung umso intensiver prüfen wird, je höher deren Folgekosten sind. Daher besteht für ihn bei besonders kostenträchtigen Verordnungen eine besondere Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Prüfung, ob der die Erklärung abgebende Krankenkassenmitarbeiter sich der Tragweite seiner Erklärung bewusst ist, während er umgekehrt bei Verordnungen von geringer wirtschaftlicher Bedeutung im Regelfall annehmen darf, dass die von der Krankenkasse abgegebene Erklärung verbindlich ist.

43

Wichtig kann weiterhin sein, ob die Verordnung aus medizinischen Gründen nach dem Konzept des Arztes keinen Aufschub duldet, so dass die Bitte um schriftliche oder elektronische Bestätigung des Gesprächsergebnisses kaum zumutbar erscheint. Dies kommt allerdings nur ausnahmsweise in Betracht, etwa dann, wenn die Bestätigung - zB wegen des nahenden Endes der Geschäftszeiten - nicht innerhalb des medizinisch gebotenen Zeitraums erfolgen kann. Zu berücksichtigen ist zudem, ob die Krankenkasse nach ihrer Verwaltungspraxis generell auf eine nähere Überprüfung "irregulärer" Verordnungen verzichtet oder jedenfalls für ein bestimmtes Arzneimittel in vergleichbaren Fällen generell eine "Zusage" erteilt hat.

44

Die unverzichtbare Gesamtwürdigung aller Umstände ist Sache des Tatrichters und nicht des Revisionsgerichts. Bundesrechtlich steht als rechtlicher Rahmen nur fest, dass schutzwürdiges Vertrauen des Arztes auf die lediglich telefonisch übermittelte "Genehmigung" an sich vertragsarztrechtlich unzulässiger Verordnungen den Ausnahmefall bildet. Ergeben die insoweit maßgeblichen Umstände kein eher zu Gunsten des Arztes sprechendes Gesamtbild, kann sich der Arzt auf Vertrauensschutz nicht berufen.

45

4. Das Berufungsgericht wird bei seiner abschließenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Regressbescheiden wegen der Verordnung autologer Tumorvakzine (Quartale II und III/1998, I, II und IV/1999).

2

Der Kläger zu 1. betrieb bis zum Quartal III/1999 zusammen mit dem Kläger zu 2. eine Gemeinschaftspraxis, die danach in eine Praxisgemeinschaft umgewandelt wurde. Beide waren bzw sind als Fachärzte für Innere Medizin im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gegen sie bzw gegen die von ihnen geführte Gemeinschaftspraxis ergingen Regressbescheide, weil sie in den Quartalen II und III/1998, I, II und IV/1999 autologe Tumorvakzine verordnet hatten, ohne dass sie dazu berechtigt gewesen seien. Die jeweiligen Patienten waren bzw sind bei den zu 2., 9. bis 11. beigeladenen Krankenkassen (KKn) - bzw bei deren Rechtsvorgängern - versichert.

3

Die Verordnungen betrafen das Therapieverfahren der sogenannten aktiv-spezifischen Immunisierung (ASI) mit autologen Tumorvakzinen (Impfungen mit eigenem Körperzellmaterial) bei Patienten, die an Darmkrebs, Nierenkrebs oder Osteosarkom litten. Die Gewinnung autologer Tumorvakzine wird als sogenanntes Rezepturarzneimittel auf Rezeptblättern verordnet und erfolgt für jeden Patienten individuell aus seinen körpereigenen Tumorzellen. Die Bearbeitung und die Injektion der Zellen führte für die Kläger der damalige Pharmahersteller macropharm GmbH bzw für diese Firma der Arzt Dr. N. durch. Dabei fielen je Verordnung bzw Verordnungsserie ca 15.000 DM an. Das vorliegende Revisionsverfahren betrifft insgesamt zehn solcher Verordnung(sseri)en.

4

Die wegen dieser Verordnungen ergangenen Regressbescheide bestätigte - unter Zurückweisung der Widersprüche der Kläger - der beklagte Beschwerdeausschuss. Im Verlauf des sozialgerichtlichen Klageverfahrens ersetzte der Beklagte seine Bescheide durch neue Bescheide vom 9.11.2002. Hierin führte er unter Bezugnahme auf § 106 SGB V aus, dass er von einer vorgängigen Beratung habe absehen können, weil die Kläger - bereits seit 1992 bzw 1997 vertragsärztlich tätig - über das Wirtschaftlichkeitsgebot ausreichend informiert gewesen seien. Zur ASI mit autologen Tumorvakzinen habe es keine Anwendungsempfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und KKn (BA - heute Gemeinsamer Bundesausschuss ) gegeben.

5

Der BA beschloss am 10.4.2000 die Zuordnung der ASI zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden (s Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs 1 SGB V mit der Anfügung der Nr 29 in die Anlage B "nicht anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden", BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828).

6

Das von den Klägern angerufene SG hat ihre Klagen abgewiesen (Gerichtsbescheide vom 18.8.2003, vom 26.8.2003, vom 27.8.2003, vom 8.10.2003, vom 29.10.2003, vom 20.11.2003, vom 19.11.2003 und vom 2.12.2003). Mit ihren dagegen gerichteten Berufungen sind die Kläger nur zu einem geringen Teil erfolgreich gewesen. Das LSG, das die Berufungsverfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat mit Urteil vom 27.8.2008 auf die Berufung des Klägers zu 2. den Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 insoweit aufgehoben, als dieser einen Regress wegen der Verordnung im Quartal IV/1999 auch gegen den Kläger zu 2. ausgesprochen hatte (L 3 KA 484/03 - in Juris dokumentiert): Hierzu hat das LSG ausgeführt, die Gemeinschaftspraxis habe nur bis zum Quartal III/1999 bestanden und daher habe der Kläger zu 2. diese Verordnung nicht mehr mitzuverantworten, vielmehr habe der Kläger zu 1. sie allein vorgenommen.

7

Im Übrigen hat das LSG in seinem Urteil vom 27.8.2008 die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Der Bescheid vom 9.11.2002, der alleiniger Gegenstand des Verfahrens sei (§ 96 SGG), sei hinsichtlich des Klägers zu 2. im Übrigen rechtmäßig und hinsichtlich des Klägers zu 1. insgesamt rechtmäßig. Der auf eine Einzelfallprüfung nach § 106 SGB V gestützte Regress sei sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Weder hätte zunächst eine Beratung durchgeführt werden müssen, noch stehe dem Regress eine Überschreitung der Prüfantragsfrist entgegen. Die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Bescheide ergebe sich daraus, dass eine Leistungspflicht der KKn für die ASI nicht bestanden habe. Für diese habe es keine Empfehlung des BA oder des G-BA gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V gegeben. Es habe sich auch nicht um Fälle seltener Krankheiten im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu ausnahmsweise zulässigen sogenannten Einzelimporten gehandelt. Zwar seien die betroffenen Patienten im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG lebensbedrohlich erkrankt; sie hätten an metastasierenden bzw rezidivierenden Karzinomerkrankungen mit infauster Prognose gelitten. Die ASI sei allerdings nur adjuvant zur Lebensverlängerung eingesetzt worden. Es fehle sowohl an Darlegungen zur Nichteignung der allgemein anerkannten medizinischen Standardmaßnahmen als auch an ernsthaften Hinweisen dafür, dass die umstrittene Therapie Aussicht auf positive Einwirkung geboten habe, was erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen Wirkungszusammenhang erfordere. Wirksamkeitsbelege mit Aussagekraft für die hier zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm ergäben sich indessen aus den von den Klägern angeführten Phase-III-Studien nicht. Die von der Firma macropharm selbst veröffentlichte Studie von R. reiche nicht aus, denn sie weise methodische Unzulänglichkeiten auf, wie bereits ein LSG und das BSG ausgeführt hätten. Ferner fehle es an der erforderlichen Dokumentation durch die Kläger. Diese hätten lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen angefertigt, zudem habe die verantwortliche Behandlung jedenfalls in einigen Fällen nach ihren eigenen Berichten nicht bei ihnen gelegen, sondern bei Dr. N. Im Übrigen gebe es Zweifel, ob es sich nicht um ein Massenexperiment gehandelt habe, das als Heilversuch den Anforderungen der Deklaration von Helsinki mit vorheriger Anhörung der Ethik-Kommission und ausdrücklicher Einwilligung der Patienten hätte Rechnung tragen müssen. Schließlich könne zur Rechtfertigung der ASI nicht auf ein sogenanntes Systemversagen wegen verspäteter Entscheidung des BA zurückgegriffen werden. Dies komme allenfalls in Betracht, wenn die Wirksamkeit der Therapie durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken aufgrund einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt gewesen sei. Solche Belege hätten bis 1998/1999 nicht vorgelegen, wie sich daraus ableiten lasse, dass der BA kurze Zeit später (10.4.2000) festgestellt habe, dass es an ausreichenden Wirksamkeitsnachweisen fehle; dies habe auch das BSG in seiner ASI-Entscheidung vom 28.3.2000 so bestätigt. Auch dafür, dass sich die ASI 1998/1999 wenigstens in der medizinischen Praxis durchgesetzt habe, lägen keine ausreichenden Belege vor. Aufgrund der nach alledem zu verneinenden Leistungspflicht der KKn für die ASI könne der bei den KKn entstandene Schaden regressiert werden. Wie sich aus der Rechtsprechung des BSG ergebe, sei weder Raum für den Gesichtspunkt, dass ohne den Einsatz der Tumorvakzine - durch andere Behandlungsmaßnahmen - ebenfalls Kosten entstanden wären (sogenannte Vorteilsausgleichung), noch sei bei Verordnungsregressen, die auf § 106 SGB V gestützt seien, ein etwaiges Fehlen von Verschulden bedeutsam.

8

Der Kläger zu 1. hat allein Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß eine falsche Anwendung des § 106 SGB V in formeller und materieller Hinsicht. Entgegen der Auffassung des LSG sei der Prüfantrag nicht fristgerecht mit hinreichender Begründung gestellt worden. Auch in materieller Hinsicht sei der Regress nicht rechtmäßig. Die Auffassung, er und sein Partner, der Kläger zu 2., hätten die ASI nicht verordnen dürfen, treffe nicht zu. Als zulassungsfreie Rezepturarzneimittel hätten die Tumorvakzine keiner Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) bedurft. Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der BA durch sein Schreiben vom 7.6.1999 die Tumorvakzine vorläufig als verordnungsfähig anerkannt habe. Auch wenn dieses Schreiben nicht die rechtliche Form einer Richtlinie habe, sei es zumindest im Rahmen des Vertrauensschutzes bzw Ermessens bei der Regressentscheidung bis zu der ablehnenden Entscheidung des BA vom 10.4.2000 maßgebend gewesen. Das LSG habe auch die Vorgaben des BVerfG vom 6.12.2005 und des sogenannten Systemversagens fehlerhaft verneint. Die Annahme, die vorliegenden statistischen Wirksamkeitsnachweise seien auf die Vakzine der Firma macropharm nicht übertragbar, leide an Defiziten der Sachverhaltsaufklärung. Soweit das LSG der Auffassung sei, die Vakzine der Firma macropharm unterschieden sich wesentlich von denen, zu denen die Wirksamkeitsnachweise vorgelegen hätten, hätte dem zumindest ein Hinweis an die Kläger vorausgehen müssen, damit klägerseits hätte weiter vorgetragen werden können. Die Ansicht des LSG stehe im Gegensatz zu den Feststellungen des Gerichtsgutachters in dem früheren Verfahren des LSG Niedersachsen und der Studie von Vermorken von 1999. Auch gehe es nicht an, die bei unerklärten Krankheiten geminderten Anforderungen an ein Systemversagen bei Krebserkrankungen mit hohen Erkrankungszahlen außer Anwendung zu lassen. Jedenfalls bei Nieren- und Darmkrebs könne nicht einfach von der Zahl der Erkrankungen auf eine Klärung von Entstehung und Verlauf geschlossen werden. Zu beanstanden sei ferner das Erfordernis, die ASI könne nur dann als verordnungsfähig anerkannt werden, wenn auch eine substantiierte Dokumentation erfolgt sei. Derartige Dokumentationen seien vor 10 Jahren noch nicht üblich gewesen und könnten nicht jetzt nachträglich gefordert werden. In Fällen der vorliegenden Art dürfe nur eine Schlüssigkeit gefordert werden. Dem genügten seine - des Klägers zu 1. - Darlegungen, dass es sich bei den Krebserkrankungen in jedem Einzelfall um unheilbare Erkrankungen gehandelt habe, bei denen die ASI eine nicht fern liegende Aussicht auf Heilung bzw jedenfalls Linderung versprochen habe. Die Anforderung einer Dokumentation passe auch nicht zur Durchführung einer Einzelfallprüfung. Diese gebiete nötigenfalls die Heranziehung der Patienten. Insofern liege ein Mangel der Sachaufklärung vor. Schließlich sei zu beanstanden, dass das LSG das Erfordernis eines Verschuldens und einen Ermessensspielraum der Prüfgremien verneint habe. Dies sei weder mit § 106 Abs 5 SGB V noch mit dem verfassungsrechtlichen Willkür- und Übermaßverbot vereinbar. Die Prüfgremien müssten im Rahmen der von ihnen geforderten wertenden Entscheidung eine Verschuldensprüfung vornehmen oder jedenfalls eine Ermessensentscheidung mit einer Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen und den Auswirkungen auf den betroffenen Arzt treffen. Eine Haftung könne im Falle bösgläubiger Ärzte berechtigt sein, aber nicht bei schuldlos handelnden wie den Klägern, die in nachvollziehbarem Vertrauen subjektiv rechtstreu gehandelt hätten. Ein Regress stelle sich als "maßlose" Haftung des Vertragsarztes dar, die einer Garantiehaftung für ein Verhalten von vor 10 Jahren gleichkomme und zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit weder erforderlich noch verhältnismäßig sei.

9

Der Kläger zu 1. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 und die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Hannover vom 18.8.2003, 26.8.2003, 27.8.2003, 8.10.2003, 29.10.2003 und 19.11.2003 sowie die Bescheide des Beklagten vom 9.11.2002 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Die Beigeladene zu 2. beantragt ebenfalls, wie sie schriftsätzlich ausgeführt hat,

die Revision zurückzuweisen.

12

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1., 2., 6., 9. und 10. verteidigen das Urteil des LSG.

13

Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers zu 1. ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet. Das angefochtene Urteil des LSG lässt keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Der angefochtene Arzneikostenregress ist nicht zu beanstanden.

15

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die neuen Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 9.11.2002, mit denen dieser - seine früheren Bescheide gemäß § 96 SGG ersetzend - die Widersprüche gegen die Regressbescheide des Prüfungsausschusses wegen Verordnung autologer Tumorvakzine im Rahmen von ASI-Behandlungen zurückgewiesen, dh die Regressforderungen des Prüfungsausschusses bestätigt hat(zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids vgl stRspr des BSG, zB BSGE 72, 214, 219 f = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 10 f; BSGE 74, 59, 60 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f). Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide allerdings nur insoweit, als sie sich gegen den Kläger zu 1. gerichtet haben. Der Kläger zu 2. hat das Urteil des LSG nicht angefochten; deshalb sind die Bescheide, soweit sie gegen ihn gerichtet worden sind, bestandskräftig.

16

Da nur noch der Kläger zu 1. das Verfahren im Revisionsverfahren weiter betreibt, stellt sich hier nicht die Frage, ob die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis im Rubrum als Gemeinschaftspraxis zu führen sind. Die Befugnis des Klägers zu 1., sowohl die Revision als auch die zugrunde liegende Anfechtungsklage allein zu führen, ist nicht zweifelhaft. Er ist persönlich haftender Schuldner für Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis, die sich zB im Falle rechtswidrigen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens von Praxispartnern ergeben (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21 f; BSG SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 15; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17 mwN; - zum fiktiven Fortbestehen der Gemeinschaftspraxis für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten s § 730 Abs 2 Satz 1 BGB und BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 14; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17). Als Gesellschafter muss er für solche Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis auch in eigener Person einstehen (s zB Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 714 RdNr 10 ff mwN; vgl auch zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22). Er kann Forderungen, die gegenüber der Gemeinschaftspraxis geltend gemacht werden, wahlweise zusammen mit seinen Praxispartnern gemeinschaftlich abwehren, oder er kann sie - sowohl wenn sie nur gegenüber der Gemeinschaftspraxis als auch wenn sie auch ihm selbst gegenüber geltend gemacht werden - allein abwehren (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; vgl auch BSG, MedR 2004, 172). Aus der Befugnis, eigenständig zu handeln, folgt zugleich, dass der Mitgesamtschuldner weder als sogenannter notwendiger Streitgenosse einbezogen noch notwendig beigeladen werden muss (so auch BSGE aaO mwN). Die eigenständige Anfechtungsbefugnis und Aktivlegitimation steht dem Kläger zu 1. nicht nur gegenüber denjenigen Regressforderungen zu, die die Verordnungen in den Quartalen II und III/1998 sowie I und II/1999 betreffen, sondern ohnehin auch gegenüber der Regressforderung für die Verordnung(sserie) im Quartal IV/1999, als die Gemeinschaftspraxis bereits aufgelöst war.

17

2. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266, die in den Jahren 1998 und 1999 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (aaO Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Diese Prüfvereinbarungen (PrüfVen) ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen. Diese waren auch in § 9 Abs 3, § 12 Abs 6 ff der hier einschlägigen PrüfV vorgesehen(vgl zur Nicht-Revisibilität der Feststellung und Auslegung von Landesrecht § 162 SGG, dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14 mwN). Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und die Wahl dieser Prüfmethode daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14).

18

3. Die durchgeführten Einzelfallprüfungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Weder die vom Kläger erhobenen formellen Rügen (nachfolgend a) noch seine materiellen Beanstandungen (unten b) greifen durch.

19

a) Der Senat folgt nicht der Ansicht des Klägers zu 1., das Prüf- und Regressverfahren hätte hinsichtlich derjenigen Quartale, für welche die Prüfanträge erst nach Ablauf der in der PrüfV normierten Frist gestellt worden seien, nicht durchgeführt werden dürfen. Zwar galt nach § 12 Abs 6 PrüfV(hier zugrunde zu legen in der Fassung vom 24.6.1996) eine Frist von zwölf Monaten nach Quartalsende; innerhalb dieser Frist konnten die KKn die Prüfung der Verordnungsweise nach Einzelfällen beantragen. Aus einer Versäumung dieser Frist kann aber nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden.

20

Der Senat hat bereits früher dargelegt, dass solche Fristen nicht zum Schutz des Arztes im Sinne eines Ausschlusses der Verfahrensdurchführung normiert sind, sondern dass sie - auch im Interesse des Arztes - der Verfahrensbeschleunigung dienen, also dem Interesse an effektiver Verfahrensdurchführung (s insbesondere BSG USK 9596 S 526; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159 f zur Zulässigkeit späterer Antragsnachholung). Wird der Antrag zu spät gestellt, so ist damit dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung nicht Rechnung getragen. Daraus aber ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt abzuleiten, liefe der Zielrichtung der Regelungen und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise zuwider.

21

Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regressverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (zu dieser Frist allgemein zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12 ff; BSG MedR 2008, 100, 101 f RdNr 16 ff; vgl jetzt § 106 Abs 2 Satz 7 Halbs 2 SGB V zur Frist von zwei Jahren für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina). Von dieser Ausschlussfrist und ihrer Funktion unterscheidet sich die Zwölf-Monate-Frist für die Stellung des Prüfantrags mit ihrer Ausrichtung auf Beschleunigung. Würde aus deren Versäumung ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden, so würde ihr die Funktion beigemessen, die allein der Vier-Jahres-Frist zukommt.

22

Hat mithin die Nichteinhaltung der Zwölf-Monats-Frist nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt es vorliegend nicht darauf an, ob diese Frist in einem der Regressfälle überschritten wurde. Im Übrigen beginnt sie gemäß § 12 Abs 6 PrüfV jeweils erst ab Quartalsende. Daher wurde sie vorliegend auch ohnehin nur in wenigen Fällen - und jeweils auch nur um wenige Tage - überschritten (Eingang der KK-Anträge für das Quartal II/1998 erst am 12.7.1999 - Fall 2 - und am 20.7.1999 - Fall 1 - und für das Quartal II/1999 erst am 3.7.2000 - Fall 6 -; zu diesen Feststellungen s LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 - L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 4 bis 9 iVm 37).

23

Soweit der Kläger zu 1. der Ansicht ist, entsprechend dem Grundsatz "Beratung vor Regress" hätte kein Regress, sondern nur eine Beratung erfolgen dürfen, trifft das nicht zu. Für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise ist eine vorgängige Beratung gemäß § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V dann nicht erforderlich, wenn dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines sogenannten offensichtlichen Missverhältnisses anzulasten ist(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 mit Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 296; SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 19; BSG MedR 2004, 577, 578 f). Noch weniger ist eine vorgängige Beratung dann geboten, wenn nicht Unwirtschaftlichkeiten durch einen zu hohen Aufwand, sondern einzelne Fälle gänzlich unzulässiger Verordnungen in Frage stehen, wenn also dem Arzt das Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, ein unzulässiger Off-Label-Use, eine Verordnung entgegen einem Verordnungsausschluss durch die Arzneimittel-Richtlinie (AMRL) oder die Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V angelastet wird, also in Fällen, in denen ein sogenannter Basismangel vorliegt(vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 am Ende; - zu solchen Verordnungsregressfällen vgl Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, , jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 53 ff, 56 ff, 71 ff). Dementsprechend ist in der hier einschlägigen PrüfV ausdrücklich geregelt, dass im Falle von Verordnungen unter Verstoß gegen die Arznei-, Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien Regressfestsetzungen keine vorherige Beratung voraussetzen (§ 12 Abs 10 iVm Abs 12 PrüfV). Die dem gleichwertige Konstellation des Vorwurfs der Unvereinbarkeit von Verordnungen mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V ist hier gegeben.

24

b) Die vom Kläger zu 1. angefochtenen Verordnungsregresse sind inhaltlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der ASI bestand weder eine Leistungspflicht der KKn noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.

25

Der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln besteht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur nach Maßgabe des § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 31 Abs 1 SGB V. Aus den dabei mit heranzuziehenden § 2 Abs 1 Satz 3 und § 12 Abs 1 SGB V folgt, dass im Rahmen der GKV nur solche Verordnungen zulässig sind, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, bieten(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 17 mwN).

26

aa) Für die Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hält die Rechtsordnung zwei Verfahren bereit, zum einen für Arzneimittel die Überprüfung im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung - durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach §§ 21 ff AMG oder durch die Europäische Arzneimittel-Agentur nach Europäischem Verordnungs- und Richtlinienrecht -, und zum anderen für Behandlungs- und Untersuchungsmethoden die Überprüfung durch den BA - bzw heute G-BA - gemäß § 135 Abs 1 SGB V. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müssen grundsätzlich anhand zuverlässiger wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen aufgrund der Beurteilung einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt sein; dafür ist in beiden vorgenannten Verfahren die Überprüfung durch Auswertung sogenannter randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien vorgesehen.

27

Soweit diese Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, wie es bei Arzneimitteln die Regel ist, bereits im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfolgt, wird eine etwaige zusätzliche Prüfung nach § 135 Abs 1 SGB V als entbehrlich angesehen(vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 19 mwN zur Rspr und zum Streitstand). Bei Arzneimitteln folgt somit im Regelfall aus der Verkehrsfähigkeit zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV (vgl zu diesem Zusammenhang BSG SozR aaO und MedR aaO, jeweils RdNr 19)

28

bb) Von diesen Grundsätzen sind bei Arzneimitteltherapien allerdings Ausnahmen anerkannt. In den Fällen, in denen die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit nach dem AMG ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erlangt werden kann, fehlt die Grundlage dafür, um von der Verkehrsfähigkeit gemäß dem AMG auf die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV schließen zu können.

29

In diesem Sinne hat das BSG zu Fällen aus der ersten Zeit nach der Neuordnung des deutschen Arzneimittelrechts Ende der 70er Jahre ausgesprochen, dass die damalige sogenannte fiktive Zulassung, die übergangsrechtlich bis zur fundierten Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gewährt wurde, nicht für die Annahme der Verordnungsfähigkeit ausreicht (BSG - 1. Senat - BSGE 95, 132 RdNr 18 ff = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 ff; BSG - 1. Senat - BSGE 82, 233, 235 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 17 ff; BSG - 6. Senat - SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 21 ff).

30

Dem ist vergleichbar, wenn - wie vorliegend - ein Arzneimittel ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit deshalb nach dem AMG verkehrsfähig ist, weil es sich um ein sogenanntes Rezepturarzneimittel handelt. Bei Rezepturarzneimitteln, dh solchen, die nicht wie Fertigarzneimittel im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (§ 4 Abs 1 AMG), reicht für die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit eine Herstellungserlaubnis aus (vgl §§ 13 bis 15 iVm § 43 Abs 2 Halbs 2 iVm § 47 AMG); ein Zulassungsverfahren mit Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien ist arzneimittelrechtlich nicht vorgesehen (vgl dazu BSGE 86, 54, 60 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 65 f). Bei solchen Arzneimitteln fehlt es mithin an der fundierten Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, sodass sie zwar verkehrsfähig gemäß dem AMG sind, aber ohne dass daraus abgeleitet werden könnte, dass sie auch verordnungsfähig sind.

31

cc) Anders wiederum liegt der Fall, wenn das Arzneimittel, das arzneimittelrechtlich keiner Zulassung bedarf, so eingesetzt wird, dass darin zugleich eine auf einem bestimmten theoretisch-wissenschaftlichen Konzept fußende Vorgehensweise der Krankenbehandlung liegt (sogenannte Pharmakotherapie - zur Definition s zB BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f; zum Methodenbegriff vgl ferner zB BSG - 6. Senat - zB BSGE 84, 247, 249 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 11 S 50 f; BSG SozR 3-5533 Nr 2449 Nr 2 S 9 f; ebenso BSG - 1. Senat - zB BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 14 mwN). Dann liegt eine Behandlungsmethode vor, deren Einsatz im Rahmen der GKV gemäß § 135 Abs 1 SGB V eine positive Empfehlung durch den BA bzw G-BA erfordert. In solchen Fällen ist zwar arzneimittelrechtlich keine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vorgesehen; da aber eine Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V vorliegt, ist das Arzneimittel bzw die dieses einschließende Behandlungsmethode im Verfahren gemäß § 135 Abs 1 SGB V zu überprüfen(BSGE 86, 54, 58, 59 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63, 65; vgl auch zB BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12 S 55 f). Falls die in diesem Verfahren stattfindende Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien zu einer positiven Empfehlung des BA bzw G-BA führt, ist das Arzneimittel dann auch verordnungsfähig. Kommt es demgegenüber zur Zuordnung zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden, so darf eine Therapie mit diesem Arzneimittel nicht erfolgen; dieses ist nicht verordnungsfähig.

32

Differenziert sind die Fälle zu beurteilen, in denen das Arzneimittel im Rahmen einer Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V eingesetzt werden soll, aber - wie im vorliegenden Fall - im Behandlungszeitpunkt die nach dieser Bestimmung notwendige Überprüfung durch den BA bzw G-BA noch nicht zu einem Ergebnis geführt hat(zur Maßgeblichkeit des Behandlungszeitpunkts s zB BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 69 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 12 ff; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 15 f). Dann ist zu prüfen, ob die Vorenthaltung des Einsatzes in der GKV noch gerechtfertigt ist, ob nämlich die Dauer des Verfahrens noch rechtens ist oder ob die Durchführung des Verfahrens aus sachfremden Gründen verzögert wurde; in letzterem Fall ist weiter zu prüfen, ob die Behandlungsmethode als dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechend bewertet werden kann und deshalb ungeachtet des Noch-Nicht-Vorliegens einer positiven Empfehlung für die GKV freigegeben werden kann (BSGE 86, 54, 60 ff, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66 ff, 69 ff; BSGE 94, 221 RdNr 23 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 24). Bei der ersatzweise gerichtlicherseits vorzunehmenden Bewertung sind die Belege zu würdigen, die im Behandlungszeitpunkt für eine Wirksamkeit sprechen konnten. Dabei sind für eine Wirksamkeitsanerkennung grundsätzlich wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken zu fordern. Im Falle von Krankheiten allerdings, bei denen Entstehung und Verlauf ungeklärt sind, sodass Therapien nur bei Symptomen ansetzen können, und daher die Forderung von Wirksamkeitsbelegen den Anspruch auf umfassende Krankenbehandlung gemäß § 27 Abs 1 SGB V und die damit korrespondierende Behandlungspflicht des Vertragsarztes unmöglich machen würde(vgl zu diesem Ansatz BSGE 86, 54, 60 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66), reicht es ersatzweise aus, wenn sich die in Anspruch genommene Therapie in der medizinischen Praxis und/oder in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat (BSG aaO S 62 bzw S 67 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 37; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 25 ff, 29) bzw - in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen - eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung bzw auf eine positive Einwirkung auf den weiteren Krankheitsverlauf gegeben ist (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33).

33

Auch in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen sind aber weitere einschränkende Voraussetzungen zu beachten. Zwar ergeben sich aus der Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33 f) und dem von diesem herangezogenen Sozialstaatsprinzip sowie aus der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates einerseits Abschwächungen zugunsten der Versicherten (vgl hierzu BVerfGE aaO S 41 ff, 44 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 17 ff, 24 ff; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 24 ff). Andererseits besteht aber auch eine Schutzpflicht in der Weise, dass der Staat den Versicherten davor zu bewahren hat, mit zweifelhaften Therapien behandelt zu werden. Dem dient das Erfordernis fundierter Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Dies darf nicht durch eine vermeintlich großzügige Gestattung der Versorgung mit Arzneimitteln unterlaufen und umgangen werden (vgl BSG aaO RdNr 25 iVm 35). Dementsprechend darf eine Pharmakotherapie, bei der eine fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel nicht stattgefunden hat, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur eingesetzt werden, wenn der Wirksamkeitszusammenhang, der dieser Arzneimitteltherapie zugeschrieben wird, wenigstens in gewissem Umfang belegt werden kann. Fehlen höherwertige Studien, so können als Beleg auch Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Berichte von Expertenkomitees, Konsensuskonferenzen und Einzelfallberichte in Betracht kommen (vgl Nr 8.2 unter III der NUB-RL; vgl ebenso BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40 am Ende). Insgesamt müssen - auch bei lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen - erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen jedenfalls individuellen Wirkungszusammenhang vorliegen (BSG aaO RdNr 47). Dabei kommt auch der fachlichen Einschätzung durch den behandelnden Arzt Bedeutung zu (vgl BVerfGE aaO S 50 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5, RdNr 35 am Ende und BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende).

34

dd) Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf die vorliegend zu beurteilenden Verordnungen ergibt sich, dass die vom Kläger zu 1. durchgeführten ASI-Verfahren in der GKV nicht zulässig waren. Die autologen Tumorvakzine wurden im Rahmen einer gemäß § 135 Abs 1 SGB V anerkennungsbedürftigen Behandlungsmethode verordnet, wie das BSG bereits in seiner früheren Entscheidung vom 28.3.2000 ausgeführt hat (BSGE 86, 54, 57 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 62). In dem Zeitpunkt, als der Kläger zu 1. bzw die Gemeinschaftspraxis die Verordnungen vornahm (1998/1999), war das Verfahren der ASI gemäß § 135 Abs 1 SGB V noch beim BA anhängig (dieser gab erst am 10.4.2000 eine - negative - Empfehlung ab, s BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828), sodass also der Fall fehlender Entscheidung des BA bzw G-BA gemäß § 135 Abs 1 SGB V vorlag.

35

Zu der Frage, ob das Verfahren beim BA im Sinne der in RdNr 32 angesprochenen ersten Voraussetzung zu lange dauerte, braucht vorliegend nicht Stellung genommen zu werden. Denn es fehlen jedenfalls die weiteren Voraussetzungen für eine Akzeptanz der Anwendung dieser Therapiemethode: Ausgehend davon, dass die betroffenen Patienten hier an lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen litten (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 17 betreffend Darmkrebs), bedürfte es wenigstens ausreichender Belege im Sinne erheblicher ernsthafter Hinweise auf einen individuellen Wirkungszusammenhang (s oben RdNr 33 am Ende). Daran fehlt es.

36

Nach den Feststellungen im Berufungsurteil (L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 45) gab es zwar Phase-III-Studien, diesen konnte aber keine Aussagekraft für die vom Kläger zu 1. verordneten Tumorvakzine der Firma macropharm entnommen werden. Denn die Tumorvakzine unterschieden sich nach den vorinstanzlichen Feststellungen schon in der Herstellungsweise der verschiedenen Herstellerfirmen. Diese hatten unterschiedliche Anwendungs- und Verarbeitungsmethoden. Zudem erfolgte die Herstellung jeweils speziell für den jeweiligen Versicherten, sodass sie auch untereinander verschieden waren und individueller Beurteilung bedurften (vgl LSG aaO RdNr 44). Tauglich könnte insoweit lediglich die von der Firma macropharm veröffentlichte Studie von R. sein; diese wies aber nach den Feststellungen im Berufungsurteil (aaO RdNr 45) und auch nach der Wertung des BSG in seinem früheren Urteil (BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70) methodische Unzulänglichkeiten auf.

37

Auch hatte sich die ASI mit autologen Tumorvakzinen nicht etwa schon in der medizinischen Praxis durchgesetzt. Diese Behauptung hat das Berufungsgericht als nicht ausreichend belegt bezeichnet (LSG aaO RdNr 48 bis 51). Die dazu vom Kläger zu 1. erhobene Verfahrensrüge, das LSG habe insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, greift nicht durch. Die Rüge unzureichender Aufklärung des LSG erfordert im Falle eines Klägers, der bereits dort anwaltlich vertreten gewesen ist, die Darlegung, dass sich dem LSG auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen (vgl zB BVerwGE 131, 186, 189 RdNr 13; s auch zB BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 24 bis 26). In der Revisionsbegründung wird indessen nicht aufgezeigt, aufgrund welcher konkreten Darlegungen des Klägers zu 1. im LSG-Verfahren sich dem LSG weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Mit seinen Ausführungen, entgegen der Auffassung des LSG hätten die vorliegenden Phase-III-Studien durchaus Aussagekraft für die von ihm zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm, setzt der Kläger zu 1. dem LSG lediglich seine gegenteilige Ansicht entgegen. Er müsste aber konkrete Ansatzpunkte für Möglichkeiten des LSG zu weitergehender Aufklärung benennen und darlegen, dass er auf diese schon im LSG-Verfahren hingewiesen habe. Dies ist der Revisionsbegründung so nicht zu entnehmen.

38

Zu diesem Fragenkomplex hat es keines Hinweises des LSG bedurft - wie der Kläger zu 1. geltend macht -. Denn dieser Streitpunkt lag schon während des gesamten Verfahrens zu Tage (s dazu auch schon BSGE 86, 54, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70 ff). Zudem hat bei ihm, da er bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertreten gewesen ist, vorausgesetzt werden können, dass er die Anforderungen kennt, die erfüllt sein müssen, damit das Gericht Anlass zu weiterer Aufklärung hat.

39

Bei den hier betroffenen Behandlungsfällen fehlt zudem eine weitere Voraussetzung, die für die Anerkennung ärztlich sachgerechten Vorgehens erforderlich wäre: Für die ausnahmsweise Zulässigkeit von Verordnungen zweifelhafter Art muss eine ausreichend substantiierte fachliche Einschätzung durch den verordnenden Arzt selbst erkennbar sein (vgl hierzu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende und 50); dafür ist auch eine entsprechende therapiebegleitende Kontrolle und Dokumentation durch den behandelnden Arzt erforderlich (vgl dazu BSG aaO RdNr 50 f; s auch BSG SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8). Indessen lag nach den Feststellungen im Urteil des LSG die Behandlung vor allem in den Händen des Dr. N., der im Auftrag der Firma macropharm die autologen Tumorvakzine herstellte und bearbeitete sowie die ASI bei den Patienten im Wesentlichen durchführte (LSG aaO RdNr 46). Wie im Urteil des LSG festgestellt ist, fertigten der Kläger zu 1. bzw der Partner der damaligen Gemeinschaftspraxis lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen an (LSG aaO RdNr 46).

40

Diese Feststellungen des LSG sind nach alledem tragfähig. Dem LSG fallen keine Verfahrensmängel zur Last. Abgesehen davon, dass die erhobenen Aufklärungsrügen nicht durchgreifen, sind auch keine Verstöße gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ersichtlich. Insbesondere liegen keine ausreichenden Umstände für die Annahme einer unzulässigen Überraschungsentscheidung vor. Dass das LSG, ohne dass dies voraussehbar gewesen wäre, strengere Anforderungen gestellt hätte als die bisherige BSG-Rechtsprechung, kann bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nicht anerkannt werden (vgl zB zu vorgenannten Dokumentationsanforderungen: BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 50 f). Der Kläger zu 1. hat das auch nicht in ausreichend substantiierter Weise geltend gemacht.

41

ee) Waren mithin die autologen Tumorvakzine nicht verordnungsfähig, so war Unwirtschaftlichkeit gegeben (zu dieser Gleichsetzung s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 25 mwN). Bei unwirtschaftlicher Verordnungsweise ist die Festsetzung eines Regresses grundsätzlich berechtigt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt vorliegend nicht in Betracht.

42

(1) Ohne Erfolg ist der Einwand des Klägers, ihm könne kein Verschulden oder höchstens vermindertes Verschulden angelastet werden und deshalb sei entweder ein Regress ganz ausgeschlossen oder dieser müsse jedenfalls erheblich herabgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG setzen Honorarkürzungen oder Verordnungsregresse gemäß § 106 SGB V kein Verschulden des Vertragsarztes voraus(zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 28 mwN, im Anschluss an BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 18; BSG MedR 2004, 577, 578) .

43

Bei Verordnungsregressen der hier vorliegenden Art ist auch kein Raum für eine Ermessensausübung. Bei Regressen, denen unzulässige Verordnungen zugrunde liegen, wie dies beim Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, bei einem unzulässigen Off-Label-Use, bei Verordnung entgegen einem AMRL-Verordnungsausschluss oder bei Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V der Fall ist, kann eine Unwirtschaftlichkeit nur bejaht oder verneint werden(sogenannter Basismangel, vgl oben RdNr 23, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29). Mit dem Regress lediglich einen Teil der Unwirtschaftlichkeit abzuschöpfen, kann nur in anders gelagerten Fällen in Betracht kommen, zB im Rahmen eines Regresses aufgrund einer sogenannten Durchschnittsprüfung bei insgesamt deutlich höherem Verordnungsvolumen als im Durchschnitt der Arztgruppe und/oder bei einer Anfängerpraxis, evtl auch bei der Belassung von Restüberschreitungen (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30 am Ende; vgl weiterhin BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29 mit Hinweis auf die Fallgruppe "Anfängerpraxis", hierzu s zB Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 145-147 mwN). Bei Rezepturarzneimitteln, die nicht von Apotheken bezogen werden, ist im Übrigen nicht einmal Raum für einen Abzug von Apothekenrabatt und/oder Patienteneigenanteilen (vgl hierzu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 269 mwN; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 32; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 33). Dementsprechend ist in solchen Fällen die Höhe des Regresses dahingehend vorgezeichnet, dass vom Arzt Ersatz der vollen Kosten zu fordern ist. Raum für eine Regressermäßigung aufgrund einer Ermessensentscheidung besteht nicht.

44

(2) Zu Unrecht beruft sich der Kläger weiterhin darauf, dass er jedenfalls vor dem Hintergrund des Schreibens des BA vom 7.6.1999 auf die Zulässigkeit der ASI habe vertrauen dürfen. Ein Vertrauen könnte insoweit ohnehin allenfalls für diejenigen Verordnungen in Betracht gezogen werden, die der Kläger zu 1. nach Bekanntwerden des BA-Schreibens tätigte (also für seine Verordnungen im Quartal IV/1999). Indessen begründet das Schreiben bereits von seinem Inhalt her keinen Vertrauensschutz. Denn der BA hat ausdrücklich mitgeteilt, dass der Behandlungsansatz (die Verordnung autologer Tumorvakzine) "bisher ohne abschließendes Ergebnis" von dem dem BA zuarbeitenden Arbeitsausschuss bearbeitet worden sei und dass daher "eine verbindliche Auskunft … zum jetzigen Zeitpunkt nicht gemacht" werden könne. Da das Schreiben somit schon aufgrund seines "offenen Inhalts" für eine Vertrauensbegründung nicht ausreichen kann, bedarf es keiner Erörterung, ob der vom Kläger zu 1. geltend gemachten rechtlichen Bedeutung auch entgegensteht, dass das Schreiben des BA nicht an ihn selbst gerichtet war und dass es nicht die dem BA durch § 135 Abs 1 SGB V vorgegebene Handlungsform "Richtlinie" aufwies. Ist das Schreiben des BA vom 7.6.1999 mithin für den vorliegenden Fall rechtlich irrelevant, so fehlt der vom Kläger zu 1. erhobenen Verfahrensrüge, das LSG hätte es nicht ausreichend berücksichtigt, die Grundlage.

45

Ein Vertrauenstatbestand kann auch nicht darauf gestützt werden, dass in der Regel aus der arzneirechtlichen Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels dessen Verordnungsfähigkeit folgt. Denn dies betrifft nur den Regelfall von Fertigarzneimitteln, für deren Verkehrsfähigkeit das Zulassungsverfahren mit fundierter Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchlaufen werden muss, während hier der besondere Fall eines Rezepturarzneimittels zu beurteilen ist. Dass insoweit keine Überprüfung nach dem AMG und typischerweise auch keine dem nahekommende Überprüfung stattgefunden hat, kann bei Ärzten als bekannt vorausgesetzt werden (zur ärztlichen Sachkunde vgl BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 24 mit Hinweis auf zB BSGE 96, 1= SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 34). Von daher bedürfte es besonderer Umstände, um annehmen zu können, der Arzt habe auf die Verordnungsfähigkeit vertrauen dürfen. Hierfür fehlt es an den ausreichenden Anhaltspunkten. Den vom Kläger zu 1. angeführten Gerichtsentscheidungen stehen gegenläufige Entscheidungen gegenüber, in denen die Verordnungsfähigkeit autologer Tumorvakzine verneint wurde (s die Angaben im Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 S 4; vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 30).

46

(3) Ohne Erfolg wendet der Kläger zu 1. ferner ein, er habe sich in schwierigen Konfliktsituationen bei lebensbedrohlichen Erkrankungen dafür entschieden, eine Behandlung durchzuführen, die immerhin von manchen Medizinern und Gerichten gebilligt worden sei, und deshalb sei unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) ein Regress ausgeschlossen. Dabei ist schon zweifelhaft, inwieweit nach der vom Beklagten und von den Vorinstanzen vorgenommenen umfänglichen Prüfung überhaupt noch Raum für eine Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sein kann. Selbst wenn hierfür Raum wäre, könnte dies nicht zu einem Erfolg für den Kläger zu 1. führen. Denn mit den autologen Tumorvakzinen sind Arzneimittel betroffen, bei denen sich Zweifel an der Verordnungsfähigkeit aufdrängen mussten: Eine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in einem Zulassungsverfahren hatte - da Rezepturarzneimittel - erkennbar nicht stattgefunden, eine Empfehlung des BA gab es nicht, und die Studienlage konnte nicht ohne Weiteres als tragfähig angesehen werden (vgl oben RdNr 34 ff). Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits - und daher offenzulassen - ist die Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen ein Arzt, der von einem pharmazeutischen Hersteller zur Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel veranlasst bzw verleitet wird und Regress an die vertragsärztlichen Institutionen leisten muss, Rückgriff gegen den Hersteller nehmen kann.

47

Im Rahmen von Regressen in der GKV ist auch kein Raum für die Berücksichtigung des Gesichtspunktes, dass bei Nicht-Durchführung dieser Arzneimitteltherapie Kosten für andere Behandlungsarten angefallen wären - sogenannte Vorteilsausgleichung - (vgl BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-2500 § 115b Nr 2 RdNr 21).

48

c) Dem Regress stehen schließlich auch keine Grundrechtspositionen des Klägers zu 1. entgegen. Insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 Abs 1 GG nicht verletzt. Dieses Grundrecht unterliegt - ebenso wie Art 14 Abs 1 GG - einem Gesetzesvorbehalt, darf also durch Gesetz eingeschränkt werden. Das ist durch die vorliegend einschlägigen Bestimmungen der §§ 106, 135 Abs 1 SGB V geschehen. Die Anwendung dieser Regelungen belastet den Kläger zu 1. nicht unverhältnismäßig (vgl oben RdNr 46).

49

4. Nach alledem ist nicht nur der Hauptantrag des Klägers zu 1. auf Bescheidaufhebung zurückzuweisen, sondern ebenso der Hilfsantrag: Für die hilfsweise begehrte Zurückverweisung der Sache an das LSG ist kein Raum, denn der gegenüber dem Kläger zu 1. ausgesprochene Regress hat sich im Revisionsverfahren gemäß vorstehenden Ausführungen abschließend als rechtmäßig erwiesen.

50

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden - im Hinblick auf die Klageerhebung vor diesem Stichtag hier noch anwendbaren - Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.

(2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen; die Landesverbände der Krankenkassen schließen die Gesamtverträge mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Für die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gilt Satz 1 entsprechend, soweit die ärztliche Versorgung durch die Kassenärztliche Vereinigung sichergestellt wird. § 82 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Kassenindividuelle oder kassenartenspezifische Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Gesamtverträge sein; § 71 Absatz 6 gilt entsprechend. Satz 4 gilt nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden des Beschlussgremiums gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

(2) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern, einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, jeweils zwei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft und fünf von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannten Mitgliedern. Für die Berufung des unparteiischen Vorsitzenden und der weiteren unparteiischen Mitglieder sowie jeweils zweier Stellvertreter einigen sich die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 jeweils auf einen Vorschlag und legen diese Vorschläge dem Bundesministerium für Gesundheit spätestens zwölf Monate vor Ablauf der Amtszeit vor. Als unparteiische Mitglieder und deren Stellvertreter können nur Personen benannt werden, die im vorangegangenen Jahr nicht bei den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1, bei deren Mitgliedern, bei Verbänden von deren Mitgliedern oder in einem Krankenhaus beschäftigt oder selbst als Vertragsarzt, Vertragszahnarzt oder Vertragspsychotherapeut tätig waren. Das Bundesministerium für Gesundheit übermittelt die Vorschläge an den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages. Der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages kann einem Vorschlag nach nichtöffentlicher Anhörung der jeweils vorgeschlagenen Person innerhalb von sechs Wochen mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder durch Beschluss widersprechen, sofern er die Unabhängigkeit oder die Unparteilichkeit der vorgeschlagenen Person als nicht gewährleistet ansieht. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 legen innerhalb von sechs Wochen, nachdem das Bundesministerium für Gesundheit den Gemeinsamen Bundesausschuss über einen erfolgten Widerspruch unterrichtet hat, einen neuen Vorschlag vor. Widerspricht der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages nach Satz 5 auch dem neuen Vorschlag innerhalb von sechs Wochen oder haben die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 keinen neuen Vorschlag vorgelegt, erfolgt die Berufung durch das Bundesministerium für Gesundheit. Die Unparteiischen üben ihre Tätigkeit in der Regel hauptamtlich aus; eine ehrenamtliche Ausübung ist zulässig, soweit die Unparteiischen von ihren Arbeitgebern in dem für die Tätigkeit erforderlichen Umfang freigestellt werden. Die Stellvertreter der Unparteiischen sind ehrenamtlich tätig. Hauptamtliche Unparteiische stehen während ihrer Amtszeit in einem Dienstverhältnis zum Gemeinsamen Bundesausschuss. Zusätzlich zu ihren Aufgaben im Beschlussgremium übernehmen die einzelnen Unparteiischen den Vorsitz der Unterausschüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses. Der Vorsitzende nach Absatz 1 Satz 3 stellt übergreifend die Einhaltung aller dem Gemeinsamen Bundesausschuss auferlegten gesetzlichen Fristen sicher. Zur Erfüllung dieser Aufgabe nimmt er eine zeitliche Steuerungsverantwortung wahr und hat ein Antragsrecht an das Beschlussgremium nach Satz 1, er erstattet auch den nach Absatz 11 jährlich vorzulegenden Bericht. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 schließen die Dienstvereinbarungen mit den hauptamtlichen Unparteiischen; § 35a Absatz 6 Satz 2 und Absatz 6a Satz 1 und 2 des Vierten Buches gilt entsprechend. Vergütungserhöhungen sind während der Dauer der Amtszeit der Unparteiischen unzulässig. Zu Beginn einer neuen Amtszeit eines Unparteiischen kann eine über die zuletzt nach § 35a Absatz 6a Satz 1 des Vierten Buches gebilligte Vergütung der letzten Amtsperiode oder des Vorgängers im Amt hinausgehende höhere Vergütung nur durch einen Zuschlag auf die Grundvergütung nach Maßgabe der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes vereinbart werden. Die Aufsichtsbehörde kann zu Beginn einer neuen Amtszeit eines Unparteiischen eine niedrigere Vergütung anordnen. Die Art und die Höhe finanzieller Zuwendungen, die den Unparteiischen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Unparteiische von Dritten gewährt werden, sind den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 mitzuteilen und auf die Vergütung der Unparteiischen anzurechnen oder an den Gemeinsamen Bundesausschuss abzuführen. Vereinbarungen der Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 für die Zukunftssicherung der Unparteiischen sind nur auf der Grundlage von beitragsorientierten Zusagen zulässig. Die von den Organisationen benannten sonstigen Mitglieder des Beschlussgremiums üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus; sie sind bei den Entscheidungen im Beschlussgremium an Weisungen nicht gebunden. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 benennen für jedes von ihnen benannte Mitglied bis zu drei Stellvertreter. Die Amtszeit im Beschlussgremium beträgt ab der am 1. Juli 2012 beginnenden Amtszeit sechs Jahre.

