Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Mai 2014 - 6 A 10048/14

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2014:0520.6A10048.14.0A
bei uns veröffentlicht am20.05.2014

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Als Eigentümer der Grundstücke Flur …, Parzellen … und …, in der Gemarkung N… wendet sich der Kläger gegen den Abrechnungsbescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2008 „über die einmaligen Beiträge für den Ausbau der F-Straße (Abschnitt außerhalb des Sanierungsgebietes)“. Mit diesem Bescheid forderte die Beklagte vom Kläger einen Erstattungsbetrag von 2.566,12 €. In dieser Höhe hatte die Beklagte den vom Kläger aufgrund der mittlerweile bestandskräftigen Heranziehungsbescheide vom 29. Dezember 1997 und vom 8. Juli 1998 beglichenen Ausbaubeitrag teilweise an diesen zurückgezahlt. Die Rückzahlung stand im Zusammenhang mit einem im Jahr 2000 zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleich, den das Verwaltungsgericht Koblenz in dem im Verfahren 4 L 757/08.KO ergangenen Beschluss und in dem angefochtenen Urteil als nichtig angesehen hat.

2

Hinsichtlich des seinem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalts im Übrigen nimmt der Senat gemäß § 130 b Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug, dessen tatsächliche Feststellungen er sich in vollem Umfang zu Eigen macht.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage sowohl gegen die Heranziehungsbescheide vom 29. Dezember 1997 und vom 8. Juli 1998 sowie den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid als auch gegen den Abrechnungsbescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2008 abgewiesen. Nur hinsichtlich dieses Abrechnungsbescheids hat der Senat die Berufung des Klägers zugelassen.

4

Zu deren Begründung trägt er vor, der mit dem Abrechnungsbescheid von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsanspruch sei mit dem 31. Dezember 2005 verjährt. Die Zahlungsverjährungsfrist habe mit Ablauf des Jahres 2000 zu laufen begonnen, weil der Erstattungsanspruch aufgrund der rechtsgrundlosen Teilrückzahlung im Jahr 2000 entstanden sei. Anders als das Verwaltungsgericht angenommen habe, komme es nicht darauf an, ob den Beteiligten die Nichtigkeit des abgeschlossenen Vergleichs und damit die Rechtsgrundlosigkeit der Teilrückzahlung bekannt gewesen sei. Gehe man des Weiteren davon aus, dass der Abrechnungsbescheid vom 1. Oktober 2008 eine Aufhebung der mit dem im Jahr 2000 abgeschlossenen Vergleich einhergehenden Teilaufhebung der Heranziehungsbescheide vom 29. Dezember 1997 und vom 8. Juli 1998 darstelle, sei insoweit Festsetzungsverjährung eingetreten.

5

Der Kläger beantragt,

6

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Abrechnungsbescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2008 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

8

die Berufung zurückzuweisen.

9

Sie ist der Auffassung, die Zahlungsverjährung sei nicht eingetreten. Dem Vergleichsvertrag könne entnommen werden, dass die Teilrückzahlung seitens der Beklagten nur vorläufig erfolge und eine Schlussabrechnung zu Erstattungsforderungen führen könne. Die Teilrückzahlung stelle in der Sache eine Vollziehungsaussetzung und gleichzeitig einen Rückforderungsvorbehalt dar. Darin liege eine die Zahlungsverjährung unterbrechende Geltendmachung des Erstattungsanspruchs.

10

Die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen und den vorgelegten Verwaltungs- und Widerspruchsvorgängen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

11

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Aufgrund der eingeschränkten Berufungszulassung ist (lediglich) der Abrechnungsbescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2008 Gegenstand des Berufungsverfahrens. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen diesen Abrechnungsbescheid im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn er ist rechtmäßig und verletzt demgemäß den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

12

Mit dem Abrechnungsbescheid vom 1. Oktober 2008 macht die Beklagte einen Erstattungsanspruch geltend, der entstanden und noch nicht verjährt ist, da die Zahlungsverjährungsfrist mit der im Jahre 2000 erfolgten Teilrückzahlung unterbrochen wurde (1.). Unabhängig davon kann dieser Abrechnungsbescheid auf einen Teilbeitragsbescheid umgestellt werden, der nicht zu beanstanden ist. Auch insoweit ist wegen Unterbrechung der Verjährungsfrist keine Zahlungsverjährung eingetreten (2.). Nach dem Ende der Unterbrechung begann eine neue Zahlungsverjährungsfrist zu laufen, die der Abrechnungsbescheid vom 1. Oktober 2008 wahrt (3.).

13

1. Der Erstattungsanspruch der Beklagten auf Zahlung von 2.566,12 € beruht auf § 3 Abs. 1 Nr. 2 Kommunalabgabengesetz - KAG - i.V.m. § 37 Abs. 2 Abgabenordnung - AO -. Er ist auf die Rückgewähr einer Leistung gerichtet, die aufgrund eines nichtigen öffentlich-rechtlichen Vertrages bewirkt wurde. Denn die Beklagte erbrachte die Teilrückzahlung des gegenüber dem Kläger festgesetzten Ausbaubeitrags aufgrund eines nichtigen Vergleichs mit dem Kläger und damit rechtsgrundlos. Dass der im Jahre 2000 abgeschlossene Vergleichsvertrag nichtig war, hat das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss im Verfahren 4 L 757/08.KO zutreffend ausgeführt. Der Anspruch, den die Beklagte mit dem Abrechnungsbescheid geltend macht, ist im Jahre 2000 fällig geworden (a). Die Zahlungsverjährungsfrist wurde jedoch gleichzeitig unterbrochen (b).

14

a) Dieser Erstattungsanspruch, der keiner vorherigen Festsetzung bedurfte, wurde nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 KAG i.V.m. § 220 Abs. 2 Satz 1 AO mit seiner Entstehung fällig, also bereits mit der rechtsgrundlosen Leistung (BFH, VII B 199/12, BFH/NV 2013, 1378, juris; BFH, VII R 136/95, DStRE 1997, 267, juris). Die Fälligkeit eines solchen Erstattungsanspruchs tritt also nicht erst mit der Kenntnis der Beteiligten von der Nichtigkeit oder deren gerichtlicher Feststellung ein. Damit begann die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 KAG i.V.m. § 228 Satz 2 AO) mit Ablauf des Jahres 2000, in dem der nichtige Vergleich vom 21. März 2000 zwischen den Beteiligten geschlossen und die darauf beruhende (rechtsgrundlose) Zahlung der Beklagten an den Kläger erfolgte.

