Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 16. Dez. 2014 - 1 L 274/11

bei uns veröffentlicht am16.12.2014

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 18. März 2011 – 8 A 185/10 – wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 14.713,61 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten um eine Vorausleistung auf einen Straßenausbaubeitrag.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung S..., Flur ..., Flurstück .../.... Auf dem Grundstück befindet sich der Z...see, der als Bundeswasserstraße gewidmet und unter anderem am Südufer mit Bootshäusern überbaut ist. Im Umfang der Überbauung hat die Klägerin den jeweiligen Eigentümern der Bootshäuser die Wasserflächen vertraglich zur Nutzung überlassen. Die Landeshauptstadt Schwerin baute ab April 2009 die M...straße zwischen der Einmündung zur W...Straße und dem Kreisverkehr zur G...Straße aus. Mit Bescheid vom 9. Oktober 2009 setzte die Beklagte gegen die Klägerin eine Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 14.713,61 Euro fest. Dabei berücksichtigte die Beklagte die Gebäudegrundfläche der Bootshäuser Nummer 10 bis 19, 22 bis 38 und 70 von 3.651 qm mit einem Nutzungsfaktor von 0,5 und bezog sich zur Begründung insoweit auf § 5 Abs. 5 Nr. 2 Buchst. b der Satzung der Landeshauptstadt Schwerin über die Erhebung von Ausbaubeiträgen vom 14. Februar 2002 (Ausbaubeitragssatzung). Den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2010 zurück. Am 3. März 2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht Schwerin hat den Bescheid vom 9. Oktober 2009 und den Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2010 mit Urteil vom 18. März 2011 – 8 A 185/10 – aufgehoben. Das Urteil wurde der Beklagten am 25. August 2011 zugestellt.

3

Der innerhalb der Frist aus § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO am 23. September 2011 gestellte und ebenso fristgemäß (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) am 14. Oktober 2011 begründete Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. März 2011 – 8 A 185/10 – hat keinen Erfolg.

4

Die geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung; dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642; Beschl. v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, 634 [640] ; Beschl. v. 22.08.2011 – 1 BvR 1764/09 –, NVwZ-RR 2011, 963).

5

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt jedenfalls der Sache nach nicht vor.

6

Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen. Ist eine Entscheidung in je selbstständig tragender Weise mehrfach begründet, so muss im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund dargelegt werden und gegeben sein (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zum Ganzen etwa Beschl. v. 15.10.2008 – 1 L 104/05 –).

7

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift – gegebenenfalls in Verbindung mit einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz – Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne Weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (ebenfalls ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. a.a.O.).

8

Nach diesen Maßstäben sind hier keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auch tragend auf die Erwägung gestützt, dass die anzuwendende Ausbaubeitragssatzung keine vorteilsgerechte Maßstabsregel für die Veranlagung des herangezogenen Grundstücks enthalte, weil sie die Einbeziehung nur von Teilflächen des Seegrundstückes der Klägerin, nämlich der Aufstandsflächen der Bootshäuser, in das Abrechnungsgebiet nicht erlaube. Diese Annahme des Verwaltungsgerichts stellt das Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Frage. Die nach Auffassung der Beklagten einschlägige Maßstabsregel des § 5 Abs. 5 Nr. 2 Buchst. b Ausbaubeitragssatzung gilt nur für „die Flächen nach § 4 Abs. 4 Satz 2“ der Satzung. Flächen in diesem Sinne sind aber „die Gesamtflächen berücksichtigungsfähiger Grundstücke“. Auf diese Fläche hat sich die Ermittlung des Nutzungsfaktors nach § 5 Abs. 5 Ausbaubeitragssatzung zu beziehen. Wegen dieser satzungsrechtlichen Bestimmung fehlt es an einer Maßstabsregel für Grundstücke im Außenbereich, die nur mit einer Teilfläche von der ausgebauten Anlage bevorteilt werden. Einen solchen Fall hat die Beklagte aber angenommen.

9

Soweit sich die Beklagte auf § 4 Abs. 1 Ausbaubeitragssatzung bezieht, führt das nicht weiter. Dort ist anders als in Absatz 4 von der „Gesamtfläche“ des Grundstücks nicht die Rede. Absatz 1 regelt zunächst nur, welche Grundstücke (im bürgerlich-rechtlichen Sinn, § 4 Abs. 2 Ausbaubeitragssatzung) in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen sind, nicht jedoch deren flächenmäßige Beschränkung. Soweit die Beklagte etwas anderes vorträgt, erschöpft sich das Vorbringen in einer bloßen Behauptung, die dem Darlegungserfordernis aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht genügt.

10

Im Übrigen bestehen auch aus anderen Gründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts. Dieses erweist sich jedenfalls als im Ergebnis richtig. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

11

Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 KAG M-V i.V.m. § 10 der Satzung der Landeshauptstadt Schwerin über die Erhebung von Ausbaubeiträgen vom 14. Februar 2002 (Ausbaubeitragssatzung) können auf die künftige Beitragsschuld Vorausleistungen bis zur Höhe der voraussichtlichen Beitragsschuld verlangt werden, sobald mit der Durchführung von Maßnahmen begonnen worden ist. Der umlagefähige Aufwand wird dabei gemäß § 4 Abs. 1 Ausbaubeitragssatzung auf die Flächen der Grundstücke verteilt, von denen aus die Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage besteht. Beitragspflichtig ist derjenige, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Vorausleistungsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist (§ 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Ausbaubeitragsatzung).

12

Das Grundstück der Klägerin ist auch mit den herangezogenen Teilflächen nicht in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen. Es wird von der ausgebauten Anlage nicht bevorteilt. Das Grundstück weist nicht die erforderliche räumlich enge Beziehung zur ausgebauten Straße auf. Mit dem Begriff der Möglichkeit in § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V ist klargestellt, dass eine Beitragerhebung nur gerechtfertigt ist, wenn die Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage vom betreffenden Grundstück aus rechtlich und tatsächlich möglich und diese Möglichkeit hinreichend qualifiziert ist. Der durch den Straßenbaubeitrag abgegoltene Vorteil liegt in der einem Grundstück durch die Ausbaumaßnahme vermittelten verbesserten Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage (OVG Greifswald, Urt. v. 23.06.2010 – 1 L 34/06 –, juris Rn. 36). Daran fehlt es hier. Auf die von der Beklagten angeführte verbesserte Verpachtungsmöglichkeit der Wasserflächen kommt es beitragsrechtlich nicht an.

13

Hinsichtlich der mit den Bootshäusern Nummern 35 bis 38 (Nummerierung laut Flurkarte Bl. 19 der Gerichtsakte) überbauten Teilflächen trägt die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid selbst vor, dass diese von einem öffentlichen Schotterweg aus erreicht werden, der in nordöstlicher Richtung weiter bis zum Uferweg im benachbarten Plangebiet führt. Die Flächen sind mithin anderweitig als über die ausgebauten M...straße an das gemeindliche Verkehrsnetz angeschlossen. Bevorteilt wären sie daher allenfalls von dem genannten öffentlichen Weg, an den das klägerische Grundstück angrenzt. Der Schotterweg stellt sich ausbaubeitragsrechtlich nicht als unselbstständiger Bestandteil der ausgebauten Straße, sondern als eigenständige Anlage dar. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Ausdehnung der ausgebauten Anlage ist der erschließungsbeitragsrechtliche Anlagenbegriff. Daraus folgt, dass ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht für die Beantwortung der Frage, was beitragsfähige Anlage im Sinne von § 8 Abs. 1 KAG M-V ist, grundsätzlich darauf abzustellen ist, was sich bei natürlicher Betrachtungsweise aus der Sicht eines objektiven Betrachters als „gesamte Verkehrsanlage“ darstellt. Zwar ist für die Fallgruppe der Stichstraße (Sackgasse) in diesem Zusammenhang in der Rechtsprechung der Grundsatz entwickelt worden, dass eine öffentliche, für das Befahren mit Kraftfahrzeugen aller Art vorgesehene Sackgasse in der Regel nur als selbstständig zu qualifizieren ist, wenn sie entweder länger als 100 Meter ist oder vor Erreichen dieser Länge (mehr oder weniger) rechtswinklig abknickt oder sich verzweigt (OVG Greifswald, Urt. v. 13.12.2011 – 1 L 170/08 –, juris Rn. 20). Um eine Sackgasse handelt es sich in diesem Bereich des Schotterweges aber nicht, weil sich dieser als Uferweg im nordöstlich angrenzenden Plangebiet fortsetzt.

14

Der benannte Weg ist auch deshalb kein unselbstständiger Bestandteil der ausgebauten Straße, weil er einer anderen Straßenkategorie im Sinne von § 3 Ausbaubeitragssatzung zuzuordnen ist. Die ausgebaute Anlage ist als Hauptverkehrsstraße nach § 3 Abs. 1 Ausbaubeitragssatzung abgerechnet worden, der Schotterweg dient demgegenüber als Anliegerstraße gemäß § 3 Abs. 3 Ausbaubeitragssatzung überwiegend dem Anliegerverkehr. Auch dieser Umstand zwingt aus rechtlichen Gründen zur Annahme einer eigenen Anlage. Straßenbaubeitragsrechtlich muss der mit einer unterschiedlichen Straßenfunktion verbundene unterschiedlich hohe Gemeindeanteil bei der Bestimmung der Anlage Berücksichtigung finden. Nur so kann gewährleistet werden, dass den Anliegern der jeweiligen Straße nur die ihnen jeweils durch das Ortsrecht zugedachte Vorteilsquote zugerechnet werden kann. Eine Hauptstraße und deren Stichstraße bilden deshalb straßenbaubeitragsrechtlich grundsätzlich selbst dann zwei selbstständige Anlagen, wenn es sich bei natürlicher Betrachtungsweise um lediglich eine Anlage handeln würde (OVG Greifswald, Beschl. v. 10.02.2009 – 1 M 117/08 –, juris Rn. 27).

15

Hinsichtlich der übrigen berücksichtigten und mit den Bootshäusern Nummern 10 bis 19, 22 bis 34 und 70 überbauten Grundstücksflächen ist die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 21. April 2010 selbst davon ausgegangen, dass es sich insoweit um Teilflächen eines Hinterliegergrundstücks handelt. Der Senat muss für diese Entscheidung deshalb nicht klären, ob sich zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht auch auf dem zwischen der ausgebauten M...straße und dem Seeufer liegenden Flurstück ... voraussichtlich eine Verkehrsfläche in Gestalt einer Fortsetzung des oben angesprochenen Weges in westlicher Richtung befinden wird. Für den Fall würde das oben Gesagte gelten: Auch dieser Weg wäre wegen der beitragsrechtlich von der ausgebauten Anlage verschiedenen Verkehrsfunktion als eigene Anlage anzusehen. Das hätte wiederum zur Folge, dass sich die Frage der Vorteils für die veranlagten Flächen nur mit Blick auf diese nächstgelegene Anlage stellen könnte, die den weiteren Zugang zum gemeindlichen Verkehrsnetz einschließlich der M...straße vermitteln würde.

16

Aber selbst wenn die ausgebaute Anlage im Verhältnis zu den vorstehend genannten Bootshausflächen die nächste erreichbare selbstständige Verkehrseinrichtung wäre, würden diese Grundstücksteile nicht am Vorteilsausgleich teilnehmen. Zwar kann auch ein Hinterliegergrundstück eine vorteilsrelevante qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit zur ausgebauten Anlage haben. Da es sich bei dem beitragsrelevanten Vorteil um einen Dauervorteil handelt, setzt das allerdings voraus, dass die Verbindung des Hinterliegergrundstücks zur betreffenden Straße rechtlich gesichert ist und die Möglichkeit der Zuwegung über ein unmittelbar an der Straße gelegenes Grundstück deshalb voraussichtlich auf Dauer besteht (vgl. VGH München, Urt. v. 18.06.2010 – 6 BV 09.1228 –, juris Rn. 20). Der Klägerin steht aber keine Rechtsposition zur Seite, die ihr ein Überqueren des Flurstücks ..., soweit sich darauf keine öffentliche Verkehrsanlage befindet, oder der den Bootshäusern Nummern 19, 22 bis 34 und 70 südlich vorgelagerten Grundstücke erlauben würde. Auch die Beklagte konnte dafür nichts benennen. Soweit sie sich in ihrer Klageerwiderung auf die mit den Eigentümern der Bootshäuser abgeschlossenen Nutzungsverträge beruft, geben diese nichts für eine entsprechende rechtliche Befugnis her, weil sie sich nur auf die Wasserflächen und die darauf errichteten Anlagen beziehen, nicht jedoch auf die Grundstücke, die an der ausgebauten Anlage anliegen zudem auch nicht vollständig in der Verfügungsbefugnis der Pächter stehen. Die Einräumung eines Notwegesrechtes kann die Klägerin auch nicht mit Blick auf die Verpachtung der Wasserflächen verlangen (BGH, Urteil vom 05.12.2006 – V ZR 139/05 –, juris). Die Klägerin führt insoweit zu Recht aus, dass sie selbst auf eine Zuwegung auch gar nicht angewiesen ist.

17

Der darüber hinaus geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist schon nicht hinreichend dargelegt. Insoweit wären Darlegungen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) dazu erforderlich gewesen, dass die Rechtssache in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist und deren Klärung der Weiterentwicklung des Rechts förderlich ist. Hierzu gehört, dass die klärungsbedürftige konkrete Rechtsfrage bezeichnet und dargestellt wird, woraus sich die grundsätzliche Bedeutung dieser speziellen Rechtsfrage ergibt. Der Antragsbegründung muss entnommen werden können, warum prinzipielle Bedenken gegen einen vom Verwaltungsgericht in einer bestimmten Rechts- oder Tatsachenfrage eingenommenen Standpunkt bestehen und es deshalb erforderlich ist, dass sich das Berufungsgericht noch einmal klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetzt. Dazu bedarf es einer substantiierten Darlegung, aus welchen Gründen ein von dem Verwaltungsgericht eingenommener Rechtsstandpunkt bzw. die vom Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen zweifelhaft geworden sind (ständige Rspr. des Senats, vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 20.11.2007 – 1 L 195/07 – und zuletzt etwa Beschl. v. 11.01.2011 – 1 L 145/07 –).

18

Zum einen benennt das Zulassungsvorbringen schon keine klärungsbedürftige konkrete Rechtsfrage, sondern beschränkt sich auf den Vortrag, der „Umgang mit den Bootshäusern“ sei auch für andere, beispielhaft benannte, „KAG-Maßnahmen von erheblicher Bedeutung“. Zudem fehlen Darlegungen dazu, dass sich in den genannten Sachverhalten fallübergreifende Rechtsfragen stellen. Die Zulassungsbegründung erwähnt dazu lediglich, dass auch an anderen Erschließungsanlagen Flächen für Bootshäuser, Marinas und Steganlagen anliegen würden. An diesem Anliegen fehlt es hier aber gerade. Schließlich wären mit Blick auf den Umstand, dass das Verwaltungsgericht die angefochtene Entscheidung auf drei unabhängig tragende Erwägungen gestützt hat, substantiierte Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit etwaiger Rechts- oder Tatsachenfragen erforderlich gewesen; an solchen fehlt es ebenfalls

19

Die Divergenzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO), derzufolge das angefochtene Urteil von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 1987 – 8 C 85/86 – abweichen soll, führt schließlich auch nicht zum Erfolg des Zulassungsantrages.

20

Eine Divergenz ist dargelegt, wenn der konkrete Nachweis geführt wird, welcher der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten, diese tragenden Rechtssätze zu einer Rechts- oder Tatsachenfrage einem Rechtssatz widerspricht, den eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte in tragender Weise mit gegenteiligem Inhalt aufgestellt hat (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 18.01.2007 – 1 L 345/05 –; Beschl. v. 06.04.2000 – 1 M 24/00 –; Beschl. v. 21.09.1999 – 1 M 71/99 –; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 05.06.2013 – 5 B 7.13 –; Beschl. vom 10.07.1995 – 9 B 18/95 –, NVwZ-RR 1997, 191 zu § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage, § 124 Rn. 11, § 132 Rn. 14). Eine Abweichung bzw. Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist dabei grundsätzlich nur anzunehmen, wenn das Verwaltungsgericht in seinem Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem in der Rechtsprechung der in der Vorschrift genannten Gerichte aufgestellten Rechtssatz abweicht (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 05.06.2013 – 5 B 7.13 –; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 124 Rn. 158, 160; Kopp/Schenke, a.a.O., § 132 Rn. 15; OVG Greifswald, Beschl. v. 18.01.2007 – 1 L 345/05 –; Beschl. v. 15.10.2008 – 1 L 104/05 –).

21

Eine Divergenz scheidet hier schon deshalb aus, weil die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Begriff des „Baulands“ in § 133 Abs. 1 BBauG (nunmehr § 133 Abs. 1 BauGB) ergangen ist. Diese Vorschrift betrifft das Erschließungsbeitragsrecht und war vom Verwaltungsgericht vorliegend nicht anzuwenden.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

23

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 GKG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG und § 53 Abs. 2 GKG.

