Sozialgericht Mainz Vorlagebeschluss, 12. Dez. 2014 - S 3 AS 130/14

ECLI:ECLI:DE:SGMAINZ:2014:1212.S3AS130.14.0A
bei uns veröffentlicht am12.12.2014

weitere Fundstellen einblendenweitere Fundstellen ...

Diese Entscheidung wird zitiert ausblendenDiese Entscheidung wird zitiert


Diese Entscheidung zitiert ausblendenDiese Entscheidung zitiert


Tenor

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Dem Bundesverfassungsgericht wird folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:

Ist § 22 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (BGBI. Nr. 23, S. 868) mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar, soweit nach dessen 2. Halbsatz die für die Höhe des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen nach §§ 19 Abs. 1, 19 Abs. 3 S. 1 SGB II maßgeblichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung lediglich anerkannt werden, soweit die tatsächlichen Aufwendungen hierfür angemessen sind, ohne dass der Gesetzgeber nähere Bestimmungen darüber getroffen hat, unter welchen Umständen von unangemessenen Aufwendungen auszugehen ist?

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014.

2

Der am … geborene Kläger bezieht seit November 2009 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II vom Beklagten. Zunächst lebte der Kläger gemeinsam mit seiner Mutter in einer 73 m² großen Mietwohnung in …. Mietvertragspartnerin war zunächst die Mutter. Seit deren Tod am … wohnt der Kläger allein in dieser Wohnung.

3

Mit Schreiben vom 05.03.2012 forderte der Beklagte den Kläger zur Senkung seiner Unterkunftskosten auf. Eine Prüfung des Leistungsanspruchs habe ergeben, dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung des Klägers in Höhe von 313 Euro monatlicher Kaltmiete für 73 m² Wohnfläche unangemessen seien. Der Beklagte teilte dem Kläger darüber hinaus mit, dass für ihn und die in seinem Haushalt lebenden Personen eine Kaltmiete von 285 Euro pro Monat angemessen sei, welche sich aus einer maximal zu beanspruchenden Wohnfläche von 50 m² und einem Mietpreis von 5,70 Euro pro Quadratmeter für Wohnraum in … errechne. Die Bemühungen zur Senkung der Kaltmiete solle der Kläger bis spätestens 30.09.2012 belegen und durch Vorlage geeigneter Unterlagen (Zeitungsannoncen, Anzeigenrechnungen, Durchschriften von Schreiben an mögliche Vermieter, Eintragung in die Liste der Wohnungssuchenden usw.) nachweisen. Für den Fall, dass der Kläger nicht zu einer Reduzierung der derzeitigen Unterkunftskosten bereit sei bzw. sein Bemühen bis zum 30.09.2012 nicht glaubwürdig belegen könne, weise der Beklagte darauf hin, dass ab dem 01.10.2012 nur noch angemessene Kaltmietkosten in Höhe des vorstehend ermittelten Betrages bei der Feststellung des Leistungsanspruches berücksichtigt werden könnten.

4

Mit Bescheid vom 21.03.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.05.2012 bis zum 31.10.2012. Für den Monat Oktober 2012 bewilligte der Beklagte Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung einer als angemessen angesehenen Kaltmiete von 285 Euro und teilte dies dem Kläger unter Hinweis auf das Schreiben vom 05.03.2012 mit.

5

Der Kläger schloss am 26.03.2012 mit Wirkung zum 01.04.2012 einen eigenen Mietvertrag mit der …. mbH & Co. Kg über die bereits bewohnte Wohnung. Die Grundmiete betrug zunächst 313,90 Euro, hinzu kamen 118 Euro Betriebskostenvorauszahlung und 33 Euro für eine Garage. Daneben hatte der Kläger monatliche Abschläge in Höhe von zunächst 75 Euro monatlich an den Energieversorger e… GmbH für Heizgaslieferungen zu entrichten.

6

Mit Bescheid vom 03.09.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.10.2013 bis zum 31.03.2014 in monatlicher Höhe von 860 Euro. Hierbei berücksichtigte der Beklagte einen Regelbedarf in Höhe von 382 Euro monatlich, einen Bedarf für die Kosten der Kaltmiete in Höhe von monatlich 285 Euro und Bedarfe für Heizkosten in Höhe von 75 Euro sowie weitere Nebenkosten in Höhe von 118 Euro monatlich.

7

Mit Schreiben vom 23.09.2013 teilte die Vermieterin des Klägers diesem mit, dass die Kaltmiete ab dem 01.01.2014 auf 335,80 Euro erhöht werde. Die Nebenkostenvorauszahlung verbleibe bei 118 Euro, so dass sich eine neue Gesamtmiete von 453,80 Euro ergebe. Die Vermieterin begründete die Erhöhung damit, dass die Grundmiete seit geraumer Zeit nicht erhöht worden sei. In Folge der allgemeinen Preissteigerungen hätten sich die Kosten für die Verwaltung und Instandhaltung erhöht, so dass auch die Vermieterin die Miete gemäß den gesetzlichen Bestimmungen erhöhen müsse. Die Miete dürfe sich gemäß § 558 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren nicht um mehr als 15 % erhöhen. Gemäß diesen Bestimmungen werde die monatliche Grundmiete für die Wohnung des Klägers von derzeit 4,30 €/m² auf 4,60 €/m² um 0,30 €/m² erhöht. Bei einer Wohnfläche von 73 m² ergebe dies eine monatliche Erhöhung um 21,90 Euro von seither 313,90 Euro auf 335,80 Euro. Dies entspreche einer Erhöhung um 6,98 %.

8

Mit Schreiben vom 20.11.2013 setzte der Energielieferant des Klägers im Rahmen der Verbrauchsabrechnung für den Zeitraum vom 05.10.2012 bis zum 30.09.2013 die monatlichen Abschläge ab Dezember 2013 auf 100 Euro fest, wovon 49 Euro auf Strom und 51 Euro auf Gas entfielen. Gleichzeitig forderte er vom Kläger eine Nachzahlung in Höhe von 190,37 Euro.

9

Der Kläger setzte den Beklagten am 25.11.2013 von der Mieterhöhung in Kenntnis. Zeitgleich übersandte der Kläger die Verbrauchsabrechnung seines Energielieferanten und beantragte die Übernahme des Nachzahlungsbetrags durch den Beklagten.

10

Mit Änderungsbescheid vom 26.11.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 in Höhe von 785 Euro und für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 in Höhe von 845 Euro monatlich. Hierbei entfielen für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts 382 Euro und auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung 403 Euro, für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 jeweils 391 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 454 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Zur Begründung der Änderung teilte der Beklagte mit, dass laut Verbrauchsabrechnung im Monat Dezember 2013 keine Gasrate fällig werde. Somit werde im Dezember 2013 keine Gasrate berücksichtigt. Ab Januar erfolge eine Erhöhung der Regelleistung auf 391 Euro.

11

Mit einem weiteren Bescheid vom 26.11.2013 lehnte der Beklagte die Übernahme der Nachzahlung ab. Zur Begründung teilte er mit, dass die bereits berücksichtigten Gaskosten den tatsächlichen Gaskosten gegenübergestellt worden seien. Hieraus ergebe sich kein Nachzahlungsbetrag.

12

Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 26.11.2013 hob der Beklagte den Bescheid vom gleichen Tag teilweise auf und bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 Arbeitslosengeld II in Höhe von 836 Euro, wobei 382 Euro auf den Regelbedarf und 454 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung entfielen. Zur Begründung teilte der Beklagte mit, dass die neue monatliche Gasrate von 51 Euro berücksichtigt werde. Für den Monat Dezember 2013 würden die Leistungen auf Grund einer Aufrechnung bzw. Tilgung in Höhe von 60 Euro an die Zentralkasse der Bundesagentur für Arbeit geleistet, in Höhe von 464,90 Euro an die Vermieterin des Klägers und in Höhe von 311,10 Euro an den Kläger selbst.

13

Gegen "den Änderungsbescheid vom 26.11.2013" erhob der Kläger mit Schreiben vom 29.11.2013, eingegangen beim Beklagten am 02.12.2013, Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass er sich schon seit zwei Jahren um eine günstige Zweizimmerwohnung bemühe, dies auf dem privaten Wohnungsmarkt aber unter 350 bis 390 Euro überhaupt nicht möglich sei. Auch bei der ... habe er sich vormerken lassen, dort seien schon 500 bis 550 Suchende vorgemerkt. Weiterhin mache er darauf aufmerksam, dass er einen gesetzlichen Anspruch auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 382 Euro bzw. 391 Euro monatlich habe, den er in den letzten Jahren nie gehabt habe, weil er immer wieder Darlehensbeträge an die Zentralkasse habe zurückzahlen müssen.

14

Mit Bescheid vom 17.12.2013 bewilligte ... dem Kläger eine bis zum 30.11.2015 befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe eines Zahlbetrags von monatlich 573,24 Euro ab dem 01.02.2014 nach Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen am 23.07.2013. Der Beklagte erhielt hierüber im Zuge der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs am 23.12.2013 eine Mitteilung durch die ....

15

Mit Änderungsbescheid vom 06.01.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 in Höhe von 836,50 Euro und für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 in Höhe von 845,50 Euro monatlich. Hierbei entfielen für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 382 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 454,50 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung, für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 jeweils 391 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 454,50 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Zur Begründung teilte der Beklagte mit, dass sich der geringfügig geänderte Betrag aus einem neuen schlüssigen Konzept ergebe. Dieser Bescheid wurde laut Aktenvermerk "an RA gesendet".

16

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2014 (Az. W-52704-00887/13) wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 26.11.2013 zurück. Der Kläger sei bereits mit Schreiben vom 05.03.2012 darauf aufmerksam gemacht worden, dass seine Unterkunftskosten aus beihilferechtlicher Sicht unangemessen seien und nicht dauerhaft übernommen werden könnten. Er sei dazu aufgefordert worden, sich um Anmietung kostengünstigeren Wohnraums zu bemühen oder seine Unterkunftskosten auf andere Art zu reduzieren. Nachweise für Bemühungen um Kostensenkung seien nicht vorgelegt worden. Ab dem 01.10.2012 sei die Kaltmiete des Klägers bei der Ermittlung des Bedarfs mit 285 Euro berücksichtigt worden.