15

b) Die Zahlungsverjährungsfrist ist jedoch gleichzeitig mit der Teilrückzahlung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 KAG i.V.m. § 231 AO unterbrochen worden. Der Anspruchsberechtigte kann den Lauf der Verjährungsfrist gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrechen, indem er vorsorglich seinen Erstattungsanspruch z.B. durch eine entsprechende Zahlungsaufforderung geltend macht (vgl. BFH, VII B 199/12, BFH/NV 2013, 1378, juris). Auch ein Zahlungsaufschub oder die Aussetzung der Vollziehung bewirkt eine Unterbrechung der Verjährungsfrist (BFH, VII B 342/02, BFH/NV 2004, 315, juris; BFH, IX R 2/08, BFH/NV 2009, 1404, juris). Diese Rechtsfolge hatte die Teilrückzahlung des entrichteten Ausbaubeitrags an den Kläger. Unabhängig von der Nichtigkeit des Vergleichs kam der Teilrückzahlung nach den Umständen, unter denen sie erfolgte, nur vorläufiger Charakter zu: Die Teilrückzahlung bezweckte keine dauerhafte oder gar endgültige Regelung der strittigen Fragen. Insbesondere wurde sie nicht etwa vorgenommen, weil die Beklagte den Heranziehungsbescheid zum Teil für rechtswidrig hielt, insoweit aufhob und in diesem Umfang eine Rückzahlung stattfinden sollte. Vielmehr führte sie nach dem übereinstimmenden Willen des Klägers und der Beklagten lediglich dazu, dass der Kläger den zurückgezahlten Betrag einstweilen behalten durfte. Für eine beabsichtigte Teilaufhebung der Heranziehung ist nichts ersichtlich. Damit stellte sie sich als Zahlungsaufschub oder als Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich eines Teilbetrags des festgesetzten Ausbaubeitrags und damit insoweit als Unterbrechungstatbestand des § 231 Abs. 1 Satz 1 AO dar (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, OVG 5 S 3.14, juris).

16

2. Im Übrigen führt es zu keinem anderen Ergebnis, wenn man den Zusammenhang der aufgrund des Vergleichs erfolgten Teilrückzahlung mit dem im vorliegenden Verfahren von der Beklagten wegen Nichtigkeit des Vergleichsvertrags geltend gemachten Erstattungsanspruch verneint. Denn der Abrechnungsbescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2008 kann auf einen Teilbeitragsbescheid umgestellt werden (a) und ist als solcher nicht zu beanstanden (b).

17

a) Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, 8 C 29.87, BVerwGE 80, 96, juris) hält ein Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO für verpflichtet zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Bescheid, der zu Unrecht auf das Straßenausbaubeitragsrecht gestützt ist, mit Blick auf das Erschließungsbeitragsrecht aufrecht erhalten werden kann. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall (BVerwG, 8 C 72.87, NVwZ-RR 1989, 497, juris). Bei solchen Konstellationen bedarf es nach dieser Rechtsprechung keiner (richterlichen) Umdeutung, so dass die Aufrechterhaltung des angefochtenen Bescheids nicht davon abhängt, ob die Voraussetzungen für eine Umdeutung erfüllt sind. Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat (OVG RP, 6 A 10035/04.OVG, AS 31, 283, NVwZ-RR 2005, 499, esovgrp, juris) auch für den Fall angeschlossen, dass die Begründung eines Bescheids lediglich innerhalb des landesrechtlichen Ausbaubeitragsrechts umzustellen ist, soweit Abgabengläubiger und Abgabenschuldner sowie die Höhe der festgesetzten Abgabe unverändert bleiben. Eine solche Umstellung muss angesichts der Beitragserhebungspflicht (vgl. § 94 Gemeindeordnung) auch erfolgen, wenn ein Erstattungsbescheid auf der Grundlage des Straßenausbaubeitragsrechts aufrechterhalten werden kann (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 222a). So liegen die Dinge hier, zumal der Abrechnungsbescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2008 ausdrücklich „über die einmaligen Beiträge für den Ausbau der F-Straße (Abschnitt außerhalb des Sanierungsgebietes)“ ergangen ist und darüber hinaus damit begründet wurde, die Ausgangsbescheide vom 29. Dezember 1997 und vom 8. Juli 1998 seien nach wie vor wirksam.

18

b) Der als Teilbeitragsbescheid über einen einmaligen Ausbaubeitrag in Höhe von 2.566,12 € zu verstehende Abrechnungsbescheid vom 1. Oktober 2008 ist rechtmäßig. Die Beitragspflicht ist auch insoweit durch die Heranziehungsbescheide vom 29. Dezember 1997 und vom 8. Juli 1998 bestandskräftig festgesetzt. Außerdem ist der Beitragsanspruch in diesem Umfang weder erloschen (aa) noch ist insoweit Zahlungsverjährung eingetreten (bb).

19

aa) Zwar war der mit dem mittlerweile bestandskräftigen Bescheid vom 8. Juli 1998 festgesetzte Ausbaubeitrag in voller Höhe vom Kläger beglichen worden und die Beitragsschuld dadurch gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 KAG i.V.m. §§ 47, 224 ff. AO erloschen. Durch die Teilrückzahlung des geleisteten Beitrags an den Kläger im Jahr 2000 ist der Beitragsanspruch aber in Höhe von 2.566,12 € wieder aufgelebt. Das Wiederaufleben bereits erloschener Abgabenschulden ist als besonderer Entstehungsgrund von Abgabenforderungen anerkannt (vgl. BFH, VII R 15/13, BFHE 243, 309, juris; BFH, I B 12/13, BFH/NV 2013, 1907, juris; BFH, VII R 16/03, BFHE 208, 37, juris). Wird beispielsweise eine wirksam gewordene Erlassverfügung (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG i.V.m. § 163 AO bzw. § 3 Abs. 1 Nr. 5 KAG i.V.m. § 227 AO), die zum Erlöschen der Abgabenschuld geführt hat, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, lebt die (erlassene) Abgabenschuld wieder auf (vgl. Kruse, Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion - Festschrift Tipke, 1995, 277 [287 f.]). Nichts anderes gilt für eine vorläufige (Teil-) Rückzahlung einer Abgabe unter Aufrechterhaltung des Heranziehungsbescheids. Angesichts des Charakters der Rückzahlung als eines restitutiven Realakts macht sie unter diesen Umständen nicht nur den Zahlungsvorgang, sondern auch dessen Erlöschenswirkung rückgängig (vgl. BayVerfGH, Vf. 5-VI-98, NVwZ-RR 2000, 194, BayVBl 2000, 369, juris). Daran vermag die Nichtigkeit des in diesem Zusammenhang von den Beteiligten geschlossenen Vergleichs nichts zu ändern. Denn unabhängig von der mit dem Vergleich beabsichtigten Endabrechnung unter Berücksichtigung der Ausgleichsbeträge im Sanierungsgebiet ist die Teilrückzahlung nicht etwa vorgenommen worden, weil die Beklagte den Heranziehungsbescheid zum Teil für rechtswidrig hielt, insoweit aufhob und in diesem Umfang eine Rückzahlung stattfinden sollte. Vielmehr erfolgte die Teilrückzahlung als vorläufiges Entgegenkommen der Beklagten bis zur Endabrechnung und unter Aufrechterhaltung der Heranziehungsbescheide in voller Höhe. Damit konnte nicht zweifelhaft sein, dass mit der Teilrückzahlung die Erfüllungswirkung der ursprünglichen Zahlung des Klägers in Höhe der Rückzahlung entfiel und der von der Beklagten nicht reduzierte Beitragsanspruch in dieser Höhe wieder auflebte.