24

Hinweis:

25

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

26

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 16. Dez. 2014 - 1 L 274/11

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 16. Dez. 2014 - 1 L 274/11

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 16. Dez. 2014 - 1 L 274/11 zitiert 15 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 66 Erinnerung gegen den Kostenansatz, Beschwerde


(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. W

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

Baugesetzbuch - BBauG | § 133 Gegenstand und Entstehung der Beitragspflicht


(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht f

Referenzen - Urteile

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 16. Dez. 2014 - 1 L 274/11 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 16. Dez. 2014 - 1 L 274/11 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 13. Dez. 2011 - 1 L 170/08

bei uns veröffentlicht am 13.12.2011

Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 18. Juni 2008 (3 A 416/06) geändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 22. Aug. 2011 - 1 BvR 1764/09

bei uns veröffentlicht am 22.08.2011

Tenor Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. März 2009 - 13 A 476/08, 13 A 477/08 und 13 A 478/08 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundre

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 18. März 2011 - 8 A 185/10

bei uns veröffentlicht am 18.03.2011

Tenor Der Bescheid vom 09.10.2009, Az.: …, und der Widerspruchsbescheid vom 09.02.2010, Az.: …, werden aufgehoben. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. D

Bundesverfassungsgericht Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren, 04. Okt. 2010 - 2 BvR 758/07

bei uns veröffentlicht am 04.10.2010

Tenor Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde wird auf 250.000 € (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) festgesetzt (§ 37 Abs. 2

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 23. Juni 2010 - 1 L 34/06

bei uns veröffentlicht am 23.06.2010

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 25. November 2005 - 8 A 1951/01 - teilweise abgeändert: Der Bescheid des Beklagten vom 20.11.2000 (Bescheid-Nr.: ###) und der Widerspruchsbescheid vom 03. J

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 10. Feb. 2009 - 1 M 117/08

bei uns veröffentlicht am 10.02.2009

Tenor Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 21. August 2008 - 3 B 344/08 - wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird a
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 16. Dez. 2014 - 1 L 274/11.

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 24. Aug. 2018 - 3 A 814/16 HGW

bei uns veröffentlicht am 24.08.2018

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt. 3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 27. Juni 2018 - 1 L 105/15

bei uns veröffentlicht am 27.06.2018

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 24. Februar 2015 – 2 A 809/12 – wird abgelehnt. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Streitwert wird für d

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 07. Juli 2016 - 3 A 780/14 HGW

bei uns veröffentlicht am 07.07.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfe

Referenzen

Tenor

Der Bescheid vom 09.10.2009, Az.: …, und der Widerspruchsbescheid vom 09.02.2010, Az.: …, werden aufgehoben.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte ist befugt, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Vorausleistungsbescheid der Beklagten, der im Hinblick auf den Ausbau der M-straße ergangen ist.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Wassergrundstücks „Z-See“, eingetragen im Grundbuch von Schwerin, Grundbuchblatt …, mit einer Fläche von ca. 170 ha. Das Grundstück ist als Bundeswasserstraße gewidmet.

3

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2008 nahm die Beklagte die Klägerin zu einer Vorausleistung auf einen Straßenbaubeitrag in Höhe von 14.713,61 € in Anspruch. Unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 5 Nr. 2 b) der Ausbaubeitragssatzung vom 14. Februar 2002 bemaß die Beklagte die Beitragsfläche mit 3.651 qm und setzte einen Nutzungsfaktor von 0,5 an. Die in Ansatz gebrachte Fläche entspricht der reinen Grundfläche der von der Beklagten nach ihren Unterlagen (vgl. Beiakte 1, Blatt 41) in Ansatz gebrachten Bootshäuser, 10 - 19, 22 - 38 und 70.

4

Hiergegen erhob die Klägerin am 12. November 2009 Widerspruch. Sie stellte in Frage, ob die Wasserflächen eines öffentlichen Gewässers überhaupt im Sinne des Straßenbaubeitragsrechts berücksichtigungsfähig seien. Das veranlagte Grundstück sei von der M-straße nicht erschlossen, Es handele sich weder um ein Anliegergrundstück noch um ein Hinterliegergrundstück. Bezüglich eines Teils der Bootshäuser fehle es an einer unmittelbaren Beziehung zur Straße. Sie seien nur über vorgelagerte Landgrundstücke erreichbar, die sich im Eigentum der Nutzer der Bootshäuser befänden. Sie, die Klägerin, sei selbst nicht Eigentümer der Bootshäuser, weil diese nur vorübergehend mit dem Ziegelsee verbunden seien, wie sich aus den Nutzungsverträgen ergebe.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Grundsätzlich sei der Z-See kein bevorteiltes Grundstück im Sinne des Beitragsrechts, da eine bauliche oder sonstige Ausnutzbarkeit im Sinne eines beitragsgerechten Vorteils nicht vorliege. Es liege jedoch der Sonderfall einer mit Bootshäusern bzw. –schuppen ausgestatteten Wasserfläche vor. § 4 Landesbauordnung M-V verlange bezüglich der gesicherten Erschließung von Grundstücken mit Gebäuden eine befahrbare, öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche. Hier würden die Bootshäuser teilweise über Grundstücke Dritter, sog. „Bootsvorhausflächen“ und teilweise direkt über einen öffentlichen Schotterweg von der M-straße aus erreicht. Maßgeblich sei die tatsächliche Nutzung des Grundstücks im Zeitpunkt der beitragspflichtigen Straßenbaumaßnahme. Ob die Klägerin selbst Eigentümerin der Bootshäuser sei, sei ebenso unerheblich wie die Frage, ob die Bootshäuser auf Dauer bestehen bleiben. Der Widerspruchsbescheid wurde am 11. Februar 2010 zugestellt.

6

Hiergegen hat die Klägerin am 3. März 2010 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass das dem öffentlichen Verkehr gewidmete Wassergrundstück nicht durch den Ausbau der Straße bevorteilt wird. In diesem Zusammenhang nimmt sie Bezug auf eine Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zur Straßenreinigungspflicht für den Eigentümer einer angrenzenden Wasserstraße. Auch dort sei dargelegt worden, dass der Eigentümer einer Verkehrsfläche nicht zur Reinigung einer anderen Verkehrsfläche herangezogen werden könne. Für sie entstehe insbesondere kein Vorteil hinsichtlich der Möglichkeit der Inanspruchnahme der Straße im Sinne des Straßenbaubeitragsrechts. Für die bestimmungsgemäße Nutzung der Wasserstraße sei der Ausbau der M-straße irrelevant. Ein Nutzen entstehe allenfalls den Eigentümern der Bootshäuser. Insoweit sei allerdings zu berücksichtigen, dass ein Großteil der Bootshäuser landseitig zunächst an private Grundstücke grenze und somit keinen unmittelbaren Kontakt zur Straße habe. Das Wassergrundstück sei jedenfalls nicht als bevorteiltes Hinterliegergrundstück anzusehen. Es bestehe insbesondere kein Notwegerecht für sie gegenüber Privateigentümern der Landgrundstücke, weil sie als Eigentümerin nicht auf den Landzugang angewiesen sei, weil sie das Grundstück wasserseitig und von anderen Stellen aus erreichen können. Dies sei für einen vergleichbaren Fall bereits höchstrichterlich entschieden. Auf die gesicherte Erschließung der Grundstücke im Sinne der Landesbauordnung komme es nicht an, zumal diese zumeist durch die vorgelagerten Landgrundstücke abgesichert werde. Es sei auch kein Vorteil im Sinne der Möglichkeit der Nutzung der Straße darin zu erblicken, dass durch den Ausbau der Straße die Möglichkeit der Verpachtung der Wasserfläche verbessert werde. Zudem erhebt sie Einwendungen gegen die Kostenermittlung.

7

Dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin ist der Antrag zu entnehmen,

8

den Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

9

Dem schriftsätzlichen Vorbringen der Beklagten ist der Antrag zu entnehmen,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie ist der Auffassung, dass die Möglichkeit der Verpachtung der Wasserflächen für die Bootshäuser durch den Ausbau der Straße begünstigt werde. Somit entstehe der Klägerin auch ein wirtschaftlicher Vorteil im Sinne des Straßenbaubeitragsrechts. Das in den Nutzungsverträgen mit den Bootshausbesitzern geregelte Betretensrecht regele auch den Zugang zu den Landgrundstücken. Damit sei der landseitige Zugang von der M-straße aus mit abgesichert. Die Nutzung des Wassergrundstücks als Bundeswasserstraße hindere eine Beitragserhebung nicht. Ebenso wie die Klägerin gemäß der Regelung in § 15 Abs. 3 der Nutzungsverträge Grundsteuer zahle, könne von ihr auch ein Straßenbaubeitrag erhoben werden. Zudem werde sie nicht in ihrer Eigenschaft als Baulastträgerin für den Verkehrsweg, sondern als Grundstückseigentümerin in Bezug auf die auf dem Grundstück errichteten Baulichkeiten in Anspruch genommen.

12

Klägerin und Beklagte haben schriftsätzlich auf mündliche Verhandlung verzichtet.

13

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die dem Gericht bei der Entscheidung vorlagen.

Entscheidungsgründe

14

Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

15

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der angefochtene Vorausleistungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

16

Zwar ist das Gericht der Auffassung, dass die Beklagte grundsätzlich zur Erhebung von Vorausleistungen für den seinerzeit beabsichtigten – und inzwischen fertig gestellten - Ausbau der M-straße erheben kann, weil es sich um eine im Sinne der §§ 7, 8 KAG M-V beitragspflichtige Verbesserung bzw. zumindest Erneuerung der Straße in allen ihren Teileinrichtungen handelt. Allerdings kann die Beklagte die Klägerin bezüglich des hier streitgegenständlichen Wassergrundstücks „Z-See“ nicht in Anspruch nehmen, weil es sich insoweit um kein bevorteiltes Grundstück im Sinne der §§ 7, Abs. 2, 8 Abs. 1 KAG M-V bzw. um ein „berücksichtigungsfähiges“ Grundstück gemäß § 4 Abs. 1 der Ausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 14. Februar 2002 (im Folgenden: ABS 2002) handelt. Dies ergibt sich aus den folgenden Gründen:

17

1. Das streitgegenständliche Grundstück ist bereits deshalb nicht in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen, weil es als gewidmete Bundeswasserstraße ebenfalls eine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 1 KAG M-V ist, die von einer anderen angrenzenden öffentlichen Einrichtung grundsätzlich nicht erschlossen wird. Dies gilt hier ebenso, wie ein öffentlicher Parkplatz, eine gewidmete öffentliche Grünanlage oder Bahngleise nicht in das Abrechnungsgebiet einer Straßenbaumaßnahme einbezogen werden (vgl. Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Kommentar, Stand 17.11.2010, § 8 Anm. 1.5.4.2, Seite 144a m.w.N.)

18

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ändert auch die Überlassung von im Verhältnis zur Gesamtfläche der Wasserstraße geringfügigen Flächen zur Nutzung für Bootshäuser nichts an dieser rechtlichen Betrachtungsweise. Ebenso wenig wie eine öffentliche Straße, beispielsweise eine Fußgängerzone, deshalb in das Abrechnungsgebiet einer ausgebauten angrenzenden Straße einzubeziehen ist, weil Teilflächen der Fußgängerzone durch öffentlich-rechtliche Sondernutzungsgenehmigungen oder zivilrechtliche Verträge entgeltlich als Raum für Geschäftsauslagen oder für Straßencafés genutzt werden, führt diese – bezogen auf die Wasserstraße – marginale Nutzung als Aufstandsfläche für Bootshäuser zu einer anderen beitragsrechtlichen Betrachtungsweise. Wollte man dies anders sehen, müsste konsequent bereits jede Steganlage bzw. jeder Fähranleger an einer öffentlichen Wasserstraße, der einem privaten Unternehmer durch entgeltlichen zivilrechtlichen Vertrag oder öffentlich-rechtliche Sondernutzungsgenehmigung bewilligt wird, dazu führen, dass das Gewässer, sei es ein See oder ein Fluss, zur beitragspflichtigen Fläche für ausgebaute angrenzende Straßen wird. Gleichermaßen würde sich die Frage stellen, ob der Ausbau einer Zugangsstraße zu einem Hafen dazu führt, dass die anliegende oder hinter den Hafenanlagen hinterliegende Wasserstraße mit in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen wäre, falls auch Hafenanlagen mit entsprechender Genehmigung und gegen Entgeltzahlung in das Gewässer gebaut worden sind.

19

2. Selbst wenn man der Auffassung nicht folgen wollte, dass hier bereits eine Inanspruchnahme deshalb ausgeschlossen ist, weil das streitgegenständliche Grundstücke als Wasserstraße selbst eine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 1 KAG M-V darstellt, ist eine Inanspruchnahme ausgeschlossen, weil das Grundstück nicht im beitragsrechtlichen Sinne bevorteilt ist.

20

Voraussetzung für die Zulässigkeit der Beitragserhebung ist, dass durch die Maßnahme dem Grundstückseigentümer für die Möglichkeit der Inanspruchnahme – hier der ausgebauten Straße – Vorteile geboten werden. Vorteil ist in diesem Sinne ein wirtschaftlicher Vorteil, der sich allerdings nicht in einer Steigerung des Verkehrswertes des Grundstücks ausdrücken muss (vgl. Aussprung/Siemers/Holz, a.a.O., § 7 Anm. 8.1.1 m.w.N.). Der Klägerin als Grundstückseigentümerin bietet sich durch den Ausbau der M-straße kein gesteigerter Nutzwert ihres Grundstücks. Selbst wenn es sich bei dem Grundstück nicht um eine gewidmete Wasserstraße handeln sollte, wäre mit dem Ausbau der angrenzenden (Land-)Straße keine Steigerung der wasserwirtschaftlichen Nutzung, z.B. in Bezug auf die Ausübung von Fischereirechten zu erwarten. Ein solcher Vorteil ergibt sich auch nicht in Bezug auf die vorhandene Bebauung mit Bootshäusern. Ebenso wenig wie ein bislang noch nicht mit Bootshäusern bebauter See durch den Ausbau einer angrenzenden Straße „Baureife“ erlangt, kann man durch den Ausbau einen dauerhaften Vorteil für den Seeeigentümer im Falle vorhandener Bootshäuser erkennen. Insoweit unterscheidet sich die Nutzung von geringen Flächen eines Gewässers als Aufstandsfläche für Bootshäuser nicht von der entgeltlichen Überlassung von Steganlagen in einem Gewässer für Bootsanlieger. Auch letztere stellen eine Nutzung des Gewässers dar, die zwar häufig unverkennbar tatsächlich gewisse Verkehrsbeziehungen zu einer angrenzenden Straße im Sinne eines Anliegerverkehrs auslösen. Anders als bei einem Landgrundstück fehlt es aber an der Erschließungswirkung, weil die Nutzung zu Wassersportzwecken gerade und in erster Linie auch vom Wasser aus erfolgen kann.

21

3. Schließlich wäre die Beklagte, selbst wenn man entgegen der oben dargestellten Rechtsauffassung des Gerichts von einem bevorteilten Grundstück ausgehen wollte, letztlich nicht zur Beitragserhebung befugt, weil die Ausbaubeitragssatzung im Falle der Einbeziehung des streitgegenständlichen Grundstücks keine Regelung für eine vorteilsgerechte Veranlagung vorhält.

22

Zwar hat das Gericht in der Vergangenheit keinerlei Zweifel an der Wirksamkeit der vorgenannten Ausbaubeitragssatzung der Beklagten geäußert und sie vielmehr in ständiger Rechtsprechung als wirksame Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung angesehen. In Bezug auf die vorliegende Straßenbaumaßnahme ist die Ausbaubeitragssatzung vom 14. Februar 2002 allerdings unter dem Gesichtspunkt der konkreten Vollständigkeit im Hinblick auf die dem Abrechnungsgebiet zugehörigen Grundstücke und ihre Nutzung nicht geeignet, eine vorteilsgerechte Verteilung der Kosten der Straßenbaumaßnahme zu ermöglichen.

23

Die von der Beklagten für die Veranlagung herangezogene Vorschrift des § 5 Abs. 5 Nr. 2 b) ABS 2002 ermöglicht entgegen der Handhabung durch die Beklagte keine Beschränkung der Grundstücksfläche auf die Aufstandsfläche der Bootshäuser. Die Regelung stellt eindeutig nicht auf bebaute Teilflächen eines Grundstücks, sondern auf das gesamte Grundstück ab, das in einer der baulichen oder gewerblichen Nutzung vergleichbaren Weise genutzt wird. Demnach müsste die Gesamtfläche des Seegrundstücks von über 1.700.000 qm mit dem Faktor 0,5 gewichtet werden. Dass eine Berücksichtigung dieses Grundstücks mit einer gewichteten Fläche von 850.000 qm nicht vorteilsgerecht wäre, liegt auf der Hand. Es hätte ggf. mehr als 90 % der Ausbaukosten zu tragen.

24

Die von der Beklagten erkennbar gesuchte pragmatische vorteilsgerechte Veranlagung durch Beschränkung der Veranlagungsfläche auf die einfache Aufstandsfläche der Bootshäuser kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der lediglich partiellen Erschließungswirkung für das streitgegenständliche Grundstück durchgreifen. Hier wird nicht ein zusammenhängender Teil des Grundstücks veranlagt, der noch als von der Straße erschlossen anzusehen ist, sondern es handelt sich lediglich um nicht zusammenhängende Teilflächen, die ausschließlich einer bestimmten Nutzung zugeführt sind.

25

Andere Regelungen können ebenfalls nicht mit zulässigen Auslegungsmethoden herangezogen werden. § 5 Abs. 5 Nr. 2 d) ABS 2002 regelt nur Wohnbebauung, landwirtschaftliche Hofstellen sowie landwirtschaftliche Nebengebäude im Außenbereich. Darunter können die Bootshäuser nicht gefasst werden. Im Übrigen wäre auch hier nicht die einfache sondern die fünffache Aufstandsfläche zu veranschlagen. Die weiteren Regelungen des § 5 Abs. 5 ABS 2002 weisen überhaupt keinen Regelungszusammenhang zu der hier maßgeblichen Grundstückssituation auf.

26

Wenn die allgemeine Ausbaubeitragssatzung für die konkrete Straßenbaumaßnahme keine vorteilsgerechte Veranlagung des Abrechnungsgebiets ermöglicht, ist sie nichtig. Dementsprechend entbehrte die Veranlagung in diesem Fall der hinreichenden Rechtsgrundlage. Es hätte ggf. eine gesonderte Satzung erlassen werden müssen, wobei das Gericht erhebliche Bedenken hat, ob in einer solchen Konstellation überhaupt eine vorteilsgerechte Veranlagung normiert werden könnte.

