Oberlandesgericht Köln Urteil, 22. Nov. 2018 - 3 U 138/17 BSchRh
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.10.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort – Rheinschifffahrtsgericht, Az. 5 C 6/16 BSch, aufgehoben und der Rechtsstreit an das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort – Rheinschifffahrtsgericht – zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin ist der führende Haftpflichtversicherer der Ser Schiffswerft (im Folgenden: Werft), die ein Schiffswerftbetrieb im Rheinhafen E ist. Sie macht mit der Klage nach Erbringung von Versicherungsleistungen an die Werft Schadensersatzansprüche aus übergegangenem sowie – im Hinblick auf die Mitversicherer – aus von diesen an sie abgetretenem Recht gegen die Beklagten geltend. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
4Im Jahr 2015 befand sich das Motortankschiff „S2“, dessen Eigner der Beklagte zu 1) und dessen seinerzeit verantwortlicher Schiffsführer der Beklagte zu 2) waren, zu Klassearbeiten sowie zur Beseitigung eines Havarieschadens auf der Werft. Bereits in den Jahren zuvor war die „S2“ dort regelmäßig zu Instandsetzungsarbeiten vorgelegt worden, u.a. war bei einem früheren Werftaufenthalt auch eine automatische Feuerlöscheinrichtung eingebaut worden. Insoweit bestand eine ständige Geschäftsbeziehung zwischen dem Beklagten zu 1) und der Werft. Am 20.01.2015 wurde eine Gasfreiheitsbescheinigung für das Vorschiff, das Achterschiff und den Laderaumbereich erteilt (vgl. Anlage B 4), am 21.01.2015 wurde die Bilge von einem Bilgenentöler leergepumpt. Ab dem 22.01.2015 wurden auf der Grundlage der schriftlichen Auftragsbestätigung der Werft vom 23.01.2015 von dieser die aus dieser hervorgehenden Klasse- und Reparaturarbeiten durchgeführt. In der Auftragsbestätigung wurde – wie schon in der Vergangenheit regelmäßig – auf die ARB der Werft Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten der Regelungen in den ARB der Werft wird auf die zu den Akten gereichten Bedingungen und den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Im Zuge der Arbeiten wurde u.a. die Hauptmaschine auseinandergebaut und ausgekrant, wobei das in der Maschine noch vorhandene Öl und Gasöl in unklarer Menge in die Bilge lief. Am 18.05.2015 waren die Arbeiten im Wesentlichen abgeschlossen, wenngleich noch einige Restarbeiten zu erledigen waren. Die Probefahrt stand kurz bevor. An diesem Tag vereinbarten der Beklagte zu 1) und der Geschäftsführer der Werft, dass die Werft noch den für die Klasse erforderlichen Hydraulikölwechsel durchführen und damit den Streithelfer zu 1) (im Folgenden: Firma I) beauftragen und in der Folge entsprechend abrechnen sollte. Die bei der Firma I angestellten Beklagten zu 3) und 4) hielten daraufhin nach den Behauptungen der Klägerin bei dem Beklagten zu 2), nach den Behauptungen der Beklagten zu 1) und 2) bei dem Beklagten zu 1) Rückfrage, was mit dem Altöl geschehen solle. Der darauf Angesprochene erwiderte unstreitig, es könne in die Bilge abgelassen werden. Der weitere Inhalt des Gespräches ist zwischen den Parteien streitig. Am 20.05.2015 trafen der Zeuge K und der Streithelfer zu 2), beides angestellte Mitarbeiter der Werft, im Maschinenraum der „S2“ ein, um dort Arbeiten durchzuführen. Seitens des Zeugen K wurden die Dichtungen des Außenkühlers überprüft; der Streithelfer zu 2) hatte den Auftrag, die Winkel für die Halterungen zweier Altölsammelbehälter auf den Flurplatten des Maschinenraums anzuschweißen. Als die beiden im Maschinenraum eintrafen, lag ein Teil der Flurplatten lose auf dem Maschinenraumboden auf, wobei die Flurplatten teilweise verschoben waren und den Blick in die Bilge freigaben. Am Morgen desselben Tages stellten auch die Beklagten zu 3) und 4) sich nach vorheriger Absprache mit dem Vorarbeiter der Werft, Herrn F, im Maschinenraum der „S2“ ein, um den Hydraulikölwechsel durchzuführen. Sie stellten fest, dass das Altöl noch nicht abgelassen worden war. Ohne erneute Rücksprache mit dem Beklagten zu 1) oder der Werft ließen sie das Altöl – insgesamt eine Menge von etwa 150 Litern – in die Bilge ab und füllten mit Kanistern neues Hydrauliköl ein. Diese Arbeiten beendeten sie, während der Streithelfer zu 2) und der Zeuge K ihre Frühstückspause machten. Gegen 10.45 Uhr kehrten letztere aus der Pause zurück. Sie trafen im Maschinenraum die Zeugen X, I2 und K2 an. Es kam zu einem kurzen Gespräch mit zwischen den Parteien streitigem Inhalt. Danach begann der Streithelfer zu 2) zu schweißen, während der Zeuge K die bereits vor der Pause begonnenen Arbeiten am Kühler wieder aufnahm. Kurz darauf bemerkte der Zeuge K einen Brandgeruch. Als er aufblickte, sah er eine Flamme im hinteren Teil des Maschinenraums, die ein bis zwei Meter aus den Bodenplatten herausschoss. Er informierte den Streithelfer zu 2) und versuchte – in im Einzelnen zwischen den Parteien streitiger Art und Weise – mit diesem gemeinsam, das Feuer mittels der im Maschinenraum befindlichen Handfeuerlöscher zu löschen. Dies gelang ihnen jedoch aus zwischen den Parteien streitigen Grünen nicht. Der von dem Zeugen K und dem Streithelfer zu 2) an der Treppe zum Maschinenraum bereit gelegte Löschschlauch wurde nicht benutzt. Auch die bordeigene Feuerlöschanlage wurde nicht ausgelöst. Mit deren Überprüfung war die Werft vor dem Brand von dem Beklagten zu 1) beauftragt worden. Die Überprüfung wurde seitens der Werft auch dem Beklagten zu 1) in Rechnung gestellt.
5Der Brand konnte erst durch die Feuerwehr gelöscht werden. Bei dem Brand entstand neben einem erheblichen Sachschaden an dem Motortankschiff auch ein – im einzelnen streitiger – Schaden an den Arbeitsmaterialien und Gerätschaften der Werft, ferner entstanden der Werft Kosten für die Intervention am Schadenort und die Durchführung der üblichen Taxierung sowie Sachverständigen- und Brandbeseitigungskosten. Diese Schadenspositionen sind streitgegenständlich. Wegen der diesbezüglichen – zwischen den Parteien streitigen – Einzelheiten der Zusammensetzung und Höhe der Klageforderung wird auf die Klageschrift Bezug genommen. Die Klägerin und die Mitversicherer erbrachten – von den Beklagten mit Nichtwissen bestritten – in Höhe der Klageforderung Versicherungsleistungen an die Werft. Die Mitversicherer traten – auch insoweit teilweise bestritten – nachfolgend ihre Ansprüche gegen die Beklagten an die Klägerin ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlagenkonvolut K 4 vorgelegten Abtretungserklärungen Bezug genommen.
6Mit ihrer vor dem Rheinschifffahrtsgericht erhobenen Klage hat die Klägerin Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, das Rheinschifffahrtsgericht sei für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich und sachlich zuständig, weil das Schiff vollständig ausgerüstet, dazu auch betriebs- und fahrbereit gewesen sei. Die Zuständigkeit der Rheinschifffahrtsgerichte sei gegeben, weil sich die „S2“ – insoweit unstreitig – zum Zeitpunkt des Schadensfalles auf flottem Wasser befunden habe. Sie hat behauptet, zum Zeitpunkt des Brandes seien nur noch solche kleineren Restarbeiten durchzuführen gewesen, die der Fahrfähigkeit des Schiffes nicht entgegen gestanden hätten. Sie hat gemeint, die Frage, in welchem Zustand sich das Schiff zum Zeitpunkt des Brandausbuches befunden habe, sei eine Frage, die gleichermaßen die Zulässigkeit wie die Begründetheit der Klage betreffe und die daher doppelt relevant sei.
7Inhaltlich hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Beklagten hafteten ihr für die der Werft entstandenen Schäden auf Schadensersatz. Denn sie hätten durch ihr Verhalten pflichtwidrig den Brand herbeigeführt. Nach Maßgabe der in den Vertrag der Werft mit dem Beklagten zu 1) einbezogenen Allgemeinen Bedingungen sei der Beklagte zu 1) bei Durchführung von gefahrgeneigten Arbeiten wie etwa Schweißarbeiten zur Übernahme der erforderlichen Überwachungsmaßnahmen in eigener Verantwortung verpflichtet gewesen. Dies rechtfertige sich daraus, dass nur er das spezifische Risikopotential seines Schiffes, wie z.B. die Beschaffenheit der Bilge und die An- oder Abwesenheit von Brandbeschleunigern, kenne und beherrsche. Die Klägerin hat ferner behauptet, der Beklagte zu 2) habe die Beklagten zu 3) und 4) angewiesen, das Altöl in die Bilge abzulassen. Diese Anweisung sei auch nicht widerrufen worden. Ferner habe er es versäumt, die Werft darauf hinzuwiesen, dass er unter Zuhilfenahme der Beklagten zu 3) und 4) unter Einbeziehung derselben in die Schiffsbesatzung in Eigenarbeit einen Ölwechsel durchführen und dabei das Altöl nicht auffangen und entsorgen, sondern in die Bilge ablassen werde. Auch eine schriftliche Zustimmung der Werft hierzu sei pflichtwidrig nicht eingeholt worden. Entsprechend sei das Altöl von den Beklagten zu 3) und 4) am Schadenstag in die Bilge abgelassen worden. Bei dieser Tätigkeit seien die Beklagten zu 3) und 4) faktisch als Besatzungsmitglieder der „S2“ tätig geworden, weil die von ihnen übernommene Tätigkeit eine solche sei, die üblicherweise von Besatzungsmitgliedern durchgeführt werde. Das Ablassen von Altöl in die Bilge stelle sich vor dem Hintergrund der dadurch geschaffenen Brandgefahr als pflichtwidrig dar. Richtigerweise habe das Altöl vorschriftsmäßig aufgefangen und entsorgt werden müssen. Dieses Versäumnis sei die maßgebliche Ursache für die Entstehung und das Ausmaß des in Rede stehenden Brandes gewesen. Das Vorhandensein des Hydrauliköls in der Bilgenflüssigkeit habe als Brandbeschleuniger fungiert und bewirkt, dass der Brand sofort und mit großer Gewalt ausgebrochen sei. Normales beim Betrieb des Schiffes anfallendes Bilgenwasser könne unter den seinerzeit gegebenen Umständen und Temperaturen nicht durch Schweißarbeiten der vorliegend in Rede stehenden Art solcherart in Brand geraten. Eine Mithaftung der Werft sei hingegen bereits auf der Grundlage der Regelungen in ihren ARB ausgeschlossen. Der für die Werft tätig gewordene Streithelfer zu 2) habe darüber hinaus die ihm aufgetragenen Schweißarbeiten ordnungsgemäß und entsprechend seinem üblichen Vorgehen durchgeführt unter Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen. Dabei habe er insbesondere die Schweißstelle fachmännisch großflächig mit Schweißschutzdecken abgedeckt. Das Schweißgerät sei technisch einwandfrei in Ordnung gewesen. Die Feuerlöscher seien seitens des Schiffes bereitgestellt worden. Einer der Feuerlöscher sei trotz ordnungsgemäßer Bedienung nicht einsatzbereit und funktionsfähig gewesen. Auch die an Bord vorhandene Feuerlöschanlage sei offenbar nicht funktionstüchtig und einsatzbereit gewesen und von den anwesenden Besatzungsmitgliedern pflichtwidrig nicht eingesetzt worden. Letztlich hätte der schlagartig ausbrechende Brand aber – auch beim Vorhandensein funktionsfähiger Feuerlöscher – weder von dem Streithelfer zu 2) und von dem Zeugen K oder einer zu stellenden Brandwache erfolgreich gelöscht werden können. Auch ein vorheriges Freimessen des Maschinenraumes hätte ihn nicht verhindern können, da er nicht infolge einer Verpuffung oder Explosion entstanden sei.
8Die Klägerin hat beantragt,
91a) die Beklagen zu verurteilen, an die Klägerin 77.388.49 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz hieraus seit 23. Juni 2016 zu zahlen, wobei die Beklagten gesamtschuldnerisch unbeschränkt persönlich hafteten, der Beklagte zu 1) zusätzlich dinglich mit einem am 20.02.2015 entstandenen Schiffsgläubigerrecht an TMS „S2“,
101b) die Beklagten zu verurteilen, gesamtschuldnerisch an die Klägerin 2.419,40 € vorprozessuale Rechtsanwaltsgebühren zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz hieraus seit Klagezustellung zu zahlen. Die Beklagten sind dem entgegen getreten und haben die Abweisung der Klage beantragt.
11Sie haben die Ansicht vertreten, das Rheinschifffahrtsgericht sei nicht zuständig, weil die „S2“ bereits wegen fehlender Klasse und nicht ausreichender Bemannung nicht zur Schifffahrt habe verwendet werden dürfen, was der Annahme einer „Fahrt“ ihrerseits entgegen stehe. Vielmehr sei das Schiff „außer Betrieb“ gewesen.
12Inhaltlich haben sie gemeint, nicht für den Schadensfall zu haften. Sie haben behauptet, der Brand sei nicht von ihnen, sondern von der Werft und dem Streithelfer zu 2) grob schuldhaft verursacht worden, weshalb im Gegenteil diese ihnen zum Schadensersatz verpflichtet seien. Hierzu haben sie behauptet, die Schweißarbeiten seien trotz Kenntnis der Werft von der zeitgleichen Durchführung des Hydraulikölwechsels durch die Beklagten zu 3) und 4) grob fahrlässig unter Außerachtlassen diverser zwingender Sicherheitsvorschriften durchgeführt worden. So sei etwa ein erneutes Freimessen des Maschinenraums vor Durchführung der Schweißarbeiten unterblieben, eine schriftliche Schweißerlaubnis nicht erteilt worden, die erforderliche Brandwache nicht vor Ort gewesen und geeignete Feuerlöscheinrichtungen seitens der Werft nicht gestellt worden. Die Brandschutzdecken seien darüber hinaus pflichtwidrig nur im unmittelbaren Nahbereich der Schweißstelle ausgelegt worden. Auch von der naheliegenden Möglichkeit, die Schweißarbeiten außerhalb des Maschinenraums durchzuführen, sei pflichtwidrig kein Gebrauch gemacht worden. Zudem hätten weder der die Schweißarbeiten durchführende Streithelfer zu 2) noch die Werft über die erforderliche Erlaubnis zur Durchführung von Schweißarbeiten auf Tankschiffen von GL/Bureau Veritas/IACS verfügt. Weitergehend haben die Beklagten bestritten, dass der Streithelfer zu 2) überhaupt über eine abgeschlossene Ausbildung, die ihn zum Elektroschweißen berechtigt habe, verfüge. Die Beklagten haben behauptet, es komme erschwerend hinzu, dass der Zeuge X den Streithelfer zu 2) noch unmittelbar vor dem Ausbruch des Brandes mündlich auf die Gefährlichkeit der Schweißarbeiten bei den herrschenden örtlichen Gegebenheiten hingewiesen habe. Das von ihm benutzte Elektroschweißgerät sei – insoweit unstreitig – von der Werft von Bord entfernt worden. Aufgrund dieses Umstandes haben die Beklagten die Ansicht vertreten, es greife zu Lasten der Werft ein Anscheinsbeweis für einen technisch nicht einwandfreien Zustand des verwendeten Schweißgerätes ein. Die Beklagten haben weiter behauptet, bei Einhaltung der gebotenen Sicherheitsvorkehrungen wäre der Brand vermieden worden oder hätte zumindest schneller entdeckt und bereits in der Anfangsphase ohne relevante Schäden gelöscht werden können. Ausgelöst worden sei der Brand durch die umherfliegenden Schweißperlen und/oder durch indirekte Wärmeleitung an der Schweißstelle. Die Beklagten haben schließlich behauptet, auch nach der Brandentstehung hätten der Streithelfer zu 2) und der Zeuge K fehlerhaft gehandelt. Sie seien offenbar nicht mit der Bedienung der an Bord befindlichen funktionsfähigen Feuerlöscher vertraut gewesen und hätten diese infolgedessen fehlerhaft bedient. Der bereit gelegte Schlauch habe pflichtwidrig nicht unter Druck gestanden. Die – gleichermaßen funktionstüchtige – bordeigene Feuerlöschanlage sei von dem Zeugen K und dem Streithelfer zu 2) pflichtwidrig nicht betätigt worden. Angesichts der Vielzahl von Versäumnissen falle der Werft ein erhebliches eigenes Organisationsverschulden zur Last. Darüber hinaus müsse sie sich das Verschulden des Streithelfers zu 2) zurechnen lassen. Demgegenüber liege ein Mitverschulden der Beklagten nicht vor. Insoweit haben die Beklagten die Auffassung vertreten, es habe nicht dem Schiffseigner oblegen, die Arbeiten der Werft zu überwachen und in eigener Verantwortung die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Sie haben bestritten, dass seitens des Schiffsführers eine Anweisung zum Ablassen des Altöls in die Bilge erteilt worden sei. Im Übrigen sei eine etwaige Anweisung, das Altöl in die Bilge abzulassen, auch grundsätzlich nicht zu beanstanden gewesen und in Schiffen ohne Altölsammeltanks eine übliche und zulässige Vorgehensweise. Von der zeitlich parallelen Durchführung der Schweißarbeiten als dieser Vorgehensweise entgegen stehender Umstand hätten die Beklagten keine Kenntnis gehabt. Das Ablassen des Altöls in die Bilge habe aber auch unabhängig davon keinen entscheidenden Einfluss auf die Entzündbarkeit und Brennbarkeit der Bilgenflüssigkeit gehabt. Denn diese sei durch die Zuführung des Altöls nicht erhöht worden. Hydrauliköl habe keine brandfördernden Eigenschaften. Die Beklagten haben schließlich die Ansicht vertreten, die in den dem Reparaturauftrag einbezogenen ARB der Werft enthaltenen Haftungsbeschränkungen entfalteten keine Wirkung. Sie seien unwirksam, soweit mit ihnen die Haftung der Werft für die Verletzung von Kardinalpflichten ausgeschlossen werden solle.
13Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage mit am 16.10.2017 verkündetem und der Klägerin am 19.10.2017 zugestelltem Urteil – Az. 5 C 6/16 BSch – als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Zuständigkeit des Rheinschifffahrtsgerichts sei nicht gegeben. Zwar seien die Regelungen des Art. 34, 34 bis MA weit auszulegen. Jedoch habe sich die „S2“ während des in Rede stehenden langandauernden Werftaufenthalts zumindest zeitweise nicht mehr „in Fahrt“ befunden, weil der Hauptmotor im Zuge der Reparatur- und Klassearbeiten demontiert, ausgekrant und überholt worden sei. Ihre Zweckbestimmung sei während des Werftaufenthalts vor diesem Hintergrund nicht mehr die eines selbstfahrenden Motorschiffes gewesen. Auf die Frage der Betriebsbereitschaft im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses komme es dagegen nicht an. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wie auch der Entscheidung des Rheinschifffahrtsgerichts wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 06.11.2017 bei Gericht eingegangene und am gleichen Tag begründete Berufung der Klägerin.
14Mit der Berufung wiederholt und bekräftigt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Erwägungen zur Zuständigkeit des Rheinschifffahrtsgerichts.
15Die Klägerin beantragt,
16unter Aufhebung des Urteils des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 16. Oktober 2017 das Verfahren gemäß § 538 II Ziffer 3 ZPO an das zuständige Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort zurückzuverweisen.
17Die Beklagten beantragen,
18die Berufung der Berufungsklägerin/Klägerin zurückzuweisen.
19Sie verteidigen das angefochtene Urteil nach Maßgabe der Berufungserwiderung.
20Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien und die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.
21II.
22Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die Sache war gem. § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO an das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg Ruhrort zurückzuverweisen. Entgegen der Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts ist die Klage zulässig.
231.