20

bb) Dieser Beitragsanspruch in Höhe von 2.566,12 €, der – wie erwähnt – mit mittlerweile bestandskräftigem Bescheid vom 8. Juli 1998 festgesetzt wurde, ist nicht verjährt. Denn die Teilrückzahlung hat nicht nur die Erlöschenswirkung der ursprünglichen Zahlung des Klägers in Höhe der Rückzahlung entfallen und den Beitragsanspruch in dieser Höhe wieder aufleben lassen, sondern gleichzeitig die Zahlungsverjährungsfrist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 KAG i.V.m. § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrochen. Da die Teilrückzahlung – wie bereits ausgeführt – nur vorläufigen Charakter hatte, bewirkte sie lediglich einen Zahlungsaufschub i.S.d. § 231 Abs. 1 Satz 1 AO zu Gunsten des Klägers, der den zurückgezahlten Betrag einstweilen nicht zu entrichten brauchte, sondern vorläufig behalten durfte.

21

3. Diese Unterbrechung der Zahlungsverjährungsfrist endete im Jahr 2007, nachdem die Beklagte anhand der Abrechnung der Sanierungsbeträge zu der Entscheidung gelangte, an der Teilrückzahlung nicht länger festzuhalten, sondern den dem Kläger zurückgezahlten Betrag wieder von diesem anzufordern. Damit begann nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 KAG i.V.m. § 231 Abs. 3 AO mit Ablauf des Jahres 2007 eine neue fünfjährige Frist zu laufen, die noch nicht verstrichen war, als der Abrechnungsbescheid vom 1. Oktober 2008 erlassen wurde.

22

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

23

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO.

24

Gründe, gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

25

Beschluss

26

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 2.566,12 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG).

Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Mai 2014 - 6 A 10048/14

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

(1) Die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis richtet sich nach den Vorschriften der Steuergesetze.

(2) Fehlt es an einer besonderen gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit, so wird der Anspruch mit seiner Entstehung fällig, es sei denn, dass in einem nach § 254 erforderlichen Leistungsgebot eine Zahlungsfrist eingeräumt worden ist. Ergibt sich der Anspruch in den Fällen des Satzes 1 aus der Festsetzung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, so tritt die Fälligkeit nicht vor Bekanntgabe der Festsetzung ein.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) verlangt vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) die Erstattung der von ihrer Rechtsvorgängerin im Jahr 2005 gezahlten Steuern (Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer). Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der diesen Zahlungen zugrunde liegenden Bescheide war erfolglos geblieben. Im Verlauf des nach erfolglosem Einspruchsverfahren angestrengten Klageverfahrens sind die Beteiligten jedoch zu der Auffassung gelangt, die Steuerbescheide seien nichtig, weil sie sich an einen steuerrechtlich nicht existenten angeblichen Steuerpflichtigen richteten.

2

Mit Schreiben vom 21. Januar 2011 hat die Klägerin daraufhin vom FA die Erstattung der geleisteten Steuerzahlungen beantragt. Das FA hat die Erstattung wegen Zahlungsverjährung abgelehnt und hierüber den in diesem Verfahren angefochtenen Abrechnungsbescheid erlassen.

3

Die dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, da die Steuerbescheide nichtig gewesen seien, habe die Frist für die Zahlungsverjährung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Hinweis u.a. auf das Urteil vom 7. Februar 2002 VII R 33/01, BFHE 197, 569, BStBl II 2002, 447) mit der Zahlung begonnen und sei mithin Ende 2010 abgelaufen.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend macht.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Verfahrensfehler, auf denen das angefochtene Urteil beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), sind nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.

6

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren voraussichtlich Rechtsfragen zu beantworten sein werden, deren Klärung durch eine Entscheidung des BFH im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Auslegung oder der Fortentwicklung des Rechts liegt. Hat der BFH über eine Rechtsfrage bereits entschieden, vermag eine solche Rechtsfrage nur dann einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu verleihen, wenn Anlass besteht, diese Rechtsprechung zu überprüfen, insbesondere weil in ihr bestimmte Gesichtspunkte möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Diese Gesichtspunkte hat der Beschwerdeführer, der die Zulassung einer Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung erlangen will, gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO darzulegen.

7

Der beschließende Senat hat u.a. in dem vom FG mit Recht angeführten Urteil in BFHE 197, 569, BStBl II 2002, 447 entschieden, dass die Frist der Zahlungsverjährung eines Erstattungsanspruchs (§ 37 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--) mit der Zahlung des zu erstattenden Betrages beginnt, wenn sich der Erstattungsanspruch auf eine rechtsgrundlose Zahlung bezieht und folglich mit derselben entsteht, ohne dass es einer diesbezüglichen Festsetzung bedürfte. Denn in einem solchen Fall greift § 229 Abs. 1 Satz 2 AO nicht ein, wonach die Zahlungsverjährung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres der Festsetzung beginnt, aus welcher sich der Anspruch ergibt.

8

Gegen diese Rechtsprechung wendet die Beschwerde hauptsächlich ein, es sei für den Steuerpflichtigen häufig schwierig zu erkennen, ob ein Steuerbescheid rechtswidrig ist (mithin die Zahlungsverjährung nicht vor seiner Aufhebung oder Änderung beginnt) oder ob er nichtig ist (mithin die Zahlungsverjährung mit der Zahlung auf diesen Bescheid beginnt). Das Risiko einer diesbezüglich falschen Beurteilung dürfe dem Steuerpflichtigen nicht aufgebürdet werden. Der Sinn der Verjährung, Rechtssicherheit zu schaffen, werde sonst ins Gegenteil verkehrt. Deshalb sei es geboten, § 229 Abs. 1 Satz 2 AO in diesem Zusammenhang entsprechend anzuwenden. Wer auf einen solchen Bescheid zahle, werde sonst grundlos schlechter gestellt als derjenige, der AdV erhalten habe.

9

Diese --sinngemäß bereits vom FG berücksichtigten-- Erwägungen sind nachvollziehbar, aber nicht geeignet, den Senat von seiner Rechtsprechung abzubringen. Wortlaut und Sinn des § 229 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AO sind klar und eindeutig und erfassen den Fall der Zahlung auf einen nichtigen Steuerbescheid offenkundig nicht; es ist schon deshalb zweifelhaft, ob diese Vorschrift auf einen solchen Fall "entsprechend" angewandt werden könnte, zumal für eine Regelungslücke und die Notwendigkeit einer teleologischen Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift, wie sie der Beschwerde vorschwebt, weder etwas dargelegt noch sonst erkennbar ist. Denn anders als die Beschwerde glauben machen will, befindet sich der mit einem später als nichtig erkannten Bescheid konfrontierte Steuerpflichtige nicht in einer Lage, in der es ihm nicht möglich oder zumutbar wäre, seine Ansprüche gegenüber der Finanzbehörde zu wahren. Vielmehr kann er ohne Weiteres und auch ohne besonderen Aufwand für den Fall der Nichtigkeit des Steuerbescheides, auf den gezahlt worden ist, vorsorglich seinen Erstattungsanspruch z.B. durch entsprechende Zahlungsaufforderung geltend machen und dadurch den Lauf der Verjährungsfrist gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrechen. Auch wenn die Nichtigkeit eines Steuerbescheides mitunter nicht von vornherein eindeutig erkennbar und nicht leicht von bloßer Rechtswidrigkeit abzugrenzen sein mag, liegt solche Vorsorge zu treffen bei einer umsichtigen Verfahrensführung nahe, sobald --was zu erkennen im Allgemeinen nicht unmöglich ist-- die Nichtigkeit eines Steuerbescheides in Betracht zu ziehen ist.