27

Aus der Sicht des Gerichts spricht allerdings bereits die Tatsache, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Grundstück selbst um einen Verkehrsweg handelt, gegen die Möglichkeit seiner Veranlagung.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergehen gemäß § 167 VwGO, i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Tenor

Der Bescheid vom 09.10.2009, Az.: …, und der Widerspruchsbescheid vom 09.02.2010, Az.: …, werden aufgehoben.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte ist befugt, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Vorausleistungsbescheid der Beklagten, der im Hinblick auf den Ausbau der M-straße ergangen ist.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Wassergrundstücks „Z-See“, eingetragen im Grundbuch von Schwerin, Grundbuchblatt …, mit einer Fläche von ca. 170 ha. Das Grundstück ist als Bundeswasserstraße gewidmet.

3

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2008 nahm die Beklagte die Klägerin zu einer Vorausleistung auf einen Straßenbaubeitrag in Höhe von 14.713,61 € in Anspruch. Unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 5 Nr. 2 b) der Ausbaubeitragssatzung vom 14. Februar 2002 bemaß die Beklagte die Beitragsfläche mit 3.651 qm und setzte einen Nutzungsfaktor von 0,5 an. Die in Ansatz gebrachte Fläche entspricht der reinen Grundfläche der von der Beklagten nach ihren Unterlagen (vgl. Beiakte 1, Blatt 41) in Ansatz gebrachten Bootshäuser, 10 - 19, 22 - 38 und 70.

4

Hiergegen erhob die Klägerin am 12. November 2009 Widerspruch. Sie stellte in Frage, ob die Wasserflächen eines öffentlichen Gewässers überhaupt im Sinne des Straßenbaubeitragsrechts berücksichtigungsfähig seien. Das veranlagte Grundstück sei von der M-straße nicht erschlossen, Es handele sich weder um ein Anliegergrundstück noch um ein Hinterliegergrundstück. Bezüglich eines Teils der Bootshäuser fehle es an einer unmittelbaren Beziehung zur Straße. Sie seien nur über vorgelagerte Landgrundstücke erreichbar, die sich im Eigentum der Nutzer der Bootshäuser befänden. Sie, die Klägerin, sei selbst nicht Eigentümer der Bootshäuser, weil diese nur vorübergehend mit dem Ziegelsee verbunden seien, wie sich aus den Nutzungsverträgen ergebe.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Grundsätzlich sei der Z-See kein bevorteiltes Grundstück im Sinne des Beitragsrechts, da eine bauliche oder sonstige Ausnutzbarkeit im Sinne eines beitragsgerechten Vorteils nicht vorliege. Es liege jedoch der Sonderfall einer mit Bootshäusern bzw. –schuppen ausgestatteten Wasserfläche vor. § 4 Landesbauordnung M-V verlange bezüglich der gesicherten Erschließung von Grundstücken mit Gebäuden eine befahrbare, öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche. Hier würden die Bootshäuser teilweise über Grundstücke Dritter, sog. „Bootsvorhausflächen“ und teilweise direkt über einen öffentlichen Schotterweg von der M-straße aus erreicht. Maßgeblich sei die tatsächliche Nutzung des Grundstücks im Zeitpunkt der beitragspflichtigen Straßenbaumaßnahme. Ob die Klägerin selbst Eigentümerin der Bootshäuser sei, sei ebenso unerheblich wie die Frage, ob die Bootshäuser auf Dauer bestehen bleiben. Der Widerspruchsbescheid wurde am 11. Februar 2010 zugestellt.

6

Hiergegen hat die Klägerin am 3. März 2010 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass das dem öffentlichen Verkehr gewidmete Wassergrundstück nicht durch den Ausbau der Straße bevorteilt wird. In diesem Zusammenhang nimmt sie Bezug auf eine Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zur Straßenreinigungspflicht für den Eigentümer einer angrenzenden Wasserstraße. Auch dort sei dargelegt worden, dass der Eigentümer einer Verkehrsfläche nicht zur Reinigung einer anderen Verkehrsfläche herangezogen werden könne. Für sie entstehe insbesondere kein Vorteil hinsichtlich der Möglichkeit der Inanspruchnahme der Straße im Sinne des Straßenbaubeitragsrechts. Für die bestimmungsgemäße Nutzung der Wasserstraße sei der Ausbau der M-straße irrelevant. Ein Nutzen entstehe allenfalls den Eigentümern der Bootshäuser. Insoweit sei allerdings zu berücksichtigen, dass ein Großteil der Bootshäuser landseitig zunächst an private Grundstücke grenze und somit keinen unmittelbaren Kontakt zur Straße habe. Das Wassergrundstück sei jedenfalls nicht als bevorteiltes Hinterliegergrundstück anzusehen. Es bestehe insbesondere kein Notwegerecht für sie gegenüber Privateigentümern der Landgrundstücke, weil sie als Eigentümerin nicht auf den Landzugang angewiesen sei, weil sie das Grundstück wasserseitig und von anderen Stellen aus erreichen können. Dies sei für einen vergleichbaren Fall bereits höchstrichterlich entschieden. Auf die gesicherte Erschließung der Grundstücke im Sinne der Landesbauordnung komme es nicht an, zumal diese zumeist durch die vorgelagerten Landgrundstücke abgesichert werde. Es sei auch kein Vorteil im Sinne der Möglichkeit der Nutzung der Straße darin zu erblicken, dass durch den Ausbau der Straße die Möglichkeit der Verpachtung der Wasserfläche verbessert werde. Zudem erhebt sie Einwendungen gegen die Kostenermittlung.

7

Dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin ist der Antrag zu entnehmen,

8

den Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

9

Dem schriftsätzlichen Vorbringen der Beklagten ist der Antrag zu entnehmen,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie ist der Auffassung, dass die Möglichkeit der Verpachtung der Wasserflächen für die Bootshäuser durch den Ausbau der Straße begünstigt werde. Somit entstehe der Klägerin auch ein wirtschaftlicher Vorteil im Sinne des Straßenbaubeitragsrechts. Das in den Nutzungsverträgen mit den Bootshausbesitzern geregelte Betretensrecht regele auch den Zugang zu den Landgrundstücken. Damit sei der landseitige Zugang von der M-straße aus mit abgesichert. Die Nutzung des Wassergrundstücks als Bundeswasserstraße hindere eine Beitragserhebung nicht. Ebenso wie die Klägerin gemäß der Regelung in § 15 Abs. 3 der Nutzungsverträge Grundsteuer zahle, könne von ihr auch ein Straßenbaubeitrag erhoben werden. Zudem werde sie nicht in ihrer Eigenschaft als Baulastträgerin für den Verkehrsweg, sondern als Grundstückseigentümerin in Bezug auf die auf dem Grundstück errichteten Baulichkeiten in Anspruch genommen.

12

Klägerin und Beklagte haben schriftsätzlich auf mündliche Verhandlung verzichtet.

13

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die dem Gericht bei der Entscheidung vorlagen.

Entscheidungsgründe

14

Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

15

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der angefochtene Vorausleistungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

16

Zwar ist das Gericht der Auffassung, dass die Beklagte grundsätzlich zur Erhebung von Vorausleistungen für den seinerzeit beabsichtigten – und inzwischen fertig gestellten - Ausbau der M-straße erheben kann, weil es sich um eine im Sinne der §§ 7, 8 KAG M-V beitragspflichtige Verbesserung bzw. zumindest Erneuerung der Straße in allen ihren Teileinrichtungen handelt. Allerdings kann die Beklagte die Klägerin bezüglich des hier streitgegenständlichen Wassergrundstücks „Z-See“ nicht in Anspruch nehmen, weil es sich insoweit um kein bevorteiltes Grundstück im Sinne der §§ 7, Abs. 2, 8 Abs. 1 KAG M-V bzw. um ein „berücksichtigungsfähiges“ Grundstück gemäß § 4 Abs. 1 der Ausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 14. Februar 2002 (im Folgenden: ABS 2002) handelt. Dies ergibt sich aus den folgenden Gründen:

17

1. Das streitgegenständliche Grundstück ist bereits deshalb nicht in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen, weil es als gewidmete Bundeswasserstraße ebenfalls eine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 1 KAG M-V ist, die von einer anderen angrenzenden öffentlichen Einrichtung grundsätzlich nicht erschlossen wird. Dies gilt hier ebenso, wie ein öffentlicher Parkplatz, eine gewidmete öffentliche Grünanlage oder Bahngleise nicht in das Abrechnungsgebiet einer Straßenbaumaßnahme einbezogen werden (vgl. Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Kommentar, Stand 17.11.2010, § 8 Anm. 1.5.4.2, Seite 144a m.w.N.)

18

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ändert auch die Überlassung von im Verhältnis zur Gesamtfläche der Wasserstraße geringfügigen Flächen zur Nutzung für Bootshäuser nichts an dieser rechtlichen Betrachtungsweise. Ebenso wenig wie eine öffentliche Straße, beispielsweise eine Fußgängerzone, deshalb in das Abrechnungsgebiet einer ausgebauten angrenzenden Straße einzubeziehen ist, weil Teilflächen der Fußgängerzone durch öffentlich-rechtliche Sondernutzungsgenehmigungen oder zivilrechtliche Verträge entgeltlich als Raum für Geschäftsauslagen oder für Straßencafés genutzt werden, führt diese – bezogen auf die Wasserstraße – marginale Nutzung als Aufstandsfläche für Bootshäuser zu einer anderen beitragsrechtlichen Betrachtungsweise. Wollte man dies anders sehen, müsste konsequent bereits jede Steganlage bzw. jeder Fähranleger an einer öffentlichen Wasserstraße, der einem privaten Unternehmer durch entgeltlichen zivilrechtlichen Vertrag oder öffentlich-rechtliche Sondernutzungsgenehmigung bewilligt wird, dazu führen, dass das Gewässer, sei es ein See oder ein Fluss, zur beitragspflichtigen Fläche für ausgebaute angrenzende Straßen wird. Gleichermaßen würde sich die Frage stellen, ob der Ausbau einer Zugangsstraße zu einem Hafen dazu führt, dass die anliegende oder hinter den Hafenanlagen hinterliegende Wasserstraße mit in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen wäre, falls auch Hafenanlagen mit entsprechender Genehmigung und gegen Entgeltzahlung in das Gewässer gebaut worden sind.

19

2. Selbst wenn man der Auffassung nicht folgen wollte, dass hier bereits eine Inanspruchnahme deshalb ausgeschlossen ist, weil das streitgegenständliche Grundstücke als Wasserstraße selbst eine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 1 KAG M-V darstellt, ist eine Inanspruchnahme ausgeschlossen, weil das Grundstück nicht im beitragsrechtlichen Sinne bevorteilt ist.

20

Voraussetzung für die Zulässigkeit der Beitragserhebung ist, dass durch die Maßnahme dem Grundstückseigentümer für die Möglichkeit der Inanspruchnahme – hier der ausgebauten Straße – Vorteile geboten werden. Vorteil ist in diesem Sinne ein wirtschaftlicher Vorteil, der sich allerdings nicht in einer Steigerung des Verkehrswertes des Grundstücks ausdrücken muss (vgl. Aussprung/Siemers/Holz, a.a.O., § 7 Anm. 8.1.1 m.w.N.). Der Klägerin als Grundstückseigentümerin bietet sich durch den Ausbau der M-straße kein gesteigerter Nutzwert ihres Grundstücks. Selbst wenn es sich bei dem Grundstück nicht um eine gewidmete Wasserstraße handeln sollte, wäre mit dem Ausbau der angrenzenden (Land-)Straße keine Steigerung der wasserwirtschaftlichen Nutzung, z.B. in Bezug auf die Ausübung von Fischereirechten zu erwarten. Ein solcher Vorteil ergibt sich auch nicht in Bezug auf die vorhandene Bebauung mit Bootshäusern. Ebenso wenig wie ein bislang noch nicht mit Bootshäusern bebauter See durch den Ausbau einer angrenzenden Straße „Baureife“ erlangt, kann man durch den Ausbau einen dauerhaften Vorteil für den Seeeigentümer im Falle vorhandener Bootshäuser erkennen. Insoweit unterscheidet sich die Nutzung von geringen Flächen eines Gewässers als Aufstandsfläche für Bootshäuser nicht von der entgeltlichen Überlassung von Steganlagen in einem Gewässer für Bootsanlieger. Auch letztere stellen eine Nutzung des Gewässers dar, die zwar häufig unverkennbar tatsächlich gewisse Verkehrsbeziehungen zu einer angrenzenden Straße im Sinne eines Anliegerverkehrs auslösen. Anders als bei einem Landgrundstück fehlt es aber an der Erschließungswirkung, weil die Nutzung zu Wassersportzwecken gerade und in erster Linie auch vom Wasser aus erfolgen kann.

21

3. Schließlich wäre die Beklagte, selbst wenn man entgegen der oben dargestellten Rechtsauffassung des Gerichts von einem bevorteilten Grundstück ausgehen wollte, letztlich nicht zur Beitragserhebung befugt, weil die Ausbaubeitragssatzung im Falle der Einbeziehung des streitgegenständlichen Grundstücks keine Regelung für eine vorteilsgerechte Veranlagung vorhält.

22

Zwar hat das Gericht in der Vergangenheit keinerlei Zweifel an der Wirksamkeit der vorgenannten Ausbaubeitragssatzung der Beklagten geäußert und sie vielmehr in ständiger Rechtsprechung als wirksame Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung angesehen. In Bezug auf die vorliegende Straßenbaumaßnahme ist die Ausbaubeitragssatzung vom 14. Februar 2002 allerdings unter dem Gesichtspunkt der konkreten Vollständigkeit im Hinblick auf die dem Abrechnungsgebiet zugehörigen Grundstücke und ihre Nutzung nicht geeignet, eine vorteilsgerechte Verteilung der Kosten der Straßenbaumaßnahme zu ermöglichen.

23

Die von der Beklagten für die Veranlagung herangezogene Vorschrift des § 5 Abs. 5 Nr. 2 b) ABS 2002 ermöglicht entgegen der Handhabung durch die Beklagte keine Beschränkung der Grundstücksfläche auf die Aufstandsfläche der Bootshäuser. Die Regelung stellt eindeutig nicht auf bebaute Teilflächen eines Grundstücks, sondern auf das gesamte Grundstück ab, das in einer der baulichen oder gewerblichen Nutzung vergleichbaren Weise genutzt wird. Demnach müsste die Gesamtfläche des Seegrundstücks von über 1.700.000 qm mit dem Faktor 0,5 gewichtet werden. Dass eine Berücksichtigung dieses Grundstücks mit einer gewichteten Fläche von 850.000 qm nicht vorteilsgerecht wäre, liegt auf der Hand. Es hätte ggf. mehr als 90 % der Ausbaukosten zu tragen.

24

Die von der Beklagten erkennbar gesuchte pragmatische vorteilsgerechte Veranlagung durch Beschränkung der Veranlagungsfläche auf die einfache Aufstandsfläche der Bootshäuser kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der lediglich partiellen Erschließungswirkung für das streitgegenständliche Grundstück durchgreifen. Hier wird nicht ein zusammenhängender Teil des Grundstücks veranlagt, der noch als von der Straße erschlossen anzusehen ist, sondern es handelt sich lediglich um nicht zusammenhängende Teilflächen, die ausschließlich einer bestimmten Nutzung zugeführt sind.

25

Andere Regelungen können ebenfalls nicht mit zulässigen Auslegungsmethoden herangezogen werden. § 5 Abs. 5 Nr. 2 d) ABS 2002 regelt nur Wohnbebauung, landwirtschaftliche Hofstellen sowie landwirtschaftliche Nebengebäude im Außenbereich. Darunter können die Bootshäuser nicht gefasst werden. Im Übrigen wäre auch hier nicht die einfache sondern die fünffache Aufstandsfläche zu veranschlagen. Die weiteren Regelungen des § 5 Abs. 5 ABS 2002 weisen überhaupt keinen Regelungszusammenhang zu der hier maßgeblichen Grundstückssituation auf.

26

Wenn die allgemeine Ausbaubeitragssatzung für die konkrete Straßenbaumaßnahme keine vorteilsgerechte Veranlagung des Abrechnungsgebiets ermöglicht, ist sie nichtig. Dementsprechend entbehrte die Veranlagung in diesem Fall der hinreichenden Rechtsgrundlage. Es hätte ggf. eine gesonderte Satzung erlassen werden müssen, wobei das Gericht erhebliche Bedenken hat, ob in einer solchen Konstellation überhaupt eine vorteilsgerechte Veranlagung normiert werden könnte.

27

Aus der Sicht des Gerichts spricht allerdings bereits die Tatsache, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Grundstück selbst um einen Verkehrsweg handelt, gegen die Möglichkeit seiner Veranlagung.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergehen gemäß § 167 VwGO, i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde wird auf 250.000 € (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) festgesetzt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 RVG).

Tenor

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. März 2009 - 13 A 476/08, 13 A 477/08 und 13 A 478/08 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.

Damit wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 2009 - 13 A 798/09, 13 A 799/09 und 13 A 800/09 - gegenstandslos.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 24.000 € (in Worten: vierundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung in einer postregulierungsrechtlichen Streitigkeit.

I.

2

Gemäß § 19 Satz 1 des Postgesetzes (PostG) bedürfen Entgelte, die ein Lizenznehmer auf einem Markt für lizenzpflichtige Postdienstleistungen (vgl. § 5 Abs. 1, § 51 PostG) erhebt, der Genehmigung durch die Regulierungsbehörde, sofern der Lizenznehmer auf dem betreffenden Markt marktbeherrschend ist. "Maßstäbe der Entgeltgenehmigung" enthält § 20 PostG.

3

Die "Arten und Verfahren der Entgeltgenehmigung" regelt § 21 PostG; nach dessen Absatz 1 genehmigt die Regulierungsbehörde Entgelte (entweder) auf der Grundlage der auf die einzelne Dienstleistung entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (Nr. 1) oder auf der Grundlage der von ihr vorgegebenen Maßgrößen für die durchschnittlichen Änderungsraten der Entgelte für einen Korb zusammengefasster Dienstleistungen (Nr. 2, sog. Price-Cap-Regulierung).