24Das Rheinschifffahrtsgericht hat als das sachlich zuständige Gericht entschieden. Die Rheinschifffahrtsgerichte sind gemäß § 14 Abs. 1 BinSchVerfG, Art. 34 Abs. 2 c MA sachlich zuständig in Zivilsachen zur Entscheidung im summarischen Prozessverfahren über Klagen wegen der Beschädigungen, welche Schiffer und Flößer während ihrer Fahrt oder beim Anlanden anderen verursacht haben.
25Mit der vorliegenden Klage werden nach dem substantiierten Klägervortrag Schäden – hier der Werft – geltend gemacht, die durch ein Schiff verursacht worden sind. Es werden insoweit Ansprüche gegen den Schiffseigner, Schiffsführer und Besatzungsmitglieder unter Darlegung substantiierten Vortrags erhoben. Für derartige Ansprüche begründet Art. 34 Abs. 2 c MA die grundsätzliche Zuständigkeit der Rheinschifffahrtsgerichte. Auf die Frage einer erweiternden Auslegung von Art. 34 Abs. 2 c MA auch auf Fälle, in denen es um Schäden geht, die Schiffen von Dritten zugefügt werden, die nicht einem Schiff zugeordnet werden können, kommt es hier nicht an (vgl. dazu BGH Urteil vom 6.3.1995 – II ZR 37/94 -, TranspR 1995, 339; Rheinschifffahrtsgericht St. Goar Beschl. v. 13.10.2014 – 4 C 6/11 BSchG m.w.N.).
26Von Art. 34 Abs. 2 c MA wird trotz des Schadensfalls im Zeitpunkt eines Werftaufenthalts auch – jedenfalls im vorliegenden Fall - die Voraussetzung der Schadensverursachung „während der Fahrt“ erfasst. Das Tatbestandsmerkmal der „Fahrt“ ist insoweit auslegungsbedürftig und auslegungsfähig. In Rechtsprechung und Schrifttum ist seit vielen Jahrzehnten anerkannt, dass der Wortlaut von Art. 34 Abs. 2 c MA in Bezug auf jedenfalls bestimmte Tatbestandsmerkmale erweiternd auszulegen ist. Erklärtes Ziel der Signaturstaaten der MA war und ist es, möglichst alle havarierelevanten Vorgänge auf dem Rhein durch orts- und sachkundige Rheinschifffahrtsgerichte entscheiden zu lassen (vgl. ZKR Urt. v. 08.12.1994, VersR 1995, 439; BGHZ 60, 92; BGH MDR 1971, 993; Rheinschifffahrtsgericht Mannheim, Urt. v. 16.07.2009 – 31 C 1/08 BSch; v.Waldstein/Holland, BiSchR, 5. Auflage, 2007, Art. 34, 34 bis MA Rn. 9). Dies soll die einheitliche Beurteilung aller havarierelevanten Vorgänge sicherstellen und zugleich die Anpassung der sehr alten Vorschriften an die technischen Änderungen unter Nutzung der Sachkunde der Rheinschifffahrtsgerichte gewährleisten (vgl. BGHZ 60, 92; BGH MDR 1971, 993). Angesichts dessen hat die Rechtsprechung den Wortlaut des Art. 34 MA erweiternd ausgelegt und die dort genannten Fälle nur als beispielhafte Aufzählung verstanden (ZKR Urt. v. 08.12.1994, VersR 1995, 439; Rheinschifffahrtsobergericht Karlsruhe Urt. v. 08.11.2002 – 1 U 2/02; Rheinschifffahrtsgericht Kehl, Beschl. v. 18.10.1991 - 3 C 196/91 RhSch; v. Waldstein/Holland, a.a.O., Art. 34, 34 bis MA Rn. 9 f.). Die Auslegung des hier in Rede stehenden Tatbestandsmerkmals „Fahrt“ hat allein nach den Zielen der MA zu erfolgen. Ein naheliegender Rückgriff auf andere Definitionen der „Fahrt“ – etwa in § 1.01 Buchstabe p RhSchPVO, wonach sich ein Fahrzeug in Fahrt befindet, wenn es weder unmittelbar noch mittelbar vor Anker liegt, am Ufer festgemacht oder festgefahren ist - hat zu unterbleiben. Als internationales Übereinkommen ist die MA allein nach den allgemeinen Grundsätzen internationaler Übereinkommen aus sich selbst heraus auszulegen.
27Einbezogen werden danach zur Vermeidung unvernünftiger Ergebnisse nach allgemeiner Meinung alle Streitigkeiten, die Schiffe, während sie bestimmungsgemäß zur Schifffahrt verwendet werden, anderen zufügen. Das sind solche schadensstiftenden Handlungen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb von Binnenschiffen (in allen Schifffahrtsphasen von ihrer Indienststellung bis zu ihrer Abwrackung) auf dem Rhein stehen. Dabei soll es um Schifffahrtsphasen gehen wie beispielsweise Zwischenaufenthalte des Schiffes während der Reise, das Be- und Entladen desselben oder die Bereitstellung hierzu (vgl. ZKR Urt. v. 08.12.1994, VersR 1995, 439; v. Waldstein/Holland, BiSchR 5. Auflage, Art. 34, 34 bis MA Rn. 10, 13). Dies umfasst auch Schäden beim Ablegen vom Ufer, bei der Bereitstellung und Durchführung der Ladung und beim Löschen des Schiffes sowie Schäden beim Stillliegen von Schiffen im Hafen oder am Ufer (v. Waldstein/Holland, BiSchR 5. Auflage, Art. 34, 34 bis Rn. 13; BGHZ 60, 92; ZKR Urt. v. 08.12.1994, VersR 1995, 439; Rheinschifffahrtsgericht Kehl Beschl. v. 18.10.1991 - 3 C 196/91 RhSch; Rheinschifffahrtsgericht Mannheim Beschl. v. 09.04.1991 - C 12/90 BSch). Auch ein Stilllieger, der repariert wird, benutzt die Binnengewässer (Rheinschifffahrtsgericht Kehl Beschl. v. 18.10.1991 - 3 C 196/91 RhSch). Gleichermaßen befindet sich auch ein Schiff, das flott auf dem Wasser liegt, im Betrieb, wenn es nach den Festmachvorschriften durch Drähte und Verankerungen so gesichert sein muss, dass es dem Log- und Wellenschlag zu folgen vermag. Nichts anderes gilt beim Liegen eines Schiffes vor der Werft, die Bordarbeiten durchführt, weil das Schiff danach den Stilliegevorschriften einschließlich der Hafenordnung unterliegt (vgl. Rheinschifffahrtsgericht Kehl Beschl. v. 18.10.1991 – 3 C 196/91 RhSch). Hiervon zu unterscheiden sein soll der Fall, dass Ansprüche wegen Schiffsschäden gegen die Werft geltend gemacht werden, sofern sich das Schiff auf Helling befindet (vgl. v. Waldstein/Holland, BiSchR 5. Auflage, Art. 34, 34 bis MA Rn. 16 unter Verweis auf OLG Köln Urt. v. 16.06.1967 - 3 U 44/67).
28Angesichts dieser Rechtsprechung ist auch vorliegend von der Zuständigkeit der Rheinschifffahrtsgerichte auszugehen. Zwar ist richtig und auch unstreitig, dass das Schiff sich vor dem in Rede stehenden Schadensfall längere Zeit in der Werft befand und komplett repariert wurde, einschließlich Auskranen des Motors. Solange es sich auf Helling befand, mag es (schon mangels Kontakt mit Wasser) zweifelhaft sein, ob in diesem Moment eine bestimmungsgemäße Verwendung zur Schifffahrt erfolgte.
29Diesen Zustand jedoch fortdauern zu lassen über den Zeitraum hinaus, in dem sich das Schiff auf Helling befand, und – anders als sonst nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen – nicht auf den Zeitpunkt der Schadensverursachung, sondern auf einen diesem vorangehenden Zeitraum abzustellen, hält der Senat jedoch für unzutreffend. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob jeder Wertaufenthalt als bestimmungsgemäße Schifffahrtsphase anzusehen ist. Jedenfalls wird ein Werfaufenthalt im flotten Wasser (Hafenbecken), bei dem das Schiff lediglich in üblicher Weise festgemacht ist und eine grundsätzliche eigenständige Fahrbereitschaft besteht – also ein eigenständiges Fahren, wie etwa das Verlegen des Schiffes, möglich ist und nur noch Arbeiten ausgeführt werden müssen, die der grundsätzlich möglichen Fahrbereitschaft nicht entgegen stehen – vom bestimmungsgemäße Gebrauch und mithin vom Betriebsbegriff erfasst. In einem solchen Moment des Werftaufenthaltes können Schadensfälle eintreten, die gerade spezifisch mit dem Betrieb des Schiffes zusammenhängen.
30Vorliegend lag das Schiff unstreitig bereits wieder flott im Wasser. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich – wie die Beklagten mutmaßen - um einen Bereich handelt, der nicht als „normaler“ Hafen anzusehen wäre. Es waren nur noch Restarbeiten durchzuführen, der Motor war wieder eingekrant und die Durchführung der Probefahrt stand unmittelbar bevor. Der Umstand, dass es im Zeitpunkt der Schadensverursachung an einer hinreichenden Besatzungsstärke fehlte, steht dieser Beurteilung nicht entgegen, was sich bereits aus einer vergleichenden Betrachtung zum Stillieger ergibt (vgl. auch Rheinschifffahrtsgericht Mannheim, Urt. v. 16.07.2009 – 31 C 1/08 BSch; Rheinschifffahrtsgericht Kehl Beschl. v. 18.10.1991 - 3 C 196/91 RhSch, zitiert nach juris). Auch ist aus Sicht des Senates unerheblich, ob ohne eine Abnahme durch die Klassifikationsgesellschaft, die unstreitig noch nicht vorlag, hätte gefahren werden dürfen. Bestimmungsgemäß verwendet zur Schifffahrt wird auch ein Schiff, das nach einem Werftaufenthalt eine Probefahrt unternimmt und es in diesem Zusammenhang zu einer Schadensverursachung kommt. Bereits dieses Beispiel macht deutlich, dass die bestimmungsgemäße Verwendung nicht gleichbedeutend mit dem rechtlich zulässigen Einsatz des Schiffes ist.
312.
32Auch die weiteren Voraussetzungen einer zulässigen Klage vor dem Rheinschifffahrtsgericht sind gegeben.
33(a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Aktivlegitimiert sind alle anderen Personen, deren Rechtsgüter Objekt einer schadensstiftenden Handlung geworden sind. Dabei ist gemäß Art. 34 bis S. 1 MA unerheblich, ob ein Vertragsverhältnis besteht oder die Ansprüche nur auf eine deliktische Grundlage gestützt werden (v. Waldstein/Holland, BiSchR 5. Auflage, Art. 34, 34 bis MA Rn. 11). Vorliegend klagt die Klägerin aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin, der Werft, und damit eine andere Person.
34(b) Die Beklagten sind passivlegitimiert. Passivlegitimiert sind nach dem Wortlaut von Art. 34 Abs. 2 c MA nur Schiffer und Flößer. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass über den reinen Wortlaut hinaus der Kreis der Anspruchsgegner weiter zu ziehen ist. Zur Zuständigkeit der Rheinschifffahrtsgerichte zählen auch Ansprüche gegen den Schiffseigner, somit den Beklagten zu 1) (v. Waldstein/Holland, BiSchR 5. Auflage, Art. 34, 34 bis MA Rn. 12; BGH MDR 1971, 993; ZKR Urt. v. 08.12.1994 VersR 1995, 439). Eine Zuständigkeit besteht ferner auch für Ansprüche gegen den Schiffsführer (Beklagten zu 2)) und gegen sonstige Besatzungsmitglieder (v. Waldstein/Holland, BiSchR 5. Auflage, Art. 34, 34 bis MA Rn. 12; BGHZ 60, 92; BGH MDR 1971, 993; Rheinschifffahrtsgericht St. Goar 4 C 6/11 BSchG – B.v. 13.10.2011; ZKR Urt. v. 08.12.1994 VersR 1995, 439). Die Beklagten zu 3) und 4) sind nach dem im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung maßgeblichen und dieser zugrunde zu legenden Klägervortrag als Besatzungsmitglieder des Schiffes anzusehen, da sie Tätigkeiten verrichtet haben, die sonst von Besatzungsmitgliedern verrichtet zu werden pflegen. Sie sind Mitarbeiter der der Streithelferin zu 1), die ihrerseits von der Rechtsvorgängerin der Klägerin beauftragt wurde, den Wechsel des Hydrauliköls durchzuführen.
353.
36Eine anderweitige Rechtshängigkeit liegt nicht vor, da der vorliegende Rechtsstreit zwar denselben Schadensfall betrifft, der auch dem Parallelprozess (Senat, Az. 3 U 74/17) zugrunde liegt, jedoch die geltend gemachten Ansprüche und Schadenspositionen gänzlich andere sind und mithin einen anderen Streitgegenstand darstellen.
374.
38Der Schriftsatz vom 16.11.2018 rechtfertigt keine andere rechtliche Würdigung und gibt keine Veranlassung für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO.
395.
40Die Kostenentscheidung ist dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung über die Klage beurteilt werden kann (vgl. OLG Köln NJW–RR 1987, 1032; OLG München, Urt. v. 22.07.2011 – Az. 10 U 1481/11, zit.n.juris; OLG München, Urt. v. 13.10.2017 – Az. 10 U 3415/15, zit.n.juris).
41Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO, deren Ausspruch im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO – Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten - geboten ist, allerdings ohne Abwendungsbefugnis (vgl. OLG München, Urt. v. 13.10.2017 – Az. 10 U 3415/15, zit.n. juris). Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist (OLG München, Urt. v. 13.10.2017 – Az. 10 U 3415/15, zit.n.juris).
426.
43Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
44Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 77.388,49 € festgesetzt.
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 22. Nov. 2018 - 3 U 138/17 BSchRh
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Oberlandesgericht Köln Urteil, 22. Nov. 2018 - 3 U 138/17 BSchRh zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel.
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Die Klägerin ist beihilfeberechtigte Beamtin des Bundes (Besoldungsgruppe A 14) und erhält als solche grundsätzlich für 50 Prozent ihrer krankheitsbedingten Aufwendungen Beihilfe. Im April 2013 erwarb sie das ihr ärztlich verordnete Nasen- und Rachenspray Locabiosol, für das sie insgesamt 12,95 € aufwandte. Die Beklagte lehnte die Gewährung einer Beihilfe unter Hinweis auf den in der Bundesbeihilfeverordnung geregelten grundsätzlichen Leistungsausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ab.
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Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht der Klägerin die begehrte weitere Beihilfeleistung in Höhe von 3,97 € zugesprochen. Die Ausschlussregelung des § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV sei mangels einer hinreichenden Härtefallregelung unwirksam.
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Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die in Bezug auf den Ausschluss der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wegen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn erforderliche Härtefallregelung sei in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBhV enthalten. Obwohl diese Regelung keine einheitliche absolute Obergrenze bezüglich dieser Aufwendungen vorsehe, verbleibe den Beihilfeberechtigten insoweit keine unzumutbare Belastung. Der Verordnungsgeber habe in § 22 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a bis c BBhV bereits wichtige Fallgruppen vom Leistungsausschluss ausgenommen. Zudem habe er die Mehrbelastung durch die in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c BBhV für die Anerkennung der Aufwendungen als beihilfefähig vorausgesetzten, nach Besoldungsgruppen gestaffelten Beträge ausreichend begrenzt. Sollte es trotz dieser Regelungen ganz vereinzelt zu besonderen Härten kommen, könnten diese über die allgemeine Härtefallregelung des § 6 Abs. 7 BBhV 2012 gelöst werden.
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Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Sie ist der Ansicht, der Leistungsausschluss verstoße gegen höherrangiges Recht und rügt insbesondere eine Verletzung des Fürsorgegrundsatzes, des allgemeinen Gleichheitssatzes sowie des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil steht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit der Verwaltungsgerichtshof entscheidungstragend angenommen hat, der Anspruch der Klägerin auf die erstrebte Beihilfeleistung sei nach § 22 Abs. 2 Nr. 3 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen - Bundesbeihilfeverordnung - vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326), hier anwendbar in der Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung der Bundesbeihilfeverordnung vom 8. September 2012 (BGBl. I S. 1935) - BBhV - wirksam ausgeschlossen.
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Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 § 25 BBhV Nr. 1 Rn. 9 und vom 26. März 2015 - 5 C 9.14 - BVerwGE 151, 386 Rn. 8, jeweils m.w.N.). Da die streitgegenständlichen Aufwendungen mit dem Erwerb des Arzneimittels am 10. April 2013 entstanden sind, ist ihre Beihilfefähigkeit somit anhand der seinerzeit geltenden vorstehend bezeichneten Fassung der Bundesbeihilfeverordnung zu bewerten, deren maßgebliche Regelungen dem derzeit geltenden Recht inhaltlich entsprechen.
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Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 22 Abs. 1 Nr. 1 BBhV haben Beamte einen Rechtsanspruch auf Beihilfe unter anderem für ärztlich nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel nach § 2 des Arzneimittelgesetzes, die apothekenpflichtig sind, wenn die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind. Die Beteiligten streiten zu Recht nicht darüber, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind. Ihr Streit konzentriert sich vielmehr auf die Frage, ob der geltend gemachte Anspruch nach § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV ausgeschlossen ist. Nach dieser Bestimmung sind Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht beihilfefähig, es sei denn, sie sind für Minderjährige mit Entwicklungsstörungen und für Kinder unter zwölf Jahren bestimmt (Buchst. a), wurden für diagnostische Zwecke, Untersuchungen und ambulante Behandlungen benötigt und in der Rechnung als Auslagen abgerechnet (Buchst. b) oder gelten bei der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung als Therapiestandard und werden mit dieser Begründung ausnahmsweise verordnet, wobei sich die beihilfefähigen Ausnahmen aus Anlage 6 ergeben (Buchst. c). Die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, dass es sich bei dem Nasen- und Rachenspray Locabiosol um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel handelt und keiner der vorgenannten Ausnahmetatbestände erfüllt ist. Streit besteht allein über die Wirksamkeit der Ausschlussregelung des § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV als solche. Insoweit stimmen die Beteiligten - wie mit ihnen in der mündlichen Verhandlung erörtert - zu Recht darin überein, dass die Verordnungsregelung die erforderliche gesetzliche Ermächtigung (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 § 25 BBhV Nr. 1 Rn. 11 und vom 26. März 2015 - 5 C 9.14 - BVerwGE 151, 386 Rn. 21 m.w.N.) in § 80 Abs. 4 Bundesbeamtengesetz - BBG - vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) in der rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes vom 14. November 2011 (BGBl. I S. 2219) findet, die den Leistungsausschluss inhaltlich deckt. Es ist daher allein darüber zu entscheiden, ob der Beihilfeausschluss in materieller Hinsicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Das ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - der Fall.
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1. Der Leistungsausschluss des § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV steht mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Einklang. Dabei kann hier dahinstehen, ob die Bundesbeihilfeverordnung den Anforderungen der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht nur dann in vollem Umfang genügt, wenn sie normative Vorkehrungen zur Vermeidung unzumutbarer Härten im Einzelfall trifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 § 25 BBhV Nr. 1 Rn. 18 und 20). Denn daran mangelt es hier nicht.
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a) Die auf Bundesebene einfachgesetzlich in § 78 BBG normierte Fürsorgepflicht des Dienstherrn findet ihre verfassungsrechtliche Verankerung in den durch Art. 33 Abs. 5 GG verbürgten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 - BVerfGE 83, 89 <98>; vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 5 C 32.15 - BVerwGE 155, 129 Rn. 19). Sie ergänzt die ebenfalls in Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationspflicht des Dienstherrn und fordert, dass der Dienstherr den amtsangemessenen Lebensunterhalt der Beamten bzw. Versorgungsempfänger und ihrer Familien auch in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt oder Tod sicherstellt. Ob er diese Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise erfüllt, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 10. Oktober 2013 - 5 C 32.12 - BVerwGE 148, 106 Rn. 24 und vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 § 25 BBhV Nr. 1 Rn. 19).