17

Bedarfe für Unterkunft und Heizung würden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen seien. Soweit die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang überstiegen, seien sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten sei, durch Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Wohnung des Klägers sei nicht kostenangemessen. Zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten sei ein schlüssiges Konzept erarbeitet worden. Die Verbandsgemeinden und Städte im Zuständigkeitsbereich des Beklagten seien nach den Kriterien Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungsdichte, zu versteuerndem Einkommen pro Steuerpflichtigem, Siedlungsstruktur, Neubautätigkeit, Bodenpreis und Zentralität in drei Cluster eingeteilt worden. … gehöre auf Grund der durchschnittlichen Bevölkerungsentwicklung und Zentralität, überdurchschnittlichen Bevölkerungsdichte, Siedlungsstruktur und Bodenpreise, unterdurchschnittlichem Pro-Kopf-Einkommen und unterdurchschnittlicher Neubautätigkeit ebenso wie die Stadt … dem Wohnungsmarkttyp I an. Die Bestandsmieten für Wohnungen in allen Verbandsgemeinden und Städten aller drei Wohnungsmarkttypen seien durch Anfragen bei großen Vermietern und 2.000 stichprobenartigen Anschreiben an kleine Vermieter erhoben worden. Von den Anfragen an kleine Vermieter seien 750 auf den Wohnungsmarkttyp II entfallen. Von den rund 54.500 Mietwohnungen im Zuständigkeitsbereich des Beklagten seien für 779 plausible und relevante Werte ermittelt worden, von denen nach Kappung der Extremwerte 728 in die weitere Auswertung einbezogen worden seien. Für alle Wohnungsgrößengruppen in allen Wohnmarkttypen seien mindestens 20 gültige Mietwerte erhoben worden. Für den Wohnungsmarkt u.a. der Stadt … habe sich nach alldem in der 40-%-Perzentile eine durchschnittliche Nettokaltmiete für Wohnungen der hier interessierenden Größe von bis zu 50 m² von 5,70 Euro/m² bzw. bei einer Wohnungsgröße von 50 m² eine Nettokaltmiete von 285,50 Euro ergeben. Der Anteil der Bedarfsgemeinschaften betrage im gesamten Zuständigkeitsbereich des Beklagten ca. 4,5 % an allen Haushalten, der Anteil der einkommensschwachen Haushalte betrage ca. 8 %. Durch Berücksichtigung der 40 %-Perzentile werde vor diesem Hintergrund eine Ghettobildung vermieden und die Versorgung der Bedarfsgemeinschaften und Niedriglohnempfänger mit kostenangemessenem Wohnraum sichergestellt.

18

Die Vorlage einer Reihe von Wohnungsangeboten aus dem Internetangebot von www.immobilien-scout24.de sei nicht geeignet, die Angemessenheit einer Unterkunft zu begründen. Die Vorlage diverser Wohnungsanzeigen belege ebenfalls nicht ausreichende Eigenbemühungen zur Senkung der Unterkunftskosten. Es bestehe auch nicht ausnahmsweise ein Anspruch auf Zusicherung der Übernahme höherer als angemessener Kosten. Insbesondere seien keine Tatsachen erkennbar, die den sicheren Rückschluss darauf zuließen, dass der Kläger die Wohnung in absehbarer Zeit aus eigenen Mitteln werde finanzieren können. Auch aus sonstigen Gründen sei ein Ausscheiden aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II nicht absehbar. Die weiteren Unterkunftskosten, nämlich Heiz- und Betriebskosten, seien in tatsächlicher Höhe berücksichtigt worden.

19

Der Widerspruchsbescheid wurde laut Aktenvermerk am 10.01.2014 in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen.

20

Gegen den Änderungsbescheid vom 06.01.2014 erhob der Kläger mit Schreiben vom 13.01.2014 Widerspruch (Eingang beim Beklagten am 14.01.2014).

21

Mit Änderungsbescheid vom 15.01.2014 hob der Beklagte den Bescheid vom 06.01.2014 teilweise auf und bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 nur noch einen Betrag von 302,26 Euro (Bedarfe für Unterkunft und Heizung) monatlich. Zur Begründung teilte er mit, dass die von der ... gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 543,24 Euro monatlich als Einkommen berücksichtigt werde. Die Entscheidung beruhe auf § 48 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II. Die Entscheidung vom 06.01.2014 sei mit Wirkung für die Zukunft im Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 teilweise aufzuheben, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei.

22

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2014 (Az. W-52704-00027/14) verwarf der Beklagte den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 06.01.2014 als unzulässig. Der Bescheid vom 06.01.2014 sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens W-52704-00887/13 geworden und könne nicht in einem weiteren neuen Widerspruchsverfahren isoliert angefochten werden.

23

Am 17.01.2014 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 600 Euro mit monatlicher Tilgung von 30 Euro ab März 2014. Der Kläger begründete den Antrag damit, dass er seine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erst Ende Februar 2014 erhalte und deshalb nicht in der Lage sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen.

24

Mit Bescheid vom 24.01.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger das beantragte Darlehen über 600 Euro gegen monatliche Tilgungsraten von 30 Euro ab dem 01.02.2014, die gegen die laufenden Leistungen aufgerechnet werden sollten.

25

Mit Schreiben vom 26.01.2014 (Eingang beim Beklagten am 27.01.2014) erhob der Kläger Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 15.01.2014. Zur Begründung teilte er mit, dass für Versicherungen nur ein Pauschalbetrag von 30 Euro berücksichtigt worden sei. Tatsächlich habe er Beträge für Versicherungen in Höhe von 35,19 Euro monatlich zu zahlen (Hausratversicherung: 5,01 Euro, Haftpflichtversicherung: 8,01 Euro, Glasversicherung: 3,20 Euro, Kfz-Haftpflichtversicherung: 18,97 Euro). Der Kläger legte Nachweise hierfür vor.

26

Mit Änderungsbescheid vom 30.01.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 in Höhe von 321,23 Euro monatlich (Bedarfe für Unterkunft und Heizung) und hob den Änderungsbescheid vom 15.01.2014 insoweit auf. Zur Begründung teilte der Beklagte mit, dass auf Grund der Berücksichtigung der Kfz-Haftpflichtversicherung als Absetzungsbetrag für den genannten Zeitraum 18,97 Euro monatlich mehr als bisher bewilligt würden.

27

Der Kläger hat am 10.02.2014 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass es sich bei seiner Wohnung um eine angemessene Wohnung handele. Unabhängig davon bemühe er sich schon seit zwei Jahren um eine noch günstigere Wohnung. Die Mietpreise beliefen sich auf dem privaten Wohnungsmarkt jedoch zwischen 350 Euro und 390 Euro. Ferner habe er sich bei der … & Co. KG für eine Zweizimmerwohnung vormerken lassen. Zu beachten sei jedoch, dass bereits etwa 500 bis 550 Suchende vorgemerkt seien. Im Übrigen sei ihm ein Umzug auch subjektiv nicht zumutbar, jedenfalls nicht in eine beliebige Wohnung. Er leide an Asthma und Atemnot. Ferner habe er gesundheitliche Probleme am rechten Bein. Dort klemme sich ein Nerv in die Leiste ein, insbesondere bei Belastung des Beins. Daneben bestünden Schwerhörigkeit und Gleichgewichtsstörungen. Er beziehe daher seit Februar 2014 ein Erwerbsunfähigkeitsrente, die vorerst befristet sei. Auf Grund seines gesundheitlichen Zustands könne er einen Umzug derzeit auch nicht selbst durchführen. Er sei nicht belastbar. Die Umzugskosten müssten ebenfalls vom Beklagten getragen werden. Auch die Möbel seien nicht umzugsfähig, so dass er sich auch diesbezüglich an den Beklagten wenden müsste. Ein Umzug wäre daher insgesamt unwirtschaftlich.

28

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2014 (W-52704-00074/14) verwarf der Beklagte den Widerspruch vom 26.01.2014 gegen den Bescheid vom 15.01.2014 als unzulässig. Der Bescheid vom 15.01.2014 sei Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden und könne nicht in einem weiteren neuen Widerspruchsverfahren isoliert angefochten werden.

29

Mit Bescheid vom 25.02.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.04.2014 bis zum 30.09.2014.

30

Mit Änderungsbescheid vom 26.03.2014 hob der Beklagte die Bescheide vom 26.11.2013, 06.01.2014, 15.01.2014 und 30.01.2014 teilweise auf und bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 in Höhe von 840,72 Euro, für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 in Höhe von 849,72 Euro und für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 in Höhe von 325,45 Euro monatlich. Hierbei entfielen für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 382 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 458,72 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung, für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 391 Euro auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 458,72 Euro auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung sowie für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 325,45 Euro ausschließlich auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Zur Begründung teilte der Beklagte mit, dass Beheizung und Wassererwärmung über eine Kombigastherme erfolgten und deshalb zusätzliche Heizkosten anerkannt würden. Der Beklagte schlüsselte die auf die Unterkunfts- und Heizungskosten entfallenden Bedarfspositionen wie folgt auf: Grundmiete 285,50 Euro, Heizung 51,00 Euro, Nebenkosten 118,00 Euro, zusätzliche Stromkosten Heizung 4,22 Euro.

31

Im Laufe des Klageverfahrens hat der Kläger seinen Vortrag dahingehend erweitert, dass die Berücksichtigung eines Betrags von 4,22 Euro an Stromkosten im Rahmen der Kosten der Unterkunft und Heizung für den Betrieb der Gastherme und der Zeitschaltuhr nicht ausreichend sei. Die Gastherme sei für die Warmwasseraufbereitung ganzjährig in Betriebsbereitschaft, im Heizungsbetrieb laufe sie für sechs bis sieben Monate im Jahr. Die Zeitschaltuhr laufe das ganze Jahr über. Mit Strom versorgt würden die elektronische Steuerung der Therme, die Heizungsumwälzungspumpe, die elektronische Zündung und die Zeitschaltuhr.

32

Dem Kläger entstünden auch erhebliche Mehrkosten für die Lebensführung und Ernährung auf Grund seines im März 2014 erstdiagnostizierten Diabetes mellitus Typ II.

33

Der Kläger beantragt,

34

den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 26.11.2013 und 06.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.01.2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15.01.2014, 30.01.2014 und 26.03.2014 zu verurteilen, dem Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung ab dem 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zu bewilligen und zu zahlen.

35

Der Beklagte beantragt,

36

die Klage abzuweisen.

37

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Darüber hinaus weist der Beklagte auf die Kostensenkungsaufforderung vom 05.03.2012 hin und äußert die Auffassung, dass die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers keinen erhöhten Wohnflächenbedarf begründeten. Auch sei eine Kostensenkung durch Umzug nicht unwirtschaftlich. Im Übrigen sei § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II nicht drittschützend.