4

Nach § 23 Abs. 1 PostG ist der Lizenznehmer verpflichtet, ausschließlich die von der Regulierungsbehörde genehmigten Entgelte zu verlangen. Verträge über Dienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, sind mit der Maßgabe wirksam, dass das genehmigte Entgelt an Stelle des vereinbarten Entgelts tritt. Fehlt es an einem genehmigten Entgelt, obwohl das Entgelt nach § 19 PostG genehmigungsbedürftig ist, so sind die Verträge unwirksam (§ 23 Abs. 2 PostG).

II.

5

1. Am 26. Juli 2002 beschloss die (damalige) Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), die der Price-Cap-Regulierung (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 2 PostG) unterliegenden Dienstleistungen der "Deutsche Post AG", der Beigeladenen des Ausgangsverfahrens der vorliegenden Verfassungsbeschwerde, entsprechend § 1 Abs. 2 der Post-Entgeltregulierungsverordnung (PEntgV) in drei Körbe zusammenzufassen. Die vom Beschwerdeführer, einem eingetragenen Verein, der nach seinen Angaben Kunde der Beigeladenen ist, hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Köln ab. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil blieb erfolglos (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. November 2004 - 13 A 4245/03 -, juris).

6

2. Mit Beschluss vom 12. September 2002 (Amtsblatt der RegPT 2002, S. 1448) genehmigte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post die von der Beigeladenen zur Genehmigung vorgelegten Entgelte für das Jahr 2003. Entsprechende Beschlüsse ergingen am 24. September 2003 (Amtsblatt der RegTP 2003, S. 1193) für das Jahr 2004 und am 23. November 2004 (Amtsblatt der RegTP 2004, S. 1874) für das Jahr 2005.

7

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Genehmigungsbeschlüsse jeweils Klage, die vom Verwaltungsgericht Köln mit in der Begründung gleichen Urteilen vom 16. und 27. November 2007 abgewiesen wurde.

8

Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei der Beschwerdeführer klagebefugt. Zwar sei er nicht Adressat der Entgeltgenehmigung. Doch könne der angefochtene Beschluss in seine Rechte eingreifen. Denn der Beschwerdeführer könne sich auf einen möglichen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Eine unmittelbare Auswirkung auch gegenüber Kunden der Beigeladenen wie dem Beschwerdeführer sei bei dem angefochtenen Beschluss anzunehmen. Dies folge aus der Bestimmung des § 23 Abs. 2 PostG, wonach Verträge über Postdienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthielten, mit der Maßgabe wirksam würden, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts trete, und die Verträge unwirksam seien, wenn es an einem genehmigten Entgelt fehle, obwohl dieses nach § 19 PostG genehmigungsbedürftig sei. Danach stehe den Vertragsparteien keinerlei Gestaltungsspielraum zu. Allerdings habe das Bundesverwaltungsgericht bisher nicht entschieden, ob der einzelne Kunde bei unmittelbarer Wirkung der Genehmigung stets die Klagebefugnis habe, um gegen für ihn relevante genehmigte Tarife zu klagen. Eine Klagebefugnis sei aber jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Kunde - wie hier der Beschwerdeführer - geltend mache, dass es an einer der Verfassung entsprechenden gesetzlichen Einschränkung der Privatautonomie fehle. Hinzu komme, dass eine Überprüfung der Entgelte durch die Zivilgerichte ausgeschlossen sei.

9

Die Klage sei jedoch nicht begründet. Der angefochtene Beschluss verletze den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten. Ob er im Übrigen rechtmäßig sei, könne deshalb dahinstehen. Ein subjektives Recht des Beschwerdeführers ergebe sich nicht aus den Vorschriften des PostG. Auch Art. 2 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Zwar könne ein Verwaltungsakt, der ein Privatrechtsverhältnis unmittelbar gestalte, das von Art. 2 Abs. 1 GG umfasste Recht der Vertragsfreiheit verletzen. Dem Schutzbereich der Norm unterfalle prinzipiell auch die Freiheit, den Inhalt von Vergütungsvereinbarungen bei der Inanspruchnahme von Leistungen mit der Gegenseite auszuhandeln. Allerdings gewährleiste Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Rechtsordnung. Zur verfassungsmäßigen Rechtsordnung in diesem Sinne gehörten alle formell und materiell im Einklang mit der Verfassung stehenden Rechtsnormen. Für eine Berufung auf die grundgesetzlich gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit sei daher kein Raum, soweit diese Freiheit durch ein ordnungsgemäß zustande gekommenes und inhaltlich verfassungsgemäßes Gesetz eingeschränkt sei. Dies sei durch die Vorschriften über die Entgeltregulierung von marktbeherrschenden Unternehmen, insbesondere die §§ 19 bis 23 PostG geschehen.

10

4. Der Beschwerdeführer beantragte die Zulassung der Berufung gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts und machte dabei neben dem Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auch den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend. Es fehle eine höchstrichterliche Klarstellung dahingehend, dass Postkunden ein subjektives Klagerecht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Postentgeltgenehmigungen gemäß §§ 19 ff. PostG zustehe, so dass eine Überprüfung aufgrund der Entgeltbestimmungen des Postgesetzes und der dazu ergangenen Verordnung erfolge.

11

5. In dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 19. März 2009 verband das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung und lehnte die Anträge auf Zulassung der Berufung ab.

12

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Urteile des Verwaltungsgerichts ergäben sich nicht daraus, dass dieses zwar die Klagebefugnis des Beschwerdeführers aus der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in Verbindung mit einer fehlenden Überprüfbarkeit behördlich genehmigter Entgelte durch die Zivilgerichte angenommen, eine tatsächliche Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG aber nicht bejaht habe.

13

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sei ebenfalls nicht gegeben. Angesichts des dargelegten Ausgangspunkts der fehlenden Verletzung des Beschwerdeführers in eigenen subjektiven Rechten werde eine über den Einzelfall hinausgehende, verallgemeinerungsfähige und der Rechtsfortbildung und/oder -vereinheitlichung dienende Frage tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht aufgezeigt. Bei diesem Ansatz sei das Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei höchstrichterlich zu klären, dass Postkunden ein Klagerecht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Entgeltgenehmigungen gemäß §§ 19 ff. PostG zustehe, nicht relevant. Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts beruhten auf einer individuellen Wertung der Entgeltgenehmigungen in Bezug auf den Beschwerdeführer.

14

6. Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde weiterhin angegriffenen Beschluss vom 23. Juni 2009 wies das Oberverwaltungsgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers gegen den Beschluss vom 19. März 2009 zurück.

III.

15

1. Mit seiner am 22. Juli 2009 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Justizgewährungsanspruchs aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Daneben macht er eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und des Art. 103 Abs. 1 GG geltend.

16

Das Oberverwaltungsgericht habe § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise falsch angewendet und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt. Für die Entscheidung sei eine klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage entscheidungserheblich gewesen, die sich in einer Vielzahl weiterer Fälle stellen könne und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühre.

17

Das Oberverwaltungsgericht setze sich mit seinem Beschluss diametral in Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. Juni 2007 (I ZR 125/04, NVwZ-RR 2008, S. 154). Nach dessen Auffassung führe die Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts über die Entgeltfestsetzung dazu, dass eine zivilrechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entgeltfestsetzung nicht möglich sei. Es sei, so der Bundesgerichtshof, mit Art. 19 Abs. 4 GG allerdings nicht zu vereinbaren, wenn dem Kunden bei staatlich regulierten Entgelten sowohl eine verwaltungsrechtliche als auch eine zivilrechtliche Überprüfung ihrer materiellen Rechtmäßigkeit versagt wäre.

18

Im Ergebnis verweigere das Oberverwaltungsgericht die vom Bundesgerichtshof aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes hergeleitete materielle Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entgeltgenehmigung. Vom Bundesverwaltungsgericht sei die Frage bislang ersichtlich nicht entschieden worden.

19

2. Die Beigeladene des Ausgangsverfahrens meint, die Verfassungsbeschwerde müsse schon deshalb ohne Erfolg bleiben, weil der Beschwerdeführer den Antrag auf Zulassung der Berufung nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend begründet habe. In der Begründung des Berufungszulassungsantrags fänden sich weder Ausführungen dazu, ob und inwieweit sich die Frage unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lasse, noch werde die Frage der Klärungsbedürftigkeit erschöpfend begründet. Das Oberverwaltungsgericht habe den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO im Übrigen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgelegt.

20

3. a) Dem Land Nordrhein-Westfalen und der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

21

b) Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des unter anderem für das Postrecht zuständigen 6. Revisionssenats übermittelt, in der dieser Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Nichtzulassungsentscheidung äußert. Die vom Oberverwaltungsgericht gebilligte Rechtsauffassung der Vorinstanz führe dazu, dass die privatrechtsgestaltende Wirkung einer Entgeltgenehmigung für den Drittanfechtungskläger dann keine Rechtskreiserweiterung gegenüber eventuell ohnehin bestehenden subjektiven Rechten aus einfachem Recht bewirke, wenn das Regulierungsregime für den Bereich des Postwesens und der Telekommunikation eingreife. Dieser Rechtsstandpunkt sehe sich allerdings dem Einwand ausgesetzt, dass es (jedenfalls) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren wäre, wenn dem Kunden bei staatlich regulierten Entgelten nicht nur eine zivilrechtliche Kontrolle, sondern auch eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung ihrer materiellen Rechtmäßigkeit versagt bliebe; dies lasse an der Richtigkeit der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts immerhin zweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Davon abgesehen dürfte die in Rede stehende Begrenzung der subjektiven Rechte des Vertragspartners des regulierten Unternehmens im Anwendungsbereich sowohl des § 23 Abs. 2 PostG als auch des § 37 Abs. 2 TKG weit über den entschiedenen Fall hinaus Bedeutung erlangen, was eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nahegelegt hätte.

IV.

22

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG angezeigt (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat, wie sich aus der nachfolgenden Begründung ergibt, die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Berufungszulassung im Verwaltungsprozess bereits hinlänglich geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist im Hinblick auf die Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 19. März 2009 zulässig und offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Mit der Aufhebung dieses Beschlusses wird der Beschluss vom 23. Juni 2009 gegenstandslos.

23

1. Unzulässig ist allerdings die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, da sie nicht näher begründet worden ist.

24

2. Zulässig ist hingegen die jedenfalls der Sache nach geltend gemachte Rüge einer Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Insbesondere hat der Beschwerdeführer in Bezug auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), dessen willkürliche Anwendung er ausschließlich rügt, den Rechtsweg ordnungsgemäß erschöpft.

25

Das Oberverwaltungsgericht beanstandet nicht, dass der Beschwerdeführer den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt hätte. Dafür ist auch nichts erkennbar.

26

Zwar beschränkt sich der Beschwerdeführer insoweit in der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung auf die Forderung nach einer "höchstrichterlichen Klarstellung dahingehend, dass Postkunden ein subjektives Klagerecht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Postentgeltgenehmigungen gemäß §§ 19 ff. PostG zusteht und dass eine Überprüfung aufgrund der Entgeltbestimmungen des Postgesetzes und der dazu ergangenen Verordnung erfolgt". Doch dürfen diese Ausführungen nicht isoliert betrachtet werden. Das verfassungsrechtliche Gebot, den Rechtsweg nicht in unzumutbarer Weise zu erschweren (ausführlich unten 3 b), zwingt die Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe bei der Prüfung der Zulassungsgründe dazu, den Vortrag des jeweiligen Antragstellers angemessen zu würdigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>). Infolgedessen müssen auch die eingehenderen Ausführungen des Beschwerdeführers zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in die Betrachtung mit einbezogen werden. Bereits in diesen hatte der Beschwerdeführer - jedenfalls der Sache nach - darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht sich noch nicht mit der Frage, ob dem Postkunden ein Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung nach § 22 Abs. 2, Abs. 3 PostG zusteht, beschäftigt hat. Schon hiermit hatte der Beschwerdeführer eine konkrete, seiner Auffassung nach noch nicht geklärte Rechtsfrage aufgeworfen, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts offensichtlich von Bedeutung war. Bei seinen Ausführungen zum Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO griff er dies offensichtlich lediglich noch einmal auf und verwies zudem in diesem Zusammenhang auf die Auffassung des Bundesgerichtshofs, dass die Genehmigung der - hier in Rede stehenden - Postentgelte auch von Kunden angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - I ZR 125/04 -, NVwZ-RR 2008, S. 154 <156 [Rn. 27 ff.]>).

27

Dass die Frage über den entschiedenen Fall hinaus Bedeutung hat, liegt auf der Hand. Sogar der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen im Ausgangsverfahren hält es für wünschenswert, "dass die damit zusammenhängenden Rechtsfragen auch Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung werden, um sie so einer endgültigen Klärung zuzuführen" (vgl. Gerstner/Lünenbürger, DVBl 2009, S. 1458 <1465>). Angesichts dessen bedurfte es im vorliegenden Fall keines ausdrücklichen Hinweises auf die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Rechtssache.

28

3. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 19. März 2009 verletzt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Das Oberverwaltungsgericht hätte zur Klärung der Frage, ob ein Postkunde einen Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung nach § 22 Abs. 2, Abs. 3 PostG hat, die Berufung zulassen müssen, da er das Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ohne Verfassungsverstoß nicht verneinen konnte.

29

a) Die vom Beschwerdeführer insofern in erster Linie auf den allgemeinen Justizgewährungsanspruch gestützte Rüge bezieht sich der Sache nach auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, der für den Bereich des Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt - wie die im Ausgangsverfahren angefochtenen Entgeltgenehmigungen - speziellen Regelung (vgl. BVerfGE 107, 395 <403>).

30

b) Wenn prozessrechtliche Vorschriften Rechtsbehelfe vorsehen, verbietet die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG den Gerichten eine Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften, die die Beschreitung des Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschweren (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>; 78, 88 <99>; 84, 366 <369 f.>; 104, 220 <232>). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten. Deshalb dürfen insbesondere die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können (vgl. BVerfGK 5, 369 <373>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, S. 1163 <1164>) und dadurch die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leer läuft (vgl. BVerfGK 5, 369 <374>; 10, 208 <213>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. Januar 2009 - 1 BvR 2524/06 -, NVwZ 2009, S. 515 <516>). Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegungen der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise ebenso für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGK 10, 208 <213>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. Januar 2009, a.a.O.). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine den Zugang zur Berufung und damit in einem nächsten Schritt auch zur Revision erschwerende Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen, sich damit als objektiv willkürlich erweist und dadurch den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642).

31

c) Das Oberverwaltungsgericht hat den Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in sachlich nicht vertretbarer Weise angewandt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt. Es hätte der Rechtssache bei der gebotenen Berücksichtigung dieses Grundrechts grundsätzliche Bedeutung beimessen müssen.

32

Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder Fortbildung des Rechts geboten erscheint; der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>).

33

Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob ein Postkunde einen Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung nach § 22 Abs. 2, Abs. 3 PostG hat, erfüllt diese Voraussetzungen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit ihr noch nicht beschäftigt. Der Bundesgerichtshof hat sie - anders als das Verwaltungsgericht, jedoch ohne Bindung für dieses - bejaht. Der Hinweis des Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss über die Anhörungsrüge vom 23. Juni 2009, das Urteil des Bundesgerichtshofs enthalte keine Ausführungen zu den Zulässigkeits- und Begründetheitserfordernissen verwaltungsgerichtlicher Klagen, verkennt, dass sich angesichts des Standpunkts des Bundesgerichtshofs, der im Übrigen ersichtlich davon ausgeht, dass der Postkunde nicht nur klagebefugt ist, sondern auch und vor allem einen Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit hat (vgl. Urteil vom 14. Juni 2007 - I ZR 125/04 -, NVwZ-RR 2008, S. 154 <156>), die Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit verengt hat.

34

In der zur Zeit der angegriffenen Entscheidungen vorhandenen Literatur wurde die Frage auch unterschiedlich beantwortet (vgl. Lübbig, in: Beck'scher PostG-Kommentar, 2. Auflage 2004, § 22 Rn. 65 ff. einerseits, Gramlich, CR 2000, S. 816 <823> andererseits; siehe neuerdings auch Gerstner/Lünenbürger, DVBl 2009, S. 1458 ff.; Ruffert, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, 2010, § 11 Rn. 74 mit Fn. 144; vgl. ferner Mayen, MMR 2000, S. 117 ff. zur telekommunikationsrechtlichen Entgeltregulierung).

35

Die Zuerkennung der Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO durch die Verwaltungsgerichte ist für den Postkunden ohne Wert, wenn im Rahmen der Begründetheit der Klage ausschließlich darauf abgestellt wird, dass selbst bei Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts eine Verletzung in eigenen Rechten ausscheidet. Mit seinem Standpunkt stellt das Oberverwaltungsgericht den Beschwerdeführer, was die obergerichtliche und in einem sich dann möglicherweise anschließenden Revisionsverfahren höchstrichterliche Klärung der aufgeworfenen Frage betrifft, praktisch rechtsschutzlos, da der Bundesgerichtshof insofern die Verwaltungsgerichte am Zuge sieht, bei diesen aber die Berufungszulassung verweigert wird.

36

Die Begründung des Oberverwaltungsgerichts dafür, dass der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht vorliegen soll, ist nicht vertretbar. Der Beschwerdeführer wollte offensichtlich geklärt wissen, ob ein Kunde der Beigeladenen einen Anspruch auf eine inhaltliche Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung hat. Das Oberverwaltungsgericht geht hingegen von der von ihm im Rahmen des Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO angenommenen "fehlenden Verletzung des Klägers in eigenen subjektiven Rechten" sowie der "individuellen Wertung der Entgeltgenehmigungen in Bezug auf den Kläger" aus. Dass sich der Beschwerdeführer von anderen Kunden der Beigeladenen unterscheiden soll, behauptet das Oberverwaltungsgericht indes nicht und ist auch nicht ersichtlich. Auch die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts (sowie des Verwaltungsgerichts) zur (angeblich) fehlenden Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten gehen nicht vom Einzelfall aus, sondern beanspruchen ersichtlich Geltung für alle Postkunden und hätten deshalb einer grundsätzlichen Klärung bedurft.