10

Überdies steht sich der Steuerpflichtige aufgrund der sich aus der Unanwendbarkeit des § 229 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AO ergebenden Rechtslage im Allgemeinen nicht schlechter, als wenn diese Vorschrift auf den Fall von Zahlungen auf nichtige Bescheide in dem Sinne angewendet würde, dass der Erstattungsanspruch wegen solcher Zahlungen unverjährbar ist (weil keine anspruchsbegründende Feststellung ergehen muss und auch niemals ergeht) oder, was die Beschwerde offenbar für geboten hält, dass die Frist erst beginnt, wenn die Nichtigkeit des Bescheides erkannt oder wenn sie von der Finanzbehörde eingestanden wird, für welche Annahmen es übrigens an jedem Ansatzpunkt im Gesetz fehlte. Denn bei Zahlung auf einen nichtigen Bescheid kann die Finanzbehörde gemäß § 171 Abs. 14 AO den Erstattungsanspruch, solange er nicht verjährt ist, dadurch vereiteln, dass sie die nichtige Festsetzung durch eine wirksame ersetzt, sofern --wie es zumindest in der Regel der Fall sein wird-- der Erstattungsanspruch mit dem noch festzusetzenden Steueranspruch im Sinne vorgenannter Vorschrift "zusammenhängt".

11

2. Wenn die Beschwerde ferner sinngemäß vorträgt, das FG habe das Vorbringen der Klägerin in dem gegen die Steuerfestsetzungsbescheide gerichteten Verfahren nicht als eine die Zahlungsverjährung unterbrechende Geltendmachung des Erstattungsverlangens, mithin als verjährungsunterbrechend, ausgelegt und weiterhin verkannt, dass das FA gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße, wenn es zunächst die Nichtigkeit seiner Steuerbescheide in Abrede stelle, sich dann aber nach Ablauf der Verjährungsfrist auf die Nichtigkeit berufe, macht die Beschwerde, anders als sie vorgibt, keine Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern materiell-rechtliche Mängel der Entscheidung des FG geltend, die, auch wenn sie vorliegen mögen, die Zulassung einer Revision nicht rechtfertigen können.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterliegen einer besonderen Zahlungsverjährung. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, in Fällen der §§ 370, 373 oder 374 zehn Jahre.

(1) Die Verjährung eines Anspruchs wird unterbrochen durch

1.
Zahlungsaufschub, Stundung, Aussetzung der Vollziehung, Aussetzung der Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung oder Vollstreckungsaufschub,
2.
Sicherheitsleistung,
3.
eine Vollstreckungsmaßnahme,
4.
Anmeldung im Insolvenzverfahren,
5.
Eintritt des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung,
6.
Aufnahme in einen Insolvenzplan oder einen gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan,
7.
Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen und
8.
schriftliche Geltendmachung des Anspruchs.
§ 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(2) Die Unterbrechung der Verjährung dauert fort

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 bis zum Ablauf der Maßnahme,
2.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 bis zum Erlöschen der Sicherheit,
3.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 bis zum Erlöschen des Pfändungspfandrechts, der Zwangshypothek oder des sonstigen Vorzugsrechts auf Befriedigung,
4.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens,
5.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 5 bis zum Wegfall des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung,
6.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6, bis der Insolvenzplan oder der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan erfüllt oder hinfällig wird.
Wird gegen die Finanzbehörde ein Anspruch geltend gemacht, so endet die hierdurch eingetretene Unterbrechung der Verjährung nicht, bevor über den Anspruch rechtskräftig entschieden worden ist.

(3) Mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung geendet hat, beginnt eine neue Verjährungsfrist.

(4) Die Verjährung wird nur in Höhe des Betrags unterbrochen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) verlangt vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) die Erstattung der von ihrer Rechtsvorgängerin im Jahr 2005 gezahlten Steuern (Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer). Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der diesen Zahlungen zugrunde liegenden Bescheide war erfolglos geblieben. Im Verlauf des nach erfolglosem Einspruchsverfahren angestrengten Klageverfahrens sind die Beteiligten jedoch zu der Auffassung gelangt, die Steuerbescheide seien nichtig, weil sie sich an einen steuerrechtlich nicht existenten angeblichen Steuerpflichtigen richteten.

2

Mit Schreiben vom 21. Januar 2011 hat die Klägerin daraufhin vom FA die Erstattung der geleisteten Steuerzahlungen beantragt. Das FA hat die Erstattung wegen Zahlungsverjährung abgelehnt und hierüber den in diesem Verfahren angefochtenen Abrechnungsbescheid erlassen.

3

Die dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, da die Steuerbescheide nichtig gewesen seien, habe die Frist für die Zahlungsverjährung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Hinweis u.a. auf das Urteil vom 7. Februar 2002 VII R 33/01, BFHE 197, 569, BStBl II 2002, 447) mit der Zahlung begonnen und sei mithin Ende 2010 abgelaufen.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend macht.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Verfahrensfehler, auf denen das angefochtene Urteil beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), sind nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.

6

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren voraussichtlich Rechtsfragen zu beantworten sein werden, deren Klärung durch eine Entscheidung des BFH im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Auslegung oder der Fortentwicklung des Rechts liegt. Hat der BFH über eine Rechtsfrage bereits entschieden, vermag eine solche Rechtsfrage nur dann einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu verleihen, wenn Anlass besteht, diese Rechtsprechung zu überprüfen, insbesondere weil in ihr bestimmte Gesichtspunkte möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Diese Gesichtspunkte hat der Beschwerdeführer, der die Zulassung einer Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung erlangen will, gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO darzulegen.

7

Der beschließende Senat hat u.a. in dem vom FG mit Recht angeführten Urteil in BFHE 197, 569, BStBl II 2002, 447 entschieden, dass die Frist der Zahlungsverjährung eines Erstattungsanspruchs (§ 37 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--) mit der Zahlung des zu erstattenden Betrages beginnt, wenn sich der Erstattungsanspruch auf eine rechtsgrundlose Zahlung bezieht und folglich mit derselben entsteht, ohne dass es einer diesbezüglichen Festsetzung bedürfte. Denn in einem solchen Fall greift § 229 Abs. 1 Satz 2 AO nicht ein, wonach die Zahlungsverjährung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres der Festsetzung beginnt, aus welcher sich der Anspruch ergibt.