(2a) Bei Beschlüssen, die allein einen der Leistungssektoren wesentlich betreffen, werden ab dem 1. Februar 2012 alle fünf Stimmen der Leistungserbringerseite anteilig auf diejenigen Mitglieder übertragen, die von der betroffenen Leistungserbringerorganisation nach Absatz 1 Satz 1 benannt worden sind. Bei Beschlüssen, die allein zwei der drei Leistungssektoren wesentlich betreffen, werden ab dem 1. Februar 2012 die Stimmen der von der nicht betroffenen Leistungserbringerorganisation benannten Mitglieder anteilig auf diejenigen Mitglieder übertragen, die von den betroffenen Leistungserbringerorganisationen benannt worden sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seiner Geschäftsordnung erstmals bis zum 31. Januar 2012 fest, welche Richtlinien und Entscheidungen allein einen oder allein zwei der Leistungssektoren wesentlich betreffen. Bei Beschlüssen zur Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wird die Stimme des von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung benannten Mitglieds ab dem 1. Januar 2012 anteilig auf die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft benannten Mitglieder übertragen.

(3) Für die Tragung der Kosten des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Kosten der von den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 benannten Mitglieder gilt § 139c entsprechend. Im Übrigen gilt § 90 Abs. 3 Satz 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass vor Erlass der Rechtsverordnung außerdem die Deutsche Krankenhausgesellschaft anzuhören ist.

(3a) Verletzen Mitglieder oder deren Stellvertreter, die von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen benannt oder berufen werden, in der ihnen insoweit übertragenen Amtsführung die ihnen einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, gilt § 42 Absatz 1 bis 3 des Vierten Buches mit der Maßgabe entsprechend, dass die Verantwortlichkeit den Gemeinsamen Bundesausschuss, nicht aber die in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen, trifft. Dies gilt auch im Falle einer Berufung der unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter durch das Bundesministerium für Gesundheit nach Absatz 2 Satz 7. Soweit von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen für die Vorbereitung von Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses Personen für die nach seiner Geschäftsordnung bestehenden Gremien benannt werden und diese Personen zur Wahrung der Vertraulichkeit der für den Gemeinsamen Bundesausschuss geheimhaltungspflichtigen, ihnen zugänglichen Unterlagen und Informationen verpflichtet werden, gilt Satz 1 entsprechend. Das Gleiche gilt für nach § 140f Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz benannte sachkundige Personen, denen zur Ausübung ihres Mitberatungsrechts für den Gemeinsamen Bundesausschuss geheimhaltungspflichtige Unterlagen und Informationen zugänglich gemacht werden, wenn sie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zur Wahrung der Vertraulichkeit dieser Unterlagen verpflichtet worden sind. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Geschäftsordnung.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt

1.
eine Verfahrensordnung, in der er insbesondere methodische Anforderungen an die wissenschaftliche sektorenübergreifende Bewertung des Nutzens, einschließlich Bewertungen nach den §§ 35a und 35b, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage für Beschlüsse sowie die Anforderungen an den Nachweis der fachlichen Unabhängigkeit von Sachverständigen und das Verfahren der Anhörung zu den jeweiligen Richtlinien, insbesondere die Feststellung der anzuhörenden Stellen, die Art und Weise der Anhörung und deren Auswertung, regelt,
2.
eine Geschäftsordnung, in der er Regelungen zur Arbeitsweise des Gemeinsamen Bundesausschusses insbesondere zur Geschäftsführung, zur Vorbereitung der Richtlinienbeschlüsse durch Einsetzung von in der Regel sektorenübergreifend gestalteten Unterausschüssen, zum Vorsitz der Unterausschüsse durch die Unparteiischen des Beschlussgremiums sowie zur Zusammenarbeit der Gremien und der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses trifft; in der Geschäftsordnung sind Regelungen zu treffen zur Gewährleistung des Mitberatungsrechts der von den Organisationen nach § 140f Abs. 2 entsandten sachkundigen Personen.
Die Verfahrensordnung und die Geschäftsordnung bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Vorlage des Beschlusses und der tragenden Gründe ganz oder teilweise versagt. Das Bundesministerium für Gesundheit kann im Rahmen der Genehmigungsprüfung vom Gemeinsamen Bundesausschuss zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist nach Satz 3 unterbrochen. Wird die Genehmigung ganz oder teilweise versagt, so kann das Bundesministerium für Gesundheit insbesondere zur Sicherstellung einer sach- und funktionsgerechten Ausgestaltung der Arbeitsweise und des Bewertungsverfahrens des Gemeinsamen Bundesausschusses erforderliche Änderungen bestimmen und anordnen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb einer bestimmten Frist die erforderlichen Änderungen vornimmt. Kommt der Gemeinsame Bundesausschuss der Anordnung innerhalb der Frist nicht nach, so kann das Bundesministerium für Gesundheit die erforderlichen Änderungen selbst vornehmen. Die Sätze 5 und 6 gelten entsprechend, wenn sich die Erforderlichkeit der Änderung einer bereits genehmigten Regelung der Verfahrensordnung oder der Geschäftsordnung erst nachträglich ergibt. Klagen gegen Anordnungen und Maßnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit nach den Sätzen 3 bis 7 haben keine aufschiebende Wirkung.

(5) Bei Beschlüssen, deren Gegenstand die Berufsausübung der Ärzte, Psychotherapeuten oder Zahnärzte berührt, ist der jeweiligen Arbeitsgemeinschaft der Kammern dieser Berufe auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. § 136 Absatz 3 und § 136b Absatz 1 Satz 3 bleiben unberührt.

(5a) Bei Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses, die die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln oder voraussetzen, ist dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(6) Die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 136d sind für die Träger nach Absatz 1 Satz 1, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich.

(7) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 Satz 1 fasst seine Beschlüsse mit der Mehrheit seiner Mitglieder, sofern die Geschäftsordnung nichts anderes bestimmt. Beschlüsse zur Arzneimittelversorgung und zur Qualitätssicherung sind in der Regel sektorenübergreifend zu fassen. Beschlüsse, die nicht allein einen der Leistungssektoren wesentlich betreffen und die zur Folge haben, dass eine bisher zulasten der Krankenkassen erbringbare Leistung zukünftig nicht mehr zu deren Lasten erbracht werden darf, bedürfen einer Mehrheit von neun Stimmen. Der unparteiische Vorsitzende und die weiteren unparteiischen Mitglieder können dem Beschlussgremium gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag zur Entscheidung vorlegen. Mit der Vorbereitung eines Beschlussvorschlags oder eines Antrags eines Unparteiischen nach § 135 Absatz 1 Satz 1 oder § 137c Absatz 1 Satz 1 können die Unparteiischen oder kann der Unparteiische die Geschäftsführung beauftragen. Die Sitzungen des Beschlussgremiums sind in der Regel öffentlich und werden zeitgleich als Live-Video-Übertragung im Internet angeboten sowie in einer Mediathek zum späteren Abruf verfügbar gehalten. Die nichtöffentlichen Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, insbesondere auch die Beratungen in den vorbereitenden Gremien, sind einschließlich der Beratungsunterlagen und Niederschriften vertraulich.

(8) (weggefallen)

(9) Jedem, der berechtigt ist, zu einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses Stellung zu nehmen und eine schriftliche oder elektronische Stellungnahme abgegeben hat, ist in der Regel auch Gelegenheit zu einer mündlichen Stellungnahme zu geben. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Verfahrensordnung vorzusehen, dass die Teilnahme jeweils eines Vertreters einer zu einem Beschlussgegenstand stellungnahmeberechtigten Organisation an den Beratungen zu diesem Gegenstand in dem zuständigen Unterausschuss zugelassen werden kann.

(10) Der Gemeinsame Bundesausschuss ermittelt spätestens ab dem 1. September 2012 die infolge seiner Beschlüsse zu erwartenden Bürokratiekosten im Sinne des § 2 Absatz 2 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates und stellt diese Kosten in der Begründung des jeweiligen Beschlusses nachvollziehbar dar. Bei der Ermittlung der Bürokratiekosten ist die Methodik nach § 2 Absatz 3 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates anzuwenden. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 30. Juni 2012 in seiner Verfahrensordnung.

(11) Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages einmal jährlich zum 31. März über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über die Einhaltung der Fristen nach § 135 Absatz 1 Satz 4 und 5, § 136b Absatz 3 Satz 1, § 137c Absatz 1 Satz 5 und 6 sowie § 137h Absatz 4 Satz 9 vorzulegen, in dem im Falle von Überschreitungen der Fristen nach § 137c Absatz 1 Satz 5 und 6 sowie § 137h Absatz 4 Satz 9 auch die zur Straffung des Verfahrens unternommenen Maßnahmen und die besonderen Schwierigkeiten einer Bewertung, die zu einer Fristüberschreitung geführt haben können, im Einzelnen dargelegt werden müssen. Zudem sind in dem Bericht auch alle anderen Beratungsverfahren über Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses darzustellen, die seit förmlicher Einleitung des Beratungsverfahrens länger als drei Jahre andauern und in denen noch keine abschließende Beschlussfassung erfolgt ist.

(1) Die vertragsärztliche Versorgung gliedert sich in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung. Die hausärztliche Versorgung beinhaltet insbesondere

1.
die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung eines Patienten in Diagnostik und Therapie bei Kenntnis seines häuslichen und familiären Umfeldes; Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen,
2.
die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen einschließlich der Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins bei einem an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer,
3.
die Dokumentation, insbesondere Zusammenführung, Bewertung und Aufbewahrung der wesentlichen Behandlungsdaten, Befunde und Berichte aus der ambulanten und stationären Versorgung,
4.
die Einleitung oder Durchführung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen sowie die Integration nichtärztlicher Hilfen und flankierender Dienste in die Behandlungsmaßnahmen.

(1a) An der hausärztlichen Versorgung nehmen

1.
Allgemeinärzte,
2.
Kinder- und Jugendärzte,
3.
Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben,
4.
Ärzte, die nach § 95a Abs. 4 und 5 Satz 1 in das Arztregister eingetragen sind und
5.
Ärzte, die am 31. Dezember 2000 an der hausärztlichen Versorgung teilgenommen haben,
teil (Hausärzte).
Die übrigen Fachärzte nehmen an der fachärztlichen Versorgung teil. Der Zulassungsausschuss kann für Kinder- und Jugendärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung eine von Satz 1 abweichende befristete Regelung treffen, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für die Arztgruppe der Hausärzte, der Kinder- und Jugendärzte oder der Fachinternisten eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 Satz 1 getroffen, fasst der Zulassungsausschuss innerhalb von sechs Monaten den Beschluss, ob eine Regelung nach Satz 3 getroffen wird. Kinder- und Jugendärzte mit Schwerpunktbezeichnung können auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen. Der Zulassungsausschuss kann Allgemeinärzten und Ärzten ohne Gebietsbezeichnung, die im Wesentlichen spezielle Leistungen erbringen, auf deren Antrag die Genehmigung zur ausschließlichen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung erteilen.

(1b) Die einen Versicherten behandelnden Leistungserbringer sind verpflichtet, den Versicherten nach dem von ihm gewählten Hausarzt zu fragen; sie sind verpflichtet, die den Versicherten betreffenden Behandlungsdaten und Befunde mit dessen Zustimmung zum Zwecke der bei dem Hausarzt durchzuführenden Dokumentation und der weiteren Behandlung zu übermitteln. Der Hausarzt ist mit Zustimmung des Versicherten verpflichtet, die für die Behandlung erforderlichen Daten und Befunde an die den Versicherten behandelnden Leistungserbringer zu übermitteln. Bei einem Hausarztwechsel ist der bisherige Hausarzt mit Zustimmung des Versicherten verpflichtet, dem neuen Hausarzt die bei ihm über den Versicherten gespeicherten Unterlagen vollständig zu übermitteln.

(1c) (weggefallen)

(2) Die vertragsärztliche Versorgung umfaßt die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung und kieferorthopädische Behandlung nach Maßgabe des § 28 Abs. 2,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, soweit sie § 56 Abs. 2 entspricht,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Verordnung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
6.
Anordnung der Hilfeleistung anderer Personen,
7.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung oder Behandlung in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen,
7a.
Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen,
8.
Verordnung häuslicher Krankenpflege und außerklinischer Intensivpflege,
9.
Ausstellung von Bescheinigungen und Erstellung von Berichten, die die Krankenkassen oder der Medizinische Dienst (§ 275) zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben oder die die Versicherten für den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts benötigen; die Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit ist auch auszustellen, wenn die Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 übermittelt werden,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1,
11.
ärztlichen Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Soziotherapie,
13.
Zweitmeinung nach § 27b,
14.
Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach § 37b.
Satz 1 Nummer 2 bis 4, 6, 10, 11 und 14 gilt nicht für Psychotherapeuten; Satz 1 Nummer 9 gilt nicht für Psychotherapeuten, soweit sich diese Regelung auf die Feststellung und die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit bezieht. Satz 1 Nummer 5 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Leistungen zur psychotherapeutischen Rehabilitation. Satz 1 Nummer 7 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Ergotherapie, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung. Satz 1 Nummer 8 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Leistungen der psychiatrischen häuslichen Krankenpflege. Das Nähere zu den Verordnungen durch Psychotherapeuten bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in seinen Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 8 und 12.

(3) In den Gesamtverträgen ist zu vereinbaren, inwieweit Maßnahmen zur Vorsorge und Rehabilitation, soweit sie nicht zur kassenärztlichen Versorgung nach Absatz 2 gehören, Gegenstand der kassenärztlichen Versorgung sind.

(4) Krankenhausbehandlung darf nur verordnet werden, wenn eine ambulante Versorgung der Versicherten zur Erzielung des Heil- oder Linderungserfolgs nicht ausreicht. Die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ist bei der Verordnung zu begründen. In der Verordnung von Krankenhausbehandlung sind in den geeigneten Fällen auch die beiden nächsterreichbaren, für die vorgesehene Krankenhausbehandlung geeigneten Krankenhäuser anzugeben. Das Verzeichnis nach § 39 Abs. 3 ist zu berücksichtigen.

(5) Der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt und die ermächtigte Einrichtung sollen bei der Verordnung von Arzneimitteln die Preisvergleichsliste nach § 92 Abs. 2 beachten. Sie können auf dem Verordnungsblatt oder in dem elektronischen Verordnungsdatensatz ausschließen, dass die Apotheken ein preisgünstigeres wirkstoffgleiches Arzneimittel anstelle des verordneten Mittels abgeben. Verordnet der Arzt ein Arzneimittel, dessen Preis den Festbetrag nach § 35 überschreitet, hat der Arzt den Versicherten über die sich aus seiner Verordnung ergebende Pflicht zur Übernahme der Mehrkosten hinzuweisen.

(6) Zur kassenärztlichen Versorgung gehören Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten nicht, wenn sie im Rahmen der Krankenhausbehandlung oder der stationären Entbindung durchgeführt werden, es sei denn, die ärztlichen Leistungen werden von einem Belegarzt erbracht.

(7) Es ist Vertragsärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Versicherten oder für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. § 128 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(8) Zur Sicherung der wirtschaftlichen Verordnungsweise haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen sowie die Krankenkassen und ihre Verbände die Vertragsärzte auch vergleichend über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen und Bezugsquellen, einschließlich der jeweiligen Preise und Entgelte zu informieren sowie nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Hinweise zu Indikation und therapeutischen Nutzen zu geben. Die Informationen und Hinweise für die Verordnung von Arznei-, Verband- und Heilmitteln erfolgen insbesondere auf der Grundlage der Hinweise nach § 92 Abs. 2 Satz 3, der Rahmenvorgaben nach § 84 Abs. 7 Satz 1 und der getroffenen Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 1. In den Informationen und Hinweisen sind Handelsbezeichnung, Indikationen und Preise sowie weitere für die Verordnung von Arzneimitteln bedeutsame Angaben insbesondere auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 in einer Weise anzugeben, die unmittelbar einen Vergleich ermöglichen; dafür können Arzneimittel ausgewählt werden, die einen maßgeblichen Anteil an der Versorgung der Versicherten im Indikationsgebiet haben. Die Kosten der Arzneimittel je Tagesdosis sind nach den Angaben der anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikation anzugeben. Es gilt die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrage des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebene Klassifikation in der jeweils gültigen Fassung. Die Übersicht ist für einen Stichtag zu erstellen und in geeigneten Zeitabständen, im Regelfall jährlich, zu aktualisieren.

(9) Vertragsärzte dürfen für die Verordnung von Arzneimitteln, von Verbandmitteln, von digitalen Gesundheitsanwendungen und von Produkten, die gemäß den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können, nur solche elektronischen Programme nutzen, die mindestens folgende Inhalte mit dem jeweils aktuellen Stand enthalten:

1.
die Informationen nach Absatz 8 Satz 2 und 3,
2.
die Informationen über das Vorliegen von Rabattverträgen nach § 130a Absatz 8,
3.
die Informationen nach § 131 Absatz 4 Satz 2,
4.
die zur Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans nach § 31a und des elektronischen Medikationsplans nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 notwendigen Funktionen und Informationen,
5.
die Informationen nach § 35a Absatz 3a Satz 1 und
6.
ab dem 1. Oktober 2023 das Schulungsmaterial nach § 34 Absatz 1f Satz 2 des Arzneimittelgesetzes und die Informationen nach § 34 Absatz 1h Satz 3 des Arzneimittelgesetzes, auch in Verbindung mit § 39 Absatz 2e des Arzneimittelgesetzes oder § 39d Absatz 6 des Arzneimittelgesetzes
und die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere insbesondere zu den Mindestanforderungen der Informationen nach Satz 1 Nummer 5 zu regeln. Es kann in der Rechtsverordnung auch das Nähere zu den weiteren Anforderungen nach Satz 1 regeln. Es kann dabei Vorgaben zur Abbildung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Regelungen zur Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen Therapiemöglichkeiten machen. Es kann auch Vorgaben zu semantischen und technischen Voraussetzungen zur Interoperabilität machen. Weitere Einzelheiten sind in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 zu vereinbaren. Die Vereinbarungen in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 sind innerhalb von drei Monaten nach dem erstmaligen Inkrafttreten der Rechtsverordnung nach den Sätzen 2 bis 4 sowie nach dem jeweiligen Inkrafttreten einer Änderung der Rechtsverordnung anzupassen. Sie sind davon unabhängig in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen. Auf die Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen nach § 33a findet Satz 1 vor dem 1. Januar 2023 keine Anwendung.

(10) Für die Verordnung von Heilmitteln dürfen Vertragsärzte ab dem 1. Januar 2017 nur solche elektronischen Programme nutzen, die die Informationen der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in Verbindung mit § 92 Absatz 6 und über besondere Verordnungsbedarfe nach § 106b Absatz 2 Satz 4 sowie die sich aus den Verträgen nach § 125a ergebenden Besonderheiten enthalten und die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind. Das Nähere ist in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 zu vereinbaren.

(11) Stellt ein Vertragsarzt bei einem Versicherten eine Diagnose nach § 125a und die Indikation für ein Heilmittel, sind Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten vom Heilmittelerbringer festzulegen. In medizinisch begründeten Fällen kann der Vertragsarzt auch bei Vorliegen einer Diagnose nach § 125a selbst über die Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten entscheiden; in diesem Fall sind auf die Verordnung die Regelungen der Verträge nach § 125 Absatz 1 anzuwenden. Die Vertragsärzte sollen zum Beginn des auf den rechtskräftigen Abschluss des Vertrages nach § 125a folgenden Quartals, frühestens jedoch nach sechs Wochen, nach den Regelungen dieses Absatzes verordnen.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. März 2010 und des Sozialgerichts Mainz vom 16. April 2008 sowie der Bescheid des Beklagten vom 6. April 2006 aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 19. August 1999 und 6. Juni 2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1. und 2. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. bis 6. je zu einem Drittel.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Beigeladenen zu 1. in den Quartalen II/1998 bis III/1999.

2

Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse, die Beigeladene zu 1. eine Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft), in der im streitgegenständlichen Zeitraum zwei Zahnärzte für Oralchirurgie und ein Allgemein-Zahnarzt tätig waren. Auf Antrag der Krankenkassen(-Verbände) prüfte der Prüfungsausschuss die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Beigeladenen zu 1. in den Quartalen II bis IV/1998 sowie in den Quartalen I bis III/1999; mit Bescheiden vom 19.8.1999 (Quartale II bis IV/1998) sowie vom 6.6.2000 (Quartale I bis III/1999) lehnte der Ausschuss die Festsetzung von Honorarkürzungen ab. Gegen den Bescheid vom 19.8.1999 erhoben die Gemeinsame Beratungs- und Prüfstelle der Primärkassen sowie die Ersatzkassenverbände Widersprüche, gegen den Bescheid vom 6.6.2000 die "BKK-IKK-LKK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz" sowie die Ersatzkassenverbände. Der beklagte Beschwerdeausschuss gab den Widersprüchen mit Bescheid vom 29.8.2001 zunächst teilweise statt und setzte - nach Durchführung einer Prüfung nach Durchschnittswerten - wegen Überschreitung bestimmter "Relationen" bei den Gebührennr 37-Nbl2 Einheitlicher Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) ("Stillung einer übermäßigen Blutung durch Abbinden oder Umstechen eines Gefäßes oder durch Knochenbolzung"), 38-N Bema-Z ("Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff oder Tamponieren oder dergleichen, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich, als selbständige Leistung, je Sitzung") und 47a-Ost1 Bema-Z ("Entfernen eines Zahnes durch Osteotomie einschließlich Wundversorgung") in den Quartalen II/1998 bis III/1999 eine Honorarkürzung in Höhe von 19 470,22 DM (= 9954,97 Euro) fest. Hiergegen erhob die Beigeladene zu 1. Klage. Im Laufe des Klageverfahrens teilte der Beklagte dem SG mit, dass er den angefochtenen Bescheid nicht für "rechtsfähig" halte und diesen "ersetzen" werde. Das SG wertete dies als verfahrensbeendendes Anerkenntnis. Mit erneutem Widerspruchsbescheid vom 6.4.2006 wies der Beklagte sodann die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte er aus, ein statistischer Vergleich des (Gesamt-)Fallwerts der Beigeladenen zu 1. mit dem der Gruppe der Oralchirurgen habe in den geprüften Quartalen nach Bereinigung des Gesamtfallwerts um anerkannte Praxisbesonderheiten keine Überschreitung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis, die er mit 40 % angesetzt habe, ergeben. Er habe bei der Ermittlung des aus der Praxisbesonderheit "Fälle mit überdurchschnittlichem Behandlungsbedarf" resultierenden Mehraufwandes überprüft, ob statistisch auffällige Gebührenpositionen wirtschaftlich abgerechnet worden seien. Bei dieser Prüfung habe sich zwar ein unwirtschaftlicher Mehraufwand von 1.015 Punkten bei der Gebührennr 37-Nbl2 Bema-Z, von 11.936 Punkten bei der Nr 38-N Bema-Z und von 7.452 Punkten bei der Nr 47a-Ost1 Bema-Z ergeben, um den der Mehraufwand wegen anerkannter Praxisbesonderheiten bereinigt worden sei; die Notwendigkeit von Honorarkürzungen sei damit aber nicht gegeben.

3

Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 16.4.2008, Urteil des LSG vom 4.3.2010). Das LSG hat ausgeführt, der Beklagte habe im Rahmen seiner Prüfung der gesamten zahnärztlichen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. zu Recht auf den Gesamtfallwert abgestellt. Er sei nicht gehalten gewesen, eine Sparten- oder Einzelleistungsprüfung vorzunehmen. Der angefochtene Bescheid sei auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte den Prozentsatz des offensichtlichen Missverhältnisses zu hoch angesetzt habe. Diese Festlegung unterliege dem Beurteilungsspielraum des Beklagten, den dieser nicht überschritten habe. Wegen der Spannbreite möglicher rechtmäßiger Entscheidungen könne jedenfalls in der Regel ein niedrigerer Grenzwert als 40 % von den beteiligten Krankenkassenverbänden nicht erzwungen werden. Auch stelle das vom Beklagten genannte erhöhte Risiko der Inhomogenität der Vergleichsgruppe einen sachlichen Gesichtspunkt dar, der Beurteilungsfehler nicht erkennen lasse.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Wenn die Prüfgremien im Rahmen der Prüfung der Praxisbesonderheiten feststellten, dass Leistungen teilweise unwirtschaftlich erbracht worden seien und damit nicht als Praxisbesonderheiten anerkannt werden könnten, dann seien diese Unwirtschaftlichkeiten zu beziffern und ein "Regress" festzusetzen. Es könne nicht richtig sein, dass dem Vertrags(zahn)arzt unwirtschaftlich erbrachte Leistungen sehenden Auges honoriert würden. Im Übrigen widerspreche es der Rechtsprechung des BSG, bei Anerkennung von Praxisbesonderheiten die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei 40 % zu belassen. Würden - wie vorliegend - Praxisbesonderheiten in so erheblichem Umfang anerkannt, sei die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis weit unter 40 % festzulegen, zumal eine Bereinigung der Fachgruppe nicht erfolgt sei.

5

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 4.3.2010 und des SG Mainz vom 16.4.2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 6.4.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 19.8.1999 und 6.6.2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

6

Der Beklagte, die Beigeladene zu 1. und (schriftsätzlich) die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Beklagte und die zu 2. beigeladene Kassenzahnärztliche Vereinigung führen aus, die bei der Bewertung von Praxisbesonderheiten festgestellten Korrekturbeträge hätten nicht zu einem Regress führen können, weil es sich nicht um eine Einzelfallprüfung gehandelt habe. Die vom Beklagten durchgeführten Einzelfall- und Relationsbetrachtungen hätten lediglich der rechnerisch eindeutigen Quantifizierung der Praxisbesonderheiten im Rahmen einer statistischen Vergleichsprüfung gedient. Die Beigeladene zu 1. macht Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage geltend und verweist auf den Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Beklagten, den dieser nicht überschritten habe.

8

Die übrigen Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch Stellung genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist zulässig und - im Sinne einer Verpflichtung des Beklagten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts erneut über die gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 19.8.1999 und 6.6.2000 erhobenen Widersprüche zu entscheiden - begründet. Die Vorinstanzen haben zu Unrecht die Entscheidung des Beklagten für rechtmäßig gehalten, von Kürzungsmaßnahmen abzusehen.

10

1. Die von der Beigeladenen zu 1. geltend gemachten prozessualen und formellen Bedenken greifen allerdings nicht durch. Insbesondere war die von der Klägerin erhobene Klage zulässig. Im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 SGB V wirkt der von einer Krankenkasse bzw einem Krankenkassenverband erhobene Widerspruch auch zugunsten der übrigen Beteiligten und verhindert den Eintritt der Bestandskraft des Bescheides(zur Einheitlichkeit des Verfahrens der Wirtschaftlichkeitsprüfung siehe schon BSGE 60, 69, 71 f = SozR 2200 § 368n Nr 42 S 139 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 18 S 98). Die Krankenkassen und ihre Verbände sind - unabhängig von einer Hinzuziehung nach § 12 Abs 2 SGB X - Beteiligte des Prüfverfahrens(BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 20). Die Prüfgremien treffen Entscheidungen, die unmittelbare Auswirkungen auf die vertragsärztliche Versorgung haben und die Verpflichtung der genannten Institutionen berühren können, für eine ordnungsgemäße Versorgung Sorge zu tragen (BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 22). Es ist für die Rechtsmittelbefugnis der Institutionen ohne Belang, ob die das Verfahren ggf letztlich allein weiterbetreibende Krankenkasse (bzw der Krankenkassenverband) in den vorangegangenen Verfahrensstufen jeweils selbst Rechtsmittel eingelegt hat. Vielmehr wirken von einzelnen Krankenkassen(-Verbänden) eingelegte Rechtsmittel grundsätzlich auch zugunsten der übrigen beteiligten Institutionen. Ob Abweichendes gilt, wenn ein Kostenregress zu Gunsten einer einzelnen Krankenkasse Streitgegenstand ist, bedarf hier keiner Erörterung. Auch eine Stellung von Prüfanträgen durch gemeinsame Einrichtungen der Krankenkassen begegnet keinen Bedenken.

11

2. Der Bescheid des Beklagten vom 6.4.2006, der alleiniger Streitgegenstand des Verfahrens ist (stRspr des BSG, zuletzt Urteil vom 29.6.2011 - B 6 KA 16/10 R - RdNr 10, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), ist rechtswidrig.

12

a. Ob die vom Beklagten durchgeführte, auf den Gesamtfallwert bezogene Prüfung nach Durchschnittswerten für sich genommen rechtmäßig ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.

13

Zweifel könnten sich insoweit ergeben, als der Beklagte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei einer Überschreitung des Gesamtfallwertes der Vergleichsgruppe um mehr als 40 % angesetzt hat. Grundsätzlich steht den Prüfgremien allerdings hinsichtlich der Festlegung des für das offensichtliche Missverhältnis maßgeblichen Grenzwerts ein Beurteilungsspielraum zu (vgl ua BSGE 76, 53, 58 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 149; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 267; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12). Jedoch könnte es in Anbetracht der Vorab-Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten unter Umständen geboten sein, den Grenzwert niedriger anzusetzen. So hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Prüfgremien zumindest berechtigt sind, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis niedriger anzusetzen, seitdem Praxisbesonderheiten bereits auf der ersten Prüfungsstufe zu berücksichtigen sind (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 226; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 239); wenn die Prüfgremien Besonderheiten der Praxis von vornherein in den Fallwertvergleich einbezogen haben, sind auch 40 % unterschreitende Grenzwerte zulässig (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 17). Zudem bedarf noch der Klärung, wie die nach Herausrechnung der Praxisbesonderheiten verbleibenden Überschreitungen noch gerechtfertigt werden können und ob die Prüfgremien ggf nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sind, niedrigere Grenzwerte anzusetzen.

14

Der Beklagte hat seine Entscheidung damit begründet, er habe bei der Grenzziehung das Risiko der Inhomogenität des Abrechnungsverhaltens der Vergleichsgruppe berücksichtigt. Auch wenn sich das Problem der Inhomogenität bei einer genauen Quantifizierung kostenerhöhender Umstände relativiert (s hierzu Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2011, K § 106 RdNr 348),kann nicht außer Betracht bleiben, dass gerade die Gruppe der Oralchirurgen kein einheitliches Leistungsspektrum aufweist (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 21, 22; s auch Engelhard aaO RdNr 331b). Ob dieses Argument für sich genommen tragfähig ist, um den vom Beklagten zugrunde gelegten hohen Grenzwert zu rechtfertigen, kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Entscheidung des Beklagten bereits aus anderen Gründen rechtswidrig ist.

15

b. Der Beklagte durfte die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der zu 1. beigeladenen Gemeinschaftspraxis nicht mit der Feststellung beenden, dass sich der Gesamtfallwert nicht im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses bewege und daher kein Raum für eine Honorarkürzung sei. Vielmehr wäre er ungeachtet des ihm insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums bei Beachtung des Gebots der Effektivität von Wirtschaftlichkeitsprüfungen verpflichtet gewesen, den von ihm erkannten Unwirtschaftlichkeiten unter Anwendung anderer Prüfmethoden - namentlich im Wege einer Einzelleistungsprüfung nach Durchschnittswerten, ggf auch einer Einzelfallprüfung - nachzugehen. Sofern sich der Beklagte an der Anwendung anderer, von der Rechtsprechung generell als geeignet anerkannter, Prüfmethoden gehindert gesehen haben sollte, hätte er in der Begründung seiner Entscheidung darlegen müssen, warum er diese an sich gebotenen Prüfungen unterlassen hat.

16

aa. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stehen den Prüfgremien bei der Auswahl der im Einzelfall geeigneten Prüfmethode Entscheidungsspielräume zu (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 13). Diese sind rechtlich als Beurteilungsspielraum zu qualifizieren (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 31 S 177 mwN; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 267/268; soweit in der jüngeren Rechtsprechung des Senats von einem "Ermessen" der Prüfgremien gesprochen wird, wird hieran nicht festgehalten), weil es sich bei der Auswahl der Prüfmethode um eine Fragestellung handelt, die einer Bewertung unter Heranziehung der besonderen Fachkunde der Mitglieder der Prüfgremien bedarf (BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 106; vgl auch BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36 mwN). Von diesem Beurteilungsspielraum ist grundsätzlich auch die Entscheidung umfasst, ob der Vergleichsprüfung die Gesamtfallwerte oder nur der Aufwand in einzelnen Leistungssparten oder bei bestimmten Einzelleistungen zugrunde gelegt werden (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 300).

17

Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich bei der Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen, denen ein Beurteilungsspielraum zugrunde liegt, darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (stRspr des BSG, BSGE 72, 214, 216 = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 7; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 20; vgl zuletzt BSGE 102, 21 = SozR 4-2500 § 101 Nr 3, RdNr 16 - zu Sonderbedarfszulassungen).

18

bb. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten ist auch unter Berücksichtigung des begrenzten Umfangs der gerichtlichen Überprüfung rechtswidrig. In Anbetracht der deutlichen Überschreitung der Vergleichswerte der Fachgruppe durch die beigeladene Gemeinschaftspraxis und namentlich der von ihm festgestellten Unwirtschaftlichkeiten bei einzelnen Leistungspositionen hätte sich dem Beklagten die ergänzende Anwendung einer anderen Prüfmethode geradezu aufdrängen müssen. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt nicht hinreichend erkennen, warum der Beklagte vorliegend von einer Honorarkürzung bzw von der Anwendung einer anderen Prüfmethode abgesehen hat.

19

(1) Zu den erforderlichen Subsumtionserwägungen bei der Auswahl einer Prüfmethode gehören nicht zuletzt Ausführungen, die erkennen lassen, dass sich die Prüfgremien den Grenzen ihres Beurteilungsspielraums bewusst gewesen sind. Zu diesen Grenzen gehört zum einen, dass der Senat die statistische Vergleichsprüfung bzw Prüfung nach Durchschnittswerten auf der Grundlage des bis zum 31.12.2003 geltenden Rechts in ständiger Rechtsprechung als "Regelprüfmethode" bezeichnet hat (vgl BSGE 94, 273 = SozR 4-2500 § 106 Nr 9, RdNr 6; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 13 mwN),von der nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden durfte.

20

Zum anderen ergibt sich eine Einschränkung des Entscheidungsspielraums der Prüfgremien bei der Auswahl der Prüfmethode aus dem Gebot, "effektive" Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung die Verpflichtung der Prüfgremien betont, auf festgestellte bzw vorliegende Unwirtschaftlichkeiten zu reagieren. Diese haben die Frage der Unwirtschaftlichkeit mit allen dazu geeigneten und zulässigen Beweismitteln aufzuklären (BSGE 70, 246, 254 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 51 f; BSGE 75, 220, 224 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24 S 135),ggf sachgerechte Prüfungsarten zu entwickeln und Prüfverfahren stets der gesetzlichen Intention entsprechend auszugestalten und durchzuführen, alle Ärzte einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu unterziehen (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295 f). Es entspricht der Zielsetzung des Gesetzes, dass das Abrechnungs- und Verordnungsverhalten aller Ärzte zu jeder Zeit einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen muss (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 55 S 309/310 unter Hinweis auf BSGE 84, 85, 87 = SozR 3-2500 § 106 Nr 47 S 250; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 274; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295 f; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 32 S 185; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 61; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14). Unter Hinweis auf das Gebot effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen hat der Senat festgestellt, dass eine andere Prüfmethode gewählt werden "darf bzw muss", soweit eine Prüfung anhand von Durchschnittswerten nicht effektiv ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14), bzw dass die Prüfgremien "berechtigt und verpflichtet" sind, ausnahmsweise auch andere Prüfmethoden anzuwenden bzw neu zu entwickeln, wenn sich im Einzelfall die Prüfung nach Durchschnittswerten "als nicht aussagekräftig oder nicht durchführbar" erweist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10).

21

Als "nicht effektiv" im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Senats anzusehen ist eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht erst dann, wenn die Prüfung in der gewählten Form zu überhaupt keinen Ergebnissen führt - etwa, weil sie mangels ausreichender Datengrundlagen (wie zB bei Richtgrößenprüfungen, vgl hierzu BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11) überhaupt nicht durchgeführt werden kann. Vielmehr ist dies bereits dann der Fall, wenn die Voraussetzungen für die Durchführung einer Prüfung zwar vorliegen, der gewählte Prüfungsansatz aber strukturell den Zugriff auf festgestellte Unwirtschaftlichkeiten verstellt. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn offensichtliche oder bei Durchführung der Regelprüfmethode festgestellte Unwirtschaftlichkeiten in einzelnen Leistungssparten oder bei bestimmten Leistungspositionen bestehen, der Gesamtfallwert jedoch nicht die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis überschreitet. Denn nach der Rechtsprechung des Senats muss die ärztliche bzw zahnärztliche Behandlung sowohl insgesamt als auch in jedem Teilbereich wirtschaftlich sein, also nicht nur beim Gesamtfallwert, sondern auch in jeder einzelnen Sparte und bei Einzelleistungen sowie in jedem Einzelfall (vgl BSG 3-2500 § 106 Nr 42 S 232 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 15).

22

(2) Den schon aus dem Beurteilungsspielraum abzuleitenden und durch das Effektivitätsgebot verstärkten Anforderungen genügen die Ausführungen des Beklagten im angefochtenen Bescheid nicht. Denn angesichts der vom Beklagten im Rahmen der Überprüfung von Praxisbesonderheiten festgestellten Unwirtschaftlichkeiten (nach den in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben der Klägerin überschritt der Gesamtfallwert der beigeladenen Gemeinschaftspraxis vor Bereinigung um Praxisbesonderheiten in den strittigen Quartalen den Fachgruppendurchschnitt in einem Umfang von 60,2 % bis 107,1 %) hätte sich bei Beachtung der sich aus dem Gebot zur Durchführung effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen ergebenden Anforderungen ein Wechsel der Prüfmethode bzw eine Ergänzung der auf den Gesamtfallwert bezogenen Prüfung nach Durchschnittswerten aufgedrängt.

23

(a) In Anbetracht der vom Beklagten festgestellten Unwirtschaftlichkeiten bei einzelnen Leistungspositionen hätte es in erster Linie nahe gelegen, eine auf diese Positionen bezogene Einzelleistungsprüfung nach Durchschnittswerten durchzuführen. Einer entsprechenden Regelung in der Prüfvereinbarung bedurfte es nicht, da die Einzelleistungsprüfung einen Unterfall der - seinerzeit durch § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V in der bis 31.12.1994 geltenden Fassung gesetzlich vorgegebenen und durch die Rechtsprechung des Senats konkretisierten - Auffälligkeitsprüfung darstellt.

24

Einem ergänzenden bzw alternativen Einzelleistungsvergleich steht nicht entgegen, dass innerhalb der Prüfung nach Durchschnittswerten kein Vorrang von Sparten- und Einzelleistungsprüfungen gegenüber Gesamtfallwertvergleichen bestand (s hierzu Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2011, K § 106 RdNr 398 mwN). Zwar hat der Senat auf die Gefahren eines Sparten- oder Einzelleistungsvergleichs hingewiesen, da deren Aussagewert tendenziell geringer und die Gefahr einer Fehlinterpretation größer ist als bei einem Gesamtvergleich, weil sich die unterschiedlichen Diagnose- und Behandlungsmethoden hier naturgemäß stärker auswirken (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 11 S 57/58; vgl auch BSGE 69, 138, 144 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6 S 27). Diesen Gefahren wird jedoch durch die Anforderungen, die der Senat für die Zulässigkeit speziell des Einzelleistungsvergleichs aufgestellt hat, in ausreichendem Maße begegnet. Danach setzt ein derartiger Vergleich voraus, dass davon Leistungen betroffen sind, die für die gebildete Vergleichsgruppe typisch sind und zumindest von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht werden (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9 mwN). Eine fachgruppentypische Leistung liegt (insbesondere) dann vor, wenn sie von über 50 % der Mitglieder der Vergleichsgruppe erbracht werden (BSG aaO RdNr 11).

25

Auch der Gesichtspunkt der "Gesamtwirtschaftlichkeit" steht einer Verpflichtung der Prüfgremien, die Behandlungsweise der Klägerin bezogen auf einzelne Leistungen zu überprüfen, ebenfalls nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Senats darf zwar die Wirtschaftlichkeit einzelner Leistungen oder Leistungssparten nicht losgelöst von der Gesamttätigkeit und den Gesamtfallkosten des Vertragsarztes beurteilt werden (vgl zB BSGE 71, 194, 199 = SozR 3-2500 § 106 Nr 15 S 91; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9). Jedoch folgt daraus nicht, dass bei einem im Vergleich zur Fachgruppe unauffälligen Gesamtkostendurchschnitt eine unwirtschaftliche Erbringung bestimmter Leistungsarten oder Einzelleistungen ausgeschlossen wäre (in diesem Sinne ua BSGE 71, 194, 199 = SozR 3-2500 § 106 Nr 15 S 91; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9). Im Übrigen liegt der Gesamtfallwert der Beigeladenen zu 1. auch nach Bereinigung um Praxisbesonderheiten weiterhin deutlich über den Vergleichswerten der Fachgruppe - wenn auch nach Einschätzung des Beklagten nicht im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses -, so dass es bereits an einer "Unauffälligkeit" des Gesamtfallwerts fehlt. Weiter steht einer - separat durchgeführten - ergänzenden oder alternativen Einzelleistungsprüfung auch die Aussage des Senats nicht entgegen, dass Prüfmethoden nicht miteinander vermengt werden dürfen, weil jede von ihnen nur dann zu rechtlich tragbaren Ergebnissen führt, wenn die ihr eigenen Gesetzmäßigkeiten beachtet werden (vgl ua BSGE 55, 110, 111 = SozR 2200 § 368n Nr 27 S 82; BSGE 71, 194, 196 = SozR 3-2500 § 106 Nr 15 S 87).

26

(b) Sofern die Voraussetzungen für einen Einzelleistungsvergleich nicht erfüllt wären, wäre die Durchführung einer Einzelfallprüfung in Erwägung zu ziehen. Letztlich hat der Beklagte eine derartige Prüfung bereits ansatzweise durchgeführt, denn seine Erkenntnisse, dass die Berechnung bestimmter Leistungen "nicht in jedem Fall" nachvollziehbar sei, geht auf eine zumindest stichprobenartige Prüfung der einzelnen Fälle zurück. Eine derartige Prüfung kommt insbesondere in Form einer eingeschränkten Einzelfallprüfung (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14, 16; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 14)in Betracht, ggf in Form einer Einzelfallprüfung mit Hochrechnung (s hierzu BSGE 70, 246, 254 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 52 f). Die Prüfgremien sind an einer Anwendung dieser Prüfmethoden auch dann nicht gehindert, wenn die Prüfvereinbarung sie nicht explizit vorsieht; dies gilt jedenfalls dann, wenn andernfalls die Durchführung einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht möglich wäre.

27

Einer Einzelfallprüfung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten die Regelprüfmethode darstellt. Zwar hat das BSG wiederholt die Entscheidung der Prüfgremien für eine Einzelfallprüfung als Überschreitung der Grenzen des Beurteilungsspielraums gewertet (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10 unter Hinweis auf BSGE 77, 53, 56 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33 S 187). Dem lag jedoch eine andere Konstellation zugrunde, da die Prüfgremien ihre Auswahl damit begründet hatten, die Einzelfallprüfung sei gegenüber einer Vergleichsprüfung die genauere und gerechtere Prüfmethode. Demgegenüber hat der Senat - wie bereits oben dargestellt - gerade unter Hinweis auf das Gebot effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen die Wahl einer anderen Prüfmethode gebilligt, soweit eine Prüfung anhand von Durchschnittswerten nicht effektiv ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14).

28

(c) Der Beklagte hat weder ergänzende Prüfmaßnahmen durchgeführt noch dies (offenbar) überhaupt in Erwägung gezogen. Jedenfalls enthält der angefochtene Bescheid keine ausreichende Begründung dafür, warum von einer weitergehenden Prüfung abgesehen wurde. Auf Seite 5 des angefochtenen Bescheides wird lediglich ausgeführt, dass keine Gründe vorgelegen hätten, von der Vergleichsprüfung abzugehen, und dass die Durchführung "einer strengen Einzelfallprüfung" nur unter unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten möglich gewesen wäre. Die Möglichkeit eines statistischen Einzelleistungsvergleichs oder die Durchführung einer eingeschränkten Einzelfallprüfung (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14, 16; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 14) -ggf auch einer Einzelfallprüfung mit Hochrechnung (s hierzu BSGE 70, 246, 254 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 52 f) - hat der Ausschuss damit erkennbar nicht in Betracht gezogen.

29

3. Der Beklagte wird daher die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Beigeladenen zu 1. erneut unter Beachtung der Ausführungen des Senats zur Aussagekraft der bereinigten Gesamtfallwertüberschreitungen und unter Heranziehung alternativer Prüfmethoden zu überprüfen haben. Sollte er dabei zu dem Ergebnis kommen, dass andere Prüfmethoden aus Rechtsgründen ausgeschlossen sind, wird er dies in der Begründung seines Bescheides so zu verdeutlichen haben, dass erkennbar und überprüfbar wird, dass er alle in Frage kommenden Prüfmethoden berücksichtigt und deren Anwendbarkeit aus durchgreifenden Sachgründen verneint hat.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1. und 2. die Kosten des Verfahrens zu gleichen Teilen zu tragen, da sie unterlegen sind (§ 154 Abs 1 und 3 iVm § 159 Satz 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 3. bis 6. ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Die vertragsärztliche Versorgung gliedert sich in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung. Die hausärztliche Versorgung beinhaltet insbesondere

1.
die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung eines Patienten in Diagnostik und Therapie bei Kenntnis seines häuslichen und familiären Umfeldes; Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen,
2.
die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen einschließlich der Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins bei einem an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer,
3.
die Dokumentation, insbesondere Zusammenführung, Bewertung und Aufbewahrung der wesentlichen Behandlungsdaten, Befunde und Berichte aus der ambulanten und stationären Versorgung,
4.
die Einleitung oder Durchführung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen sowie die Integration nichtärztlicher Hilfen und flankierender Dienste in die Behandlungsmaßnahmen.