37

4. Da die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses bereits auf der Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG wegen der Nichtzulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruht, bedarf es keiner Entscheidung, ob das Oberverwaltungsgericht mit der - vom Beschwerdeführer ohnehin nicht ausdrücklich gerügten - Verneinung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Urteile (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ebenfalls die Garantie effektiven Rechtsschutzes verletzt hat.

38

5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

39

Die Festsetzung des Gegenstandswerts erfolgt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>). Der Wert von - hier wegen der drei Ausgangsverfahren dreimal - 8.000 € entspricht demjenigen, der in der Regel festgesetzt wird, wenn einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben wird. Er erscheint auch hier angemessen. Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weisen hier Besonderheiten auf, die eine Abweichung veranlassen würden. Eine Festsetzung, die am Streitwert des Ausgangsverfahrens orientiert ist, ist nicht angezeigt, denn mit der stattgebenden Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ist keine Vorwegnahme der nach Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht zu treffenden Entscheidung verbunden.

40

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 25. November 2005 - 8 A 1951/01 - teilweise abgeändert:

Der Bescheid des Beklagten vom 20.11.2000 (Bescheid-Nr.: ###) und der Widerspruchsbescheid vom 03. Juli 2001 werden insoweit aufgehoben, als der darin festgesetzte Straßenbaubeitrag für die Baumaßnahme Ausbau der X-Straße einen Betrag von 18.492,82 DM übersteigt.

Der Kläger trägt unter Einbeziehung der bisherigen Kostenentscheidungen beider Instanzen die Kosten des gesamten Verfahrens zu drei Vierteln, der Beklagte zu einem Viertel.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Kostenschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des jeweiligen Kostengläubigers abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Kostenschuldner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Straßenbaubeitragsbescheid des Beklagten für den Ausbau der X-Straße in Rostock.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Hausgrundstücks in der X-Straße ... in Rostock (Gemarkung ..., Flur ..., Flurstück ...) mit einer Größe von 3.981 qm. Eine Teilfläche des Grundstücks von

3

ca. 530 qm mit rechteckigem Zuschnitt liegt direkt an der X-Straße. Darauf befindet sich das Wohnhaus des Klägers nebst einem Garagenkomplex. Daran schließt sich ein etwa 45 m langes und ca. 3 m breites Verbindungsstück zum hinteren, als Garten genutzten Grundstücksteil an. Dieser Garten verläuft bei einer Breite von ca. 26 m bis 10,5 m keilförmig und auf seiner gesamten Länge von etwa 195 m parallel zur - von der X-Straße rechtwinklig abzweigenden - Y-Straße und Z-Straße in Richtung der Warnow. Das Grundstück endet der X-Straße gegenüberliegend am zwischen der Z-Straße und der Y-Straße verlaufenden A-Weg. Der A-Weg zwischen Z-Straße und Y-Straße ist dem öffentlichen Verkehr gewidmet, stellt sich als sonstige öffentliche Straße im Sinne von § 4 Nr. 3 Straßen- und Wegegesetz MV dar und befindet sich in Straßenbaulastträgerschaft der Hansestadt Rostock. Der A-Weg hat eine durchschnittliche Breite von 1,80 m bis 2,20 m. Er ist befestigt (Pflaster bzw. Gehwegplatten) und beleuchtet. Der hintere Teil des Grundstücks des Klägers mit einer Fläche von ca. 750 qm ist an einen Dritten verpachtet. Für die weiteren Einzelheiten der Grundstückssituation wird auf die erst- und zweitinstanzlich vom Gericht gefertigten Lichtbilder und die zur Gerichtsakte gereichten Flurkarten verwiesen.

4

Der Beklagte ließ im Jahre 1998/1999 die X-Straße mit ihren Teileinrichtungen Fahrbahn, Gehweg, Straßenentwässerung, Bushaltebuchten, Straßenbegleitgrün, Beleuchtung, Parkflächen und kombiniertem Geh- und Radweg ausbauen. Die Bauarbeiten wurden im Frühjahr 1999 beendet, Schlussrechnungen der am Bau beteiligten Unternehmen gingen bis Juli 1999 beim Beklagten ein. Am 20. Juni 2000 beschloss der Hauptausschuss der Bürgerschaft der Hansestadt Rostock zur Abrechnung der Ausbaumaßnahmen eine Abschnittsbildung, nach der die X-Straße im Abschnitt zwischen der G.-Straße und der K.-Straße gesondert abzurechnen sei.

5

Mit Bescheid Nr. ... vom 20. November 2000 zog der Beklagte den Kläger für die Ausbaumaßnahmen zu einem Beitrag von DM 22.785,47 heran. Ein Nachlass wegen Mehrfacherschließung wurde dabei nicht berücksichtigt.

6

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03. Juli 2001, dem Kläger am 09. Juli 2001 zugestellt, zurück. Nach § 6 Abs. 3 der Satzung der Hansestadt Rostock über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenbaubeitragssatzung - SBS) vom 24. Juli 2000 sei bei Grundstücken, die - wie das klägerische Grundstück - mit ihrer gesamten Fläche im unbeplanten Innenbereich lägen, die tatsächliche Fläche des Buchgrundstückes anzusetzen.

7

Dagegen hat der Kläger am 09. August 2001 Klage erhoben.

8

Zu deren Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, der Beklagte habe seine Beitragsberechnung nicht auf § 6 Abs. 3 SBS 2000, sondern auf § 6 Abs. 4 Satz 1, 5 SBS 2000 stützen müssen, da nicht die gesamte Fläche seines Grundstücks im Innenbereich liege, sondern lediglich eine Teilfläche von 820 qm, während die Restfläche von 3.161 qm als Außenbereich im Innenbereich zu qualifizieren sei. Daraus resultiere ein Ausbaubeitrag von lediglich DM 5.389,17.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 20.11.2000 - Bescheid-Nr. ... - und den Widerspruchsbescheid vom 03.07.2001 aufzuheben, soweit damit ein Beitrag von mehr als DM 5.389,17 festgesetzt wurde.

11

Der Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Auffassung vertreten, das Grundstück des Klägers bilde keine Außenbereichsinsel im unbeplanten Innenbereich.

14

Mit dem angegriffenen Urteil vom 25. November 2005 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Heranziehungsbescheid finde seine Rechtsgrundlage in den §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 1 KAG (a.F.) i.V.m. § 1 Satz 1 SBS 2000. Entgegen der Auffassung des Klägers habe der Beklagte bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands der Ausbaumaßnahme die Fläche des klägerischen Grundstücks zutreffend gewichtet. Soweit er dafür die Regelung des § 6 Abs. 3 SBS 2000 angewandt habe, stoße dies nicht auf rechtliche Bedenken. Anders als der Kläger meine, liege sein Grundstück mit der gesamten Fläche innerhalb des unbeplanten Innenbereichs. Das Urteil ist dem Kläger am 20. Dezember 2005 zugestellt worden.

15

Am 20. Januar 2006 hat der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. November 2005 beantragt. Den Zulassungsantrag hat er mit am 20. Februar 2006 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz näher begründet und dabei seinen Zulassungsantrag dahingehend beschränkt, dass er den Straßenbaubeitragsbescheid nur insoweit anfechte, als er zu Unrecht auch für eine 750 qm große Teilfläche einen Straßenbaubeitrag in Höhe von DM 4.292,65 (EURO 2.194,80) enthalte. Mit Beschluss vom 11. August 2009 hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 25. November 2005 - 8 A 1951/01 - zugelassen, soweit mit dem Urteil die Klage gegen den Beitragsbescheid vom 20. November 2000 und den Widerspruchsbescheid vom 03. Juli 2001 hinsichtlich eines darin festgesetzten Straßenbaubeitrags von mehr als DM 18.492,82 (entspricht 9.455,23 EURO) abgewiesen worden sei, und hat im Übrigen das Zulassungsverfahren eingestellt. Der Zulassungsbeschluss wurde dem Kläger am 18. August 2009 zugestellt.

16

Mit am 17. September 2009 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger seine Berufung begründet. Er trägt im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die besondere Form des veranlagten Buchgrundstückes, d. h. die besondere Größe und Länge sowie die atypisch geschnittene Fläche, den Ausnahmecharakter dieses Buchgrundstückes gegenüber den Nachbargrundstücken, d. h. dessen relative Atypik, die Gartennutzung des hinteren Grundstücks teils im Umfang von 750 qm durch einen Dritten sowie die weitere Erschließung am hinteren Grundstücksende durch den A-Weg, nicht berücksichtigt.

17

Hinsichtlich des A-Weges beruft sich der Kläger auf die Regelung des § 6 Abs. 10 SBS 2000. Er macht insoweit geltend, sein Grundstück liege in einem Ortsgebiet mit der in von dieser Vorschrift geforderten Qualität. Es sei nicht nur von der ausgebauten X-Straße aus erschlossen, sondern zusätzlich auch von dem am hinteren Grundstücksende angrenzenden A-Weg. Bei diesem handele es sich um einen Weg im Sinne des § 6 Abs. 10 SBS 2000, insbesondere um einen öffentlichen, befahrbaren Weg, der insoweit eine selbständige Erschließungsanlage darstelle. Damit lägen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 10 SBS 2000 vor. Der erhobene Straßenbaubeitrag hätte um ein Drittel reduziert werden müssen.

18

Der Kläger beantragt,

19

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 25.11.2005 den Beitragsbescheid vom 20.11.2000, Bescheid-Nr. ..., und den Widerspruchsbescheid vom 03. Juli 2001 insoweit aufzuheben, als darin ein Straßenbaubeitrag von mehr als 18.492,82 DM festgesetzt worden ist.

20

Der Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Der Beklagte tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und führt insbesondere aus, das betroffene Grundstück verfüge nicht über eine Zweiterschließung über den A-Weg, sondern sei lediglich über die X-Straße erschlossen. Der A-Weg bewirke keine insoweit gleichartige baurechtliche Erschließung des Grundstückes. Die im Zusammenhang mit der Bebaubarkeit eines Grundstücks gemäß §§ 30 ff. BauGB notwendige verkehrliche Erschließung erfordere, dass es über eine öffentliche Straße für Kraftfahrzeuge erreichbar sei, indem an das Grundstück herangefahren werden könne. Das sei in der Regel dann der Fall, wenn auf der Fahrbahn einer öffentlichen Straße bis zur Höhe des Grundstücks mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen gefahren und von da ab, gegebenenfalls über einen Gehweg, das Grundstück betreten werden könne. Das Heranfahren an ein Grundstück sei bei einer Straßenbreite von 1,80 m bis 2,20 m, wie sie der A-Weg aufweise, nicht möglich. Auch die ungenügende Befestigung des A-Weges mache ein Befahren mit Versorgungs- und Rettungsfahrzeugen unmöglich. Eine Erschließung durch den A-Weg sei vorliegend ausgeschlossen, da dieser hierfür nicht ausgelegt und in seiner Funktion nicht darauf ausgerichtet sei, eine Sekundärerschließung zu bewirken. Das führe dazu, dass dem Kläger auch die Vergünstigung einer Mehrfacherschließung nicht gewährt werden könne.

23

Der Senat hat durch den Berichterstatter am 01. Juni 2010 einen Ortstermin durchgeführt.

24

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsvorgänge, die Gerichtsakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg; das Verwaltungsgericht hat seine Klage jedenfalls im Umfang des Berufungsantrages zu Unrecht abgewiesen.

26

Die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen den Beitragsbescheid vom 20. November 2000 - Bescheid-Nr. ... - und den Widerspruchsbescheid vom 03. Juli 2001 ist jedenfalls hinsichtlich eines darin festgesetzten Straßenbaubeitrages von mehr als 18.492,82 DM (entspricht 9.455,23 EURO) begründet; der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist entsprechend abzuändern.

27

Rechtsgrundlage des angefochtenen Straßenbaubeitragsbescheides ist die Satzung der Hansestadt Rostock über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenbaubeitragssatzung) vom 24. Juli 2000 (nachfolgend: SBS 2000).

28

Hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Rechtsgrundlage bestehen zwar keine Bedenken. Die Rechtsanwendung in Gestalt des angefochtenen Bescheides ist jedoch rechtswidrig, weil bei der Berechnung des vom Kläger zu zahlenden Beitrages die Regelung des § 6 Abs. 10 Satz 1 SBS 2000 nicht zur Anwendung gelangt ist.

29

Gemäß § 6 Abs. 10 Satz 1 SBS 2000 wird bei Grundstücken in Wohngebieten im Sinne von §§ 2 bis 5 und 10 BauNVO sowie bei Wohngrundstücken in Gebieten nach § 6 BauNVO (Mischgebiete), die durch mehrere Straßen, Wege und Plätze erschlossen sind, der sich nach § 6 Abs. 1 bis 9 SBS 2000 ergebende Betrag nur zu zwei Dritteln (66,67 %) erhoben. Der verbleibende Anteil von einem Drittel (oder 33,33 %) wird nach § 6 Abs. 10 Satz 2 SBS 2000 von der Stadt getragen.

30

Bei dem Grundstück des Klägers handelt es sich um ein Grundstück im Sinne des § 6 Abs. 10 Satz1 SBS 2000. Es erweist sich zunächst ohne weiteres als ein Grundstück in Wohngebieten im Sinne von §§ 2 bis 5 und 10 BauNVO, hier jedenfalls § 4 BauNVO. Es ist zudem im Sinne von § 6 Abs. 10 Satz 1 SBS durch mehrere Straßen, Wege und Plätze erschlossen.

31

Eine solche - erste - Erschließung stellt zunächst zweifellos die von der abgerechneten Maßnahme betroffene X-Straße dar. Der an der der X-Straße gegenüberliegenden Seite des klägerischen Grundstücks zwischen der Z-Straße und der Y-Straße verlaufende A-Weg stellt zudem die erforderliche Mehrfacherschließung bzw. weitere Erschließung im Sinne der Bestimmung dar. Bei dem A-Weg handelt es sich zunächst unter Zugrundelegung der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 10.02.2009 - 1 M 117/08 -; Urt. v. 30.06.2004 - 1 L 189/01 -, juris) um eine selbständige Verkehrs- bzw. Erschließungsanlage und zugleich um eine Erschließungsanlage im Sinne von § 127 Abs. 2 Nr. 2 BauGB, also eine öffentliche, aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbare Verkehrsanlage innerhalb der Baugebiete in Gestalt eines Fußweges.

32

Entgegen der vom Beklagten vertretenen Rechtsauffassung ist für die Qualifizierung des A-Weges als weitere Erschließungsanlage im Sinne von § 6 Abs. 10 Satz 1 SBS 2000 nicht erforderlich, dass der A-Weg eine - im Verhältnis zur X-Straße gleichartige - baurechtliche Erschließung des Grundstückes des Klägers bewirkte bzw. - in diese Richtung ist das Vorbringen des Beklagten zu verstehen - als eine Erschließungsanlage im Sinne von § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB zu bewerten sein müsste, also als ein zum Anbau bestimmter öffentlicher Weg, der die an ihn angrenzenden Grundstücke nach Maßgabe der §§ 30 ff. BauGB bebaubar machte.

33

Dies ergibt sich maßgeblich aus einer systematischen Betrachtung des konkret anzuwendenden Ortsrechts in Gestalt der Straßenbaubeitragssatzung der Hansestadt Rostock. Diese bestimmt nämlich in ihrem § 1 Satz 1, dass zur teilweisen Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Aus- und Umbau, die Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, auch wenn sie nicht zum Anbau bestimmt sind, die Hansestadt Rostock nach Maßgabe dieser Satzung Beiträge von den Beitragspflichtigen gemäß § 2 erhebt, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen Vorteile erwachsen. In dieser für ihr Verständnis grundlegenden Bestimmung macht folglich die Satzung keinen Unterschied zwischen den zum Anbau bestimmten und den nicht zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen. Aus § 4 Abs. 5 SBS 2000 ergibt sich nichts Abweichendes, da diese Bestimmung lediglich eine Klassifizierung verschiedener Arten von Außenbereichsstraßen vornimmt.

34

Diese Sichtweise wird durch § 1 Satz 2 SBS 2000 unterstrichen: Diese Regelung bestimmt, dass zu den Einrichtungen auch Wohnwege gehören, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mit Kraftfahrzeugen befahren werden können, sowie Wirtschaftswege.

35

Die Regelungen in § 1 SBS 2000 stehen der Sichtweise des Beklagten entgegen, der zufolge eine Zweiterschließung über den A-Weg nur dann bejaht werden könnte, wenn diese eine baurechtliche Erschließung des Grundstückes bewirkte. Dass § 6 Abs. 10 Satz 1 SBS 2000 ein anderer Begriff der Straßen, Wege oder Plätze als in § 1 der Satzung zugrunde liegen könnte, ist nicht ersichtlich.