8

Gegen diese Rechtsprechung wendet die Beschwerde hauptsächlich ein, es sei für den Steuerpflichtigen häufig schwierig zu erkennen, ob ein Steuerbescheid rechtswidrig ist (mithin die Zahlungsverjährung nicht vor seiner Aufhebung oder Änderung beginnt) oder ob er nichtig ist (mithin die Zahlungsverjährung mit der Zahlung auf diesen Bescheid beginnt). Das Risiko einer diesbezüglich falschen Beurteilung dürfe dem Steuerpflichtigen nicht aufgebürdet werden. Der Sinn der Verjährung, Rechtssicherheit zu schaffen, werde sonst ins Gegenteil verkehrt. Deshalb sei es geboten, § 229 Abs. 1 Satz 2 AO in diesem Zusammenhang entsprechend anzuwenden. Wer auf einen solchen Bescheid zahle, werde sonst grundlos schlechter gestellt als derjenige, der AdV erhalten habe.

9

Diese --sinngemäß bereits vom FG berücksichtigten-- Erwägungen sind nachvollziehbar, aber nicht geeignet, den Senat von seiner Rechtsprechung abzubringen. Wortlaut und Sinn des § 229 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AO sind klar und eindeutig und erfassen den Fall der Zahlung auf einen nichtigen Steuerbescheid offenkundig nicht; es ist schon deshalb zweifelhaft, ob diese Vorschrift auf einen solchen Fall "entsprechend" angewandt werden könnte, zumal für eine Regelungslücke und die Notwendigkeit einer teleologischen Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift, wie sie der Beschwerde vorschwebt, weder etwas dargelegt noch sonst erkennbar ist. Denn anders als die Beschwerde glauben machen will, befindet sich der mit einem später als nichtig erkannten Bescheid konfrontierte Steuerpflichtige nicht in einer Lage, in der es ihm nicht möglich oder zumutbar wäre, seine Ansprüche gegenüber der Finanzbehörde zu wahren. Vielmehr kann er ohne Weiteres und auch ohne besonderen Aufwand für den Fall der Nichtigkeit des Steuerbescheides, auf den gezahlt worden ist, vorsorglich seinen Erstattungsanspruch z.B. durch entsprechende Zahlungsaufforderung geltend machen und dadurch den Lauf der Verjährungsfrist gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrechen. Auch wenn die Nichtigkeit eines Steuerbescheides mitunter nicht von vornherein eindeutig erkennbar und nicht leicht von bloßer Rechtswidrigkeit abzugrenzen sein mag, liegt solche Vorsorge zu treffen bei einer umsichtigen Verfahrensführung nahe, sobald --was zu erkennen im Allgemeinen nicht unmöglich ist-- die Nichtigkeit eines Steuerbescheides in Betracht zu ziehen ist.

10

Überdies steht sich der Steuerpflichtige aufgrund der sich aus der Unanwendbarkeit des § 229 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AO ergebenden Rechtslage im Allgemeinen nicht schlechter, als wenn diese Vorschrift auf den Fall von Zahlungen auf nichtige Bescheide in dem Sinne angewendet würde, dass der Erstattungsanspruch wegen solcher Zahlungen unverjährbar ist (weil keine anspruchsbegründende Feststellung ergehen muss und auch niemals ergeht) oder, was die Beschwerde offenbar für geboten hält, dass die Frist erst beginnt, wenn die Nichtigkeit des Bescheides erkannt oder wenn sie von der Finanzbehörde eingestanden wird, für welche Annahmen es übrigens an jedem Ansatzpunkt im Gesetz fehlte. Denn bei Zahlung auf einen nichtigen Bescheid kann die Finanzbehörde gemäß § 171 Abs. 14 AO den Erstattungsanspruch, solange er nicht verjährt ist, dadurch vereiteln, dass sie die nichtige Festsetzung durch eine wirksame ersetzt, sofern --wie es zumindest in der Regel der Fall sein wird-- der Erstattungsanspruch mit dem noch festzusetzenden Steueranspruch im Sinne vorgenannter Vorschrift "zusammenhängt".

11

2. Wenn die Beschwerde ferner sinngemäß vorträgt, das FG habe das Vorbringen der Klägerin in dem gegen die Steuerfestsetzungsbescheide gerichteten Verfahren nicht als eine die Zahlungsverjährung unterbrechende Geltendmachung des Erstattungsverlangens, mithin als verjährungsunterbrechend, ausgelegt und weiterhin verkannt, dass das FA gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße, wenn es zunächst die Nichtigkeit seiner Steuerbescheide in Abrede stelle, sich dann aber nach Ablauf der Verjährungsfrist auf die Nichtigkeit berufe, macht die Beschwerde, anders als sie vorgibt, keine Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern materiell-rechtliche Mängel der Entscheidung des FG geltend, die, auch wenn sie vorliegen mögen, die Zulassung einer Revision nicht rechtfertigen können.

(1) Die Verjährung eines Anspruchs wird unterbrochen durch

1.
Zahlungsaufschub, Stundung, Aussetzung der Vollziehung, Aussetzung der Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung oder Vollstreckungsaufschub,
2.
Sicherheitsleistung,
3.
eine Vollstreckungsmaßnahme,
4.
Anmeldung im Insolvenzverfahren,
5.
Eintritt des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung,
6.
Aufnahme in einen Insolvenzplan oder einen gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan,
7.
Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen und
8.
schriftliche Geltendmachung des Anspruchs.
§ 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(2) Die Unterbrechung der Verjährung dauert fort

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 bis zum Ablauf der Maßnahme,
2.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 bis zum Erlöschen der Sicherheit,
3.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 bis zum Erlöschen des Pfändungspfandrechts, der Zwangshypothek oder des sonstigen Vorzugsrechts auf Befriedigung,
4.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens,
5.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 5 bis zum Wegfall des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung,
6.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6, bis der Insolvenzplan oder der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan erfüllt oder hinfällig wird.
Wird gegen die Finanzbehörde ein Anspruch geltend gemacht, so endet die hierdurch eingetretene Unterbrechung der Verjährung nicht, bevor über den Anspruch rechtskräftig entschieden worden ist.

(3) Mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung geendet hat, beginnt eine neue Verjährungsfrist.

(4) Die Verjährung wird nur in Höhe des Betrags unterbrochen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren der P-GmbH (GmbH). Die von der GmbH für März 2009 und April 2009 angemeldeten Lohnsteuerbeträge hatte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) aufgrund einer erteilten Lastschrift zu den Fälligkeitsterminen eingezogen. Auf Antrag der GmbH vom 9. Juni 2009 wurde am 1. September 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger focht als Insolvenzverwalter die Lohnsteuerzahlungen an. Das FA erstattete deswegen die vereinnahmten Beträge zur Insolvenzmasse. Nach erneuter Überprüfung des Sachverhaltes gelangte es jedoch zu der Erkenntnis, die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung hätten nicht vorgelegen und die Insolvenzmasse habe deswegen keinen Erstattungsanspruch gemäß § 143 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) gehabt. Mit auf § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützten Rückforderungsbescheid forderte es den Kläger zur Rückzahlung der erstatteten Beträge auf. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der dagegen erhobenen Klage statt.