(1a) An der hausärztlichen Versorgung nehmen

1.
Allgemeinärzte,
2.
Kinder- und Jugendärzte,
3.
Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben,
4.
Ärzte, die nach § 95a Abs. 4 und 5 Satz 1 in das Arztregister eingetragen sind und
5.
Ärzte, die am 31. Dezember 2000 an der hausärztlichen Versorgung teilgenommen haben,
teil (Hausärzte).
Die übrigen Fachärzte nehmen an der fachärztlichen Versorgung teil. Der Zulassungsausschuss kann für Kinder- und Jugendärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung eine von Satz 1 abweichende befristete Regelung treffen, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für die Arztgruppe der Hausärzte, der Kinder- und Jugendärzte oder der Fachinternisten eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 Satz 1 getroffen, fasst der Zulassungsausschuss innerhalb von sechs Monaten den Beschluss, ob eine Regelung nach Satz 3 getroffen wird. Kinder- und Jugendärzte mit Schwerpunktbezeichnung können auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen. Der Zulassungsausschuss kann Allgemeinärzten und Ärzten ohne Gebietsbezeichnung, die im Wesentlichen spezielle Leistungen erbringen, auf deren Antrag die Genehmigung zur ausschließlichen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung erteilen.

(1b) Die einen Versicherten behandelnden Leistungserbringer sind verpflichtet, den Versicherten nach dem von ihm gewählten Hausarzt zu fragen; sie sind verpflichtet, die den Versicherten betreffenden Behandlungsdaten und Befunde mit dessen Zustimmung zum Zwecke der bei dem Hausarzt durchzuführenden Dokumentation und der weiteren Behandlung zu übermitteln. Der Hausarzt ist mit Zustimmung des Versicherten verpflichtet, die für die Behandlung erforderlichen Daten und Befunde an die den Versicherten behandelnden Leistungserbringer zu übermitteln. Bei einem Hausarztwechsel ist der bisherige Hausarzt mit Zustimmung des Versicherten verpflichtet, dem neuen Hausarzt die bei ihm über den Versicherten gespeicherten Unterlagen vollständig zu übermitteln.

(1c) (weggefallen)

(2) Die vertragsärztliche Versorgung umfaßt die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung und kieferorthopädische Behandlung nach Maßgabe des § 28 Abs. 2,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, soweit sie § 56 Abs. 2 entspricht,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Verordnung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
6.
Anordnung der Hilfeleistung anderer Personen,
7.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung oder Behandlung in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen,
7a.
Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen,
8.
Verordnung häuslicher Krankenpflege und außerklinischer Intensivpflege,
9.
Ausstellung von Bescheinigungen und Erstellung von Berichten, die die Krankenkassen oder der Medizinische Dienst (§ 275) zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben oder die die Versicherten für den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts benötigen; die Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit ist auch auszustellen, wenn die Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 übermittelt werden,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1,
11.
ärztlichen Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Soziotherapie,
13.
Zweitmeinung nach § 27b,
14.
Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach § 37b.
Satz 1 Nummer 2 bis 4, 6, 10, 11 und 14 gilt nicht für Psychotherapeuten; Satz 1 Nummer 9 gilt nicht für Psychotherapeuten, soweit sich diese Regelung auf die Feststellung und die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit bezieht. Satz 1 Nummer 5 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Leistungen zur psychotherapeutischen Rehabilitation. Satz 1 Nummer 7 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Ergotherapie, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung. Satz 1 Nummer 8 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Leistungen der psychiatrischen häuslichen Krankenpflege. Das Nähere zu den Verordnungen durch Psychotherapeuten bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in seinen Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 8 und 12.

(3) In den Gesamtverträgen ist zu vereinbaren, inwieweit Maßnahmen zur Vorsorge und Rehabilitation, soweit sie nicht zur kassenärztlichen Versorgung nach Absatz 2 gehören, Gegenstand der kassenärztlichen Versorgung sind.

(4) Krankenhausbehandlung darf nur verordnet werden, wenn eine ambulante Versorgung der Versicherten zur Erzielung des Heil- oder Linderungserfolgs nicht ausreicht. Die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ist bei der Verordnung zu begründen. In der Verordnung von Krankenhausbehandlung sind in den geeigneten Fällen auch die beiden nächsterreichbaren, für die vorgesehene Krankenhausbehandlung geeigneten Krankenhäuser anzugeben. Das Verzeichnis nach § 39 Abs. 3 ist zu berücksichtigen.

(5) Der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt und die ermächtigte Einrichtung sollen bei der Verordnung von Arzneimitteln die Preisvergleichsliste nach § 92 Abs. 2 beachten. Sie können auf dem Verordnungsblatt oder in dem elektronischen Verordnungsdatensatz ausschließen, dass die Apotheken ein preisgünstigeres wirkstoffgleiches Arzneimittel anstelle des verordneten Mittels abgeben. Verordnet der Arzt ein Arzneimittel, dessen Preis den Festbetrag nach § 35 überschreitet, hat der Arzt den Versicherten über die sich aus seiner Verordnung ergebende Pflicht zur Übernahme der Mehrkosten hinzuweisen.

(6) Zur kassenärztlichen Versorgung gehören Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten nicht, wenn sie im Rahmen der Krankenhausbehandlung oder der stationären Entbindung durchgeführt werden, es sei denn, die ärztlichen Leistungen werden von einem Belegarzt erbracht.

(7) Es ist Vertragsärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Versicherten oder für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. § 128 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(8) Zur Sicherung der wirtschaftlichen Verordnungsweise haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen sowie die Krankenkassen und ihre Verbände die Vertragsärzte auch vergleichend über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen und Bezugsquellen, einschließlich der jeweiligen Preise und Entgelte zu informieren sowie nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Hinweise zu Indikation und therapeutischen Nutzen zu geben. Die Informationen und Hinweise für die Verordnung von Arznei-, Verband- und Heilmitteln erfolgen insbesondere auf der Grundlage der Hinweise nach § 92 Abs. 2 Satz 3, der Rahmenvorgaben nach § 84 Abs. 7 Satz 1 und der getroffenen Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 1. In den Informationen und Hinweisen sind Handelsbezeichnung, Indikationen und Preise sowie weitere für die Verordnung von Arzneimitteln bedeutsame Angaben insbesondere auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 in einer Weise anzugeben, die unmittelbar einen Vergleich ermöglichen; dafür können Arzneimittel ausgewählt werden, die einen maßgeblichen Anteil an der Versorgung der Versicherten im Indikationsgebiet haben. Die Kosten der Arzneimittel je Tagesdosis sind nach den Angaben der anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikation anzugeben. Es gilt die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrage des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebene Klassifikation in der jeweils gültigen Fassung. Die Übersicht ist für einen Stichtag zu erstellen und in geeigneten Zeitabständen, im Regelfall jährlich, zu aktualisieren.

(9) Vertragsärzte dürfen für die Verordnung von Arzneimitteln, von Verbandmitteln, von digitalen Gesundheitsanwendungen und von Produkten, die gemäß den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können, nur solche elektronischen Programme nutzen, die mindestens folgende Inhalte mit dem jeweils aktuellen Stand enthalten:

1.
die Informationen nach Absatz 8 Satz 2 und 3,
2.
die Informationen über das Vorliegen von Rabattverträgen nach § 130a Absatz 8,
3.
die Informationen nach § 131 Absatz 4 Satz 2,
4.
die zur Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans nach § 31a und des elektronischen Medikationsplans nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 notwendigen Funktionen und Informationen,
5.
die Informationen nach § 35a Absatz 3a Satz 1 und
6.
ab dem 1. Oktober 2023 das Schulungsmaterial nach § 34 Absatz 1f Satz 2 des Arzneimittelgesetzes und die Informationen nach § 34 Absatz 1h Satz 3 des Arzneimittelgesetzes, auch in Verbindung mit § 39 Absatz 2e des Arzneimittelgesetzes oder § 39d Absatz 6 des Arzneimittelgesetzes
und die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere insbesondere zu den Mindestanforderungen der Informationen nach Satz 1 Nummer 5 zu regeln. Es kann in der Rechtsverordnung auch das Nähere zu den weiteren Anforderungen nach Satz 1 regeln. Es kann dabei Vorgaben zur Abbildung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Regelungen zur Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen Therapiemöglichkeiten machen. Es kann auch Vorgaben zu semantischen und technischen Voraussetzungen zur Interoperabilität machen. Weitere Einzelheiten sind in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 zu vereinbaren. Die Vereinbarungen in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 sind innerhalb von drei Monaten nach dem erstmaligen Inkrafttreten der Rechtsverordnung nach den Sätzen 2 bis 4 sowie nach dem jeweiligen Inkrafttreten einer Änderung der Rechtsverordnung anzupassen. Sie sind davon unabhängig in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen. Auf die Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen nach § 33a findet Satz 1 vor dem 1. Januar 2023 keine Anwendung.

(10) Für die Verordnung von Heilmitteln dürfen Vertragsärzte ab dem 1. Januar 2017 nur solche elektronischen Programme nutzen, die die Informationen der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in Verbindung mit § 92 Absatz 6 und über besondere Verordnungsbedarfe nach § 106b Absatz 2 Satz 4 sowie die sich aus den Verträgen nach § 125a ergebenden Besonderheiten enthalten und die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind. Das Nähere ist in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 zu vereinbaren.

(11) Stellt ein Vertragsarzt bei einem Versicherten eine Diagnose nach § 125a und die Indikation für ein Heilmittel, sind Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten vom Heilmittelerbringer festzulegen. In medizinisch begründeten Fällen kann der Vertragsarzt auch bei Vorliegen einer Diagnose nach § 125a selbst über die Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten entscheiden; in diesem Fall sind auf die Verordnung die Regelungen der Verträge nach § 125 Absatz 1 anzuwenden. Die Vertragsärzte sollen zum Beginn des auf den rechtskräftigen Abschluss des Vertrages nach § 125a folgenden Quartals, frühestens jedoch nach sechs Wochen, nach den Regelungen dieses Absatzes verordnen.

(1) Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler dürfen Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an

1.
andere pharmazeutische Unternehmer und Großhändler,
2.
Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich handelt um
a)
aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen mit Ausnahme von Gerinnungsfaktorenzubereitungen,
b)
Gewebezubereitungen oder tierisches Gewebe,
c)
Infusionslösungen in Behältnissen mit mindestens 500 ml, die zum Ersatz oder zur Korrektur von Körperflüssigkeit bestimmt sind, sowie Lösungen zur Hämodialyse und Peritonealdialyse, die, soweit es sich um Lösungen zur Peritonealdialyse handelt, auf Verschreibung des nephrologisch qualifizierten Arztes im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung seiner Dialysepatienten an diese abgegeben werden dürfen,
d)
Zubereitungen, die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen,
e)
medizinische Gase, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist,
f)
radioaktive Arzneimittel,
g)
Arzneimittel, die mit dem Hinweis "Zur klinischen Prüfung bestimmt" versehen sind, sofern sie kostenlos zur Verfügung gestellt werden,
h)
Blutegel und Fliegenlarven, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist, oder
i)
Arzneimittel, die im Falle des § 21 Absatz 2 Nummer 3 zur Verfügung gestellt werden,
3.
Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte, soweit es sich um Impfstoffe handelt, die dazu bestimmt sind, bei einer unentgeltlichen auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) durchgeführten Schutzimpfung angewendet zu werden oder soweit eine Abgabe von Impfstoffen zur Abwendung einer Seuchen- oder Lebensgefahr erforderlich ist,
3a.
spezielle Gelbfieber-Impfstellen gemäß § 7 des Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005), soweit es sich um Gelbfieberimpfstoff handelt,
3b.
Krankenhäuser und Gesundheitsämter, soweit es sich um Arzneimittel mit antibakterieller oder antiviraler Wirkung handelt, die dazu bestimmt sind, auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes zur spezifischen Prophylaxe gegen übertragbare Krankheiten angewendet zu werden,
3c.
Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen im Einzelfall benannte Stellen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für den Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, bevorratet werden,
4.
Veterinärbehörden, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die zur Durchführung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen bestimmt sind,
5.
auf gesetzlicher Grundlage eingerichtete oder im Benehmen mit dem Bundesministerium von der zuständigen Behörde anerkannte zentrale Beschaffungsstellen für Arzneimittel,
5a.
durch Landesrecht bestimmte Betreiber der Luftrettung, soweit es sich um aus menschlichem Blut gewonnene Erythrozytenkonzentrate handelt,
6.
Tierärzte im Rahmen des Betriebes einer tierärztlichen Hausapotheke, soweit es sich um Fertigarzneimittel handelt, zur Anwendung an den von ihnen behandelten Tieren und zur Abgabe an deren Halter,
7.
zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigte Personen, soweit es sich um Fertigarzneimittel, die ausschließlich in der Zahnheilkunde verwendet und bei der Behandlung am Patienten angewendet werden, oder um medizinische Gase handelt,
8.
Einrichtungen von Forschung und Wissenschaft, denen eine Erlaubnis nach § 3 des Betäubungsmittelgesetzes erteilt worden ist, die zum Erwerb des betreffenden Arzneimittels berechtigt,
9.
Hochschulen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung der Studierenden der Pharmazie und der Veterinärmedizin benötigt werden,
10.
staatlich anerkannte Lehranstalten für pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten, sofern es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung benötigt werden.

(2) Die in Absatz 1 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Empfänger dürfen die Arzneimittel nur für den eigenen Bedarf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben beziehen. Die in Absatz 1 Nr. 5 bezeichneten zentralen Beschaffungsstellen dürfen nur anerkannt werden, wenn nachgewiesen wird, dass sie unter fachlicher Leitung eines Apothekers stehen und geeignete Räume und Einrichtungen zur Prüfung, Kontrolle und Lagerung der Arzneimittel vorhanden sind.

(3) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels abgeben oder abgeben lassen an

1.
Ärzte oder Zahnärzte,
2.
andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde beim Menschen berufsmäßig ausüben, soweit es sich nicht um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt,
3.
Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe.
Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe nur in einem dem Zweck der Ausbildung angemessenen Umfang abgeben oder abgeben lassen. Muster dürfen keine Stoffe oder Zubereitungen
1.
im Sinne des § 2 des Betäubungsmittelgesetzes, die als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind, oder
2.
die nach § 48 Absatz 2 Satz 3 nur auf Sonderrezept verschrieben werden dürfen,
enthalten.

(4) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Personen nach Absatz 3 Satz 1 nur auf jeweilige schriftliche oder elektronische Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen. Mit den Mustern ist die Fachinformation, soweit diese nach § 11a vorgeschrieben ist, zu übersenden. Das Muster dient insbesondere der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels. Über die Empfänger von Mustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe von Mustern sind gesondert für jeden Empfänger Nachweise zu führen und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.

(1) Arzneimittel, die nicht durch die Vorschriften des § 44 oder der nach § 45 Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, dürfen außer in den Fällen des § 47 berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden; das Nähere regelt das Apothekengesetz. Außerhalb der Apotheken darf außer in den Fällen des § 47 Abs. 1 mit den nach Satz 1 den Apotheken vorbehaltenen Arzneimitteln kein Handel getrieben werden. Die Angaben über die Ausstellung oder Änderung einer Erlaubnis zum Versand von Arzneimitteln nach Satz 1 sind in die Datenbank nach § 67a einzugeben.

(2) Die nach Absatz 1 Satz 1 den Apotheken vorbehaltenen Arzneimittel dürfen von juristischen Personen, nicht rechtsfähigen Vereinen und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts an ihre Mitglieder nicht abgegeben werden, es sei denn, dass es sich bei den Mitgliedern um Apotheken oder um die in § 47 Abs. 1 genannten Personen und Einrichtungen handelt und die Abgabe unter den dort bezeichneten Voraussetzungen erfolgt.

(3) Auf Verschreibung dürfen Arzneimittel nur von Apotheken abgegeben werden.

(3a) Abweichend von den Absätzen 1 bis 3 dürfen ärztliche Einrichtungen, die auf die Behandlung von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie spezialisiert sind, in ihren Räumlichkeiten einen Vorrat an Arzneimitteln zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie für den unvorhersehbaren und dringenden Bedarf (Notfallvorrat) bereithalten. Im Rahmen der Notfallversorgung darf ein hämostaseologisch qualifizierter Arzt Arzneimittel aus dem Notfallvorrat nach Satz 1 an Patienten oder Einrichtungen der Krankenversorgung abgeben.

(4) (weggefallen)

(5) (weggefallen)

(6) (weggefallen)

(1) Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler dürfen Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an

1.
andere pharmazeutische Unternehmer und Großhändler,
2.
Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich handelt um
a)
aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen mit Ausnahme von Gerinnungsfaktorenzubereitungen,
b)
Gewebezubereitungen oder tierisches Gewebe,
c)
Infusionslösungen in Behältnissen mit mindestens 500 ml, die zum Ersatz oder zur Korrektur von Körperflüssigkeit bestimmt sind, sowie Lösungen zur Hämodialyse und Peritonealdialyse, die, soweit es sich um Lösungen zur Peritonealdialyse handelt, auf Verschreibung des nephrologisch qualifizierten Arztes im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung seiner Dialysepatienten an diese abgegeben werden dürfen,
d)
Zubereitungen, die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen,
e)
medizinische Gase, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist,
f)
radioaktive Arzneimittel,
g)
Arzneimittel, die mit dem Hinweis "Zur klinischen Prüfung bestimmt" versehen sind, sofern sie kostenlos zur Verfügung gestellt werden,
h)
Blutegel und Fliegenlarven, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist, oder
i)
Arzneimittel, die im Falle des § 21 Absatz 2 Nummer 3 zur Verfügung gestellt werden,
3.
Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte, soweit es sich um Impfstoffe handelt, die dazu bestimmt sind, bei einer unentgeltlichen auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) durchgeführten Schutzimpfung angewendet zu werden oder soweit eine Abgabe von Impfstoffen zur Abwendung einer Seuchen- oder Lebensgefahr erforderlich ist,
3a.
spezielle Gelbfieber-Impfstellen gemäß § 7 des Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005), soweit es sich um Gelbfieberimpfstoff handelt,
3b.
Krankenhäuser und Gesundheitsämter, soweit es sich um Arzneimittel mit antibakterieller oder antiviraler Wirkung handelt, die dazu bestimmt sind, auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes zur spezifischen Prophylaxe gegen übertragbare Krankheiten angewendet zu werden,
3c.
Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen im Einzelfall benannte Stellen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für den Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, bevorratet werden,
4.
Veterinärbehörden, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die zur Durchführung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen bestimmt sind,
5.
auf gesetzlicher Grundlage eingerichtete oder im Benehmen mit dem Bundesministerium von der zuständigen Behörde anerkannte zentrale Beschaffungsstellen für Arzneimittel,
5a.
durch Landesrecht bestimmte Betreiber der Luftrettung, soweit es sich um aus menschlichem Blut gewonnene Erythrozytenkonzentrate handelt,
6.
Tierärzte im Rahmen des Betriebes einer tierärztlichen Hausapotheke, soweit es sich um Fertigarzneimittel handelt, zur Anwendung an den von ihnen behandelten Tieren und zur Abgabe an deren Halter,
7.
zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigte Personen, soweit es sich um Fertigarzneimittel, die ausschließlich in der Zahnheilkunde verwendet und bei der Behandlung am Patienten angewendet werden, oder um medizinische Gase handelt,
8.
Einrichtungen von Forschung und Wissenschaft, denen eine Erlaubnis nach § 3 des Betäubungsmittelgesetzes erteilt worden ist, die zum Erwerb des betreffenden Arzneimittels berechtigt,
9.
Hochschulen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung der Studierenden der Pharmazie und der Veterinärmedizin benötigt werden,
10.
staatlich anerkannte Lehranstalten für pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten, sofern es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung benötigt werden.

(2) Die in Absatz 1 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Empfänger dürfen die Arzneimittel nur für den eigenen Bedarf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben beziehen. Die in Absatz 1 Nr. 5 bezeichneten zentralen Beschaffungsstellen dürfen nur anerkannt werden, wenn nachgewiesen wird, dass sie unter fachlicher Leitung eines Apothekers stehen und geeignete Räume und Einrichtungen zur Prüfung, Kontrolle und Lagerung der Arzneimittel vorhanden sind.

(3) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels abgeben oder abgeben lassen an

1.
Ärzte oder Zahnärzte,
2.
andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde beim Menschen berufsmäßig ausüben, soweit es sich nicht um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt,
3.
Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe.
Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe nur in einem dem Zweck der Ausbildung angemessenen Umfang abgeben oder abgeben lassen. Muster dürfen keine Stoffe oder Zubereitungen
1.
im Sinne des § 2 des Betäubungsmittelgesetzes, die als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind, oder
2.
die nach § 48 Absatz 2 Satz 3 nur auf Sonderrezept verschrieben werden dürfen,
enthalten.

(4) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Personen nach Absatz 3 Satz 1 nur auf jeweilige schriftliche oder elektronische Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen. Mit den Mustern ist die Fachinformation, soweit diese nach § 11a vorgeschrieben ist, zu übersenden. Das Muster dient insbesondere der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels. Über die Empfänger von Mustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe von Mustern sind gesondert für jeden Empfänger Nachweise zu führen und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.

Es ist der Zweck dieses Gesetzes, im Interesse einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel, nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zu sorgen.

(1) Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler dürfen Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an

1.
andere pharmazeutische Unternehmer und Großhändler,
2.
Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich handelt um
a)
aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen mit Ausnahme von Gerinnungsfaktorenzubereitungen,
b)
Gewebezubereitungen oder tierisches Gewebe,
c)
Infusionslösungen in Behältnissen mit mindestens 500 ml, die zum Ersatz oder zur Korrektur von Körperflüssigkeit bestimmt sind, sowie Lösungen zur Hämodialyse und Peritonealdialyse, die, soweit es sich um Lösungen zur Peritonealdialyse handelt, auf Verschreibung des nephrologisch qualifizierten Arztes im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung seiner Dialysepatienten an diese abgegeben werden dürfen,
d)
Zubereitungen, die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen,
e)
medizinische Gase, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist,
f)
radioaktive Arzneimittel,
g)
Arzneimittel, die mit dem Hinweis "Zur klinischen Prüfung bestimmt" versehen sind, sofern sie kostenlos zur Verfügung gestellt werden,
h)
Blutegel und Fliegenlarven, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist, oder
i)
Arzneimittel, die im Falle des § 21 Absatz 2 Nummer 3 zur Verfügung gestellt werden,
3.
Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte, soweit es sich um Impfstoffe handelt, die dazu bestimmt sind, bei einer unentgeltlichen auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) durchgeführten Schutzimpfung angewendet zu werden oder soweit eine Abgabe von Impfstoffen zur Abwendung einer Seuchen- oder Lebensgefahr erforderlich ist,
3a.
spezielle Gelbfieber-Impfstellen gemäß § 7 des Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005), soweit es sich um Gelbfieberimpfstoff handelt,
3b.
Krankenhäuser und Gesundheitsämter, soweit es sich um Arzneimittel mit antibakterieller oder antiviraler Wirkung handelt, die dazu bestimmt sind, auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes zur spezifischen Prophylaxe gegen übertragbare Krankheiten angewendet zu werden,
3c.
Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen im Einzelfall benannte Stellen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für den Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, bevorratet werden,
4.
Veterinärbehörden, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die zur Durchführung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen bestimmt sind,
5.
auf gesetzlicher Grundlage eingerichtete oder im Benehmen mit dem Bundesministerium von der zuständigen Behörde anerkannte zentrale Beschaffungsstellen für Arzneimittel,
5a.
durch Landesrecht bestimmte Betreiber der Luftrettung, soweit es sich um aus menschlichem Blut gewonnene Erythrozytenkonzentrate handelt,
6.
Tierärzte im Rahmen des Betriebes einer tierärztlichen Hausapotheke, soweit es sich um Fertigarzneimittel handelt, zur Anwendung an den von ihnen behandelten Tieren und zur Abgabe an deren Halter,
7.
zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigte Personen, soweit es sich um Fertigarzneimittel, die ausschließlich in der Zahnheilkunde verwendet und bei der Behandlung am Patienten angewendet werden, oder um medizinische Gase handelt,
8.
Einrichtungen von Forschung und Wissenschaft, denen eine Erlaubnis nach § 3 des Betäubungsmittelgesetzes erteilt worden ist, die zum Erwerb des betreffenden Arzneimittels berechtigt,
9.
Hochschulen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung der Studierenden der Pharmazie und der Veterinärmedizin benötigt werden,
10.
staatlich anerkannte Lehranstalten für pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten, sofern es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung benötigt werden.

(2) Die in Absatz 1 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Empfänger dürfen die Arzneimittel nur für den eigenen Bedarf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben beziehen. Die in Absatz 1 Nr. 5 bezeichneten zentralen Beschaffungsstellen dürfen nur anerkannt werden, wenn nachgewiesen wird, dass sie unter fachlicher Leitung eines Apothekers stehen und geeignete Räume und Einrichtungen zur Prüfung, Kontrolle und Lagerung der Arzneimittel vorhanden sind.

(3) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels abgeben oder abgeben lassen an

1.
Ärzte oder Zahnärzte,
2.
andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde beim Menschen berufsmäßig ausüben, soweit es sich nicht um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt,
3.
Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe.
Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe nur in einem dem Zweck der Ausbildung angemessenen Umfang abgeben oder abgeben lassen. Muster dürfen keine Stoffe oder Zubereitungen
1.
im Sinne des § 2 des Betäubungsmittelgesetzes, die als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind, oder
2.
die nach § 48 Absatz 2 Satz 3 nur auf Sonderrezept verschrieben werden dürfen,
enthalten.

(4) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Personen nach Absatz 3 Satz 1 nur auf jeweilige schriftliche oder elektronische Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen. Mit den Mustern ist die Fachinformation, soweit diese nach § 11a vorgeschrieben ist, zu übersenden. Das Muster dient insbesondere der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels. Über die Empfänger von Mustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe von Mustern sind gesondert für jeden Empfänger Nachweise zu führen und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.

(1) Arzneimittel, die von dem pharmazeutischen Unternehmer ausschließlich zu anderen Zwecken als zur Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden zu dienen bestimmt sind, sind für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben.

(2) Ferner sind für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben:

1.
a)
natürliche Heilwässer sowie deren Salze, auch als Tabletten oder Pastillen,
b)
künstliche Heilwässer sowie deren Salze, auch als Tabletten oder Pastillen, jedoch nur, wenn sie in ihrer Zusammensetzung natürlichen Heilwässern entsprechen,
2.
Heilerde, Bademoore und andere Peloide, Zubereitungen zur Herstellung von Bädern, Seifen zum äußeren Gebrauch,
3.
mit ihren verkehrsüblichen deutschen Namen bezeichnete
a)
Pflanzen und Pflanzenteile, auch zerkleinert,
b)
Mischungen aus ganzen oder geschnittenen Pflanzen oder Pflanzenteilen als Fertigarzneimittel,
c)
Destillate aus Pflanzen und Pflanzenteilen,
d)
Presssäfte aus frischen Pflanzen und Pflanzenteilen, sofern sie ohne Lösungsmittel mit Ausnahme von Wasser hergestellt sind,
4.
Pflaster,
5.
ausschließlich oder überwiegend zum äußeren Gebrauch bestimmte Desinfektionsmittel sowie Mund- und Rachendesinfektionsmittel.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Arzneimittel, die

1.
der Verschreibungspflicht nach § 48 unterliegen oder
2.
durch Rechtsverordnung nach § 46 vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind.

(1) Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler dürfen Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an

1.
andere pharmazeutische Unternehmer und Großhändler,
2.
Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich handelt um
a)
aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen mit Ausnahme von Gerinnungsfaktorenzubereitungen,
b)
Gewebezubereitungen oder tierisches Gewebe,
c)
Infusionslösungen in Behältnissen mit mindestens 500 ml, die zum Ersatz oder zur Korrektur von Körperflüssigkeit bestimmt sind, sowie Lösungen zur Hämodialyse und Peritonealdialyse, die, soweit es sich um Lösungen zur Peritonealdialyse handelt, auf Verschreibung des nephrologisch qualifizierten Arztes im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung seiner Dialysepatienten an diese abgegeben werden dürfen,
d)
Zubereitungen, die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen,
e)
medizinische Gase, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist,
f)
radioaktive Arzneimittel,
g)
Arzneimittel, die mit dem Hinweis "Zur klinischen Prüfung bestimmt" versehen sind, sofern sie kostenlos zur Verfügung gestellt werden,
h)
Blutegel und Fliegenlarven, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist, oder
i)
Arzneimittel, die im Falle des § 21 Absatz 2 Nummer 3 zur Verfügung gestellt werden,
3.
Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte, soweit es sich um Impfstoffe handelt, die dazu bestimmt sind, bei einer unentgeltlichen auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) durchgeführten Schutzimpfung angewendet zu werden oder soweit eine Abgabe von Impfstoffen zur Abwendung einer Seuchen- oder Lebensgefahr erforderlich ist,
3a.
spezielle Gelbfieber-Impfstellen gemäß § 7 des Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005), soweit es sich um Gelbfieberimpfstoff handelt,
3b.
Krankenhäuser und Gesundheitsämter, soweit es sich um Arzneimittel mit antibakterieller oder antiviraler Wirkung handelt, die dazu bestimmt sind, auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes zur spezifischen Prophylaxe gegen übertragbare Krankheiten angewendet zu werden,
3c.
Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen im Einzelfall benannte Stellen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für den Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, bevorratet werden,
4.
Veterinärbehörden, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die zur Durchführung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen bestimmt sind,
5.
auf gesetzlicher Grundlage eingerichtete oder im Benehmen mit dem Bundesministerium von der zuständigen Behörde anerkannte zentrale Beschaffungsstellen für Arzneimittel,
5a.
durch Landesrecht bestimmte Betreiber der Luftrettung, soweit es sich um aus menschlichem Blut gewonnene Erythrozytenkonzentrate handelt,
6.
Tierärzte im Rahmen des Betriebes einer tierärztlichen Hausapotheke, soweit es sich um Fertigarzneimittel handelt, zur Anwendung an den von ihnen behandelten Tieren und zur Abgabe an deren Halter,
7.
zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigte Personen, soweit es sich um Fertigarzneimittel, die ausschließlich in der Zahnheilkunde verwendet und bei der Behandlung am Patienten angewendet werden, oder um medizinische Gase handelt,
8.
Einrichtungen von Forschung und Wissenschaft, denen eine Erlaubnis nach § 3 des Betäubungsmittelgesetzes erteilt worden ist, die zum Erwerb des betreffenden Arzneimittels berechtigt,
9.
Hochschulen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung der Studierenden der Pharmazie und der Veterinärmedizin benötigt werden,
10.
staatlich anerkannte Lehranstalten für pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten, sofern es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung benötigt werden.

(2) Die in Absatz 1 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Empfänger dürfen die Arzneimittel nur für den eigenen Bedarf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben beziehen. Die in Absatz 1 Nr. 5 bezeichneten zentralen Beschaffungsstellen dürfen nur anerkannt werden, wenn nachgewiesen wird, dass sie unter fachlicher Leitung eines Apothekers stehen und geeignete Räume und Einrichtungen zur Prüfung, Kontrolle und Lagerung der Arzneimittel vorhanden sind.

(3) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels abgeben oder abgeben lassen an

1.
Ärzte oder Zahnärzte,
2.
andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde beim Menschen berufsmäßig ausüben, soweit es sich nicht um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt,
3.
Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe.
Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe nur in einem dem Zweck der Ausbildung angemessenen Umfang abgeben oder abgeben lassen. Muster dürfen keine Stoffe oder Zubereitungen
1.
im Sinne des § 2 des Betäubungsmittelgesetzes, die als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind, oder
2.
die nach § 48 Absatz 2 Satz 3 nur auf Sonderrezept verschrieben werden dürfen,
enthalten.

(4) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Personen nach Absatz 3 Satz 1 nur auf jeweilige schriftliche oder elektronische Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen. Mit den Mustern ist die Fachinformation, soweit diese nach § 11a vorgeschrieben ist, zu übersenden. Das Muster dient insbesondere der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels. Über die Empfänger von Mustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe von Mustern sind gesondert für jeden Empfänger Nachweise zu führen und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn

1.
diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind,
2.
nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, daß durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist,
3.
die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind,
4.
ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und
5.
sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a erteilt worden ist.

(2) Absatz 1 gilt auch für Inseminationen, die nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden und bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht. Bei anderen Inseminationen ist Absatz 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz und Nr. 5 nicht anzuwenden.

(3) Anspruch auf Sachleistungen nach Absatz 1 besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen. Die Krankenkasse übernimmt 50 vom Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden.

(4) Versicherte haben Anspruch auf Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen oder von Keimzellgewebe sowie auf die dazugehörigen medizinischen Maßnahmen, wenn die Kryokonservierung wegen einer Erkrankung und deren Behandlung mit einer keimzellschädigenden Therapie medizinisch notwendig erscheint, um spätere medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach Absatz 1 vornehmen zu können. Absatz 3 Satz 1 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(5) Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 4.

(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist. Die Partner der Bundesmantelverträge legen für die ambulante Versorgung beispielhaft fest, bei welchen Tätigkeiten Personen nach Satz 2 ärztliche Leistungen erbringen können und welche Anforderungen an die Erbringung zu stellen sind. Der Bundesärztekammer ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(2) Die zahnärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Wählen Versicherte bei Zahnfüllungen eine darüber hinausgehende Versorgung, haben sie die Mehrkosten selbst zu tragen. In diesen Fällen ist von den Kassen die vergleichbare preisgünstigste plastische Füllung als Sachleistung abzurechnen. In Fällen des Satzes 2 ist vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Zahnarzt und dem Versicherten zu treffen. Die Mehrkostenregelung gilt nicht für Fälle, in denen intakte plastische Füllungen ausgetauscht werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben. Dies gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert. Ebenso gehören funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen nicht zur zahnärztlichen Behandlung; sie dürfen von den Krankenkassen auch nicht bezuschußt werden. Das Gleiche gilt für implantologische Leistungen, es sei denn, es liegen seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit wird durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach den §§ 26 und 27 des Psychotherapeutengesetzes und durch Psychotherapeuten nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Psychotherapeutengesetzes (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 durchgeführt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Spätestens nach den probatorischen Sitzungen gemäß § 92 Abs. 6a hat der Psychotherapeut vor Beginn der Behandlung den Konsiliarbericht eines Vertragsarztes zur Abklärung einer somatischen Erkrankung sowie, falls der somatisch abklärende Vertragsarzt dies für erforderlich hält, eines psychiatrisch tätigen Vertragsarztes einzuholen.

(4) (weggefallen)

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre, stationsäquivalente oder tagesstationäre Behandlung durch ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfaßt im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams; die tagesstationäre Behandlung umfasst einen täglich mindestens sechsstündigen Aufenthalt der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus, währenddessen überwiegend ärztliche oder pflegerische Behandlung erbracht wird, ohne Übernachtung im Krankenhaus. Die stationsäquivalente Behandlung und die tagesstationäre Behandlung entsprechen hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung. Zur Krankenhausbehandlung gehört auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten.

(1a) Die Krankenhausbehandlung umfasst ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung. § 11 Absatz 4 Satz 4 gilt. Das Krankenhaus kann mit Leistungserbringern nach § 95 Absatz 1 Satz 1 vereinbaren, dass diese Aufgaben des Entlassmanagements wahrnehmen. § 11 des Apothekengesetzes bleibt unberührt. Der Versicherte hat gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Unterstützung des Entlassmanagements nach Satz 1; soweit Hilfen durch die Pflegeversicherung in Betracht kommen, kooperieren Kranken- und Pflegekassen miteinander. Das Entlassmanagement umfasst alle Leistungen, die für die Versorgung nach Krankenhausbehandlung erforderlich sind, insbesondere die Leistungen nach den §§ 37b, 38, 39c sowie alle dafür erforderlichen Leistungen nach dem Elften Buch. Das Entlassmanagement umfasst auch die Verordnung einer erforderlichen Anschlussversorgung durch Krankenhausbehandlung in einem anderen Krankenhaus. Soweit dies für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist, können die Krankenhäuser Leistungen nach § 33a und die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 und 12 genannten Leistungen verordnen und die Arbeitsunfähigkeit feststellen; hierfür gelten die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung mit der Maßgabe, dass bis zur Verwendung der Arztnummer nach § 293 Absatz 7 Satz 3 Nummer 1 eine im Rahmenvertrag nach Satz 9 erster Halbsatz zu vereinbarende alternative Kennzeichnung zu verwenden ist. Bei der Verordnung von Arzneimitteln können Krankenhäuser eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung verordnen; im Übrigen können die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 genannten Leistungen für die Versorgung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet und die Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden (§ 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7). Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 7 und 12 die weitere Ausgestaltung des Verordnungsrechts nach Satz 7. Die weiteren Einzelheiten zu den Sätzen 1 bis 8, insbesondere zur Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den Krankenkassen, regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft unter Berücksichtigung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in einem Rahmenvertrag. Wird der Rahmenvertrag ganz oder teilweise beendet und kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Rahmenvertrag zustande, entscheidet das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Vor Abschluss des Rahmenvertrages ist der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Entlassmanagement und eine dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Die Information sowie die Einwilligung müssen schriftlich oder elektronisch erfolgen.

(2) Wählen Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus, können ihnen die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden.

(3) Die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkassen und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gemeinsam erstellen unter Mitwirkung der Landeskrankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Verzeichnis der Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in einer Region und passen es der Entwicklung an (Verzeichnis stationärer Leistungen und Entgelte). Dabei sind die Entgelte so zusammenzustellen, daß sie miteinander verglichen werden können. Die Krankenkassen haben darauf hinzuwirken, daß Vertragsärzte und Versicherte das Verzeichnis bei der Verordnung und Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung beachten.

(4) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen vom Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag je Kalendertag an das Krankenhaus. Die innerhalb des Kalenderjahres bereits an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung geleistete Zahlung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches sowie die nach § 40 Abs. 6 Satz 1 geleistete Zahlung sind auf die Zahlung nach Satz 1 anzurechnen.

(5) (weggefallen)

(1) Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs. 2 beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c besteht; dies schließt mobile Rehabilitationsleistungen durch wohnortnahe Einrichtungen ein. Leistungen nach Satz 1 sind auch in stationären Pflegeeinrichtungen nach § 72 Abs. 1 des Elften Buches zu erbringen.

(2) Reicht die Leistung nach Absatz 1 nicht aus, so erbringt die Krankenkasse erforderliche stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 37 Absatz 3 des Neunten Buches zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 besteht. Für pflegende Angehörige erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation unabhängig davon, ob die Leistung nach Absatz 1 ausreicht. Die Krankenkasse kann für pflegende Angehörige diese stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung auch in einer nach § 37 Absatz 3 des Neunten Buches zertifizierten Rehabilitationseinrichtung erbringen, mit der ein Vertrag nach § 111a besteht. Wählt der Versicherte eine andere zertifizierte Einrichtung, so hat er die dadurch entstehenden Mehrkosten zur Hälfte zu tragen; dies gilt nicht für solche Mehrkosten, die im Hinblick auf die Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 8 des Neunten Buches von der Krankenkasse zu übernehmen sind. Die Krankenkasse führt nach Geschlecht differenzierte statistische Erhebungen über Anträge auf Leistungen nach Satz 1 und Absatz 1 sowie deren Erledigung durch. § 39 Absatz 1a gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass bei dem Rahmenvertrag entsprechend § 39 Absatz 1a die für die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation maßgeblichen Verbände auf Bundesebene zu beteiligen sind. Kommt der Rahmenvertrag ganz oder teilweise nicht zustande oder wird der Rahmenvertrag ganz oder teilweise beendet und kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Rahmenvertrag zustande, entscheidet das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a auf Antrag einer Vertragspartei. Abweichend von § 89a Absatz 5 Satz 1 und 4 besteht das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene in diesem Fall aus je zwei Vertretern der Ärzte, der Krankenkassen und der zertifizierten Rehabilitationseinrichtungen sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und einem weiteren unparteiischen Mitglied. Die Vertreter und Stellvertreter der zertifizierten Rehabilitationseinrichtungen werden durch die für die Erbringer von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation maßgeblichen Verbände auf Bundesebene bestellt.

(3) Die Krankenkasse bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts der Leistungsberechtigten nach § 8 des Neunten Buches Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen; die Krankenkasse berücksichtigt bei ihrer Entscheidung die besonderen Belange pflegender Angehöriger. Von der Krankenkasse wird bei einer vertragsärztlich verordneten geriatrischen Rehabilitation nicht überprüft, ob diese medizinisch erforderlich ist, sofern die geriatrische Indikation durch dafür geeignete Abschätzungsinstrumente vertragsärztlich überprüft wurde. Bei der Übermittlung der Verordnung an die Krankenkasse ist die Anwendung der geeigneten Abschätzungsinstrumente nachzuweisen und das Ergebnis der Abschätzung beizufügen. Von der vertragsärztlichen Verordnung anderer Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 darf die Krankenkasse hinsichtlich der medizinischen Erforderlichkeit nur dann abweichen, wenn eine von der Verordnung abweichende gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes vorliegt. Die gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist den Versicherten und mit deren Einwilligung in Textform auch den verordnenden Ärztinnen und Ärzten zur Verfügung zu stellen. Die Krankenkasse teilt den Versicherten und den verordnenden Ärztinnen und Ärzten das Ergebnis ihrer Entscheidung in schriftlicher oder elektronischer Form mit und begründet die Abweichungen von der Verordnung. Mit Einwilligung der Versicherten in Textform übermittelt die Krankenkasse ihre Entscheidung schriftlich oder elektronisch den Angehörigen und Vertrauenspersonen der Versicherten sowie Pflege- und Betreuungseinrichtungen, die die Versicherten versorgen. Vor der Verordnung informieren die Ärztinnen und Ärzte die Versicherten über die Möglichkeit, eine Einwilligung nach Satz 5 zu erteilen, fragen die Versicherten, ob sie in eine Übermittlung der Krankenkassenentscheidung durch die Krankenkasse an die in Satz 7 genannten Personen oder Einrichtungen einwilligen und teilen der Krankenkasse anschließend den Inhalt einer abgegebenen Einwilligung mit. Die Aufgaben der Krankenkasse als Rehabilitationsträger nach dem Neunten Buch bleiben von den Sätzen 1 bis 4 unberührt. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in Richtlinien nach § 92 bis zum 31. Dezember 2021 das Nähere zu Auswahl und Einsatz geeigneter Abschätzungsinstrumente im Sinne des Satzes 2 und zum erforderlichen Nachweis von deren Anwendung nach Satz 3 und legt fest, in welchen Fällen Anschlussrehabilitationen nach Absatz 6 Satz 1 ohne vorherige Überprüfung der Krankenkasse erbracht werden können. Bei einer stationären Rehabilitation haben pflegende Angehörige auch Anspruch auf die Versorgung der Pflegebedürftigen, wenn diese in derselben Einrichtung aufgenommen werden. Sollen die Pflegebedürftigen in einer anderen als in der Einrichtung der pflegenden Angehörigen aufgenommen werden, koordiniert die Krankenkasse mit der Pflegekasse der Pflegebedürftigen deren Versorgung auf Wunsch der pflegenden Angehörigen und mit Einwilligung der Pflegebedürftigen. Leistungen nach Absatz 1 sollen für längstens 20 Behandlungstage, Leistungen nach Absatz 2 für längstens drei Wochen erbracht werden, mit Ausnahme von Leistungen der geriatrischen Rehabilitation, die als ambulante Leistungen nach Absatz 1 in der Regel für 20 Behandlungstage oder als stationäre Leistungen nach Absatz 2 in der Regel für drei Wochen erbracht werden sollen. Eine Verlängerung der Leistungen nach Satz 13 ist möglich, wenn dies aus medizinischen Gründen dringend erforderlich ist. Satz 13 gilt nicht, soweit der Spitzenverband Bund der Krankenkassen nach Anhörung der für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen in Leitlinien Indikationen festgelegt und diesen jeweils eine Regeldauer zugeordnet hat; von dieser Regeldauer kann nur abgewichen werden, wenn dies aus dringenden medizinischen Gründen im Einzelfall erforderlich ist. Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 können für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. § 23 Abs. 7 gilt entsprechend. Die Krankenkasse zahlt der Pflegekasse einen Betrag in Höhe von 3 072 Euro für pflegebedürftige Versicherte, für die innerhalb von sechs Monaten nach Antragstellung keine notwendigen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erbracht worden sind. Satz 18 gilt nicht, wenn die Krankenkasse die fehlende Leistungserbringung nicht zu vertreten hat. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen legt über das Bundesministerium für Gesundheit dem Deutschen Bundestag für das Jahr 2021 bis zum 30. Juni 2022, für das Jahr 2022 bis zum 30. September 2023 und für das Jahr 2023 bis zum 30. September 2024 einen Bericht vor, in dem die Erfahrungen mit der vertragsärztlichen Verordnung von geriatrischen Rehabilitationen wiedergegeben werden.

(4) Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 werden nur erbracht, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften mit Ausnahme der §§ 14, 15a, 17 und 31 des Sechsten Buches solche Leistungen nicht erbracht werden können.

(5) Versicherte, die eine Leistung nach Absatz 1 oder 2 in Anspruch nehmen und das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen je Kalendertag den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag an die Einrichtung. Die Zahlungen sind an die Krankenkasse weiterzuleiten.

(6) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben und eine Leistung nach Absatz 1 oder 2 in Anspruch nehmen, deren unmittelbarer Anschluß an eine Krankenhausbehandlung medizinisch notwendig ist (Anschlußrehabilitation), zahlen den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag für längstens 28 Tage je Kalenderjahr an die Einrichtung; als unmittelbar gilt der Anschluß auch, wenn die Maßnahme innerhalb von 14 Tagen beginnt, es sei denn, die Einhaltung dieser Frist ist aus zwingenden tatsächlichen oder medizinischen Gründen nicht möglich. Die innerhalb des Kalenderjahres bereits an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung geleistete kalendertägliche Zahlung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches sowie die nach § 39 Abs. 4 geleistete Zahlung sind auf die Zahlung nach Satz 1 anzurechnen. Die Zahlungen sind an die Krankenkasse weiterzuleiten.

(7) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen legt unter Beteiligung der Arbeitsgemeinschaft nach § 282 (Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen) Indikationen fest, bei denen für eine medizinisch notwendige Leistung nach Absatz 2 die Zuzahlung nach Absatz 6 Satz 1 Anwendung findet, ohne daß es sich um Anschlußrehabilitation handelt. Vor der Festlegung der Indikationen ist den für die Wahrnehmung der Interessen der stationären Rehabilitation auf Bundesebene maßgebenden Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1) Die Krankenkasse kann neben den Leistungen, die nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 sowie nach §§ 73 und 74 des Neunten Buches als ergänzende Leistungen zu erbringen sind,

1.
solche Leistungen zur Rehabilitation ganz oder teilweise erbringen oder fördern, die unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um das Ziel der Rehabilitation zu erreichen oder zu sichern, aber nicht zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder den Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung gehören,
2.
wirksame und effiziente Patientenschulungsmaßnahmen für chronisch Kranke erbringen; Angehörige und ständige Betreuungspersonen sind einzubeziehen, wenn dies aus medizinischen Gründen erforderlich ist,
wenn zuletzt die Krankenkasse Krankenbehandlung geleistet hat oder leistet.