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Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht hindert den Dienstherrn grundsätzlich nicht, die Aufwendungen für eine Gruppe von Arzneimitteln generell von der Beihilfefähigkeit auszuschließen. Sie verlangt weder, dass die aus Anlass von Krankheitsfällen entstandenen Aufwendungen der Beamten bzw. Versorgungsempfänger durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und einer ergänzenden Beihilfe vollständig gedeckt werden, noch, dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 <233>; BVerwG, Urteile vom 6. November 2009 - 2 C 60.08 - USK 2009, 162, juris Rn. 17; vom 5. Mai 2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn. 13 und vom 24. Februar 2011 - 2 C 9.10 - USK 2011, 88 Rn. 13). Der Dienstherr muss aber, wenn er sich - wie nach dem gegenwärtig praktizierten System - entscheidet, seiner Fürsorgepflicht im Krankheitsfall durch die Zahlung einer Beihilfe nachzukommen, die zu der aus der gewährten Alimentation zu bestreitenden Eigenvorsorge ergänzend hinzutritt, bei einem solchen Leistungsausschluss normative Vorkehrungen treffen, damit den Beamten bzw. Versorgungsberechtigten infolgedessen im Einzelfall, z.B. bei einer chronischen Erkrankung, keine erheblichen Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 6. November 2009 - 2 C 60.08 - USK 2009, 162 Rn. 19 f. und vom 26. März 2015 - 5 C 9.14 - BVerwGE 151, 386 Rn. 33 m.w.N.). Dies ist bei einer - wie hier - fehlenden Versicherbarkeit eines von der Beihilfe nicht gedeckten Risikos gewährleistet, wenn das nicht versicherbare finanzielle Risiko auf einen Betrag begrenzt ist, der die angemessene Lebensführung nicht beeinträchtigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 - BVerwGE 118, 277 <282>).
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b) Die Bundesbeihilfeverordnung enthält ausreichende Vorkehrungen, um zu verhindern, dass die Belastung infolge des Ausschlusses der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im Einzelfall die finanziellen Möglichkeiten des Beamten bzw. Versorgungsberechtigten erheblich übersteigt. Dabei kann hier offenbleiben, ob § 6 Abs. 7 BBhV - wofür vieles spricht (vgl. so für die allgemeine Härtefallregelung des § 7 Satz 2 der Landesbeihilfeverordnung Berlin angenommen BVerwG, Urteil vom 26. März 2015 - 5 C 9.14 - BVerwGE 151, 386 Rn. 35 ff.) - bereits eine hinreichende Härtefallregelung enthält. Denn die Regelungen des § 22 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a bis c, des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und des § 6 Abs. 7 BBhV stellen jedenfalls in der Gesamtschau sicher, dass die spezifischen Anforderungen der Fürsorgepflicht erfüllt werden.
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aa) § 22 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a bis c BBhV nimmt wichtige Fallgruppen von dem grundsätzlichen Leistungsausschluss aus.
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Nach dieser Vorschrift sind - wie dargelegt - unter den näher bezeichneten Voraussetzungen die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel beihilfefähig, die für Minderjährige mit Entwicklungsstörungen und Kinder unter zwölf Jahren bestimmt sind, die für diagnostische Zwecke, Untersuchungen und ambulante Behandlungen benötigt werden und die bei der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung als Therapiestandard gelten. Dementsprechend kann es in diesen Fallgruppen infolge des grundsätzlichen Beihilfeausschlusses für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht zu einer unzumutbaren Belastung kommen.
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bb) Die Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBhV sieht mit Blick auf den Zusammenhang von Fürsorge und Alimentation eine weitere Rückausnahme von dem Beihilfeausschluss vor.
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Danach sind Aufwendungen für ärztlich oder zahnärztlich verordnete nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in voller Höhe als beihilfefähig anzuerkennen, wenn die Belastungsgrenze nach Satz 5 überschritten ist und die Aufwendungen pro verordnetem Arzneimittel über den in Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c festgelegten, nach Besoldungsgruppen gestaffelten Beträgen liegen. Auch diese Regelung trägt dazu bei, Beamte bzw. Versorgungsempfänger von einer im Hinblick auf ihre Alimentation unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung freizuhalten.
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Dem steht - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht entgegen, dass der Verordnungsgeber für die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel keine absolute Obergrenze in Höhe der für Eigenbehalte geltenden Belastungsgrenze festgesetzt hat, sondern davon ausgegangen ist, eine unzumutbare Eigenbelastung durch derartige Aufwendungen könne in der Regel erst jenseits der Belastungsgrenze des § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV auftreten. Aus der Fürsorgepflicht folgt keine Pflicht des Dienstherrn zur numerischen Festsetzung der den Beihilfeberechtigten zumutbaren Eigenbelastung. Die von Beamten bzw. Versorgungsempfängern unter Fürsorgegesichtspunkten hinzunehmende Belastung stellt keine betragsmäßig exakt bestimmbare Größe dar. Insbesondere kennzeichnet die Belastungsgrenze des § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV - entgegen der Auffassung der Klägerin - bei den hier allein interessierenden nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht die äußerste Grenze der Fürsorgepflicht, von der ab den Beihilfeberechtigten mit Blick auf die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht die Auferlegung jeglicher krankheitsbedingter Kosten nicht mehr zumutbar ist, sondern diese vom Dienstherrn - zumindest anteilmäßig - zu erstatten sind. Diese Grenze wird vielmehr durch das Kriterium der finanziellen Unzumutbarkeit selbst markiert.
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Die Fallgruppe des finanziellen Härtefalls wird in Bezug auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel durch die in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBhV genannten, kumulativ zu verstehenden Voraussetzungen umschrieben. Mit dem weiteren Erfordernis, dass die Kosten für das verordnete Arzneimittel einen bestimmten, nach Besoldungsgruppen gestaffelten Mindestpreis übersteigen müssen, wird die Frage, ob den Beihilfeberechtigten im Einzelfall eine unzumutbare Belastung abverlangt wird und der Ausschluss der Beihilfe die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt, an die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beihilfeberechtigten geknüpft. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Differenzierung nach sozialen und wirtschaftlichen Kriterien steht mit dem beamtenrechtlichen Fürsorgegrundsatz in Einklang (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 - BVerwGE 118, 277 <284>). Sie berücksichtigt typisierend, dass Angehörige höherer Besoldungsgruppen im Allgemeinen aus ihrer laufenden Regelalimentation bzw. daraus gebildeten Rücklagen die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel besser kompensieren können als Beamte niedrigerer Besoldungsgruppen. Das wirkt sich auf das Maß der vom Beihilferecht erwarteten zumutbaren Eigenvorsorge aus. Für Angehörige höherer Besoldungsgruppen - zu denen auch die Klägerin gehört - darf also eine höhere Preisgrenze festgelegt werden als für Angehörige niedrigerer Besoldungsgruppen.
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Es ist nicht erkennbar, dass die in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c BBhV festgelegten Beträge von 8, 12 und 16 € so hoch sind, dass die Vorschrift nicht geeignet wäre, effektiv zur Vermeidung unzumutbarer finanzieller Härten beizutragen, die sich im Einzelfall ergeben können. Hierbei kann nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, dass sich der Verordnungsgeber bei der Festlegung der Beträge ersichtlich davon hat leiten lassen, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im unteren Preissegment angesiedelt sind und daraus wertend gefolgert hat, ihre Beschaffung verursache finanzielle Aufwendungen, die den Beamten bzw. Versorgungsempfängern im Regelfall ohne beihilferechtlichen Ausgleich zugemutet werden könnten (vgl. so zum früheren Beihilferecht des Bundes etwa BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn. 12 und vom 24. Februar 2011 - 2 C 9.10 - USK 2011, 88 Rn. 12 m.w.N.). Dies zugrunde gelegt, darf daher typisierend davon ausgegangen werden, dass die große Mehrzahl der Beihilfeberechtigten durch den Erwerb nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel, die weniger als 8, 12 oder 16 € kosten, auch bei Überschreiten der Belastungsgrenze des § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV nicht in einem Umfang belastet wird, der deren finanzielle Möglichkeiten erheblich übersteigt.
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Hinzu kommt, dass sich Beihilfeberechtigte, die regelmäßig auf ein bestimmtes nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel angewiesen sind, größere Packungsgrößen verordnen lassen können, die in der Regel teurer sind. Das trägt zur Minimierung der Fälle bei, in denen die Beihilfeberechtigten zur vollumfänglichen Kostentragung verpflichtet bleiben. Vergleichbares gilt für die nach § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV festgelegte niedrigere Belastungsgrenze für chronisch Kranke. Denn diese haben bereits ab der Überschreitung von einem Prozent der jährlichen Einnahmen nach § 39 Abs. 3 BBhV einen Anspruch darauf, dass ihre Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Apothekenabgabenpreis über den in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBhV festgelegten Beträgen liegt, nach den Kriterien der Notwendigkeit und Angemessenheit erstattet werden, was ebenfalls belastungsreduzierend wirkt.
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cc) Der allgemeinen Härtefallregelung des § 6 Abs. 7 BBhV kommt schließlich die Funktion einer Auffangregelung zu.
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Danach kann die oberste Dienstbehörde, sofern im Einzelfall die Ablehnung der Beihilfe eine besondere Härte darstellen würde, mit Zustimmung des Bundesministeriums des Innern eine Beihilfe zur Milderung der Härte gewähren. Anknüpfend an die Konkretisierung der Fürsorgepflicht in der verwaltungsgerichtlichen und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung kann und muss im Zusammenhang mit dem Ausschluss der Beihilfefähigkeit für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel auf diese Vorschrift zur Vermeidung von Schutzlücken zurückgegriffen werden, wenn weder die Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a bis c BBhV noch die in Bezug auf den Beihilfeausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel spezielle Härtefallregelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBhV herangezogen werden kann oder die Beihilfeberechtigten selbst nach diesen beiden Regelungen im Einzelfall an einer amtsangemessenen Lebensführung gehindert sind, weil sie mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleiben, die sich für sie als unzumutbar darstellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. März 2015 - 5 C 9.14 - BVerwGE 151, 386 Rn. 36 und vom 28. April 2016 - 5 C 32.15 - BVerwGE 155, 129 Rn. 19).
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2. Überdies ist der grundsätzliche Leistungsausschluss des § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
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Dieser gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, stellt es aber dem Normgeber frei, aufgrund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <100> und vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <68> m.w.N.). Knüpft die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes, d.h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern an Lebenssachverhalte an oder hängt sie von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen ab, hat der Normgeber grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum. Ein Gleichheitsverstoß ist nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereiches ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Normgeber dagegen regelmäßig engen rechtlichen Bindungen. Dies gilt auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <100> m.w.N.). Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz kann in diesen Fällen schon dann angenommen werden, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Für beide Fallgruppen gilt, dass die vom Normgeber für eine Differenzierung im Beihilferecht angeführten Gründe auch vor der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn Bestand haben müssen, in der die Beihilfe ihre Grundlage hat (vgl. zu Vorstehendem insgesamt BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 5 C 3.12 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 43 Rn. 29 und vom 5. Mai 2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn.10 f., jeweils m.w.N.). Zwar begründet die Durchbrechung einer vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit für sich genommen noch keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie kann jedoch ein Indiz für eine objektiv willkürliche Regelung oder das Fehlen eines nach Art und Gewicht hinreichenden Rechtfertigungsgrundes darstellen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. September 2009 - 1 BvR 2275/07 - ZOV 2009, 291 <295> m.w.N.). Solange der Gesetzgeber am gegenwärtig praktizierten "Mischsystem" aus privat finanzierter Vorsorge und ergänzender Beihilfe festhält, ist daher eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes indiziert, wenn eine bestimmte Regelung die im Beihilfesystem angelegte Sachgesetzlichkeit, dass notwendige und angemessene Aufwendungen beihilfefähig sind, ohne zureichenden Grund verlässt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 BBhV Nr. 1 Rn. 14 und vom 17. April 2014 - 5 C 40.13 - BVerwGE 149, 279 Rn. 11). Das ist für den grundsätzlichen Ausschluss der Beihilfefähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu verneinen.
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a) Die von § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV bewirkte Ungleichbehandlung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel gegenüber verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist nicht zu beanstanden.
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Dem Normgeber steht bei der Entscheidung, ob und für welche ärztlich oder zahnärztlich nach Art und Umfang schriftlich verordneten apothekenpflichtigen Arzneimittel grundsätzlich eine Beihilfe nach den Kriterien der Notwendigkeit und Angemessenheit zu gewähren ist, ein Gestaltungsspielraum zur Verfügung (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 BBhV Nr. 1 Rn. 15 m.w.N.), den der grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nach § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV nicht überschreitet. Denn ihm liegt - wie vorstehend bereits ausgeführt - erkennbar die nicht zu beanstandende Wertung zugrunde, dass es sich bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln um solche aus dem unteren Preissegment handele, deren Kosten den Beamten bzw. Versorgungsempfängern in der Regel ohne beihilferechtlichen Ausgleich zugemutet werden könnten. Hinzu kommt, dass die Ausschlussregelung - wie aufgezeigt - nicht ausnahmslos gilt. Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Dienstherr nicht verpflichtet ist, den Beamten von allen Behandlungskosten im Krankheitsfall freizustellen, beruht der Ausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel somit an Art. 3 Abs. 1 GG gemessen auf einem plausiblen und sachlich vertretbaren Gesichtspunkt (vgl. so bereits zum früheren Beihilferecht des Bundes etwa BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn. 12 und vom 24. Februar 2011 - 2 C 9.10 - USK 2011, 88 Rn. 12 m.w.N.).
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b) Die durch § 50 Abs. 1 Satz 1 BBhV herbeigeführte Ungleichbehandlung, die darin besteht, dass Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel - wie dargelegt - nicht schon ab dem Überschreiten der Belastungsgrenze nach § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV in voller Höhe als beihilfefähig anzuerkennen sind, sondern erst ab dem Überschreiten besoldungsgruppenabhängiger Mindestpreise pro verordnetem Arzneimittel, während Eigenbehalte unterschiedslos für alle Beihilfeberechtigten ab dem Überschreiten der Belastungsgrenze nach § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV nicht mehr abgezogen werden dürfen, stellt ebenfalls keine gleichheitswidrige Benachteiligung dar. Auch sie ist durch hinreichende Differenzierungsgründe gerechtfertigt.
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Die fehlende Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel einerseits und die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen, von denen die Eigenbehalte abzuziehen sind, andererseits, stellt einen auch mit Blick auf die Fürsorgepflicht nach Art und Gewicht hinreichenden Rechtfertigungsgrund dar, um von wesentlich ungleichen Sachverhalten auszugehen. Demzufolge ist es nicht geboten, die erstmalige Einbeziehung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel in die Beihilfefähigkeit in gleicher Weise wie die Begrenzung des Abzugs von Eigenbehalten ausschließlich an das Überschreiten der Belastungsgrenze des § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV zu binden. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil der verschärfte Maßstab für die Anerkennung der Beihilfefähigkeit durch besoldungsgruppenabhängige Preisgrenzen abgemildert wird, die - wie vorstehend erörtert - die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betreffenden Beihilfeberechtigten widerspiegeln. Letztere stellt einen ausreichenden sachlichen Rechtfertigungsgrund für die nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c BBhV bewirkte höhere Belastung der Beihilfeberechtigten höherer Besoldungsgruppen gegenüber den Beihilfeberechtigten niedrigerer Besoldungsgruppen dar, die - wie dargetan - auch mit den Anforderungen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Einklang steht.
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3. Die Unwirksamkeit des Leistungsausschlusses ergibt sich auch nicht aus einem Verstoß gegen das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG.
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Dabei kann hier offengelassen werden, ob das Auffanggrundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG schon deshalb als Prüfungsmaßstab hinsichtlich der finanziellen Belastungen, die durch den Ausschluss der Beihilfefähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel entstehen können, ausscheidet, weil insoweit die verfassungsrechtliche Prüfung im Rahmen der Beurteilung am Maßstab der Sonderregelung für den öffentlichen Dienst in Art. 33 Abs. 5 GG genügt (vgl. zum vergleichbaren Verhältnis der Spezialität in Bezug auf Art. 14 GG BVerfG, Beschlüsse vom 10. April 1984 - 2 BvL 19/82 - BVerfGE 67, 1 <14> und vom 10. Dezember 1985 - 2 BvL 18/83 - BVerfGE 71, 255 <270 f.>). Denn der Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit kann jedenfalls nicht weiter reichen als der Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG, welcher - wie dargelegt - durch § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV nicht verletzt wird.
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4. Der grundsätzliche Beihilfeausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ist - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht an dem beamtenrechtlichen Grundsatz der Formstrenge zu messen.
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Dieser Grundsatz findet im Zusammenhang mit den statusrechtlichen Entscheidungen der Ernennung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. April 2007 - 2 B 25.07 - Buchholz 240 § 42 BBesG Nr. 26 Rn. 6), der Beförderung oder dem Aufstieg von Beamten sowie der Beendigung des Beamtenverhältnisses (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 1978 - 6 C 9.77 - BVerwG 55, 212 <217>) Anwendung. Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel stellt keine statusrechtliche Entscheidung dar, sodass der Grundsatz der Formstrenge durch ihn nicht berührt oder gar verletzt werden kann.
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5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,
- 1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, - 2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist, - 3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist, - 4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist, - 5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist, - 6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder - 7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
Tatbestand
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Die Kläger wenden sich gegen eine enteignungsrechtliche Vorabentscheidung des Beklagten.
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Die Kläger zu 1 und 2 sind Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung P. mit einer Größe von 6 873 qm. Der Kläger zu 3 ist Pächter des Grundstücks und Auflassungsvormerkungsberechtigter. Das Grundstück liegt teilweise im Geltungsbereich des isolierten Straßenbebauungsplans "Nord-Ost-Umfahrung" P. des Marktes P.. Der Plan verfolgt nach seiner Begründung das mit dem Beigeladenen zu 1 abgestimmte Ziel der Gemeinde, die Kreisstraße NU 3, die durch den dicht besiedelten Ortskern von P. verläuft, zu verlegen und um die Ortslage herumzuführen.
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Auf Antrag des Beigeladenen zu 1 entzog der Beklagte das Eigentum der Kläger zu 1 und 2 an einer 1 835 qm großen Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. ... und dem Kläger zu 3 dessen Recht als Pächter und Vormerkungsberechtigter an der Grundstücksteilfläche. Gestützt ist der Bescheid auf Art. 40 Abs. 1 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG), wonach zur Erfüllung der Aufgaben aus der Straßenbaulast nach den Vorschriften des Bayerischen Gesetzes über die entschädigungspflichtige Enteignung (BayEG) enteignet werden kann. In der Enteignungsentscheidung heißt es, dass die Straßenbaulast auch die Pflicht beinhalte, neue Straßen zu bauen, wenn ein neues Verkehrsbedürfnis auftrete. Das sei hier der Fall, weil aufgrund des Ausbauzustands der innerörtlichen Kreuzung der Kreisstraße NU 3 mit der Staatsstraße 2020 zu Stoßzeiten unverträglich lange Wartezeiten für Linksabbieger zu verzeichnen seien. Art. 40 BayStrWG sei die richtige Rechtsgrundlage, obwohl die Straße in einem Bebauungsplan festgesetzt sei; denn eine Enteignung nach dem Baugesetzbuch sei nur für eine im engeren Sinne städtebauliche Planung zulässig.
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Die Klage hatte im Berufungsrechtzug Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Enteignungsbescheid des Beklagten mit der Begründung aufgehoben, dass der Bescheid auf eine falsche Rechtsgrundlage gestützt worden sei. Grundstücke und andere Rechte für Straßenbauvorhaben, die nach dem landesrechtlichen Fachplanungsrecht (Planfeststellungsrecht) geplant würden, seien grundsätzlich nach Art. 40 Abs. 1 BayStrWG zu enteignen. Sei eine Verkehrsfläche hingegen in einem isolierten Straßenbebauungsplan festgesetzt worden, könne eine Enteignung nur nach den Vorschriften des städtebaulichen Enteignungsrechts der §§ 85 ff. BauGB durchgeführt werden. Denn der Griff zum Instrumentarium der Bauleitplanung, die in § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB die Festsetzung von Verkehrsflächen vorsehe, ersetze, sofern der in § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB normierte Erforderlichkeitsgrundsatz zu bejahen sei, die fachplanerisch-straßenrechtliche Abwägung der für und gegen das Straßenbauvorhaben streitenden öffentlichen Belange durch eine spezifisch städtebauliche Abwägung im Sinne des § 1 Abs. 7 BauGB. Diese Abwägung, die auch verkehrspolitische Belange einschließe, transformiere die Planungsentscheidung in das Städtebaurecht. Dann habe konsequenterweise auch die Planverwirklichung durch Enteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zu erfolgen. Vorliegend habe sich der Markt P. zur Umsetzung der Planung, den Ortsbereich von P. durch Auslagerung des Durchgangsverkehrs zu entlasten, des Instrumentariums eines isolierten Straßenbebauungsplans bedient. Der planende Markt sei dabei vertretbar davon ausgegangen, dass die Herstellung der Ortsumgehung aus städtebaulichen Gründen erforderlich sei. Da er damit Verkehrspolitik zu Zwecken der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung betreibe (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB), habe eine Enteignung nicht nach Art. 40 Abs. 1 BayStrWG in Verbindung mit dem Bayerischen Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung erfolgen dürfen. Die Bestätigung des umstrittenen Bescheids als rechtmäßig durch Austausch der Rechtsgrundlage sei wegen des Grundsatzes der Gesetzesmäßigkeit der Enteignung (Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG) ausgeschlossen.