2

Das FG urteilte, § 37 Abs. 2 AO sei eine spezialgesetzliche Konkretisierung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für das Steuerrecht und setze einen Anspruch auf Korrektur einer aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Finanzbehörde bewirkten Vermögensverschiebung voraus. Die Erstattung von Vermögensverschiebungen außerhalb des Steuerrechtsverhältnisses könne nicht nach § 37 Abs. 2 AO verlangt werden, sondern sei auf dem ordentlichen Rechtsweg zu verfolgen und nach § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu korrigieren. Im Streitfall habe das FA den mit dem angefochtenen Bescheid geforderten Betrag nicht zuvor an den Kläger zur Erfüllung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis zurückgezahlt, sondern in Befolgung einer --vermeintlich oder tatsächlich-- sich aus § 143 Abs. 1 InsO ergebenden bürgerlich–rechtlichen Verpflichtung. Dies schließe die Rückforderung durch Verwaltungsakt aus.

3

Seine Revision begründet das FA mit seiner Rechtsauffassung, bei unberechtigter Insolvenzanfechtung sei die Rückgewähr von Steuerzahlungen an die Insolvenzmasse eine Vermögensverschiebung im Rahmen eines Steuerschuldverhältnisses; die Rückforderung sei als Umkehrung dieses Vorgangs ebenfalls Teil dieses Steuerschuldverhältnisses. Die §§ 143 ff. InsO normierten lediglich die rechtlichen Konsequenzen, die sich aus einer berechtigten Insolvenzanfechtung ergäben. Bei einer Rückzahlung aufgrund unberechtigter Insolvenzanfechtung schaffe das FA einen neuen steuerrechtlichen Sachverhalt in dem bestehenden Steuerschuldverhältnis, ohne welches das FA die --rechtsgrundlos wieder ausgekehrten-- Steuerbeträge nicht vereinnahmt hätte. Die bei der Entscheidung über das Bestehen des Rückzahlungsanspruchs des FA vorgreiflich zu entscheidende Frage über das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen sei hier nicht rechtswegbestimmend. Bei Streitigkeiten über die Wirksamkeit einer Aufrechnung des FA mit Steuerforderungen gegen Erstattungsansprüche des Insolvenzverwalters unter dem Gesichtspunkt "anfechtbarer Erwerb der Aufrechnungslage" sei anerkannt, dass das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen inzidenter in den Verfahren vor den FG über die Rechtmäßigkeit der Abrechnungsbescheide zu prüfen sei (Hinweis auf Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 22. Oktober 2009 IX ZR 147/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2010, 413; Senatsurteil vom 2. November 2010 VII R 6/10, BFHE 231, 488, BStBl II 2011, 374). Auch habe der Bundesfinanzhof (BFH) dem Arbeitgeber und nicht dem Arbeitnehmer bei einer rechtsgrundlosen Anmeldung und Abführung von Lohnsteuern einen Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO zuerkannt (Senatsbeschluss vom 15. November 1999 VII B 155/99, BFH/NV 2000, 547). Für den hier gegebenen umgekehrten Fall der rechtsgrundlosen Auszahlung der Lohnsteuer an den Arbeitgeber könne nichts anderes gelten. Hinzuweisen sei auch auf den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 GmS-OGB 1/09 (BGHZ 187, 105). Für die Bestimmung des richtigen Rechtswegs habe der Gemeinsame Senat nicht auf den insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruch abgestellt, sondern auf die dem Anspruch zugrunde liegende arbeitsrechtliche Leistungsbeziehung, so dass der Rechtsstreit auf den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten verwiesen worden sei. Übertragen auf den Streitfall könne die Insolvenzanfechtung als Umkehrung der steuerlichen Leistungsbeziehung in Form der Rückgewähr dessen, was der Insolvenzmasse als Steuerzahlung entzogen wurde, beurteilt und als prägendes Element des Rechtsstreits angesehen werden. Dem folgend sei die steuerrechtliche Leistungsbeziehung nicht nur für den Rechtsweg, sondern auch dafür bestimmend, ob ein steuerrechtlicher Erstattungsanspruch wegen Zahlung auf eine unberechtigte Insolvenzanfechtung gegeben sei.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des FG entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

5

Das FG hat den auf § 37 Abs. 2 AO gestützten Rückforderungsbescheid des FA zu Recht aufgehoben. Nach dieser Vorschrift hätte das FA einen Anspruch auf Erstattung des an den Kläger zurückgezahlten Betrags, wenn an ihn eine Steuer ohne rechtlichen Grund zurückgezahlt worden wäre. Zur Verwirklichung dieses Anspruchs hätte es gemäß § 218 Abs. 2 Satz 2 AO einen Rückforderungsbescheid erlassen können.

6

Im Streitfall geht es aber nicht um die Rückforderung einer ungerechtfertigten Steuerrückzahlung, sondern um die Rückabwicklung der --nach erneuter Prüfung nunmehr als unberechtigt angesehenen-- Befolgung der Insolvenzanfechtung. Denn das FA hat die durch Lastschrift von der GmbH eingezogenen Steuern zur Insolvenzmasse erstattet, weil es den Rückgewähranspruch des Klägers aus § 143 Abs. 1 InsO zunächst anerkannt hat. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 5. September 2012 VII B 95/12 (BFHE 238, 325, BStBl II 2012, 854) im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 24. März 2011 IX ZB 36/09, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2011, 1365) entschieden hat, ist der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr (vermeintlich) in anfechtbarer Weise geleisteter Steuern nach § 143 Abs. 1 InsO kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 Abs. 1 AO, weil er kein auf steuerrechtlichen Gründen beruhender Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 AO, sondern ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch ist. Auch wenn sich dieser Anspruch auf Rückzahlung einer (zurückgezahlten) Steuer richtet, so dass § 37 Abs. 2 AO wortwörtlich genommen einschlägig zu sein scheint, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der in § 37 Abs. 2 AO geregelte Anspruch auf der Umkehrung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 Abs. 1 AO beruht (vgl. im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO: Senatsbeschluss vom 27. September 2012 VII B 190/11, BFHE 238, 526, BStBl II 2013, 109).

7

Begründet aber der Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters aus § 143 Abs. 1 InsO ein zivilrechtliches Rechtsverhältnis, so kann auch die Rückforderung einer auf einer (vermeintlich) unberechtigten Insolvenzanfechtung beruhenden Leistung des FA nur in diesem Rechtsverhältnis abgewickelt werden. Denn ein Anspruch auf Rückgewähr einer Leistung teilt die Rechtsnatur des Anspruchs, auf den jene Leistung erbracht worden ist. Für diese Abwicklung kann sich das FA mangels Anwendbarkeit des § 218 Abs. 2 Satz 2 AO oder einer sonstigen Rechtsgrundlage nicht eines Rückforderungsbescheids bedienen, sondern muss den Zivilrechtsweg beschreiten.