(2) Die Krankenkasse erbringt aus medizinischen Gründen in unmittelbarem Anschluss an eine Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs. 1 oder stationäre Rehabilitation erforderliche sozialmedizinische Nachsorgemaßnahmen für chronisch kranke oder schwerstkranke Kinder und Jugendliche, die das 14. Lebensjahr, in besonders schwerwiegenden Fällen das 18. Lebensjahr, noch nicht vollendet haben, wenn die Nachsorge wegen der Art, Schwere und Dauer der Erkrankung notwendig ist, um den stationären Aufenthalt zu verkürzen oder die anschließende ambulante ärztliche Behandlung zu sichern. Die Nachsorgemaßnahmen umfassen die im Einzelfall erforderliche Koordinierung der verordneten Leistungen sowie Anleitung und Motivation zu deren Inanspruchnahme. Angehörige und ständige Betreuungspersonen sind einzubeziehen, wenn dies aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt das Nähere zu den Voraussetzungen sowie zu Inhalt und Qualität der Nachsorgemaßnahmen.

(1) Die Krankenkasse übernimmt nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 festgelegt hat. Die Übernahme von Fahrkosten nach Satz 3 und nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 für Fahrten zur ambulanten Behandlung erfolgt nur nach vorheriger Genehmigung durch die Krankenkasse. Für Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung gilt die Genehmigung nach Satz 4 als erteilt, wenn eine der folgenden Voraussetzungen vorliegt:

1.
ein Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“,
2.
eine Einstufung gemäß § 15 des Elften Buches in den Pflegegrad 3, 4 oder 5, bei Einstufung in den Pflegegrad 3 zusätzlich eine dauerhafte Beeinträchtigung der Mobilität, oder
3.
bis zum 31. Dezember 2016 eine Einstufung in die Pflegestufe 2 gemäß § 15 des Elften Buches in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung und seit dem 1. Januar 2017 mindestens eine Einstufung in den Pflegegrad 3.

(2) Die Krankenkasse übernimmt die Fahrkosten in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages je Fahrt übersteigenden Betrages

1.
bei Leistungen, die stationär erbracht werden; dies gilt bei einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus nur, wenn die Verlegung aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich ist, oder bei einer mit Einwilligung der Krankenkasse erfolgten Verlegung in ein wohnortnahes Krankenhaus,
2.
bei Rettungsfahrten zum Krankenhaus auch dann, wenn eine stationäre Behandlung nicht erforderlich ist,
3.
bei anderen Fahrten von Versicherten, die während der Fahrt einer fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtungen eines Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen dies auf Grund ihres Zustandes zu erwarten ist (Krankentransport),
4.
bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie zu einer Behandlung nach § 115a oder § 115b, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung (§ 39) vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist, wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung.
Soweit Fahrten nach Satz 1 von Rettungsdiensten durchgeführt werden, zieht die Krankenkasse die Zuzahlung in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages je Fahrt von dem Versicherten ein.

(3) Als Fahrkosten werden anerkannt

1.
bei Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels der Fahrpreis unter Ausschöpfen von Fahrpreisermäßigungen,
2.
bei Benutzung eines Taxis oder Mietwagens, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel nicht benutzt werden kann, der nach § 133 berechnungsfähige Betrag,
3.
bei Benutzung eines Krankenkraftwagens oder Rettungsfahrzeugs, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel, ein Taxi oder ein Mietwagen nicht benutzt werden kann, der nach § 133 berechnungsfähige Betrag,
4.
bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung, höchstens jedoch die Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach Nummer 1 bis 3 erforderlichen Transportmittels entstanden wären.

(4) Die Kosten des Rücktransports in das Inland werden nicht übernommen. § 18 bleibt unberührt.

(5) Im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden Reisekosten nach § 73 Absatz 1 und 3 des Neunten Buches übernommen. Zu den Reisekosten nach Satz 1 gehören bei pflegenden Angehörigen auch die Reisekosten, die im Zusammenhang mit der Versorgung Pflegebedürftiger nach § 40 Absatz 3 Satz 2 und 3 entstehen. Die Reisekosten von Pflegebedürftigen, die gemäß § 40 Absatz 3 Satz 3 während einer stationären Rehabilitation ihres pflegenden Angehörigen eine Kurzzeitpflege nach § 42 des Elften Buches erhalten, hat die Pflegekasse des Pflegebedürftigen der Krankenkasse des pflegenden Angehörigen zu erstatten.

(1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.

(2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

(1) Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, medizinische Versorgungszentren und Krankenkassen wirken zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zusammen. Soweit sich die Vorschriften dieses Kapitels auf Ärzte beziehen, gelten sie entsprechend für Zahnärzte, Psychotherapeuten und medizinische Versorgungszentren, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Die vertragsärztliche Versorgung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, daß eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden.

(3) Für die knappschaftliche Krankenversicherung gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend, soweit das Verhältnis zu den Ärzten nicht durch die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See nach den örtlichen Verhältnissen geregelt ist.

(4) (weggefallen)

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Regressbescheiden wegen der Verordnung autologer Tumorvakzine (Quartale II und III/1998, I, II und IV/1999).

2

Der Kläger zu 1. betrieb bis zum Quartal III/1999 zusammen mit dem Kläger zu 2. eine Gemeinschaftspraxis, die danach in eine Praxisgemeinschaft umgewandelt wurde. Beide waren bzw sind als Fachärzte für Innere Medizin im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gegen sie bzw gegen die von ihnen geführte Gemeinschaftspraxis ergingen Regressbescheide, weil sie in den Quartalen II und III/1998, I, II und IV/1999 autologe Tumorvakzine verordnet hatten, ohne dass sie dazu berechtigt gewesen seien. Die jeweiligen Patienten waren bzw sind bei den zu 2., 9. bis 11. beigeladenen Krankenkassen (KKn) - bzw bei deren Rechtsvorgängern - versichert.

3

Die Verordnungen betrafen das Therapieverfahren der sogenannten aktiv-spezifischen Immunisierung (ASI) mit autologen Tumorvakzinen (Impfungen mit eigenem Körperzellmaterial) bei Patienten, die an Darmkrebs, Nierenkrebs oder Osteosarkom litten. Die Gewinnung autologer Tumorvakzine wird als sogenanntes Rezepturarzneimittel auf Rezeptblättern verordnet und erfolgt für jeden Patienten individuell aus seinen körpereigenen Tumorzellen. Die Bearbeitung und die Injektion der Zellen führte für die Kläger der damalige Pharmahersteller macropharm GmbH bzw für diese Firma der Arzt Dr. N. durch. Dabei fielen je Verordnung bzw Verordnungsserie ca 15.000 DM an. Das vorliegende Revisionsverfahren betrifft insgesamt zehn solcher Verordnung(sseri)en.

4

Die wegen dieser Verordnungen ergangenen Regressbescheide bestätigte - unter Zurückweisung der Widersprüche der Kläger - der beklagte Beschwerdeausschuss. Im Verlauf des sozialgerichtlichen Klageverfahrens ersetzte der Beklagte seine Bescheide durch neue Bescheide vom 9.11.2002. Hierin führte er unter Bezugnahme auf § 106 SGB V aus, dass er von einer vorgängigen Beratung habe absehen können, weil die Kläger - bereits seit 1992 bzw 1997 vertragsärztlich tätig - über das Wirtschaftlichkeitsgebot ausreichend informiert gewesen seien. Zur ASI mit autologen Tumorvakzinen habe es keine Anwendungsempfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und KKn (BA - heute Gemeinsamer Bundesausschuss ) gegeben.

5

Der BA beschloss am 10.4.2000 die Zuordnung der ASI zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden (s Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs 1 SGB V mit der Anfügung der Nr 29 in die Anlage B "nicht anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden", BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828).

6

Das von den Klägern angerufene SG hat ihre Klagen abgewiesen (Gerichtsbescheide vom 18.8.2003, vom 26.8.2003, vom 27.8.2003, vom 8.10.2003, vom 29.10.2003, vom 20.11.2003, vom 19.11.2003 und vom 2.12.2003). Mit ihren dagegen gerichteten Berufungen sind die Kläger nur zu einem geringen Teil erfolgreich gewesen. Das LSG, das die Berufungsverfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat mit Urteil vom 27.8.2008 auf die Berufung des Klägers zu 2. den Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 insoweit aufgehoben, als dieser einen Regress wegen der Verordnung im Quartal IV/1999 auch gegen den Kläger zu 2. ausgesprochen hatte (L 3 KA 484/03 - in Juris dokumentiert): Hierzu hat das LSG ausgeführt, die Gemeinschaftspraxis habe nur bis zum Quartal III/1999 bestanden und daher habe der Kläger zu 2. diese Verordnung nicht mehr mitzuverantworten, vielmehr habe der Kläger zu 1. sie allein vorgenommen.

7

Im Übrigen hat das LSG in seinem Urteil vom 27.8.2008 die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Der Bescheid vom 9.11.2002, der alleiniger Gegenstand des Verfahrens sei (§ 96 SGG), sei hinsichtlich des Klägers zu 2. im Übrigen rechtmäßig und hinsichtlich des Klägers zu 1. insgesamt rechtmäßig. Der auf eine Einzelfallprüfung nach § 106 SGB V gestützte Regress sei sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Weder hätte zunächst eine Beratung durchgeführt werden müssen, noch stehe dem Regress eine Überschreitung der Prüfantragsfrist entgegen. Die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Bescheide ergebe sich daraus, dass eine Leistungspflicht der KKn für die ASI nicht bestanden habe. Für diese habe es keine Empfehlung des BA oder des G-BA gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V gegeben. Es habe sich auch nicht um Fälle seltener Krankheiten im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu ausnahmsweise zulässigen sogenannten Einzelimporten gehandelt. Zwar seien die betroffenen Patienten im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG lebensbedrohlich erkrankt; sie hätten an metastasierenden bzw rezidivierenden Karzinomerkrankungen mit infauster Prognose gelitten. Die ASI sei allerdings nur adjuvant zur Lebensverlängerung eingesetzt worden. Es fehle sowohl an Darlegungen zur Nichteignung der allgemein anerkannten medizinischen Standardmaßnahmen als auch an ernsthaften Hinweisen dafür, dass die umstrittene Therapie Aussicht auf positive Einwirkung geboten habe, was erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen Wirkungszusammenhang erfordere. Wirksamkeitsbelege mit Aussagekraft für die hier zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm ergäben sich indessen aus den von den Klägern angeführten Phase-III-Studien nicht. Die von der Firma macropharm selbst veröffentlichte Studie von R. reiche nicht aus, denn sie weise methodische Unzulänglichkeiten auf, wie bereits ein LSG und das BSG ausgeführt hätten. Ferner fehle es an der erforderlichen Dokumentation durch die Kläger. Diese hätten lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen angefertigt, zudem habe die verantwortliche Behandlung jedenfalls in einigen Fällen nach ihren eigenen Berichten nicht bei ihnen gelegen, sondern bei Dr. N. Im Übrigen gebe es Zweifel, ob es sich nicht um ein Massenexperiment gehandelt habe, das als Heilversuch den Anforderungen der Deklaration von Helsinki mit vorheriger Anhörung der Ethik-Kommission und ausdrücklicher Einwilligung der Patienten hätte Rechnung tragen müssen. Schließlich könne zur Rechtfertigung der ASI nicht auf ein sogenanntes Systemversagen wegen verspäteter Entscheidung des BA zurückgegriffen werden. Dies komme allenfalls in Betracht, wenn die Wirksamkeit der Therapie durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken aufgrund einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt gewesen sei. Solche Belege hätten bis 1998/1999 nicht vorgelegen, wie sich daraus ableiten lasse, dass der BA kurze Zeit später (10.4.2000) festgestellt habe, dass es an ausreichenden Wirksamkeitsnachweisen fehle; dies habe auch das BSG in seiner ASI-Entscheidung vom 28.3.2000 so bestätigt. Auch dafür, dass sich die ASI 1998/1999 wenigstens in der medizinischen Praxis durchgesetzt habe, lägen keine ausreichenden Belege vor. Aufgrund der nach alledem zu verneinenden Leistungspflicht der KKn für die ASI könne der bei den KKn entstandene Schaden regressiert werden. Wie sich aus der Rechtsprechung des BSG ergebe, sei weder Raum für den Gesichtspunkt, dass ohne den Einsatz der Tumorvakzine - durch andere Behandlungsmaßnahmen - ebenfalls Kosten entstanden wären (sogenannte Vorteilsausgleichung), noch sei bei Verordnungsregressen, die auf § 106 SGB V gestützt seien, ein etwaiges Fehlen von Verschulden bedeutsam.

8

Der Kläger zu 1. hat allein Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß eine falsche Anwendung des § 106 SGB V in formeller und materieller Hinsicht. Entgegen der Auffassung des LSG sei der Prüfantrag nicht fristgerecht mit hinreichender Begründung gestellt worden. Auch in materieller Hinsicht sei der Regress nicht rechtmäßig. Die Auffassung, er und sein Partner, der Kläger zu 2., hätten die ASI nicht verordnen dürfen, treffe nicht zu. Als zulassungsfreie Rezepturarzneimittel hätten die Tumorvakzine keiner Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) bedurft. Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der BA durch sein Schreiben vom 7.6.1999 die Tumorvakzine vorläufig als verordnungsfähig anerkannt habe. Auch wenn dieses Schreiben nicht die rechtliche Form einer Richtlinie habe, sei es zumindest im Rahmen des Vertrauensschutzes bzw Ermessens bei der Regressentscheidung bis zu der ablehnenden Entscheidung des BA vom 10.4.2000 maßgebend gewesen. Das LSG habe auch die Vorgaben des BVerfG vom 6.12.2005 und des sogenannten Systemversagens fehlerhaft verneint. Die Annahme, die vorliegenden statistischen Wirksamkeitsnachweise seien auf die Vakzine der Firma macropharm nicht übertragbar, leide an Defiziten der Sachverhaltsaufklärung. Soweit das LSG der Auffassung sei, die Vakzine der Firma macropharm unterschieden sich wesentlich von denen, zu denen die Wirksamkeitsnachweise vorgelegen hätten, hätte dem zumindest ein Hinweis an die Kläger vorausgehen müssen, damit klägerseits hätte weiter vorgetragen werden können. Die Ansicht des LSG stehe im Gegensatz zu den Feststellungen des Gerichtsgutachters in dem früheren Verfahren des LSG Niedersachsen und der Studie von Vermorken von 1999. Auch gehe es nicht an, die bei unerklärten Krankheiten geminderten Anforderungen an ein Systemversagen bei Krebserkrankungen mit hohen Erkrankungszahlen außer Anwendung zu lassen. Jedenfalls bei Nieren- und Darmkrebs könne nicht einfach von der Zahl der Erkrankungen auf eine Klärung von Entstehung und Verlauf geschlossen werden. Zu beanstanden sei ferner das Erfordernis, die ASI könne nur dann als verordnungsfähig anerkannt werden, wenn auch eine substantiierte Dokumentation erfolgt sei. Derartige Dokumentationen seien vor 10 Jahren noch nicht üblich gewesen und könnten nicht jetzt nachträglich gefordert werden. In Fällen der vorliegenden Art dürfe nur eine Schlüssigkeit gefordert werden. Dem genügten seine - des Klägers zu 1. - Darlegungen, dass es sich bei den Krebserkrankungen in jedem Einzelfall um unheilbare Erkrankungen gehandelt habe, bei denen die ASI eine nicht fern liegende Aussicht auf Heilung bzw jedenfalls Linderung versprochen habe. Die Anforderung einer Dokumentation passe auch nicht zur Durchführung einer Einzelfallprüfung. Diese gebiete nötigenfalls die Heranziehung der Patienten. Insofern liege ein Mangel der Sachaufklärung vor. Schließlich sei zu beanstanden, dass das LSG das Erfordernis eines Verschuldens und einen Ermessensspielraum der Prüfgremien verneint habe. Dies sei weder mit § 106 Abs 5 SGB V noch mit dem verfassungsrechtlichen Willkür- und Übermaßverbot vereinbar. Die Prüfgremien müssten im Rahmen der von ihnen geforderten wertenden Entscheidung eine Verschuldensprüfung vornehmen oder jedenfalls eine Ermessensentscheidung mit einer Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen und den Auswirkungen auf den betroffenen Arzt treffen. Eine Haftung könne im Falle bösgläubiger Ärzte berechtigt sein, aber nicht bei schuldlos handelnden wie den Klägern, die in nachvollziehbarem Vertrauen subjektiv rechtstreu gehandelt hätten. Ein Regress stelle sich als "maßlose" Haftung des Vertragsarztes dar, die einer Garantiehaftung für ein Verhalten von vor 10 Jahren gleichkomme und zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit weder erforderlich noch verhältnismäßig sei.

9

Der Kläger zu 1. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 und die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Hannover vom 18.8.2003, 26.8.2003, 27.8.2003, 8.10.2003, 29.10.2003 und 19.11.2003 sowie die Bescheide des Beklagten vom 9.11.2002 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Die Beigeladene zu 2. beantragt ebenfalls, wie sie schriftsätzlich ausgeführt hat,

die Revision zurückzuweisen.

12

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1., 2., 6., 9. und 10. verteidigen das Urteil des LSG.

13

Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers zu 1. ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet. Das angefochtene Urteil des LSG lässt keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Der angefochtene Arzneikostenregress ist nicht zu beanstanden.

15

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die neuen Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 9.11.2002, mit denen dieser - seine früheren Bescheide gemäß § 96 SGG ersetzend - die Widersprüche gegen die Regressbescheide des Prüfungsausschusses wegen Verordnung autologer Tumorvakzine im Rahmen von ASI-Behandlungen zurückgewiesen, dh die Regressforderungen des Prüfungsausschusses bestätigt hat(zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids vgl stRspr des BSG, zB BSGE 72, 214, 219 f = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 10 f; BSGE 74, 59, 60 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f). Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide allerdings nur insoweit, als sie sich gegen den Kläger zu 1. gerichtet haben. Der Kläger zu 2. hat das Urteil des LSG nicht angefochten; deshalb sind die Bescheide, soweit sie gegen ihn gerichtet worden sind, bestandskräftig.

16

Da nur noch der Kläger zu 1. das Verfahren im Revisionsverfahren weiter betreibt, stellt sich hier nicht die Frage, ob die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis im Rubrum als Gemeinschaftspraxis zu führen sind. Die Befugnis des Klägers zu 1., sowohl die Revision als auch die zugrunde liegende Anfechtungsklage allein zu führen, ist nicht zweifelhaft. Er ist persönlich haftender Schuldner für Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis, die sich zB im Falle rechtswidrigen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens von Praxispartnern ergeben (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21 f; BSG SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 15; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17 mwN; - zum fiktiven Fortbestehen der Gemeinschaftspraxis für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten s § 730 Abs 2 Satz 1 BGB und BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 14; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17). Als Gesellschafter muss er für solche Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis auch in eigener Person einstehen (s zB Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 714 RdNr 10 ff mwN; vgl auch zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22). Er kann Forderungen, die gegenüber der Gemeinschaftspraxis geltend gemacht werden, wahlweise zusammen mit seinen Praxispartnern gemeinschaftlich abwehren, oder er kann sie - sowohl wenn sie nur gegenüber der Gemeinschaftspraxis als auch wenn sie auch ihm selbst gegenüber geltend gemacht werden - allein abwehren (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; vgl auch BSG, MedR 2004, 172). Aus der Befugnis, eigenständig zu handeln, folgt zugleich, dass der Mitgesamtschuldner weder als sogenannter notwendiger Streitgenosse einbezogen noch notwendig beigeladen werden muss (so auch BSGE aaO mwN). Die eigenständige Anfechtungsbefugnis und Aktivlegitimation steht dem Kläger zu 1. nicht nur gegenüber denjenigen Regressforderungen zu, die die Verordnungen in den Quartalen II und III/1998 sowie I und II/1999 betreffen, sondern ohnehin auch gegenüber der Regressforderung für die Verordnung(sserie) im Quartal IV/1999, als die Gemeinschaftspraxis bereits aufgelöst war.

17

2. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266, die in den Jahren 1998 und 1999 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (aaO Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Diese Prüfvereinbarungen (PrüfVen) ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen. Diese waren auch in § 9 Abs 3, § 12 Abs 6 ff der hier einschlägigen PrüfV vorgesehen(vgl zur Nicht-Revisibilität der Feststellung und Auslegung von Landesrecht § 162 SGG, dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14 mwN). Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und die Wahl dieser Prüfmethode daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14).

18

3. Die durchgeführten Einzelfallprüfungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Weder die vom Kläger erhobenen formellen Rügen (nachfolgend a) noch seine materiellen Beanstandungen (unten b) greifen durch.

19

a) Der Senat folgt nicht der Ansicht des Klägers zu 1., das Prüf- und Regressverfahren hätte hinsichtlich derjenigen Quartale, für welche die Prüfanträge erst nach Ablauf der in der PrüfV normierten Frist gestellt worden seien, nicht durchgeführt werden dürfen. Zwar galt nach § 12 Abs 6 PrüfV(hier zugrunde zu legen in der Fassung vom 24.6.1996) eine Frist von zwölf Monaten nach Quartalsende; innerhalb dieser Frist konnten die KKn die Prüfung der Verordnungsweise nach Einzelfällen beantragen. Aus einer Versäumung dieser Frist kann aber nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden.

20

Der Senat hat bereits früher dargelegt, dass solche Fristen nicht zum Schutz des Arztes im Sinne eines Ausschlusses der Verfahrensdurchführung normiert sind, sondern dass sie - auch im Interesse des Arztes - der Verfahrensbeschleunigung dienen, also dem Interesse an effektiver Verfahrensdurchführung (s insbesondere BSG USK 9596 S 526; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159 f zur Zulässigkeit späterer Antragsnachholung). Wird der Antrag zu spät gestellt, so ist damit dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung nicht Rechnung getragen. Daraus aber ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt abzuleiten, liefe der Zielrichtung der Regelungen und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise zuwider.

21

Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regressverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (zu dieser Frist allgemein zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12 ff; BSG MedR 2008, 100, 101 f RdNr 16 ff; vgl jetzt § 106 Abs 2 Satz 7 Halbs 2 SGB V zur Frist von zwei Jahren für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina). Von dieser Ausschlussfrist und ihrer Funktion unterscheidet sich die Zwölf-Monate-Frist für die Stellung des Prüfantrags mit ihrer Ausrichtung auf Beschleunigung. Würde aus deren Versäumung ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden, so würde ihr die Funktion beigemessen, die allein der Vier-Jahres-Frist zukommt.

22

Hat mithin die Nichteinhaltung der Zwölf-Monats-Frist nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt es vorliegend nicht darauf an, ob diese Frist in einem der Regressfälle überschritten wurde. Im Übrigen beginnt sie gemäß § 12 Abs 6 PrüfV jeweils erst ab Quartalsende. Daher wurde sie vorliegend auch ohnehin nur in wenigen Fällen - und jeweils auch nur um wenige Tage - überschritten (Eingang der KK-Anträge für das Quartal II/1998 erst am 12.7.1999 - Fall 2 - und am 20.7.1999 - Fall 1 - und für das Quartal II/1999 erst am 3.7.2000 - Fall 6 -; zu diesen Feststellungen s LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 - L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 4 bis 9 iVm 37).

23

Soweit der Kläger zu 1. der Ansicht ist, entsprechend dem Grundsatz "Beratung vor Regress" hätte kein Regress, sondern nur eine Beratung erfolgen dürfen, trifft das nicht zu. Für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise ist eine vorgängige Beratung gemäß § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V dann nicht erforderlich, wenn dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines sogenannten offensichtlichen Missverhältnisses anzulasten ist(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 mit Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 296; SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 19; BSG MedR 2004, 577, 578 f). Noch weniger ist eine vorgängige Beratung dann geboten, wenn nicht Unwirtschaftlichkeiten durch einen zu hohen Aufwand, sondern einzelne Fälle gänzlich unzulässiger Verordnungen in Frage stehen, wenn also dem Arzt das Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, ein unzulässiger Off-Label-Use, eine Verordnung entgegen einem Verordnungsausschluss durch die Arzneimittel-Richtlinie (AMRL) oder die Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V angelastet wird, also in Fällen, in denen ein sogenannter Basismangel vorliegt(vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 am Ende; - zu solchen Verordnungsregressfällen vgl Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, , jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 53 ff, 56 ff, 71 ff). Dementsprechend ist in der hier einschlägigen PrüfV ausdrücklich geregelt, dass im Falle von Verordnungen unter Verstoß gegen die Arznei-, Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien Regressfestsetzungen keine vorherige Beratung voraussetzen (§ 12 Abs 10 iVm Abs 12 PrüfV). Die dem gleichwertige Konstellation des Vorwurfs der Unvereinbarkeit von Verordnungen mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V ist hier gegeben.

24

b) Die vom Kläger zu 1. angefochtenen Verordnungsregresse sind inhaltlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der ASI bestand weder eine Leistungspflicht der KKn noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.

25

Der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln besteht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur nach Maßgabe des § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 31 Abs 1 SGB V. Aus den dabei mit heranzuziehenden § 2 Abs 1 Satz 3 und § 12 Abs 1 SGB V folgt, dass im Rahmen der GKV nur solche Verordnungen zulässig sind, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, bieten(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 17 mwN).

26

aa) Für die Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hält die Rechtsordnung zwei Verfahren bereit, zum einen für Arzneimittel die Überprüfung im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung - durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach §§ 21 ff AMG oder durch die Europäische Arzneimittel-Agentur nach Europäischem Verordnungs- und Richtlinienrecht -, und zum anderen für Behandlungs- und Untersuchungsmethoden die Überprüfung durch den BA - bzw heute G-BA - gemäß § 135 Abs 1 SGB V. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müssen grundsätzlich anhand zuverlässiger wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen aufgrund der Beurteilung einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt sein; dafür ist in beiden vorgenannten Verfahren die Überprüfung durch Auswertung sogenannter randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien vorgesehen.

27

Soweit diese Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, wie es bei Arzneimitteln die Regel ist, bereits im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfolgt, wird eine etwaige zusätzliche Prüfung nach § 135 Abs 1 SGB V als entbehrlich angesehen(vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 19 mwN zur Rspr und zum Streitstand). Bei Arzneimitteln folgt somit im Regelfall aus der Verkehrsfähigkeit zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV (vgl zu diesem Zusammenhang BSG SozR aaO und MedR aaO, jeweils RdNr 19)

28

bb) Von diesen Grundsätzen sind bei Arzneimitteltherapien allerdings Ausnahmen anerkannt. In den Fällen, in denen die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit nach dem AMG ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erlangt werden kann, fehlt die Grundlage dafür, um von der Verkehrsfähigkeit gemäß dem AMG auf die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV schließen zu können.

29

In diesem Sinne hat das BSG zu Fällen aus der ersten Zeit nach der Neuordnung des deutschen Arzneimittelrechts Ende der 70er Jahre ausgesprochen, dass die damalige sogenannte fiktive Zulassung, die übergangsrechtlich bis zur fundierten Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gewährt wurde, nicht für die Annahme der Verordnungsfähigkeit ausreicht (BSG - 1. Senat - BSGE 95, 132 RdNr 18 ff = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 ff; BSG - 1. Senat - BSGE 82, 233, 235 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 17 ff; BSG - 6. Senat - SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 21 ff).

30

Dem ist vergleichbar, wenn - wie vorliegend - ein Arzneimittel ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit deshalb nach dem AMG verkehrsfähig ist, weil es sich um ein sogenanntes Rezepturarzneimittel handelt. Bei Rezepturarzneimitteln, dh solchen, die nicht wie Fertigarzneimittel im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (§ 4 Abs 1 AMG), reicht für die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit eine Herstellungserlaubnis aus (vgl §§ 13 bis 15 iVm § 43 Abs 2 Halbs 2 iVm § 47 AMG); ein Zulassungsverfahren mit Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien ist arzneimittelrechtlich nicht vorgesehen (vgl dazu BSGE 86, 54, 60 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 65 f). Bei solchen Arzneimitteln fehlt es mithin an der fundierten Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, sodass sie zwar verkehrsfähig gemäß dem AMG sind, aber ohne dass daraus abgeleitet werden könnte, dass sie auch verordnungsfähig sind.

31

cc) Anders wiederum liegt der Fall, wenn das Arzneimittel, das arzneimittelrechtlich keiner Zulassung bedarf, so eingesetzt wird, dass darin zugleich eine auf einem bestimmten theoretisch-wissenschaftlichen Konzept fußende Vorgehensweise der Krankenbehandlung liegt (sogenannte Pharmakotherapie - zur Definition s zB BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f; zum Methodenbegriff vgl ferner zB BSG - 6. Senat - zB BSGE 84, 247, 249 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 11 S 50 f; BSG SozR 3-5533 Nr 2449 Nr 2 S 9 f; ebenso BSG - 1. Senat - zB BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 14 mwN). Dann liegt eine Behandlungsmethode vor, deren Einsatz im Rahmen der GKV gemäß § 135 Abs 1 SGB V eine positive Empfehlung durch den BA bzw G-BA erfordert. In solchen Fällen ist zwar arzneimittelrechtlich keine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vorgesehen; da aber eine Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V vorliegt, ist das Arzneimittel bzw die dieses einschließende Behandlungsmethode im Verfahren gemäß § 135 Abs 1 SGB V zu überprüfen(BSGE 86, 54, 58, 59 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63, 65; vgl auch zB BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12 S 55 f). Falls die in diesem Verfahren stattfindende Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien zu einer positiven Empfehlung des BA bzw G-BA führt, ist das Arzneimittel dann auch verordnungsfähig. Kommt es demgegenüber zur Zuordnung zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden, so darf eine Therapie mit diesem Arzneimittel nicht erfolgen; dieses ist nicht verordnungsfähig.

32

Differenziert sind die Fälle zu beurteilen, in denen das Arzneimittel im Rahmen einer Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V eingesetzt werden soll, aber - wie im vorliegenden Fall - im Behandlungszeitpunkt die nach dieser Bestimmung notwendige Überprüfung durch den BA bzw G-BA noch nicht zu einem Ergebnis geführt hat(zur Maßgeblichkeit des Behandlungszeitpunkts s zB BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 69 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 12 ff; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 15 f). Dann ist zu prüfen, ob die Vorenthaltung des Einsatzes in der GKV noch gerechtfertigt ist, ob nämlich die Dauer des Verfahrens noch rechtens ist oder ob die Durchführung des Verfahrens aus sachfremden Gründen verzögert wurde; in letzterem Fall ist weiter zu prüfen, ob die Behandlungsmethode als dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechend bewertet werden kann und deshalb ungeachtet des Noch-Nicht-Vorliegens einer positiven Empfehlung für die GKV freigegeben werden kann (BSGE 86, 54, 60 ff, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66 ff, 69 ff; BSGE 94, 221 RdNr 23 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 24). Bei der ersatzweise gerichtlicherseits vorzunehmenden Bewertung sind die Belege zu würdigen, die im Behandlungszeitpunkt für eine Wirksamkeit sprechen konnten. Dabei sind für eine Wirksamkeitsanerkennung grundsätzlich wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken zu fordern. Im Falle von Krankheiten allerdings, bei denen Entstehung und Verlauf ungeklärt sind, sodass Therapien nur bei Symptomen ansetzen können, und daher die Forderung von Wirksamkeitsbelegen den Anspruch auf umfassende Krankenbehandlung gemäß § 27 Abs 1 SGB V und die damit korrespondierende Behandlungspflicht des Vertragsarztes unmöglich machen würde(vgl zu diesem Ansatz BSGE 86, 54, 60 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66), reicht es ersatzweise aus, wenn sich die in Anspruch genommene Therapie in der medizinischen Praxis und/oder in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat (BSG aaO S 62 bzw S 67 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 37; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 25 ff, 29) bzw - in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen - eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung bzw auf eine positive Einwirkung auf den weiteren Krankheitsverlauf gegeben ist (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33).

33

Auch in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen sind aber weitere einschränkende Voraussetzungen zu beachten. Zwar ergeben sich aus der Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33 f) und dem von diesem herangezogenen Sozialstaatsprinzip sowie aus der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates einerseits Abschwächungen zugunsten der Versicherten (vgl hierzu BVerfGE aaO S 41 ff, 44 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 17 ff, 24 ff; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 24 ff). Andererseits besteht aber auch eine Schutzpflicht in der Weise, dass der Staat den Versicherten davor zu bewahren hat, mit zweifelhaften Therapien behandelt zu werden. Dem dient das Erfordernis fundierter Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Dies darf nicht durch eine vermeintlich großzügige Gestattung der Versorgung mit Arzneimitteln unterlaufen und umgangen werden (vgl BSG aaO RdNr 25 iVm 35). Dementsprechend darf eine Pharmakotherapie, bei der eine fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel nicht stattgefunden hat, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur eingesetzt werden, wenn der Wirksamkeitszusammenhang, der dieser Arzneimitteltherapie zugeschrieben wird, wenigstens in gewissem Umfang belegt werden kann. Fehlen höherwertige Studien, so können als Beleg auch Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Berichte von Expertenkomitees, Konsensuskonferenzen und Einzelfallberichte in Betracht kommen (vgl Nr 8.2 unter III der NUB-RL; vgl ebenso BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40 am Ende). Insgesamt müssen - auch bei lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen - erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen jedenfalls individuellen Wirkungszusammenhang vorliegen (BSG aaO RdNr 47). Dabei kommt auch der fachlichen Einschätzung durch den behandelnden Arzt Bedeutung zu (vgl BVerfGE aaO S 50 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5, RdNr 35 am Ende und BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende).

34

dd) Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf die vorliegend zu beurteilenden Verordnungen ergibt sich, dass die vom Kläger zu 1. durchgeführten ASI-Verfahren in der GKV nicht zulässig waren. Die autologen Tumorvakzine wurden im Rahmen einer gemäß § 135 Abs 1 SGB V anerkennungsbedürftigen Behandlungsmethode verordnet, wie das BSG bereits in seiner früheren Entscheidung vom 28.3.2000 ausgeführt hat (BSGE 86, 54, 57 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 62). In dem Zeitpunkt, als der Kläger zu 1. bzw die Gemeinschaftspraxis die Verordnungen vornahm (1998/1999), war das Verfahren der ASI gemäß § 135 Abs 1 SGB V noch beim BA anhängig (dieser gab erst am 10.4.2000 eine - negative - Empfehlung ab, s BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828), sodass also der Fall fehlender Entscheidung des BA bzw G-BA gemäß § 135 Abs 1 SGB V vorlag.

35

Zu der Frage, ob das Verfahren beim BA im Sinne der in RdNr 32 angesprochenen ersten Voraussetzung zu lange dauerte, braucht vorliegend nicht Stellung genommen zu werden. Denn es fehlen jedenfalls die weiteren Voraussetzungen für eine Akzeptanz der Anwendung dieser Therapiemethode: Ausgehend davon, dass die betroffenen Patienten hier an lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen litten (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 17 betreffend Darmkrebs), bedürfte es wenigstens ausreichender Belege im Sinne erheblicher ernsthafter Hinweise auf einen individuellen Wirkungszusammenhang (s oben RdNr 33 am Ende). Daran fehlt es.

36

Nach den Feststellungen im Berufungsurteil (L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 45) gab es zwar Phase-III-Studien, diesen konnte aber keine Aussagekraft für die vom Kläger zu 1. verordneten Tumorvakzine der Firma macropharm entnommen werden. Denn die Tumorvakzine unterschieden sich nach den vorinstanzlichen Feststellungen schon in der Herstellungsweise der verschiedenen Herstellerfirmen. Diese hatten unterschiedliche Anwendungs- und Verarbeitungsmethoden. Zudem erfolgte die Herstellung jeweils speziell für den jeweiligen Versicherten, sodass sie auch untereinander verschieden waren und individueller Beurteilung bedurften (vgl LSG aaO RdNr 44). Tauglich könnte insoweit lediglich die von der Firma macropharm veröffentlichte Studie von R. sein; diese wies aber nach den Feststellungen im Berufungsurteil (aaO RdNr 45) und auch nach der Wertung des BSG in seinem früheren Urteil (BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70) methodische Unzulänglichkeiten auf.

37

Auch hatte sich die ASI mit autologen Tumorvakzinen nicht etwa schon in der medizinischen Praxis durchgesetzt. Diese Behauptung hat das Berufungsgericht als nicht ausreichend belegt bezeichnet (LSG aaO RdNr 48 bis 51). Die dazu vom Kläger zu 1. erhobene Verfahrensrüge, das LSG habe insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, greift nicht durch. Die Rüge unzureichender Aufklärung des LSG erfordert im Falle eines Klägers, der bereits dort anwaltlich vertreten gewesen ist, die Darlegung, dass sich dem LSG auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen (vgl zB BVerwGE 131, 186, 189 RdNr 13; s auch zB BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 24 bis 26). In der Revisionsbegründung wird indessen nicht aufgezeigt, aufgrund welcher konkreten Darlegungen des Klägers zu 1. im LSG-Verfahren sich dem LSG weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Mit seinen Ausführungen, entgegen der Auffassung des LSG hätten die vorliegenden Phase-III-Studien durchaus Aussagekraft für die von ihm zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm, setzt der Kläger zu 1. dem LSG lediglich seine gegenteilige Ansicht entgegen. Er müsste aber konkrete Ansatzpunkte für Möglichkeiten des LSG zu weitergehender Aufklärung benennen und darlegen, dass er auf diese schon im LSG-Verfahren hingewiesen habe. Dies ist der Revisionsbegründung so nicht zu entnehmen.

38

Zu diesem Fragenkomplex hat es keines Hinweises des LSG bedurft - wie der Kläger zu 1. geltend macht -. Denn dieser Streitpunkt lag schon während des gesamten Verfahrens zu Tage (s dazu auch schon BSGE 86, 54, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70 ff). Zudem hat bei ihm, da er bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertreten gewesen ist, vorausgesetzt werden können, dass er die Anforderungen kennt, die erfüllt sein müssen, damit das Gericht Anlass zu weiterer Aufklärung hat.

39

Bei den hier betroffenen Behandlungsfällen fehlt zudem eine weitere Voraussetzung, die für die Anerkennung ärztlich sachgerechten Vorgehens erforderlich wäre: Für die ausnahmsweise Zulässigkeit von Verordnungen zweifelhafter Art muss eine ausreichend substantiierte fachliche Einschätzung durch den verordnenden Arzt selbst erkennbar sein (vgl hierzu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende und 50); dafür ist auch eine entsprechende therapiebegleitende Kontrolle und Dokumentation durch den behandelnden Arzt erforderlich (vgl dazu BSG aaO RdNr 50 f; s auch BSG SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8). Indessen lag nach den Feststellungen im Urteil des LSG die Behandlung vor allem in den Händen des Dr. N., der im Auftrag der Firma macropharm die autologen Tumorvakzine herstellte und bearbeitete sowie die ASI bei den Patienten im Wesentlichen durchführte (LSG aaO RdNr 46). Wie im Urteil des LSG festgestellt ist, fertigten der Kläger zu 1. bzw der Partner der damaligen Gemeinschaftspraxis lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen an (LSG aaO RdNr 46).

40

Diese Feststellungen des LSG sind nach alledem tragfähig. Dem LSG fallen keine Verfahrensmängel zur Last. Abgesehen davon, dass die erhobenen Aufklärungsrügen nicht durchgreifen, sind auch keine Verstöße gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ersichtlich. Insbesondere liegen keine ausreichenden Umstände für die Annahme einer unzulässigen Überraschungsentscheidung vor. Dass das LSG, ohne dass dies voraussehbar gewesen wäre, strengere Anforderungen gestellt hätte als die bisherige BSG-Rechtsprechung, kann bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nicht anerkannt werden (vgl zB zu vorgenannten Dokumentationsanforderungen: BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 50 f). Der Kläger zu 1. hat das auch nicht in ausreichend substantiierter Weise geltend gemacht.

41

ee) Waren mithin die autologen Tumorvakzine nicht verordnungsfähig, so war Unwirtschaftlichkeit gegeben (zu dieser Gleichsetzung s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 25 mwN). Bei unwirtschaftlicher Verordnungsweise ist die Festsetzung eines Regresses grundsätzlich berechtigt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt vorliegend nicht in Betracht.

42

(1) Ohne Erfolg ist der Einwand des Klägers, ihm könne kein Verschulden oder höchstens vermindertes Verschulden angelastet werden und deshalb sei entweder ein Regress ganz ausgeschlossen oder dieser müsse jedenfalls erheblich herabgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG setzen Honorarkürzungen oder Verordnungsregresse gemäß § 106 SGB V kein Verschulden des Vertragsarztes voraus(zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 28 mwN, im Anschluss an BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 18; BSG MedR 2004, 577, 578) .

43

Bei Verordnungsregressen der hier vorliegenden Art ist auch kein Raum für eine Ermessensausübung. Bei Regressen, denen unzulässige Verordnungen zugrunde liegen, wie dies beim Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, bei einem unzulässigen Off-Label-Use, bei Verordnung entgegen einem AMRL-Verordnungsausschluss oder bei Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V der Fall ist, kann eine Unwirtschaftlichkeit nur bejaht oder verneint werden(sogenannter Basismangel, vgl oben RdNr 23, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29). Mit dem Regress lediglich einen Teil der Unwirtschaftlichkeit abzuschöpfen, kann nur in anders gelagerten Fällen in Betracht kommen, zB im Rahmen eines Regresses aufgrund einer sogenannten Durchschnittsprüfung bei insgesamt deutlich höherem Verordnungsvolumen als im Durchschnitt der Arztgruppe und/oder bei einer Anfängerpraxis, evtl auch bei der Belassung von Restüberschreitungen (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30 am Ende; vgl weiterhin BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29 mit Hinweis auf die Fallgruppe "Anfängerpraxis", hierzu s zB Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 145-147 mwN). Bei Rezepturarzneimitteln, die nicht von Apotheken bezogen werden, ist im Übrigen nicht einmal Raum für einen Abzug von Apothekenrabatt und/oder Patienteneigenanteilen (vgl hierzu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 269 mwN; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 32; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 33). Dementsprechend ist in solchen Fällen die Höhe des Regresses dahingehend vorgezeichnet, dass vom Arzt Ersatz der vollen Kosten zu fordern ist. Raum für eine Regressermäßigung aufgrund einer Ermessensentscheidung besteht nicht.

44

(2) Zu Unrecht beruft sich der Kläger weiterhin darauf, dass er jedenfalls vor dem Hintergrund des Schreibens des BA vom 7.6.1999 auf die Zulässigkeit der ASI habe vertrauen dürfen. Ein Vertrauen könnte insoweit ohnehin allenfalls für diejenigen Verordnungen in Betracht gezogen werden, die der Kläger zu 1. nach Bekanntwerden des BA-Schreibens tätigte (also für seine Verordnungen im Quartal IV/1999). Indessen begründet das Schreiben bereits von seinem Inhalt her keinen Vertrauensschutz. Denn der BA hat ausdrücklich mitgeteilt, dass der Behandlungsansatz (die Verordnung autologer Tumorvakzine) "bisher ohne abschließendes Ergebnis" von dem dem BA zuarbeitenden Arbeitsausschuss bearbeitet worden sei und dass daher "eine verbindliche Auskunft … zum jetzigen Zeitpunkt nicht gemacht" werden könne. Da das Schreiben somit schon aufgrund seines "offenen Inhalts" für eine Vertrauensbegründung nicht ausreichen kann, bedarf es keiner Erörterung, ob der vom Kläger zu 1. geltend gemachten rechtlichen Bedeutung auch entgegensteht, dass das Schreiben des BA nicht an ihn selbst gerichtet war und dass es nicht die dem BA durch § 135 Abs 1 SGB V vorgegebene Handlungsform "Richtlinie" aufwies. Ist das Schreiben des BA vom 7.6.1999 mithin für den vorliegenden Fall rechtlich irrelevant, so fehlt der vom Kläger zu 1. erhobenen Verfahrensrüge, das LSG hätte es nicht ausreichend berücksichtigt, die Grundlage.

45

Ein Vertrauenstatbestand kann auch nicht darauf gestützt werden, dass in der Regel aus der arzneirechtlichen Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels dessen Verordnungsfähigkeit folgt. Denn dies betrifft nur den Regelfall von Fertigarzneimitteln, für deren Verkehrsfähigkeit das Zulassungsverfahren mit fundierter Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchlaufen werden muss, während hier der besondere Fall eines Rezepturarzneimittels zu beurteilen ist. Dass insoweit keine Überprüfung nach dem AMG und typischerweise auch keine dem nahekommende Überprüfung stattgefunden hat, kann bei Ärzten als bekannt vorausgesetzt werden (zur ärztlichen Sachkunde vgl BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 24 mit Hinweis auf zB BSGE 96, 1= SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 34). Von daher bedürfte es besonderer Umstände, um annehmen zu können, der Arzt habe auf die Verordnungsfähigkeit vertrauen dürfen. Hierfür fehlt es an den ausreichenden Anhaltspunkten. Den vom Kläger zu 1. angeführten Gerichtsentscheidungen stehen gegenläufige Entscheidungen gegenüber, in denen die Verordnungsfähigkeit autologer Tumorvakzine verneint wurde (s die Angaben im Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 S 4; vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 30).

46

(3) Ohne Erfolg wendet der Kläger zu 1. ferner ein, er habe sich in schwierigen Konfliktsituationen bei lebensbedrohlichen Erkrankungen dafür entschieden, eine Behandlung durchzuführen, die immerhin von manchen Medizinern und Gerichten gebilligt worden sei, und deshalb sei unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) ein Regress ausgeschlossen. Dabei ist schon zweifelhaft, inwieweit nach der vom Beklagten und von den Vorinstanzen vorgenommenen umfänglichen Prüfung überhaupt noch Raum für eine Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sein kann. Selbst wenn hierfür Raum wäre, könnte dies nicht zu einem Erfolg für den Kläger zu 1. führen. Denn mit den autologen Tumorvakzinen sind Arzneimittel betroffen, bei denen sich Zweifel an der Verordnungsfähigkeit aufdrängen mussten: Eine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in einem Zulassungsverfahren hatte - da Rezepturarzneimittel - erkennbar nicht stattgefunden, eine Empfehlung des BA gab es nicht, und die Studienlage konnte nicht ohne Weiteres als tragfähig angesehen werden (vgl oben RdNr 34 ff). Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits - und daher offenzulassen - ist die Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen ein Arzt, der von einem pharmazeutischen Hersteller zur Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel veranlasst bzw verleitet wird und Regress an die vertragsärztlichen Institutionen leisten muss, Rückgriff gegen den Hersteller nehmen kann.

47

Im Rahmen von Regressen in der GKV ist auch kein Raum für die Berücksichtigung des Gesichtspunktes, dass bei Nicht-Durchführung dieser Arzneimitteltherapie Kosten für andere Behandlungsarten angefallen wären - sogenannte Vorteilsausgleichung - (vgl BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-2500 § 115b Nr 2 RdNr 21).

48

c) Dem Regress stehen schließlich auch keine Grundrechtspositionen des Klägers zu 1. entgegen. Insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 Abs 1 GG nicht verletzt. Dieses Grundrecht unterliegt - ebenso wie Art 14 Abs 1 GG - einem Gesetzesvorbehalt, darf also durch Gesetz eingeschränkt werden. Das ist durch die vorliegend einschlägigen Bestimmungen der §§ 106, 135 Abs 1 SGB V geschehen. Die Anwendung dieser Regelungen belastet den Kläger zu 1. nicht unverhältnismäßig (vgl oben RdNr 46).

49

4. Nach alledem ist nicht nur der Hauptantrag des Klägers zu 1. auf Bescheidaufhebung zurückzuweisen, sondern ebenso der Hilfsantrag: Für die hilfsweise begehrte Zurückverweisung der Sache an das LSG ist kein Raum, denn der gegenüber dem Kläger zu 1. ausgesprochene Regress hat sich im Revisionsverfahren gemäß vorstehenden Ausführungen abschließend als rechtmäßig erwiesen.