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Mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen greifen der Beklagte und die Beigeladenen zu 1 und 2 die vorinstanzliche Entscheidung an. Die Revisionsführer machen im Kern übereinstimmend geltend, die vom Verwaltungsgerichtshof angenommene Exklusivität des § 85 Abs. 1 BauGB greife nur, wenn zu ausschließlich städtebaulichen Zwecken enteignet werden solle. Das sei hier nicht der Fall. Der Straßenbebauungsplan verfolge nicht allein städtebauliche Ziele des Marktes P., sondern diene auch den rein straßenbaulichen Interessen des zuständigen Trägers der Straßenbaulast.
Entscheidungsgründe
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Die Revisionen, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, sind unbegründet. Die angefochtene Entscheidung steht mit Bundesrecht im Einklang.
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1. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die in einem isolierten Straßenbebauungsplan als Verkehrsflächen festgesetzten Flächen nur auf der Grundlage des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB enteignet werden können, wenn enteignet werden soll, um diese Flächen als Verkehrsflächen zu nutzen.
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Der Verwaltungsgerichtshof (BA Rn. 14 f.) hat mit bindender Wirkung für das Revisionsverfahren (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass die zu enteignenden Grundflächen durch einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 3 BauGB festgesetzt worden sind, der nur Festsetzungen über die Verkehrsflächen, den Straßenkörper, das Zubehör und eventuell über grünordnerische Flächen enthält, und dass die damit bezweckte Planung einer Ortsumgehungsstraße im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB aus städtebaulichen Gründen erforderlich sei. Aus dem Berufungsurteil ergibt sich ferner, dass die betreffenden Flächen für den Bau der geplanten Ortsumgehungsstraße in Anspruch genommen werden sollen. Unter diesen Voraussetzungen bietet § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, der die Enteignung zulässt, um ein Grundstück entsprechend den Festsetzungen eines Bebauungsplans zu nutzen oder eine solche Nutzung vorzubereiten, eine geeignete Grundlage für die städtebauliche Enteignung. Eine Enteignung auf landesrechtlicher Rechtsgrundlage ist gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung bleiben zwar "die Vorschriften über die Enteignung zu anderen als den in Absatz 1 genannten Zwecken" unberührt. Mit der Enteignung zur Verwirklichung der durch Bebauungsplan festgesetzten Straßenverkehrsflächen wird aber kein anderer, sondern gerade der in § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB genannte Zweck verfolgt. Ein Wahlrecht zwischen städtebaulicher und sonstiger Enteignungsgrundlage räumt das Gesetz nicht ein.
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a) Der Wortlaut des § 85 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 BauGB bringt diese Rechtsfolge klar und unmissverständlich zum Ausdruck.
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Hiernach ist für die Abgrenzung zu anderen als städtebaulichen Enteignungsvorschriften allein maßgeblich, ob der mit einem Vorhaben konkret verfolgte Enteignungszweck in § 85 Abs. 1 BauGB "genannt" ist. Ist das der Fall, kann nur auf städtebaulicher Grundlage enteignet werden. Andere als städtebauliche Enteignungsvorschriften bleiben in diesem Fall nicht "unberührt"; sie sind angesichts der in § 85 Abs. 2 Nr. 1 BauGB zum Ausdruck kommenden Exklusivität städtebaulicher Enteignungszwecke und vorbehaltlich der Regelung in § 85 Abs. 2 Nr. 2 BauGB als Rechtsgrundlage für die Enteignung grundsätzlich gesperrt (vgl. z.B. Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl. 2009, § 85 Rn. 9 m.w.N.). Ist demgegenüber der mit dem Vorhaben verfolgte Zweck in § 85 Abs. 1 BauGB nicht "genannt", ist der Weg der städtebaulichen Enteignung (ungeachtet der im Baugesetzbuch geregelten sonstigen Enteignungszwecke, vgl. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Juni 2010, § 85 Rn. 3 ff.) versperrt; § 85 Abs. 2 Nr. 1 BauGB steht einer Enteignung auf anderer als städtebaulicher Grundlage nicht entgegen.
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"Genannt" ist in § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB der Zweck, zu enteignen, um "entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans ein Grundstück zu nutzen oder eine solche Nutzung vorzubereiten". Dieser Zweck der städtebaulichen Enteignung dient der Planverwirklichung (Halama, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., Stand November 2012, § 85 Rn. 12). Der Bebauungsplan, dessen Aufgabe es ist, die bauliche oder sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde zu leiten (§ 1 Abs. 1 BauGB), ist auf Umsetzung angelegt. Er bildet gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 BauGB die Grundlage für weitere, zum Vollzug des Baugesetzbuchs erforderliche Maßnahmen. Vollzugsinstrument ist unter anderem die städtebauliche Enteignung gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB (Philipp, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., Stand November 2012, § 8 Rn. 7). Soll zur Verwirklichung der Festsetzungen eines Bebauungsplans enteignet werden, wird kein anderer, sondern gerade der in § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB genannte Zweck verfolgt. Infolgedessen greift auch die Sperrwirkung des § 85 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Andere als städtebauliche Enteignungsvorschriften bleiben in diesem Fall nicht "unberührt" und werden als Enteignungsgrundlage verdrängt.
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Das bedeutet nicht, dass andere als städtebauliche Enteignungsgrundlagen allein durch die Existenz eines Bebauungsplans stets und ausnahmslos verdrängt würden. § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB setzt voraus, dass gerade zur Verwirklichung der im Bebauungsplan festgesetzten Nutzung enteignet werden soll. Soll zur Verwirklichung einer anderen als der im Bebauungsplan festgesetzten Nutzung enteignet werden, ist § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB tatbestandlich nicht einschlägig und steht deshalb als Rechtsgrundlage für die Enteignung nicht zur Verfügung. Folglich tritt auch die Sperrwirkung des § 85 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht ein. Die Unzulässigkeit einer Enteignung auf anderer als städtebaulicher Grundlage kann sich in diesem Fall allerdings daraus ergeben, dass die mit der Enteignung verfolgte Nutzung den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht und deshalb gemäß § 30 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
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b) Diese auf den Wortlaut gestützte Auslegung wird durch Sinn und Zweck der Vorschriften über die städtebauliche Enteignung untermauert.
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Die städtebauliche Enteignung zur Planverwirklichung ist streng planakzessorisch (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1982 - III ZR 141/81 - DVBl 1983, 627; Halama, a.a.O. § 85 Rn. 18 und § 87 Rn. 34). Durch die Festsetzungen eines Bebauungsplans legt die planende Gemeinde verbindlich fest, zur Verwirklichung welcher konkreten Nutzungen auf der Grundlage des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB enteignet werden darf. Aufgrund der Besonderheiten des Bebauungsplans als Planungsinstrument wird die Gemeinwohlbindung der Enteignung (Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, § 87 Abs. 1 BauGB) dabei in spezifischer Weise sichergestellt. Eine spezifisch städtebauliche Begrenzung des Enteignungszwecks ergibt sich aus dem Numerus clausus bauleitplanerischer Festsetzungen (§ 9 Abs. 1 bis 3 BauGB), der es der planenden Gemeinde etwa verwehrt, im Rahmen der Konfliktbewältigung auf das Instrumentarium der Planfeststellung zurückzugreifen (vgl. z.B. Beschluss vom 17. Mai 1995 - BVerwG 4 NB 30.94 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 82; VGH München, Urteil vom 29. Juni 2006 - 25 N 99.3449 - BayVBl 2007, 429). Spezifischen Anforderungen unterliegt ferner die städtebauliche Abwägung (§ 1 Abs. 7 und § 2 Abs. 3 BauGB), an deren planerische Bewertungen die Enteignungsbehörde im Rahmen der städtebaulichen Enteignung gebunden ist (vgl. Halama, a.a.O. § 87 Rn. 34). Spezifisch sind schließlich die Rechtswirkungen der städtebaulichen Planung; eine enteignungsrechtliche Vorwirkung kommt ihr - im Unterschied zur Planfeststellung - nicht zu (stRspr, z.B. Urteil vom 27. August 2009 - BVerwG 4 CN 5.08 - BVerwGE 134, 355 Rn. 24 m.w.N.).
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All diese Spezifika sprechen für eine Verzahnung von Enteignungsgrundlage und Planungsinstrument, wie sie etwa in § 19 Abs. 1 Satz 2 FStrG zum Ausdruck kommt. Andernfalls wären Brüche an den Schnittstellen zwischen Planung und Enteignung zu besorgen. Erst recht würde das städtebauliche Entscheidungssystem konterkariert, wenn ein durch Planung konkretisierter städtebaulicher Enteignungszweck durch die Wahl nicht plangebundener Enteignungsgrundlagen beiseite geschoben und durch administrative Zweckfestlegungen ersetzt werden könnte. All dies spricht dafür, dass die städtebauliche Enteignung im Fall des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht nur akzessorisch an die Festsetzungen der städtebaulichen Planung gebunden ist, sondern dass umgekehrt das städtebauliche Planungsinstrument auch die Wahl der städtebaulichen Enteignungsgrundlage determiniert mit der Folge, dass für eine durch Bebauungsplan geplante Straße auch nur im Wege der städtebaulichen Enteignung enteignet werden kann. Das bringt der Verwaltungsgerichtshof (BA Rn. 14) mit der Formulierung zum Ausdruck, dass städtebauliche Planungsentscheidungen die Enteignung in das Städtebaurecht "transformieren".
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c) Ist für die Sperrwirkung des § 85 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 BauGB mithin allein maßgeblich, ob enteignet werden soll, um die im Bebauungsplan festgesetzte Nutzung zu verwirklichen, weil nur dieser Zweck in § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB "genannt" ist, kommt es auf die Zwecke, die der Vorhabenträger mit der Verwirklichung der Festsetzungen verbindet, nicht an. Unerheblich ist deshalb, ob sich "andere Zwecke" in der konkreten Verfolgung eines Vorhabens mit "gleichgerichteten städtebaulichen Zwecken" treffen und welches Gewicht die städtebaulichen Zwecke im Vergleich zu den nicht städtebaulichen Zwecken jeweils haben, etwa, ob der Straßenbaulastträger mit der Verwirklichung der festgesetzten Straßenverkehrsfläche im Schwergewicht städtebauliche oder aber straßenrechtliche Zwecke verfolgt. Soweit der Senat hieran anknüpfend in einem Obiter dictum (Urteil vom 6. März 1987 - BVerwG 4 C 11.83 - BVerwGE 77, 86 <89>) die Auffassung vertreten hatte, nur wenn feststehe, dass ausschließlich zu einem städtebaulichen Zweck enteignet werde, oder wenn nach den Umständen des Einzelfalls von "anderen Zwecken" ernsthaft nicht die Rede sein könne, seien allein die §§ 85 ff. BauGB anzuwenden, ist daran nur mit der Maßgabe festzuhalten, dass diese Voraussetzungen im Falle des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ohne Weiteres erfüllt sind.
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2. Die Möglichkeit einer Umdeutung des streitgegenständigen Verwaltungsaktes in solche nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls im Einklang mit Bundesrecht abgelehnt. Ein Auswechseln der Rechtsgrundlage ist nicht zulässig, weil die Verwaltung wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Enteignung (Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG) nur dasjenige Enteignungsgesetz anwenden darf, das der nach der Kompetenzordnung zuständige Gesetzgeber erlassen hat (BVerfG, Urteil vom 10. März 1981 - 1 BvR 92, 96/71 - BVerfGE 56, 249 <262>).
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 31.05.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort (Schifffahrtsgericht) – Az. 5 C 5/16 BSch – in der Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 12.07.2017 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Die weiteren Entscheidungen bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerinnen zu 1) bis 4) sind die Versicherer des Motortankschiffes „S“, die Klägerin zu 1) zu 30 %, die Klägerinnen zu 2) und 3) zu je 25 % und die Klägerin zu 4) zu 20 %. Die „S“ befand sich zu Klassearbeiten sowie zur Beseitigung eines Havarieschadens auf der Werft der Beklagten zu 1). Bereits in den Jahren zuvor war sie dort regelmäßig zu Instandsetzungsarbeiten vorgelegt worden, u.a. war bei einem früheren Werftaufenthalt auch eine automatische Feuerlöscheinrichtung eingebaut worden. Insoweit bestand eine ständige Geschäftsbeziehung zwischen dem Streitverkündeten zu 1) (im Folgenden: Schiffseigner) und der Beklagten zu 1). Am 20.01.2015 wurde eine Gasfreiheitsbescheinigung für das Vorschiff, das Achterschiff und den Laderaumbereich erteilt (vgl. Anlage B 4), am 21.01.2015 wurde die Bilge von einem Bilgenentöler leergepumpt. Ab dem 22.01.2015 wurden auf der Grundlage der schriftlichen Auftragsbestätigung vom 23.01.2015 von der Beklagten zu 1) die vorbezeichneten Arbeiten durchgeführt. In der Auftragsbestätigung wurde – wie schon in der Vergangenheit regelmäßig – auf die ARB der Beklagten zu 1) Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten der Regelungen in den ARB wird auf die zu den Akten gereichten Bedingungen und den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Im Zuge dieser Arbeiten wurde u.a. die Hauptmaschine auseinandergebaut und ausgekrant, wobei das in der Maschine noch vorhandene Öl und Gasöl in unklarer Menge in die Bilge lief. Am 18.05.2015 waren die Arbeiten im Wesentlichen abgeschlossen, wenngleich noch einige Restarbeiten zu erledigen waren. An diesem Tag vereinbarten der Schiffseigner und der Geschäftsführer der Beklagten zu 1), dass die Beklagte zu 1) noch den für die Klasse erforderlichen Hydraulikölwechsel durchführen und damit die Streitverkündete zu 5) (im Folgenden: Firma I) beauftragen und dann entsprechend abrechnen sollte. Die bei der Firma I angestellten Streitverkündeten zu 3) und 4) hielten daraufhin in der Folge nach den Behauptungen der Beklagten bei dem Schiffseigner, nach den Behauptungen der Klägerinnen bei dem Streithelfer zu 2) (im Folgenden: Schiffsführer) Rückfrage, was mit dem Altöl geschehen solle. Der darauf Angesprochene erwiderte unstreitig, es könne in die Bilge abgelassen werden. Der weitere Inhalt des Gespräches ist zwischen den Parteien streitig. Am 20.05.2015 trafen der Zeuge K und der Beklagte zu 2), beides angestellte Mitarbeiter der Beklagten zu 1), im Maschinenraum der „S“ ein, um dort Arbeiten durchzuführen. Seitens des Zeugen K wurden die Dichtungen des Außenkühlers überprüft; der Beklagte zu 2) hatte den Auftrag, die Winkel für die Halterungen zweier Altölsammelbehälter auf den Flurplatten des Maschinenraums anzuschweißen. Als die beiden im Maschinenraum eintrafen, lag ein Teil der Flurplatten lose auf dem Maschinenraumboden auf, wobei die Flurplatten teilweise verschoben waren und den Blick in die Bilge freigaben. Am Morgen desselben Tages stellten auch die Streitverkündeten zu 3) und 4) sich nach vorheriger Absprache mit dem Vorarbeiter der Beklagten zu 1), Herrn F, im Maschinenraum der „S“ ein, um den Hydraulikölwechsel durchzuführen. Sie stellten fest, dass das Altöl noch nicht abgelassen worden war. Ohne erneute Rücksprache mit dem Schiffseigner oder der Beklagten zu 1) ließen sie das Altöl – insgesamt eine Menge von etwa 150 Litern – in die Bilge ab und füllten mit Kanistern neues Hydrauliköl ein. Diese Arbeiten beendeten sie, während der Beklagte zu 2) und der Zeuge K ihre Frühstückspause machten. Gegen 10.45 Uhr kehrten letztere aus der Pause zurück. Sie trafen im Maschinenraum die Zeugen X, I2 und K2 an. Es kam zu einem kurzen Gespräch mit zwischen den Parteien streitigem Inhalt. Danach begann der Beklagte zu 2) zu schweißen, während der Zeuge K die bereits vor der Pause begonnenen Arbeiten am Kühler wieder aufnahm. Kurz darauf bemerkte der Zeuge K einen Brandgeruch. Als er aufblickte, sah er eine Flamme im hinteren Teil des Maschinenraums, die ein bis zwei Meter aus den Bodenplatten herausschoss. Er informierte den Beklagten zu 2) und versuchte – in im Einzelnen zwischen den Parteien streitiger Art und Weise – mit diesem gemeinsam, das Feuer mittels der im Maschinenraum befindlichen Handfeuerlöscher zu löschen. Dies gelang ihnen jedoch aus zwischen den Parteien streitigen Grünen nicht. Der von dem Zeugen K und dem Beklagten zu 2) an der Treppe zum Maschinenraum bereit gelegte Löschschlauch wurde nicht benutzt. Auch die bordeigene Feuerlöschanlage wurde nicht ausgelöst. Mit deren Überprüfung war die Beklagte zu 1) vor dem Brand von dem Schiffseigner beauftragt. Die Überprüfung war seitens der Beklagten zu 1) gegenüber dem Schiffseigner auch abgerechnet worden.
4Der Brand konnte erst durch die Feuerwehr gelöscht werden. Bei dem Brand entstand ein erheblicher Sachschaden an dem Motortankschiff sowie an den Arbeitsmaterialien der Beklagten zu 1). Die Klägerinnen zu 1) und 4) erbrachten entsprechend ihrer Anteile an der Versicherung an den Schiffseigner Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 698.569,96 €. Wegen der genauen Zusammensetzung dieser Versicherungsleistungen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.