8

Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf an, ob die Rückzahlung des FA "aufgrund eines wirklich bestehenden oder eines vermeintlichen Insolvenzanfechtungsanspruchs erfolgte". Auch wenn sich später herausstellt, dass die Anfechtung nicht berechtigt war, hat das FA in Befolgung des Anfechtungsanspruchs und nicht "ohne Rechtsgrund allein auf der Grundlage des Steuerschuldverhältnisses" zurückgezahlt. Zwar trifft es zu, dass "mit der Genehmigung der Lastschrifteinzüge die zugrunde liegenden Steuerforderungen erfüllt und damit erloschen" sind, wenn "die Anfechtungsvoraussetzungen nach §§ 129 ff. InsO nicht vor(liegen)". Ob der Steueranspruch durch die Steuerzahlung endgültig erloschen ist, hängt aber gerade davon ab, ob der Insolvenzverwalter die Zahlung wirksam angefochten hat. Wie der Senat bereits entschieden hat, bleibt das Steuerschuldverhältnis bei Steuerfälligkeiten, die in insolvenzreife Zeit fallen, selbst bei fristgerechter Zahlung wegen der gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters zunächst in der Schwebe. Die erfolgreiche Anfechtung und Rückgewähr nach § 143 InsO bewirkt gemäß § 144 InsO, dass die Steuerschuld rückwirkend wieder auflebt. Die Beendigung des Steuerschuldverhältnisses ist insoweit auflösend bedingt (Senatsurteil vom 11. November 2008 VII R 19/08, BFHE 223, 303, BStBl II 2009, 342). Das bedeutet, erst wenn rechtsverbindlich feststeht, dass die Anfechtungsvoraussetzungen nach §§ 129 ff. InsO nicht vorliegen (oder nicht wirksam angefochten ist), hat das FA einen gesicherten Anspruch auf die entrichtete Steuer und das Steuerschuldverhältnis ist endgültig erloschen. Die entscheidende vorrangige Frage der Anfechtungsberechtigung --mit den Rechtsfolgen der §§ 143, 144 InsO-- beantwortet sich allein nach den §§ 129 ff. InsO. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Senatsentscheidung in BFHE 231, 488, BStBl II 2011, 374. In jenem Fall hatte das FA in einem Abrechnungsbescheid den Vorsteuervergütungsanspruch der Schuldnerin mit den gegen sie gerichteten Umsatzsteuerforderungen des FA verrechnet. Zu entscheiden war über die Zulässigkeit dieser Aufrechnung, wenn das FA die Möglichkeit dazu durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Die Frage der Rechtsnatur der Rückforderung einer auf einer (vermeintlich) unberechtigten Insolvenzanfechtung beruhenden Leistung des FA spielte in diesem Rechtsstreit keine Rolle.

9

Soweit sich das FA zur Begründung seiner Rechtsauffassung auf das BFH-Urteil vom 24. November 2011 V R 13/11 (BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298) beruft, ist darauf hinzuweisen, dass der Senat im Beschluss in BFHE 238, 325, BStBl II 2012, 854 dargelegt hat, dass er der --dort nicht tragenden und den Ausführungen des BGH in NJW 2011, 1365 widersprechenden-- Begründung nicht folgt. Hinsichtlich der rechtlichen Qualifizierung des insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs komme es auf das Rechtsverhältnis an, welches der angefochtenen Rechtshandlung zugrunde liege. In der nämlichen Entscheidung hat der Senat weiter ausgeführt, dass auch der Gemeinsame Senat in BGHZ 187, 105 das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters betreffende Streitigkeiten als bürgerliche Rechtsstreitigkeiten angesehen und lediglich im Fall angefochtener Lohnzahlungen (bei denen es sich auch um bürgerlich-rechtliche Ansprüche handelt) den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen vorgegeben hat.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Steuerfestsetzung und die daran anschließende Frage der Rechtmäßigkeit einer Vollstreckung.

2

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, reichte ihre Steuererklärungen für 2003 (Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer) verspätet ein (Eingang beim Beklagten und Beschwerdegegner --Finanzamt [FA]-- am 20. Dezember 2010). Zuvor war vom FA darauf hingewiesen worden, dass infolge der Nichtabgabe der Erklärungen eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen anstehe (angekündigte Höhe: zu versteuerndes Einkommen von 100.000 €; Gewerbeertrag von 130.800 €), wenn nicht bis zum 8. Dezember 2010 begründete Einwendungen durch Vorlage der Steuererklärungen erhoben würden. Unter dem 20. Dezember 2010 erließ das FA entsprechende Schätzungsbescheide, die durch Zustellung bekannt gegeben wurden; die Zustellungsurkunde weist als Zustellungsdatum den 3. Januar 2011 aus.

3

Unter dem 29. Dezember 2010 erließ das FA "Änderungsbescheide", mit denen es den von der Klägerin eingereichten Steuererklärungen ohne Abweichungen folgte; es ergab sich daraus sowohl ein höheres zu versteuerndes Einkommen als auch ein höherer Gewerbesteuermessbetrag als in den Bescheiden vom 20. Dezember 2010. Die Bescheide vom 29. Dezember 2010 gab ein Sachbearbeiter des FA am selben Tag persönlich bekannt. Die Bescheide tragen u.a. folgenden Erläuterungstext: "Dieser Bescheid ändert den Bescheid vom ..." (als Datum: "29.12.10" im Körperschaftsteuerbescheid, "20.12.10" im Gewerbesteuermessbescheid) sowie "Das Finanzamt hat die Besteuerungsgrundlagen ... geschätzt, ...".

4

Sämtliche Bescheide wurden bestandskräftig. Die Klägerin stellte unter Hinweis auf eine bereits erfolgte Zahlung der zum 3. Februar 2011 fälligen Körperschaftsteuer (Zahlung auf den Bescheid vom 20. Dezember 2010) einen Vollstreckungsschutzantrag beim FA; die im Bescheid vom 29. Dezember 2010 ausgewiesene (höhere) Körperschaftsteuer sei nicht zu erheben, da der Bescheid vom 20. Dezember 2010 später (zuletzt) bekannt gegeben worden sei. Der Antrag wurde abgelehnt.

5

Mit der daraufhin erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt, festzustellen, dass die am 29. Dezember 2010 zugestellten Bescheide durch die am 3. Januar 2011 zugestellten Bescheide geändert worden seien und keine Wirkung entfalten würden, hilfsweise, das FA zu verurteilen, an die Klägerin 93.136,42 € zurückzubezahlen. Die Klage war erfolglos (Finanzgericht --FG-- Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2012  6 K 2657/11).

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Die Klägerin verweist auf § 115 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und beantragt, die Revision zuzulassen.