38

Der Beklagte hat dem Gericht ein "Schlüssiges Konzept zur Ermittlung der KdU-Kosten im …" vorgelegt. Dieses Konzept wurde von der Firma ...), im Juni 2013 erstellt. Zur Erstellung des Konzeptes hat … in einem ersten Schritt Wohnungsmarkttypen zur regionalen Differenzierung des Kreisgebiets gebildet, in einem zweiten Schritt eine (nach eigenen Angaben) repräsentative Erhebung von Bestandsmieten durchgeführt, in einem dritten Schritt aktuelle Bestandsmieten erhoben und abschließend regionalisierte Mietpreisobergrenzen unter Einbeziehung von Bestands- und Angebotsmieten "ermittelt". Das Konzept sieht eine Aufteilung des Kreisgebietes in drei Wohnungsmarkttypen vor, für die jeweils eigene Mietobergrenzen gelten sollen. Der Wohnungsmarkttyp I umfasst die Städte … und …, der Wohnungsmarkttyp II die Verbandsgemeinden … und W… und der Wohnungsmarkttyp III die Verbandsgemeinden …. Diese Wohnungsmarkttypen wurden mittels einer Clusteranalyse auf Basis verschiedener Indikatoren (Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungsdichte, Siedlungsstruktur, Pro-Kopf-Einkommen, Neubautätigkeit, Bodenpreis, Zentralität) gebildet. ... erhob sodann Daten von Bestands- und Angebotsmieten und wertete diese bezogen auf Wohnungsmarkttypen und Wohnflächenklassen aus. Das Konzept sieht im Ergebnis eine Angemessenheitsgrenze für die Nettokaltmiete in Höhe von 285,50 Euro für Einpersonenhaushalte im Wohnort des Klägers … vor.

39

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakte einschließlich des von … erstellten Konzeptes und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (zwei Bände) verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

40

Der Rechtsstreit ist gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. §§ 13 Nr. 11, 80 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) auszusetzen und es ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber einzuholen, ob die §§ 19 Abs. 1, 19 Abs. 3 S. 1, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (BGBl. I Nr. 23, S. 868) insoweit mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sind, als die für die Höhe der Grundsicherungsleistungen maßgeblichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung lediglich in Höhe eines als "angemessen" bezeichneten Teils der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden.

41

Der Befund der Verfassungswidrigkeit basiert auf der Überzeugung der Kammer, dass es dem Gesetzgeber verwehrt ist, die Höhe des Anspruchs auf Leistungen zur Existenzsicherung im Bereich der Unterkunftsbedarfe ausschließlich unter Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ zu begrenzen (vgl. auch die bereits anhängigen Urteilsverfassungsbeschwerden 1 BvR 617/14 und 1 BvR 944/14).

42

Nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG (konkrete Normenkontrolle) hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG ist zu begründen, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.11.2014 - 2 BvL 2/11 - Rn. 5 - alle Gerichtsentscheidungen zitiert nach juris, wenn nicht anders angegeben). Die Voraussetzungen für ein konkretes Normenkontrollverfahren sind vorliegend erfüllt.

I.

43

Die Zuständigkeit des BVerfG ist gegeben, da das vorlegende Gericht ein Bundesgesetz für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar hält (Art. 100 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG).

II.

44

Die vorlegende Kammer ist als Spruchkörper des Sozialgerichts Mainz ein vorlageberechtigtes Gericht im Sinne des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG.

III.

45

Bei der als verfassungswidrig gerügten Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II handelt es sich um ein formelles, nachkonstitutionelles Bundesgesetz. Somit liegt ein vorlagefähiger Gegenstand vor.

IV.

46

Die Kammer ist von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes überzeugt.

47

Der für die Höhe der zu berücksichtigenden Unterkunftsbedarfe - abgesehen von der Beschränkung auf die tatsächlichen Aufwendungen - nach dem Gesetz allein maßgebliche Begriff der "Angemessenheit" verfügt nicht über eine hinreichende Aussagekraft, um den aus dem Demokratieprinzip resultierenden Bestimmtheitserfordernissen einer gesetzgeberischen Gestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) zu genügen. Aus diesem Grund ist auch eine verfassungsrechtliche Überprüfung des Gesetzes im Wege der Evidenzkontrolle hinsichtlich der Wahrung des Existenzminimums (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 141 und Rn. 151 ff.) von vornherein ausgeschlossen. Für eine Prüfung der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 142 ff. und Rn. 159 ff.) fehlt es gleichfalls an einem hinreichend bestimmten gesetzlichen Anspruch als Bezugspunkt. Die diesbezüglich durch das BVerfG entwickelten Minimalanforderungen sind schon deshalb nicht gewahrt, weil der Gesetzgeber bezogen auf Unterkunftsbedarfe das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, nicht in einer Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben und weder ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt noch die hierfür erforderlichen Tatsachen ermittelt hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 143).

48

Die Kammer hat sich mit der Frage der Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II einschließlich der Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung und der zu dieser Thematik veröffentlichten Rechtsprechung und Literatur ausführlich auseinandergesetzt.

49

Der Begriff der Angemessenheit im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II wurde durch Rechtsprechung und Literatur in zahlreichen Entscheidungen und Beiträgen konkretisiert, wobei nach Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung bzw. einer möglichen verfassungskonformen Auslegung thematisiert wurde.

50

1. Die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (BSG) haben ihre Rechtsprechung zur Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zunächst weitgehend ohne ausdrückliche Anbindung an verfassungsrechtliche Fragestellungen (vgl. aber BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 1/08 R - Rn. 15) entwickelt und sich hierbei an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum früheren Bundessozialhilfegesetz (BSHG) orientiert (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 17). Das BSG hat den Begriff der "Angemessenheit" des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bis zum Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert (u.a. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 17 ff.; BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 24 ff.; BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 34/06 R; BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11b AS 44/06 R; BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R; BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R; BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R) und hierbei die Anforderungen an die zur Entscheidung berufenen Leistungsträger und Tatsachengerichte allmählich verfeinert (vgl. Berlit, info also 2010, S. 195; umfassende Darstellungen auch bei Boerner in: Löns/Herold-Tews, SGB II, § 22 Rn. 6 ff., 3. Auflage 2011; Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 44 ff., 5. Auflage 2013; Lauterbach in: Gagel SGB II / SGB III, § 22 SGB II Rn. 33 ff., 55. Ergänzungslieferung 2014; Piepenstock in jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 65 ff., 3. Auflage 2012, Stand: 01.12.2014; Wiemer, NZS 2012, S. 9 ff.).

51

1.1 Das BSG geht demnach davon aus, dass § 22 SGB II mit seinen tatbestandlichen Voraussetzungen an die sozialhilferechtlichen Regelungen anknüpfe (BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R - Rn. 15).

52

Es ist darüber hinaus der Auffassung, der Begriff der "Angemessenheit" unterliege als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 21 ff.). Ein Beurteilungsspielraum sei dem Leistungsträger nicht zuzubilligen. Folgerichtig hat das BSG in den beiden Urteilen, die zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen nach § 22 Abs. 1 S. 1 2. Hs. SGB II bisher ergangen sind und (anders als alle anderen etwa 40 Entscheidungen) nicht zu einer Zurückverweisung an die Tatsacheninstanz führten, nicht die ursprüngliche Konzeption des Leistungsträgers auf deren Schlüssigkeit, sondern die Verifikation der Angemessenheitsgrenzen anhand eigener Ermittlungen und Wertungen durch die Tatsacheninstanzen geprüft (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 24 ff.; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - Rn. 26 und Rn. 28).

53

Der Begriff der Angemessenheit soll nach dem BSG in einem mehrstufigen Verfahren weiter konkretisiert werden, wonach in einem ersten Schritt eine abstrakt angemessene Wohnungsgröße und ein angemessener Wohnungsstandard festzustellen, in einem zweiten Schritt ein räumlicher Vergleichsmaßstab zu bilden, in einem weiteren Schritt mit Hilfe eines "schlüssigen Konzepts" des Leistungsträgers die Höhe der Kosten für eine angemessene Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt zu ermitteln und abschließend zu prüfen sei, ob eine abstrakt angemessene Wohnung durch den Hilfesuchenden konkret hätte angemietet werden können (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 22; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - Rn. 14). Im Streitfall sei das der Bestimmung der Kosten zu Grunde liegende Konzept von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und gegebenenfalls ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen (BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 16).

54

Die angemessene Wohnfläche bestimmt das BSG bezogen auf die Anzahl der Personen in der Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II (BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 - Rn. 21) anhand der Verwaltungsvorschriften zur Förderungsfähigkeit im sozialen Wohnungsbau, die die Länder nach § 10 WoFG als Förderhöchstgrenze festsetzen dürfen. Dies führt teilweise zu Abweichungen bezüglich der als angemessen angesehenen Wohnfläche zwischen den Bundesländern (vgl. zu Einpersonenhaushalten: BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 21 - Baden-Württemberg; BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 132/10 R - Rn. 20 - Bremen; BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R - Rn. 17 - Nordrhein-Westfalen; Übersicht bei Boerner in: Löns/Herold-Tews, SGB II, § 22 Rn. 25, 3. Auflage 2011).

55

Zur Abgrenzung des räumlichen Vergleichsmaßstabs ist nach der Rechtsprechung des BSG ein "Vergleichsraum" zu bilden, der Bezugspunkt für die Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt und für den als angemessen anzunehmenden Quadratmetermietpreis sein soll. Mit dem Vergleichsraum soll beschrieben werden, welche ausreichend großen Räume der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 21). Bei kreisfreien Städten hat das BSG bislang in jedem entscheidungserheblichen Fall angenommen, dass der Vergleichsraum mit dem Stadtgebiet identisch sei (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 18 - Berlin - einerseits und BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 73/08 R - Rn. 25 - Zweibrücken - andererseits).

56

Der angemessene Wohnungsstandard wird durch das BSG dahingehend weiter konkretisiert, dass lediglich ein einfacher und im unteren Marktsegment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung vorliegen solle (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 24), bzw. dass die Aufwendungen für die Wohnung nur dann angemessen seien, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genüge und keinen gehobenen Wohnstandard aufweise und es sich um eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt handle (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 14). Dieser Wohnstandard solle sich im Quadratmetermietpreis niederschlagen, welcher gemeinsam mit der angemessenen Wohnungsgröße einen der beiden Faktoren für die abstrakte Angemessenheitsgrenze bilde (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 17). Die "Ermittlung" des angemessenen Quadratmetermietpreises ist der eigentliche Gegenstand der Rechtsprechung zum "schlüssigen Konzept" (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 17 ff.). Hierdurch soll unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln innerhalb eines Vergleichsraums gewährleistet werden (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 18).

57

Für die konkrete Bestimmung der Angemessenheitsgrenze seien auf Grundlage eines "schlüssigen Konzepts" Daten über den örtlichen Wohnungsmarkt zu erheben. Ein qualifizierter Mietspiegel könne hierfür die Grundlage sein. Hierbei stellt das BSG zahlreiche qualitative Anforderungen auf und verlangt "Angaben über die gezogenen Schlüsse". Unter dem "schlüssigen Konzept" versteht das BSG ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 19). Schlüssig sei das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfülle (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 19):

58

Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),

59

es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete , Differenzierung nach Wohnungsgröße,
Angaben über den Beobachtungszeitraum,
Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
Validität der Datenerhebung,
Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)."

60

Die Verwaltung sei mangels normativer Vorgaben durch den Gesetz- und Verordnungsgeber nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise festgelegt (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 20). Ein schlüssiges Konzept, welches vorrangig der Grundsicherungsträger vorzulegen habe, müsse grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 21).