5Die Klägerinnen haben mit der Klage im Umfang der von ihnen an den Schiffseigner erbrachten Versicherungsleistungen aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten geltend gemacht. Sie haben mit Unterstützung der Streithelfer die Auffassung vertreten, das Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort sei für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Sie haben gemeint, die Beklagten seien ihnen zum Schadensersatz in Höhe der Klageforderung verpflichtet, da sie den Brand grob schuldhaft verursacht hätten. Hierzu haben sie behauptet, die Schweißarbeiten seien trotz Kenntnis der Beklagten von der zeitgleichen Durchführung des Hydraulikölwechsels durch die Streitverkündeten zu 3) und 4) grob fahrlässig unter Außerachtlassen diverser zwingender Sicherheitsvorschriften durchgeführt worden. So sei etwa ein erneutes Freimessen des Maschinenraums vor Durchführung der Schweißarbeiten unterblieben, eine schriftliche Schweißerlaubnis nicht erteilt, die erforderliche Brandwache nicht vor Ort gewesen und geeignete Feuerlöscheinrichtungen seitens der Beklagten zu 1) nicht gestellt worden. Die Brandschutzdecken seien darüber hinaus pflichtwidrig nur im unmittelbaren Nahbereich der Schweißstelle ausgelegt worden. Auch von der naheliegenden Möglichkeit, die Schweißarbeiten außerhalb des Maschinenraums durchzuführen, sei pflichtwidrig kein Gebrauch gemacht worden. Zudem hätten weder der die Schweißarbeiten durchführende Beklagte zu 2) noch die Beklagte zu 1) über die erforderliche Erlaubnis zur Durchführung von Schweißarbeiten auf Tankschiffen von GL/Bureau Veritas/IACS verfügt. Weitergehend haben die Klägerinnen bestritten, dass der Beklagte zu 2) überhaupt über eine abgeschlossene Ausbildung, die ihn zum Elektroschweißen berechtigt habe, verfüge. Die Klägerinnen haben behauptet, es komme erschwerend hinzu, dass der Zeuge X den Beklagten zu 2) noch unmittelbar vor dem Ausbruch des Brandes auf die Gefährlichkeit der Schweißarbeiten bei den herrschenden örtlichen Gegebenheiten hingewiesen habe. Das benutzte Elektroschweißgerät sei – insoweit unstreitig – von der Beklagten zu 1) von Bord entfernt worden. Aufgrund dieses Umstandes haben die Klägerinnen die Ansicht vertreten, es greife zu Lasten der Beklagten ein Anscheinsbeweis für einen technisch nicht einwandfreien Zustand des verwendeten Schweißgerätes ein. Die Klägerinnen haben weiter behauptet, bei Einhaltung der gebotenen Sicherheitsvorkehrungen wäre der Brand vermieden worden oder hätte zumindest schneller entdeckt und bereits in der Anfangsphase ohne relevante Schäden gelöscht werden können. Ausgelöst worden sei der Brand durch die umherfliegenden Schweißperlen und/oder durch indirekte Wärmeleitung an der Schweißstelle. Die Klägerinnen haben schließlich behauptet, auch nach der Brandentstehung hätten der Beklagte zu 2) und der Zeuge K fehlerhaft gehandelt. Sie seien offenbar nicht mit der Bedienung der an Bord befindlichen funktionsfähigen Feuerlöscher vertraut gewesen und hätten diese infolgedessen fehlerhaft bedient. Der bereit gelegte Schlauch habe pflichtwidrig nicht unter Druck gestanden. Die – gleichermaßen funktionstüchtige – bordeigene Feuerlöschanlage sei von dem Zeugen K und dem Beklagten zu 2) pflichtwidrig nicht betätigt worden. Angesichts der Vielzahl von Versäumnissen falle der Beklagten zu 1) ein erhebliches eigenes Organisationsverschulden zur Last. Darüber hinaus müsse sie sich das Verschulden des Beklagten zu 2) zurechnen lassen. Demgegenüber liege ein Mitverschulden der Streithelfer nicht vor. Insoweit haben die Klägerinnen die Auffassung vertreten, es habe nicht dem Schiffseigner oblegen, die Arbeiten der Beklagten zu 1) zu überwachen und in eigener Verantwortung die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Sie haben bestritten, dass seitens des Schiffsführers eine Anweisung zum Ablassen des Altöls in die Bilge erteilt worden sei. Vielmehr habe dieser den Streithelfern zu 3) und 4) lediglich diesen Vorschlag unterbreitet, ihn jedoch noch im gleichen Gespräch sofort wieder zurückgezogen und den Streithelfern zu 3) und 4) stattdessen mitgeteilt, der Zeuge K2 werde das Altöl ablassen. Nachfolgend sei es diesbezüglich zu keiner weiteren Kontaktaufnahme der Streithelfer zu 3) und 4) mit dem Schiffsführer oder dem Schiffseigner mehr gekommen. Im Übrigen sei eine etwaige Anweisung, das Altöl in die Bilge abzulassen, auch grundsätzlich nicht zu beanstanden gewesen und in Schiffen ohne Altölsammeltanks eine übliche und zulässige Vorgehensweise. Von der zeitlich parallelen Durchführung der Schweißarbeiten als dieser Vorgehensweise entgegen stehender Umstand habe die Schiffsseite keine Kenntnis gehabt. Das Ablassen des Altöls in die Bilge habe aber auch unabhängig davon keinen entscheidenden Einfluss auf die Entzündbarkeit und Brennbarkeit der Bilgenflüssigkeit gehabt. Denn diese sei durch die Zuführung des Altöls nicht erhöht worden. Hydrauliköl habe keine brandfördernden Eigenschaften. Die Klägerinnen haben schließlich die Ansicht vertreten, die in den ARB der Beklagten enthaltenen Haftungsbeschränkungen entfalteten keine Wirkung. Sie seien unwirksam, soweit mit ihnen die Haftung der Beklagten zu 1) für die Verletzung von Kardinalpflichten ausgeschlossen werden solle. Die Klägerinnen und ihre Streithelfer haben in 1. Instanz beantragt,
61.
7die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch haftend zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 209.100,41 € (30 % von 697.001,38 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2016 sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 470,58 € (30 % von 1.568,60 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.06.2016 sowie eine 1,6 Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1.830,24 € (30 % von 6.100,80 €) sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 382,17 € (30 % von 1.273,91 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2016 zu zahlen,
82.
9die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch haftend zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) 174.250,34 € (25 % von 697.001,38 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2016 sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 392,15 € (25 % von 1.568,60 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.06.2016 sowie eine 1,6 Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1.525,20 € (25 % von 6.100,80 €) sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 318,48 € (25 % von 1.273,91 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2016 zu zahlen,
103.die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch haftend zu verurteilen, an die Klägerin zu 3) 174.250,34 € (25 % von 697.001,38 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2016 sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 392,15 € (25 % von 1.568,60 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.06.2016 sowie eine 1,6 Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1.525,20 € (25 % von 6.100,80 €) sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 318,48 € (25 % von 1.273,91 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2016 zu zahlen,
114.die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch haftend zu verurteilen, an die Klägerin zu 4) 139.400,27 € (20 % von 697.001,38 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2016 sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 313,72 € (20 % von 1.568,60 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.06.2016 sowie eine 1,6 Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1.220,16 € (20 % von 6.100,80 €)sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 254,78 € (20 % von 1.273,91 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2016 zu zahlen. Die Beklagten sind dem entgegen getreten und haben beantragt, die Klage abzuweisen.
12Sie haben die Auffassung vertreten, für die Entscheidung des Rechtsstreits sei das Rheinschifffahrtsgericht und nicht das Schifffahrtsgericht örtlich und sachlich zuständig, weil das Schiff vollständig ausgerüstet, betriebs- und fahrbereit gewesen sei. Hierzu haben sie behauptet, zum Zeitpunkt des Brandes seien nur noch solche kleineren Restarbeiten durchzuführen gewesen, die der Fahrfähigkeit des Schiffes nicht entgegengestanden hätten. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, eine Haftung der Beklagten sei gemäß ihren wirksam in den Vertrag einbezogenen und auch inhaltlich nicht zu beanstanden ARB ausgeschlossen. Nach Maßgabe dieser Allgemeinen Bedingungen sei der Schiffseigner bei Durchführung von gefahrgeneigten Arbeiten wie Schweißarbeiten zur Übernahme der erforderlichen Überwachungsmaßnahmen in eigener Verantwortung verpflichtet. Dies rechtfertige sich daraus, dass nur der Schiffseigner das spezifische Risikopotential seines Schiffes, wie z.B. die Beschaffenheit der Bilge und die An- oder Abwesenheit von Brandbeschleunigern, kenne und beherrsche. Eine Haftung der Beklagten sei dagegen ausgeschlossen. Vorliegend habe der Schiffsführer pflichtwidrig gehandelt und dadurch den Brand verursacht. Er hafte mithin für die Folgen des Brandes selbst in vollem Umfang. Hierzu haben die Beklagten behauptet, der Schiffseigner habe den Streithelfern zu 3) und 4) die Anweisung erteilt, das Altöl in die Bilge abzulassen. Diese Anweisung sei auch nicht widerrufen worden. Er habe es ferner versäumt, die Beklagte zu 1) darauf hinzuwiesen, dass er unter Zuhilfenahme der Streithelfer zu 3) und 4) in Eigenarbeit einen Ölwechsel durchführen und dabei das Altöl nicht auffangen und entsorgen, sondern in die Bilge ablassen werde. Auch eine schriftliche Zustimmung der Beklagten zu 1) hierzu habe er pflichtwidrig nicht eingeholt. Entsprechend sei das Altöl von den Streithelfern zu 3) und 4) am Schadenstag in die Bilge abgelassen worden, dies ohne Information des Beklagten zu 2) über diesen Umstand. Auch die Beklagte zu 1) habe hierüber keine Kenntnis gehabt. Diese Vorgehensweise der Streithelfer zu 3) und 4) müssten sich die Klägerinnen entgegen halten lassen, da die von den Streithelfern zu 3) und 4) übernommene Tätigkeit eine solche sei, die üblicherweise von Besatzungsmitgliedern durchgeführt werde. Das Ablassen von Altöl in die Bilge stelle sich vor dem Hintergrund der dadurch geschaffenen Brandgefahr auch als pflichtwidrig dar. Richtigerweise habe das Altöl vorschriftsmäßig aufgefangen und entsorgt werden müssen. Dieses Versäumnis sei die maßgebliche Ursache für die Entstehung und das Ausmaß des in Rede stehenden Brandes gewesen. Das Vorhandensein des Hydrauliköls in der Bilgenflüssigkeit habe als Brandbeschleuniger fungiert und bewirkt, dass der Brand sofort und mit großer Gewalt ausgebrochen sei. Normales beim Betrieb des Schiffes anfallendes Bilgenwasser könne unter den seinerzeit gegebenen Umständen und Temperaturen nicht durch Schweißarbeiten der vorliegend in Rede stehenden Art solcherart in Brand geraten. Der Beklagte zu 2) habe hingegen die Schweißarbeiten ordnungsgemäß und entsprechend seinem üblichen Vorgehen durchgeführt. Er sei ausgebildeter und qualifizierter Elektroschweißer und habe darüber hinaus erfolgreich an Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Arbeitssicherheit, Arbeitsschutz und Qualitätsmanagement teilgenommen. Er habe auch am Tag des Schadensfalles unter Einhaltung der im Werftbetrieb üblichen Sicherheitsvorkehrungen gearbeitet, insbesondere habe er die Schweißstelle fachmännisch großflächig mit Schweißschutzdecken abgedeckt. Das Schweißgerät sei technisch einwandfrei in Ordnung gewesen. Die Feuerlöscher seien seitens des Schiffes bereitgestellt worden. Einer der Feuerlöscher sei trotz ordnungsgemäßer Bedienung nicht einsatzbereit und funktionsfähig gewesen. Auch die an Bord vorhandene Feuerlöschanlage sei offenbar nicht funktionstüchtig und einsatzbereit gewesen und von den anwesenden Besatzungsmitgliedern pflichtwidrig nicht eingesetzt worden. Letztlich hätte der schlagartig ausbrechende Brand aber – auch beim Vorhandensein funktionsfähiger Feuerlöscher – weder von dem Beklagten zu 2) und dem Zeugen K noch von einer Brandwache erfolgreich gelöscht werden können. Auch ein vorheriges Freimessen des Maschinenraumes hätte ihn nicht verhindern können, da er nicht infolge einer Verpuffung oder Explosion entstanden sei.
13Das Schifffahrtsgericht hat Beweis erhoben im Zuge des Verklarungsverfahrens vor dem Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort (Az. 25 II 2/15 BSch) durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens nebst mündlicher Erläuterung desselben. Es hat sodann mit am 31.05.2017 verkündetem und mit Beschluss vom 12.07.2017 berichtigtem Grundurteil – Az. 5 C 5/16 BSch – die Klage gegen die Beklagte zu 1) dem Grunde nach zu 40 % für gerechtfertigt erklärt und gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, den Klägerinnen stehe grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) zu, weil dieser ein Organisationsverschulden zur Last falle. Dieser Schadensersatzanspruch sei jedoch um einen den Klägerinnen zuzurechnenden Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteil der Schiffsseite in Höhe von 60 % zu kürzen, weil die Schiffsseite pflichtwidrig die Anweisung zum Ablassen des Altöls in die Bilge erteilt habe, ohne dies den Beklagten zur Kenntnis zu bringen. Hinsichtlich des Beklagten zu 2) könne das anspruchsbegründende Verschulden nicht festgestellt werden. Denn er habe die Gefahr schlicht unterschätzt, daher kein Bewusstsein von der Gefährlichkeit seines Vorgehens gehabt und infolgedessen die Möglichkeit des Eintritts des schädigenden Erfolges nicht vorhergesehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand sowie die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Gegen das beiden Parteien am 01.06.2017 zugestellte Urteil richten sich die am 13.06.2017 bei Gericht eingegangene und nach Fristverlängerung am 28.09.2017 fristgerecht begründete Berufung der Klägerinnen sowie die am 28.06.2017 bei Gericht eingegangene und nach Fristverlängerung am 29.09.2017 fristgerecht begründete Berufung der Beklagten zu 1).
14Mit der Berufung verfolgen die Klägerinnen und ihre Streithelfer das erstinstanzliche Klagebegehren im Umfang der erfolgten Klageabweisung weiter. Sie behaupten, auch dem Beklagten zu 2) falle grobe Fahrlässigkeit zur Last, und sind der Ansicht, er hafte ihnen im Umfang des Anspruchsübergangs gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1) auf Schadensersatz. Sie wenden sich mit der Berufung weiterhin gegen die Annahme des Schifffahrtsgerichts, der Schiffsseite falle ein Mitverschulden in einem Umfang von 60 % zur Last, das den Klägerinnen entgegen gehalten werden könne. In diesem Zusammenhang wiederholen und vertiefen sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie behaupten, eine grobe Pflichtverletzung der Beklagten sei bereits darin zu sehen, dass die Schweißarbeiten nicht – wie geboten – an Land, sondern im Maschinenraum vorgenommen worden seien, dies noch dazu unter Außerachtlassung der einschlägigen Sicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften. Pflichtwidrig sei auch keine Information des Schiffseigners über die beabsichtigten Schweißarbeiten im Maschinenraum erfolgt. Ansonsten hätte dieser darauf bestanden, dass die Arbeiten außerhalb des Maschinenraums durchgeführt worden seien. Zu Unrecht sei das Schifffahrtsgericht von einer Anordnung des Schiffsführers zum Ablassen des Öls in die Bilge ausgegangen. Da dieser den Streithelfern zu 3) und 4) unterbreitete Vorschlag noch im gleichen Gespräch zurückgenommen und nachfolgend keine erneute Rückfrage an ihn mehr erfolgt sei, sei dieser Vorschlag zum Zeitpunkt des Ölwechsels nicht mehr in der Welt gewesen. Die Streithelfer zu 3) und 4) seien zudem zu keiner Zeit Besatzungsmitglieder der „S“ gewesen. Unabhängig davon sei das Ablassen des Altöls in die Bilge aber auch üblich und nicht zu beanstanden. Es habe auch an der Entzündbarkeit und Brennbarkeit des Bilgeninhalts nichts geändert, da Hydrauliköl keine brandfördernden Eigenschaften besitze. Ein Mitverschulden könne der Schiffsseite auch nicht im Hinblick auf die Nichteinweisung des Beklagten zu 2) und des Zeugen K in die bordeigene Feuerlöschanlage gemacht werden. Denn diese sei im Jahr 2014 von der Beklagten zu 1) selbst eingebaut worden, so dass es vor diesem Hintergrund einer Einweisung nicht bedurft habe. Die Anlage habe auch allein von dem Zeugen K oder dem Beklagten zu 2) betätigt werden können, da nur diese mit Sicherheit hätten wissen können, dass der Maschinenraum leer und der Einsatz der Anlage daher ohne Gefahr für Personen möglich gewesen sei. Soweit die Funktionsfähigkeit der Anlage in Zweifel gezogen werde, habe die Beklagte zu 1) noch anlässlich des konkreten Werftaufenthalts den Auftrag erhalten, die Anlage auf ihre Funktionsfähigkeit hin zu überprüfen. Dies sei dem Schiffseigner auch in Rechnung gestellt worden. Die an Bord befindlichen Handfeuerlöscher seien ausreichend gewartet worden.
15Nach Erteilung rechtlicher Hinweise durch den Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.04.2018 behaupten die Klägerinnen und die Streithelfer zu 1) und 2) unter Aufgabe ihres gegenteiligen Sachvortrags nunmehr, es sei grob fahrlässig von den Streithelfern zu 3) und 4) gewesen, das Altöl in der gegebenen Situation in die Bilge abzulassen. Denn Hydrauliköl sei leicht brenn- und entzündbar. Sein Vorhandensein in der Bilge habe maßgeblich zur Brandentstehung und –ausbreitung beigetragen. Sie verweisen nunmehr auf die diesbezüglichen technischen Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen im Verklarungsverfahren. Sie vertreten die Auffassung, dieses schuldhafte Vorgehen der Streithelfer zu 3) und 4) müsse sich die Beklagte zu 1) in gleicher Weise zurechnen lassen wie ihr eigenes grobes Organisations- und Koordinationsverschulden und das grob fahrlässige Verhalten des Beklagten zu 2).
16Die Streithelfer zu 3) bis 5) halten an ihrer Auffassung fest, dass ein pflichtwidriges Vorgehen der Streithelfer zu 3) und 4) nicht zu erkennen sei. Sie meinen, bei der Durchführung des Ölwechsels nicht als Erfüllungsgehilfen der Beklagten tätig geworden zu sein, sondern auf der Grundlage der Anweisung des Schiffseigners, respektive des Schiffführers. Zwar sei richtig, dass der Ölwechsel vom Schiffseigner bei der Beklagten zu 1) in Auftrag gegeben worden sei. Dies habe jedoch nicht das Ablassen des Altöls umfasst. Das Ablassen des Altöls werde bereits nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht von dem Begriff des Ölwechsels mitumfasst. Die Streithelfer zu 3) und 5) bestreiten, dass den Streithelfern zu 3) und 4) bewusst gewesen sei, dass parallel zu den von ihnen durchgeführten Ölwechsel von dem Beklagten zu 2) im Maschinenraum Schweißarbeiten durchgeführt worden seien oder angestanden hätten. Insoweit behaupten sie, der Ölwechsel sei komplett in der Frühstückspause des Zeugen K und des Beklagten zu 2) durchgeführt worden.
17Die Klägerinnen und die Streithelfer beantragen,
18- das Urteil des Amtsgerichts – Schifffahrtsgericht – Duisburg-Ruhrort abzuändern und entsprechend den in erster Instanz gestellten Schlussanträgen
191)
20die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch haftend zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 209.100,41 € (30 % von 697.001,38 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2016 sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 470,58 € (30 % von 1.568,60 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.06.2016 sowie eine 1,6 Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1.830,24 € (30 % von 6.100,80 €) sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 382,17 € (30 % von 1.273,91 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2016 zu zahlen,
212)
22die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch haftend zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) 174.250,34 € (25 % von 697.001,38 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2016 sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 392,15 € (25 % von 1.568,60 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.06.2016 sowie eine 1,6 Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1.525,20 € (25 % von 6.100,80 €) sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 318,48 € (25 % von 1.273,91 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2016 zu zahlen,
233)
24die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch haftend zu verurteilen, an die Klägerin zu 3) 174.250,34 € (25 % von 697.001,38 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2016 sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 392,15 € (25 % von 1.568,60 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.06.2016 sowie eine 1,6 Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1.525,20 € (25 % von 6.100,80 €) sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 318,48 € (25 % von 1.273,91 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2016 zu zahlen,
254)
26die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch haftend zu verurteilen, an die Klägerin zu 4) 139.400,27 € (20 % von 697.001,38 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2016 sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 313,72 € (20 % von 1.568,60 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.06.2016 sowie eine 1,6 Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1.220,16 € (20 % von 6.100,80 €) sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 254,78 € (20 % von 1.273,91 €) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2016 zu zahlen
27sowie
28die Berufung der Beklagten zu 1) zurückzuweisen.
29Die Beklagte zu 1) beantragt,
30unter Aufhebung des Urteils des Schifffahrtsgerichtes Duisburg-Ruhrort, Az.: 5 C 5/16 BSch, die Klage wegen Unzuständigkeit des Schifffahrtsgerichtes Duisburg-Ruhrort als unzulässig abzuweisen, hilfsweise an das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort zu verweisen,
31weiter hilfsweise, die Berufung der Klägerinnen kostenpflichtig zurückzuweisen und unter Abänderung des Urteiles des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
32Der Beklagte zu 2) beantragt,
33die Berufung der Klägerinnen kostenpflichtig zurückzuweisen.
34Die Beklagten verteidigen in Bezug auf die Berufung der Klägerinnen unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Behauptungen und Rechtsansichten das angefochtene Urteil nach Maßgabe der Berufungserwiderung.