36

Auch wenn in § 6 Abs. 10 Satz 1 SBS 2000 ein "Erschlossensein" durch mehrere Straßen, Wege oder Plätze gefordert wird, folgt daraus keine andere Sichtweise, da es sich bei den Anlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 2 BauGB ebenfalls um Erschließungsanlagen handelt. Das Hineinlesen eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der Gleichartigkeit der weiteren Anlage im Verhältnis zur abgerechneten Anlage in dem Sinne, dass beide Anlagen gleichermaßen die Bebaubarkeit des betreffenden Grundstücks gewährleisten müssten, kommt auf der Grundlage des Ortsrechts folglich nicht in Betracht. Zudem ist zu bedenken, dass der straßenbaubeitragsrechtliche Vorteilsbegriff keine Anbaufunktion der in den Blick zu nehmenden Anlage voraussetzt; ausreichend ist vielmehr die einem Grundstück durch die Ausbaumaßnahme vermittelte verbesserte Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage (vgl. Holz, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: Mai 2010, § 8 Anm. 1.5.4.2). Hiervon ausgehend bezieht das Straßenbaubeitragsrecht jede rechtmäßige Grundstücksnutzung in den Vorteilsausgleich ein, also etwa auch Außenbereichsnutzungen bzw. Außenbereichsgrundstücke werden erfasst bzw. bevorteilt (OVG Greifswald, Beschl. v. 12.11.1999 - 1 M 103/99 -, NordÖR 2000, 310; Beschl. v. 15.09.1998 - 1 M 54/98 -, NordÖR 1999, 299 - jeweils zitiert nach juris; vgl. Holz, a.a.O.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 35 Rn. 16). Das Straßenbaubeitragsrecht differenziert anders als das Erschließungsbeitragsrecht für die Beteiligung eines Grundstücks an der Aufwandsverteilung vom Ansatz her nicht zwischen baulicher (und gewerblicher) Nutzbarkeit einerseits und sonstiger, z. B. landwirtschaftlicher (oder forstwirtschaftlicher) Nutzbarkeit andererseits (OVG Greifswald, Beschl. v. 12.11.1999 - 1 M 103/99 -, a.a.O.; Beschl. v. 15.09.1998 - 1 M 54/98 -, a.a.O.; vgl. zum Ganzen Beschl. v. 10.02.2009 - 1 M 117/08 -). Auch unter diesem Blickwinkel ergibt sich demnach nicht die Notwendigkeit, in § 6 Abs. 10 SBS 2000 ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal im vorstehenden Sinne hineinzulesen. Sollte die Hansestadt Rostock bei Regelung ihrer Straßenbaubeitragssatzung die Vorstellung gehabt haben, dass die Mehrfacherschließungsvergünstigung nur denjenigen Grundstücken vorbehalten bleiben solle, die mehrfach durch zum Anbau bestimmte - in diesem Sinne gleichartige - Erschließungsanlagen erschlossen werden, hat dies jedenfalls keinen hinreichenden Niederschlag im Wortlaut der Straßenbaubeitragssatzung gefunden.

37

Sinn und Zweck der Vergünstigung in Fällen der Mehrfacherschließung nach Maßgabe von § 6 Abs. 10 Satz 1 SBS 2000 stehen ebenfalls nicht dem Verständnis entgegen, beim A-Weg handele es sich um einen Weg im Sinne dieser Vorschrift, der - neben der X-Straße - zu einer Mehrfacherschließung des klägerischen Grundstücks führt. Der Regelung des § 6 Abs. 10 Satz 1 SBS 2000 liegt ersichtlich der Gedanke zugrunde, dass diejenigen Grundstückseigentümer, die wegen der mehrfachen Erschließung ihres Grundstücks entsprechend mehrfach zu Straßenbaubeiträgen herangezogen werden können, teilweise - zulasten der Stadt - entlastet werden sollen. Da § 1 SBS 2000 ausdrücklich vorsieht, dass gerade auch für Straßen, Wege und Plätze, die nicht zum Anbau bestimmt sind, zur teilweisen Deckung des beitragsfähigen Aufwandes Beiträge erhoben werden können, ist nicht ersichtlich, warum diese Zwecksetzung für eine Mehrfacherschließung durch solche Verkehrsanlagen nicht zur Anwendung der Regelung des § 6 Abs. 10 Satz 1 SBS 2000 führen können sollte. Denn grundsätzlich können die betroffenen Grundstückseigentümer auch für ihren Ausbau zu Ausbaubeiträgen herangezogen werden und insoweit "doppelt" belastet werden, wobei das Ausmaß der Belastung von den Umständen des Einzelfalles abhängt und nicht unbedingt niedriger wäre als bei einer Anbaustraße; eine Verwaltungspraxis dahingehend, dass Grundstückseigentümer für nicht zum Anbau bestimmte Anlagen nicht zu Ausbaubeiträgen herangezogen worden sind, vermag hieran nichts zu ändern.

38

In Anwendung des § 6 Abs. 10 Satz 1 SBS 2000 wäre folglich der mit dem streitgegenständlichen Beitragsbescheid erhobene Straßenbaubeitrag in Höhe von 22.785,47 DM um ein Drittel zu ermäßigen gewesen. Da der Senat an den vom Kläger gestellten Berufungsantrag gebunden ist (§129 VwGO) bzw. das klageabweisende Urteil im Umfang der Rücknahme des Zulassungsantrages rechtkräftig geworden ist, kommt jedoch nur eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Umfang der Antragstellung in Betracht; entsprechend sind der angefochtene Beitragsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid lediglich hinsichtlich eines darin festgesetzten Straßenbaubeitrags von mehr als 18.492,82 DM (entspricht 9.455,23 EURO) aufzuheben.

39

Auf die weiteren vom Kläger erstinstanzlich und im Berufungsverfahren angesprochenen Gesichtspunkte kommt es mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen nicht mehr an.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2, Abs. 1 (analog) VwGO und berücksichtigt im Verhältnis des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens insbesondere, dass der streitgegenständliche Bescheid schon erstinstanzlich von Beginn des Verfahrens an der Beitragshöhe nach nicht vollständig angegriffen worden ist.

41

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

42

Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 18. Juni 2008 (3 A 416/06) geändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über Straßenbaubeiträge für den Bau einer von der X.-Straße in der Gemeinde Y., Ortsteil B-Stadt abzweigenden Stichstraße. Die X.-Straße verläuft von der Verbindungsstraße zwischen Y. und A-Stadt abzweigend hufeisenförmig durch den Ortsteil B-Stadt auf die Verbindungsstraße zurück. Von der X.-Straße zweigt in ihrem südlichen Teil ein Verbindungsweg nach Z. ab (#-Straße), der mit Betonplatten befestigt ist. Daneben zweigt die Stichstraße ab. Sie ist ca. 90 m lang und erschließt fünf Grundstücke, die mit eingeschossigen Doppelhäusern bebaut sind. Die Grundstücke der Klägerin (Gemarkung B-Stadt, Flur 3, Flurstücke 11/1, 11/2 und 21) sind Anliegergrundstücke des hufeisenförmigen Hauptzuges der X.-Straße.

2

Die X.-Straße wurde in ihrem Hauptzug schon 1996 u.a. mit einer drei Meter breiten Fahrbahn mit überfahrbarem einseitigem Gehweg ausgebaut und sodann beitragsmäßig abgerechnet. Auch die Klägerin ist herangezogen worden. Der Ausbau der Stichstraße (Sackgasse) soll zum damaligen Zeitpunkt aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen sein (vgl. die „Beschreibung der Verkehrsanlage vor Durchführung der Baumaßnahme“). Nachdem auf dem Grundstück 6/1 die Wohngebäude (Doppelhäuser) errichtet worden waren, ließ der Beklagte auch die Sackgasse ausbauen. Die mit ungebundenem Schotter und teilweiser Schlacketragschicht befestigte, keine Oberflächenentwässerungsanlage aufweisende und nur mit einer einzigen Straßenlampe ausgestattete Stichstraße erhielt eine etwa 3 m breite Fahrbahn mit Pflasterdecke, eine Straßenentwässerung in Form einer Regenwasserleitung sowie 3 Straßenlaternen. Die letzte Unternehmerrechnung ging im Juni 2001 ein (Schlussrechnung der Firma ### GmbH A-Stadt vom 06. Juni 2001).

3

Der Beklagte zog die Klägerin für den Ausbau der Stichstraße auf der Grundlage der Satzung der Gemeinde Y. über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen und Wegen vom 11. Juni 2001 (SBS 01) in Verbindung mit der Ergänzungssatzung zur Straßenbaubeitragssatzung vom 17. September 2001 mit Bescheiden vom 14. Dezember 2005 zu Straßenausbaubeiträgen in Höhe von 217,93 Euro für das Flurstück 11/1 (Bescheid Nr. 05600014), 426,36 Euro für das Flurstück 11/2 (Bescheid Nr. 05600015) sowie 126,05 Euro für das Flurstück 21 (Bescheid Nr. 05600024) heran. Der Beklagte legte dabei der Beitragsberechnung die Einordnung der X.-Straße als „Innerortsstraße“ nach der Ergänzungssatzung vom 17. September 2001 und damit einen Anliegeranteil von 30 % zugrunde.

4

Die Widersprüche der Klägerin wies der Beklagte mit Bescheid vom 16. März 2006, zugestellt am 17. März 2006, zurück.

5

Die Klägerin hat am 05. April 2006 Klage vor dem Verwaltungsgericht Greifswald (3 A 416/06) erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, sie sei durch den Ausbau der Sackgasse nicht bevorteilt, weil ihre Grundstücke nicht dort anlägen. Die Sackgasse sei kein unselbständiges Anhängsel des Hauptzuges der X.-Straße, vor allem weil durch die Doppelhäuser eine Bebauungsmassierung anzunehmen sei. Außerdem sei die X.-Straße vor ihrem Ausbau im Jahre 2000 noch nicht endgültig hergestellt gewesen.

6

Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 18. Juni 2008, dem Beklagten zugestellt am 08. Juli 2008, aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die am Hauptzug der X.-Straße liegenden Grundstücke der Klägerin durch den Ausbau der Stichstraße nicht bevorteilt im Sinne des § 7 Abs. 1 KAG M-V seien. Sie lägen weder unmittelbar an der Stichstraße an noch seien sie als Hinterliegergrundstücke in die Aufwandsverteilung einzubeziehen. Denn entgegen der Auffassung des Beklagten bildeten der Hauptzug der X.-Straße und die Stichstraße keine einheitliche Anlage. Beide Straßen dienten unterschiedlichen Verkehrsfunktionen. Die Stichstraße sei eine Anliegerstraße, weil sie ausschließlich der Erschließung der angrenzenden Grundstücke diene. Demgegenüber sei der Hauptzug der X.-Straße als Innerortsstraße einzustufen. Dies folge nicht bereits aus ihrer entsprechenden Zuordnung in der Ergänzungssatzung der Gemeinde, die das Gericht nicht binde, sondern daraus, dass die X.-Straße neben dem Anliegerverkehr auch dem innerörtlichen Verkehr im Ortsteil B-Stadt diene und diesen der Verbindungsstraße zwischen Y. und A-Stadt zuführe. Außerdem nehme die X.-Straße – wenn auch nur in geringem Umfange – Durchgangsverkehr nach Z. auf. Darauf, ob die Sackgasse auch noch aus anderen Gründen, etwa aufgrund einer „Bebauungsmassierung“ als eingeständige Anlage anzusehen sei, komme es danach nicht mehr an. Schließlich komme es auch nicht mehr darauf an, ob die Stichstraße ungeachtet ihres Erscheinungsbildes deshalb hätte eigenständig nach dem Erschließungsbeitragsrecht abgerechnet werden müssen, weil sie vor Durchführung der hier in Rede stehende Ausbaumaßnahme – anders als der Hauptzug der X.-Straße – noch nicht endgültig hergestellt gewesen sei.

7

Der Senat hat auf den Antrag des Beklagten (Eingang bei dem Verwaltungsgericht Greifswald am 07. August 2008) die Berufung mit Beschluss vom 30. April 2009, zugestellt am 06. Mai 2009, zugelassen. Der Beklagte hat die Berufung mit bei dem Oberverwaltungsgericht am 08. Juni 2009 (Montag) eingegangenem Schriftsatz unter Stellung eines Berufungsantrages begründet. Er trägt im Wesentlichen vor, die X.-Straße sei, anders als das Verwaltungsgericht dies sehe, keine Innerortsstraße. Sie sei eine durch ein Wohngebiet verlaufende Straße, die ausschließlich der Aufnahme des Ziel- und Quellverkehrs der angrenzenden Grundstücke nebst der Stichstraße diene. Sie sei eine Einbahnstraße, an der weder Gewerbebetriebe noch sonstige öffentliche Einrichtungen anlägen. Die X.-Straße nehme auch keinen Durchgangsverkehr nach Z. auf. Im weiteren Verlauf der #-Straße finde rechtmäßig nur landwirtschaftlicher Verkehr statt. Der Weg sei nur für diesen Verkehr freigegeben, im Übrigen sei die Durchfahrt verboten. Daher sei die Stichstraße ein sogenanntes unselbständiges Anhängsel der X.-Straße. Die Anliegerstraßen der Gemeinde seien am 03. Oktober 1990 überwiegend mit ungebundenem Schotter befestigt gewesen, insbesondere die abzweigenden Stichstraßen.

8

Der Beklagte hat beantragt,

9

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 18. Juni 2008 die Klage abzuweisen.

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

die Berufung zurückzuweisen.

12

Sie tritt dem Vorbringen des Beklagten entgegen und verteidigt die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Sie ist der Auffassung, an dem Hauptzug der X.-Straße lägen verschiedene Gewerbebetriebe an, die an der Stichstraße vorzufindende Wohnbebauung stelle eine die Einordnung der Stichstraße als selbständige Anlage rechtfertigende „Bebauungsmassierung“ dar, bei der Bewertung der Selbständigkeit der Stichstraße müsse auch das Verhältnis ihrer Länge zur Länge des Hauptzuges der X.-Straße betrachtet werden und ihr Ausbau sei seinerzeit bei der Sanierung der X.-Straße nicht als Gesamtmaßnahme geplant gewesen. Ferner sei die Stichstraße erstmals hergestellt worden, denn eine Befestigung mit ungebundenem Schotter habe in der Gemeinde nicht den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprochen; Gemeindestraßen seien überwiegend mit Betonplatten oder Kopfsteinpflaster befestigt gewesen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten nebst den dazu vorgelegten Verwaltungsvorgängen (Beiakte I) verwiesen.

Entscheidungsgründe

14

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Beitragsbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin zu Unrecht stattgegeben und die Bescheide aufgehoben.

15

Die Berufung ist mit Beschluss des Senats vom 30. April 2009, zugestellt am 06. Mai 2009, zugelassen worden. Die Berufungsbegründung ist fristgemäß am Montag, dem 08. Juni 2009 beim Oberverwaltungsgericht eingegangen. Ein Berufungsantrag ist gestellt. Die Gründe der Anfechtung sind im Einzelnen angeführt (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschl. vom 02.06.2005 - 10 B 4.05 -, juris).

16

Die Berufung ist begründet. Die Klage der Klägerin ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide vom 14. Dezember 2005 sind rechtmäßig. Sie finden in der Straßenbaubeitragssatzung von 2001 ihre nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Satzungsgrundlage.

17

Die Frage der Wirksamkeit dieser Satzung ist beteiligtenseitig weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren problematisiert worden. Auch das Verwaltungsgericht ist von ihrer Wirksamkeit ausgegangen. Offensichtliche Fehler drängen sich auch dem Senat nicht auf. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte war eine intensive Vollüberprüfung der Satzung nicht veranlasst.

18

Der Beklagte hat die Klägerin in Anwendung dieser Satzung zu Recht für den Ausbau der Stichstraße herangezogen. Die Stichstraße bildet zusammen mit dem Hauptzug der X.-Straße eine einheitliche Anlage im Sinne des Straßenbaubeitragsrechts. Durch den Ausbau der Stichstraße wird daher auch den Grundstücken der Klägerin (anliegend am Hauptzug der X.-Straße) eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit (§ 4 SBS 01) eröffnet. Mit Eingang der letzten Unternehmerrechnung (Schlussrechnung) der ### GmbH A-Stadt im Juni 2001 sind die sachlichen Beitragspflichten für die gesamte Anlage entstanden. Die Klägerin konnte daher – wie geschehen – noch mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 veranlagt werden.

19

Die Stichstraße bildet zusammen mit dem Hauptzug der X.-Straße eine einheitliche Anlage.

20

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Ausdehnung der Anlage ist der erschließungsbeitragsrechtliche Anlagenbegriff (vgl. zuletzt Beschl. des Senats vom 10.02.2009 - 1 M 117/08 -, juris, Rn. 17). Daraus folgt, dass ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht für die Beantwortung der Frage, was beitragsfähige Anlage im Sinne von § 8 Abs. 1 KAG M-V ist, grundsätzlich darauf abzustellen ist, was sich bei natürlicher Betrachtungsweise aus der Sicht eines objektiven Betrachters als „gesamte Verkehrsanlage“ darstellt. Die Beurteilung richtet sich dabei nach dem Erscheinungsbild der Straße, wie es sich in seinem Gesamteindruck, geprägt durch die tatsächlichen Verhältnisse etwa in Gestalt von Straßenführung, -länge und -ausstattung, einem objektiven bzw. einem unbefangenen Beobachter vermittelt. Für die Fallgruppe der Stichstraße (Sackgasse) ist in diesem Zusammenhang in der Rechtsprechung der Grundsatz entwickelt worden, dass eine öffentliche, für das Befahren mit Kraftfahrzeugen aller Art vorgesehene Sackgasse in der Regel als selbständig zu qualifizieren ist, wenn sie entweder länger als 100 m ist oder vor Erreichen dieser Länge (mehr oder weniger) rechtswinklig abknickt oder sich verzweigt. Eine Stichstraße ist aber nicht ohne Weiteres schon deshalb als unselbständig zu qualifizieren, weil sie – bei geradem Verlauf – lediglich eine Länge von 75 m aufweist. Werden im allgemeinen Wohngebiet auf der überwiegenden Länge einer solchen Stichstraße etwa zu beiden Seiten zwei- bis dreigeschossige Gebäude in geschlossener Bauweise errichtet und dient die Straße zusätzlich der Erschließung einer an ihrem Wendehammer anschließenden drei- bis viergeschossigen Bebauung, so muss sie wegen dieser „Bebauungsmassierung“ als selbständig angesehen werden (BVerwG, Urt. v. 23.06.1995 - 8 C 30.93 -, BVerwGE 99, 23, 26 m.w.N.; Urt. v. 26.09.2001 - 11 C 16.00 -, NVwZ 2002, 607). Nach diesen Maßstäben spricht hier die Länge der Stichstraße von unstreitig ca. 90 m, ihr gerader und nicht abknickender Verlauf und vor allem auch ihre Ausstattung mit einer nur etwa 3 m breiten Fahrbahn ohne Gehwege für eine Unselbständigkeit der Stichstraße. Gerade der Breite einer Sackgasse kommt für die Frage ihrer Selbständigkeit bzw. Unselbständigkeit Bedeutung zu, weil Zufahrten, die hinterliegende Grundstücke an die Erschließungsanlage anbinden, typischerweise – wie hier – nicht breiter sind als die eigentliche Anbaustraße, die regelmäßig den durchgehenden Verkehr aufzunehmen hat (vgl. BayVGH, Urt. v. 31.08.2006 - 6 B 01.119 -, juris, Rn. 17).