61

Das Produkt aus angemessenem Quadratmetermietpreis und angemessener Wohnungsgröße ergebe die für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten maßgebliche Mietobergrenze (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 20).

62

Für den Fall, dass ein schlüssiges Konzept für den festgelegten Vergleichsraum nicht erarbeitet werden könne, seien grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese würden dann für den streitigen Zeitraum durch die Tabellenwerte aus § 8 Abs. 1 Wohngeldgesetz (WoGG) in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (rechte Spalte) bzw. § 12 Abs. 1 WoGG in den ab dem 01.01.2009 geltenden Fassungen zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R - Rn. 24; BSG, Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - Rn. 19).

63

1.2 Das Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) wurde in den seither ergangenen Entscheidungen des BSG zur Frage der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung zunächst nicht rezipiert (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 74/08 R; BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 73/08 R; BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R; BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 15/09 R; BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R; BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R; BSG, Urteil vom 06.04.2011 - B 4 AS 119/10 R; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 106/10 R; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 32/09 R; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 85/09 R; BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 86/09 R; BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 132/10 R; BSG, Urteil vom 23.08.2011 - B 14 AS 91/10 R; BSG, Urteil vom 06.10.2011 - B 14 AS 131/10 R; BSG, Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R; BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R; BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R; BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 13/12 R; BSG, Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R; BSG, Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 61/12 R; BSG, Urteil vom 16.04.2013 - B 14 AS 28/12 R; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 4/13 R; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R; BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R; BSG, Urteil vom 06.08.2014 - B 4 AS 37/13 R). Erwähnung (ohne inhaltliche Auseinandersetzung) fand es lediglich im Urteil des 14. Senats vom 13.04.2011 (B 14 AS 106/10 R - Rn. 40). Dies hat sich erst in jüngerer Zeit geändert, zuerst in Bezug auf Heizkosten (BSG, Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R - Rn. 21), dann im Zusammenhang mit Satzungen, die auf Grund landesrechtlicher Ermächtigungen nach den §§ 22a bis 22c SGB II erlassen wurden (BSG, Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - Rn. 30, 33 und 34 ff.; BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 53/13 R - Rn. 38).

64

Die Frage, ob § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II bzw. die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar ist, hat das BSG bislang in Urteilen nicht thematisiert. Allerdings haben beide derzeit zuständigen Senate des BSG in mehreren Fällen Nichtzulassungsbeschwerden als unzulässig verworfen, die auf eine Klärung dieser Rechtsfragen abzielten (BSG, Beschluss vom 10.01.2014 - B 4 AS 379/13 B - BeckRS 2014, 65972; BSG, Beschluss vom 10.01.2014 - B 4 AS 382/13 B - BeckRS 2014, 65975; BSG, Beschluss vom 10.01.2014 - B 4 AS 383/13 B - BeckRS 2014, 65976; BSG, Beschluss vom 27.01.2014 - B 14 AS 317/13 B - BeckRS 2014, 66500; BSG, Beschluss vom 27.01.2014 - B 14 AS 318/13 B - BeckRS 2014, 66877; BSG, Beschluss vom 17.02.2014 - B 14 AS 355/13 B - BeckRS 2014, 66962; BSG, Beschluss vom 07.04.2014 - B 14 AS 311/13 B).

65

Den Entscheidungen des BSG und den Verlautbarungen von den Grundsicherungssenaten des BSG angehörigen Richterinnen in Literaturbeiträgen (vgl. BSG, Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R - Rn. 21; BSG, Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - Rn. 33; Knickrehm, NZM 2013. S. 602 ff.; dies., SozSich 2010, S. 193; dies., jM 2014, S. 339; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, S. 144 ff.) lässt sich jedoch entnehmen, dass sich das BSG der Grundrechtsrelevanz des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bewusst ist und die eigene Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs für verfassungskonform im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG hält. Dies wird letztendlich damit begründet, dass mit den vom BSG an die Verwaltung und die Instanzrechtsprechung gerichteten Vorgaben zur Entwicklung schlüssiger Konzepte zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten den Rationalitäts- und Transparenzanforderungen des BVerfG Rechnung getragen werden könne (vgl. Knickrehm, jM 2014, S. 340). Mit Fragen der demokratischen Legitimation hat sich das BSG bislang ausschließlich im Zusammenhang mit den Satzungsermächtigungsregelungen der §§ 22a bis 22c SGB II befasst (BSG, Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - Rn. 34 ff.; BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 53/13 R - Rn. 38).

66

Das Problem der mangelnden Bestimmtheit des Angemessenheitsbegriffs thematisiert das BSG im Zusammenhang mit der Frage, ob der Verwaltung ein Beurteilungsspielraum einzuräumen ist (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 24), jedoch nicht im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes.

67

2. Der für das Sozialhilferecht (SGB XII) zuständige 8. Senat des BSG hat sich der Rechtsprechung der für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zuständigen Senate in Bezug auf die Parallelvorschrift des § 29 Abs. 1 S. 3 SGB XII a.F. (inzwischen ersetzt durch § 35 Abs. 2 S. 2 SGB XII n.F.) angeschlossen (BSG, Urteil vom 23.03.2010 - B 8 SO 24/08 R - Rn. 14 ff.).

68

3. Einige Sozialgerichte haben die Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" als nicht vereinbar mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs.1 GG, wie es im Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) näher bestimmt worden ist, angesehen, jedoch eine verfassungskonforme Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II für möglich gehalten.

69

3.1 Die 17. Kammer des SG Mainz vertrat mit Urteil vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) und in weiteren Entscheidungen (Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 751/12; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13; Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12; zur Parallelregelung in § 35 Abs. 2 S. 2 SGB XII: Urteil vom 22.10.2012 - S 17 SO 145/11) die Auffassung, dass die Rechtsprechung des BSG zur Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verstoße, die Regelung als solche jedoch einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich sei.

70

Der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verwendete "unbestimmte Rechtsbegriff" der "Angemessenheit", welcher der alleinige normtextliche Anknüpfungspunkt für die Beschränkung der Übernahme der Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sei, genüge den im Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) durch das BVerfG gestellten Anforderungen nicht. Indem das BSG in Fortführung der Rechtsprechung des BVerwG zum Sozialhilferecht den Angemessenheitsbegriff ausgehend von einem einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnstandard im Sinne einer allgemein anzuwendenden Mietobergrenze konkretisiere, bestimme es den Umfang der zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen im Wesentlichen selbst bzw. gebe der Verwaltung die Rahmenbedingungen hierfür vor. Dies betreffe den vom Existenzminimum umfassten Unterkunftsbedarf unmittelbar und - wenn nicht die vollen Unterkunftskosten übernommen würden - mittelbar auch die durch die Regelbedarfspauschale gedeckten Kosten. Das BSG verwende den Angemessenheitsbegriff somit als normtextlichen Ausgangspunkt und Rechtfertigungsgrund für die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums. Auf Grund seiner Entstehungsgeschichte und seiner Unbestimmtheit sei der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hierzu angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht geeignet (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 68).

71

Der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II selbst sei jedoch einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Dass der Gesetzgeber die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung ausdrücklich unter einen Angemessenheitsvorbehalt stelle, dürfe hierbei nicht zum Zwecke der Erhaltung eines verfassungsgemäßen Zustands übergangen, sondern müsse einer Konkretisierung zugeführt werden, welche dem Grundrecht auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums mit seinen prozeduralen Implikationen nicht widerspreche (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 86). Eine verfassungskonforme Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs setze daher voraus, dass sie mit Wortlaut und Systematik des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II vereinbar sei. Dazu müsse berücksichtigt werden, dass der Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber zur Bestimmung des Umfangs des Anspruchs auf das unterkunftsbezogene Existenzminimum nicht unterlaufen werde. Demzufolge müsse der Angemessenheitsbegriff so konkretisiert werden, dass er eine andere Funktion einnehme als die der Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums. Im semantischen und systematischen Kontext habe der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II dennoch eine Begrenzungsfunktion, die jenseits (im Sinne von oberhalb) des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums für die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums liegen müsse. Da dem Gesetzgeber in dem Bereich, der über die physische Existenzsicherung hinausgehe, ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe, könne die Angemessenheitsgrenze funktionell nur im Sinne der Missbrauchsverhütung verstanden werden. Eine sinnvolle und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Funktion des Angemessenheitsbegriffs könne demzufolge sein, die staatliche Leistungspflicht nur in Einzelfällen zu begrenzen, in denen Leistungsberechtigte hinsichtlich ihrer Unterkunft erkennbar über den ortsüblichen Verhältnissen lebten (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 87).

72

Die Kammer konkretisiere den Angemessenheitsbegriff daher in der Weise, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft seien, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum lägen (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 84).

73

3.2 Die 20. Kammer des SG Leipzig kommt im Urteil vom 15.02.2013 (S 20 AS 2707/12 - Rn. 41 ff.; bestätigt im Urteil vom 16.12.2013 - S 20 AS 879/11 - Rn. 72) zu einem ähnlichen Ergebnis. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Es sei weder Aufgabe der Verwaltung noch der Rechtsprechung, die Höhe bzw. den Umfang des sich aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ergebenden Leistungsanspruchs zu bestimmen. Dies sei allein Sache des Gesetzgebers und zwar, da es sich beim SGB II um Bundesrecht handele, primär des Bundesgesetzgebers. Denn auch die Leistungen für Unterkunft und Heizung gehörten mit zum existenznotwendigen Bedarf. Die derzeit geltende Regelung sei jedoch als gesetzliche Grundlage für einen individuellen Sozialleistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge gerade nicht hinreichend bestimmt. Denn ließen sich angemessene Kosten ebenso einfach und klar bestimmen wie tatsächliche Kosten, gäbe es nicht schon seit Jahren die andauernde Flut von Rechtsstreitigkeiten um die von den Leistungsträgern anzuerkennenden Unterkunftskosten. Durch die Satzungslösung (§§ 22a bis 22c SGB II) sei bislang noch keine Abhilfe geschaffen. Die eigentliche Problemlösung, die Konkretisierung des sich aus § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ergebenden Anspruchs, sei nur verschoben, nämlich auf die nachgeordneten Gesetzgebungsinstanzen, die Länder und Kommunen. Ob auch sie als „der Gesetzgeber“ im Sinne der Entscheidung des BVerfG vom 09.02.2010 anzusehen seien, könne dahinstehen. Bis zum Vorliegen eines vom BVerfG geforderten, hinreichend konkreten Gesetzes zum existenznotwendigen Unterkunftsbedarf stelle sich für die Rechtsprechung und Verwaltung nur die Frage, ob und gegebenenfalls wie § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verfassungskonform ausgelegt werden könne. Eine verfassungskonforme Interpretation sei aus Sicht der Kammer möglich. Denn die Regelung erscheine nicht insgesamt verfassungswidrig. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sei nicht völlig unklar bzw. unbestimmt. Die Vorschrift werde es nur durch den angehängten zweiten Halbsatz. Erst dieser stelle den sich aus dem ersten Halbsatz zunächst eindeutig ergebenden Leistungsanspruch wieder in Frage. Die Kammer lege die Vorschrift so aus, dass vorrangig der Teil maßgeblich sei, der den verfassungsrechtlichen Vorgaben genüge. Das sei der erste Halbsatz, der auf die tatsächlichen Kosten abstelle. Der verbleibende Teil, der defizitäre zweite Halbsatz, sei lediglich in Ausnahmefällen heranzuziehen. Er könne vorläufig nur als eine Art Korrektiv dienen, nämlich dann, wenn die Unterkunftsverhältnisse bzw. -kosten in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den sonstigen Lebensumständen des Alg-II-Empfängers stünden. Bewegten sich die Unterkunftsverhältnisse bzw. -kosten hingegen im gewöhnlichen, d.h. durchschnittlichen Rahmen, seien sie vollständig zu übernehmen.