35Die Beklagte zu 1) verfolgt mit ihrer Berufung darüber hinaus unter Wiederholung ihrer erstinstanzlichen Behauptungen und Rechtsansichten die vollumfängliche Klageabweisung weiter. Sie ist der Auffassung, die Klage sei bereits unzulässig, weil das Rheinschifffahrtsgericht zuständig sei. Sie meinen, dies sei ein Fall der internationalen Zuständigkeit und daher auch im Berufungsrechtszug zu prüfen. In der Sache behauptet sie, für die normale Gefahrenlage an Bord ohne das vorherige Ablassen des Altöls in die Bilge im Zuge des Hydraulikölwechsels seien die von dem Beklagten zu 2) ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen völlig ausreichend gewesen. Denn bis zum Ablassen des Getriebeöls sei das Bilgenwasser nur in geringfügigem Umfang mit Mineralölrückständen verschmutzt und in diesem Zustand nicht entzündbar gewesen; jedenfalls hätten die Schweißarbeiten ohne das Ablassen des Altöls in die Bilge nicht zu einem derartig flammenwerferartigen Brand führen können. Ein – zeit- und kostenintensiverer – Auftrag zur Durchführung der Schweißarbeiten an Land sei nicht erteilt worden. Die Beklagten bestreiten darüber hinaus die Funktionsfähigkeit der bordeigenen Feuerlöschanlage und behaupten, zu ihrem Einsatz sei nur die Schiffsbesatzung berechtigt gewesen.
36Vor dem Hintergrund der vom Senat im Termin vom 24.04.2018 erteilten rechtlichen Hinweise haben die Beklagten unter Aufgabe ihres gegenteiligen Sachvortrags unstreitig gestellt, dass das Ablassen von Altöl in die Bilge durch die Streithelfer zu 3) und 4) nicht zu beanstanden sei. Sie behaupten nunmehr, dieser Umstand habe nicht dazu beigetragen, dass die Bilge in Brand gesetzt worden sei. Hydrauliköl habe vielmehr die gleichen Eigenschaften wie normales Motorenöl, das stets in einer Bilge anzutreffen sei, und besitze ebenso wenig wie jenes brandfördernde Eigenschaften. Insbesondere sei es kein Brandbeschleuniger. Im Gegenteil seien Schweißarbeiten der vorliegenden Art gar nicht geeignet, Hydrauliköl zu entzünden, weil die hierbei entfaltete Entzündungsenergie nicht ausreichend sei. Vor diesem Hintergrund sei evident, dass sich ein anderer unbekannter Brandbeschleuniger in der Bilge befunden haben müsse, dessen Existenz sich die Schiffsseite zurechnen lassen müsse. Sowohl die Zündquelle als auch der Brandentstehungsmechanismus seien gänzlich unklar, was zu Lasten der Klägerinnen gehe, jedenfalls weiterer Aufklärung bedürfe.
37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
38Die Akten 25 II 2/15 BSch AG Duisburg-Ruhrort (Verklarungsverfahren) sowie die Akte 132 Js 29/15 StA Duisburg haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
39II.
40Die Berufung der Klägerinnen hat Erfolg, wohingegen die Berufung der Beklagten zu 1) zurückzuweisen ist.
411.
42Ohne Erfolg rügt die Beklagte zu 1) die Zuständigkeit des vorliegend tätig gewordenen Schifffahrtsgerichts. Auf die in der Berufungsbegründung aufgeworfene Frage, ob anstelle des Schifffahrtsgerichts das Rheinschifffahrtsgericht zuständig gewesen wäre, kommt es nicht an. Denn diese Frage ist im Berufungsverfahren nicht mehr zu prüfen, nachdem das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit bejaht hat. Gemäß § 513 II ZPO kann die Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Diese Vorschrift gilt nach einhelliger Auffassung sowohl für die sachliche als auch für die örtliche und die funktionelle Zuständigkeit (Musielak/Voit, ZPO 15. Auflage, § 513 Rn. 7; Rimmelspacher in: Münchener Kommentar, ZPO 5. Auflage, § 513 Rn. 15). Damit ist die gerügte sachliche Zuständigkeit der Binnenschifffahrtsgerichte, hier konkret des Rheinschifffahrtsgerichts, anstelle des Schifffahrtsgerichts im Berufungsverfahren nicht mehr zu prüfen (Senat, Urteil vom 11.10.2018, Az.: 3 U 70/17; Urteil vom 30.05.2008, Az.: 3 U 7/07 BSch, zitn.n. juris; OLG Karlsruhe TranspR 2003, 248). Die internationale Zuständigkeit bleibt hingegen vom Berufungsgericht zu prüfen. Die hier erst mit Schriftsatz vom 16.08.2018 (Bl. 982 ff. d.A.) insoweit erhobene Zuständigkeitsrüge bleibt bereits deshalb erfolglos, weil es vorliegend in jeglicher Hinsicht an einem internationalen Sachverhalt fehlt und die Beklagten nicht behaupten, dass Gerichte eines anderen Mitgliedstaates zuständig seien (vgl. im Übrigen Senat, Urteil vom 11.10.2018, Az.: 2 U 70/17).
432.
44Wie das Schifffahrtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, steht den Klägerinnen gegenüber der Beklagten zu 1) dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus vertraglicher Haftung gemäß § 280 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Entgegen der vom Schifffahrtsgericht vertretenen Auffassung ist dieser Anspruch nicht gemäß § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen. Vielmehr haftet die Beklagte zu 1) in vollem Umfang, was auf die Berufung der Klägerinnen hin dem Grunde nach festzustellen war.
45(a) Der Beklagten zu 1) ist ein grobes Verschulden zur Last zu legen, §§ 276, 278 BGB. Gegenteiliges ist ihrem Vortrag bzw. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren nicht zu entnehmen, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. So hat die Beklagte zu 1) nicht nur veranlasst, dass ihr Mitarbeiter, der Beklagte zu 2), in ihrem Auftrag Schweißarbeiten im Maschinenraum vorgenommen hat, ohne zuvor – wie es geboten gewesen wäre – sicherzustellen, dass sich in der Bilge des Schiffes keine entzündliche Flüssigkeit befindet. Sie hat darüber hinaus auch noch die Streitverkündete zu 5) (im Folgenden: Firma I) damit beauftragt, in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den Schweißarbeiten einen Getriebeölwechsel durchzuführen. Die Schweißarbeiten haben nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen dazu geführt, dass sich die um das Altöl angereicherte Bilgenflüssigkeit, die ausweislich des im Berufungsrechtszug zugrunde zu legenden unstreitigen Tatbestands der angefochtenen Entscheidung bereits zuvor durch Motor- und Gasöl angereichert war, das im Zuge des Auseinanderbaus der Hauptmaschine durch die Beklagte zu 1) in die Bilge gelangt war, entzündet hat, wodurch der Schiffsbrand entstanden ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Entzündung durch Funkenflug von Schweißperlen oder durch das Erhitzen von Stahlplatten ausgelöst wurde.
46Im Hinblick auf das der Beklagten zu 1) nach den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Streitverkündeten zu 1) (im Folgenden: Schiffseigner) von dieser geschuldete Pflichtenprogramm ist zu sehen, dass die Beklagte zu 1) einerseits für eigenes (Organisations-)verschulden haftet, sie sich darüber hinaus aber auch schuldhaftes Verhalten ihrer Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen muss, § 278 BGB. Davon ist im Grundsatz zutreffend auch das Schifffahrtsgericht ausgegangen. Es hat jedoch aus Sicht des Senates den Umstand, dass die Firma I ebenso wie deren Mitarbeiter, die Streitverkündeten zu 3) und 4), vorliegend im Auftrag von und für die Beklagte zu 1) in Erfüllung einer dieser gegenüber dem Schiffseigner obliegenden Verpflichtung zur Vornahme des Hydraulikölwechsels tätig geworden sind, nicht hinreichend gewürdigt und bedacht (vgl. hierzu Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 278 Rz. 14 und 39 m. w. N.). Ausgehend hiervon haftet die Beklagte zu 1) nicht nur für Pflichtverletzungen im Rahmen der von ihr vorgenommenen Schweißarbeiten, sondern gleichermaßen auch für Pflichtverletzungen im Rahmen des Hydraulikölwechsels sowie für die nicht hinreichend koordinierte Durchführung der Hydraulikölwechsels und der Schweißarbeiten.
47Wie das Schifffahrtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, ist der Auftrag für den Hydraulikölwechsel seitens des Schiffseigners unstreitig nicht der Firma I unmittelbar erteilt worden, sondern dieser Auftrag wurde der Beklagten zu 1) erteilt, welche dann wiederum ihrerseits die Firma I mit der Durchführung der Arbeiten beauftragte. Die Klägerinnen haben in 1. Instanz substantiiert dargelegt, dass der für die Klassearbeiten erforderliche Hydraulikölwechsel am 18.02.2015 vom Schiffseigner bei der Beklagten zu 1) in Auftrag gegeben wurde. Dem ist die Beklagte zu 1) nicht beachtlich entgegen getreten. Unter Hinweis auf den auf den 20.02.2015 datierten und von dem Vorarbeiter der Beklagten zu 1) unterzeichneten Montagebericht der Firma I (Bl. 167 d.A.) ist des Weiteren dargelegt worden, dass dieser Auftrag von der Beklagten zu 1) ihrerseits an die Firma I weitergegeben wurde. Auch dies ist beklagtenseits nicht substantiiert bestritten worden. Allein der Umstand, dass nach entsprechender Auftragserteilung die Mitarbeiter der Firma I, die später auch die Arbeiten ausgeführt haben, den Schiffseigner auf den Ölwechsel angesprochen und ihn danach gefragt haben, was mit dem Altöl geschehen solle, vermag an den dargestellten Vertragsverhältnissen zwischen dem Schiffseigner und der Beklagten zu 1) einerseits und der Beklagten zu 1) und der Firma I andererseits nichts zu ändern. Insbesondere ist aus Sicht des Senates kein Raum für die Annahme, der Schiffseigner hätte insoweit einen eigenen Vertrag mit den Streitverkündeten zu 3) und 4) bzw. deren Arbeitgeber, der Firma I, hinsichtlich des Ablassens des Altöls geschlossen. Ein solcher Erklärungswert kann seinem Verhalten bereits deshalb nicht beigelegt werden, weil er der Beklagten zu 1) bereits einen Auftrag für den Ölwechsel erteilt hatte. Insoweit bestand aus seiner Sicht weder die Notwendigkeit noch irgendeine Veranlassung, hiermit (zusätzlich) die Firma I unmittelbar zu beauftragen. Auch aus Sicht der Streitverkündeten zu 3) und 4) konnte das Verhalten des Schiffseigners nicht so verstanden werden, dass ein unmittelbarer Auftrag an sie, respektive die Firma I erteilt werden sollte. Denn sie wurden mit ihrer Nachfrage bei dem Schiffseigner ersichtlich bereits in Erfüllung des ihnen von der Beklagten zu 1) erteilten Auftrags tätig. Der Senat vermag auch der Beklagten zu 1) nicht in der Einschätzung zu folgen, der bei der Beklagten zu 1) in Auftrag gegebene Hydraulikölwechsel habe sich nur auf das Einfüllen des neuen Öls bezogen und nicht auch das vorherige Ablassen des Altöls umfasst. Bereits nach allgemeinem Sprachverständnis umfasst ein Ölwechsel das Ablassen des alten Öls sowie das Einfüllen des neuen Öls. Nur die Gesamtheit beider Tätigkeiten kann als „Wechsel“ bezeichnet werden. Es ist auch nicht ersichtlich, warum die Streitverkündeten zu 3) und 4) den Schiffseigner auf das Ablassen des Öls hätten ansprechen sollen, wenn nicht wegen und aufgrund des ihnen zuvor von der Beklagten zu 1) erteilten Auftrags zur Durchführung des Ölwechsels. Die – unstreitige – Erklärung des Schiffseigners, das Altöl könne in die Bilge abgelassen werden, stellte vor dem Hintergrund der vorstehend skizzierten Vertragsverhältnisse daher bereits keine verbindliche Anweisung an die Streitverkündeten zu 3) und 4) dar, die sie daran gehindert hätte, anderweitig vorzugehen und das Altöl aufwändiger, also kostenintensiver – etwa durch Abfüllen in Kanister und Abtransport dieser Kanister – zu entsorgen, wenn ihnen dies sachgerecht und notwendig erschienen wäre. Unabhängig davon haben aber auch die Streitverkündeten zu 3) und 4) in ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung im Verklarungsverfahren – ohne dass dies von einer der Parteien in Zweifel gezogen worden wäre – zu Protokoll gegeben, die zunächst seitens des Schiffseigners unstreitig erteilte Anweisung sei noch im Verlaufe desselben Gespräches wieder zurückgenommen und stattdessen erklärt worden, das Ablassen des Altöls werde der Matrose vornehmen. Eine neue Weisung seitens des Schiffseigners ist auch nach den Aussagen der Streitverkündeten zu 3) und 4) im Verklarungsverfahren nachfolgend zu keiner Zeit erteilt worden. Das Ablassen des Altöls erfolgte vielmehr eigenmächtig aufgrund einer eigenen Entschließung der Streitverkündeten zu 3) und 4) ohne erneute Rücksprache mit der Beklagten zu 1) oder dem Schiffseigner und eine von einer dieser Personen etwa ausgesprochenen konkreten Weisung.
48Diese Anweisung und tatsächliche Vorgehen war im konkreten Fall grob pflichtwidrig. Dies widerstreitet nicht dem Umstand, dass gerichtsbekannt ist und durch die Aussagen der im Verklarungsverfahren vernommenen Zeugen bestätigt wird, dass es – gerade beim Fehlen von Altölsammeltanks – in der Schifffahrt üblich und nicht zu beanstanden ist, eine gewisse Menge an Altöl in die Bilge abzulassen. Denn die Bilge eines Frachtschiffes wird – was auch der Beklagtenvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung bestätigt hat – durchaus auch dafür genutzt, Altöl aufzunehmen, welches dann später – etwa mittels Bilgenentöler – abgepumpt und ordnungsgemäß entsorgt wird, so wie dies auch vor Beginn der Reparaturarbeiten am 21.01.2015 erfolgt war. Belegt wird dies aus Sicht des Senates darüber hinaus auch durch die von den Streitverkündeten zu 3) und 4) im Verklarungsverfahren beschriebene Lage der Ablassschraube am Hydrauliktank in Verbindung mit der dort vorhandenen Wölbung in der Bodenplatte, die ein einfaches Ablassen des Öl in die Bilge ermöglicht und daher zeigt, dass eben dieser Mechanismus so vorgesehen ist.
49Hier war das Ablassen von Hydrauliköl jedoch aufgrund des Zeitpunkts und der Menge grob pflichtwidrig. Dass es nicht angängig ist, erhebliche Mengen an Hydrauliköl in die Bilge abzulassen, wenn in unmittelbar zeitlichem und räumlichem Zusammenhang hiermit Schweißarbeiten vorgenommen werden, bedarf aus Sicht des Senates keiner vertieften Erläuterung. Insoweit kann es die Beklagte zu 1) auch nicht entlasten, dass sie keine Kenntnis davon hatte, wohin die Streitverkündeten zu 3) und 4) das Altöl abgelassen hatten. Denn die Kenntnis ihrer Erfüllungsgehilfen, der Streitverkündeten zu 3) und 4), muss sich die Beklagte zu 1) wie eigene zurechnen lassen. Darüber hinaus ist zu sehen, dass es Aufgabe der Beklagten zu 1) gewesen wäre, ihrerseits durch entsprechende Nachfrage und organisatorische Anordnungen und konkrete Anweisungen sicherzustellen, dass das Altöl entweder – kostenintensiver – in Kanistern entsorgt oder – kostenneutral – jedenfalls nicht vor Beendigung der von ihren Mitarbeitern durchgeführten, ihr unstreitig positiv bekannten Schweißarbeiten im Maschinenraum in die Bilge abgelassen wird. Diesen Vorwurf muss sich die Beklagte zu 1) umso mehr gefallen lassen, als die Firma I unstreitig die zeitliche Durchführung des Ölwechsels mit dem Vorarbeiter der Beklagten zu 1) abgestimmt hatte. Es war darüber hinaus für die Beklagte zu 1) auch naheliegend, dass die Mitarbeiter der Firma I das Altöl in die Bilge laufen lassen würden. Denn das Schiff verfügte zum Zeitpunkt des avisierten Ölwechsels noch nicht über Altölsammelbehälter. Dieser Umstand war der Beklagten zu 1) ebenfalls positiv bekannt, da die Altölsammelbehälter im Rahmen der Klassearbeiten durch ihre eigenen Mitarbeiter erst eingebaut werden sollten und die streitgegenständlichen Schweißarbeiten gerade diesem Zweck dienten.
50Neben dem eigenen groben Organisationsverschulden, das der Beklagten zu 1) zum Vorwurf zu machen ist, muss sie sich auch das grob sorgfaltswidrige Verhalten der Streitverkündeten zu 3) und 4) zurechnen lassen, § 278 BGB. In der sich ihnen im Maschinenraum darbietenden Situation durften sie keineswegs den Ölwechsel wie geplant vornehmen. Denn für sie war erkennbar, dass von Seiten der Beklagten zu 1) im Maschinenraum Schweißarbeiten durchgeführt wurden, welche noch nicht abgeschlossen waren. Dies wird von den Beklagten zwar bestritten. Dieses Bestreiten lässt sich indes nicht mit der Aktenlage und dem Ergebnis des Verklarungsverfahrens, insbesondere der detaillierten Aussage des Zeugen K, in Einklang bringen. Ausweislich des von dem Vorarbeiter der Beklagten zu 1) unterzeichneten Montageberichts (Bl. 167 d.A.) haben die Streitverkündeten zu 3) und 4) für den Ölwechsel von 7:45 Uhr bis 10:45 Uhr benötigt. Berücksichtigt man die im Montagebericht aufgeführte Fahrtzeit von 0,75 Stunden für Hin- und Rückfahrt, ist davon auszugehen, dass sie etwa gegen 8:10 Uhr im Maschinenraum eintrafen und bis etwa 10:20 Uhr dort mit dem Ölwechsel beschäftigt waren. Der Beklagte zu 2) wiederum hat ausweislich der Aussage des Zeugen K im Verklarungsverfahren gegen 7:00 Uhr morgens mit Schweißarbeiten im Maschinenraum auf der Backbordseite begonnen. Gegen 8:45 Uhr hat er das Schiff verlassen, um für etwa 1 Stunde auf einem anderen Schiff zu arbeiten. Um 9:45 Uhr ist er zurückgekehrt und hat bis zur Frühstückspause um 10.15 Uhr, welche er zusammen mit dem Zeugen K auf Deck verbrachte, weitergeschweißt. Die vorstehend skizzierten zeitlichen Abläufe zeigen eindrücklich, dass entgegen der Behauptungen der Beklagten zu 1) ihre Mitarbeiter und die Streitverkündeten zu 3) und 4) über einen längeren Zeitraum hinweg gemeinsam im Maschinenraum anwesend waren und parallel ihren Tätigkeiten nachgingen. Dann aber müssen die Streitverkündeten zu 3) und 4) zwangsläufig bemerkt haben, dass Schweißarbeiten vorgenommen bzw. vorbereitet wurden, dies zumal die Schweißarbeiten in einer Entfernung von nur wenigen Metern vom Hydrauliktank stattfanden (vgl. die Skizze Bl. 10 der Ermittlungsakte). Dies hätte ihnen zumindest Veranlassung geben müssen, bei dem Beklagten zu 2) oder aber der Beklagten zu 1) Rückfrage zu halten, um sich zu vergewissern, dass sie das Altöl dennoch in die Bilge ablassen konnten, insbesondere dieser Umstand dem Beklagten zu 2) bekannt war und bei der Durchführung der Schweißarbeiten von ihm berücksichtigt wurde. Diese naheliegende Rückfrage haben die Streitverkündeten zu 3) und 4) pflichtwidrig unterlassen. Selbst wenn man unterstellt, dass während des Ablassens des Hydrauliköls in die Bilge nicht (mehr) geschweißt wurde, entlastet dies die Streitverkündeten zu 3) und 4) nicht, denn sie konnten ohne konkrete gegenteilige Anhaltspunkte gerade nicht davon ausgehen, dass die Schweißarbeiten bereits vollständig beendet waren. Vielmehr mussten sie mit einer Fortsetzung der Arbeiten zumindest ernsthaft rechnen, weil dies nahe lag. Auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat ausdrücklich betont, die Schweißarbeiten im Maschinenraum seien noch nicht abgeschlossen gewesen, was die Streitverkündeten zu 3) und 4) hätten erkennen können, da sie über das Schweißgerät hätten steigen müssen. Aber auch unabhängig davon lag auf der Hand, dass die Schweißarbeiten noch nicht beendet waren, da bislang lediglich ein Teil der für den Altölsammeltank erforderlichen Winkel angeschweißt worden war.