50

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden - im Hinblick auf die Klageerhebung vor diesem Stichtag hier noch anwendbaren - Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler dürfen Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an

1.
andere pharmazeutische Unternehmer und Großhändler,
2.
Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich handelt um
a)
aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen mit Ausnahme von Gerinnungsfaktorenzubereitungen,
b)
Gewebezubereitungen oder tierisches Gewebe,
c)
Infusionslösungen in Behältnissen mit mindestens 500 ml, die zum Ersatz oder zur Korrektur von Körperflüssigkeit bestimmt sind, sowie Lösungen zur Hämodialyse und Peritonealdialyse, die, soweit es sich um Lösungen zur Peritonealdialyse handelt, auf Verschreibung des nephrologisch qualifizierten Arztes im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung seiner Dialysepatienten an diese abgegeben werden dürfen,
d)
Zubereitungen, die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen,
e)
medizinische Gase, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist,
f)
radioaktive Arzneimittel,
g)
Arzneimittel, die mit dem Hinweis "Zur klinischen Prüfung bestimmt" versehen sind, sofern sie kostenlos zur Verfügung gestellt werden,
h)
Blutegel und Fliegenlarven, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist, oder
i)
Arzneimittel, die im Falle des § 21 Absatz 2 Nummer 3 zur Verfügung gestellt werden,
3.
Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte, soweit es sich um Impfstoffe handelt, die dazu bestimmt sind, bei einer unentgeltlichen auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) durchgeführten Schutzimpfung angewendet zu werden oder soweit eine Abgabe von Impfstoffen zur Abwendung einer Seuchen- oder Lebensgefahr erforderlich ist,
3a.
spezielle Gelbfieber-Impfstellen gemäß § 7 des Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005), soweit es sich um Gelbfieberimpfstoff handelt,
3b.
Krankenhäuser und Gesundheitsämter, soweit es sich um Arzneimittel mit antibakterieller oder antiviraler Wirkung handelt, die dazu bestimmt sind, auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes zur spezifischen Prophylaxe gegen übertragbare Krankheiten angewendet zu werden,
3c.
Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen im Einzelfall benannte Stellen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für den Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, bevorratet werden,
4.
Veterinärbehörden, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die zur Durchführung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen bestimmt sind,
5.
auf gesetzlicher Grundlage eingerichtete oder im Benehmen mit dem Bundesministerium von der zuständigen Behörde anerkannte zentrale Beschaffungsstellen für Arzneimittel,
5a.
durch Landesrecht bestimmte Betreiber der Luftrettung, soweit es sich um aus menschlichem Blut gewonnene Erythrozytenkonzentrate handelt,
6.
Tierärzte im Rahmen des Betriebes einer tierärztlichen Hausapotheke, soweit es sich um Fertigarzneimittel handelt, zur Anwendung an den von ihnen behandelten Tieren und zur Abgabe an deren Halter,
7.
zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigte Personen, soweit es sich um Fertigarzneimittel, die ausschließlich in der Zahnheilkunde verwendet und bei der Behandlung am Patienten angewendet werden, oder um medizinische Gase handelt,
8.
Einrichtungen von Forschung und Wissenschaft, denen eine Erlaubnis nach § 3 des Betäubungsmittelgesetzes erteilt worden ist, die zum Erwerb des betreffenden Arzneimittels berechtigt,
9.
Hochschulen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung der Studierenden der Pharmazie und der Veterinärmedizin benötigt werden,
10.
staatlich anerkannte Lehranstalten für pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten, sofern es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung benötigt werden.

(2) Die in Absatz 1 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Empfänger dürfen die Arzneimittel nur für den eigenen Bedarf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben beziehen. Die in Absatz 1 Nr. 5 bezeichneten zentralen Beschaffungsstellen dürfen nur anerkannt werden, wenn nachgewiesen wird, dass sie unter fachlicher Leitung eines Apothekers stehen und geeignete Räume und Einrichtungen zur Prüfung, Kontrolle und Lagerung der Arzneimittel vorhanden sind.

(3) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels abgeben oder abgeben lassen an

1.
Ärzte oder Zahnärzte,
2.
andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde beim Menschen berufsmäßig ausüben, soweit es sich nicht um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt,
3.
Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe.
Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe nur in einem dem Zweck der Ausbildung angemessenen Umfang abgeben oder abgeben lassen. Muster dürfen keine Stoffe oder Zubereitungen
1.
im Sinne des § 2 des Betäubungsmittelgesetzes, die als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind, oder
2.
die nach § 48 Absatz 2 Satz 3 nur auf Sonderrezept verschrieben werden dürfen,
enthalten.

(4) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Personen nach Absatz 3 Satz 1 nur auf jeweilige schriftliche oder elektronische Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen. Mit den Mustern ist die Fachinformation, soweit diese nach § 11a vorgeschrieben ist, zu übersenden. Das Muster dient insbesondere der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels. Über die Empfänger von Mustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe von Mustern sind gesondert für jeden Empfänger Nachweise zu führen und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.

(1) Für Arzneimittel, die im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (Fertigarzneimittel) und deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes den Apotheken vorbehalten ist, werden durch diese Verordnung festgelegt

1.
die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken oder Tierärzte (§ 2),
2.
die Preisspannen sowie die Preise für besondere Leistungen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf (§§ 3, 6 und 7),
3.
die Preisspannen der Tierärzte bei der Abgabe im Wiederverkauf an Tierhalter (§ 10).

(2) Für Arzneimittel, die in Apotheken oder von Tierärzten hergestellt werden und deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 und 3 des Arzneimittelgesetzes den Apotheken vorbehalten ist, werden durch diese Verordnung festgelegt

1.
die Preisspannen sowie die Preise für besondere Leistungen der Apotheken (§§ 4 bis 7),
2.
die Preisspannen der Tierärzte (§ 10).

(3) Ausgenommen sind die Preisspannen und Preise der Apotheken, wenn es sich um eine Abgabe handelt

1.
durch Krankenhausapotheken, soweit es sich nicht um die Abgabe von parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur ambulanten Versorgung handelt,
2.
an Krankenhäuser und diesen nach § 14 Absatz 8 Satz 2 des Apothekengesetzes gleichgestellte Einrichtungen sowie an Justizvollzugsanstalten und Jugendarrestanstalten,
3.
an die in § 47 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 10 des Arzneimittelgesetzes genannten Personen und Einrichtungen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen,
3a.
von Impfstoffen, die zur Anwendung bei öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen im Sinne des § 20 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) bestimmt sind und diese Impfstoffe an Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte abgegeben werden, sofern es sich nicht um die Abgabe von saisonalen Grippeimpfstoffen an Ärzte handelt,
4.
von Impfstoffen, die zur Anwendung bei allgemeinen, insbesondere behördlichen oder betrieblichen Grippevorsorgemaßnahmen bestimmt sind,
5.
an Gesundheitsämter für Maßnahmen der Rachitisvorsorge,
6.
von Arzneimitteln, die zur Anwendung bei der Dialyse Nierenkranker bestimmt sind,
7.
von aus Fertigarzneimitteln auf Grund ärztlicher Verordnung entnommenen Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt,
8.
von Fertigarzneimitteln in parenteralen Zubereitungen.
Im Fall von Satz 1 Nummer 1 bleibt § 129a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch unberührt. Im Fall von Satz 1 Nr. 7 können Sozialleistungsträger, private Krankenversicherungen oder deren Verbände das Verfahren für die Berechnung der Apothekenabgabepreise für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel mit Apotheken oder deren Verbänden vereinbaren.

(4) Ausgenommen sind die Preisspannen und Preise von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Abgabe des Arzneimittels "Berinert P" an Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dem Arzneimittelherstellerabschlag des § 130a SGB V unterliegt.

2

Die beklagte Gesellschaft betreibt ein pharmazeutisches Unternehmen; sie produziert und vertreibt das apotheken- und verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel Berinert P. Dieses Arzneimittel ist zur intravenösen Behandlung erblicher Angioödeme bestimmt und wird aus menschlichem Blutplasma gewonnen. In der Zeit von Januar bis Juni 2004 gab der klagende Apotheker das Mittel auf vertragsärztliche Verordnungen hin an Versicherte der beigeladenen Ersatzkasse ab, ohne anschließend seine Rechnungen an die Beigeladene jeweils um den Herstellerabschlag zu vermindern. Die Beigeladene zahlte zunächst den vollen Preis, kam aber später zu der Auffassung, dass für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel außerhalb der Festbetragsregelung, deren Preisgestaltung sich nach der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) richte, generell 16% Herstellerrabatt nach § 130a SGB V anfielen. Sie zog deshalb die nach ihrer Ansicht zu Unrecht nicht abgesetzten Beträge im Rahmen von Retaxierungen von späteren Abrechnungen ab, was der Kläger akzeptierte. Seiner Aufforderung, ihm den Herstellerrabatt zu erstatten, kam die Beklagte nicht nach. Diese vertrat die Ansicht, das Mittel sei als Blutplasmaprodukt ohne einheitlichen Herstellerabgabepreis vom Herstellerrabatt ausgenommen.

3

Das SG hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen, die Retaxierungen für rechtswidrig erachtet und deshalb die Beigeladene verurteilt, an den Kläger 2.805,92 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basisdiskontsatz der Europäischen Zentralbank ab 14.12.2005 zu zahlen (Urteil vom 6.6.2007). Das LSG hat auf die Berufung der Beigeladenen das Urteil des SG geändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.805,92 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basisdiskontsatz der Europäischen Zentralbank ab 11.8.2005 zu zahlen: Der Kläger hätte den Herstellerabschlag von seinen Abrechnungen gegenüber der Beigeladenen absetzen müssen, sodass dieser wegen der Überzahlungen ein aufrechnungsfähiger Erstattungsanspruch zugestanden habe, der zu Recht im Wege der Retaxierung geltend gemacht worden sei. Den Herstellerrabatt habe die Beklagte gegenüber dem Kläger auszugleichen. Berinert P gehöre zu den rabattierungspflichtigen Arzneimitteln. Apothekenpflichtige Fertigarzneimittel unterlägen nur dann nicht dem Preisrecht der AMPreisV, wenn sie an die in § 47 Abs 1 Nr 2a Arzneimittelgesetz (AMG) "genannten Personen und Einrichtungen" und "unter den dort bezeichneten Bedingungen" abgegeben würden. Das sei bei bestimmten Blutprodukten - wie zB Berinert P - nur bei der unmittelbaren Abgabe an Krankenhäuser und Ärzte der Fall. Hier habe dagegen eine Abgabe durch die Apotheke des Klägers an krankenversicherte Patienten auf der Grundlage vertragsärztlicher Verordnungen stattgefunden. Die Pflicht zur Gewährung des Herstellerrabatts hänge nicht davon ab, dass für alle zulässigen Abgabeformen ein einheitlicher Herstellerabgabepreis existiere (Urteil vom 29.1.2009).

4

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 130a SGB V. Seit dem 1.5.2006 regele § 130a Abs 1 Satz 5 SGB V, die bereits zuvor geltende Rechtslage klarstellend, dass der Herstellerrabatt nur für Fertigarzneimittel zu entrichten sei, für die auch die Arzneimittelpreisvorschriften(§ 78 AMG iVm AMPreisV) Anwendung fänden. Das sei bei Blutplasmaprodukten nicht der Fall, weil sie nach § 47 Abs 1 Nr 2a iVm § 43 Abs 3 AMG von der Apothekenpflicht ausgenommen seien. Die AMPreisV stelle nicht auf die konkrete Abgabe im Einzelfall ab, sondern auf die grundsätzliche Möglichkeit verschiedener Abgabewege; sie sei immer dann unanwendbar, wenn nach § 47 Abs 1 Nr 2a AMG - wie hier - allgemein auch eine Abgabe vom Arzneimittelhersteller an Ärzte und Krankenhäuser zugelassen sei. Die Interpretation des LSG widerspreche der Intention des § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V und verletze die Grundrechte betroffener Apotheker aus Art 12 Abs 2 und Art 3 Abs 1 GG. Die Auslegung bewirke, dass pharmazeutische Unternehmer ein Interesse daran hätten, zur Vermeidung des Herstellerrabatts möglichst nur noch direkte Lieferungen an Ärzte und Krankenhäuser vorzunehmen, nicht aber an Apotheken zur Weitergabe an die Versicherten.

5

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29.1.2009 zu ändern und die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 6.6.2007 zurückzuweisen.

6

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

hilfsweise,

das erstinstanzliche Urteil mit der Maßgabe wiederherzustellen, dass Zinsen bereits ab 11.8.2005 zu zahlen sind.

7

Die Beigeladene hält das Urteil des LSG ebenfalls für zutreffend und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

9

Der Klage liegen Retaxierungen durch die Beigeladene zugrunde, die zu Recht ausgesprochen worden sind. Gegen unstreitige Zahlungsansprüche des Klägers aus späteren Arzneimittelabgaben an ihre Versicherten durfte die Beigeladene mit den ihr aus der Zeit von Januar bis Juni 2004 zustehenden Ansprüchen auf Erstattung von Überzahlungen wegen nicht abgezogener Arzneimittelrabatte für das Fertigarzneimittel Berinert P aufrechnen. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Aufrechnungen sind nicht erhoben worden und lassen sich auch aus dem Akteninhalt nicht herleiten. Die Beigeladene hat sich zu Recht darauf gestützt, dass die in der Apotheke des Klägers erfolgte Abgabe von Berinert P an ihre Versicherten dem Arzneimittelherstellerrabatt des § 130a SGB V unterlag. Sie hat deshalb dem Kläger hierfür ohne Rechtsgrund einen Gesamtbetrag von 2.805,92 Euro gezahlt, dessen Erstattung sie aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs verlangen konnte. Diesen Betrag hat nunmehr die Beklagte dem Kläger zu erstatten.

10

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Zahlungsanspruchs ist § 130a Abs 1 Satz 2 und 4 SGB V in der für das Jahr 2004 noch anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der GKV und der gesetzlichen Rentenversicherung (BSSichG) vom 23.12.2002 (BGBl I 4637). Nach § 130a Abs 1 SGB V ist zu unterscheiden zwischen dem Rechtsverhältnis der Apotheken zu den Krankenkassen einerseits und dem Rechtsverhältnis der Apotheken zu den pharmazeutischen Unternehmen als Arzneimittelherstellern andererseits. Danach erhalten die Krankenkassen von Apotheken für seit dem 1.1.2003 zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen prozentualen Abschlag vom "Herstellerabgabepreis" (vgl § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V). Die Krankenkassen realisieren diesen Abschlag dadurch, dass sie die Apotheken-Rechnungen nur in dem um den Rabatt gekürzten Umfang bezahlen oder - wie hier - entsprechende Überzahlungen retaxieren. Im Gegenzug sind die pharmazeutischen Unternehmer verpflichtet, den Abschlag den Apotheken innerhalb von zehn Tagen nach Geltendmachung des Anspruches zu erstatten (vgl § 130a Abs 1 Satz 2 und 4 SGB V; zum Verfahren vgl BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 2 ff). Im Jahr 2004 betrug der Abschlag für verschreibungspflichtige Arzneimittel nach § 130a Abs 1a SGB V (eingeführt durch Art 1 Nr 1 GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003, BGBl I 2190) 16 vH.

11

Nach § 130a SGB V ist allerdings nur für solche Fertigarzneimittel ein Herstellerrabatt zu gewähren, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem AMG oder aufgrund des § 129a SGB V bestimmt sind. Dies ergibt sich seit dem 1.5.2006 ausdrücklich aus § 130a Abs 1 Satz 5 SGB V(eingefügt durch Art 1 Nr 7a Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung - AVWG - vom 26.4.2006, BGBl I 984), galt aber nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen auch bereits zuvor, was sich insbesondere den Gesetzesmaterialien zum AVWG (vgl BT-Drucks 16/691 S 17) entnehmen lässt, die insoweit nur von einer "Klarstellung" der schon bestehenden Rechtslage sprechen (so auch BSGE 101, 161 = SozR 4-2500 § 130a Nr 3 RdNr 15 ff mwN).

12

2. Der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat bereits entschieden, dass im Fall der vertragsärztlich verordneten Abgabe von Berinert P durch einen Apotheker an einen GKV-Versicherten der Krankenkasse ein Herstellerrabatt nach § 130a SGB V einzuräumen ist(Urteil vom 27.10.2009 - B 1 KR 7/09 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). In jener Entscheidung ging es um die - in allen Instanzen erfolglose - Klage eines Apothekers gegen eine Krankenkasse, die den Herstellerrabatt bei der Abgabe von Berinert P - aus Sicht des Apothekers zu Unrecht - für sich in Anspruch genommen hatte. Betroffen war also das in § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V angesprochene Rechtsverhältnis zwischen Apotheker und Krankenkasse ("Primärebene").

13

Dieses Rechtsverhältnis ist im vorliegenden Fall nicht betroffen. Der Kläger hat die Inanspruchnahme des Herstellerrabatts nach § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V durch die Beigeladene akzeptiert. Es geht vielmehr um das Rechtsverhältnis zwischen dem Apotheker, der einer Krankenkasse den Herstellerrabatt eingeräumt hat, und dem pharmazeutischen Unternehmer als Hersteller des Arzneimittels, das von dem Erstattungsanspruch nach § 130a Abs 1 Satz 2 und 4 SGB V erfasst wird ("Sekundärebene"). Der Erstattungsanspruch des Apothekers gegen den Hersteller setzt voraus, dass der Krankenkasse zu Recht der Herstellerrabatt nach § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V gewährt worden ist. Der Hersteller kann dabei zur Abwehr des Erstattungsanspruchs nach § 130a Abs 1 Satz 2 und 4 SGB V alle in Betracht kommenden Einwände tatsächlicher und rechtlicher Art geltend machen, also auch jene Einwände, die sich auf den Anspruch der Krankenkasse gegen den Apotheker auf den Preisabschlag nach § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V beziehen. Dies beruht darauf, dass der Hersteller an dem Abrechnungsverfahren zwischen Apotheker und Krankenkasse nicht selbst beteiligt ist.

14

Der 1. Senat hat in der erwähnten Entscheidung vom 27.10.2009 die gegen den Herstellerrabatt nach § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V gerichtete Klage des Apothekers für unbegründet erachtet: "Die Abgabe von verschreibungs- und apothekenpflichtigen, aus Blutplasma hergestellten Fertigarzneimitteln durch Apotheken an Endverbraucher auf ärztliche Verordnung hin unterliegt dem Arzneimittelherstellerrabatt unabhängig davon, dass es auch andere Vertriebsformen ohne Rabattierungspflicht gibt." Der erkennende 3. Senat teilt diese Auffassung. Der Rechtssatz gilt daher sowohl für den Rabattanspruch der Krankenkasse nach § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V als auch für den Erstattungsanspruch des Apothekers nach § 130a Abs 1 Satz 2 und 4 SGB V.

15

3. Die Abgabe des Fertigarzneimittels Berinert P durch die Apotheke des Klägers an Versicherte der Beigeladenen (als Endverbraucher) in den Monaten Januar bis Juni 2004 unterlag den Preisvorschriften nach dem AMG.

16

a) Nach § 78 Abs 2 Satz 2 AMG ist ein - für den Endverbraucher maßgeblicher - einheitlicher Apothekenabgabepreis für alle Arzneimittel zu gewährleisten, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen und deshalb "apothekenpflichtig" sind (Regelung eingefügt durch Art 1 Nr 44 Viertes Gesetz zur Änderung des AMG vom 11.4.1990, BGBl I 717, mit Wirkung vom 20.4.1990). Die Einzelheiten sind auf der Grundlage des § 78 Abs 1 AMG in der AMPreisV(idF durch Art 2 § 12 Gesetz vom 20.7.2000, BGBl I 1045; hier anzuwenden idF von Art 24 Nr 1 GMG mWv 1.1.2004) geregelt. Die AMPreisV legt zwingend (vgl § 1 Abs 1 Nr 1 und 2 AMPreisV) ua für Fertigarzneimittel, deren Abgabe nach § 43 Abs 1 AMG den Apotheken vorbehalten ist, die "Großhandelszuschläge" (Preisspannen bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken) sowie die "Apothekenzuschläge" (Preisspannen bei der Abgabe im Wiederverkauf) fest(§§ 2 und 3 AMPreisV; vgl auch BSGE 101, 161 = SozR 4-2500 § 130a Nr 3, RdNr 18 ff; BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 3). Eine zusammenfassende Klarstellung der Rechtslage findet sich in § 78 Abs 3 Satz 1 AMG(idF durch Art 30 Nr 5 GKV-WSG; vgl dazu auch den Bericht des Ausschusses für Gesundheit/14. Ausschuss zum Gesetzentwurf eines GKV-WSG ua der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 16/4247 S 65 f). Danach ist ein einheitlicher Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers für alle Arzneimittel zu gewährleisten, soweit für diese verbindliche Preise und Preisspannen durch die AMPreisV bestimmt sind. Aus dem Herstellerabgabepreis sowie den Handelszuschlägen, die von der AMPreisV festlegt werden, ergibt sich für diese Arzneimittel ein einheitlicher, bei der Abgabe an den Endverbraucher verbindlicher Apothekenabgabepreis.

17

b) Berinert P wird von § 1 Abs 1 Nr 2 AMPreisV erfasst, weil es ein apotheken- und verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel ist. Nach § 1 Abs 1 Nr 2 AMPreisV werden ua für Arzneimittel, die im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (Fertigarzneimittel) und deren Abgabe nach § 43 AMG den Apotheken vorbehalten ist, die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken sowie die Preisspannen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf festgelegt. Gemäß § 43 Abs 1 AMG dürfen Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs 1 oder Abs 2 Nr 1 AMG, die nicht durch die Vorschriften des § 44 AMG oder der nach § 45 Abs 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, außer in den Fällen des § 47 AMG berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden; das Nähere regelt das Apothekengesetz. Berinert P ist ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs 1 Nr 1 AMG. Es ist nicht durch die Vorschriften des § 44 AMG oder der nach § 45 Abs 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben. Unschädlich ist, dass Berinert P der Sonderregelung des § 47 AMG unterfällt und deshalb berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nicht nur in Apotheken in den Verkehr gebracht werden darf, sondern auch die direkte Abgabe an Krankenhäuser und Ärzte erlaubt ist(§ 47 Abs 1 Nr 2a AMG).

18

aa) Anders als die Beklagte meint, sieht die Sonderregelung des § 47 AMG keine Ausnahme von der Apothekenpflicht des § 43 AMG vor. Vielmehr knüpft § 47 AMG an die in § 43 AMG geregelte Apothekenpflicht, wie der Einleitungssatz ("Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist …") zeigt, ausdrücklich an und normiert die Befugnis der pharmazeutischen Unternehmer und Großhändler, die apothekenpflichtigen Arzneimittel dennoch an bestimmte Personen und Institutionen außerhalb des Apothekenbereichs abzugeben. Die Sonderregelung des § 47 AMG enthält sowohl nach dem Wortlaut der Vorschrift als auch nach dem Regelungszusammenhang keine Ausnahme von der Apothekenpflicht, sondern ergänzt diese lediglich, indem unter bestimmten Voraussetzungen eine Abgabe bestimmter Arzneimittel an näher beschriebene Personen und Institutionen außerhalb des Apothekenbereichs erlaubt wird, ohne die fortbestehende Apothekenpflicht zu berühren. Empfänger wie zB Krankenhäuser und Ärzte sind den Apotheken insoweit gleichgestellt. Die Abgabewege bzw Abgabeformen nach § 47 AMG stellen also lediglich eine gelockerte Form der Apothekenpflicht dar. Den Gegensatz zur Apothekenpflicht bilden nicht die Möglichkeiten des § 47 AMG zur Direktabgabe zB an Krankenhäuser und Ärzte, sondern alle Regelungen, die eine "freie Verkäuflichkeit" eines Mittels vorsehen, eine Apothekenpflicht also von vornherein ausschließen(vgl §§ 44 und 45 AMG). Die Beklagte bezieht den Begriff der Apothekenpflicht folglich zu Unrecht nur auf die Abgabe eines Arzneimittels für den Endverbrauch in Apotheken nach § 43 AMG. Der Gesetzgeber hat durch die insoweit eindeutige Fassung des § 47 Abs 1 Satz 1 AMG auch die weiteren den Herstellern und Großhändlern zur Verfügung stehenden Abgabeformen nach dieser Vorschrift der Abgabe an Apotheken und damit der "Apothekenpflicht" gleichgestellt.

19

bb) Auf die Gesetzesmaterialien des AVWG zu § 130a Abs 1 Satz 5 SGB V kann die Beklagte sich ebenfalls nicht stützen. Soweit es dort heißt, dass Blutprodukte zu den Arzneimitteln gehören, für die keine Preisbindungen aufgrund von Vorschriften des AMG gelten, sodass für diese kein Herstellerrabatt anfalle (so Ausschuss für Gesundheit <14. Ausschuss> des Deutschen Bundestages, Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucks 16/194 - Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung, BT-Drucks 16/691, S 17 zu Buchst g zu Buchst a<§ 130a Abs 1> am Ende und zu Buchst b<§ 130a Abs 3a und 3b> vorletzterAbsatz), hat der 1. Senat des BSG die Auffassung vertreten, es könnten durchaus Blutprodukte gemeint sein, die zB keine Fertigarzneimittel im Rechtssinne darstellten, aber dennoch dem Herstellerrabatt unterworfen worden seien (Urteil vom 27.10.2009 - B 1 KR 7/09 R -, für SozR vorgesehen, RdNr 18). Dieser Interpretation ist die Beklagte unter Hinweis auf die Vorgeschichte dieser Gesetzesänderung entgegengetreten. Es kann offen bleiben, ob dieser Einwand zutrifft. Selbst wenn der Gesetzgeber der Auffassung gewesen sein sollte, auch ein Blutprodukt wie Berinert P werde nicht von der Herstellerrabattpflicht nach § 130a SGB V erfasst, was durch die Anfügung des Satzes 5 an dessen Absatz 1 klargestellt werden solle, änderte dies nichts an der sich aus den §§ 43, 47, 78 AMG und der AMPreisV ergebenden gegenteiligen Rechtslage. Eine solche Aussage des Ausschusses hat nämlich im gesetzlichen und untergesetzlichen Normtext keinen positiven Niederschlag gefunden, worauf bereits der 1. Senat hingewiesen hat (BSG aaO; RdNr 18). Sollte tatsächlich die Absicht bestanden haben, ein Blutprodukt wie Berinert P aus den Regelungen über den Herstellerrabatt herauszunehmen, hätte der Gesetzgeber mit der Anfügung von § 130a Abs 1 Satz 5 SGB V ein untaugliches rechtliches Mittel gewählt. Denn diese Bestimmung bestätigt nur die ohnehin schon geltende Rechtslage und ändert nichts am oben beschriebenen weiten Begriff der Apothekenpflicht iS der §§ 43 und 47 AMG, der - wie ausgeführt - auch der Ermächtigungsnorm des § 78 AMG für die AMPreisV zugrunde liegt und dazu führt, dass auch die Fälle des § 47 AMG in der AMPreisV zu regeln sind. Dies übersehen alle jene Stimmen, die - offen oder konkludent - die Apothekenpflicht eines Arzneimittels auf § 43 AMG beschränken möchten und die Regelungen der AMPreisV zu den Fällen des § 47 AMG daher nur dann für ermächtigungskonform halten, wenn für alle zulässigen Vertriebsformen die Abrechnung nach einem einheitlichen Herstellerabgabepreis angeordnet wird. Es verstößt nicht gegen die Ermächtigungsgrundlage des § 78 AMG, wenn das Preisbildungssystem der AMPreisV in den Fällen des § 47 AMG nur auf die konkrete Abgabe eines Arzneimittels durch eine Apotheke angewendet wird, weil es sich insoweit um den gleichen Abgabeweg wie in § 43 AMG handelt, und die sonstigen Vertriebswege vom Preisbildungssystem der AMPreisV nicht erfasst werden(vgl § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV), der Herstellerrabatt also nur dann zu leisten ist, wenn der Hersteller das Arzneimittel tatsächlich an eine Apotheke geliefert hat, auch wenn er es ebenso an ein Krankenhaus oder einen Arzt hätte abgeben dürfen.

20

c) Ein Ausnahmefall, bei dem insbesondere wegen des Vertriebswegs das Arzneimittelpreisrecht nicht eingreift, liegt nicht vor. § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV nimmt "die Preisspannen und Preise der Apotheken aus, wenn es sich um eine Abgabe handelt … an die in § 47 Abs 1 Nr 2 bis 7 des Arzneimittelgesetzes genannten Personen und Einrichtungen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen." Um eine derartige, die Preisbindung und die Abführung des Herstellerrabatts ausschließende Abgabeform ging es bei der Abgabe von Berinert P durch die Apotheke des Klägers an die Versicherten der Beigeladenen nicht. Nach § 47 Abs 1 Nr 2a AMG dürfen "pharmazeutische Unternehmer und Großhändler … Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich handelt um aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen oder gentechnologisch hergestellte Blutbestandteile, die, soweit es sich um Gerinnungsfaktorenzubereitungen handelt, von dem hämostaseologisch qualifizierten Arzt im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern an seine Patienten abgegeben werden dürfen". Diese Voraussetzungen waren hier jedoch nicht erfüllt.

21

Zwar ist Berinert P eine Blutzubereitung im Sinne dieser Regelung, jedoch erfolgte die Abgabe durch den Kläger gerade nicht an Krankenhäuser und Ärzte, sondern an bei der Beigeladenen versicherte Patienten auf der Grundlage vertragsärztlicher Verordnungen. Da es also um eine Abgabe ging, für die das Preisbildungssystem des § 1 Abs 1 AMPreisV maßgeblich ist, musste dem in der Weise Rechnung getragen werden, dass bei der Abrechnung mit der Beigeladenen der vom Arzneimittelhersteller bekannt gemachte und in der sog "Lauer-Taxe" ausgewiesene Herstellerabgabepreis zu Grunde zu legen war, über dessen Höhe zwischen den Beteiligten kein Streit besteht (zum Begriff vgl BGH NJW 1986, 1544).

22

d) Es kommt nach § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV ausschließlich auf die tatsächlich erfolgte Abgabe an. Demgemäß ist es unerheblich, dass die Arzneimittel vom Hersteller generell auch an Krankenhäuser und Ärzte in rechtlich zulässiger Weise abgegeben werden "dürfen". Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang sowie aus Sinn und Zweck der einschlägigen Regelungen (zu den Einzelheiten vgl das Urteil des 1. Senats vom 27.10.2009 - B 1 KR 7/09 R -, für SozR vorgesehen, RdNr 21 bis 26; aA Kraft, Deutsche Apotheker Zeitung 2007, 826 f). Die entgegengesetzte Ansicht der Beklagten ist unzutreffend und beruht letztlich darauf, dass die "Apothekenpflicht" von Fertigarzneimitteln sowie die darauf Bezug nehmende Ermächtigungsnorm des § 78 AMG für die AMPreisV auf die Fälle des § 43 AMG beschränkt werden, die Fälle des § 47 AMG also als nicht von der "Apothekenpflicht" erfasst gelten. Dieser enge Begriff der Apothekenpflicht liegt aber - wie ausgeführt - den Regelungen der §§ 43 und 47 AMG nicht zugrunde.

23

e) Die von der Beklagten vertretene Auslegung der §§ 43, 47 und 78 AMG und des § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV würde letztlich auch dem Ziel des Gesetzgebers zuwiderlaufen, das er mit der Rabattierungsregelung in § 130a Abs 1 SGB V und der dabei erfolgten Anknüpfung an das Arzneimittelpreisrecht verfolgte. Durch diese Regelung sollte zu Gunsten der Krankenkassen Einfluss auf die Ausgabenentwicklung und die finanzielle Situation der GKV genommen und insoweit auch den pharmazeutischen Unternehmen zur Stabilisierung des Aufwandes der Krankenkassen für die Arzneimittel ein angemessener Beitrag abverlangt werden (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf des BSSichG, BT-Drucks 15/28, S 1, 11, 12). Eine Ausklammerung von typischen Erwerbsvorgängen, wie sie die Arzneimittelabgabe an Versicherte in einer Apotheke auf vertragsärztliche Verordnung hin darstellt, aus der generell angeordneten Geltung der arzneimittelrechtlichen Preisregelungen ohne ausdrückliche Ausnahmeregelung und ohne erkennbare Gründe für eine solche Ausnahme, ist hiermit unvereinbar (so auch der 1. Senat in seinem Urteil vom 27.10.2009 - B 1 KR 7/09 R -, für SozR vorgesehen, RdNr 26).

24

4. Die von der Beklagten geltend gemachten Grundrechtsverletzungen der Apotheker durch die hier vorgenommene Anwendung des § 130a Abs 1 SGB V iVm § 78 AMG und § 1 Abs 3 AMPreisV liegen schon nicht vor. Deshalb kann die Frage offen bleiben, ob dieser Aspekt von der Beklagten zur Stützung ihrer auf die Rechte und Interessen als pharmazeutischer Unternehmer gestützten Revision überhaupt geltend gemacht werden konnte. Die Verletzung eigener Grundrechte macht die Beklagte nicht geltend; sie ist auch nicht ersichtlich.

25

Das BVerfG hat das BSSichG einschließlich des mit ihm eingeführten § 130a SGB V als mit dem GG vereinbar angesehen(BVerfGE 108, 45 = SozR 4-2500 § 130a Nr 1; BVerfGE 114, 196 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9). Der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die vorgenommene Auslegung des § 130a Abs 1 SGB V unzulässig in die Berufsausübungsfreiheit der Apotheker(Art 12 Abs 1 GG) eingreife und zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung (Art 3 Abs 1 GG) gegenüber den Ärzten und Krankenhäusern führe. Die Annahme, dass pharmazeutische Unternehmen dadurch einen Anreiz erhielten, Apotheken von der Abgabe von Blutzubereitungen so weit wie möglich auszunehmen und stattdessen zwecks Vermeidung von Rabattierungen den direkten Vertriebsweg an Ärzte und Krankenhäuser wählten, mag zwar berechtigt sein, ist aber verfassungsrechtlich unerheblich, weil Apotheken schon nicht in einem direkten Wettbewerbsverhältnis zu diesen anderen Leistungserbringern stehen, sodass von grundrechtsrelevanten Wettbewerbsverfälschungen mit objektiv berufsregelnder Tendenz (vgl dazu zB BVerfGE 105, 252, 273; 105, 279, 303) nicht ausgegangen werden kann. Die Regelungen der §§ 43 und 47 AMG erlauben es dem Hersteller, in allen geeigneten Fällen den Weg der Direktabgabe an Ärzte und Krankenhäuser zu wählen. Dabei muss nur sichergestellt sein, dass die Apotheken ihrem Versorgungsauftrag im Verhältnis zu den Versicherten bei Vorlage entsprechender vertragsärztlicher Verordnungen nachkommen können. Für die Befürchtung, dass dies nicht der Fall sein könnte, gibt es keine Anhaltspunkte. Bloße Erwerbschancen von Apothekern und anderen Leistungserbringern werden durch Art 12 Abs 1 GG nicht geschützt (vgl zB BVerfGE 24, 236, 251; 81, 108, 122; 105, 252, 265; 106, 275, 299; 110, 274, 288; 116, 135, 152; Urteil des 1. Senats vom 27.10.2009 - B 1 KR 709 R - für SozR vorgesehen, RdNr 28) .

26

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 69 Satz 3 SGB V(idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes vom 22.12.1999, BGBl I 2626) iVm §§ 291, 288 Abs 2 BGB. Es ist dabei klarzustellen, dass der im Berufungsurteil zweckerkannte Anspruch auf "5 % Zinsen über dem Basisdiskontsatz der Europäischen Zentralbank" ungenau formuliert worden ist. Gemeint ist - in Anlehnung an die durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl I 3138) eingeführte Regelung des § 247 BGB zum Basiszinssatz - ein Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz(vgl Palandt/Heinrichs, BGB, 69. Aufl 2010, § 288 RdNr 7; Reichenbach MDR 2001, 13).

27

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 154 Abs 1 und Abs 2, § 155 Abs 2 und § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

28

7. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz.

                          

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Regressbescheiden wegen der Verordnung autologer Tumorvakzine (Quartale II und III/1998, I, II und IV/1999).

2

Der Kläger zu 1. betrieb bis zum Quartal III/1999 zusammen mit dem Kläger zu 2. eine Gemeinschaftspraxis, die danach in eine Praxisgemeinschaft umgewandelt wurde. Beide waren bzw sind als Fachärzte für Innere Medizin im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gegen sie bzw gegen die von ihnen geführte Gemeinschaftspraxis ergingen Regressbescheide, weil sie in den Quartalen II und III/1998, I, II und IV/1999 autologe Tumorvakzine verordnet hatten, ohne dass sie dazu berechtigt gewesen seien. Die jeweiligen Patienten waren bzw sind bei den zu 2., 9. bis 11. beigeladenen Krankenkassen (KKn) - bzw bei deren Rechtsvorgängern - versichert.

3

Die Verordnungen betrafen das Therapieverfahren der sogenannten aktiv-spezifischen Immunisierung (ASI) mit autologen Tumorvakzinen (Impfungen mit eigenem Körperzellmaterial) bei Patienten, die an Darmkrebs, Nierenkrebs oder Osteosarkom litten. Die Gewinnung autologer Tumorvakzine wird als sogenanntes Rezepturarzneimittel auf Rezeptblättern verordnet und erfolgt für jeden Patienten individuell aus seinen körpereigenen Tumorzellen. Die Bearbeitung und die Injektion der Zellen führte für die Kläger der damalige Pharmahersteller macropharm GmbH bzw für diese Firma der Arzt Dr. N. durch. Dabei fielen je Verordnung bzw Verordnungsserie ca 15.000 DM an. Das vorliegende Revisionsverfahren betrifft insgesamt zehn solcher Verordnung(sseri)en.

4

Die wegen dieser Verordnungen ergangenen Regressbescheide bestätigte - unter Zurückweisung der Widersprüche der Kläger - der beklagte Beschwerdeausschuss. Im Verlauf des sozialgerichtlichen Klageverfahrens ersetzte der Beklagte seine Bescheide durch neue Bescheide vom 9.11.2002. Hierin führte er unter Bezugnahme auf § 106 SGB V aus, dass er von einer vorgängigen Beratung habe absehen können, weil die Kläger - bereits seit 1992 bzw 1997 vertragsärztlich tätig - über das Wirtschaftlichkeitsgebot ausreichend informiert gewesen seien. Zur ASI mit autologen Tumorvakzinen habe es keine Anwendungsempfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und KKn (BA - heute Gemeinsamer Bundesausschuss ) gegeben.

5

Der BA beschloss am 10.4.2000 die Zuordnung der ASI zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden (s Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs 1 SGB V mit der Anfügung der Nr 29 in die Anlage B "nicht anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden", BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828).

6

Das von den Klägern angerufene SG hat ihre Klagen abgewiesen (Gerichtsbescheide vom 18.8.2003, vom 26.8.2003, vom 27.8.2003, vom 8.10.2003, vom 29.10.2003, vom 20.11.2003, vom 19.11.2003 und vom 2.12.2003). Mit ihren dagegen gerichteten Berufungen sind die Kläger nur zu einem geringen Teil erfolgreich gewesen. Das LSG, das die Berufungsverfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat mit Urteil vom 27.8.2008 auf die Berufung des Klägers zu 2. den Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 insoweit aufgehoben, als dieser einen Regress wegen der Verordnung im Quartal IV/1999 auch gegen den Kläger zu 2. ausgesprochen hatte (L 3 KA 484/03 - in Juris dokumentiert): Hierzu hat das LSG ausgeführt, die Gemeinschaftspraxis habe nur bis zum Quartal III/1999 bestanden und daher habe der Kläger zu 2. diese Verordnung nicht mehr mitzuverantworten, vielmehr habe der Kläger zu 1. sie allein vorgenommen.

7

Im Übrigen hat das LSG in seinem Urteil vom 27.8.2008 die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Der Bescheid vom 9.11.2002, der alleiniger Gegenstand des Verfahrens sei (§ 96 SGG), sei hinsichtlich des Klägers zu 2. im Übrigen rechtmäßig und hinsichtlich des Klägers zu 1. insgesamt rechtmäßig. Der auf eine Einzelfallprüfung nach § 106 SGB V gestützte Regress sei sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Weder hätte zunächst eine Beratung durchgeführt werden müssen, noch stehe dem Regress eine Überschreitung der Prüfantragsfrist entgegen. Die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Bescheide ergebe sich daraus, dass eine Leistungspflicht der KKn für die ASI nicht bestanden habe. Für diese habe es keine Empfehlung des BA oder des G-BA gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V gegeben. Es habe sich auch nicht um Fälle seltener Krankheiten im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu ausnahmsweise zulässigen sogenannten Einzelimporten gehandelt. Zwar seien die betroffenen Patienten im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG lebensbedrohlich erkrankt; sie hätten an metastasierenden bzw rezidivierenden Karzinomerkrankungen mit infauster Prognose gelitten. Die ASI sei allerdings nur adjuvant zur Lebensverlängerung eingesetzt worden. Es fehle sowohl an Darlegungen zur Nichteignung der allgemein anerkannten medizinischen Standardmaßnahmen als auch an ernsthaften Hinweisen dafür, dass die umstrittene Therapie Aussicht auf positive Einwirkung geboten habe, was erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen Wirkungszusammenhang erfordere. Wirksamkeitsbelege mit Aussagekraft für die hier zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm ergäben sich indessen aus den von den Klägern angeführten Phase-III-Studien nicht. Die von der Firma macropharm selbst veröffentlichte Studie von R. reiche nicht aus, denn sie weise methodische Unzulänglichkeiten auf, wie bereits ein LSG und das BSG ausgeführt hätten. Ferner fehle es an der erforderlichen Dokumentation durch die Kläger. Diese hätten lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen angefertigt, zudem habe die verantwortliche Behandlung jedenfalls in einigen Fällen nach ihren eigenen Berichten nicht bei ihnen gelegen, sondern bei Dr. N. Im Übrigen gebe es Zweifel, ob es sich nicht um ein Massenexperiment gehandelt habe, das als Heilversuch den Anforderungen der Deklaration von Helsinki mit vorheriger Anhörung der Ethik-Kommission und ausdrücklicher Einwilligung der Patienten hätte Rechnung tragen müssen. Schließlich könne zur Rechtfertigung der ASI nicht auf ein sogenanntes Systemversagen wegen verspäteter Entscheidung des BA zurückgegriffen werden. Dies komme allenfalls in Betracht, wenn die Wirksamkeit der Therapie durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken aufgrund einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt gewesen sei. Solche Belege hätten bis 1998/1999 nicht vorgelegen, wie sich daraus ableiten lasse, dass der BA kurze Zeit später (10.4.2000) festgestellt habe, dass es an ausreichenden Wirksamkeitsnachweisen fehle; dies habe auch das BSG in seiner ASI-Entscheidung vom 28.3.2000 so bestätigt. Auch dafür, dass sich die ASI 1998/1999 wenigstens in der medizinischen Praxis durchgesetzt habe, lägen keine ausreichenden Belege vor. Aufgrund der nach alledem zu verneinenden Leistungspflicht der KKn für die ASI könne der bei den KKn entstandene Schaden regressiert werden. Wie sich aus der Rechtsprechung des BSG ergebe, sei weder Raum für den Gesichtspunkt, dass ohne den Einsatz der Tumorvakzine - durch andere Behandlungsmaßnahmen - ebenfalls Kosten entstanden wären (sogenannte Vorteilsausgleichung), noch sei bei Verordnungsregressen, die auf § 106 SGB V gestützt seien, ein etwaiges Fehlen von Verschulden bedeutsam.

8

Der Kläger zu 1. hat allein Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß eine falsche Anwendung des § 106 SGB V in formeller und materieller Hinsicht. Entgegen der Auffassung des LSG sei der Prüfantrag nicht fristgerecht mit hinreichender Begründung gestellt worden. Auch in materieller Hinsicht sei der Regress nicht rechtmäßig. Die Auffassung, er und sein Partner, der Kläger zu 2., hätten die ASI nicht verordnen dürfen, treffe nicht zu. Als zulassungsfreie Rezepturarzneimittel hätten die Tumorvakzine keiner Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) bedurft. Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der BA durch sein Schreiben vom 7.6.1999 die Tumorvakzine vorläufig als verordnungsfähig anerkannt habe. Auch wenn dieses Schreiben nicht die rechtliche Form einer Richtlinie habe, sei es zumindest im Rahmen des Vertrauensschutzes bzw Ermessens bei der Regressentscheidung bis zu der ablehnenden Entscheidung des BA vom 10.4.2000 maßgebend gewesen. Das LSG habe auch die Vorgaben des BVerfG vom 6.12.2005 und des sogenannten Systemversagens fehlerhaft verneint. Die Annahme, die vorliegenden statistischen Wirksamkeitsnachweise seien auf die Vakzine der Firma macropharm nicht übertragbar, leide an Defiziten der Sachverhaltsaufklärung. Soweit das LSG der Auffassung sei, die Vakzine der Firma macropharm unterschieden sich wesentlich von denen, zu denen die Wirksamkeitsnachweise vorgelegen hätten, hätte dem zumindest ein Hinweis an die Kläger vorausgehen müssen, damit klägerseits hätte weiter vorgetragen werden können. Die Ansicht des LSG stehe im Gegensatz zu den Feststellungen des Gerichtsgutachters in dem früheren Verfahren des LSG Niedersachsen und der Studie von Vermorken von 1999. Auch gehe es nicht an, die bei unerklärten Krankheiten geminderten Anforderungen an ein Systemversagen bei Krebserkrankungen mit hohen Erkrankungszahlen außer Anwendung zu lassen. Jedenfalls bei Nieren- und Darmkrebs könne nicht einfach von der Zahl der Erkrankungen auf eine Klärung von Entstehung und Verlauf geschlossen werden. Zu beanstanden sei ferner das Erfordernis, die ASI könne nur dann als verordnungsfähig anerkannt werden, wenn auch eine substantiierte Dokumentation erfolgt sei. Derartige Dokumentationen seien vor 10 Jahren noch nicht üblich gewesen und könnten nicht jetzt nachträglich gefordert werden. In Fällen der vorliegenden Art dürfe nur eine Schlüssigkeit gefordert werden. Dem genügten seine - des Klägers zu 1. - Darlegungen, dass es sich bei den Krebserkrankungen in jedem Einzelfall um unheilbare Erkrankungen gehandelt habe, bei denen die ASI eine nicht fern liegende Aussicht auf Heilung bzw jedenfalls Linderung versprochen habe. Die Anforderung einer Dokumentation passe auch nicht zur Durchführung einer Einzelfallprüfung. Diese gebiete nötigenfalls die Heranziehung der Patienten. Insofern liege ein Mangel der Sachaufklärung vor. Schließlich sei zu beanstanden, dass das LSG das Erfordernis eines Verschuldens und einen Ermessensspielraum der Prüfgremien verneint habe. Dies sei weder mit § 106 Abs 5 SGB V noch mit dem verfassungsrechtlichen Willkür- und Übermaßverbot vereinbar. Die Prüfgremien müssten im Rahmen der von ihnen geforderten wertenden Entscheidung eine Verschuldensprüfung vornehmen oder jedenfalls eine Ermessensentscheidung mit einer Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen und den Auswirkungen auf den betroffenen Arzt treffen. Eine Haftung könne im Falle bösgläubiger Ärzte berechtigt sein, aber nicht bei schuldlos handelnden wie den Klägern, die in nachvollziehbarem Vertrauen subjektiv rechtstreu gehandelt hätten. Ein Regress stelle sich als "maßlose" Haftung des Vertragsarztes dar, die einer Garantiehaftung für ein Verhalten von vor 10 Jahren gleichkomme und zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit weder erforderlich noch verhältnismäßig sei.