74

3.3 Auch die 20. Kammer des SG Dresden vertritt im Urteil vom 25.01.2013 (S 20 AS 4915/11 - Rn. 26 ff.; offen gelassen hingegen im Urteil vom 07.04.2014 - S 20 AS 13/14 - Rn. 31) die Auffassung, dass die Rechtsprechung des BSG mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht vereinbar sei. Sie hält jedoch eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend für möglich, dass als angemessene Unterkunftskosten stets die um 10 % erhöhten Höchstwerte nach § 12 WoGG angesehen werden könnten.

75

Zur Begründung ihrer Auffassung führt die Kammer aus, dass die Grenzen der möglichen verfassungskonformen Auslegung überschritten seien, wenn die Rechtsprechung selbst ohne entsprechende Vorgaben durch den Gesetzgeber umfangreiche Anforderungen an eine die Existenzsicherung beschränkende Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffes stelle. Das vom BVerfG geforderte transparente und sachgerechte Verfahren sei nicht eingehalten, wenn der vom Gesetzgeber lediglich vorgegebene unbestimmte Rechtsbegriff „angemessen“ auf Grund von der Rechtsprechung entwickelter Vorgaben von der zuständigen Behörde ausgefüllt werden müsse. Eine Deckelung der (angemessenen) Bedarfe der Unterkunft, die den Vorgaben des BVerfG genüge, könne daher allenfalls auf der Grundlage von §§ 22a bis 22c SGB II erfolgen. Wie problematisch die Rechtsprechung des BSG zum „schlüssigen Konzept“ sich in der Praxis auswirke, könne bereits daraus ersehen werden, dass es bislang soweit ersichtlich bundesweit erst einem Jobcenter gelungen sei, ein „schlüssiges Konzept“ zu erstellen, das vor dem BSG Bestand gehabt habe. Die Rechtsprechung des BSG habe in diesem Kernbereich des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums keinerlei Rechtssicherheit gebracht, sondern vielmehr für einen erheblichen Teil der auf Grundsicherungsleistungen angewiesenen Menschen zu dauerhafter Unsicherheit über einen beträchtlichen Teil der ihnen zustehenden Leistungen geführt. Solange keine den Vorgaben des BVerfG genügende Regelung über die Ermittlung der Angemessenheit der Bedarfe der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zur Verfügung stehe, erscheine es der Kammer angezeigt, in diesem Zusammenhang auf die vom Gesetzgeber in einem dem vom BVerfG verlangten nahekommenden Verfahren errechneten Werte der Tabelle in § 12 Abs. 1 WoGG zurückzugreifen und diese um einen maßvollen Zuschlag von 10 % zu erhöhen.

76

4. Es liegen mehrere instanzgerichtliche Entscheidungen vor, die sich kritisch mit der Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in den genannten Entscheidungen der Sozialgerichte Mainz, Leipzig und Dresden befassen und (wie der Großteil der Rechtsprechung im Übrigen) dem Grunde nach der Auffassung des BSG beitreten.

77

4.1 Der 1. Senat des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41; Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - Rn. 39; dem folgend: SG Karlsruhe Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 53 f.) vertritt in nahezu wörtlicher Anlehnung an Link (in: jurisPK-SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014) die Auffassung, dass der Gesetzgeber auch im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 und 20 Abs. 1 GG grundsätzlich dazu berechtigt gewesen sei, die Übernahme der Kosten für die Unterkunft und Heizung im Grundsicherungsbereich davon abhängig zu machen, dass diese „angemessen“ seien. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichere nach der Rechtsprechung des BVerfG jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich seien. Die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessen“ im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II biete mit dem eigens hierfür entwickelten schlüssigen Konzept gerade ein - vom BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 gefordertes - transparentes und sachgerechtes Verfahren, um realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren die Angemessenheit der Kosten für die Unterkunft und Heizung zu ermitteln. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass das BVerfG ausdrücklich betont habe, dass bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zukomme, der die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs umfasse. Mit Hilfe des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessen“ und der insofern gefestigten Rechtsprechung des BSG würden die Verwaltung und die Gerichte in die Lage versetzt, den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort im Wege einer Einzelfallprüfung Rechnung zu tragen. Damit könnten im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft und Heizung diejenigen materiellen Voraussetzungen ermittelt werden, die für die physische Existenz des Hilfesuchenden (Grundbedürfnis „Wohnen“) unerlässlich seien. Die vom SG Mainz präferierte „verfassungskonforme Auslegung“ in der Weise, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft seien, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum lägen („offenkundiges Missverhältnis“), stelle letztendlich nichts anderes als eine (wenn auch von einem anderen Ausgangspunkt ausgehende) Substitution des schlüssigen Konzepts dar, die jedoch gerade im Hinblick auf das vom BVerfG geforderte transparente, nachvollziehbare und schlüssige Verfahren zur Ermittlung der Bedarfe nicht zu überzeugen vermöge. Denn nach welchen Kriterien und nach welchem Verfahren ermittelt werden solle, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die geltend gemachten Unterkunftskosten „deutlich über den üblichen Unterkunftskosten“ lägen und mithin ein „offenkundiges Missverhältnis“ bestehe, habe das SG Mainz im Urteil vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) nicht dargelegt. Vielmehr greife es zur Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse auf einen qualifizierten Mietspiegel zurück, "der jedoch nach der Rechtsprechung des BSG (...) in Ermangelung eines anderen schlüssigen Konzepts zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete herangezogen" werden könne (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41).

78

4.2 Die 49. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 10.09.2013 - S 49 AS 8234/10 - Rn. 54 ff.; dem folgend: Sächsisches LSG, Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 637/12 - Rn. 63 ff.) konstatiert in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung der 17. Kammer des SG Mainz, dass die Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nicht einem Parlamentsgesetz vorbehalten sei. Einem solchen unterliege nur die Bestimmung des Existenzminimums. § 22 SGB II gehe über dieses Minimum jedoch deutlich hinaus. Er bestimme, dass die tatsächlichen Kosten bis an die Grenze der Angemessenheit zu ersetzen seien und ziehe damit eine Obergrenze. Das Existenzminimum bedeute dagegen die Bestimmung einer Untergrenze. Die Bestimmung einer zur Wahrung des Existenzminimums im Bereich von Unterkunft und Heizung relevanten Untergrenze käme nur in der Form einer Definition des erforderlichen Wohn- und Heizstandards in Betracht, also der Bestimmung einer Mindestwohnfläche und -ausstattung und des Mindestumfangs des Heizniveaus. Selbst wenn dies bundes- oder landeseinheitlich bestimmt werden könnte, würde dies nicht die zur Wahrung dieses Standards erforderlichen Aufwendungen betreffen, denn diese würden im Gegensatz zum Warenkorb des Regelsatzes nach § 20 SGB II durch die Besonderheiten regionaler Märkte beeinflusst. Dieser Umstand finde in den verschiedenen Mietstufen der Wohngeldtabelle seinen Ausdruck. Zumindest die existenznotwendigen Kosten der Unterkunft könnten weder Bundes- noch Landesgesetzgeber in einer für das gesamte Bundes- oder Landesgebiet hinreichend zuverlässigen und transparenten Weise sachgerecht ermitteln, wie sie das BVerfG für die Ermittlung des Existenzminimums verlange. Weil überdies Ansatzpunkte fehlten, die befürchten ließen, dass der nach der Rechtsprechung des BSG für die Beurteilung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zu Grunde zu legende Wohnstandard die aus der Gewährleistung des Existenzminimums herzuleitenden Mindeststandards unterschreiten könnte, könne bei der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft auf eine formal-gesetzliche Grundlage verzichtet werden. Wäre zur Bestimmung der angemessenen Kosten von Unterkunft und Heizung ein Parlamentsgesetz erforderlich, dessen Zustandekommen den für die Bemessung des Existenzminimums geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müsse, hätte es für den 1. Senat des BVerfG nahe liegen müssen, in seiner Entscheidung über den Regelsatz des Arbeitslosengeldes II gemäß § 78 S. 2 BVerfGG auch § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II als aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären. Dies sei jedoch nicht geschehen. Insofern gehe wohl auch das BVerfG davon aus, dass § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II aus verfassungsrechtlicher Sicht anders zu beurteilen sei und Fragen der Gewährleistung des Existenzminimums nicht unmittelbar aufwerfe.

79

4.3 Im Rahmen eines ablehnenden Beschlusses in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren führt der 2. Senat des LSG-Baden-Württemberg (Beschluss vom 28.10.2013 - L 2 SO 1510/13 NZB - Rn. 12 ff.) - wohl bezogen auf die Parallelvorschrift des § 35 Abs. 2 S. 2 SGB XII - aus, dass das BSG zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II - wenn auch nicht ausdrücklich - bereits Stellung genommen habe. Das BSG habe bereits im Urteil vom 07.11.2006 (B 7b AS 10/06 R - Rn. 24 u. 28) ausgeführt, § 22 Abs. 1 SGB II gestehe „nur eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt“ sowie einen „einfachen und im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad“ zu. Diese Rechtsprechung sei fortan fortgeführt worden, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass die Vereinbarkeit des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit mit verfassungsrechtlichen Anforderungen bereits geprüft worden sei. Dass das BSG in einer zukünftigen Entscheidung hiervon abweichen werde, sei aus derzeitiger Sicht nicht zu erwarten, zumal auch das SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09) in seiner Entscheidung weiter mit dem Begriff der Angemessenheit agiere, diesen bzw. die Grenze der Unangemessenheit lediglich anders definiere als das BSG. Insoweit beruhten die Bedenken dann allerdings nicht auf einem Widerspruch zum Parlamentsvorbehalt, sondern moniert werde die konkrete Auslegung des Begriffs der Angemessenheit, die aus Sicht des SG Mainz inhaltlich verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge. Eine Änderung der Rechtsprechung lasse dies nicht erwarten. Darüber hinaus ließen sich der vom SG Mainz zitierten Entscheidung des BVerfG aus Sicht des Senats die angeführten Zweifel auch nicht entnehmen. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass das BVerfG in seinem Urteil vom 09.02.2010 darstelle, mit welchen Leistungen im SGB II „der Gesetzgeber entsprechend den materiellen Vorgaben des Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein subsidiäres System sozialer Sicherung des Existenzminimums geschaffen habe“ (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 147). Bei der Darstellung der verschiedenen Leistungsarten verweise es unmittelbar anschließend auch darauf, „§ 22 Abs. 1 SGB II stell(e) die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 148). Damit beziehe es die in § 22 Abs. 1 SGB II getroffene Regelung in den Kreis der Leistungen ein, die der Gesetzgeber in der Verfassung entsprechender Weise durch die Normen des SGB II gewähre. Zum anderen habe das BVerfG bereits im Jahr 2011 zur inhaltlichen Ausfüllung des Begriffs der „Angemessenheit“ im § 22 Abs. 1 SGB II durch das BSG Stellung bezogen, auf die aus seiner Sicht bereits zu dieser Zeit gefestigte Rechtsprechung des BSG hingewiesen und dessen dreischrittige Prüfung dargestellt (BVerfG, Beschluss vom 27.09.2011 - 1 BvR 232/11 - Rn. 23 ff). In diesem Zusammenhang werde an keiner Stelle darauf hingewiesen, dass es Zweifel an dem normierten unbestimmten Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ geben könnte, woraus nur geschlossen werden könne, dass das Gericht schon damals von der Verfassungsgemäßheit der Regelung ausgegangen sei.