51Zurechnen lassen muss sich die Beklagte gemäß § 278 BGB gleichermaßen auch das erhebliche Verschulden ihrer eigenen Mitarbeiter, namentlich des Zeugen K und des Beklagten zu 2). Der Zeuge K hat bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung im Verklarungsverfahren bekundet, vor der Pause habe von Seiten der Firma I ein Ölwechsel am Hydrauliktank stattgefunden. Die Mitarbeiter müssten dann wohl während der gemeinsamen Pause des Zeugen K und des Beklagten zu 2) fertig geworden sein, da sie nach seiner Rückkehr in den Maschinenraum nicht mehr vor Ort gewesen seien. Auch der Beklagte zu 2) hat im Verklarungsverfahren bekundet, zwei Mitarbeiter der Firma I hätten "irgendwas an der Hydraulik gemacht", als er gegen 9:45 Uhr in den Maschinenraum zurückgekehrt sei. Vor diesem Hintergrund hätte auch für den Zeugen K und den Beklagten zu 2) im eigenen Interesse die naheliegende Verpflichtung bestanden, sich ihrerseits durch Rückfrage bei den Streitverkündeten zu 3) und 4) zu vergewissern, ob es sich bei diesen in unmittelbarer Nähe von ihnen durchgeführten weiteren Arbeiten um solche handelte, die Auswirkungen auf ihre eigenen Tätigkeiten hatten und zusätzliche Schutzvorkehrungen erforderlich machten. Insbesondere hätten sie sich vergewissern müssen, dass kein Öl in die Bilge abgelassen wird, solange die Schweißarbeiten andauerten. Diese – wiederum: auf der Hand liegende – Rückfrage erfolgte unstreitig nicht. Auch dieses (Kommunikations-)Versäumnis ihrer eigenen Mitarbeiter muss sich die Beklagte zu 1) gemäß § 278 BGB wie eigenes Verschulden zurechnen lassen.
52Das Verschulden des Beklagten zu 2) und des Zeugen K wiegt aus Sicht des Senates umso schwerer, als die von ihnen erkannte Arbeit der Streitverkündeten zu 3) und 4) an der Hydraulik es nahe legte, dass es dabei möglicherweise zu einem Ölaustritt kommen würde. Erschwerend kommt aus Sicht des Senates hinzu, dass der Beklagte zu 2) noch unmittelbar vor Ausbruch des Brandes zum Arbeitsbeginn nach Beendigung der Pause von dem Zeugen X auf die Gefährlichkeit seines Tuns explizit hingewiesen worden ist, diesen Hinweis aber unter Verweis auf seine Erfahrung als Schweißer lapidar abgetan hat. Der Zeuge I2 hat im Verklarungsverfahren glaubhaft bekundet, er sei mit dem Zeugen X in den Maschinenraum gekommen. Dort habe ihm der Beklagte zu 2) gesagt, er müsse noch Halterungen für 2 Tanks schweißen. Da er - der Zeuge I2 - durch offene Bodenplatten im Bereich des Kastenkühlers Flüssigkeit in der Bilge gesehen habe, habe er den Beklagten zu 2) gewarnt, dass dies gefährlich sein könne. Dieser habe daraufhin erklärt: "Wir machen das jahrelang. Wir wissen, was wir tun" (Seite 35 f. Vernehmungsprotokoll im Verklarungsverfahren). In gleicher Weise hat sich der Zeuge X geäußert (vgl. Seite 25 f. Vernehmungsprotokoll im Verklarungsverfahren). Der Senat hat keine Anhaltspunkte, an diesen Bekundungen zu zweifeln. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass auch nach der Aussage des Zeugen K in der Bilge deutlich sichtbar alles Mögliche schwamm (alte Dichtungen und Lappen - "ziemlich siffig" - s. Seite 7 Vernehmungsprotokoll im Verklarungsverfahren), hätte es für den Beklagten zu 2) spätestens zu diesem Zeitpunkt auf der Hand liegen müssen, dass er sich entweder vor Beginn der Schweißarbeiten über den Inhalt der Bilge vergewissert oder aber eine zeitliche Absprache zur Durchführung der Arbeiten trifft. Es liegt auf der Hand, dass Schweißarbeiten ohne besondere Sicherungsvorkehrungen – wenn überhaupt – nur dort durchgeführt werden dürfen, wo sich keine brennbaren Gegenstände in unmittelbarer Nähe befinden. Der Beklagte zu 2) wusste als langjährig tätiger Schweißer auch um die Gefährlichkeit von Schweißarbeiten, insbesondere war ihm aufgrund früherer Vorfälle nach eigenen Bekundungen bekannt, dass sich Bilgenflüssigkeit entzünden kann und dabei Brände entstehen können, die nur unter Zuhilfenahme eines Feuerlöschers gelöscht werden können. Dies hat er selbst in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung im Verklarungsverfahren zu Protokoll gegeben (vgl. Seite 21 Vernehmungsprotokoll im Verklarungsverfahren).
53In der Gesamtschau stellen sich bereits die vorbezeichneten eigenen Organisationsversäumnisse der Beklagten zu 1) wie auch die Versäumnisse ihrer Erfüllungsgehilfen als so schwerwiegend dar, dass sie schlechterdings nur als grob pflichtwidrig bezeichnet werden können.
54Hinzu kommt – ohne dass es darauf nach dem Vorstehenden noch entscheidend ankäme – dass der Beklagte zu 2) die Schweißarbeiten unter Verstoß gegen mehrere einschlägige Unfallverhütungsvorschriften durchgeführt hat. Letztere sehen vor, dass vor Beginn von Schweißarbeiten jeweils eine schriftliche Schweißerlaubnis zu erstellen und durchzuführen ist, in der unter anderem die zu ergreifenden Sicherheitsmaßnahmen zum Verhindern einer Brandentstehung aufzuführen sind (vgl. § 30 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschriften BGV D 1). Eine solche Schweißerlaubnis ist unstreitig nicht ausgestellt worden. Dennoch hat der Beklagte zu 2) mit der Durchführung der Schweißarbeiten begonnen. Entgegen der beklagtenseits vertretenen Auffassung ist auch kein Verhalten des Schiffseigners ersichtlich, durch das dieser hierauf verzichtet haben könnte, selbst wenn man im Ansatz davon ausgehen wollte, dass die Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften zur Disposition der Parteien steht. Zweifel hieran bestehen insoweit, weil Unfallverhütungsvorschriften den Mindestinhalt der dem Unternehmer gegenüber den eigenen Arbeitnehmern sowie betriebsfremden berechtigten Personen zu treffenden Verkehrssicherungspflichten vorgeben und damit letztlich für die beteiligten Verkehrskreise die im Verkehr erforderliche Sorgfalt konkretisieren (BGH NJW 2015, 940; OLG Köln BauR 2004, 1321; OLG Zweibrücken NJW-RR 2012, 94; OLG Bremen BauR 2005, 391; OLG Stuttgart BauR 2000, 748; Palandt-Sprau, a.a.O., § 823 Rn. 57). Darüber hinaus wurden auch die mündlichen Vorgaben des Vorarbeiters der Beklagten zu 1) vor Beginn der vorliegend in Rede stehenden Schweißarbeiten - „Feuerlöscher, Schutzdecke und Brandwache“ (vgl. die Aussage des Beklagten zu 2), S. 23 Vernehmungsprotokoll im Verklarungsverfahren) – von dem Beklagten zu 2) unstreitig ebenfalls nicht eingehalten. Denn eine hierfür abgestellte Brandwache war während der Schweißarbeiten im Maschinenraum unstreitig nicht anwesend. Seitens der Beklagten zu 1) wurde insoweit auch kein zusätzlicher Mitarbeiter eingeteilt oder abgestellt. Der Zeuge K war zwar am Ort der Schweißarbeiten anwesend, jedoch mit eigenen Arbeiten beschäftigt. Weder fungierte er als Brandwache noch war er hierfür ausgebildet oder zur Bedienung der Feuerlöscher in der Lage. Denn eine Einweisung des Zeugen K in die Funktion von Feuerlöschvorrichtungen war seitens der Beklagten zu 1) nicht erfolgt. Auch eine Übertragung dieses Postens auf den Beklagten zu 2) selbst kam unter den gegebenen Umständen bereits auf der Grundlage der eigenen Aussage des Beklagten zu 2) im Verklarungsverfahren nicht in Betracht. Denn er hat im Verklarungsverfahren sehr plastisch geschildert, dass er selbst einen entstehenden Brand wegen seines heruntergeklappten Kopfspiegels während der Arbeit nicht sofort sehen und bemerken könne (vgl. S. 18 Vernehmungsprotokoll im Verklarungsverfahren). Zusätzlich hat er im Verklarungsverfahren darauf hingewiesen, dass ihm durch den Altöltank der Blick versperrt gewesen sei. Darüber hinaus geht der Senat nach dem Ergebnis des Verklarungsverfahrens auch davon aus, dass der Beklagte zu 2) es pflichtwidrig versäumt hat, den Gefahrenbereich hinreichend weiträumig und sorgfältig mit Schweißschutzdecken abzudecken. Dies wird seitens der Beklagten zwar bestritten. Unstreitig scheint dem Senat jedoch zu sein, dass jedenfalls die nur wenige Meter von der Schweißstelle entfernte Öffnung des Bodens zur Bilge, aus der später die Flammen herausgeschlagen sind, nicht mit einer Brandschutzdecke abgedeckt war. Die vollständige Abdeckung sämtlicher Öffnungen hat der gerichtliche Sachverständige im Verklarungsverfahren indes für zwingend notwendig erachtet (vgl. Bl. 143 des Verklarungsverfahrens).
55(b) Der Senat sieht auch keine Veranlassung für die Fortsetzung der Beweisaufnahme. Die Angriffe der Beklagten gegen die vom Amtsgericht vorgenommene Beweiswürdigung sind nicht durchgreifend. Die Tatsachenerfassung und –bewertung obliegt grundsätzlich dem Prozessgericht der 1. Instanz. Nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Prozessgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten entscheidungserheblichen Feststellungen wecken, kommt eine Neufeststellung durch das Berufungsgericht in Betracht, § 529 I Nr. 1 ZPO. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel sind dann gegeben, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle der weiteren Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellen wird (vgl. Zöller-Heßler, ZPO 32. Auflage, § 529 Rn. 3). Derartige Anhaltspunkte können sich etwa aus einem verfahrensfehlerhaften Vorgehen des Prozessgerichts 1. Instanz, aus der Anwendung eines unrichtigen Beweismaßes und Verstößen gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, aus Widersprüchen zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen oder aus Mängeln der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses (z.B. einer Lückenhaftigkeit oder Widersprüchen in der vorgenommenen Beweiswürdigung) ergeben. Nicht ausreichend sind dagegen bloße subjektive Zweifel und abstrakte Erwägungen oder Vermutungen ohne greifbare Anhaltspunkte. Zu fordern sind vielmehr schlüssige Gegenargumente, die die erhebliche Tatsachenfeststellung des Landgerichts in Frage stellen (Zöller-Heßler, a.a.O., § 529 Rn. 3).
56Derartiges wird von den Beklagten nicht aufgezeigt. Der Beklagtenvortrag erschöpft sich vielmehr in rein abstrakten Erwägungen und Spekulationen, für die ein konkreter Anhaltspunkt nicht besteht. Der Senat tritt vielmehr nach dem Ergebnis der im Verklarungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme der Einschätzung des Amtsgerichts bei, dass die als pflichtwidrig zu bezeichnende parallele Durchführung von Schweißarbeiten und Ölwechsel ohne hinreichende Vergewisserung hinsichtlich der Zusammensetzung der Bilgenflüssigkeit eine conditio sine qua non für die Entstehung des Brandes war, somit im rechtlichen Sinne für diese kausal geworden ist. Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. H in seinem im Verklarungsverfahren erstellten Sachverständigengutachten vom 10.06.2017 (Bl. 136 ff. des Verklarungsverfahrens). In diesem hat der Sachverständige überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, bei dem in die Bilge abgelassenen Altöl handele es sich mutmaßlich um Hydrauliköl, das ähnliche Eigenschaften wie das neu eingefüllte Hydrauliköl „Wunsch Hydrauliköl HLP 46“ aufweise. Bei jenem handele es sich um einen brennbaren Stoff, der in die Brandklasse B eingestuft sei und den Flammpunkt bei etwa 242 Grad Celsius habe. Vor diesem Hintergrund hat es der Sachverständige für erwiesen angesehen, dass die zu einem nicht unerheblichen Teil aus Hydrauliköl bestehende Bilgenflüssigkeit durch die Schweißarbeiten – sei es durch die brandgefährlichen Schweißfunken, sei es durch die Wärmeleitung des zu bearbeitenden Metallteils – in Brand gesetzt worden ist und der Brand mithin in der Bilge entstanden ist (vgl. S. 8 seines Gutachtens vom 10.06.2017 (Bl. 143 des Verklarungsverfahrens). In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige explizit von einer sehr hohen Brandlast des oben in der Bilge schwimmenden Altöls gesprochen (vgl. Bl. 144 des Verklarungsverfahrens). Angesichts der im Bereich zwischen 200 und 300 Grad Celsius anzusiedelnden Zündtemperatur sei nachvollziehbar und aus sachverständiger Sicht plausibel, dass das Öl durch die deutlich heißeren Schweißfunken in Brand gesetzt habe werden können und auch in Brand gesetzt worden sei, wenngleich eine indirekte Brandentstehung durch Wärmeleitung an der Schweißstelle nicht ganz ausgeschlossen werden könne. Angesichts dieser – ebenso klaren wie eindeutigen– Feststellungen des Sachverständigen hat der Senat keinen Zweifel daran, dass als Zündquelle für den Brand im einen wie im anderen Fall allein die von der Beklagten zu 1) veranlassten Schweißarbeiten in Betracht kommen. Hierfür spricht neben der vom Sachverständigen festgestellten Plausibilität auch der örtliche und zeitliche Zusammenhang zwischen den Schweißarbeiten und dem Ausbruch des Brandes. Insoweit vermag der Senat den Beklagten nicht in der Einschätzung beizutreten, dass von einer ungeklärten Zündquelle auszugehen sei. Auch die Beklagten zeigen keine anderen realistisch in Betracht kommenden Zündquellen auf, die den Brand alternativ ausgelöst haben könnten. Dies gilt insbesondere angesichts ihres wechselnden Vortrags zur Frage des Vorhandenseins eines Brandbeschleunigers und der wechselnd beurteilten Brandeigenschaften von Hydrauliköl (siehe unten). Kein Zweifel besteht aus Sicht des Senates ferner daran, dass das in der Bilge befindliche, zuvor von den Streitverkündeten zu 3) und 4) abgelassene Hydrauliköl brennbar war und durch die Schweißarbeiten entzündet werden konnte (sei es durch Funkenflug, sei es durch indirekte Wärmeleitung). Daran hat der Sachverständige aus technischer Sicht keinen Zweifel gelassen, sondern diesen Mechanismus aus sachverständiger Sicht nicht nur als möglich, sondern darüber hinausgehend sogar als erwiesen angesehen.
57Die hiergegen seitens der Beklagten nach Hinweis des Senates auf seine Rechtsauffassung unter diametraler Änderung des bisherigen Sachvortrags erhobenen Einwendungen sind aus Sicht des Senates nicht durchgreifend und geben auch keine Veranlassung für eine Fortsetzung der im Verklarungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme. Denn entgegen den Behauptungen der Beklagten haben die Klägerinnen zu keinem Zeitpunkt behauptet, Hydrauliköl sei überhaupt nicht brennbar. Die Brennbarkeit von Hydrauliköl lässt sich aus Sicht des Senates angesichts der Zuordnung in die Brandklasse B auch nicht ernsthaft in Zweifel ziehen. Soweit die Beklagten nunmehr in Abkehr von ihrem erstinstanzlichen Vortrag behaupten, bei fehlenden brandfördernden Eigenschaften des abgelassenen Hydrauliköls könne der Brand nur entstanden sein, wenn von unbekannten Personen ein in Konsistenz und Zusammensetzung nicht näher bezeichneter Brandbeschleuniger in die Bilge eingebracht worden sei, vermag der Senat dem vor dem Hintergrund der überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zur Möglichkeit einer Brandentstehung unter den gegebenen Umständen auch ohne einen Brandbeschleuniger nicht zu folgen. Anhaltspunkte für die Existenz eines Brandbeschleunigers oder das Einbringen eines solchen - von wem auch immer - in die Bilge sind nicht ersichtlich und werden beklagtenseits auch nicht dargetan. Das Amtsgericht hat im Verklarungsverfahren den Sachverständigen Dipl.-Ing. H auch explizit zur Zusammensetzung der Bilgenflüssigkeit befragt. Dieser hat sich insoweit auf die Analyse der nach dem Brand gezogenen Proben der Bilgenflüssigkeit bezogen, deren Ergebnisse zum Gegenstand des Verklarungsverfahrens gemacht worden sind (vgl. den Laboruntersuchungsbericht eurofins vom 11.03.2015, Bl. 234 ff. des Verklarungsverfahrens). In diesen Proben wurden ausweislich des Laboruntersuchungsberichts neben Löschmittelrückständen lediglich große Mengen eines Gemisches von organischen Inhaltsstoffen festgestellt, das anhand des Siedebereiches sowie der Verteilungsmuster und Identität der einzelnen Komponenten als Mitteldestillat (Diesel/Heizöl) anzusprechen sei. Hinweise auf einen Brandbeschleuniger welcher Konsistenz und Zusammensetzung auch immer fanden sich nicht. Auch die Beklagten haben auf der Grundlage dieses (eindeutigen) Laboruntersuchungsberichts offenbar im Verklarungsverfahren keine Veranlassung gesehen, den Sachverständigen in der Gutachtenerläuterung im Hinblick auf die schriftsätzlich bereits im Verklarungsverfahren von ihnen in den Raum gestellte Existenz eines Brandbeschleunigers zu befragen, obwohl ihnen dies unschwer möglich gewesen wäre. Auch der Senat sieht auf der Grundlage des gänzlich unsubstantiierten und wechselhaften Beklagtenvortrags hierzu keine Veranlassung, zumal die Beklagten sich in ihrer Stellungnahme zu dem Hinweis des Senates damit begnügen, auf ihre im Verklarungsverfahren getätigten schriftsätzlichen Einwendungen zu verweisen, ohne sich mit den Ergebnissen der Proben der Bilgenflüssigkeit inhaltlich ansatzweise auseinanderzusetzen. Die im Berufungsrechtszug wieder aufgegriffenen Behauptungen der Beklagten verkennen ein weiteres:
58Bereits auf der Grundlage des von dem Senat zugrunde zu legenden unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils, das insoweit mit den Ergebnissen der Proben übereinstimmt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der vorliegend in Rede stehenden Bilgenflüssigkeit um die beklagtenseits mehrfach angesprochene „normale“, d.h. beim Betrieb des Schiffes üblicherweise entstehende Bilgenflüssigkeit handelte. Denn jene war unstreitig vor Beginn der Werftarbeiten entfernt worden. In der Bilge befand sich vielmehr neben dem von den Streitverkündeten zu 3) und 4) am Brandtag abgelassenen Altöl noch das beim Auseinanderbau der Hauptmaschine in dieser noch vorhandene Öl und Gasöl, das von Mitarbeitern der Beklagten zu 1) in die Bilge abgelassen worden war, darüber hinaus durch lecke Stellen am Motor in die Bilge ausgelaufenes Öl sowie Kühlwasser, das vor den Schweißarbeiten durch den Beklagten zu 2) in die Bilge abgelassen worden war (vgl. S. 22 des amtsgerichtlichen Urteils, Bl. 388 d.A.). Sämtliche dieser Flüssigkeiten waren unstreitig von der Beklagten zu 1) und ihren Erfüllungsgehilfen in die Bilge abgelassen worden und musste von ihr daher bei Durchführung der streitgegenständlichen Schweißarbeiten auch in Rechnung gestellt werden. Das Vorhandensein dieser Flüssigkeiten in der Bilge kann seitens der Beklagten im Berufungsrechtszug auch nicht mehr wirksam bestritten werden, § 531 II ZPO. Die vorstehende Aufzählung zeigt aus Sicht des Senates deutlich, dass insgesamt von einer untypischen Zusammensetzung der vorliegend in Rede stehenden Bilgenflüssigkeit auszugehen ist, mit der sich der Beklagtenvortrag, der hinsichtlich der Brandeigenschaften lediglich pauschal auf „normales“ Bilgenwasser abstellt ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles, nicht ansatzweise auseinandersetzt. Die im Berufungsrechtszug auf den Hinweis des Senates wieder aufgegriffenen Behauptungen der Beklagten zur Existenz eines unbekannten Brandbeschleunigers entbehren nach alledem jeder tatsächlichen Grundlage und erfolgen ersichtlich „ins Blaue hinein“. Eine ergänzende Anhörung des Sachverständigen hierzu würde sich als zivilprozessual unzulässige Ausforschung darstellen und zudem dem Sinn und Zweck des Verklarungsverfahrens erkennbar zuwider laufen.