9

Der Kläger zu 1. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 und die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Hannover vom 18.8.2003, 26.8.2003, 27.8.2003, 8.10.2003, 29.10.2003 und 19.11.2003 sowie die Bescheide des Beklagten vom 9.11.2002 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Die Beigeladene zu 2. beantragt ebenfalls, wie sie schriftsätzlich ausgeführt hat,

die Revision zurückzuweisen.

12

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1., 2., 6., 9. und 10. verteidigen das Urteil des LSG.

13

Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers zu 1. ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet. Das angefochtene Urteil des LSG lässt keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Der angefochtene Arzneikostenregress ist nicht zu beanstanden.

15

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die neuen Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 9.11.2002, mit denen dieser - seine früheren Bescheide gemäß § 96 SGG ersetzend - die Widersprüche gegen die Regressbescheide des Prüfungsausschusses wegen Verordnung autologer Tumorvakzine im Rahmen von ASI-Behandlungen zurückgewiesen, dh die Regressforderungen des Prüfungsausschusses bestätigt hat(zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids vgl stRspr des BSG, zB BSGE 72, 214, 219 f = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 10 f; BSGE 74, 59, 60 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f). Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide allerdings nur insoweit, als sie sich gegen den Kläger zu 1. gerichtet haben. Der Kläger zu 2. hat das Urteil des LSG nicht angefochten; deshalb sind die Bescheide, soweit sie gegen ihn gerichtet worden sind, bestandskräftig.

16

Da nur noch der Kläger zu 1. das Verfahren im Revisionsverfahren weiter betreibt, stellt sich hier nicht die Frage, ob die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis im Rubrum als Gemeinschaftspraxis zu führen sind. Die Befugnis des Klägers zu 1., sowohl die Revision als auch die zugrunde liegende Anfechtungsklage allein zu führen, ist nicht zweifelhaft. Er ist persönlich haftender Schuldner für Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis, die sich zB im Falle rechtswidrigen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens von Praxispartnern ergeben (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21 f; BSG SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 15; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17 mwN; - zum fiktiven Fortbestehen der Gemeinschaftspraxis für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten s § 730 Abs 2 Satz 1 BGB und BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 14; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17). Als Gesellschafter muss er für solche Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis auch in eigener Person einstehen (s zB Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 714 RdNr 10 ff mwN; vgl auch zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22). Er kann Forderungen, die gegenüber der Gemeinschaftspraxis geltend gemacht werden, wahlweise zusammen mit seinen Praxispartnern gemeinschaftlich abwehren, oder er kann sie - sowohl wenn sie nur gegenüber der Gemeinschaftspraxis als auch wenn sie auch ihm selbst gegenüber geltend gemacht werden - allein abwehren (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; vgl auch BSG, MedR 2004, 172). Aus der Befugnis, eigenständig zu handeln, folgt zugleich, dass der Mitgesamtschuldner weder als sogenannter notwendiger Streitgenosse einbezogen noch notwendig beigeladen werden muss (so auch BSGE aaO mwN). Die eigenständige Anfechtungsbefugnis und Aktivlegitimation steht dem Kläger zu 1. nicht nur gegenüber denjenigen Regressforderungen zu, die die Verordnungen in den Quartalen II und III/1998 sowie I und II/1999 betreffen, sondern ohnehin auch gegenüber der Regressforderung für die Verordnung(sserie) im Quartal IV/1999, als die Gemeinschaftspraxis bereits aufgelöst war.

17

2. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266, die in den Jahren 1998 und 1999 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (aaO Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Diese Prüfvereinbarungen (PrüfVen) ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen. Diese waren auch in § 9 Abs 3, § 12 Abs 6 ff der hier einschlägigen PrüfV vorgesehen(vgl zur Nicht-Revisibilität der Feststellung und Auslegung von Landesrecht § 162 SGG, dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14 mwN). Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und die Wahl dieser Prüfmethode daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14).

18

3. Die durchgeführten Einzelfallprüfungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Weder die vom Kläger erhobenen formellen Rügen (nachfolgend a) noch seine materiellen Beanstandungen (unten b) greifen durch.

19

a) Der Senat folgt nicht der Ansicht des Klägers zu 1., das Prüf- und Regressverfahren hätte hinsichtlich derjenigen Quartale, für welche die Prüfanträge erst nach Ablauf der in der PrüfV normierten Frist gestellt worden seien, nicht durchgeführt werden dürfen. Zwar galt nach § 12 Abs 6 PrüfV(hier zugrunde zu legen in der Fassung vom 24.6.1996) eine Frist von zwölf Monaten nach Quartalsende; innerhalb dieser Frist konnten die KKn die Prüfung der Verordnungsweise nach Einzelfällen beantragen. Aus einer Versäumung dieser Frist kann aber nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden.

20

Der Senat hat bereits früher dargelegt, dass solche Fristen nicht zum Schutz des Arztes im Sinne eines Ausschlusses der Verfahrensdurchführung normiert sind, sondern dass sie - auch im Interesse des Arztes - der Verfahrensbeschleunigung dienen, also dem Interesse an effektiver Verfahrensdurchführung (s insbesondere BSG USK 9596 S 526; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159 f zur Zulässigkeit späterer Antragsnachholung). Wird der Antrag zu spät gestellt, so ist damit dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung nicht Rechnung getragen. Daraus aber ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt abzuleiten, liefe der Zielrichtung der Regelungen und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise zuwider.

21

Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regressverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (zu dieser Frist allgemein zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12 ff; BSG MedR 2008, 100, 101 f RdNr 16 ff; vgl jetzt § 106 Abs 2 Satz 7 Halbs 2 SGB V zur Frist von zwei Jahren für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina). Von dieser Ausschlussfrist und ihrer Funktion unterscheidet sich die Zwölf-Monate-Frist für die Stellung des Prüfantrags mit ihrer Ausrichtung auf Beschleunigung. Würde aus deren Versäumung ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden, so würde ihr die Funktion beigemessen, die allein der Vier-Jahres-Frist zukommt.

22

Hat mithin die Nichteinhaltung der Zwölf-Monats-Frist nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt es vorliegend nicht darauf an, ob diese Frist in einem der Regressfälle überschritten wurde. Im Übrigen beginnt sie gemäß § 12 Abs 6 PrüfV jeweils erst ab Quartalsende. Daher wurde sie vorliegend auch ohnehin nur in wenigen Fällen - und jeweils auch nur um wenige Tage - überschritten (Eingang der KK-Anträge für das Quartal II/1998 erst am 12.7.1999 - Fall 2 - und am 20.7.1999 - Fall 1 - und für das Quartal II/1999 erst am 3.7.2000 - Fall 6 -; zu diesen Feststellungen s LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 - L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 4 bis 9 iVm 37).

23

Soweit der Kläger zu 1. der Ansicht ist, entsprechend dem Grundsatz "Beratung vor Regress" hätte kein Regress, sondern nur eine Beratung erfolgen dürfen, trifft das nicht zu. Für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise ist eine vorgängige Beratung gemäß § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V dann nicht erforderlich, wenn dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines sogenannten offensichtlichen Missverhältnisses anzulasten ist(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 mit Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 296; SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 19; BSG MedR 2004, 577, 578 f). Noch weniger ist eine vorgängige Beratung dann geboten, wenn nicht Unwirtschaftlichkeiten durch einen zu hohen Aufwand, sondern einzelne Fälle gänzlich unzulässiger Verordnungen in Frage stehen, wenn also dem Arzt das Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, ein unzulässiger Off-Label-Use, eine Verordnung entgegen einem Verordnungsausschluss durch die Arzneimittel-Richtlinie (AMRL) oder die Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V angelastet wird, also in Fällen, in denen ein sogenannter Basismangel vorliegt(vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 am Ende; - zu solchen Verordnungsregressfällen vgl Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, , jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 53 ff, 56 ff, 71 ff). Dementsprechend ist in der hier einschlägigen PrüfV ausdrücklich geregelt, dass im Falle von Verordnungen unter Verstoß gegen die Arznei-, Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien Regressfestsetzungen keine vorherige Beratung voraussetzen (§ 12 Abs 10 iVm Abs 12 PrüfV). Die dem gleichwertige Konstellation des Vorwurfs der Unvereinbarkeit von Verordnungen mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V ist hier gegeben.

24

b) Die vom Kläger zu 1. angefochtenen Verordnungsregresse sind inhaltlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der ASI bestand weder eine Leistungspflicht der KKn noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.

25

Der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln besteht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur nach Maßgabe des § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 31 Abs 1 SGB V. Aus den dabei mit heranzuziehenden § 2 Abs 1 Satz 3 und § 12 Abs 1 SGB V folgt, dass im Rahmen der GKV nur solche Verordnungen zulässig sind, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, bieten(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 17 mwN).

26

aa) Für die Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hält die Rechtsordnung zwei Verfahren bereit, zum einen für Arzneimittel die Überprüfung im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung - durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach §§ 21 ff AMG oder durch die Europäische Arzneimittel-Agentur nach Europäischem Verordnungs- und Richtlinienrecht -, und zum anderen für Behandlungs- und Untersuchungsmethoden die Überprüfung durch den BA - bzw heute G-BA - gemäß § 135 Abs 1 SGB V. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müssen grundsätzlich anhand zuverlässiger wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen aufgrund der Beurteilung einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt sein; dafür ist in beiden vorgenannten Verfahren die Überprüfung durch Auswertung sogenannter randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien vorgesehen.

27

Soweit diese Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, wie es bei Arzneimitteln die Regel ist, bereits im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfolgt, wird eine etwaige zusätzliche Prüfung nach § 135 Abs 1 SGB V als entbehrlich angesehen(vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 19 mwN zur Rspr und zum Streitstand). Bei Arzneimitteln folgt somit im Regelfall aus der Verkehrsfähigkeit zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV (vgl zu diesem Zusammenhang BSG SozR aaO und MedR aaO, jeweils RdNr 19)

28

bb) Von diesen Grundsätzen sind bei Arzneimitteltherapien allerdings Ausnahmen anerkannt. In den Fällen, in denen die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit nach dem AMG ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erlangt werden kann, fehlt die Grundlage dafür, um von der Verkehrsfähigkeit gemäß dem AMG auf die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV schließen zu können.

29

In diesem Sinne hat das BSG zu Fällen aus der ersten Zeit nach der Neuordnung des deutschen Arzneimittelrechts Ende der 70er Jahre ausgesprochen, dass die damalige sogenannte fiktive Zulassung, die übergangsrechtlich bis zur fundierten Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gewährt wurde, nicht für die Annahme der Verordnungsfähigkeit ausreicht (BSG - 1. Senat - BSGE 95, 132 RdNr 18 ff = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 ff; BSG - 1. Senat - BSGE 82, 233, 235 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 17 ff; BSG - 6. Senat - SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 21 ff).

30

Dem ist vergleichbar, wenn - wie vorliegend - ein Arzneimittel ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit deshalb nach dem AMG verkehrsfähig ist, weil es sich um ein sogenanntes Rezepturarzneimittel handelt. Bei Rezepturarzneimitteln, dh solchen, die nicht wie Fertigarzneimittel im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (§ 4 Abs 1 AMG), reicht für die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit eine Herstellungserlaubnis aus (vgl §§ 13 bis 15 iVm § 43 Abs 2 Halbs 2 iVm § 47 AMG); ein Zulassungsverfahren mit Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien ist arzneimittelrechtlich nicht vorgesehen (vgl dazu BSGE 86, 54, 60 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 65 f). Bei solchen Arzneimitteln fehlt es mithin an der fundierten Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, sodass sie zwar verkehrsfähig gemäß dem AMG sind, aber ohne dass daraus abgeleitet werden könnte, dass sie auch verordnungsfähig sind.

31

cc) Anders wiederum liegt der Fall, wenn das Arzneimittel, das arzneimittelrechtlich keiner Zulassung bedarf, so eingesetzt wird, dass darin zugleich eine auf einem bestimmten theoretisch-wissenschaftlichen Konzept fußende Vorgehensweise der Krankenbehandlung liegt (sogenannte Pharmakotherapie - zur Definition s zB BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f; zum Methodenbegriff vgl ferner zB BSG - 6. Senat - zB BSGE 84, 247, 249 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 11 S 50 f; BSG SozR 3-5533 Nr 2449 Nr 2 S 9 f; ebenso BSG - 1. Senat - zB BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 14 mwN). Dann liegt eine Behandlungsmethode vor, deren Einsatz im Rahmen der GKV gemäß § 135 Abs 1 SGB V eine positive Empfehlung durch den BA bzw G-BA erfordert. In solchen Fällen ist zwar arzneimittelrechtlich keine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vorgesehen; da aber eine Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V vorliegt, ist das Arzneimittel bzw die dieses einschließende Behandlungsmethode im Verfahren gemäß § 135 Abs 1 SGB V zu überprüfen(BSGE 86, 54, 58, 59 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63, 65; vgl auch zB BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12 S 55 f). Falls die in diesem Verfahren stattfindende Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien zu einer positiven Empfehlung des BA bzw G-BA führt, ist das Arzneimittel dann auch verordnungsfähig. Kommt es demgegenüber zur Zuordnung zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden, so darf eine Therapie mit diesem Arzneimittel nicht erfolgen; dieses ist nicht verordnungsfähig.

32

Differenziert sind die Fälle zu beurteilen, in denen das Arzneimittel im Rahmen einer Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V eingesetzt werden soll, aber - wie im vorliegenden Fall - im Behandlungszeitpunkt die nach dieser Bestimmung notwendige Überprüfung durch den BA bzw G-BA noch nicht zu einem Ergebnis geführt hat(zur Maßgeblichkeit des Behandlungszeitpunkts s zB BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 69 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 12 ff; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 15 f). Dann ist zu prüfen, ob die Vorenthaltung des Einsatzes in der GKV noch gerechtfertigt ist, ob nämlich die Dauer des Verfahrens noch rechtens ist oder ob die Durchführung des Verfahrens aus sachfremden Gründen verzögert wurde; in letzterem Fall ist weiter zu prüfen, ob die Behandlungsmethode als dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechend bewertet werden kann und deshalb ungeachtet des Noch-Nicht-Vorliegens einer positiven Empfehlung für die GKV freigegeben werden kann (BSGE 86, 54, 60 ff, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66 ff, 69 ff; BSGE 94, 221 RdNr 23 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 24). Bei der ersatzweise gerichtlicherseits vorzunehmenden Bewertung sind die Belege zu würdigen, die im Behandlungszeitpunkt für eine Wirksamkeit sprechen konnten. Dabei sind für eine Wirksamkeitsanerkennung grundsätzlich wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken zu fordern. Im Falle von Krankheiten allerdings, bei denen Entstehung und Verlauf ungeklärt sind, sodass Therapien nur bei Symptomen ansetzen können, und daher die Forderung von Wirksamkeitsbelegen den Anspruch auf umfassende Krankenbehandlung gemäß § 27 Abs 1 SGB V und die damit korrespondierende Behandlungspflicht des Vertragsarztes unmöglich machen würde(vgl zu diesem Ansatz BSGE 86, 54, 60 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66), reicht es ersatzweise aus, wenn sich die in Anspruch genommene Therapie in der medizinischen Praxis und/oder in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat (BSG aaO S 62 bzw S 67 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 37; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 25 ff, 29) bzw - in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen - eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung bzw auf eine positive Einwirkung auf den weiteren Krankheitsverlauf gegeben ist (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33).

33

Auch in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen sind aber weitere einschränkende Voraussetzungen zu beachten. Zwar ergeben sich aus der Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33 f) und dem von diesem herangezogenen Sozialstaatsprinzip sowie aus der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates einerseits Abschwächungen zugunsten der Versicherten (vgl hierzu BVerfGE aaO S 41 ff, 44 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 17 ff, 24 ff; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 24 ff). Andererseits besteht aber auch eine Schutzpflicht in der Weise, dass der Staat den Versicherten davor zu bewahren hat, mit zweifelhaften Therapien behandelt zu werden. Dem dient das Erfordernis fundierter Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Dies darf nicht durch eine vermeintlich großzügige Gestattung der Versorgung mit Arzneimitteln unterlaufen und umgangen werden (vgl BSG aaO RdNr 25 iVm 35). Dementsprechend darf eine Pharmakotherapie, bei der eine fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel nicht stattgefunden hat, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur eingesetzt werden, wenn der Wirksamkeitszusammenhang, der dieser Arzneimitteltherapie zugeschrieben wird, wenigstens in gewissem Umfang belegt werden kann. Fehlen höherwertige Studien, so können als Beleg auch Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Berichte von Expertenkomitees, Konsensuskonferenzen und Einzelfallberichte in Betracht kommen (vgl Nr 8.2 unter III der NUB-RL; vgl ebenso BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40 am Ende). Insgesamt müssen - auch bei lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen - erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen jedenfalls individuellen Wirkungszusammenhang vorliegen (BSG aaO RdNr 47). Dabei kommt auch der fachlichen Einschätzung durch den behandelnden Arzt Bedeutung zu (vgl BVerfGE aaO S 50 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5, RdNr 35 am Ende und BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende).

34

dd) Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf die vorliegend zu beurteilenden Verordnungen ergibt sich, dass die vom Kläger zu 1. durchgeführten ASI-Verfahren in der GKV nicht zulässig waren. Die autologen Tumorvakzine wurden im Rahmen einer gemäß § 135 Abs 1 SGB V anerkennungsbedürftigen Behandlungsmethode verordnet, wie das BSG bereits in seiner früheren Entscheidung vom 28.3.2000 ausgeführt hat (BSGE 86, 54, 57 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 62). In dem Zeitpunkt, als der Kläger zu 1. bzw die Gemeinschaftspraxis die Verordnungen vornahm (1998/1999), war das Verfahren der ASI gemäß § 135 Abs 1 SGB V noch beim BA anhängig (dieser gab erst am 10.4.2000 eine - negative - Empfehlung ab, s BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828), sodass also der Fall fehlender Entscheidung des BA bzw G-BA gemäß § 135 Abs 1 SGB V vorlag.

35

Zu der Frage, ob das Verfahren beim BA im Sinne der in RdNr 32 angesprochenen ersten Voraussetzung zu lange dauerte, braucht vorliegend nicht Stellung genommen zu werden. Denn es fehlen jedenfalls die weiteren Voraussetzungen für eine Akzeptanz der Anwendung dieser Therapiemethode: Ausgehend davon, dass die betroffenen Patienten hier an lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen litten (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 17 betreffend Darmkrebs), bedürfte es wenigstens ausreichender Belege im Sinne erheblicher ernsthafter Hinweise auf einen individuellen Wirkungszusammenhang (s oben RdNr 33 am Ende). Daran fehlt es.

36

Nach den Feststellungen im Berufungsurteil (L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 45) gab es zwar Phase-III-Studien, diesen konnte aber keine Aussagekraft für die vom Kläger zu 1. verordneten Tumorvakzine der Firma macropharm entnommen werden. Denn die Tumorvakzine unterschieden sich nach den vorinstanzlichen Feststellungen schon in der Herstellungsweise der verschiedenen Herstellerfirmen. Diese hatten unterschiedliche Anwendungs- und Verarbeitungsmethoden. Zudem erfolgte die Herstellung jeweils speziell für den jeweiligen Versicherten, sodass sie auch untereinander verschieden waren und individueller Beurteilung bedurften (vgl LSG aaO RdNr 44). Tauglich könnte insoweit lediglich die von der Firma macropharm veröffentlichte Studie von R. sein; diese wies aber nach den Feststellungen im Berufungsurteil (aaO RdNr 45) und auch nach der Wertung des BSG in seinem früheren Urteil (BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70) methodische Unzulänglichkeiten auf.

37

Auch hatte sich die ASI mit autologen Tumorvakzinen nicht etwa schon in der medizinischen Praxis durchgesetzt. Diese Behauptung hat das Berufungsgericht als nicht ausreichend belegt bezeichnet (LSG aaO RdNr 48 bis 51). Die dazu vom Kläger zu 1. erhobene Verfahrensrüge, das LSG habe insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, greift nicht durch. Die Rüge unzureichender Aufklärung des LSG erfordert im Falle eines Klägers, der bereits dort anwaltlich vertreten gewesen ist, die Darlegung, dass sich dem LSG auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen (vgl zB BVerwGE 131, 186, 189 RdNr 13; s auch zB BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 24 bis 26). In der Revisionsbegründung wird indessen nicht aufgezeigt, aufgrund welcher konkreten Darlegungen des Klägers zu 1. im LSG-Verfahren sich dem LSG weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Mit seinen Ausführungen, entgegen der Auffassung des LSG hätten die vorliegenden Phase-III-Studien durchaus Aussagekraft für die von ihm zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm, setzt der Kläger zu 1. dem LSG lediglich seine gegenteilige Ansicht entgegen. Er müsste aber konkrete Ansatzpunkte für Möglichkeiten des LSG zu weitergehender Aufklärung benennen und darlegen, dass er auf diese schon im LSG-Verfahren hingewiesen habe. Dies ist der Revisionsbegründung so nicht zu entnehmen.

38

Zu diesem Fragenkomplex hat es keines Hinweises des LSG bedurft - wie der Kläger zu 1. geltend macht -. Denn dieser Streitpunkt lag schon während des gesamten Verfahrens zu Tage (s dazu auch schon BSGE 86, 54, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70 ff). Zudem hat bei ihm, da er bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertreten gewesen ist, vorausgesetzt werden können, dass er die Anforderungen kennt, die erfüllt sein müssen, damit das Gericht Anlass zu weiterer Aufklärung hat.

39

Bei den hier betroffenen Behandlungsfällen fehlt zudem eine weitere Voraussetzung, die für die Anerkennung ärztlich sachgerechten Vorgehens erforderlich wäre: Für die ausnahmsweise Zulässigkeit von Verordnungen zweifelhafter Art muss eine ausreichend substantiierte fachliche Einschätzung durch den verordnenden Arzt selbst erkennbar sein (vgl hierzu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende und 50); dafür ist auch eine entsprechende therapiebegleitende Kontrolle und Dokumentation durch den behandelnden Arzt erforderlich (vgl dazu BSG aaO RdNr 50 f; s auch BSG SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8). Indessen lag nach den Feststellungen im Urteil des LSG die Behandlung vor allem in den Händen des Dr. N., der im Auftrag der Firma macropharm die autologen Tumorvakzine herstellte und bearbeitete sowie die ASI bei den Patienten im Wesentlichen durchführte (LSG aaO RdNr 46). Wie im Urteil des LSG festgestellt ist, fertigten der Kläger zu 1. bzw der Partner der damaligen Gemeinschaftspraxis lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen an (LSG aaO RdNr 46).

40

Diese Feststellungen des LSG sind nach alledem tragfähig. Dem LSG fallen keine Verfahrensmängel zur Last. Abgesehen davon, dass die erhobenen Aufklärungsrügen nicht durchgreifen, sind auch keine Verstöße gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ersichtlich. Insbesondere liegen keine ausreichenden Umstände für die Annahme einer unzulässigen Überraschungsentscheidung vor. Dass das LSG, ohne dass dies voraussehbar gewesen wäre, strengere Anforderungen gestellt hätte als die bisherige BSG-Rechtsprechung, kann bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nicht anerkannt werden (vgl zB zu vorgenannten Dokumentationsanforderungen: BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 50 f). Der Kläger zu 1. hat das auch nicht in ausreichend substantiierter Weise geltend gemacht.

41

ee) Waren mithin die autologen Tumorvakzine nicht verordnungsfähig, so war Unwirtschaftlichkeit gegeben (zu dieser Gleichsetzung s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 25 mwN). Bei unwirtschaftlicher Verordnungsweise ist die Festsetzung eines Regresses grundsätzlich berechtigt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt vorliegend nicht in Betracht.

42

(1) Ohne Erfolg ist der Einwand des Klägers, ihm könne kein Verschulden oder höchstens vermindertes Verschulden angelastet werden und deshalb sei entweder ein Regress ganz ausgeschlossen oder dieser müsse jedenfalls erheblich herabgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG setzen Honorarkürzungen oder Verordnungsregresse gemäß § 106 SGB V kein Verschulden des Vertragsarztes voraus(zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 28 mwN, im Anschluss an BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 18; BSG MedR 2004, 577, 578) .

43

Bei Verordnungsregressen der hier vorliegenden Art ist auch kein Raum für eine Ermessensausübung. Bei Regressen, denen unzulässige Verordnungen zugrunde liegen, wie dies beim Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, bei einem unzulässigen Off-Label-Use, bei Verordnung entgegen einem AMRL-Verordnungsausschluss oder bei Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V der Fall ist, kann eine Unwirtschaftlichkeit nur bejaht oder verneint werden(sogenannter Basismangel, vgl oben RdNr 23, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29). Mit dem Regress lediglich einen Teil der Unwirtschaftlichkeit abzuschöpfen, kann nur in anders gelagerten Fällen in Betracht kommen, zB im Rahmen eines Regresses aufgrund einer sogenannten Durchschnittsprüfung bei insgesamt deutlich höherem Verordnungsvolumen als im Durchschnitt der Arztgruppe und/oder bei einer Anfängerpraxis, evtl auch bei der Belassung von Restüberschreitungen (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30 am Ende; vgl weiterhin BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29 mit Hinweis auf die Fallgruppe "Anfängerpraxis", hierzu s zB Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 145-147 mwN). Bei Rezepturarzneimitteln, die nicht von Apotheken bezogen werden, ist im Übrigen nicht einmal Raum für einen Abzug von Apothekenrabatt und/oder Patienteneigenanteilen (vgl hierzu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 269 mwN; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 32; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 33). Dementsprechend ist in solchen Fällen die Höhe des Regresses dahingehend vorgezeichnet, dass vom Arzt Ersatz der vollen Kosten zu fordern ist. Raum für eine Regressermäßigung aufgrund einer Ermessensentscheidung besteht nicht.

44

(2) Zu Unrecht beruft sich der Kläger weiterhin darauf, dass er jedenfalls vor dem Hintergrund des Schreibens des BA vom 7.6.1999 auf die Zulässigkeit der ASI habe vertrauen dürfen. Ein Vertrauen könnte insoweit ohnehin allenfalls für diejenigen Verordnungen in Betracht gezogen werden, die der Kläger zu 1. nach Bekanntwerden des BA-Schreibens tätigte (also für seine Verordnungen im Quartal IV/1999). Indessen begründet das Schreiben bereits von seinem Inhalt her keinen Vertrauensschutz. Denn der BA hat ausdrücklich mitgeteilt, dass der Behandlungsansatz (die Verordnung autologer Tumorvakzine) "bisher ohne abschließendes Ergebnis" von dem dem BA zuarbeitenden Arbeitsausschuss bearbeitet worden sei und dass daher "eine verbindliche Auskunft … zum jetzigen Zeitpunkt nicht gemacht" werden könne. Da das Schreiben somit schon aufgrund seines "offenen Inhalts" für eine Vertrauensbegründung nicht ausreichen kann, bedarf es keiner Erörterung, ob der vom Kläger zu 1. geltend gemachten rechtlichen Bedeutung auch entgegensteht, dass das Schreiben des BA nicht an ihn selbst gerichtet war und dass es nicht die dem BA durch § 135 Abs 1 SGB V vorgegebene Handlungsform "Richtlinie" aufwies. Ist das Schreiben des BA vom 7.6.1999 mithin für den vorliegenden Fall rechtlich irrelevant, so fehlt der vom Kläger zu 1. erhobenen Verfahrensrüge, das LSG hätte es nicht ausreichend berücksichtigt, die Grundlage.

45

Ein Vertrauenstatbestand kann auch nicht darauf gestützt werden, dass in der Regel aus der arzneirechtlichen Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels dessen Verordnungsfähigkeit folgt. Denn dies betrifft nur den Regelfall von Fertigarzneimitteln, für deren Verkehrsfähigkeit das Zulassungsverfahren mit fundierter Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchlaufen werden muss, während hier der besondere Fall eines Rezepturarzneimittels zu beurteilen ist. Dass insoweit keine Überprüfung nach dem AMG und typischerweise auch keine dem nahekommende Überprüfung stattgefunden hat, kann bei Ärzten als bekannt vorausgesetzt werden (zur ärztlichen Sachkunde vgl BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 24 mit Hinweis auf zB BSGE 96, 1= SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 34). Von daher bedürfte es besonderer Umstände, um annehmen zu können, der Arzt habe auf die Verordnungsfähigkeit vertrauen dürfen. Hierfür fehlt es an den ausreichenden Anhaltspunkten. Den vom Kläger zu 1. angeführten Gerichtsentscheidungen stehen gegenläufige Entscheidungen gegenüber, in denen die Verordnungsfähigkeit autologer Tumorvakzine verneint wurde (s die Angaben im Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 S 4; vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 30).

46

(3) Ohne Erfolg wendet der Kläger zu 1. ferner ein, er habe sich in schwierigen Konfliktsituationen bei lebensbedrohlichen Erkrankungen dafür entschieden, eine Behandlung durchzuführen, die immerhin von manchen Medizinern und Gerichten gebilligt worden sei, und deshalb sei unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) ein Regress ausgeschlossen. Dabei ist schon zweifelhaft, inwieweit nach der vom Beklagten und von den Vorinstanzen vorgenommenen umfänglichen Prüfung überhaupt noch Raum für eine Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sein kann. Selbst wenn hierfür Raum wäre, könnte dies nicht zu einem Erfolg für den Kläger zu 1. führen. Denn mit den autologen Tumorvakzinen sind Arzneimittel betroffen, bei denen sich Zweifel an der Verordnungsfähigkeit aufdrängen mussten: Eine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in einem Zulassungsverfahren hatte - da Rezepturarzneimittel - erkennbar nicht stattgefunden, eine Empfehlung des BA gab es nicht, und die Studienlage konnte nicht ohne Weiteres als tragfähig angesehen werden (vgl oben RdNr 34 ff). Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits - und daher offenzulassen - ist die Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen ein Arzt, der von einem pharmazeutischen Hersteller zur Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel veranlasst bzw verleitet wird und Regress an die vertragsärztlichen Institutionen leisten muss, Rückgriff gegen den Hersteller nehmen kann.

47

Im Rahmen von Regressen in der GKV ist auch kein Raum für die Berücksichtigung des Gesichtspunktes, dass bei Nicht-Durchführung dieser Arzneimitteltherapie Kosten für andere Behandlungsarten angefallen wären - sogenannte Vorteilsausgleichung - (vgl BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-2500 § 115b Nr 2 RdNr 21).

48

c) Dem Regress stehen schließlich auch keine Grundrechtspositionen des Klägers zu 1. entgegen. Insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 Abs 1 GG nicht verletzt. Dieses Grundrecht unterliegt - ebenso wie Art 14 Abs 1 GG - einem Gesetzesvorbehalt, darf also durch Gesetz eingeschränkt werden. Das ist durch die vorliegend einschlägigen Bestimmungen der §§ 106, 135 Abs 1 SGB V geschehen. Die Anwendung dieser Regelungen belastet den Kläger zu 1. nicht unverhältnismäßig (vgl oben RdNr 46).

49

4. Nach alledem ist nicht nur der Hauptantrag des Klägers zu 1. auf Bescheidaufhebung zurückzuweisen, sondern ebenso der Hilfsantrag: Für die hilfsweise begehrte Zurückverweisung der Sache an das LSG ist kein Raum, denn der gegenüber dem Kläger zu 1. ausgesprochene Regress hat sich im Revisionsverfahren gemäß vorstehenden Ausführungen abschließend als rechtmäßig erwiesen.

50

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden - im Hinblick auf die Klageerhebung vor diesem Stichtag hier noch anwendbaren - Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

(1) Für Arzneimittel, die im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (Fertigarzneimittel) und deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes den Apotheken vorbehalten ist, werden durch diese Verordnung festgelegt

1.
die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken oder Tierärzte (§ 2),
2.
die Preisspannen sowie die Preise für besondere Leistungen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf (§§ 3, 6 und 7),
3.
die Preisspannen der Tierärzte bei der Abgabe im Wiederverkauf an Tierhalter (§ 10).

(2) Für Arzneimittel, die in Apotheken oder von Tierärzten hergestellt werden und deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 und 3 des Arzneimittelgesetzes den Apotheken vorbehalten ist, werden durch diese Verordnung festgelegt

1.
die Preisspannen sowie die Preise für besondere Leistungen der Apotheken (§§ 4 bis 7),
2.
die Preisspannen der Tierärzte (§ 10).

(3) Ausgenommen sind die Preisspannen und Preise der Apotheken, wenn es sich um eine Abgabe handelt

1.
durch Krankenhausapotheken, soweit es sich nicht um die Abgabe von parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur ambulanten Versorgung handelt,
2.
an Krankenhäuser und diesen nach § 14 Absatz 8 Satz 2 des Apothekengesetzes gleichgestellte Einrichtungen sowie an Justizvollzugsanstalten und Jugendarrestanstalten,
3.
an die in § 47 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 10 des Arzneimittelgesetzes genannten Personen und Einrichtungen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen,
3a.
von Impfstoffen, die zur Anwendung bei öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen im Sinne des § 20 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) bestimmt sind und diese Impfstoffe an Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte abgegeben werden, sofern es sich nicht um die Abgabe von saisonalen Grippeimpfstoffen an Ärzte handelt,
4.
von Impfstoffen, die zur Anwendung bei allgemeinen, insbesondere behördlichen oder betrieblichen Grippevorsorgemaßnahmen bestimmt sind,
5.
an Gesundheitsämter für Maßnahmen der Rachitisvorsorge,
6.
von Arzneimitteln, die zur Anwendung bei der Dialyse Nierenkranker bestimmt sind,
7.
von aus Fertigarzneimitteln auf Grund ärztlicher Verordnung entnommenen Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt,
8.
von Fertigarzneimitteln in parenteralen Zubereitungen.
Im Fall von Satz 1 Nummer 1 bleibt § 129a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch unberührt. Im Fall von Satz 1 Nr. 7 können Sozialleistungsträger, private Krankenversicherungen oder deren Verbände das Verfahren für die Berechnung der Apothekenabgabepreise für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel mit Apotheken oder deren Verbänden vereinbaren.

(4) Ausgenommen sind die Preisspannen und Preise von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

(1) Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler dürfen Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an

1.
andere pharmazeutische Unternehmer und Großhändler,
2.
Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich handelt um
a)
aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen mit Ausnahme von Gerinnungsfaktorenzubereitungen,
b)
Gewebezubereitungen oder tierisches Gewebe,
c)
Infusionslösungen in Behältnissen mit mindestens 500 ml, die zum Ersatz oder zur Korrektur von Körperflüssigkeit bestimmt sind, sowie Lösungen zur Hämodialyse und Peritonealdialyse, die, soweit es sich um Lösungen zur Peritonealdialyse handelt, auf Verschreibung des nephrologisch qualifizierten Arztes im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung seiner Dialysepatienten an diese abgegeben werden dürfen,
d)
Zubereitungen, die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen,
e)
medizinische Gase, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist,
f)
radioaktive Arzneimittel,
g)
Arzneimittel, die mit dem Hinweis "Zur klinischen Prüfung bestimmt" versehen sind, sofern sie kostenlos zur Verfügung gestellt werden,
h)
Blutegel und Fliegenlarven, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist, oder
i)
Arzneimittel, die im Falle des § 21 Absatz 2 Nummer 3 zur Verfügung gestellt werden,
3.
Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte, soweit es sich um Impfstoffe handelt, die dazu bestimmt sind, bei einer unentgeltlichen auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) durchgeführten Schutzimpfung angewendet zu werden oder soweit eine Abgabe von Impfstoffen zur Abwendung einer Seuchen- oder Lebensgefahr erforderlich ist,
3a.
spezielle Gelbfieber-Impfstellen gemäß § 7 des Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005), soweit es sich um Gelbfieberimpfstoff handelt,
3b.
Krankenhäuser und Gesundheitsämter, soweit es sich um Arzneimittel mit antibakterieller oder antiviraler Wirkung handelt, die dazu bestimmt sind, auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes zur spezifischen Prophylaxe gegen übertragbare Krankheiten angewendet zu werden,
3c.
Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen im Einzelfall benannte Stellen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für den Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, bevorratet werden,
4.
Veterinärbehörden, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die zur Durchführung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen bestimmt sind,
5.
auf gesetzlicher Grundlage eingerichtete oder im Benehmen mit dem Bundesministerium von der zuständigen Behörde anerkannte zentrale Beschaffungsstellen für Arzneimittel,
5a.
durch Landesrecht bestimmte Betreiber der Luftrettung, soweit es sich um aus menschlichem Blut gewonnene Erythrozytenkonzentrate handelt,
6.
Tierärzte im Rahmen des Betriebes einer tierärztlichen Hausapotheke, soweit es sich um Fertigarzneimittel handelt, zur Anwendung an den von ihnen behandelten Tieren und zur Abgabe an deren Halter,
7.
zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigte Personen, soweit es sich um Fertigarzneimittel, die ausschließlich in der Zahnheilkunde verwendet und bei der Behandlung am Patienten angewendet werden, oder um medizinische Gase handelt,
8.
Einrichtungen von Forschung und Wissenschaft, denen eine Erlaubnis nach § 3 des Betäubungsmittelgesetzes erteilt worden ist, die zum Erwerb des betreffenden Arzneimittels berechtigt,
9.
Hochschulen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung der Studierenden der Pharmazie und der Veterinärmedizin benötigt werden,
10.
staatlich anerkannte Lehranstalten für pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten, sofern es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung benötigt werden.

(2) Die in Absatz 1 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Empfänger dürfen die Arzneimittel nur für den eigenen Bedarf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben beziehen. Die in Absatz 1 Nr. 5 bezeichneten zentralen Beschaffungsstellen dürfen nur anerkannt werden, wenn nachgewiesen wird, dass sie unter fachlicher Leitung eines Apothekers stehen und geeignete Räume und Einrichtungen zur Prüfung, Kontrolle und Lagerung der Arzneimittel vorhanden sind.

(3) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels abgeben oder abgeben lassen an

1.
Ärzte oder Zahnärzte,
2.
andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde beim Menschen berufsmäßig ausüben, soweit es sich nicht um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt,
3.
Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe.
Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe nur in einem dem Zweck der Ausbildung angemessenen Umfang abgeben oder abgeben lassen. Muster dürfen keine Stoffe oder Zubereitungen
1.
im Sinne des § 2 des Betäubungsmittelgesetzes, die als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind, oder
2.
die nach § 48 Absatz 2 Satz 3 nur auf Sonderrezept verschrieben werden dürfen,
enthalten.

(4) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Personen nach Absatz 3 Satz 1 nur auf jeweilige schriftliche oder elektronische Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen. Mit den Mustern ist die Fachinformation, soweit diese nach § 11a vorgeschrieben ist, zu übersenden. Das Muster dient insbesondere der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels. Über die Empfänger von Mustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe von Mustern sind gesondert für jeden Empfänger Nachweise zu führen und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.

(1) Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Fertigarzneimittel sind nicht Zwischenprodukte, die für eine weitere Verarbeitung durch einen Hersteller bestimmt sind.

(2) Blutzubereitungen sind Arzneimittel, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumkonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen sind oder als Wirkstoffe enthalten.

(3) Sera sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Absatz 1, die Antikörper, Antikörperfragmente oder Fusionsproteine mit einem funktionellen Antikörperbestandteil als Wirkstoff enthalten und wegen dieses Wirkstoffs angewendet werden. Sera gelten nicht als Blutzubereitungen im Sinne des Absatzes 2 oder als Gewebezubereitungen im Sinne des Absatzes 30.

(4) Impfstoffe sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1, die Antigene oder rekombinante Nukleinsäuren enthalten und die dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erzeugung von spezifischen Abwehr- und Schutzstoffen angewendet zu werden und, soweit sie rekombinante Nukleinsäuren enthalten, ausschließlich zur Vorbeugung oder Behandlung von Infektionskrankheiten bestimmt sind.

(5) Allergene sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1, die Antigene oder Haptene enthalten und dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erkennung von spezifischen Abwehr- oder Schutzstoffen angewendet zu werden (Testallergene), oder Stoffe enthalten, die zur antigenspezifischen Verminderung einer spezifischen immunologischen Überempfindlichkeit angewendet werden (Therapieallergene).

(6) (weggefallen)

(7) (weggefallen)

(8) Radioaktive Arzneimittel sind Arzneimittel, die radioaktive Stoffe sind oder enthalten und ionisierende Strahlen spontan aussenden und die dazu bestimmt sind, wegen dieser Eigenschaften angewendet zu werden; als radioaktive Arzneimittel gelten auch für die Radiomarkierung anderer Stoffe vor der Verabreichung hergestellte Radionuklide (Vorstufen) sowie die zur Herstellung von radioaktiven Arzneimitteln bestimmten Systeme mit einem fixierten Mutterradionuklid, das ein Tochterradionuklid bildet, (Generatoren).

(9) Arzneimittel für neuartige Therapien sind Gentherapeutika, somatische Zelltherapeutika oder biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 324 vom 10.12.2007, S. 121; L 87 vom 31.3.2009, S. 174), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1243 (ABl. L 198 vom 25.07.2019, S. 241) geändert worden ist.

(10) (weggefallen)

(11) (weggefallen)

(12) (weggefallen)

(13) Nebenwirkungen sind schädliche und unbeabsichtigte Reaktionen auf das Arzneimittel. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, die tödlich oder lebensbedrohend sind, eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung erforderlich machen, zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung, Invalidität, kongenitalen Anomalien oder Geburtsfehlern führen. Unerwartete Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, deren Art, Ausmaß oder Ergebnis von der Fachinformation des Arzneimittels abweichen.

(14) Herstellen ist das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe.

(15) Qualität ist die Beschaffenheit eines Arzneimittels, die nach Identität, Gehalt, Reinheit, sonstigen chemischen, physikalischen, biologischen Eigenschaften oder durch das Herstellungsverfahren bestimmt wird.

(16) Eine Charge ist die jeweils aus derselben Ausgangsmenge in einem einheitlichen Herstellungsvorgang oder bei einem kontinuierlichen Herstellungsverfahren in einem bestimmten Zeitraum erzeugte Menge eines Arzneimittels.

(17) Inverkehrbringen ist das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere.

(18) Der pharmazeutische Unternehmer ist bei zulassungs- oder registrierungspflichtigen Arzneimitteln der Inhaber der Zulassung oder Registrierung. Pharmazeutischer Unternehmer ist auch, wer Arzneimittel im Parallelvertrieb oder sonst unter seinem Namen in den Verkehr bringt, außer in den Fällen des § 9 Abs. 1 Satz 2.

(19) Wirkstoffe sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden oder bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel zu werden.

(20) Ein Hilfsstoff ist jeder Bestandteil eines Arzneimittels, mit Ausnahme des Wirkstoffs und des Verpackungsmaterials.

(21) Xenogene Arzneimittel sind zur Anwendung im oder am Menschen bestimmte Arzneimittel, die lebende tierische Gewebe oder Zellen sind oder enthalten.

(22) Großhandel mit Arzneimitteln ist jede berufs- oder gewerbsmäßige zum Zwecke des Handeltreibens ausgeübte Tätigkeit, die in der Beschaffung, der Lagerung, der Abgabe oder Ausfuhr von Arzneimitteln besteht, mit Ausnahme der Abgabe von Arzneimitteln an andere Verbraucher als Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte oder Krankenhäuser.

(22a) Arzneimittelvermittlung ist jede berufs- oder gewerbsmäßig ausgeübte Tätigkeit von Personen, die, ohne Großhandel zu betreiben, selbstständig und im fremden Namen mit Arzneimitteln handeln, ohne tatsächliche Verfügungsgewalt über die Arzneimittel zu erlangen.

(23) Klinische Prüfung ist eine solche im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 1; L 311 vom 17.11.2016, S. 25). Keine klinische Prüfung ist eine nichtinterventionelle Studie im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 4 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.

(24) Sponsor ist eine Person, ein Unternehmen, eine Einrichtung oder eine Organisation im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 14 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.

(25) Prüfer ist eine Person im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 15 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014. Hauptprüfer ist eine Person im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 16 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.

(26) Homöopathisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel, das nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist. Ein homöopathisches Arzneimittel kann auch mehrere Wirkstoffe enthalten.

(27) Ein mit der Anwendung des Arzneimittels verbundenes Risiko ist

a)
jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten oder die öffentliche Gesundheit,
b)
jedes Risiko unerwünschter Auswirkungen auf die Umwelt.

(28) Das Nutzen-Risiko-Verhältnis umfasst eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko nach Absatz 27 Buchstabe a.

(29) Pflanzliche Arzneimittel sind Arzneimittel, die als Wirkstoff ausschließlich einen oder mehrere pflanzliche Stoffe oder eine oder mehrere pflanzliche Zubereitungen oder eine oder mehrere solcher pflanzlichen Stoffe in Kombination mit einer oder mehreren solcher pflanzlichen Zubereitungen enthalten.

(30) Gewebezubereitungen sind Arzneimittel, die Gewebe im Sinne von § 1a Nr. 4 des Transplantationsgesetzes sind oder aus solchen Geweben hergestellt worden sind. Menschliche Samen- und Eizellen (Keimzellen) sowie imprägnierte Eizellen und Embryonen sind weder Arzneimittel noch Gewebezubereitungen.

(30a) Einheitlicher Europäischer Code oder „SEC“ ist die eindeutige Kennnummer für in der Europäischen Union verteilte Gewebe oder Gewebezubereitungen gemäß Anhang VII der Richtlinie 2006/86/EG der Kommission vom 24. Oktober 2006 zur Umsetzung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, der Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und unerwünschter Reaktionen sowie bestimmter technischer Anforderungen an die Kodierung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen (ABl. L 294 vom 25.10.2006, S. 32), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2015/565 (ABl. L 93 vom 9.4.2015, S. 43) geändert worden ist.

(30b) EU-Gewebeeinrichtungs-Code ist die eindeutige Kennnummer für Gewebeeinrichtungen in der Europäischen Union. Für den Geltungsbereich dieses Gesetzes gilt er für alle Einrichtungen, die erlaubnispflichtige Tätigkeiten mit Geweben, Gewebezubereitungen oder mit hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut durchführen. Der EU-Gewebeeinrichtungs-Code besteht gemäß Anhang VII der Richtlinie 2006/86/EG aus einem ISO-Ländercode und der Gewebeeinrichtungsnummer des EU-Kompendiums der Gewebeeinrichtungen.

(30c) EU-Kompendium der Gewebeeinrichtungen ist das Register, in dem alle von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union genehmigten, lizenzierten, benannten oder zugelassenen Gewebeeinrichtungen enthalten sind und das die Informationen über diese Einrichtungen gemäß Anhang VIII der Richtlinie 2006/86/EG in der jeweils geltenden Fassung enthält. Für den Geltungsbereich dieses Gesetzes enthält das Register alle Einrichtungen, die erlaubnispflichtige Tätigkeiten mit Geweben, Gewebezubereitungen oder mit hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut durchführen.

(30d) EU-Kompendium der Gewebe- und Zellprodukte ist das Register aller in der Europäischen Union in Verkehr befindlichen Arten von Geweben, Gewebezubereitungen oder von hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut mit den jeweiligen Produktcodes.

(31) Rekonstitution eines Fertigarzneimittels ist die Überführung in seine anwendungsfähige Form unmittelbar vor seiner Anwendung gemäß den Angaben der Packungsbeilage oder im Rahmen der klinischen Prüfung nach Maßgabe des Prüfplans.

(32) Verbringen ist jede Beförderung in den, durch den oder aus dem Geltungsbereich des Gesetzes. Einfuhr ist die Überführung von unter das Arzneimittelgesetz fallenden Produkten aus Drittstaaten, die nicht Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, in den zollrechtlich freien Verkehr. Produkte gemäß Satz 2 gelten als eingeführt, wenn sie entgegen den Zollvorschriften in den Wirtschaftskreislauf überführt wurden. Ausfuhr ist jedes Verbringen in Drittstaaten, die nicht Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind.

(33) Anthroposophisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel, das nach der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis entwickelt wurde, nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren oder nach einem besonderen anthroposophischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist und das bestimmt ist, entsprechend den Grundsätzen der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis angewendet zu werden.