80

Eine Änderung der Rechtsprechung durch das BSG stehe damit nach derzeitigem Stand praktisch außer Zweifel, so dass die aufgeworfene Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung habe (LSG-Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.10.2013 - L 2 SO 1510/13 NZB - Rn. 15).

81

4.4 Der 2. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 11.03.2014 - L 2 AS 276/14 B ER - Rn. 7) begründet seine Ablehnung der Auffassung des SG Mainz aus dem Urteil vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) damit, dass es sich dabei ersichtlich um eine Einzelentscheidung handele, die auch vom BSG nicht geteilt werde.

82

4.5 Der 2. Senat des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 104/14 - Rn. 43; Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 3878/11 - Rn. 44; ähnlich bereits SG Karlsruhe, Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 49 ff.) äußert sich weiter dahingehend, dass die vom SG Mainz in seiner Entscheidung vom 08.06.2012 vertretene Auffassung, dass der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verwendete Begriff der „Angemessenheit“ den im Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 aufgestellten Anforderungen nicht genüge, falsch sei. Das BVerfG habe in Kenntnis der Rechtsprechung des BSG zum so genannten „schlüssigen Konzept“ die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bereits gebilligt und ausgerechnet in dem vom SG Mainz als Beleg für seine irrige Auffassung angeführten Urteil folgendes ausgeführt: „§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 148). Damit sei die Entscheidung des SG Mainz schon im Ansatz unrichtig, wenn sie der Meinung sei, es fehle für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ an einer hinreichenden parlamentsgesetzlichen Grundlage und der Bundesgesetzgeber stehe „demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein entsprechender Rechtsanspruch besteh(e)“. Das sei, wie das BVerfG klar gestellt habe, bereits in ausreichendem Maße geschehen. Auch in seiner Entscheidung vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11 - Rn. 24 f.) habe das BVerfG das schlüssige Konzept des BSG ersichtlich für geeignet erachtet, den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit auszufüllen. Diese Entscheidung scheine dem SG Mainz nicht bekannt gewesen zu sein.

83

5. In der Literatur findet eine Auseinandersetzung darüber, ob § 22 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 SGB II verfassungswidrig sein könnte, - anders als in Bezug auf die §§ 22a bis 22 c SGB II (vgl. Putz, SozSich 2011, S. 232 ff.; Berlit in: LPK-SGB II, §22a Rn. 3 ff., 5. Auflage 2013) - bislang kaum statt. In Folge des Urteils des SG Mainz vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) wird allerdings diskutiert, ob die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriff durch das BSG gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verstößt.

84

5.1 Knickrehm (SozSich 2010, S. 193) stellt fest, dass aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG ein Anspruch der Grundrechtsträger auf eine existenzsichernde Leistung nach dem SGB II, die nach den vom BVerfG vorgegebenen Maßstäben zu bestimmen sei, folge. Die Bestimmung müsse mit einer Methode erfolgen, die gewährleiste, dass die existenznotwendigen Aufwendungen realitätsgerecht und nachvollziehbar in einem transparenten und sachgerechten Verfahren ermittelt werden. Diese Vorgaben seien nicht nur bei der Festlegung der Höhe der Regelleistung zu beachten, sondern auch, wenn Leistungen für Unterkunft und Heizung pauschaliert werden sollen. Der Bedarf "Wohnen" sei Teil des physischen Existenzminimums und erfordere daher ebenfalls eine umfassende Deckung. Die Höhe einer Pauschale für das "Wohnen" sei daher realitätsgerecht zu ermitteln, also so zu bestimmen, dass es tatsächlich möglich sei, mit der Leistung angemessenen Wohnraum im bisherigen Umfeld des Hilfebedürftigen - im Sinne der bisherigen Rechtslage - zu mieten. Dieses gelte nicht nur für eine bundeseinheitliche Pauschale. Auch Satzungs- und Verordnungsgeber müssten sich an die vom BVerfG aufgezeigten Maßstäbe halten. Durch das vom BSG entwickelte "schlüssige Konzept" könnten jedoch bereits jetzt und im Rahmen des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Angemessenheit" die Maßstäbe des BVerfG umgesetzt werden. Die Methoden zur Datenerhebung und Datenauswertung für die Bildung einer Pauschale dürften wohl nicht hinter den Anforderungen des schlüssigen Konzepts zurückbleiben.

85

5.2 Mutschler (NZS 2011, S. 483 f.) hebt bezogen auf das zum 01.04.2011 in §§ 22a bis 22c SGB II eingeführte Satzungsmodell hervor, dass die Entscheidung des BVerfG zu den Regelsätzen zwar nicht unmittelbar Maßstäbe für die gesetzliche Regelung der Kosten der Unterkunft und Heizung setze, aber unzweifelhaft sei, dass das Grundrecht des Art. 1 Abs. 1 GG auch die Gewährleistung des Existenzminimums hinsichtlich der Grundbedürfnisse Wohnen und Heizen umfasse. Daher sei anzunehmen, dass besondere Begründungsanforderungen auch an die gesetzlichen und untergesetzlichen Normen zu stellen seien, die die Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung regelten. Vor diesem Hintergrund gebe es Kritik am Satzungskonzept in dem Sinne, dass konkretere Vorgaben gefordert würden. Vergleiche man die gesetzliche Begründung, die Regelungsdichte und die Begründungspflichten des Satzungsmodells mit derjenigen zu § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, sei jedenfalls festzuhalten, dass die Einzelfallprüfung eher größere Defizite an gesetzlicher Begründung aufweise.

86

5.3 Putz (SozSich 2011, S. 233 ff.) vertritt in Bezug auf die Satzungsermächtigung nach § 22a SGB II die Auffassung, dass mit der Wesentlichkeitstheorie eine Auslegung des § 22a Abs. 2 SGB II allenfalls vereinbar wäre, die es dem Satzungsgeber nur gestatten würde, eine Pauschale in Höhe der Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II festzusetzen. Eine den Anforderungen des BVerfG an die Ermittlung dieses Teils des Existenzminimums genügende Methode könne es schon deswegen nicht geben, weil keine Methode denkbar sei, durch welche die nach der Wesentlichkeitstheorie erforderlichen, aber bei der Satzungsermächtigung fehlenden Vorgaben des Bundesgesetzgebers ersetzt werden könnten.

87

5.4 Luik (jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; ähnlich ders. in: Eicher, SGB II, § 22 Rn. 6, 3. Auflage 2013) hält die Auffassung der 17. Kammer des SG Mainz für unzutreffend, da eine verfassungsrechtliche Klärung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und der BSG-Rechtsprechung zum schlüssigen Konzept längst erfolgt sei. Für die Annahme von Verfassungswidrigkeit reiche es dann nicht aus, den Erwägungen einer fachgerichtlichen Entscheidung die eigene Sichtweise entgegenzustellen, ohne sich mit der bereits ergangenen Rechtsprechung des BVerfG zu befassen. In Kenntnis der Rechtsprechung des BSG aus 2009 zum „schlüssigen Konzept“ habe das BVerfG die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ausdrücklich mit der Aussage gebilligt, § 22 Abs. 1 SGB II stelle die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher (Bezugnahme auf BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 148). Damit sei im Grunde schon alles gesagt, § 22 SGB II und die BSG-Rechtsprechung seien in Karlsruhe „durch“. Im Urteil vom 09.02.2010 sei es nicht nur um die Regelleistung gegangen. Das BVerfG habe auch die „KdU“ mit abgehandelt und dem Bereich des physischen Existenzminimums zugeordnet, mit allen sich verfahrensrechtlich hieraus ergebenden Konsequenzen für die Erfassung der sozialen Wirklichkeit. Die Erfordernisse der zeit- und realitätsgerechten Bestimmung des Anspruchs einschließlich Transparenz, Folgerichtigkeit und Nachvollziehbarkeit gälten auch für die KdU. Dies sei in der Sache nichts anderes als die vom BSG als schlüssiges Konzept bezeichnete zeit- und realitätsgerechte Erfassung der sozialen Wirklichkeit des lokalen Wohnungsmarkts im jeweiligen Vergleichsraum. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe sei verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich. Dem Bestimmtheitserfordernis sei genügt, wenn Auslegungsprobleme mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden könnten. Die Auslegungsbedürftigkeit allein nehme einer Vorschrift nicht die gebotene Bestimmtheit. Es sei gerade die Aufgabe der fachgerichtlichen Rechtsprechung, Auslegungs- und Zweifelsfragen zu klären. Das BVerfG habe in einer Entscheidung vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11 - Rn. 24 f.) die fachgerichtliche Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs durch das BSG ausdrücklich gebilligt und für geeignet erachtet, den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit auszufüllen. Dies entspreche ganz der Karlsruher Linie, wonach die Anwendung und Auslegung einfachen Rechts und die Konkretisierung bzw. Anwendungskontrolle unbestimmter Rechtsbegriffe der jeweiligen Fachgerichtsbarkeit obliegen würden.