59Darüber hinaus verkennen die Beklagten, dass – selbst wenn man der Auffassung des Schifffahrtsgerichts wie auch des Senates nicht folgen wollte – zugunsten der Klägerinnen der Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit der parallelen Durchführung von Schweißarbeiten und Hydraulikölwechsel für die Entstehung des Brandes spricht. Der Beweis des ersten Anscheins erlaubt bei typischen Geschehensabläufen den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens ohne exakte Tatsachengrundlage auf Grund von Erfahrungssätzen, d.h. aus der Lebenserfahrung abgeleiteten Wahrscheinlichkeiten (Zöller-Greger, a.a.O., vor § 284 ZPO Rn. 29; BGH NJW 2010, 1072; BGH NJW-RR 2014, 270; BGHZ 192, 84). Stehen die Tatsachen, aus denen nach einem solchen Erfahrungssatz auf eine typischerweise eintretende Folge, eine bestimmte Ursache oder ein Verschulden geschlossen werden kann, fest, obliegt es dem Gegner, den Anschein durch einen vereinfachten Gegenbeweis zu erschüttern (Zöller-Greger, a.a.O., vor § 284 Rn. 29 und 30c; BGH NJW-RR 2007, 680; BGH NJW 2010, 1072; BGH NJW-RR 2014, 270). Hierzu braucht er nur die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Ablaufs darzulegen und zu beweisen. Die Tatsachen, aus denen die Möglichkeit eines solchen atypischen Ablaufs abgeleitet werden sollen, bedürfen allerdings des Vollbeweises. Das Prozessgericht muss also subjektiv von der ernsthaften Möglichkeit eines atypischen Ablaufs überzeugt sein (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., vor § 284 Rn. 29). Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Verletzung von Unfallverhütungs- oder – wie hier maßgeblich - Verkehrssicherungspflichten, die der Verhinderung eines bestimmten Schadens bzw. der Verwirklichung einer bestimmten Gefahr dienen, zugunsten des Geschädigten einen Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit des Verstoßes für Schadensfälle begründen, die sich im Zusammenhang mit dem Verstoß im Einwirkungsbereich der Gefahrenstelle ereignen (BGH NJW 2015, 940; OLG Köln BauR 2004, 1321; OLG Zweibrücken NJW-RR 2012, 94; OLG Bremen BauR 2005, 391 spricht von einer Indizwirkung hinsichtlich der Ursächlichkeit; OLG Stuttgart BauR 2000, 748; konkret bezogen auf die Feststellung von Brandursachen: BGH NJW 2010, 1072; BGH NJW-RR 2014, 270; Palandt-Sprau, BGB, § 823 Rn. 57; Zöller-Greger, ZPO, 32. Auflage, vor § 284 Rn. 30). Insbesondere auch für die vorliegend in Rede stehende Durchführung von Arbeiten mit offenem Feuer in einer brandgefährlichen Umgebung, wie der Maschinenraum eines Tankschiffes es unbezweifelbar ist, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass der Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass diese ursächlich für einen in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit den Arbeiten entstandenen Brand geworden sind (vgl. BGH NJW 2010, 1072; BGH NJW-RR 2014, 270). Einer Aufklärung des konkreten Kausalverlaufs bedarf es in derartigen Fällen nicht (BGH NJW 2010, 1072; BGH NJW-RR 2014, 270). Denn aufgrund der Typizität der Ereignisse ist davon auszugehen, dass sich die mit dem Arbeiten mit offenem Feuer in brandgefährdeter Umgebung typischerweise verbundenen Gefahren in dem konkreten Schadensfall auch verwirklicht haben. Ein solches Kerngeschehen ist vorliegend in Form der Schweißarbeiten des Beklagten zu 2) im Maschinenraum und dem in unmittelbarem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit diesen im Maschinenraum entstandenen Bilgenbrand gegeben. Diesen Anscheinsbeweis haben die Beklagten aus den gleichen Erwägungen, aus denen ihre Einwendungen gegen die Beweiswürdigung des Amtsgerichts nicht durchgreifend sind und keine Veranlassung zu einer Fortsetzung der Beweisaufnahme geben, nicht erschüttert. Denn die von ihnen angeführten Umstände sind sämtlich nicht bewiesen, sondern streitig. Für sie spricht nach Lage der Dinge aus Sicht des Senates nichts.
60(c) Das Verschulden der Beklagten zu 1) wird vermutet, § 280 I 2 BGB. Die Vermutung des § 280 BGB bezieht sich insoweit auch auf die Verschuldensform, so dass etwa ein Schuldner, der nur für Vorsatz haftet, beweisen muss, dass ihm kein Vorsatz zur Last fällt (vgl. BGH, NJW 2009, 2298). Vorliegend besteht aus Sicht des Senates auch unabhängig von der Verschuldensvermutung kein Zweifel am eigenen schwerwiegenden Organisationsverschulden der Beklagten zu 1) wie auch an dem grob fahrlässigen Verhalten der für die Beklagte handelnden Erfüllungsgehilfen. Auf die obigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Ist eine grobe Fahrlässigkeit der Beklagten zu 1) wie auch des Beklagten zu 2) und der Streitverkündeten zu 3) und 4) aber zu bejahen, greift der in den ARB der Beklagten zu 1) enthaltene Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit (vgl. Ziff. 15.7 und 15.9) von vorneherein nicht ein, so dass die zwischen den Parteien umfänglich diskutierte Frage der Wirksamkeit der Haftungsausschlussklauseln keiner abschließenden Entscheidung bedarf.
61Soweit die Beklagte zu 1) im Hinblick auf Ziff. 3.3 der ARB die Auffassung vertritt, für sämtliche Überwachungsmaßnahmen im Rahmen der von ihr durchgeführten Schweißarbeiten sei vorliegend die Schiffsseite verantwortlich gewesen, da es sich um gefahrgeneigte Arbeiten gehandelt habe, vermag der Senat dem aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird und die der Senat sich zu eigen macht, nicht zu folgen. Führt eine Werft – wie vorliegend – die bei ihr in Auftrag gegebenen Arbeiten selbstständig und ohne Unterrichtung des Schiffseigners über die einzelnen Arbeitsschritte aus, wovon vorliegend bereits auf der Grundlage des nicht mit dem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffenen unstreitigen Tatbestands der angefochtenen Entscheidung auszugehen ist, kann vom Auftraggeber ersichtlich nicht gefordert werden, dass er bei – ihm im Einzelnen ggf. überhaupt nicht bekannten – gefahrgeneigten Arbeiten durch eigene Überwachungsmaßnahmen dafür Sorge trägt, dass die üblichen Sorgfaltsanforderungen erfüllt werden. Dies gilt insbesondere für die Durchführung von Schweißarbeiten. Denn einem Schiffseigner sind - anders als der Werft und den bei ihr beschäftigten Schweißern – mangels technischer Fachkenntnis die beim Schweißen zu beachtenden Sicherheitsbestimmungen regelmäßig nicht bekannt und müssen ihm auch nicht bekannt sein.
623.
63Entgegen der Ansicht des Schifffahrtsgerichts haftet neben der Beklagten zu 1) auch der Beklagte zu 2) für den eingetretenen Schaden dem Grunde nach aus § 823 Abs. 1 BGB. Der Beklagte zu 2) hat – wie oben dargelegt – die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders grober Weise missachtet. Er musste mit der sich aufdrängenden Möglichkeit rechnen, dass sich die in der Bilge befindliche Flüssigkeit entzünden könnte. Diese Gefahr stand ihm infolge seiner beruflichen Erfahrungen mit früheren – auch größeren – Bränden auch vor Augen. Gleichwohl ließ er grundlegende Sicherheitsvorkehrungen außer Betracht und ergriff keine Maßnahmen, um die Existenz brennbarer Flüssigkeiten in der Bilge auszuschließen. Dies rechtfertigt den Vorwurf eines grob fahrlässigen und damit schuldhaften Verhaltens (vgl. hierzu auch BGH VersR 1980, 532). Dass die Unterlassung vorgeschriebener Sicherheitsvorkehrungen - hier insbesondere die Prüfung, ob sich in der Nähe der Schweißstelle brennbares Material befindet sowie die Ergreifung der zur Brandvermeidung erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen – zur Entstehung eines Brandes führen kann, liegt auch für einen Laien ohne Schweißerfahrung auf der Hand und war damit entgegen der Auffassung des Schifffahrtsgerichts auch für den Beklagten zu 2) als erfahrenen Schweißer mit entsprechender Ausbildung vorhersehbar. Ausreichend für den Fahrlässigkeitsvorwurf ist insoweit, dass die Pflichtensituation als solche für den Schädiger erkennbar ist. Nicht erforderlich ist dagegen die Erkennbarkeit der konkreten Schädigungsart oder gar der Schadenshöhe (vgl. BGH VersR 1976, 166). Fahrlässigkeit setzt nur die Fähigkeit voraus, bei Anspannung der im Verkehr erforderlichen Aufmerksamkeit Grund und Anlass der Sorgfaltspflichten zu erkennen und sein Verhalten nach dieser Einsicht auszurichten. Dass dies in der Person des Beklagten zu 2) gegeben war, davon ist nach alledem auszugehen. Ohne Belang ist deshalb, ob der Beklagte zu 2) die leichte Entflammbarkeit der Bilgenflüssigkeit falsch eingeschätzt hat. Gerade wegen der möglicherweise vorliegenden Unsicherheit in Bezug auf die Entflammbarkeit der Bilgenflüssigkeit war die strikte Beachtung der einschlägigen Brandverhütungsvorschriften zwingend geboten und erforderlich, was dem Beklagten zu 2) als ausgebildetem Schweißer auch grundsätzlich bewusst war (vgl. insoweit auch OLG Düsseldorf VersR 1996, 512).
644.
65Entgegen der Auffassung des Schifffahrtsgerichts ist der Anspruch der Klägerinnen ist auch nicht wegen eines Mitverschuldens der Schiffsseite zu kürzen. Ansatzpunkte für ein relevantes Mitverschulden der Schiffsseite vermag der Senat auf der Grundlage des unterbreiteten Sachverhalts nicht zu erkennen.
66Die von den Beklagten bemühte Anordnung des Schiffseigners zum Ablassen des Altöls in die Bilge ist nicht geeignet, ein Mitverschulden der Schiffsseite zu begründen. Zum einen wäre eine solche Anordnung im Verhältnis zu den Mitarbeitern der Firma I, die ihren Auftrag von der Beklagten zu 1) herleiteten und allein dieser gegenüber verantwortlich waren, ohnehin rechtlich nicht verbindlich gewesen. Darüber hinaus hat der Schiffseigner diese "Anordnung" nach ihrer Erteilung noch im gleichen Gespräch wieder zurückgenommen, so dass sie zum Zeitpunkt der Durchführung des Ölwechsels keine Grundlage für das tatsächliche eigenmächtige Vorgehen der Streitverkündeten zu 3) und 4) sein konnte. Im Übrigen ist das Schifffahrtsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Schiffseigner Kenntnis davon hatte, dass parallel zu dem Hydraulikölwechsel Schweißarbeiten durchgeführt werden sollten. Die Klägerinnen haben eine dahingehende Kenntnis des Schiffseigners stets bestritten (vgl. Bl. 147 d.A.). Umstände, aus denen sich eine solche Kenntnis zwingend ergeben würde, sind seitens der Beklagten nicht vorgetragen worden. Auch fehlt es an einem Beweisantritt für die behauptete Kenntnis. Die Beklagte zu 1) hingegen wusste positiv um die gleichzeitige Ausführung der Arbeiten, wurden doch beide von Erfüllungsgehilfen ihrerseits durchgeführt. Zudem war der Ölwechsel von der Firma I im Vorfeld mit ihr abgestimmt worden.
67Dem Schiffseigner kann auch nicht zur Last gelegt werden, die Beklagten nicht auf die Gefahr eines Bilgenbrandes hingewiesen zu haben. Denn – wie bereits ausgeführt – ist es grundsätzlich Sache des Schweißers, sich eigenständig über etwaige brennbare Gegenstände in der Nähe der Schweißstelle zu unterrichten und auf die Gegebenheiten vor Ort in geeigneter Weise zu reagieren. Dies war hier auch problemlos möglich, da der Blick in die Bilge frei war und die sichtbare Bilgenflüssigkeit den Beklagten zu 2) hätte misstrauisch machen müssen. Darüber hinaus war der Beklagten zu 1) positiv bekannt, dass bereits zuvor in relevantem Umfang im Rahmen des Auseinanderbaus der Hauptmaschine Öl und Gasöl in die Bilge gelangt war. Auch die Tätigkeit der Streitverkündeten zu 3) und 4) an der Hydraulik war für den Beklagten zu 2) erkennbar. Auf die obigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Ein überlegenes Wissen auf Schiffsseite, welches hätte offenbart werden müssen, vermag der Senat vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen. Gleichwohl ist ein Hinweis auf die bestehende Gefahrenlage seitens des Zeugen X sogar erfolgt, ohne dass der Beklagte zu 2) dies zum Anlass für die Ergreifung von zusätzlichen Maßnahmen genommen hätte.
68Ein dem Schiffseigner zuzurechnendes Verschulden des Schiffsführers kann entgegen der Ansicht des Schifffahrtsgerichts ebenfalls nicht erkannt werden. So bedurfte es insbesondere seitens des Schiffsführers keines Hinweises an die Beklagte zu 1) in Bezug auf die Funktionsweise der bordeigenen CO2-Feuerlöschanlage. Wie die Klägerinnen detailliert vorgetragen haben, ist diese Feuerlöschanlage zu einem früheren Zeitpunkt von der Beklagten zu 1) selbst eingebaut worden, so dass ihre Funktionsweise der Beklagten zu 1) bekannt gewesen sein muss. Auch hat die Beklagte zu 1) nach dem substantiierten Vortrag der Klägerinnen die Anlage noch kurze Zeit vor dem Schadensfall im Rahmen des Werftaufenthalts auf ihre Funktionsfähigkeit hin überprüft (vgl. insoweit auch Position 37 der Rechnung Bl. 564 d.A.). Dem sind die Beklagten nicht erheblich entgegen getreten. Wusste die Beklagte zu 1) mithin um die Existenz der Löschanlage und ihrer Funktionsweise, bedurfte es keines entsprechenden Hinweises und keiner Einweisung in diese. Dafür, dass diese Anlage zum Zeitpunkt des Brandes nicht funktionsfähig war, wie die Beklagten pauschal behaupten, hat der Senat keine Anhaltspunkte. Darüber hinaus hätte auch hierfür nicht der Schiffseigner einzustehen, sondern im Gegenteil die Beklagte zu 1). Denn sie hatte gerade den Auftrag, die Anlage im Rahmen der Klassearbeiten auf ihre Funktionstüchtigkeit hin zu prüfen. Wenn von einer Funktionsuntüchtigkeit auszugehen sein sollte, so müsste davon ausgegangen werden, dass eben dieser Auftrag von der Beklagten zu 1) nicht fachgerecht ausgeführt worden wäre. Im Ergebnis nichts anderes gilt für die Funktionsfähigkeit der an Bord vorgehaltenen Feuerlöscher. Konkrete Anhaltspunkte für ihre Funktionsunfähigkeit werden seitens der für ein Mitverschulden in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten bereits nicht vorgetragen. Insoweit müsste aus Sicht des Senates auch selbst bei unterstellter Funktionsunfähigkeit von einem fehlenden Vertretenmüssen des Schiffseigners ausgegangen werden, weil die Feuerlöscher von einer Fachfirma noch am 24.3.2014 gewartet worden waren und die nächste Prüfung erst im März 2016 anstand.
69Nach Ansicht des Senats kann ein Mitverschulden im Sinne von § 254 Abs. 2 S. 2 BGB schließlich auch nicht darin gesehen werden, dass die Löschanlage schiffsseitig nicht ausgelöst wurde. Dass der Schiffsführer selbst bei Ausbruch des Brandes anwesend war, steht nicht fest. Soweit der von der Besatzung unstreitig anwesende Matrose und Steuermann K2 die Anlage nicht ausgelöst hat, vermag der Senat in der gegebenen Situation hierin kein Verschulden zu erblicken. So kann bereits nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, dass der Zeuge K2 in der konkreten Situation verlässlich hätte beurteilen können, dass der Maschinenraum leer war und damit die Auslösung der Anlage ohne Gefahr für Leib und Leben Dritter möglich gewesen wäre. So hat etwa der Zeuge X in seiner Vernehmung davon gesprochen, es habe sich Panik breit gemacht, weil unklar gewesen sei, ob die beiden Werftmitarbeiter den Maschinenraum verlassen gehabt hätten. Im Übrigen kann dem Zeugen K2 angesichts der Tatsache, dass auch er sich selbst in konkreter Lebensgefahr wähnte, nicht zur Last gelegt werden, dass er sich anstelle der - möglicherweise objektiv gebotenen - Auslösung der Feuerlöschanlage um andere - aus seiner damaligen Sicht gebotene - Maßnahmen kümmerte. So hat der Zeuge nach seiner Bekundung im Verklarungsverfahren für die Informationen der Feuerwehr gesorgt, versucht, den Strom abzustellen, Türen geschlossen sowie nach den Notfallventilen für den Kraftstofftank geschaut.
70Eine Zurechnung von Handlungen und/oder Unterlassungen des Zeugen X sowie des Zeugen I2, die bei Ausbruch des Brandes beide von Bord gegangen sind und dann von Land aus Ratschläge gegeben haben, kommt aus Sicht des Senates ebenfalls nicht in Betracht. Denn bei diesen beiden Zeugen handelt es sich nicht um Hilfspersonen der Schiffsseite im Sinne des § 254 Abs. 2 S. 2 BGB. Dass diese Zeugen nach Ausbruch des Brandes schuldhaft Pflichtverletzungen begangen hätten, die sich die Klägerseite zurechnen lassen müsste, ist nicht erkennbar. Im Vorfeld des Ausbruchs des Brandes haben die Zeugen den Beklagten zu 2) sogar auf die Gefährlichkeit seines Tuns hingewiesen, obgleich eine dahingehende Verpflichtung nicht bestand.
71Der Schriftsatz vom 16.11.2018 rechtfertigt keine Andere rechtliche Würdigung und gibt keine Veranlassung für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO.
725.
73Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
746.
75Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
76Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 698.569,96 € festgesetzt.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers vom 16.09.2015 wird das Endurteil des LG Ingolstadt
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG Ingolstadt vorbehalten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
I.
– die Beklagte zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, mindestens jedoch 50.000,- €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen,
– die Beklagte zu einer Zahlung von 27.458,27 € zu verurteilen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, und
– festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger sämtliche weitere materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 08.10.2006, 08.45 Uhr, auf der Kreisstraße EI 34 bei km 3.300 bei H. zu ersetzen.
die Klage abzuweisen
II.
III.
hilfsweise das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 11.08.2017, S. 2 = Bl. 541 d. A.).
die Berufung zurückzuweisen (Bl. 500 d. A.; BE 1 = Bl. 518 d. A.).
IV.
B.
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:
- 1.
wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist; - 2.
wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist oder dass die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf; - 3.
wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist; - 4.
wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat; - 5.
wenn der Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis einer Bank oder Sparkasse vorgelegt wird, aus dem sich ergibt, dass der zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Betrag zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers vom 16.09.2015 wird das Endurteil des LG Ingolstadt
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG Ingolstadt vorbehalten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
I.
– die Beklagte zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, mindestens jedoch 50.000,- €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen,
– die Beklagte zu einer Zahlung von 27.458,27 € zu verurteilen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, und
– festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger sämtliche weitere materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 08.10.2006, 08.45 Uhr, auf der Kreisstraße EI 34 bei km 3.300 bei H. zu ersetzen.
die Klage abzuweisen
II.
III.
hilfsweise das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 11.08.2017, S. 2 = Bl. 541 d. A.).
die Berufung zurückzuweisen (Bl. 500 d. A.; BE 1 = Bl. 518 d. A.).
IV.
B.
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.