(34) Eine Unbedenklichkeitsstudie ist jede Studie zu einem zugelassenen Arzneimittel, die durchgeführt wird, um ein Sicherheitsrisiko zu ermitteln, zu beschreiben oder zu quantifizieren, das Sicherheitsprofil eines Arzneimittels zu bestätigen oder die Effizienz von Risikomanagement-Maßnahmen zu messen.

(35) (weggefallen)

(36) Das Risikomanagement-System umfasst Tätigkeiten im Bereich der Pharmakovigilanz und Maßnahmen, durch die Risiken im Zusammenhang mit einem Arzneimittel ermittelt, beschrieben, vermieden oder minimiert werden sollen; dazu gehört auch die Bewertung der Wirksamkeit derartiger Tätigkeiten und Maßnahmen.

(37) Der Risikomanagement-Plan ist eine detaillierte Beschreibung des Risikomanagement-Systems.

(38) Das Pharmakovigilanz-System ist ein System, das der Inhaber der Zulassung und die zuständige Bundesoberbehörde anwenden, um insbesondere den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen, und das der Überwachung der Sicherheit zugelassener Arzneimittel und der Entdeckung sämtlicher Änderungen des Nutzen-Risiko-Verhältnisses dient.

(39) Die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation ist eine detaillierte Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems, das der Inhaber der Zulassung auf eines oder mehrere zugelassene Arzneimittel anwendet.

(40) Ein gefälschtes Arzneimittel ist ein Arzneimittel mit falschen Angaben über

1.
die Identität, einschließlich seiner Verpackung, seiner Kennzeichnung, seiner Bezeichnung oder seiner Zusammensetzung in Bezug auf einen oder mehrere seiner Bestandteile, einschließlich der Hilfsstoffe und des Gehalts dieser Bestandteile,
2.
die Herkunft, einschließlich des Herstellers, das Herstellungsland, das Herkunftsland und den Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen oder den Inhaber der Zulassung oder
3.
den in Aufzeichnungen und Dokumenten beschriebenen Vertriebsweg.

(41) Ein gefälschter Wirkstoff ist ein Wirkstoff, dessen Kennzeichnung auf dem Behältnis nicht den tatsächlichen Inhalt angibt oder dessen Begleitdokumentation nicht alle beteiligten Hersteller oder nicht den tatsächlichen Vertriebsweg widerspiegelt.

(42) EU-Portal ist das gemäß Artikel 80 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 auf EU-Ebene eingerichtete und unterhaltene Portal für die Übermittlung von Daten und Informationen im Zusammenhang mit klinischen Prüfungen.

(1) Für Arzneimittel, die im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (Fertigarzneimittel) und deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes den Apotheken vorbehalten ist, werden durch diese Verordnung festgelegt

1.
die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken oder Tierärzte (§ 2),
2.
die Preisspannen sowie die Preise für besondere Leistungen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf (§§ 3, 6 und 7),
3.
die Preisspannen der Tierärzte bei der Abgabe im Wiederverkauf an Tierhalter (§ 10).

(2) Für Arzneimittel, die in Apotheken oder von Tierärzten hergestellt werden und deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 und 3 des Arzneimittelgesetzes den Apotheken vorbehalten ist, werden durch diese Verordnung festgelegt

1.
die Preisspannen sowie die Preise für besondere Leistungen der Apotheken (§§ 4 bis 7),
2.
die Preisspannen der Tierärzte (§ 10).

(3) Ausgenommen sind die Preisspannen und Preise der Apotheken, wenn es sich um eine Abgabe handelt

1.
durch Krankenhausapotheken, soweit es sich nicht um die Abgabe von parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur ambulanten Versorgung handelt,
2.
an Krankenhäuser und diesen nach § 14 Absatz 8 Satz 2 des Apothekengesetzes gleichgestellte Einrichtungen sowie an Justizvollzugsanstalten und Jugendarrestanstalten,
3.
an die in § 47 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 10 des Arzneimittelgesetzes genannten Personen und Einrichtungen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen,
3a.
von Impfstoffen, die zur Anwendung bei öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen im Sinne des § 20 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) bestimmt sind und diese Impfstoffe an Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte abgegeben werden, sofern es sich nicht um die Abgabe von saisonalen Grippeimpfstoffen an Ärzte handelt,
4.
von Impfstoffen, die zur Anwendung bei allgemeinen, insbesondere behördlichen oder betrieblichen Grippevorsorgemaßnahmen bestimmt sind,
5.
an Gesundheitsämter für Maßnahmen der Rachitisvorsorge,
6.
von Arzneimitteln, die zur Anwendung bei der Dialyse Nierenkranker bestimmt sind,
7.
von aus Fertigarzneimitteln auf Grund ärztlicher Verordnung entnommenen Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt,
8.
von Fertigarzneimitteln in parenteralen Zubereitungen.
Im Fall von Satz 1 Nummer 1 bleibt § 129a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch unberührt. Im Fall von Satz 1 Nr. 7 können Sozialleistungsträger, private Krankenversicherungen oder deren Verbände das Verfahren für die Berechnung der Apothekenabgabepreise für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel mit Apotheken oder deren Verbänden vereinbaren.

(4) Ausgenommen sind die Preisspannen und Preise von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

(1) Die Krankenkassen erhalten von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 7 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Für Arzneimittel nach Absatz 3b Satz 1 beträgt der Abschlag nach Satz 1 6 vom Hundert. Pharmazeutische Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten. Soweit pharmazeutische Großhändler nach Absatz 5 bestimmt sind, sind pharmazeutische Unternehmer verpflichtet, den Abschlag den pharmazeutischen Großhändlern zu erstatten. Der Abschlag ist den Apotheken und pharmazeutischen Großhändlern innerhalb von zehn Tagen nach Geltendmachung des Anspruches zu erstatten. Satz 1 gilt für Fertigarzneimittel, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz oder aufgrund des § 129 Absatz 3 Satz 3 oder Absatz 5a bestimmt sind, sowie für Arzneimittel, die nach § 129a abgegeben werden. Die Krankenkassen erhalten den Abschlag nach Satz 1 für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen, für Fertigarzneimittel, aus denen Teilmengen entnommen und abgegeben werden, sowie für Arzneimittel, die nach § 129a abgegeben werden, auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer, der bei Abgabe an Verbraucher auf Grund von Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz oder nach § 129 Absatz 3 Satz 3 gilt. Wird nur eine Teilmenge des Fertigarzneimittels abgerechnet, wird der Abschlag nur für diese Mengeneinheiten erhoben.

(1a) Vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2013 beträgt der Abschlag für verschreibungspflichtige Arzneimittel einschließlich Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen abweichend von Absatz 1 16 Prozent. Satz 1 gilt nicht für Arzneimittel nach Absatz 3b Satz 1. Die Differenz des Abschlags nach Satz 1 zu dem Abschlag nach Absatz 1 mindert die am 30. Juli 2010 bereits vertraglich vereinbarten Rabatte nach Absatz 8 entsprechend. Eine Absenkung des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer gegenüber dem Preisstand am 1. August 2009, die ab dem 1. August 2010 vorgenommen wird, mindert den Abschlag nach Satz 1 in Höhe des Betrags der Preissenkung, höchstens in Höhe der Differenz des Abschlags nach Satz 1 zu dem Abschlag nach Absatz 1; § 130a Absatz 3b Satz 2 zweiter Halbsatz gilt entsprechend. Für Arzneimittel, die nach dem 1. August 2009 in den Markt eingeführt wurden, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet. Hat ein pharmazeutischer Unternehmer für ein Arzneimittel, das im Jahr 2010 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben wurde und das dem erhöhten Abschlag nach Satz 1 unterliegt, auf Grund einer Preissenkung ab dem 1. August 2010 nicht den Abschlag gezahlt, obwohl die Preissenkung nicht zu einer Unterschreitung des am 1. August 2009 geltenden Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers um mindestens 10 Prozent geführt hat, gilt für die im Jahr 2011 abgegebenen Arzneimittel abweichend von Satz 1 ein Abschlag von 20,5 Prozent. Das gilt nicht, wenn der pharmazeutische Unternehmer den nach Satz 6 nicht gezahlten Abschlag spätestens bis zu dem Tag vollständig leistet, an dem der Abschlag für die im Dezember 2010 abgegebenen Arzneimittel zu zahlen ist. Der erhöhte Abschlag von 20,5 Prozent wird durch eine erneute Preissenkung gegenüber dem am 1. August 2009 geltenden Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers gemindert; Satz 4 gilt entsprechend.

(1b) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 erhalten die Krankenkassen von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2023 einen Abschlag in Höhe von 12 Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Ist der Abschlag nach Absatz 1 Satz 1 in einer Erstattungsbetragsvereinbarung nach § 130b abgelöst worden, erhalten die Krankenkassen von Apotheken einen Abschlag in Höhe von 5 Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Die Abschläge nach den Sätzen 1 und 2 können durch eine ab dem 12. November 2022 abgeschlossene Erstattungsbetragsvereinbarung nach § 130b abgelöst werden, sofern dies ausdrücklich vereinbart ist.

(2) Die Krankenkassen erhalten von den Apotheken für die zu ihren Lasten abgegebenen Impfstoffe für Schutzimpfungen nach § 20i einen Abschlag auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer, mit dem der Unterschied zu einem geringeren durchschnittlichen Preis nach Satz 2 je Mengeneinheit ausgeglichen wird. Der durchschnittliche Preis je Mengeneinheit ergibt sich aus den tatsächlich gültigen Abgabepreisen des pharmazeutischen Unternehmers in den vier Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder den anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, in denen der wirkstoffidentische Impfstoff abgegeben wird, mit den am nächsten kommenden Bruttonationaleinkommen, gewichtet nach den jeweiligen Umsätzen und Kaufkraftparitäten. Absatz 1 Satz 3 bis 5, Absätze 6 und 7 sowie § 131 Absätze 4 und 5 gelten entsprechend. Der pharmazeutische Unternehmer ermittelt die Höhe des Abschlags nach Satz 1 und den durchschnittlichen Preis nach Satz 2 und übermittelt dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf Anfrage die Angaben zu der Berechnung. Kann der Abschlag nach Satz 1 nicht ermittelt werden, gilt Absatz 1 Satz 1 entsprechend. Das Nähere regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Bei Preisvereinbarungen für Impfstoffe, für die kein einheitlicher Apothekenabgabepreis nach den Preisvorschriften auf Grund des Arzneimittelgesetzes oder nach § 129 Absatz 3 Satz 3 gilt, darf höchstens ein Betrag vereinbart werden, der dem entsprechenden Apothekenabgabepreis abzüglich des Abschlags nach Satz 1 entspricht.

(3) Die Absätze 1, 1a, 1b und 2 gelten nicht für Arzneimittel, für die ein Festbetrag auf Grund des § 35 festgesetzt ist.

(3a) Erhöht sich der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer gegenüber dem Preisstand am 1. August 2009, erhalten die Krankenkassen für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel ab dem 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2026 einen Abschlag in Höhe des Betrages der Preiserhöhung; dies gilt nicht für Arzneimittel, für die ein Festbetrag auf Grund des § 35 festgesetzt ist. Zur Berechnung des Abschlags nach Satz 1 ist der Preisstand vom 1. August 2009 erstmalig am 1. Juli 2018 und jeweils am 1. Juli der Folgejahre um den Betrag anzuheben, der sich aus der Veränderung des vom Statistischen Bundesamt festgelegten Verbraucherpreisindex für Deutschland im Vergleich zum Vorjahr ergibt. Für Arzneimittel, die nach dem 1. August 2010 in den Markt eingeführt werden, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet. Bei Neueinführungen eines Arzneimittels, für das der pharmazeutische Unternehmer bereits ein Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in Verkehr gebracht hat, ist der Abschlag auf Grundlage des Preises je Mengeneinheit der Packung zu berechnen, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten kommt; dies gilt nicht für die Neueinführung eines Immunglobulins menschlicher Herkunft, für das nach dem 31. Dezember 2018 eine Zulassung nach § 25 Absatz 1 des Arzneimittelgesetzes oder eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 oder Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt wurde, mit Ausnahme der Zulassung von anderen Stärken oder Ausbietungen. Satz 4 gilt entsprechend bei Änderungen zu den Angaben des pharmazeutischen Unternehmers oder zum Mitvertrieb durch einen anderen pharmazeutischen Unternehmer. Für importierte Arzneimittel, die nach § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 abgegeben werden, gilt abweichend von Satz 1 ein Abrechnungsbetrag von höchstens dem Betrag, welcher entsprechend den Vorgaben des § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 niedriger ist als der Arzneimittelabgabepreis des Bezugsarzneimittels einschließlich Mehrwertsteuer, unter Berücksichtigung von Abschlägen für das Bezugsarzneimittel aufgrund dieser Vorschrift. Abschläge nach den Absätzen 1, 1a, 1b und 3b werden zusätzlich zu dem Abschlag nach den Sätzen 1 bis 5 erhoben. Rabattbeträge, die auf Preiserhöhungen nach den Absätzen 1, 1b und 3b zu gewähren sind, vermindern den Abschlag nach den Sätzen 1 bis 6 entsprechend. Für die Abrechnung des Abschlags nach den Sätzen 1 bis 6 gelten die Absätze 1, 5 bis 7 und 9 entsprechend. Absatz 4 findet Anwendung. Das Nähere regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen ab dem 13. Mai 2017 im Benehmen mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene. Der Abschlag nach Satz 1 gilt entsprechend für Arzneimittel, die nach § 129a abgegeben werden; Absatz 1 Satz 7 gilt entsprechend. Für Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass der Preisstand des 1. September 2020 Anwendung findet. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31. Dezember 2023 einen Bericht über die Auswirkungen von Satz 4 zweiter Halbsatz vorzulegen.

(3b) Für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel erhalten die Krankenkassen ab dem 1. April 2006 einen Abschlag von 10 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer; für preisgünstige importierte Arzneimittel gilt Absatz 3a Satz 6 entsprechend. Eine Absenkung des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer, die ab dem 1. Januar 2007 vorgenommen wird, vermindert den Abschlag nach Satz 1 in Höhe des Betrages der Preissenkung; wird der Preis innerhalb der folgenden 36 Monate erhöht, erhöht sich der Abschlag nach Satz 1 um den Betrag der Preiserhöhung ab der Wirksamkeit der Preiserhöhung bei der Abrechnung mit der Krankenkasse. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 30 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht für Preiserhöhungen, die sich aus der Anhebung des Preisstands vom 1. August 2009 nach Absatz 3a Satz 2 ergeben. Absatz 3a Satz 8 bis 11 gilt entsprechend. Satz 2 gilt nicht für ein Arzneimittel, dessen Abgabepreis nach Satz 1 im Zeitraum von 36 Monaten vor der Preissenkung erhöht worden ist; Preiserhöhungen vor dem 1. Dezember 2006 sind nicht zu berücksichtigen. Für ein Arzneimittel, dessen Preis einmalig zwischen dem 1. Dezember 2006 und dem 1. April 2007 erhöht und anschließend gesenkt worden ist, kann der pharmazeutische Unternehmer den Abschlag nach Satz 1 durch eine ab 1. April 2007 neu vorgenommene Preissenkung von mindestens 10 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer ablösen, sofern er für die Dauer von zwölf Monaten ab der neu vorgenommenen Preissenkung einen weiteren Abschlag von 2 vom Hundert des Abgabepreises nach Satz 1 gewährt.

(3c) Wird ein Arzneimittel in den Markt eingeführt, für das nach Absatz 3a Satz 4 oder Satz 5 ein Abschlag nach Absatz 3a Satz 1 anfällt, kann der pharmazeutische Unternehmer beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen eine Befreiung vom Abschlag nach Absatz 3a Satz 1 beantragen. Der Antrag ist zu begründen. Die Befreiung ist zu erteilen, wenn für das in den Markt eingeführte Arzneimittel eine neue arzneimittelrechtliche Genehmigung erteilt wurde, die im Vergleich zu bereits zugelassenen Arzneimitteln mit demselben Wirkstoff eine neue Patientengruppe oder ein neues Anwendungsgebiet erfasst und wenn eine Verbesserung der Versorgung zu erwarten ist. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen entscheidet über den Antrag innerhalb von acht Wochen nach Eingang. Die Entscheidung ist zusammen mit den tragenden Gründen und dem Antrag unverzüglich mit einer Frist von vier Wochen dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung zu übermitteln. Erteilt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen die Befreiung oder wird die Entscheidung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen durch die Entscheidung des Bundesministeriums für Gesundheit ersetzt, vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung gegenüber dem pharmazeutischen Unternehmer mit dem pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung mit Wirkung für alle Krankenkassen einen Herstellerabgabepreis für das Arzneimittel. Die Krankenkassen erhalten den Abschlag nach Absatz 3a Satz 1 bis zum Zeitpunkt der Vereinbarung eines neuen Herstellerabgabepreises.

(3d) Für in § 35 Absatz 1a Satz 2 genannte Arzneimittel, für die nach Absatz 1a Satz 4 ein fiktiver Festbetrag festgesetzt wurde, bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis aus dem um 50 Prozent angehobenen fiktiven Festbetrag auf Grundlage des Abgabepreises der pharmazeutischen Unternehmer ohne Mehrwertsteuer. Für in § 35 Absatz 5 Satz 8 genannte Arzneimittel bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis aus den um 50 Prozent angehobenen Festbetrag auf Grundlage des Abgabepreises der pharmazeutischen Unternehmer ohne Mehrwertsteuer, der zuletzt für das Arzneimittel galt. Für Arzneimittel, die in der nach § 35 Absatz 5a Satz 1 erstellten Liste aufgeführt sind und deren Festbetrag aufgehoben wurde, bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis entsprechend des Satzes 2. Für Arzneimittel, die in der nach § 35 Absatz 5a Satz 1 erstellten Liste aufgeführt sind und für die zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der nach § 35 Absatz 5a Satz 1 erstellten Liste oder der Änderung dieser Liste kein Festbetrag galt, bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis aus dem um 50 Prozent angehobenen zuletzt geltenden Preisstand gemäß Absatz 3a. Für Arzneimittel, für die das Bundesministerium für Gesundheit eine Bestimmung nach § 35 Absatz 5b Satz 3 getroffen hat und für die zum Zeitpunkt der Bekanntmachung dieser Bestimmung kein Festbetrag galt, bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis aus dem um 50 Prozent angehobenen zuletzt geltenden Preisstand gemäß Absatz 3a. Die Sätze 1 bis 5 finden ab dem 1. Februar 2024 Anwendung.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit hat nach einer Überprüfung der Erforderlichkeit der Abschläge nach den Absätzen 1, 1a, 1b und 3a nach Maßgabe des Artikels 4 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme die Abschläge durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates aufzuheben oder zu verringern, wenn und soweit diese nach der gesamtwirtschaftlichen Lage, einschließlich ihrer Auswirkung auf die gesetzliche Krankenversicherung, nicht mehr gerechtfertigt sind. Über Anträge pharmazeutischer Unternehmer nach Artikel 4 der in Satz 1 genannten Richtlinie auf Ausnahme von den nach den Absätzen 1, 1a, 1b und 3a vorgesehenen Abschlägen entscheidet das Bundesministerium für Gesundheit. Das Vorliegen eines Ausnahmefalls und der besonderen Gründe sind im Antrag hinreichend darzulegen. § 34 Absatz 6 Satz 3 bis 5 und 7 gilt entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann Sachverständige mit der Prüfung der Angaben des pharmazeutischen Unternehmers beauftragen. Dabei hat es die Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sicherzustellen. § 137g Absatz 1 Satz 7 bis 9 und 13 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die tatsächlich entstandenen Kosten auf der Grundlage pauschalierter Kostensätze berechnet werden können. Das Bundesministerium für Gesundheit kann die Aufgaben nach den Sätzen 2 bis 7 auf eine Bundesoberbehörde übertragen.

(5) Der pharmazeutische Unternehmer kann berechtigte Ansprüche auf Rückzahlung der Abschläge nach den Absätzen 1, 1a, 1b, 2, 3a und 3b gegenüber der begünstigten Krankenkasse geltend machen.

(6) Zum Nachweis des Abschlags übermitteln die Apotheken die Arzneimittelkennzeichen über die abgegebenen Arzneimittel sowie deren Abgabedatum auf der Grundlage der den Krankenkassen nach § 300 Abs. 1 übermittelten Angaben maschinenlesbar an die pharmazeutischen Unternehmer oder, bei einer Vereinbarung nach Absatz 5, an die pharmazeutischen Großhändler. Die pharmazeutischen Unternehmer sind verpflichtet, die erforderlichen Angaben zur Bestimmung des Abschlags an die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Apotheker sowie den Spitzenverband Bund der Krankenkassen zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben auf maschinell lesbaren Datenträgern zu übermitteln. Die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Apotheker, der pharmazeutischen Großhändler und der pharmazeutischen Unternehmer können in einem gemeinsamen Rahmenvertrag das Nähere regeln.

(7) Die Apotheke kann den Abschlag nach Ablauf der Frist nach Absatz 1 Satz 4 gegenüber pharmazeutischen Großhändlern verrechnen. Pharmazeutische Großhändler können den nach Satz 1 verrechneten Abschlag, auch in pauschalierter Form, gegenüber den pharmazeutischen Unternehmern verrechnen.

(8) Die Krankenkassen oder ihre Verbände können mit pharmazeutischen Unternehmern Rabatte für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel vereinbaren. Dabei kann insbesondere eine mengenbezogene Staffelung des Preisnachlasses, ein jährliches Umsatzvolumen mit Ausgleich von Mehrerlösen oder eine Erstattung in Abhängigkeit von messbaren Therapieerfolgen vereinbart werden. Verträge nach Satz 1 über patentfreie Arzneimittel sind so zu vereinbaren, dass die Pflicht des pharmazeutischen Unternehmers zur Gewährleistung der Lieferfähigkeit frühestens sechs Monate nach Versendung der Information nach § 134 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und frühestens drei Monate nach Zuschlagserteilung beginnt. Der Bieter, dessen Angebot berücksichtigt werden soll, ist zeitgleich zur Information nach § 134 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen über die geplante Annahme des Angebots zu informieren. Rabatte nach Satz 1 sind von den pharmazeutischen Unternehmern an die Krankenkassen zu vergüten. Eine Vereinbarung nach Satz 1 berührt die Abschläge nach den Absätzen 3a und 3b nicht; Abschläge nach den Absätzen 1, 1a und 2 können abgelöst werden, sofern dies ausdrücklich vereinbart ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände können Leistungserbringer oder Dritte am Abschluss von Verträgen nach Satz 1 beteiligen oder diese mit dem Abschluss solcher Verträge beauftragen. Die Vereinbarung von Rabatten nach Satz 1 soll für eine Laufzeit von zwei Jahren erfolgen. In den Vereinbarungen nach Satz 1 sind die Vielfalt der Anbieter und die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten zu berücksichtigen. In den Vereinbarungen nach Satz 1 über patentfreie Arzneimittel, die nach den Vorschriften des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen geschlossen werden, ist eine kontinuierliche versorgungsnahe Bevorratung der von der jeweiligen Vereinbarung erfassten Arzneimittel in einem Umfang zu vereinbaren, der der voraussichtlich innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ab dem Abschluss der Vereinbarung durchschnittlich abzugebenden Menge dieser Arzneimittel entspricht. Als versorgungsnah gilt eine Bevorratung in der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes. Innerhalb der letzten sechs Monate vor Ende der Vertragslaufzeit der Vereinbarung nach Satz 1 darf die Bevorratung der von der jeweiligen Vereinbarung erfassten Arzneimittel unter Sicherstellung der bedarfsgerechten, angemessenen und kontinuierlichen Belieferung nach § 52b Absatz 1 und 2 Satz 1 des Arzneimittelgesetzes schrittweise reduziert werden. Satz 1 gilt nicht für Impfstoffe für Schutzimpfungen nach § 20i und die in der nach § 35 Absatz 5a Satz 1 erstellten Liste aufgeführten Arzneimittel zur Behandlung von Kindern.

(8a) Zur Vermeidung von Lieferengpässen und zur Sicherstellung einer diversifizierten, bedarfsgerechten Versorgung mit patentfreien Antibiotika bilden die Krankenkassen oder ihre Verbände für die Vergabe von Vereinbarungen nach Absatz 8 Satz 1 für diese Arzneimittel Lose nach § 97 Absatz 4 Satz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Die Krankenkassen oder ihre Verbände legen jeweils die für die Gewährleistung der Liefersicherheit erforderliche Anzahl der Lose fest. Abweichend von § 97 Absatz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Verbindung mit § 69 Absatz 3 schreiben die Krankenkassen oder ihre Verbände mindestens die Hälfte der Lose so aus, dass Rabatte für die in Satz 1 genannten Arzneimittel mit pharmazeutischen Unternehmern nach Absatz 8 Satz 1 vereinbart werden, die für die Herstellung dieser Arzneimittel in der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes produzierte Wirkstoffe verwenden. Der Verwendung von in der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes produzierten Wirkstoffen für die Herstellung der in Satz 1 genannten Arzneimittel steht die Verwendung von in einem Staat produzierten Wirkstoffen für die Herstellung der in Satz 1 genannten Arzneimittel gleich, sofern

1.
dieser Staat der dem Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen von 1994 (ABl. C 256 vom 3.9.1996, S. 1), das durch das Protokoll zur Änderung des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (ABl. L 68 vom 7.3.2014, S. 2) geändert worden ist, oder anderen, für die Europäische Union bindenden internationalen Übereinkommen beigetreten ist,
2.
der jeweilige öffentliche Auftrag in den Anwendungsbereich des jeweiligen Übereinkommens fällt und
3.
mindestens die Hälfte der zur Erfüllung der Vereinbarung nach Absatz 8 Satz 1 benötigten Wirkstoffe für die Herstellung der in Satz 1 genannten Arzneimittel in der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes produziert wird.
Die Beschränkungen nach den Sätzen 3 und 4 müssen mit Hinweis auf diese Vorschriften in der Auftragsbekanntmachung und den Vergabeunterlagen aufgeführt werden. Die übrigen Lose schreiben die Krankenkassen oder ihre Verbände so aus, dass Vereinbarungen nach Absatz 8 Satz 1 für die in Satz 1 genannten Arzneimittel mit mehr als einem pharmazeutischen Unternehmer geschlossen werden. Die Lose nach Satz 3 ermöglichen dieselbe Liefermenge wie die Lose nach Satz 6. Gehen in einem der nach Satz 3 oder Satz 6 ausgeschriebenen Lose keine oder keine zuschlagsfähigen Angebote ein, hat dies keinen Einfluss auf die Erteilung des Zuschlags in den anderen nach Satz 3 oder Satz 6 ausgeschriebenen Losen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erteilt den Krankenkassen oder ihren Verbänden auf Antrag Auskunft zur Herstellungsstätte des bei der Herstellung des rabattierten Arzneimittels tatsächlich verwendeten Wirkstoffs eines pharmazeutischen Unternehmers, wenn dies für die Entscheidung über den Zuschlag oder die Überprüfung der Erfüllung der Vereinbarung nach Absatz 8 Satz 1 erforderlich ist. Sofern Arzneimittel im Zuständigkeitsbereich des Paul-Ehrlich-Instituts betroffen sind, erfolgt die Erteilung der Auskunft im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut.

(8b) Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kann nach Anhörung des nach § 52b Absatz 3b Satz 1 des Arzneimittelgesetzes eingerichteten Beirats dem Bundesministerium für Gesundheit empfehlen, einzelne patentfreie Arzneimittel mit in der Liste nach § 52b Absatz 3c Satz 1 des Arzneimittelgesetzes aufgeführten versorgungskritischen Wirkstoffen oder patentfreie Arzneimittel mit versorgungskritischen Wirkstoffen eines bestimmten Anwendungsbereichs als Arzneimittel mit drohender oder bestehender versorgungsrelevanter Marktkonzentration einzustufen. Sofern Wirkstoffe im Zuständigkeitsbereich des Paul-Ehrlich-Instituts betroffen sind, erfolgt die Empfehlung im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut. Auf der Grundlage der Empfehlung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte kann das Bundesministerium für Gesundheit nach Anhörung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen einzelne patentfreie Arzneimittel mit in der Liste nach § 52b Absatz 3c Satz 1 des Arzneimittelgesetzes aufgeführten versorgungskritischen Wirkstoffen oder patentfreie Arzneimittel mit versorgungskritischen Wirkstoffen eines bestimmten Anwendungsbereichs als Arzneimittel mit drohender oder bestehender versorgungsrelevanter Marktkonzentration einstufen. Die Einstufung ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Absatz 8a ist auch auf patentfreie Arzneimittel, die nach Satz 3 als Arzneimittel mit drohender oder bestehender versorgungsrelevanter Marktkonzentration eingestuft wurden, anzuwenden.

(8c) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen können zur Versorgung ihrer Versicherten mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten mit pharmazeutischen Unternehmern Rabatte für die jeweils verwendeten Fertigarzneimittel vereinbaren. Vereinbarungen nach Satz 1 müssen von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich geschlossen werden. Absatz 8 Satz 2 bis 9 gilt entsprechend. In den Vereinbarungen nach Satz 1 ist die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten zu berücksichtigen.

(9) Pharmazeutische Unternehmer können einen Antrag nach Absatz 4 Satz 2 auch für ein Arzneimittel stellen, das zur Behandlung eines seltenen Leidens nach der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 zugelassen ist. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn der Antragsteller nachweist, dass durch einen Abschlag nach den Absätzen 1, 1a, 1b und 3a seine Aufwendungen insbesondere für Forschung und Entwicklung für das Arzneimittel nicht mehr finanziert werden.

(1) Arzneimittel, die nicht durch die Vorschriften des § 44 oder der nach § 45 Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, dürfen außer in den Fällen des § 47 berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden; das Nähere regelt das Apothekengesetz. Außerhalb der Apotheken darf außer in den Fällen des § 47 Abs. 1 mit den nach Satz 1 den Apotheken vorbehaltenen Arzneimitteln kein Handel getrieben werden. Die Angaben über die Ausstellung oder Änderung einer Erlaubnis zum Versand von Arzneimitteln nach Satz 1 sind in die Datenbank nach § 67a einzugeben.

(2) Die nach Absatz 1 Satz 1 den Apotheken vorbehaltenen Arzneimittel dürfen von juristischen Personen, nicht rechtsfähigen Vereinen und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts an ihre Mitglieder nicht abgegeben werden, es sei denn, dass es sich bei den Mitgliedern um Apotheken oder um die in § 47 Abs. 1 genannten Personen und Einrichtungen handelt und die Abgabe unter den dort bezeichneten Voraussetzungen erfolgt.

(3) Auf Verschreibung dürfen Arzneimittel nur von Apotheken abgegeben werden.

(3a) Abweichend von den Absätzen 1 bis 3 dürfen ärztliche Einrichtungen, die auf die Behandlung von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie spezialisiert sind, in ihren Räumlichkeiten einen Vorrat an Arzneimitteln zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie für den unvorhersehbaren und dringenden Bedarf (Notfallvorrat) bereithalten. Im Rahmen der Notfallversorgung darf ein hämostaseologisch qualifizierter Arzt Arzneimittel aus dem Notfallvorrat nach Satz 1 an Patienten oder Einrichtungen der Krankenversorgung abgeben.

(4) (weggefallen)

(5) (weggefallen)

(6) (weggefallen)

(1) Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler dürfen Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an

1.
andere pharmazeutische Unternehmer und Großhändler,
2.
Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich handelt um
a)
aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen mit Ausnahme von Gerinnungsfaktorenzubereitungen,
b)
Gewebezubereitungen oder tierisches Gewebe,
c)
Infusionslösungen in Behältnissen mit mindestens 500 ml, die zum Ersatz oder zur Korrektur von Körperflüssigkeit bestimmt sind, sowie Lösungen zur Hämodialyse und Peritonealdialyse, die, soweit es sich um Lösungen zur Peritonealdialyse handelt, auf Verschreibung des nephrologisch qualifizierten Arztes im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung seiner Dialysepatienten an diese abgegeben werden dürfen,
d)
Zubereitungen, die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen,
e)
medizinische Gase, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist,
f)
radioaktive Arzneimittel,
g)
Arzneimittel, die mit dem Hinweis "Zur klinischen Prüfung bestimmt" versehen sind, sofern sie kostenlos zur Verfügung gestellt werden,
h)
Blutegel und Fliegenlarven, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist, oder
i)
Arzneimittel, die im Falle des § 21 Absatz 2 Nummer 3 zur Verfügung gestellt werden,
3.
Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte, soweit es sich um Impfstoffe handelt, die dazu bestimmt sind, bei einer unentgeltlichen auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) durchgeführten Schutzimpfung angewendet zu werden oder soweit eine Abgabe von Impfstoffen zur Abwendung einer Seuchen- oder Lebensgefahr erforderlich ist,
3a.
spezielle Gelbfieber-Impfstellen gemäß § 7 des Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005), soweit es sich um Gelbfieberimpfstoff handelt,
3b.
Krankenhäuser und Gesundheitsämter, soweit es sich um Arzneimittel mit antibakterieller oder antiviraler Wirkung handelt, die dazu bestimmt sind, auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes zur spezifischen Prophylaxe gegen übertragbare Krankheiten angewendet zu werden,
3c.
Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen im Einzelfall benannte Stellen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für den Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, bevorratet werden,
4.
Veterinärbehörden, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die zur Durchführung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen bestimmt sind,
5.
auf gesetzlicher Grundlage eingerichtete oder im Benehmen mit dem Bundesministerium von der zuständigen Behörde anerkannte zentrale Beschaffungsstellen für Arzneimittel,
5a.
durch Landesrecht bestimmte Betreiber der Luftrettung, soweit es sich um aus menschlichem Blut gewonnene Erythrozytenkonzentrate handelt,
6.
Tierärzte im Rahmen des Betriebes einer tierärztlichen Hausapotheke, soweit es sich um Fertigarzneimittel handelt, zur Anwendung an den von ihnen behandelten Tieren und zur Abgabe an deren Halter,
7.
zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigte Personen, soweit es sich um Fertigarzneimittel, die ausschließlich in der Zahnheilkunde verwendet und bei der Behandlung am Patienten angewendet werden, oder um medizinische Gase handelt,
8.
Einrichtungen von Forschung und Wissenschaft, denen eine Erlaubnis nach § 3 des Betäubungsmittelgesetzes erteilt worden ist, die zum Erwerb des betreffenden Arzneimittels berechtigt,
9.
Hochschulen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung der Studierenden der Pharmazie und der Veterinärmedizin benötigt werden,
10.
staatlich anerkannte Lehranstalten für pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten, sofern es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung benötigt werden.

(2) Die in Absatz 1 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Empfänger dürfen die Arzneimittel nur für den eigenen Bedarf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben beziehen. Die in Absatz 1 Nr. 5 bezeichneten zentralen Beschaffungsstellen dürfen nur anerkannt werden, wenn nachgewiesen wird, dass sie unter fachlicher Leitung eines Apothekers stehen und geeignete Räume und Einrichtungen zur Prüfung, Kontrolle und Lagerung der Arzneimittel vorhanden sind.

(3) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels abgeben oder abgeben lassen an

1.
Ärzte oder Zahnärzte,
2.
andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde beim Menschen berufsmäßig ausüben, soweit es sich nicht um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt,
3.
Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe.
Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe nur in einem dem Zweck der Ausbildung angemessenen Umfang abgeben oder abgeben lassen. Muster dürfen keine Stoffe oder Zubereitungen
1.
im Sinne des § 2 des Betäubungsmittelgesetzes, die als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind, oder
2.
die nach § 48 Absatz 2 Satz 3 nur auf Sonderrezept verschrieben werden dürfen,
enthalten.

(4) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Personen nach Absatz 3 Satz 1 nur auf jeweilige schriftliche oder elektronische Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen. Mit den Mustern ist die Fachinformation, soweit diese nach § 11a vorgeschrieben ist, zu übersenden. Das Muster dient insbesondere der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels. Über die Empfänger von Mustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe von Mustern sind gesondert für jeden Empfänger Nachweise zu führen und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.

(1) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel oder in Apotheken im Wiederverkauf abgegeben werden,
2.
Preise für Arzneimittel, die in Apotheken hergestellt und abgegeben werden, sowie für Abgabegefäße,
3.
Preise für besondere Leistungen der Apotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln
festzusetzen. Abweichend von Satz 1 wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Anteil des Festzuschlags, der nicht der Förderung der Sicherstellung des Notdienstes dient, entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung anzupassen. Die Preisvorschriften für den Großhandel aufgrund von Satz 1 Nummer 1 gelten auch für pharmazeutische Unternehmer oder andere natürliche oder juristische Personen, die eine Tätigkeit nach § 4 Absatz 22 ausüben bei der Abgabe an Apotheken, die die Arzneimittel zur Abgabe an den Verbraucher beziehen.

(2) Die Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen; zu den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher gehört auch die Sicherstellung der Versorgung sowie die Bereitstellung von Arzneimitteln nach § 52b. Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten. Satz 2 gilt nicht für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(3) Für Arzneimittel nach Absatz 2 Satz 2, für die durch die Verordnung nach Absatz 1 Preise und Preisspannen bestimmt sind, haben die pharmazeutischen Unternehmer einen einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen; für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden, haben die pharmazeutischen Unternehmer zum Zwecke der Abrechnung der Apotheken mit den Krankenkassen ihren einheitlichen Abgabepreis anzugeben, von dem bei der Abgabe im Einzelfall abgewichen werden kann. Sozialleistungsträger, private Krankenversicherungen sowie deren jeweilige Verbände können mit pharmazeutischen Unternehmern für die zu ihren Lasten abgegebenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel Preisnachlässe auf den einheitlichen Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers vereinbaren. Bei der Abgabe von Arzneimitteln, bei der die Preise und Preispannen gemäß der Verordnung nach Absatz 1 von der Festsetzung ausgenommen sind, darf der einheitliche Abgabepreis nach Satz 1 nicht überschritten werden.

(3a) Gilt für ein Arzneimittel ein Erstattungsbetrag nach § 130b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, gibt der pharmazeutische Unternehmer das Arzneimittel zum Erstattungsbetrag ab. Abweichend von Satz 1 kann der pharmazeutische Unternehmer das Arzneimittel zu einem Betrag unterhalb des Erstattungsbetrages abgeben; die Verpflichtung in Absatz 3 Satz 1 erster Halbsatz bleibt unberührt. Der Abgabepreis nach Satz 1 oder Satz 2 gilt auch für Personen, die das Arzneimittel nicht als Versicherte einer gesetzlichen Krankenkasse im Wege der Sachleistung erhalten. In den Fällen, die nicht vom Ausgleich nach § 130b Absatz 3a Satz 9 oder Absatz 4 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch erfasst sind, kann die natürliche oder juristische Person, die das Arzneimittel vom pharmazeutischen Unternehmer erworben hat, von dem pharmazeutischen Unternehmer den Ausgleich der Differenz zwischen dem nach § 130b Absatz 3a oder Absatz 4 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch geltenden Erstattungsbetrag und dem bis zu dessen Vereinbarung oder Festsetzung tatsächlich gezahlten Abgabepreis einschließlich der zu viel entrichteten Zuschläge nach der Arzneimittelpreisverordnung und der zu viel entrichteten Umsatzsteuer verlangen.

(4) Bei Arzneimitteln, die im Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, durch Apotheken abgegeben werden und die zu diesem Zweck nach § 47 Absatz 1 Nummer 3c bevorratet wurden, gilt als Grundlage für die nach Absatz 2 festzusetzenden Preise und Preisspannen der Länderabgabepreis. Entsprechendes gilt für Arzneimittel, die aus für diesen Zweck entsprechend bevorrateten Wirkstoffen in Apotheken hergestellt und in diesen Fällen abgegeben werden. In diesen Fällen gilt Absatz 2 Satz 2 auf Länderebene.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Abgabe des Arzneimittels "Berinert P" an Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dem Arzneimittelherstellerabschlag des § 130a SGB V unterliegt.

2

Die beklagte Gesellschaft betreibt ein pharmazeutisches Unternehmen; sie produziert und vertreibt das apotheken- und verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel Berinert P. Dieses Arzneimittel ist zur intravenösen Behandlung erblicher Angioödeme bestimmt und wird aus menschlichem Blutplasma gewonnen. In der Zeit von Januar bis Juni 2004 gab der klagende Apotheker das Mittel auf vertragsärztliche Verordnungen hin an Versicherte der beigeladenen Ersatzkasse ab, ohne anschließend seine Rechnungen an die Beigeladene jeweils um den Herstellerabschlag zu vermindern. Die Beigeladene zahlte zunächst den vollen Preis, kam aber später zu der Auffassung, dass für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel außerhalb der Festbetragsregelung, deren Preisgestaltung sich nach der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) richte, generell 16% Herstellerrabatt nach § 130a SGB V anfielen. Sie zog deshalb die nach ihrer Ansicht zu Unrecht nicht abgesetzten Beträge im Rahmen von Retaxierungen von späteren Abrechnungen ab, was der Kläger akzeptierte. Seiner Aufforderung, ihm den Herstellerrabatt zu erstatten, kam die Beklagte nicht nach. Diese vertrat die Ansicht, das Mittel sei als Blutplasmaprodukt ohne einheitlichen Herstellerabgabepreis vom Herstellerrabatt ausgenommen.

3

Das SG hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen, die Retaxierungen für rechtswidrig erachtet und deshalb die Beigeladene verurteilt, an den Kläger 2.805,92 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basisdiskontsatz der Europäischen Zentralbank ab 14.12.2005 zu zahlen (Urteil vom 6.6.2007). Das LSG hat auf die Berufung der Beigeladenen das Urteil des SG geändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.805,92 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basisdiskontsatz der Europäischen Zentralbank ab 11.8.2005 zu zahlen: Der Kläger hätte den Herstellerabschlag von seinen Abrechnungen gegenüber der Beigeladenen absetzen müssen, sodass dieser wegen der Überzahlungen ein aufrechnungsfähiger Erstattungsanspruch zugestanden habe, der zu Recht im Wege der Retaxierung geltend gemacht worden sei. Den Herstellerrabatt habe die Beklagte gegenüber dem Kläger auszugleichen. Berinert P gehöre zu den rabattierungspflichtigen Arzneimitteln. Apothekenpflichtige Fertigarzneimittel unterlägen nur dann nicht dem Preisrecht der AMPreisV, wenn sie an die in § 47 Abs 1 Nr 2a Arzneimittelgesetz (AMG) "genannten Personen und Einrichtungen" und "unter den dort bezeichneten Bedingungen" abgegeben würden. Das sei bei bestimmten Blutprodukten - wie zB Berinert P - nur bei der unmittelbaren Abgabe an Krankenhäuser und Ärzte der Fall. Hier habe dagegen eine Abgabe durch die Apotheke des Klägers an krankenversicherte Patienten auf der Grundlage vertragsärztlicher Verordnungen stattgefunden. Die Pflicht zur Gewährung des Herstellerrabatts hänge nicht davon ab, dass für alle zulässigen Abgabeformen ein einheitlicher Herstellerabgabepreis existiere (Urteil vom 29.1.2009).

4

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 130a SGB V. Seit dem 1.5.2006 regele § 130a Abs 1 Satz 5 SGB V, die bereits zuvor geltende Rechtslage klarstellend, dass der Herstellerrabatt nur für Fertigarzneimittel zu entrichten sei, für die auch die Arzneimittelpreisvorschriften(§ 78 AMG iVm AMPreisV) Anwendung fänden. Das sei bei Blutplasmaprodukten nicht der Fall, weil sie nach § 47 Abs 1 Nr 2a iVm § 43 Abs 3 AMG von der Apothekenpflicht ausgenommen seien. Die AMPreisV stelle nicht auf die konkrete Abgabe im Einzelfall ab, sondern auf die grundsätzliche Möglichkeit verschiedener Abgabewege; sie sei immer dann unanwendbar, wenn nach § 47 Abs 1 Nr 2a AMG - wie hier - allgemein auch eine Abgabe vom Arzneimittelhersteller an Ärzte und Krankenhäuser zugelassen sei. Die Interpretation des LSG widerspreche der Intention des § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V und verletze die Grundrechte betroffener Apotheker aus Art 12 Abs 2 und Art 3 Abs 1 GG. Die Auslegung bewirke, dass pharmazeutische Unternehmer ein Interesse daran hätten, zur Vermeidung des Herstellerrabatts möglichst nur noch direkte Lieferungen an Ärzte und Krankenhäuser vorzunehmen, nicht aber an Apotheken zur Weitergabe an die Versicherten.

5

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29.1.2009 zu ändern und die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 6.6.2007 zurückzuweisen.

6

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

hilfsweise,

das erstinstanzliche Urteil mit der Maßgabe wiederherzustellen, dass Zinsen bereits ab 11.8.2005 zu zahlen sind.

7

Die Beigeladene hält das Urteil des LSG ebenfalls für zutreffend und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

9

Der Klage liegen Retaxierungen durch die Beigeladene zugrunde, die zu Recht ausgesprochen worden sind. Gegen unstreitige Zahlungsansprüche des Klägers aus späteren Arzneimittelabgaben an ihre Versicherten durfte die Beigeladene mit den ihr aus der Zeit von Januar bis Juni 2004 zustehenden Ansprüchen auf Erstattung von Überzahlungen wegen nicht abgezogener Arzneimittelrabatte für das Fertigarzneimittel Berinert P aufrechnen. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Aufrechnungen sind nicht erhoben worden und lassen sich auch aus dem Akteninhalt nicht herleiten. Die Beigeladene hat sich zu Recht darauf gestützt, dass die in der Apotheke des Klägers erfolgte Abgabe von Berinert P an ihre Versicherten dem Arzneimittelherstellerrabatt des § 130a SGB V unterlag. Sie hat deshalb dem Kläger hierfür ohne Rechtsgrund einen Gesamtbetrag von 2.805,92 Euro gezahlt, dessen Erstattung sie aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs verlangen konnte. Diesen Betrag hat nunmehr die Beklagte dem Kläger zu erstatten.

10

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Zahlungsanspruchs ist § 130a Abs 1 Satz 2 und 4 SGB V in der für das Jahr 2004 noch anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der GKV und der gesetzlichen Rentenversicherung (BSSichG) vom 23.12.2002 (BGBl I 4637). Nach § 130a Abs 1 SGB V ist zu unterscheiden zwischen dem Rechtsverhältnis der Apotheken zu den Krankenkassen einerseits und dem Rechtsverhältnis der Apotheken zu den pharmazeutischen Unternehmen als Arzneimittelherstellern andererseits. Danach erhalten die Krankenkassen von Apotheken für seit dem 1.1.2003 zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen prozentualen Abschlag vom "Herstellerabgabepreis" (vgl § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V). Die Krankenkassen realisieren diesen Abschlag dadurch, dass sie die Apotheken-Rechnungen nur in dem um den Rabatt gekürzten Umfang bezahlen oder - wie hier - entsprechende Überzahlungen retaxieren. Im Gegenzug sind die pharmazeutischen Unternehmer verpflichtet, den Abschlag den Apotheken innerhalb von zehn Tagen nach Geltendmachung des Anspruches zu erstatten (vgl § 130a Abs 1 Satz 2 und 4 SGB V; zum Verfahren vgl BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 2 ff). Im Jahr 2004 betrug der Abschlag für verschreibungspflichtige Arzneimittel nach § 130a Abs 1a SGB V (eingeführt durch Art 1 Nr 1 GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003, BGBl I 2190) 16 vH.