88

5.5 Link (in: jurisPK SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014) kritisiert ebenfalls das Urteil des SG Mainz vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09). Dessen Auffassung überzeuge nicht. Der Gesetzgeber sei auch im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG grundsätzlich berechtigt, die Übernahme der Kosten für die Unterkunft und Heizung im Grundsicherungsbereich davon abhängig zu machen, dass diese „angemessen“ seien. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichere nach der Rechtsprechung des BVerfG jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich seien. Die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessen“ im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II biete mit dem eigens hierfür entwickelten schlüssigen Konzept gerade ein - vom BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 gefordertes - transparentes und sachgerechtes Verfahren, um realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren die Angemessenheit der Kosten für die Unterkunft und Heizung zu ermitteln. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass das BVerfG ausdrücklich betont habe, dass bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zukomme, der die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs umfasse. Mit Hilfe des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessen“ und der insofern gefestigten Rechtsprechung des BSG würden die Verwaltung und die Gerichte in die Lage versetzt, den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort im Wege einer Einzelfallprüfung Rechnung zu tragen. Damit könnten im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft und Heizung diejenigen materiellen Voraussetzungen ermittelt werden, die für die physische Existenz des Hilfesuchenden (Grundbedürfnis „Wohnen“) unerlässlich seien. Die von der 17. Kammer des SG Mainz präferierte „verfassungskonforme Auslegung“ in der Weise, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft seien, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum lägen („offenkundiges Missverhältnis“), stelle letztendlich nichts anderes als eine (wenn auch von einem anderen Ausgangspunkt ausgehende) Substitution des schlüssigen Konzepts dar, die jedoch gerade im Hinblick auf das vom BVerfG geforderte transparente, nachvollziehbare und schlüssige Verfahren zur Ermittlung der Bedarfe nicht zu überzeugen vermöge. Denn nach welchen Kriterien und nach welchem Verfahren ermittelt werden solle, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die geltend gemachten Unterkunftskosten „deutlich über den üblichen Unterkunftskosten“ liegen und mithin ein „offenkundiges Missverhältnis“ bestehe, habe das SG Mainz im genannten Urteil nicht dargelegt.

89

5.6 Berlit (in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 60 f., 5. Auflage 2013) führt aus, dass in der Instanzrechtsprechung kritisiert werde, dass die ausdifferenzierte Rechtsprechung des BSG zum „schlüssigen Konzept“ nicht den prozeduralen Anforderungen an eine hinreichend bestimmte parlamentsgesetzliche Grundlage, die nach dem Regelleistungsurteil des BVerfG zu stellen seien, genüge. Diese Kritik verweise zutreffend auf eine unzureichende explizite Anbindung der BSG-Rechtsprechung zum „schlüssigen Konzept“ an die BVerfG-Rechtsprechung zum Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Sie vernachlässige im Ergebnis aber, dass diese Rechtsprechung zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ an eine auch dem SGB II-Gesetzgeber bekannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Angemessenheitsbegriff im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) anknüpfe, die diesen Begriff gerade nicht als Angemessenheitsvorbehalt zur Reduktion in Fällen offenkundiger Missverhältnisse sehe. Die BSG-Rechtsprechung sei zudem in ihrem sachlichen Regelungsgehalt erneut in den Vorgaben für die Satzungsregelung aufgegriffen worden. Aus der Kritik folge jedenfalls nicht, dass im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung lediglich solche Kosten der Unterkunft als unangemessen zu werten seien, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen. Dass das BSG die Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zu hoch geschraubt habe und es wegen der Vielzahl an Prüfungskomponenten und dem einhergehenden Ermittlungsaufwand für die Grundsicherungsstellen und Gerichte in der Praxis für die Praxis wenig hilfreich sei, rechtfertige nicht, diesen Versuch einer rationalen, operationalisierbaren Annäherung an die Ausfüllung des Angemessenheitsbegriffs aufzugeben. Die Forderung nach einem „schlüssigen Konzept“ setze für den Unterkunftsbedarf die für den Regelbedarf geltenden Anforderungen an Rationalität und Transparenz der Leistungsbemessung um.

90

In Bezug auf die später mit § 22a SGB II eingeführte Satzungslösung stelltBerlit hingegen fest, dass ein kommunaler Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum in Bezug auf „standardbildende“ Faktoren den Auftrag des Gesetzgebers, die zur Existenzsicherung erforderlichen Leistungen selbst festzulegen, verfehle (Berlit, info also 2010, S. 203).

91

5.7 Stölting (in: Eicher, SGB II, § 1 Rn. 16, 3. Auflage 2013) sieht hingegen das Problem, dass § 22 SGB II anders als bei der Regelleistung nicht einen bestimmten Betrag vorsehe. Diese Regelung gerate in Konflikt mit der Entscheidung des BVerfG vom 09.02.2010, denn danach müsse die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch ein Parlamentsgesetz erfolgen, welches einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthalte. Aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergebe sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen. Dies gelte in besonderem Maße, wenn und soweit es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen Existenz gehe.

92

In einer Anmerkung zum Urteil des BSG vom 22.08.2012 (B 14 AS 13/12 R - SGb 2013, S. 545 f.) führt Stölting aus, dass bei der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit zu bedenken sei, dass es sich bei der Übernahme von Unterkunftskosten nicht um eine freiwillige Leistung des Gesetzgebers handele, sondern das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vielmehr einen Anspruch auf Zurverfügungstellung der Mittel begründe, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich seien. Hierzu gehörten auch die Unterkunftskosten. Der Gesetzgeber bewege sich mit der Vorschrift des § 22 SGB II in einem grundrechtsgeprägten Bereich und habe insoweit besondere Vorgaben zu beachten, die sich aus der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG ergäben. Danach sei der Gesetzgeber verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und dürfe sie nicht anderen Normgebern überlassen. Wann es danach einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedürfe, lasse sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien seien dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten, zu entnehmen. Danach bedeute wesentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“. Dementsprechend habe das BVerfG in der Entscheidung zu den Regelsätzen nach dem SGB II gefordert, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch ein Parlamentsgesetz erfolge, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthalte. Diesen Anforderungen genüge die Vorschrift des § 22 SGB II nicht. Es handele sich dabei zwar um ein Parlamentsgesetz, das jedoch weder einen konkreten Anspruch enthalte, noch Vorgaben mache, wie dieser von den Behörden und gegebenenfalls von den Gerichten zu ermitteln sei. Aus diesem Grund sei es der Rechtsprechung auch acht Jahre nach Inkrafttreten des SGB II nicht gelungen, die Unsicherheiten bei der Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten zu beseitigen und die Zahl der Verfahren in diesem Bereich zu reduzieren. Das BSG setzte sich im kommentierten Urteil und in anderen aktuellen Urteilen nicht mit der verfassungsrechtlichen Problematik auseinander. Dies erscheine jedoch dringend erforderlich, da es nach der Entscheidung des BVerfG zu den Regelsätzen des SGB II auch in diesem Bereich einer Neubestimmung bedürfe. Die Rechtsprechung werde zu erwägen haben, grundsätzlich die tatsächlichen Unterkunftskosten anzuerkennen, soweit diese nicht evident unangemessen seien.

93

In seiner Kommentierung zu § 35a SGB XII führtStölting (jurisPK-SGB XII, § 35a Rn. 10, 2. Auflage 2014, Stand 25.06.2014) weiter aus, dass das BVerfG in der Entscheidung vom 09.02.2010 zwar ausgeführt habe, dass § 22 Abs. 1 SGB II die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicherstelle. Es dürfe jedoch bezweifelt werden, dass damit eine verbindliche Aussage zur Vereinbarkeit des § 22 Abs. 1 SGB II mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums getroffen worden sei, da sich die Entscheidung auf die Regelleistungen nach dem SGB II beziehe.

94

5.8 Nach Piepenstock (in: jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 82.1 f., 3. Auflage 2012, Stand 01.12.2014) stellt das SG Mainz im Urteil vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09) zutreffend heraus, dass sich das BSG in seiner fortgesetzten Rechtsprechung zum „schlüssigen Konzept“ nicht hinreichend mit dem Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 auseinandergesetzt habe. Das vom BSG entwickelte „schlüssige Konzept“ habe bisher nicht abschließend überzeugen können. Die vom BSG vorgenommene Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ mit ihrem konkret-individuellen Prüfmaßstab (Stichwort: Einzelfallgerechtigkeit) erweise sich wegen der Vielzahl an Prüfungskomponenten und dem einhergehenden Ermittlungsaufwand für die Grundsicherungsstellen und Gerichte in der Praxis als sehr komplex und daher oft wenig hilfreich.

95

5.9 Nach Nguyen (in: jurisPK-SGB XII, § 35 Rn. 65, 2. Auflage 2014, Stand 24.11.2014) stößt die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs allein durch die Rechtsprechung - an Stelle einer parlamentsgesetzlichen Konkretisierung - im Hinblick auf die Vorgaben des BVerfG zur Gewährleistung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und dem Wesentlichkeitsgrundsatz auf Bedenken.

96

5.10 Frerichs (jurisPK-SGB XII, § 3 AsylbLG, Rn. 45, 2. Auflage 2014, Stand 03.11.2014) konstatiert, dass das BVerfG im Regelsatzurteil vom 09.02.2010 eindrucksvoll die Bedeutung des Vorbehalts des Gesetzes im Fürsorgerecht hervorgehoben und die in der Nachkriegszeit begonnene Entwicklung des unmittelbar auf dem Schutzgehalt von Art. 1 Abs. 1 GG beruhenden Leistungsgrundrechts abgeschlossen habe. Dem Gesetzgeber (und nicht dem Rechtsanwender) obliege die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse und die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs. Diese Frage sei jüngst in Rechtsprechung (Bezugnahme auf die Urteile des SG Mainz vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12, vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 und vom 22.10.2012 - S 17 SO 145/11 sowie auf das Urteil des SG Leipzig vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12) und Literatur auch wegen des unbestimmten Rechtsbegriffs der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II virulent geworden.

97

Frerichs vertritt des weiteren - im Kontext mit unbestimmten Rechtsbegriffen im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) - die Auffassung, dass Regelungen dieser Art einer methodengerechten Ermittlung des menschenwürdigen Existenzminimums in einem inhaltlich transparenten und nachvollziehbaren Verfahren entbehren und die Gefahr bergen würden, dass bei der Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums die Regelungskompetenz in verfassungsrechtlich bedenklichem Ausmaß auf den Rechtsanwender delegiert wird (Frerichs, ZESAR 2014, S. 287).

98

6. Die vorlegende Kammer ist nach Auswertung der vertretenen Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur der im Folgenden noch zu begründenden Überzeugung, dass die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verfassungswidrig ist. Eine verfassungskonforme Auslegung ist - entgegen der Auffassungen der 17. Kammer des SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 84 ff.), der 20. Kammer des SG Leipzig (Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12 - Rn. 50 ff.) und der 20. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 25.01.2013 - S 20 AS 4915/11 - Rn. 33) - nicht möglich. Sie wird auch nicht durch die Rechtsprechung des BSG zum „schlüssigen Konzept“ gewährleistet. Sämtliche diesbezüglich vertretenen Auffassungen laufen entweder auf eine verfassungswidrige Wahrnehmung des der Legislative obliegenden Gestaltungsauftrags durch Gerichte und Verwaltung oder auf eine gleichfalls verfassungswidrige faktische Normverwerfung wiederum durch Gerichte und Verwaltung hinaus.