21

Der Annahme der Unselbständigkeit der hier streitigen Stichstraße steht die im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflichten vorzufindende Bebauung an der Stichstraße – anders als von dem Verwaltungsgericht angedeutet – nicht entgegen. In der Rechtsprechung sind zur Selbständigkeit einer Sackgasse führende Fälle einer „Bebauungsmassierung“ neben dem o.g. Fall zwei- bis dreigeschossiger Gebäude in geschlossener Bauweise angenommen worden bei Errichtung von jeweils 8 m breiten Reihenhäusern an beiden Seiten einer etwa 80 m tiefen Sackgasse (siehe auch hierzu BVerwGE 99, 26), oder etwa einer fast die gesamte Länge des Straßenteilstücks einnehmenden vierstöckigen Bebauung mit einem Studentenwohnheim (VG Koblenz, Urt. v. 03.04.2006 - 4 K 1095/05.Ko -, juris, Rn. 23). Damit ist der hier zur Entscheidung anstehende Fall nicht vergleichbar. Weder sind die neuen Wohngebäude auf der südwestlichen Seite des Stichweges in geschlossener Bauweise errichtet (keine „Reihenhäuser“ – wie das Verwaltungsgericht meint –, sondern Doppelhäuser) noch sind sie höher als eingeschossig bebaut. Die Bebauung entspricht vielmehr der Intensität nach dem auch in der Nachbarschaft vorzufindenden Bestand. Eine Massierung von Bebauung entlang der Stichstraße kann nicht festgestellt werden.

22

Eine abweichende Bewertung ist vorliegend auch nicht aufgrund etwaiger unterschiedlicher Verkehrsfunktionen von Hauptzug (X.-Straße) und Stichstraße erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 10.02.2009 - 1 M 117/08 -, juris, Rn. 26 f.) ist eine rechtliche Korrektur des Ergebnisses der Anlagenbestimmung bei natürlicher Betrachtungsweise erforderlich, wenn Hauptzug und Sackgasse wegen unterschiedlicher Verkehrsfunktionen differenzierte Gemeindeanteile zuzuordnen sind. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass den Anliegern von Hauptstraße und Sackgasse nur die ihnen jeweils durch das Ortsrecht zugedachte Vorteilsquote zugerechnet wird. Dann bilden Hauptstraße und Sackgasse straßenbaubeitragsrechtlich grundsätzlich zwei selbständige Anlagen, auch wenn es sich bei natürlicher Betrachtungsweise um lediglich eine Anlage handeln würde. Vorliegend ist der Hauptzug der X.-Straße – ebenso wie die Sackgasse – als Anliegerstraße anzusehen:

23

Ausgangspunkt der Betrachtung ist § 3 Abs. 5 Nr. 1 und 2 SBS 01. Danach sind Anliegerstraßen solche Straßen, die ausschließlich oder überwiegend der Erschließung der angrenzenden oder durch private Zuwegung mit ihnen verbundenen Grundstücke dienen, und Innerortsstraße solche Straßen und Wege (hauptsächlich Bundes-, Landes-, und Kreisstraßen), die weder überwiegend der Erschließung von Grundstücken noch überwiegend dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienen. Hier ist der Hauptzug der X.-Straße als Anliegerstraße zu bewerten. Dafür spricht, dass von der X.-Straße außer der Straße nach Z. keine weiteren Straßen abzweigen, deren Verkehr die X.-Straße als „Innerortsstraße“ aufnehmen und anderen Straßen zuleiten könnte. Die Straße nach Z. hat eine Betonspurbahn für den landwirtschaftlichen Verkehr und ist daher nicht zur Abwicklung von Durchgangsverkehr von Z. nach B-Stadt, der über die X.-Straße abgeleitet werden müsste, vorgesehen; dem entspricht auch die verkehrsrechtliche Ausschilderung im weiteren Verlauf. Der Verkehr von und zu den am Hauptzug der X.-Straße gelegenen Grundstücken ist als Anliegerverkehr zu bewerten, dies gilt auch für den Ziel- und Quellverkehr der an der X.-Straße liegenden Gewerbegrundstücke (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 34, Rn. 32). Der Verkehr, der von den an der #-Straße anliegenden Wohngrundstücken verursacht und über die X.-Straße abgeleitet wird, ist zwar mit Blick auf die X.-Straße kein Anliegerverkehr, vermag den auf der X.-Straße liegenden, von den dortigen Grundstücken verursachten Anliegerverkehr jedoch aufgrund der relativ geringen Zahl der Wohngrundstücke nicht i.S.v. § 3 Abs. 5 Nr. 2 SBS 01 zu überwiegen.

24

Allein für sich entscheidend für die Einordnung der X.-Straße als Anliegerstraße ist aber schon, dass die X.-Straße mit einer Fahrbahn von nur drei Metern Breite ausgestattet worden ist. Eine derart schmale Fahrbahn ist von vornherein nicht geeignet, die Aufgabe einer Innerortsstraße zu erfüllen. Sie kann daher unabhängig von einer etwaigen tatsächlichen Inanspruchnahme durch landwirtschaftliche Fahrzeuge und Geräte, wie von Klägerseite vorgetragen, auch nicht als „Innerortsstraße“ im satzungsrechtlichen Sinne angesehen werden. Der Senat hat bereits entschieden (s. Beschl. v. 09.07.2007 - 1 M 40/07 -, juris, Rn. 15), dass eine Straße, die mit einer weniger als fünf Meter breiten Fahrbahn ausgestattet ist, nicht den an eine Innerortsstraße zu stellenden Anforderungen genügen kann und vielmehr im Gegenteil ein Merkmal erfüllt, das typischerweise bei Anliegerstraßen anzutreffen ist (so auch OVG Lüneburg, 11.11.1986 - 9 A 25/86 -, KStZ 1987, 136 f. und die bisherige Rechtsprechung des Senates, vgl. Beschl. vom 07.07.2003 - 1 M 67/03 -). Begegnungsverkehr von Lastkraftwagen und/oder Bussen sei bei einer derart geringen Fahrbahnbreite nur unter erheblich erhöhter Vorsicht und verlangsamter Geschwindigkeit und nur mit Ausweichmanövern möglich. Bei einer Ausbaubreite von nur drei Metern gilt dies schon für den Pkw-Verkehr, ohne dass es darauf ankäme, dass der Gehweg im vorliegenden Falle überfahrbar ausgebaut ist (siehe hierzu auch die „Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen“, Ausgabe 1985, erg. 1995 (EAE 85/95), der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen).

25

Wenn danach der Hauptzug der X.-Straße als „Anliegerstraße“ i.S.v. § 3 Abs. 5 Nr. 1 SBS 01 anzusehen ist, so ändert sich daran auch nicht deshalb etwas, weil die X.-Straße nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 der Ergänzungssatzung zur SBS 01 als „Innerortsstraße“ eingestuft ist. Zwar ist eine Satzungsbestimmung als materielles Recht grundsätzlich auch für die Verwaltungsgerichte verbindlich, soweit sie mit höherrangigem Recht in Einklang steht und gültig ist. Hier ist jedoch die Einordnung der X.-Straße als „Innerortsstraße“ bereits selbst vom Satzungsgeber nicht als verbindliche Bestimmung ausgestaltet. Dies folgt aus § 2 Abs. 2 Satz 3 der Ergänzungssatzung, wonach es sich „bei der vorangestellten Zuordnung der Straßen nur um eine prognostische Beurteilung handele“; maßgeblich seien die Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht (§ 2 Abs. 2 Satz 1 der Ergänzungssatzung). Die Zuordnung zu einem bestimmten Straßentyp mit entsprechenden Gemeindeanteilen am beitragsfähigen Aufwand (vgl. § 3 Abs. 2 SBS 01) stellt sich bei einer solchen Satzungsformulierung gerade nicht als zwingend, sondern höchstens als „Richtschnur“ für die zu einem späteren Zeitpunkt im Einzelfall vorzunehmende Einordnung dar. Sie kann daher der nach der Verkehrsfunktion und dem Ausbauzustand vorzunehmenden Zuordnung (hier: „Anliegerstraße“) nicht als entgegenstehende Regelung widersprechen.

26

Selbst wenn aber aufgrund der Zuordnung in der Ergänzungssatzung die X.-Straße als „Innerortsstraße“ zu betrachten sein sollte, ergäbe sich daraus für die hier allein interessierende Frage etwaiger unterschiedlicher Verkehrsfunktionen von Stichstraße und Hauptzug keine unterschiedliche Einordnung beider Anlagenteile. Es spricht nichts dafür, dass sich die Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 9 der Ergänzungssatzung lediglich auf den Hauptzug der X.-Straße beziehen sollte und nicht auch auf die Stichstraße, die bei natürlicher Betrachtungsweise deren unselbständiges Anhängsel ist.

27

Die Klägerin macht des Weiteren geltend, bei dem Ausbau der Stichstraße habe es sich um deren erstmalige Herstellung gehandelt. Die Befestigung mit ungebundenem Schotter und teilweiser Schlacketragschicht habe nicht den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprochen. Straßenausbaubeiträge hätten damit für den Ausbau der Sackgasse nicht erhoben werden dürfen.

28

Diese Ansicht geht schon im Ansatz unrichtigerweise darüber hinweg, dass auch bei der Frage, ob die Anlage schon vor dem Wirksamwerden des Beitritts hergestellt gewesen ist und damit ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden kann (§ 242 Abs. 9 BauGB), zunächst die Ausdehnung der Anlage geklärt werden muss. Darauf, dass die Sackgasse womöglich zu dem genannten Zeitpunkt (Oktober 1990) noch nicht hergestellt war, kann es nur ankommen, wenn sie als selbständige Anlage anzusehen war. Das ist jedoch nicht der Fall, weil die Sackgasse 1990, d.h. ohne die neuere Bebauung mit Doppelhäusern, erst recht ein unselbständiges Anhängsel des Hauptzuges der X.-Straße gewesen ist. Sollte die Stichstraße 1990 tatsächlich noch nicht einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellt gewesen sein (vgl. § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB), so wäre folglich die gesamte X.-Straße noch nicht insgesamt fertig gestellt gewesen. Dann wären spätere Baumaßnahmen an dieser Straße insgesamt nach erschließungsbeitragsrechtlichen Regeln abzurechnen, auch wenn sich die Baumaßnahmen als solche nicht auf die gesamte Länge der Verkehrsanlage beziehen (vgl. Driehaus, aaO., § 2 Rn. 48).

29

Nach dieser Betrachtung ist entweder die X.-Straße im Oktober 1990 mit ihrem Ausbau als Betonplattenbahn bzgl. des Hauptzuges und der Befestigung mit Schotter im Bereich der Sackgasse den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertig gestellt gewesen mit der Folge einer Abrechnung weiterer Baumaßnahmen allein nach Straßenbaubeitragsrecht. Oder sie war noch nicht insgesamt fertig gestellt, weil die Befestigung allein mit Schotter im Bereich der Stichstraße den Ausbaugepflogenheiten nicht entsprach mit der Folge, dass der weitere Ausbau der Stichstraße nunmehr allein nach Erschließungsbeitragsrecht hätte abgerechnet werden dürfen. Aufgrund des dann geringeren Gemeindeanteils hätten die Anlieger im letzten Falle zu höheren (Erschließungs-)Beiträgen herangezogen werden müssen. Die mit den angefochtenen Bescheiden geltend gemachte Straßenausbaubeitragsforderung wäre demnach als teilweise geltend gemachte Erschließungsbeitragsforderung (vgl. die Satzung der Gemeinde Y. über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen v. 03.11.1997; vgl. zur Rechtmäßigkeit einer in einem Straßenausbaubeitragsbescheid liegenden Erschließungsbeitragsforderung Driehaus, a.a.O., § 2 Rn. 64 f.) gerechtfertigt gewesen.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

31

Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 21. August 2008 - 3 B 344/08 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.531,93 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit zweier Beitragsbescheide vom 19. November 2007 über die Festsetzung des Straßenbaubeitrages für den Ausbau der D...straße in L... - Ortsteil Ne... - in Höhe von 3.342,27 EUR und 6.785,45 EUR.

2

Der Antragsteller ist u.a. Eigentümer des Grundstücks/Flurstücks .../... der Flur ... und des Grundstücks/Flurstücks ... der Flur ..., jeweils belegen in der Gemarkung Ne... . Bei beiden Grundstücken handelt es sich um im Außenbereich belegenes Ackerland. Die D...straße verläuft im Umfang der Ausbaumaßnahme von insgesamt etwa gut 1.000 m beginnend im Westen zunächst im Innenbereich, um dann in östlicher Richtung im Bereich der Grundstücke des Antragstellers für etwa 150 m durch den Außenbereich und anschließend wieder durch eine Innenbereichslage zu führen.

3

Die Antragsgegnerin ging im Rahmen ihrer Beitragsfestsetzung davon aus, dass es sich bei der D...straße im ausgebauten Bereich nicht um eine einzige Anlage im straßenbaubeitragsrechtlichen Sinne handelt, sondern diese vielmehr in drei selbständig abzurechnende Anlagen zerfällt (Anlage 1 als Innenbereichsanlage, Anlage 2 als Außenbereichsanlage und Anlage drei als Innenbereichsanlage, wobei die Abgrenzung der beiden Innenbereichslagen nach Maßgabe der Grenzziehung der Klarstellungs- und Ergänzungssatzung der Gemeinde L... - Ortsteil Ne... - in zwei Teilbereichen bzw. der entsprechenden, bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Karte <"Abgrenzung Innen- u. Außenbereich - Grundlage für Anlagenbestimmung"> erfolgte). An die Anlage 2 grenzen nördlich und südlich - ausschließlich - die beiden von der streitgegenständlichen Beitragserhebung betroffenen Grundstücke an; weitere Grundstücke anderer Anlieger sind in diesem Anlagenbereich nicht vorhanden.

4

Grundlage der Beitragserhebung war - neben den einschlägigen Bestimmungen des KAG M-V - die Satzung der Gemeinde L... über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenbaubeitragssatzung - nachfolgend: SBS) vom 20. Januar 2004 i.d.F. der 1.Änderungssatzung vom 06. Juli 2006. § 3 SBS (Beitragsfähiger Aufwand und Vorteilsregelung) enthält in seinem Absatz 2 insbesondere eine tabellarische Festlegung der Anteile der Beitragspflichtigen am beitragsfähigen Aufwand, insbesondere differenziert nach Anliegerstraße (z.B. für die Fahrbahn 75 %), Innerortsstraße (z.B. für die Fahrbahn 50 %) und Hauptverkehrsstraße (z.B. für die Fahrbahn 25 %); diese drei Straßenarten werden in § 3 Abs. 5 SBS näher definiert.

5

Die Bestimmung des § 3 Abs. 3 SBS lautet wie folgt:

6

Straßen und Wege, die nicht zum Anbau bestimmt sind (Außenbereichsstraßen),

7

a) die überwiegend der Bewirtschaftung von Feld- und Waldgrundstücken dienen und keine Gemeindeverbindungsfunktion haben (Wirtschaftswege), werden den Anliegerstraßen gleichgestellt,

8

b) die überwiegend der Verbindung von Ortsteilen und anderen Verkehrswegen innerhalb des Gemeindegebietes dienen (§ 3 Nr. 3 b zweite und dritte Alternative StrWG M-V), werden den Innerortsstraßen gleichgestellt,

9

c) die überwiegend dem nachbarlichen Verkehr der Gemeinden dienen (§ 3 Nr. 3 b erste Alternative StrWG M-V), werden den Hauptverkehrsstraßen gleichgestellt.

10

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 hat der Antragsteller gegen die beiden Beitragsbescheide vom 19. November 2007 Widerspruch eingelegt und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Jeweils mit Zwischenbescheid vom 11. Februar 2008 hat die Antragsgegnerin u.a. dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung "nicht zugestimmt".

11

Daraufhin hat der Antragsteller am 10. März 2008 beim Verwaltungsgericht Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt.

12

Das Verwaltungsgericht hat diesem Antrag stattgegeben und zur Begründung mit ausführlicher Erläuterung ausgeführt, die Antragsgegnerin habe das Abrechnungsgebiet fehlerhaft gebildet, indem sie die D...straße in drei Anlagen aufgeteilt habe. Nach Maßgabe der natürlichen Betrachtungsweise handele es sich bei der D...straße in Ne... nach dem Prüfungsmaßstab des Eilverfahrens um eine einheitliche Anlage. Etwa anderes folge auch entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht aus der Identität des straßenbaubeitragsrechtlichen und des erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriffs.

II.

13

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den ihr am 02. September 2008 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts, die mit dem am 16. September 2008 eingegangenen Schriftsatz fristgemäß (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eingelegt und mit dem am 02. Oktober 2008 eingegangenen Schriftsatz ebenso fristgerecht (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) begründet worden ist, hat keinen Erfolg.

14

In Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt.