11

Nach § 130a SGB V ist allerdings nur für solche Fertigarzneimittel ein Herstellerrabatt zu gewähren, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem AMG oder aufgrund des § 129a SGB V bestimmt sind. Dies ergibt sich seit dem 1.5.2006 ausdrücklich aus § 130a Abs 1 Satz 5 SGB V(eingefügt durch Art 1 Nr 7a Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung - AVWG - vom 26.4.2006, BGBl I 984), galt aber nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen auch bereits zuvor, was sich insbesondere den Gesetzesmaterialien zum AVWG (vgl BT-Drucks 16/691 S 17) entnehmen lässt, die insoweit nur von einer "Klarstellung" der schon bestehenden Rechtslage sprechen (so auch BSGE 101, 161 = SozR 4-2500 § 130a Nr 3 RdNr 15 ff mwN).

12

2. Der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat bereits entschieden, dass im Fall der vertragsärztlich verordneten Abgabe von Berinert P durch einen Apotheker an einen GKV-Versicherten der Krankenkasse ein Herstellerrabatt nach § 130a SGB V einzuräumen ist(Urteil vom 27.10.2009 - B 1 KR 7/09 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). In jener Entscheidung ging es um die - in allen Instanzen erfolglose - Klage eines Apothekers gegen eine Krankenkasse, die den Herstellerrabatt bei der Abgabe von Berinert P - aus Sicht des Apothekers zu Unrecht - für sich in Anspruch genommen hatte. Betroffen war also das in § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V angesprochene Rechtsverhältnis zwischen Apotheker und Krankenkasse ("Primärebene").

13

Dieses Rechtsverhältnis ist im vorliegenden Fall nicht betroffen. Der Kläger hat die Inanspruchnahme des Herstellerrabatts nach § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V durch die Beigeladene akzeptiert. Es geht vielmehr um das Rechtsverhältnis zwischen dem Apotheker, der einer Krankenkasse den Herstellerrabatt eingeräumt hat, und dem pharmazeutischen Unternehmer als Hersteller des Arzneimittels, das von dem Erstattungsanspruch nach § 130a Abs 1 Satz 2 und 4 SGB V erfasst wird ("Sekundärebene"). Der Erstattungsanspruch des Apothekers gegen den Hersteller setzt voraus, dass der Krankenkasse zu Recht der Herstellerrabatt nach § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V gewährt worden ist. Der Hersteller kann dabei zur Abwehr des Erstattungsanspruchs nach § 130a Abs 1 Satz 2 und 4 SGB V alle in Betracht kommenden Einwände tatsächlicher und rechtlicher Art geltend machen, also auch jene Einwände, die sich auf den Anspruch der Krankenkasse gegen den Apotheker auf den Preisabschlag nach § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V beziehen. Dies beruht darauf, dass der Hersteller an dem Abrechnungsverfahren zwischen Apotheker und Krankenkasse nicht selbst beteiligt ist.

14

Der 1. Senat hat in der erwähnten Entscheidung vom 27.10.2009 die gegen den Herstellerrabatt nach § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V gerichtete Klage des Apothekers für unbegründet erachtet: "Die Abgabe von verschreibungs- und apothekenpflichtigen, aus Blutplasma hergestellten Fertigarzneimitteln durch Apotheken an Endverbraucher auf ärztliche Verordnung hin unterliegt dem Arzneimittelherstellerrabatt unabhängig davon, dass es auch andere Vertriebsformen ohne Rabattierungspflicht gibt." Der erkennende 3. Senat teilt diese Auffassung. Der Rechtssatz gilt daher sowohl für den Rabattanspruch der Krankenkasse nach § 130a Abs 1 Satz 1 SGB V als auch für den Erstattungsanspruch des Apothekers nach § 130a Abs 1 Satz 2 und 4 SGB V.

15

3. Die Abgabe des Fertigarzneimittels Berinert P durch die Apotheke des Klägers an Versicherte der Beigeladenen (als Endverbraucher) in den Monaten Januar bis Juni 2004 unterlag den Preisvorschriften nach dem AMG.

16

a) Nach § 78 Abs 2 Satz 2 AMG ist ein - für den Endverbraucher maßgeblicher - einheitlicher Apothekenabgabepreis für alle Arzneimittel zu gewährleisten, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen und deshalb "apothekenpflichtig" sind (Regelung eingefügt durch Art 1 Nr 44 Viertes Gesetz zur Änderung des AMG vom 11.4.1990, BGBl I 717, mit Wirkung vom 20.4.1990). Die Einzelheiten sind auf der Grundlage des § 78 Abs 1 AMG in der AMPreisV(idF durch Art 2 § 12 Gesetz vom 20.7.2000, BGBl I 1045; hier anzuwenden idF von Art 24 Nr 1 GMG mWv 1.1.2004) geregelt. Die AMPreisV legt zwingend (vgl § 1 Abs 1 Nr 1 und 2 AMPreisV) ua für Fertigarzneimittel, deren Abgabe nach § 43 Abs 1 AMG den Apotheken vorbehalten ist, die "Großhandelszuschläge" (Preisspannen bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken) sowie die "Apothekenzuschläge" (Preisspannen bei der Abgabe im Wiederverkauf) fest(§§ 2 und 3 AMPreisV; vgl auch BSGE 101, 161 = SozR 4-2500 § 130a Nr 3, RdNr 18 ff; BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 3). Eine zusammenfassende Klarstellung der Rechtslage findet sich in § 78 Abs 3 Satz 1 AMG(idF durch Art 30 Nr 5 GKV-WSG; vgl dazu auch den Bericht des Ausschusses für Gesundheit/14. Ausschuss zum Gesetzentwurf eines GKV-WSG ua der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 16/4247 S 65 f). Danach ist ein einheitlicher Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers für alle Arzneimittel zu gewährleisten, soweit für diese verbindliche Preise und Preisspannen durch die AMPreisV bestimmt sind. Aus dem Herstellerabgabepreis sowie den Handelszuschlägen, die von der AMPreisV festlegt werden, ergibt sich für diese Arzneimittel ein einheitlicher, bei der Abgabe an den Endverbraucher verbindlicher Apothekenabgabepreis.

17

b) Berinert P wird von § 1 Abs 1 Nr 2 AMPreisV erfasst, weil es ein apotheken- und verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel ist. Nach § 1 Abs 1 Nr 2 AMPreisV werden ua für Arzneimittel, die im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (Fertigarzneimittel) und deren Abgabe nach § 43 AMG den Apotheken vorbehalten ist, die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken sowie die Preisspannen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf festgelegt. Gemäß § 43 Abs 1 AMG dürfen Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs 1 oder Abs 2 Nr 1 AMG, die nicht durch die Vorschriften des § 44 AMG oder der nach § 45 Abs 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, außer in den Fällen des § 47 AMG berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden; das Nähere regelt das Apothekengesetz. Berinert P ist ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs 1 Nr 1 AMG. Es ist nicht durch die Vorschriften des § 44 AMG oder der nach § 45 Abs 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben. Unschädlich ist, dass Berinert P der Sonderregelung des § 47 AMG unterfällt und deshalb berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nicht nur in Apotheken in den Verkehr gebracht werden darf, sondern auch die direkte Abgabe an Krankenhäuser und Ärzte erlaubt ist(§ 47 Abs 1 Nr 2a AMG).

18

aa) Anders als die Beklagte meint, sieht die Sonderregelung des § 47 AMG keine Ausnahme von der Apothekenpflicht des § 43 AMG vor. Vielmehr knüpft § 47 AMG an die in § 43 AMG geregelte Apothekenpflicht, wie der Einleitungssatz ("Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist …") zeigt, ausdrücklich an und normiert die Befugnis der pharmazeutischen Unternehmer und Großhändler, die apothekenpflichtigen Arzneimittel dennoch an bestimmte Personen und Institutionen außerhalb des Apothekenbereichs abzugeben. Die Sonderregelung des § 47 AMG enthält sowohl nach dem Wortlaut der Vorschrift als auch nach dem Regelungszusammenhang keine Ausnahme von der Apothekenpflicht, sondern ergänzt diese lediglich, indem unter bestimmten Voraussetzungen eine Abgabe bestimmter Arzneimittel an näher beschriebene Personen und Institutionen außerhalb des Apothekenbereichs erlaubt wird, ohne die fortbestehende Apothekenpflicht zu berühren. Empfänger wie zB Krankenhäuser und Ärzte sind den Apotheken insoweit gleichgestellt. Die Abgabewege bzw Abgabeformen nach § 47 AMG stellen also lediglich eine gelockerte Form der Apothekenpflicht dar. Den Gegensatz zur Apothekenpflicht bilden nicht die Möglichkeiten des § 47 AMG zur Direktabgabe zB an Krankenhäuser und Ärzte, sondern alle Regelungen, die eine "freie Verkäuflichkeit" eines Mittels vorsehen, eine Apothekenpflicht also von vornherein ausschließen(vgl §§ 44 und 45 AMG). Die Beklagte bezieht den Begriff der Apothekenpflicht folglich zu Unrecht nur auf die Abgabe eines Arzneimittels für den Endverbrauch in Apotheken nach § 43 AMG. Der Gesetzgeber hat durch die insoweit eindeutige Fassung des § 47 Abs 1 Satz 1 AMG auch die weiteren den Herstellern und Großhändlern zur Verfügung stehenden Abgabeformen nach dieser Vorschrift der Abgabe an Apotheken und damit der "Apothekenpflicht" gleichgestellt.

19

bb) Auf die Gesetzesmaterialien des AVWG zu § 130a Abs 1 Satz 5 SGB V kann die Beklagte sich ebenfalls nicht stützen. Soweit es dort heißt, dass Blutprodukte zu den Arzneimitteln gehören, für die keine Preisbindungen aufgrund von Vorschriften des AMG gelten, sodass für diese kein Herstellerrabatt anfalle (so Ausschuss für Gesundheit <14. Ausschuss> des Deutschen Bundestages, Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucks 16/194 - Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung, BT-Drucks 16/691, S 17 zu Buchst g zu Buchst a<§ 130a Abs 1> am Ende und zu Buchst b<§ 130a Abs 3a und 3b> vorletzterAbsatz), hat der 1. Senat des BSG die Auffassung vertreten, es könnten durchaus Blutprodukte gemeint sein, die zB keine Fertigarzneimittel im Rechtssinne darstellten, aber dennoch dem Herstellerrabatt unterworfen worden seien (Urteil vom 27.10.2009 - B 1 KR 7/09 R -, für SozR vorgesehen, RdNr 18). Dieser Interpretation ist die Beklagte unter Hinweis auf die Vorgeschichte dieser Gesetzesänderung entgegengetreten. Es kann offen bleiben, ob dieser Einwand zutrifft. Selbst wenn der Gesetzgeber der Auffassung gewesen sein sollte, auch ein Blutprodukt wie Berinert P werde nicht von der Herstellerrabattpflicht nach § 130a SGB V erfasst, was durch die Anfügung des Satzes 5 an dessen Absatz 1 klargestellt werden solle, änderte dies nichts an der sich aus den §§ 43, 47, 78 AMG und der AMPreisV ergebenden gegenteiligen Rechtslage. Eine solche Aussage des Ausschusses hat nämlich im gesetzlichen und untergesetzlichen Normtext keinen positiven Niederschlag gefunden, worauf bereits der 1. Senat hingewiesen hat (BSG aaO; RdNr 18). Sollte tatsächlich die Absicht bestanden haben, ein Blutprodukt wie Berinert P aus den Regelungen über den Herstellerrabatt herauszunehmen, hätte der Gesetzgeber mit der Anfügung von § 130a Abs 1 Satz 5 SGB V ein untaugliches rechtliches Mittel gewählt. Denn diese Bestimmung bestätigt nur die ohnehin schon geltende Rechtslage und ändert nichts am oben beschriebenen weiten Begriff der Apothekenpflicht iS der §§ 43 und 47 AMG, der - wie ausgeführt - auch der Ermächtigungsnorm des § 78 AMG für die AMPreisV zugrunde liegt und dazu führt, dass auch die Fälle des § 47 AMG in der AMPreisV zu regeln sind. Dies übersehen alle jene Stimmen, die - offen oder konkludent - die Apothekenpflicht eines Arzneimittels auf § 43 AMG beschränken möchten und die Regelungen der AMPreisV zu den Fällen des § 47 AMG daher nur dann für ermächtigungskonform halten, wenn für alle zulässigen Vertriebsformen die Abrechnung nach einem einheitlichen Herstellerabgabepreis angeordnet wird. Es verstößt nicht gegen die Ermächtigungsgrundlage des § 78 AMG, wenn das Preisbildungssystem der AMPreisV in den Fällen des § 47 AMG nur auf die konkrete Abgabe eines Arzneimittels durch eine Apotheke angewendet wird, weil es sich insoweit um den gleichen Abgabeweg wie in § 43 AMG handelt, und die sonstigen Vertriebswege vom Preisbildungssystem der AMPreisV nicht erfasst werden(vgl § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV), der Herstellerrabatt also nur dann zu leisten ist, wenn der Hersteller das Arzneimittel tatsächlich an eine Apotheke geliefert hat, auch wenn er es ebenso an ein Krankenhaus oder einen Arzt hätte abgeben dürfen.

20

c) Ein Ausnahmefall, bei dem insbesondere wegen des Vertriebswegs das Arzneimittelpreisrecht nicht eingreift, liegt nicht vor. § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV nimmt "die Preisspannen und Preise der Apotheken aus, wenn es sich um eine Abgabe handelt … an die in § 47 Abs 1 Nr 2 bis 7 des Arzneimittelgesetzes genannten Personen und Einrichtungen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen." Um eine derartige, die Preisbindung und die Abführung des Herstellerrabatts ausschließende Abgabeform ging es bei der Abgabe von Berinert P durch die Apotheke des Klägers an die Versicherten der Beigeladenen nicht. Nach § 47 Abs 1 Nr 2a AMG dürfen "pharmazeutische Unternehmer und Großhändler … Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich handelt um aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen oder gentechnologisch hergestellte Blutbestandteile, die, soweit es sich um Gerinnungsfaktorenzubereitungen handelt, von dem hämostaseologisch qualifizierten Arzt im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern an seine Patienten abgegeben werden dürfen". Diese Voraussetzungen waren hier jedoch nicht erfüllt.

21

Zwar ist Berinert P eine Blutzubereitung im Sinne dieser Regelung, jedoch erfolgte die Abgabe durch den Kläger gerade nicht an Krankenhäuser und Ärzte, sondern an bei der Beigeladenen versicherte Patienten auf der Grundlage vertragsärztlicher Verordnungen. Da es also um eine Abgabe ging, für die das Preisbildungssystem des § 1 Abs 1 AMPreisV maßgeblich ist, musste dem in der Weise Rechnung getragen werden, dass bei der Abrechnung mit der Beigeladenen der vom Arzneimittelhersteller bekannt gemachte und in der sog "Lauer-Taxe" ausgewiesene Herstellerabgabepreis zu Grunde zu legen war, über dessen Höhe zwischen den Beteiligten kein Streit besteht (zum Begriff vgl BGH NJW 1986, 1544).

22

d) Es kommt nach § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV ausschließlich auf die tatsächlich erfolgte Abgabe an. Demgemäß ist es unerheblich, dass die Arzneimittel vom Hersteller generell auch an Krankenhäuser und Ärzte in rechtlich zulässiger Weise abgegeben werden "dürfen". Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang sowie aus Sinn und Zweck der einschlägigen Regelungen (zu den Einzelheiten vgl das Urteil des 1. Senats vom 27.10.2009 - B 1 KR 7/09 R -, für SozR vorgesehen, RdNr 21 bis 26; aA Kraft, Deutsche Apotheker Zeitung 2007, 826 f). Die entgegengesetzte Ansicht der Beklagten ist unzutreffend und beruht letztlich darauf, dass die "Apothekenpflicht" von Fertigarzneimitteln sowie die darauf Bezug nehmende Ermächtigungsnorm des § 78 AMG für die AMPreisV auf die Fälle des § 43 AMG beschränkt werden, die Fälle des § 47 AMG also als nicht von der "Apothekenpflicht" erfasst gelten. Dieser enge Begriff der Apothekenpflicht liegt aber - wie ausgeführt - den Regelungen der §§ 43 und 47 AMG nicht zugrunde.

23

e) Die von der Beklagten vertretene Auslegung der §§ 43, 47 und 78 AMG und des § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV würde letztlich auch dem Ziel des Gesetzgebers zuwiderlaufen, das er mit der Rabattierungsregelung in § 130a Abs 1 SGB V und der dabei erfolgten Anknüpfung an das Arzneimittelpreisrecht verfolgte. Durch diese Regelung sollte zu Gunsten der Krankenkassen Einfluss auf die Ausgabenentwicklung und die finanzielle Situation der GKV genommen und insoweit auch den pharmazeutischen Unternehmen zur Stabilisierung des Aufwandes der Krankenkassen für die Arzneimittel ein angemessener Beitrag abverlangt werden (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf des BSSichG, BT-Drucks 15/28, S 1, 11, 12). Eine Ausklammerung von typischen Erwerbsvorgängen, wie sie die Arzneimittelabgabe an Versicherte in einer Apotheke auf vertragsärztliche Verordnung hin darstellt, aus der generell angeordneten Geltung der arzneimittelrechtlichen Preisregelungen ohne ausdrückliche Ausnahmeregelung und ohne erkennbare Gründe für eine solche Ausnahme, ist hiermit unvereinbar (so auch der 1. Senat in seinem Urteil vom 27.10.2009 - B 1 KR 7/09 R -, für SozR vorgesehen, RdNr 26).

24

4. Die von der Beklagten geltend gemachten Grundrechtsverletzungen der Apotheker durch die hier vorgenommene Anwendung des § 130a Abs 1 SGB V iVm § 78 AMG und § 1 Abs 3 AMPreisV liegen schon nicht vor. Deshalb kann die Frage offen bleiben, ob dieser Aspekt von der Beklagten zur Stützung ihrer auf die Rechte und Interessen als pharmazeutischer Unternehmer gestützten Revision überhaupt geltend gemacht werden konnte. Die Verletzung eigener Grundrechte macht die Beklagte nicht geltend; sie ist auch nicht ersichtlich.

25

Das BVerfG hat das BSSichG einschließlich des mit ihm eingeführten § 130a SGB V als mit dem GG vereinbar angesehen(BVerfGE 108, 45 = SozR 4-2500 § 130a Nr 1; BVerfGE 114, 196 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9). Der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die vorgenommene Auslegung des § 130a Abs 1 SGB V unzulässig in die Berufsausübungsfreiheit der Apotheker(Art 12 Abs 1 GG) eingreife und zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung (Art 3 Abs 1 GG) gegenüber den Ärzten und Krankenhäusern führe. Die Annahme, dass pharmazeutische Unternehmen dadurch einen Anreiz erhielten, Apotheken von der Abgabe von Blutzubereitungen so weit wie möglich auszunehmen und stattdessen zwecks Vermeidung von Rabattierungen den direkten Vertriebsweg an Ärzte und Krankenhäuser wählten, mag zwar berechtigt sein, ist aber verfassungsrechtlich unerheblich, weil Apotheken schon nicht in einem direkten Wettbewerbsverhältnis zu diesen anderen Leistungserbringern stehen, sodass von grundrechtsrelevanten Wettbewerbsverfälschungen mit objektiv berufsregelnder Tendenz (vgl dazu zB BVerfGE 105, 252, 273; 105, 279, 303) nicht ausgegangen werden kann. Die Regelungen der §§ 43 und 47 AMG erlauben es dem Hersteller, in allen geeigneten Fällen den Weg der Direktabgabe an Ärzte und Krankenhäuser zu wählen. Dabei muss nur sichergestellt sein, dass die Apotheken ihrem Versorgungsauftrag im Verhältnis zu den Versicherten bei Vorlage entsprechender vertragsärztlicher Verordnungen nachkommen können. Für die Befürchtung, dass dies nicht der Fall sein könnte, gibt es keine Anhaltspunkte. Bloße Erwerbschancen von Apothekern und anderen Leistungserbringern werden durch Art 12 Abs 1 GG nicht geschützt (vgl zB BVerfGE 24, 236, 251; 81, 108, 122; 105, 252, 265; 106, 275, 299; 110, 274, 288; 116, 135, 152; Urteil des 1. Senats vom 27.10.2009 - B 1 KR 709 R - für SozR vorgesehen, RdNr 28) .

26

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 69 Satz 3 SGB V(idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes vom 22.12.1999, BGBl I 2626) iVm §§ 291, 288 Abs 2 BGB. Es ist dabei klarzustellen, dass der im Berufungsurteil zweckerkannte Anspruch auf "5 % Zinsen über dem Basisdiskontsatz der Europäischen Zentralbank" ungenau formuliert worden ist. Gemeint ist - in Anlehnung an die durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl I 3138) eingeführte Regelung des § 247 BGB zum Basiszinssatz - ein Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz(vgl Palandt/Heinrichs, BGB, 69. Aufl 2010, § 288 RdNr 7; Reichenbach MDR 2001, 13).

27

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 154 Abs 1 und Abs 2, § 155 Abs 2 und § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

28

7. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz.

                          

(1) Für Arzneimittel, die im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (Fertigarzneimittel) und deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes den Apotheken vorbehalten ist, werden durch diese Verordnung festgelegt

1.
die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken oder Tierärzte (§ 2),
2.
die Preisspannen sowie die Preise für besondere Leistungen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf (§§ 3, 6 und 7),
3.
die Preisspannen der Tierärzte bei der Abgabe im Wiederverkauf an Tierhalter (§ 10).

(2) Für Arzneimittel, die in Apotheken oder von Tierärzten hergestellt werden und deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 und 3 des Arzneimittelgesetzes den Apotheken vorbehalten ist, werden durch diese Verordnung festgelegt

1.
die Preisspannen sowie die Preise für besondere Leistungen der Apotheken (§§ 4 bis 7),
2.
die Preisspannen der Tierärzte (§ 10).

(3) Ausgenommen sind die Preisspannen und Preise der Apotheken, wenn es sich um eine Abgabe handelt

1.
durch Krankenhausapotheken, soweit es sich nicht um die Abgabe von parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur ambulanten Versorgung handelt,
2.
an Krankenhäuser und diesen nach § 14 Absatz 8 Satz 2 des Apothekengesetzes gleichgestellte Einrichtungen sowie an Justizvollzugsanstalten und Jugendarrestanstalten,
3.
an die in § 47 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 10 des Arzneimittelgesetzes genannten Personen und Einrichtungen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen,
3a.
von Impfstoffen, die zur Anwendung bei öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen im Sinne des § 20 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) bestimmt sind und diese Impfstoffe an Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte abgegeben werden, sofern es sich nicht um die Abgabe von saisonalen Grippeimpfstoffen an Ärzte handelt,
4.
von Impfstoffen, die zur Anwendung bei allgemeinen, insbesondere behördlichen oder betrieblichen Grippevorsorgemaßnahmen bestimmt sind,
5.
an Gesundheitsämter für Maßnahmen der Rachitisvorsorge,
6.
von Arzneimitteln, die zur Anwendung bei der Dialyse Nierenkranker bestimmt sind,
7.
von aus Fertigarzneimitteln auf Grund ärztlicher Verordnung entnommenen Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt,
8.
von Fertigarzneimitteln in parenteralen Zubereitungen.
Im Fall von Satz 1 Nummer 1 bleibt § 129a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch unberührt. Im Fall von Satz 1 Nr. 7 können Sozialleistungsträger, private Krankenversicherungen oder deren Verbände das Verfahren für die Berechnung der Apothekenabgabepreise für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel mit Apotheken oder deren Verbänden vereinbaren.

(4) Ausgenommen sind die Preisspannen und Preise von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

(1) Die Krankenkassen erhalten von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 7 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Für Arzneimittel nach Absatz 3b Satz 1 beträgt der Abschlag nach Satz 1 6 vom Hundert. Pharmazeutische Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten. Soweit pharmazeutische Großhändler nach Absatz 5 bestimmt sind, sind pharmazeutische Unternehmer verpflichtet, den Abschlag den pharmazeutischen Großhändlern zu erstatten. Der Abschlag ist den Apotheken und pharmazeutischen Großhändlern innerhalb von zehn Tagen nach Geltendmachung des Anspruches zu erstatten. Satz 1 gilt für Fertigarzneimittel, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz oder aufgrund des § 129 Absatz 3 Satz 3 oder Absatz 5a bestimmt sind, sowie für Arzneimittel, die nach § 129a abgegeben werden. Die Krankenkassen erhalten den Abschlag nach Satz 1 für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen, für Fertigarzneimittel, aus denen Teilmengen entnommen und abgegeben werden, sowie für Arzneimittel, die nach § 129a abgegeben werden, auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer, der bei Abgabe an Verbraucher auf Grund von Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz oder nach § 129 Absatz 3 Satz 3 gilt. Wird nur eine Teilmenge des Fertigarzneimittels abgerechnet, wird der Abschlag nur für diese Mengeneinheiten erhoben.

(1a) Vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2013 beträgt der Abschlag für verschreibungspflichtige Arzneimittel einschließlich Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen abweichend von Absatz 1 16 Prozent. Satz 1 gilt nicht für Arzneimittel nach Absatz 3b Satz 1. Die Differenz des Abschlags nach Satz 1 zu dem Abschlag nach Absatz 1 mindert die am 30. Juli 2010 bereits vertraglich vereinbarten Rabatte nach Absatz 8 entsprechend. Eine Absenkung des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer gegenüber dem Preisstand am 1. August 2009, die ab dem 1. August 2010 vorgenommen wird, mindert den Abschlag nach Satz 1 in Höhe des Betrags der Preissenkung, höchstens in Höhe der Differenz des Abschlags nach Satz 1 zu dem Abschlag nach Absatz 1; § 130a Absatz 3b Satz 2 zweiter Halbsatz gilt entsprechend. Für Arzneimittel, die nach dem 1. August 2009 in den Markt eingeführt wurden, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet. Hat ein pharmazeutischer Unternehmer für ein Arzneimittel, das im Jahr 2010 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben wurde und das dem erhöhten Abschlag nach Satz 1 unterliegt, auf Grund einer Preissenkung ab dem 1. August 2010 nicht den Abschlag gezahlt, obwohl die Preissenkung nicht zu einer Unterschreitung des am 1. August 2009 geltenden Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers um mindestens 10 Prozent geführt hat, gilt für die im Jahr 2011 abgegebenen Arzneimittel abweichend von Satz 1 ein Abschlag von 20,5 Prozent. Das gilt nicht, wenn der pharmazeutische Unternehmer den nach Satz 6 nicht gezahlten Abschlag spätestens bis zu dem Tag vollständig leistet, an dem der Abschlag für die im Dezember 2010 abgegebenen Arzneimittel zu zahlen ist. Der erhöhte Abschlag von 20,5 Prozent wird durch eine erneute Preissenkung gegenüber dem am 1. August 2009 geltenden Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers gemindert; Satz 4 gilt entsprechend.

(1b) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 erhalten die Krankenkassen von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2023 einen Abschlag in Höhe von 12 Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Ist der Abschlag nach Absatz 1 Satz 1 in einer Erstattungsbetragsvereinbarung nach § 130b abgelöst worden, erhalten die Krankenkassen von Apotheken einen Abschlag in Höhe von 5 Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Die Abschläge nach den Sätzen 1 und 2 können durch eine ab dem 12. November 2022 abgeschlossene Erstattungsbetragsvereinbarung nach § 130b abgelöst werden, sofern dies ausdrücklich vereinbart ist.

(2) Die Krankenkassen erhalten von den Apotheken für die zu ihren Lasten abgegebenen Impfstoffe für Schutzimpfungen nach § 20i einen Abschlag auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer, mit dem der Unterschied zu einem geringeren durchschnittlichen Preis nach Satz 2 je Mengeneinheit ausgeglichen wird. Der durchschnittliche Preis je Mengeneinheit ergibt sich aus den tatsächlich gültigen Abgabepreisen des pharmazeutischen Unternehmers in den vier Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder den anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, in denen der wirkstoffidentische Impfstoff abgegeben wird, mit den am nächsten kommenden Bruttonationaleinkommen, gewichtet nach den jeweiligen Umsätzen und Kaufkraftparitäten. Absatz 1 Satz 3 bis 5, Absätze 6 und 7 sowie § 131 Absätze 4 und 5 gelten entsprechend. Der pharmazeutische Unternehmer ermittelt die Höhe des Abschlags nach Satz 1 und den durchschnittlichen Preis nach Satz 2 und übermittelt dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf Anfrage die Angaben zu der Berechnung. Kann der Abschlag nach Satz 1 nicht ermittelt werden, gilt Absatz 1 Satz 1 entsprechend. Das Nähere regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Bei Preisvereinbarungen für Impfstoffe, für die kein einheitlicher Apothekenabgabepreis nach den Preisvorschriften auf Grund des Arzneimittelgesetzes oder nach § 129 Absatz 3 Satz 3 gilt, darf höchstens ein Betrag vereinbart werden, der dem entsprechenden Apothekenabgabepreis abzüglich des Abschlags nach Satz 1 entspricht.

(3) Die Absätze 1, 1a, 1b und 2 gelten nicht für Arzneimittel, für die ein Festbetrag auf Grund des § 35 festgesetzt ist.

(3a) Erhöht sich der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer gegenüber dem Preisstand am 1. August 2009, erhalten die Krankenkassen für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel ab dem 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2026 einen Abschlag in Höhe des Betrages der Preiserhöhung; dies gilt nicht für Arzneimittel, für die ein Festbetrag auf Grund des § 35 festgesetzt ist. Zur Berechnung des Abschlags nach Satz 1 ist der Preisstand vom 1. August 2009 erstmalig am 1. Juli 2018 und jeweils am 1. Juli der Folgejahre um den Betrag anzuheben, der sich aus der Veränderung des vom Statistischen Bundesamt festgelegten Verbraucherpreisindex für Deutschland im Vergleich zum Vorjahr ergibt. Für Arzneimittel, die nach dem 1. August 2010 in den Markt eingeführt werden, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet. Bei Neueinführungen eines Arzneimittels, für das der pharmazeutische Unternehmer bereits ein Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in Verkehr gebracht hat, ist der Abschlag auf Grundlage des Preises je Mengeneinheit der Packung zu berechnen, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten kommt; dies gilt nicht für die Neueinführung eines Immunglobulins menschlicher Herkunft, für das nach dem 31. Dezember 2018 eine Zulassung nach § 25 Absatz 1 des Arzneimittelgesetzes oder eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 oder Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt wurde, mit Ausnahme der Zulassung von anderen Stärken oder Ausbietungen. Satz 4 gilt entsprechend bei Änderungen zu den Angaben des pharmazeutischen Unternehmers oder zum Mitvertrieb durch einen anderen pharmazeutischen Unternehmer. Für importierte Arzneimittel, die nach § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 abgegeben werden, gilt abweichend von Satz 1 ein Abrechnungsbetrag von höchstens dem Betrag, welcher entsprechend den Vorgaben des § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 niedriger ist als der Arzneimittelabgabepreis des Bezugsarzneimittels einschließlich Mehrwertsteuer, unter Berücksichtigung von Abschlägen für das Bezugsarzneimittel aufgrund dieser Vorschrift. Abschläge nach den Absätzen 1, 1a, 1b und 3b werden zusätzlich zu dem Abschlag nach den Sätzen 1 bis 5 erhoben. Rabattbeträge, die auf Preiserhöhungen nach den Absätzen 1, 1b und 3b zu gewähren sind, vermindern den Abschlag nach den Sätzen 1 bis 6 entsprechend. Für die Abrechnung des Abschlags nach den Sätzen 1 bis 6 gelten die Absätze 1, 5 bis 7 und 9 entsprechend. Absatz 4 findet Anwendung. Das Nähere regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen ab dem 13. Mai 2017 im Benehmen mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene. Der Abschlag nach Satz 1 gilt entsprechend für Arzneimittel, die nach § 129a abgegeben werden; Absatz 1 Satz 7 gilt entsprechend. Für Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass der Preisstand des 1. September 2020 Anwendung findet. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31. Dezember 2023 einen Bericht über die Auswirkungen von Satz 4 zweiter Halbsatz vorzulegen.

(3b) Für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel erhalten die Krankenkassen ab dem 1. April 2006 einen Abschlag von 10 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer; für preisgünstige importierte Arzneimittel gilt Absatz 3a Satz 6 entsprechend. Eine Absenkung des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer, die ab dem 1. Januar 2007 vorgenommen wird, vermindert den Abschlag nach Satz 1 in Höhe des Betrages der Preissenkung; wird der Preis innerhalb der folgenden 36 Monate erhöht, erhöht sich der Abschlag nach Satz 1 um den Betrag der Preiserhöhung ab der Wirksamkeit der Preiserhöhung bei der Abrechnung mit der Krankenkasse. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 30 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht für Preiserhöhungen, die sich aus der Anhebung des Preisstands vom 1. August 2009 nach Absatz 3a Satz 2 ergeben. Absatz 3a Satz 8 bis 11 gilt entsprechend. Satz 2 gilt nicht für ein Arzneimittel, dessen Abgabepreis nach Satz 1 im Zeitraum von 36 Monaten vor der Preissenkung erhöht worden ist; Preiserhöhungen vor dem 1. Dezember 2006 sind nicht zu berücksichtigen. Für ein Arzneimittel, dessen Preis einmalig zwischen dem 1. Dezember 2006 und dem 1. April 2007 erhöht und anschließend gesenkt worden ist, kann der pharmazeutische Unternehmer den Abschlag nach Satz 1 durch eine ab 1. April 2007 neu vorgenommene Preissenkung von mindestens 10 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer ablösen, sofern er für die Dauer von zwölf Monaten ab der neu vorgenommenen Preissenkung einen weiteren Abschlag von 2 vom Hundert des Abgabepreises nach Satz 1 gewährt.

(3c) Wird ein Arzneimittel in den Markt eingeführt, für das nach Absatz 3a Satz 4 oder Satz 5 ein Abschlag nach Absatz 3a Satz 1 anfällt, kann der pharmazeutische Unternehmer beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen eine Befreiung vom Abschlag nach Absatz 3a Satz 1 beantragen. Der Antrag ist zu begründen. Die Befreiung ist zu erteilen, wenn für das in den Markt eingeführte Arzneimittel eine neue arzneimittelrechtliche Genehmigung erteilt wurde, die im Vergleich zu bereits zugelassenen Arzneimitteln mit demselben Wirkstoff eine neue Patientengruppe oder ein neues Anwendungsgebiet erfasst und wenn eine Verbesserung der Versorgung zu erwarten ist. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen entscheidet über den Antrag innerhalb von acht Wochen nach Eingang. Die Entscheidung ist zusammen mit den tragenden Gründen und dem Antrag unverzüglich mit einer Frist von vier Wochen dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung zu übermitteln. Erteilt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen die Befreiung oder wird die Entscheidung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen durch die Entscheidung des Bundesministeriums für Gesundheit ersetzt, vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung gegenüber dem pharmazeutischen Unternehmer mit dem pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung mit Wirkung für alle Krankenkassen einen Herstellerabgabepreis für das Arzneimittel. Die Krankenkassen erhalten den Abschlag nach Absatz 3a Satz 1 bis zum Zeitpunkt der Vereinbarung eines neuen Herstellerabgabepreises.

(3d) Für in § 35 Absatz 1a Satz 2 genannte Arzneimittel, für die nach Absatz 1a Satz 4 ein fiktiver Festbetrag festgesetzt wurde, bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis aus dem um 50 Prozent angehobenen fiktiven Festbetrag auf Grundlage des Abgabepreises der pharmazeutischen Unternehmer ohne Mehrwertsteuer. Für in § 35 Absatz 5 Satz 8 genannte Arzneimittel bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis aus den um 50 Prozent angehobenen Festbetrag auf Grundlage des Abgabepreises der pharmazeutischen Unternehmer ohne Mehrwertsteuer, der zuletzt für das Arzneimittel galt. Für Arzneimittel, die in der nach § 35 Absatz 5a Satz 1 erstellten Liste aufgeführt sind und deren Festbetrag aufgehoben wurde, bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis entsprechend des Satzes 2. Für Arzneimittel, die in der nach § 35 Absatz 5a Satz 1 erstellten Liste aufgeführt sind und für die zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der nach § 35 Absatz 5a Satz 1 erstellten Liste oder der Änderung dieser Liste kein Festbetrag galt, bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis aus dem um 50 Prozent angehobenen zuletzt geltenden Preisstand gemäß Absatz 3a. Für Arzneimittel, für die das Bundesministerium für Gesundheit eine Bestimmung nach § 35 Absatz 5b Satz 3 getroffen hat und für die zum Zeitpunkt der Bekanntmachung dieser Bestimmung kein Festbetrag galt, bestimmt sich abweichend von Absatz 3a der Preisstand als Basispreis aus dem um 50 Prozent angehobenen zuletzt geltenden Preisstand gemäß Absatz 3a. Die Sätze 1 bis 5 finden ab dem 1. Februar 2024 Anwendung.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit hat nach einer Überprüfung der Erforderlichkeit der Abschläge nach den Absätzen 1, 1a, 1b und 3a nach Maßgabe des Artikels 4 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme die Abschläge durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates aufzuheben oder zu verringern, wenn und soweit diese nach der gesamtwirtschaftlichen Lage, einschließlich ihrer Auswirkung auf die gesetzliche Krankenversicherung, nicht mehr gerechtfertigt sind. Über Anträge pharmazeutischer Unternehmer nach Artikel 4 der in Satz 1 genannten Richtlinie auf Ausnahme von den nach den Absätzen 1, 1a, 1b und 3a vorgesehenen Abschlägen entscheidet das Bundesministerium für Gesundheit. Das Vorliegen eines Ausnahmefalls und der besonderen Gründe sind im Antrag hinreichend darzulegen. § 34 Absatz 6 Satz 3 bis 5 und 7 gilt entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann Sachverständige mit der Prüfung der Angaben des pharmazeutischen Unternehmers beauftragen. Dabei hat es die Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sicherzustellen. § 137g Absatz 1 Satz 7 bis 9 und 13 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die tatsächlich entstandenen Kosten auf der Grundlage pauschalierter Kostensätze berechnet werden können. Das Bundesministerium für Gesundheit kann die Aufgaben nach den Sätzen 2 bis 7 auf eine Bundesoberbehörde übertragen.

(5) Der pharmazeutische Unternehmer kann berechtigte Ansprüche auf Rückzahlung der Abschläge nach den Absätzen 1, 1a, 1b, 2, 3a und 3b gegenüber der begünstigten Krankenkasse geltend machen.

(6) Zum Nachweis des Abschlags übermitteln die Apotheken die Arzneimittelkennzeichen über die abgegebenen Arzneimittel sowie deren Abgabedatum auf der Grundlage der den Krankenkassen nach § 300 Abs. 1 übermittelten Angaben maschinenlesbar an die pharmazeutischen Unternehmer oder, bei einer Vereinbarung nach Absatz 5, an die pharmazeutischen Großhändler. Die pharmazeutischen Unternehmer sind verpflichtet, die erforderlichen Angaben zur Bestimmung des Abschlags an die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Apotheker sowie den Spitzenverband Bund der Krankenkassen zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben auf maschinell lesbaren Datenträgern zu übermitteln. Die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Apotheker, der pharmazeutischen Großhändler und der pharmazeutischen Unternehmer können in einem gemeinsamen Rahmenvertrag das Nähere regeln.

(7) Die Apotheke kann den Abschlag nach Ablauf der Frist nach Absatz 1 Satz 4 gegenüber pharmazeutischen Großhändlern verrechnen. Pharmazeutische Großhändler können den nach Satz 1 verrechneten Abschlag, auch in pauschalierter Form, gegenüber den pharmazeutischen Unternehmern verrechnen.

(8) Die Krankenkassen oder ihre Verbände können mit pharmazeutischen Unternehmern Rabatte für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel vereinbaren. Dabei kann insbesondere eine mengenbezogene Staffelung des Preisnachlasses, ein jährliches Umsatzvolumen mit Ausgleich von Mehrerlösen oder eine Erstattung in Abhängigkeit von messbaren Therapieerfolgen vereinbart werden. Verträge nach Satz 1 über patentfreie Arzneimittel sind so zu vereinbaren, dass die Pflicht des pharmazeutischen Unternehmers zur Gewährleistung der Lieferfähigkeit frühestens sechs Monate nach Versendung der Information nach § 134 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und frühestens drei Monate nach Zuschlagserteilung beginnt. Der Bieter, dessen Angebot berücksichtigt werden soll, ist zeitgleich zur Information nach § 134 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen über die geplante Annahme des Angebots zu informieren. Rabatte nach Satz 1 sind von den pharmazeutischen Unternehmern an die Krankenkassen zu vergüten. Eine Vereinbarung nach Satz 1 berührt die Abschläge nach den Absätzen 3a und 3b nicht; Abschläge nach den Absätzen 1, 1a und 2 können abgelöst werden, sofern dies ausdrücklich vereinbart ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände können Leistungserbringer oder Dritte am Abschluss von Verträgen nach Satz 1 beteiligen oder diese mit dem Abschluss solcher Verträge beauftragen. Die Vereinbarung von Rabatten nach Satz 1 soll für eine Laufzeit von zwei Jahren erfolgen. In den Vereinbarungen nach Satz 1 sind die Vielfalt der Anbieter und die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten zu berücksichtigen. In den Vereinbarungen nach Satz 1 über patentfreie Arzneimittel, die nach den Vorschriften des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen geschlossen werden, ist eine kontinuierliche versorgungsnahe Bevorratung der von der jeweiligen Vereinbarung erfassten Arzneimittel in einem Umfang zu vereinbaren, der der voraussichtlich innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ab dem Abschluss der Vereinbarung durchschnittlich abzugebenden Menge dieser Arzneimittel entspricht. Als versorgungsnah gilt eine Bevorratung in der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes. Innerhalb der letzten sechs Monate vor Ende der Vertragslaufzeit der Vereinbarung nach Satz 1 darf die Bevorratung der von der jeweiligen Vereinbarung erfassten Arzneimittel unter Sicherstellung der bedarfsgerechten, angemessenen und kontinuierlichen Belieferung nach § 52b Absatz 1 und 2 Satz 1 des Arzneimittelgesetzes schrittweise reduziert werden. Satz 1 gilt nicht für Impfstoffe für Schutzimpfungen nach § 20i und die in der nach § 35 Absatz 5a Satz 1 erstellten Liste aufgeführten Arzneimittel zur Behandlung von Kindern.

(8a) Zur Vermeidung von Lieferengpässen und zur Sicherstellung einer diversifizierten, bedarfsgerechten Versorgung mit patentfreien Antibiotika bilden die Krankenkassen oder ihre Verbände für die Vergabe von Vereinbarungen nach Absatz 8 Satz 1 für diese Arzneimittel Lose nach § 97 Absatz 4 Satz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Die Krankenkassen oder ihre Verbände legen jeweils die für die Gewährleistung der Liefersicherheit erforderliche Anzahl der Lose fest. Abweichend von § 97 Absatz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Verbindung mit § 69 Absatz 3 schreiben die Krankenkassen oder ihre Verbände mindestens die Hälfte der Lose so aus, dass Rabatte für die in Satz 1 genannten Arzneimittel mit pharmazeutischen Unternehmern nach Absatz 8 Satz 1 vereinbart werden, die für die Herstellung dieser Arzneimittel in der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes produzierte Wirkstoffe verwenden. Der Verwendung von in der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes produzierten Wirkstoffen für die Herstellung der in Satz 1 genannten Arzneimittel steht die Verwendung von in einem Staat produzierten Wirkstoffen für die Herstellung der in Satz 1 genannten Arzneimittel gleich, sofern

1.
dieser Staat der dem Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen von 1994 (ABl. C 256 vom 3.9.1996, S. 1), das durch das Protokoll zur Änderung des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (ABl. L 68 vom 7.3.2014, S. 2) geändert worden ist, oder anderen, für die Europäische Union bindenden internationalen Übereinkommen beigetreten ist,
2.
der jeweilige öffentliche Auftrag in den Anwendungsbereich des jeweiligen Übereinkommens fällt und
3.
mindestens die Hälfte der zur Erfüllung der Vereinbarung nach Absatz 8 Satz 1 benötigten Wirkstoffe für die Herstellung der in Satz 1 genannten Arzneimittel in der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes produziert wird.
Die Beschränkungen nach den Sätzen 3 und 4 müssen mit Hinweis auf diese Vorschriften in der Auftragsbekanntmachung und den Vergabeunterlagen aufgeführt werden. Die übrigen Lose schreiben die Krankenkassen oder ihre Verbände so aus, dass Vereinbarungen nach Absatz 8 Satz 1 für die in Satz 1 genannten Arzneimittel mit mehr als einem pharmazeutischen Unternehmer geschlossen werden. Die Lose nach Satz 3 ermöglichen dieselbe Liefermenge wie die Lose nach Satz 6. Gehen in einem der nach Satz 3 oder Satz 6 ausgeschriebenen Lose keine oder keine zuschlagsfähigen Angebote ein, hat dies keinen Einfluss auf die Erteilung des Zuschlags in den anderen nach Satz 3 oder Satz 6 ausgeschriebenen Losen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erteilt den Krankenkassen oder ihren Verbänden auf Antrag Auskunft zur Herstellungsstätte des bei der Herstellung des rabattierten Arzneimittels tatsächlich verwendeten Wirkstoffs eines pharmazeutischen Unternehmers, wenn dies für die Entscheidung über den Zuschlag oder die Überprüfung der Erfüllung der Vereinbarung nach Absatz 8 Satz 1 erforderlich ist. Sofern Arzneimittel im Zuständigkeitsbereich des Paul-Ehrlich-Instituts betroffen sind, erfolgt die Erteilung der Auskunft im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut.

(8b) Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kann nach Anhörung des nach § 52b Absatz 3b Satz 1 des Arzneimittelgesetzes eingerichteten Beirats dem Bundesministerium für Gesundheit empfehlen, einzelne patentfreie Arzneimittel mit in der Liste nach § 52b Absatz 3c Satz 1 des Arzneimittelgesetzes aufgeführten versorgungskritischen Wirkstoffen oder patentfreie Arzneimittel mit versorgungskritischen Wirkstoffen eines bestimmten Anwendungsbereichs als Arzneimittel mit drohender oder bestehender versorgungsrelevanter Marktkonzentration einzustufen. Sofern Wirkstoffe im Zuständigkeitsbereich des Paul-Ehrlich-Instituts betroffen sind, erfolgt die Empfehlung im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut. Auf der Grundlage der Empfehlung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte kann das Bundesministerium für Gesundheit nach Anhörung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen einzelne patentfreie Arzneimittel mit in der Liste nach § 52b Absatz 3c Satz 1 des Arzneimittelgesetzes aufgeführten versorgungskritischen Wirkstoffen oder patentfreie Arzneimittel mit versorgungskritischen Wirkstoffen eines bestimmten Anwendungsbereichs als Arzneimittel mit drohender oder bestehender versorgungsrelevanter Marktkonzentration einstufen. Die Einstufung ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Absatz 8a ist auch auf patentfreie Arzneimittel, die nach Satz 3 als Arzneimittel mit drohender oder bestehender versorgungsrelevanter Marktkonzentration eingestuft wurden, anzuwenden.

(8c) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen können zur Versorgung ihrer Versicherten mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten mit pharmazeutischen Unternehmern Rabatte für die jeweils verwendeten Fertigarzneimittel vereinbaren. Vereinbarungen nach Satz 1 müssen von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich geschlossen werden. Absatz 8 Satz 2 bis 9 gilt entsprechend. In den Vereinbarungen nach Satz 1 ist die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten zu berücksichtigen.

(9) Pharmazeutische Unternehmer können einen Antrag nach Absatz 4 Satz 2 auch für ein Arzneimittel stellen, das zur Behandlung eines seltenen Leidens nach der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 zugelassen ist. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn der Antragsteller nachweist, dass durch einen Abschlag nach den Absätzen 1, 1a, 1b und 3a seine Aufwendungen insbesondere für Forschung und Entwicklung für das Arzneimittel nicht mehr finanziert werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.