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Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

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1. Die Klägerin hat als Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) herausgestellt, es sei klärungsbedürftig und klärungsfähig, ob "ein zeitlich früher wirksam gewordener Steuerbescheid einen zeitlich später wirksam werdenden Steuerbescheid wirkungslos machen (kann), ohne dass die Finanzverwaltung den Bekanntgabewillen für den später wirksam werdenden Steuerbescheid aufgegeben hat?"

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Insoweit fehlt es allerdings an einem für eine Revisionszulassung erforderlichen Klärungsbedürfnis im vorliegenden Streitfall. Denn die Klägerin hat den nach ihrer Rechtsmeinung streiterheblichen Umstand ("Aufgabe des Bekanntgabewillens") zur Grundlage dieser Darlegung gemacht: Der später bekannt gegebene Bescheid gehe dem früher bekannt gegebenen Bescheid ohne Rücksicht auf seinen Gegenstand vor, so dass der früher bekannt gegebene Bescheid nur dann wirken könne, wenn der später bekannt gegebene Bescheid seine Wirksamkeit (§ 124 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--) verliere, z.B. durch Aufgabe des Bekanntgabewillens durch das FA.

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Diese Prämisse ist jedoch dem Regelungskonzept des § 124 Abs. 1 AO nicht zu entnehmen. Wenn, was das FG zutreffend zu Grunde gelegt hat, zwei Verwaltungsakte nach Maßgabe des § 124 Abs. 1 Satz 1 AO wirksam geworden sind, ist der Inhalt der jeweiligen behördlichen Verfügung (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO) durch Auslegung zu ermitteln; diese Auslegung nach dem "objektiven Verständnishorizont", bei der als Auslegungskriterium das Bekanntgabedatum durchaus einbezogen werden kann, aber nicht zwingend ausschlaggebende Bedeutung hat, kann im Einzelfall zu dem Ergebnis führen, dass wegen einer durch eine Kollisionslage (einander widersprechende Verfügungssätze) ausgelösten Unbestimmtheit des Inhalts (§ 119 Abs. 1 AO) beide Verwaltungsakte unwirksam sind (s. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 124 AO Rz 14). Die Auslegung kann aber auch ergeben, dass ein Verwaltungsakt den anderen geändert hat, was zur Folge hat, dass bei einer Aufhebung des Änderungsbescheids der andere (ebenfalls wirksam bekannt gegebene) Verwaltungsakt mit seinem Regelungsinhalt wieder "aufleben" würde.

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Auf dieser zutreffenden Grundlage hat das FG durch Auslegung des bekannt gegebenen Inhalts aller --nicht mit Rechtsbehelf angefochtenen-- Bescheide entschieden, dass der Klägerin im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Bescheide vom 20. Dezember 2010 (am 3. Januar 2011) "ersichtlich" gewesen sei, "dass es sich bei ... (jenen) Bescheiden ... um die geänderten Bescheide" gehandelt habe. Die von der Klägerin formulierte Rechtsfrage stellt sich daher im Streitfall nicht. Bei einer durch den (fortbestehenden) Bekanntgabewillen getragenen und rechtswirksamen Bekanntgabe war der Rechtsstreit auf der Grundlage einer Auslegung der jeweiligen Inhalte der (wirksamen) Verwaltungsakte zu entscheiden.

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2. Die Klägerin macht mit der Beschwerde weiterhin geltend, das angefochtene Urteil verstoße gegen § 124 Abs. 1 Satz 1 AO. Einen Revisionsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO hat sie dazu nicht angeführt. Offensichtlich rügt sie damit aber das Ergebnis der Auslegung des FG zum Gegenstand der bekannt gegebenen Bescheide.

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Die Auslegung des FG, die sich als Würdigung der tatsächlichen Sachumstände des Einzelfalls zum "objektiven Verständnishorizont" bei der Bekanntgabe der Bescheide darstellt, würde allerdings im Revisionsverfahren als verfahrensfehlerfreie Gesamtwürdigung i.S. des § 118 Abs. 2 FGO eine Bindung des Revisionsgerichts auslösen. Mit der Rüge eines materiell-rechtlichen Rechtsverstoßes (Rechtsanwendungsfehler) kann grundsätzlich die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (s. z.B. --ebenfalls zu der hier nicht dargelegten Ausnahme einer objektiv willkürlichen Entscheidung-- Senatsbeschluss vom 20. Juni 2011 I B 108/10, BFH/NV 2011, 1924, m.w.N.).

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3. Die Klägerin hat zur Darlegung einer Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. November 1985 IV R 178/83 (BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293) verwiesen. Eine Abweichung des FG durch einen tragenden Rechtssatz im angefochtenen Urteil von einem ebenfalls tragenden Rechtssatz in der angeführten Entscheidung hat die Klägerin jedoch nicht dargelegt; sie hat allenfalls darauf hingewiesen, dass aus ihrer Sicht im Streitfall "Unklarheiten" zum jeweiligen Bescheidinhalt aufgetreten seien, die erzwungen hätten, im Sinne der in dem BFH-Urteil angeführten "Beweislastregel" zu Lasten des FA zu entscheiden. Das FG hat jedoch ausreichende Anhaltspunkte für eine Auslegung des Inhalts mit einem eindeutigen Ergebnis gesehen, so dass die Anwendung dieser Regel nicht in Betracht kam. Allein in der Einschätzung eines Beteiligten, dass ein FG im Einzelfall die Rechtsgrundsätze eines BFH-Urteils unzutreffend umgesetzt hat, liegt allerdings nach ständiger Rechtsprechung keine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO (s. oben zu 2.).

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Die Verjährung eines Anspruchs wird unterbrochen durch

1.
Zahlungsaufschub, Stundung, Aussetzung der Vollziehung, Aussetzung der Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung oder Vollstreckungsaufschub,
2.
Sicherheitsleistung,
3.
eine Vollstreckungsmaßnahme,
4.
Anmeldung im Insolvenzverfahren,
5.
Eintritt des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung,
6.
Aufnahme in einen Insolvenzplan oder einen gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan,
7.
Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen und
8.
schriftliche Geltendmachung des Anspruchs.
§ 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(2) Die Unterbrechung der Verjährung dauert fort

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 bis zum Ablauf der Maßnahme,
2.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 bis zum Erlöschen der Sicherheit,
3.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 bis zum Erlöschen des Pfändungspfandrechts, der Zwangshypothek oder des sonstigen Vorzugsrechts auf Befriedigung,
4.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens,
5.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 5 bis zum Wegfall des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung,
6.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6, bis der Insolvenzplan oder der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan erfüllt oder hinfällig wird.
Wird gegen die Finanzbehörde ein Anspruch geltend gemacht, so endet die hierdurch eingetretene Unterbrechung der Verjährung nicht, bevor über den Anspruch rechtskräftig entschieden worden ist.

(3) Mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung geendet hat, beginnt eine neue Verjährungsfrist.

(4) Die Verjährung wird nur in Höhe des Betrags unterbrochen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.