15

Das Beschwerdevorbringen vermag die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die beiden Beitragsbescheide vom 19. November 2007 (Nr. ..... und .....) anzuordnen, nicht in Frage zu stellen. Deren Rechtmäßigkeit erweist sich vielmehr aus den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts dazu, dass es sich bei der D...straße in Ne... im Umfang ihres Ausbaus um eine einheitliche Anlage handele, nach dem Maßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens als ernstlich zweifelhaft (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO); zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die entsprechenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

16

Die Antragsgegnerin leitet aus der Identität des straßenbaubeitragsrechtlichen und des erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriffs zu Unrecht ab, dass es sich bei den drei in Rede stehenden Teilstrecken der ausgebauten D...straße beitragsrechtlich um drei Anlagen handele, und interpretiert die einschlägige Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern insoweit unzutreffend.

17

Wie auch das Verwaltungsgericht weist die Beschwerdeführerin zunächst richtigerweise darauf hin, dass der Begriff der Anlage im Sinne von § 8 Abs. 1 KAG M-V in Mecklenburg-Vorpommern grundsätzlich identisch ist mit dem erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriff. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern und insbesondere des Senats, an der festzuhalten ist (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 03.06.1996 - 6 M 20/95 -, DVBl. 1997, 501; Beschl. v. 15.09.1998 - 1 M 54/98 -, NVwZ-RR 1999, 397; Beschl. v. 18.10.2001 - 1 M 52/01 -, NVwZ-RR 2002, 304; Urt. v. 30.06.2004 - 1 L 189/01 -, LKV, 2005, 75 - jeweils zitiert nach juris; Beschl. v. 23.03.2007 - 1 M 157/06 -).

18

Daraus folgt nach Maßgabe dieser Rechtsprechung, dass ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht für die Beantwortung der Frage, was beitragsfähige Anlage im Sinne von § 8 Abs. 1 KAG M-V ist, grundsätzlich darauf abzustellen ist, was sich bei natürlicher Betrachtungsweise aus der Sicht eines objektiven Betrachters als "gesamte Verkehrsanlage" darstellt. Die Beurteilung richtet sich dabei nach dem Erscheinungsbild der Straße, wie es sich in seinem Gesamteindruck, geprägt durch die tatsächlichen Verhältnisse etwa in Gestalt von Straßenführung, -länge, -ausstattung, einem objektiven bzw. unbefangenen Beobachter vermittelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.1996 - 8 C 17.94 -, BVerwGE 101, 12, zitiert nach juris; OVG Greifswald, Urt. v. 30.06.2004 - 1 L 189/01 -, juris; Beschl. v. 23.03.2007 - 1 M 157/06 -; vgl. auch Holz, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: Mai 2008, § 8 Anm. 1.1.3). Der Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise gilt jedoch in dem Sinne nicht ausnahmslos, dass unter verschiedenen rechtlichen Blickwinkeln, wie sie auch vom Verwaltungsgericht benannt worden sind, das Ergebnis der natürlichen Betrachtungsweise einer Korrektur, Einschränkung bzw. entsprechenden Anpassung bedarf.

19

Diese Maßgeblichkeit der natürlichen Betrachtungsweise stellt die wesentliche Schlussfolgerung aus der grundsätzlichen Identität des straßenbaubeitragsrechtlichen und des erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriffs dar. Mit anderen Worten: Die "Identität" besteht darin, dass grundsätzlich für beide Rechtsgebiete die natürliche Betrachtungsweise als maßgebliches rechtliche Kriterium zugrunde zu legen ist, um zu klären, was sich im Einzelfall als die "gesamte Verkehrsanlage" im Sinne des § 8 Abs. 1 KAG M-V darstellt.

20

Anders als die Antragsgegnerin meint, ist damit demgegenüber nicht gesagt, dass mit der Beantwortung der Frage, ob - in Betrachtung derselben Straße und unabhängig davon, ob überhaupt Erschließungsbeitragsrecht Anwendung findet - eine oder mehrere Anlagen im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts anzunehmen sind, zwingend zugleich die entsprechende straßenbaubeitragsrechtliche Problemstellung - parallel bzw. deckungsgleich - gelöst wäre. Eine derartige "Bindung des Straßenbaubeitragsrecht an das Erschließungsbeitragsrecht" im Sinne des Beschwerdevorbringens ist zu verneinen.

21

Im rechtlich "unkorrigierten" Ergebnis der parallelen Anwendung der natürlichen Betrachtungsweise gelangt man zwar zwangsläufig tatsächlich zu übereinstimmenden Antworten. Diese Antwort kann jedoch nach Maßgabe der für beide Rechtsgebiete bestehenden rechtlichen Besonderheiten im Einzelfall eine spezifische Anpassung mit der Folge erfordern, dass eine Anlage je nach dem, ob Erschließungs- oder Straßenbaubeitragsrecht Anwendung findet, in ihrer Ausdehnung unterschiedlich definiert sein kann. Dies hat der Senat auch in seinem Beschluss vom 13. November 2003 - 1 M 170/03 - (DÖV 2004, 709 - zitiert nach juris) unterstrichen und ausgeführt, dass das Abstellen auf die natürliche Betrachtungsweise lediglich die Regel darstellt und Raum für eine abweichende Beurteilung im Einzelfall bietet. Aus § 242 Abs. 9 BauGB folgt nichts anderes.

22

Im vorliegenden Zusammenhang ist insoweit die für eine Erschließungsanlage grundsätzlich begriffsnotwendige Anbaufunktion (vgl. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) von besonderem Interesse.

23

Abgesehen von dem Fall, dass eine beidseitig nicht zum Anbau bestimmte (mittlere) Teilstrecke den Eindruck der Unselbständigkeit vermittelt und im Verhältnis zu der Verkehrsanlage insgesamt von lediglich untergeordneter Bedeutung ist, verliert eine zum Anbau bestimmte Teilstrecke einer einheitlichen öffentlichen Verkehrsanlage vom Übergang in eine beidseitig nicht zum Anbau bestimmte Teilstrecke an ihre Qualität als erschließungsbeitragsfähige Anbaustraße. Erschließungsbeitragsrechtlich kann eine von der natürlichen Betrachtungsweise abweichende Beurteilung mit Rücksicht auf das Merkmal "zum Anbau bestimmt" geboten sein und dazu führen, dass eine bei natürlicher Betrachtungsweise einheitliche Straße in erschließungsbeitragsrechtlich unterschiedlich zu beurteilende Einzelanlagen zerfällt. Das ist etwa der Fall, wenn eine nach den tatsächlichen Verhältnissen einheitliche Straße zunächst im unbeplanten Innenbereich und sodann durch unbebaubares (bzw. nur nach Maßgabe des § 35 BauGB bebaubares) Gelände des Außenbereichs verläuft. Denn eine Straße ist nur "zum Anbau bestimmt" im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, wenn und soweit an sie angebaut werden darf, d.h. wenn und soweit sie die an sie angrenzenden Grundstücke nach Maßgabe der §§ 30 ff. BauGB bebaubar (oder sonstwie in nach §133 Abs. 1 BauGB beachtlicher Weise nutzbar) macht. Folglich endet die Anbaubestimmung einer Straße und damit ihre Eigenschaft als beitragsfähige Erschließungsanlage u.a., wenn sie nicht nur für eine unter dem Blickwinkel des Erschließungsbeitragsrechts nicht ins Gewicht fallende Teilstrecke in den Außenbereich einmündet; sie endet überdies dann, wenn sie mit einer solchen Teilstrecke durch ein aufgrund entsprechender Festsetzung beidseitig der Bebauung entzogenes Bebauungsplangebiet verläuft (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 06.12.1996 - 8 C 32.95 -, BVerwGE 102, 294 = NVwZ 1998, 69 - zitiert nach juris). Mit anderen Worten: Straßen im Außenbereich sind nicht zum Anbau bestimmt. Deshalb kann eine Straße im Außenbereich weder als solche noch als Verlängerung einer Straße, die bereits im Innenbereich liegt, eine zum Anbau bestimmte Erschließungsanlage im Sinne des §127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB sein. Das gilt auch für Straßen in bebauten Bereichen des Außenbereichs, für die eine Gemeinde eine Satzung nach § 35 Abs. 6 BauGB erlassen hat (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 13.11.2003 - 1 M 170/03 -, DÖV 2004, 709 - zitiert nach juris). Eine derartige Sachlage - ein Teil einer Verkehrsanlage war eine Anbaustraße, für die die Abrechnung nach Erschließungsbeitragsrecht in Betracht kam, ein anderer Teil verlief im Außenbereich und wäre dem Straßenbaubeitragsrecht unterfallen - war Gegenstand des vorgenannten Senatsbeschlusses.

24

Anders als im Erschließungsbeitragsrecht kann - worauf das Verwaltungsgericht im Ansatz zutreffend hingewiesen hat - anknüpfend an den teilweise bzw. insbesondere insoweit abweichenden dort geltenden Vorteilsbegriff auch eine Außenbereichsstraße als Anlage nach Straßenbaubeitragsrecht abrechnungsfähig sein. Der straßenbaubeitragsrechtliche Vorteilsbegriff setzt keine Anbaufunktion der in den Blick zu nehmenden Anlage voraus; ausreichend ist vielmehr die einem Grundstück durch die Ausbaumaßnahme vermittelte verbesserte Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage (vgl. Holz, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: Mai 2008, § 8 Anm. 1.5.4.2). Hiervon ausgehend bezieht das Straßenbaubeitragsrecht jede rechtmäßige Grundstücksnutzung in den Vorteilsausgleich ein, also auch Außenbereichsnutzungen bzw. Außenbereichsgrundstücke werden erfasst bzw. bevorteilt (OVG Greifswald, Beschl. v. 12.11.1999 - 1 M 103/99 -, NordÖR 2000, 310; Beschl. v. 15.09.1998 - 1 M 54/98 -, NordÖR 1999, 299 - jeweils zitiert nach juris; vgl. Holz, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: Mai 2008, § 8 Anm. 1.5.4.2; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 35 Rn. 16). Das Straßenbaubeitragsrecht differenziert anders als das Erschließungsbeitragsrecht für die Beteiligung eines Grundstücks an der Aufwandsverteilung vom Ansatz her nicht zwischen baulicher (und gewerblicher) Nutzbarkeit einerseits und landwirtschaftlicher (oder forstwirtschaftlicher) Nutzbarkeit andererseits (OVG Greifswald, Beschl. v. 12.11.1999 - 1 M 103/99 -, a.a.O.; Beschl. v. 15.09.1998 - 1 M 54/98 -, a.a.O.).

25

Insbesondere aus dieser unterschiedlichen Behandlung von Außenbereichsgrundstücken im Erschließungsbeitragsrecht einerseits und im Straßenbaubeitragsrecht andererseits folgt ohne Weiteres, dass mit der Beantwortung der Frage, ob - in Betrachtung derselben Straße und unabhängig davon, ob überhaupt Erschließungsbeitragsrecht Anwendung findet - eine oder mehrere Anlagen im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts anzunehmen sind, nicht zugleich zwingend die entsprechende straßenbaubeitragsrechtliche Problemstellung - parallel bzw. deckungsgleich - gelöst wäre. Ist es - wie dargestellt - im Erschließungsbeitragsrecht aus Rechtsgründen im Falle des Übergangs einer nach natürlicher Betrachtungsweise einheitlichen Anlage vom Innenbereich in den Außenbereich grundsätzlich notwendig, die abzurechnende Anlage an der Bereichsgrenze enden zu lassen, besteht eine solche Notwendigkeit im Straßenbaubeitragsrecht gerade nicht in gleicher Weise. Entsprechend hat der Senat in einem Fall, in dem Streitgegenstand ein Straßenbaubeitrag war, für den "gesamten Straßenzug", bestehend aus einer Innerortsstraße und einer Außenbereichsstraße, die Frage einer Abschnittsbildung erörtert, was denklogisch ausgeschlossen gewesen wäre, wenn dort automatisch schon der Übergang von der Innerorts- zur Außenbereichsstraße zur Annahme zweier selbständiger Anlagen geführt hätte (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 13.12.2004 - 1 M 277/04 -, juris; vgl. auch Beschl. v. 15.09.1998 - 1 M 54/98 -, NordÖR 1999, 299 - zitiert nach juris). Nichts anderes lässt sich hierzu dem Senatsbeschluss vom 13. November 2003 - 1 M 170/03 - (DÖV 2004, 709 - zitiert nach juris) entnehmen. Dieser betraf - wie gesagt - gerade den Fall, dass eine erschließungsbeitragsrechtlich zu behandelnde Anlage vom Innen- in den Außenbereich überging.

26

Neben den Unterschieden, die sich im Erschließungsbeitragsrecht einerseits und dem Straßenbaubeitragsrecht andererseits hinsichtlich der Ausdehnung der Anlage in der Behandlung von Außenbereichsstraßen ergeben, gibt es auch straßenbaubeitragsrechtliche Besonderheiten, die eine rechtliche Korrektur des Ergebnisses der natürlichen Betrachtungsweise erfordern, die wiederum erschließungsbeitragsrechtlich nicht notwendig wäre.

27

Eine solche Sachlage ist z. B. in der Regel gegeben, wenn eine "Hauptstraße" in Gestalt einer überwiegend dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienenden Verkehrsanlage und eine hiervon abzweigende - nach natürlicher Betrachtungsweise - unselbständige Sackgasse wegen ihrer unterschiedlichen Verkehrsfunktionen verschiedenen Straßenarten mit in der Höhe differenzierten Gemeindeanteilen zuzuordnen sind. Während die Sackgasse erschließungsbeitragsrechtlich zusammen mit der Hauptstraße als eine Anlage zu betrachten ist, weil es im Erschließungsbeitragsrecht ohne rechtliche Relevanz ist, ob Hauptstraße und Sackgasse überwiegend dem Durchgangs- oder Anliegerverkehr dienen, muss straßenbaubeitragsrechtlich der mit einer unterschiedlichen Straßenfunktion verbundene unterschiedlich hohe Gemeindeanteil bei der Bestimmung der Anlage Berücksichtigung finden. Nur so kann gewährleistet werden, dass den Anliegern von Hauptstraße und Sackgasse nur die ihnen jeweils durch das Ortsrecht zugedachte Vorteilsquote zugerechnet werden kann. Hauptstraße und Sackgasse im vorstehenden Sinne bilden deshalb straßenbaubeitragsrechtlich grundsätzlich zwei selbständige Anlagen, selbst dann, wenn es sich bei natürlicher Betrachtungsweise um lediglich eine Anlage handeln würde.

28

Sieht das Ortsrecht auch einen bestimmten Gemeindeanteil für eine Außenbereichsstraße vor, kann sich daraus infolgedessen ergeben, dass eine nach natürlicher Betrachtungsweise einheitliche Anlage in Gestalt eine Straße, die vom Innen- in den Außenbereich übergeht, aus Rechtsgründen in zwei Anlagen unterfällt. Dies ist jedoch im konkreten Einzelfall dann nicht der Fall, wenn der Gemeindeanteil in beiden Bereichen gleich hoch ist.

29

Auch wenn - anders als das Verwaltungsgericht meint - § 3 Abs. 3 SBS insoweit den Typus der Außenbereichsstraßen dahingehend definiert, dass es sich um Straßen und Wege handelt, die nicht zum Anbau bestimmt sind, und hieran anknüpfend drei Kategorien derselben bildet, denen ihrerseits durch die Regelungstechnik der Gleichsetzung die unterschiedlichen Gemeindeanteile für Anlieger-, Innerorts- und Hauptverkehrsstraße gemäß § 3 Abs. 2 SBS zugeordnet werden, führt dies deshalb nicht zu der Schlussfolgerung, die Bewertung der D...straße als eine einheitliche Anlage durch das Verwaltungsgericht sei rechtsfehlerhaft. Denn wie sich insbesondere den Unterlagen zur "Ermittlung des umlagefähigen Aufwandes u. Verteilung auf die Grundstücke" (6.3 der Verwaltungsvorgänge) entnehmen lässt, hat die Antragsgegnerin für alle drei von ihr angenommenen Anlagen den gleichen kommunalen Anteil (Innerortsstraße bzw. dieser gleichgestellt) zugrundegelegt. In diesem Fall ist eine Abweichung vom Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise nicht geboten bzw. unzulässig.

30

Da im Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt ist, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt, erübrigen sich Ausführungen zu der vom Verwaltungsgericht - im Hinblick darauf, dass ein weiterer Ausbau der D...straße zur Insel G... offenbar gar nicht geplant ist, nicht ohne weiteres nachvollziehbar - aufgeworfenen Frage der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht. Wenn sich der technische Ausbau der Anlage nicht auf ihre gesamte Länge erstrecken soll, könnte sich bei fehlender Abschnittsbildung vielmehr die Frage stellen, ob der Ausbauaufwand auch auf sämtliche Anlieger der Gesamtanlage umgelegt worden ist.

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

32

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3, 47 GKG, wobei der streitige Abgabenbetrag nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Eilverfahren zu vierteln ist.

33

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, unterliegen der Beitragspflicht, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen. Die Gemeinde gibt bekannt, welche Grundstücke nach Satz 2 der Beitragspflicht unterliegen; die Bekanntmachung hat keine rechtsbegründende Wirkung.

(2) Die Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen, für Teilbeträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch die Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind. Im Falle des § 128 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 entsteht die Beitragspflicht mit der Übernahme durch die Gemeinde.

(3) Für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, können Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird oder wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen worden ist und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. Die Vorausleistung ist mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht beitragspflichtig ist. Ist die Beitragspflicht sechs Jahre nach Erlass des Vorausleistungsbescheids noch nicht entstanden, kann die Vorausleistung zurückverlangt werden, wenn die Erschließungsanlage bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benutzbar ist. Der Rückzahlungsanspruch ist ab Erhebung der Vorausleistung mit 2 vom Hundert über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jährlich zu verzinsen. Die Gemeinde kann Bestimmungen über die Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen vor Entstehung der Beitragspflicht treffen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.