V.

99

Die Vorlagefrage ist für das vorliegende Klageverfahren entscheidungserheblich.

100

Nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG ist ein Vorlageverfahren nur dann zulässig, wenn es für die Entscheidung auf die Gültigkeit des für verfassungswidrig gehaltenen Gesetzes ankommt.

101

Dies setzt - wenn nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen selbst Gegenstand der Vorlage sind - zunächst voraus, dass die dem Vorlagebeschluss zu Grunde liegende Klage zulässig ist (1) und dass im Falle der - hier vorliegenden - Leistungsklage die Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen vorliegen (2). Ferner muss es für die Entscheidung des Gerichts auf die Gültigkeit der zur Prüfung vorgelegten Norm ankommen. Dies setzt voraus, dass bei Gültigkeit der Regelung ein anderes Entscheidungsspektrum eröffnet wird, als bei deren Nichtigkeit (3). Der Klage dürfte auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattzugeben sein (4).

102

1. Die Klage ist zulässig. Das Gericht ist zur Sachentscheidung berufen.

103

1.1 Der Kläger hat seine Klage frist- und formgerecht erhoben. Das Widerspruchsverfahren ist durchgeführt und abgeschlossen worden. Der auf den 09.01.2014 datierte Widerspruchsbescheid ist dem Kläger laut Aktenvermerk des Beklagten am 10.01.2014 in den Hausbriefkasten eingeworfen worden, so dass frühestens von einem Zugang an diesem Tag ausgegangen werden kann. Die Dreitagesfiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X greift hier nicht, da der Widerspruchsbescheid nicht durch die Post übermittelt wurde. Die Klage ist am 10.02.2014, durch die Prozessbevollmächtigte des Klägers unterschrieben, per Telefax beim Gericht eingegangen. Damit ist die Schriftform des § 90 SGG gewahrt (vgl. Binder in: Lüdtke, § 90 Rn. 4, 4. Auflage 2012). Auch die Klagefrist des § 90 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids ist eingehalten (§ 64 Abs. 2 S. 1 SGG).

104

1.2 Obwohl dem Gericht bislang keine schriftliche Vollmacht vorliegt, ist gemäß § 73 Abs. 6 S. 5 SGG einstweilen von einer wirksamen Bevollmächtigung der den Kläger vertretenden Rechtsanwälte auszugehen. Das Gericht hat einen Mangel der Vollmacht nur dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn als Bevollmächtigter kein Rechtsanwalt auftritt.

105

1.3 Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, mit welcher der Kläger die Änderung der Bewilligungsbescheide und die Zahlung höherer Leistungen verlangt, ist nach § 54 Abs. 4 SGG statthaft. Der Streitgegenstand wurde im Sinne des § 92 Abs. 1 S. 1 SGG hinreichend bestimmt. Eine exakte Bezifferung des geltend gemachten Anspruchs ist nicht erforderlich. § 92 Abs. 1 S. 3 SGG enthält hinsichtlich der Bestimmtheit des Antrags lediglich eine Sollvorschrift. Aus dem systematischen Zusammenhang mit der Regelung zum Grundurteil in § 130 Abs. 1 S. 1 SGG ergibt sich zudem, dass bei Geldleistungen keine Bezifferung des Antrags erfolgen muss. Nach § 130 Abs. 1 S. 1 SGG kann zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden, wenn gemäß § 54 Abs. 4 SGG oder § 54 Abs. 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Aus der Befugnis des Gerichts, ein Grundurteil zu erlassen, folgt die Statthaftigkeit einer entsprechenden unbezifferten Antragstellung. Im Übrigen lässt sich das klägerische Begehren in hinreichender Bestimmtheit dem Vorbringen in der Klageschrift entnehmen.

106

1.4 Der Kläger ist klagebefugt im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 SGG, da er geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.

107

1.5 Zulässiger Streitgegenstand ist der zunächst mit Widerspruch vom 29.11.2013 angefochtene Änderungsbescheid vom 26.11.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom gleichen Tag und vom 06.01.2014 (§ 86 SGG bzw. § 96 Abs. 1 SGG) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.01.2014 (§ 95 SGG) und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15.01.2014, 30.01.2014 und 26.03.2014 (§ 96 Abs. 1 GG). Vom Streitgegenstand umfasst ist der Leistungszeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014.

108

1.5.1 Der Änderungsbescheid vom 26.11.2013 hat den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 03.09.2013 für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 abgeändert und die Leistungen für diesen Zeitraum neu festgesetzt. Da sich die Neufestsetzung nicht auf den vom ursprünglichen Bewilligungsbescheid mit abgedeckten Zeitraum vom 01.10.2013 bis zum 30.11.2013 erstreckt, unterliegt dieser Zeitraum weiterhin der Regelung durch den Bescheid vom 03.09.2013, der mit der vorliegenden Klage nicht zulässig angefochten wurde. Mit dem fristgerecht erhobenen Widerspruch vom 29.11.2013 (Eingang beim Beklagten am 02.12.2013) wurde dementsprechend nur der Leistungszeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zum Gegenstand der Überprüfung gemacht.

109

1.5.2 Der noch am 26.11.2013 erlassene Änderungsbescheid ist ebenfalls Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Insoweit kann dahin stehen, ob der Bescheid erst nach Erhebung des Widerspruchs beim Kläger zugegangen ist, mit der Folge, dass der Bescheid nach § 86 SGG in das Widerspruchsverfahren einbezogen wäre, oder ob der Kläger mit seinem Widerspruch von Beginn an den zweiten Änderungsbescheid zusätzlich oder ausschließlich angefochten hat.

110

1.5.3 Auch der Änderungsbescheid vom 06.01.2014 ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Dies ist insofern von Bedeutung, als mit diesem Bescheid nach dessen Verfügungssätzen der gesamte streitgegenständliche Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 neu geregelt wird. Die vorher ergangenen Bescheide haben sich insoweit erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X), so dass die Klage bei fehlender Einbeziehung des Änderungsbescheids vom 06.01.2014 und der nachfolgenden Änderungsbescheide in Folge der Erledigung der angefochtenen Bescheide unzulässig würde.

111

Es kann hier offen bleiben, ob die Einbeziehung bereits nach § 86 SGG im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 26.11.2013 erfolgte, oder erst im Klageverfahren nach § 96 Abs. 1 SGG. Die Beantwortung dieser Frage hinge davon ab, ob dem Kläger (oder dessen Prozessbevollmächtigter) zuerst der Änderungsbescheid vom 06.01.2014 oder der Widerspruchsbescheid vom 09.01.2014 zugegangen ist. Insoweit besteht Unklarheit, da der Bescheid vom 06.01.2014 laut Aktenvermerk ohne Datumsangabe an die Rechtsanwältin des Klägers übersandt wurde, während der Widerspruchsbescheid dem Kläger am 10.01.2014 in den Hausbriefkasten eingeworfen wurde. Somit erscheint denkbar, dass der Änderungsbescheid vom 06.01.2014 erst nach dem Widerspruchsbescheid bekanntgegeben und damit wirksam geworden ist. Eine Einbeziehung nach § 86 SGG in das Widerspruchsverfahren wäre ausgeschlossen, da die Abänderung ausdrücklich „während“ des Vorverfahrens, d.h. bis zum Abschluss des selben erfolgen muss (a.A. noch BSG, Urteil vom 01.08.1978 - 7 RAr 37/77 - Rn. 18f.; BSG, Urteil vom 15.02.1990 - 7 RAr 22/89 - Rn. 18.; BSG, Urteil vom 29.11.1990 - 7 RAr 10/89 - Rn. 26; BSG, Urteil vom 12.05.1993 - 7 RAr 56/92 - Rn. 13).

112

Im Falle der Bekanntgabe des Bescheids vom 06.01.2014 nach Zugang des Widerspruchsbescheids vom 09.01.2014 wäre der Bescheid nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden. Nach § 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Für den Fall, dass der Bescheid vom 06.01.2014 nach Erlass des Widerspruchbescheides ergangen ist, wären die übrigen Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 SGG erfüllt. § 96 Abs. 1 SGG setzt neben der Ersetzung oder Abänderung des klagegegenständlichen Bescheids nur voraus, dass der ändernde Bescheid nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist; er muss hingegen nicht erst nach Klageerhebung ergangen sein (vgl. BT-Drucks. 16/7716, S. 19). Die Formulierung „(n)ach Klageerhebung“ am Anfang des § 96 Abs. 1 SGG bringt lediglich zum Ausdruck, dass eine Einbeziehung des nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangenen Änderungsbescheids - logischerweise - erst nach Klageerhebung Gegenstand des Klageverfahrens werden kann, da vorher noch kein Klageverfahren rechtshängig (§ 94 Abs. 1 SGG) ist, dessen Gegenstand der Bescheid werden könnte.

113

1.5.4 Der Änderungsbescheid vom 15.01.2014 ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden (siehe Ziffer 1.5.3). Entsprechendes gilt für den Änderungsbescheid vom 30.01.2014.

114

1.5.5 Auch der während des Klageverfahrens ergangene Änderungsbescheid vom 26.03.2014 ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

115

1.5.6 Der Bescheid über die Darlehensgewährung einschließlich der Aufrechnungserklärung vom 24.01.2014 ist hingegen nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da hiermit weder der Ausgangsbescheid vom 26.11.2013 noch die folgenden Änderungsbescheide abgeändert oder ersetzt werden. Die mit dem Bescheid vom 24.01.2014 verfügte Aufrechnung ist keine teilweise Aufhebung oder Rücknahme der Leistungsbewilligung (Bittner in: jurisPK-SGB II, § 42a Rn. 33.1, 3. Auflage 2012, Stand: 22.07.2014). Die Tilgung eines Darlehens durch Aufrechnung nach § 42a Abs. 2. S. 1 SGB II berührt nur den Auszahlungsanspruch, nicht den sich nach dem Bedarf richtenden Leistungsanspruch (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.12.2011 - L 5 AS 473/11 B ER - Rn. 25).

116

1.5.7 Der Bescheid vom 25.02.2014 und hierzu ergangene Änderungsbescheide über den Zeitraum vom 01.04.2014 bis zum 30.09.2014 sind ebenfalls nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Mit diesen Bescheiden werden weder der Ausgangsbescheid vom 26.11.2013 noch die folgenden Änderungsbescheide geändert oder ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - Rn. 30).

117

1.6 Es kann offen bleiben, ob der Kläger den Streitgegenstand auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II beschränkt hat bzw. zulässigerweise beschränken durfte (zu dieser Möglichkeit vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R - Rn. 10 ff.; zur alten Rechtslage: BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - Rn. 18 ff.). Denn auch wenn die (monatliche) Gesamthöhe des dem Kläger im Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zu bewilligenden Arbeitslosengeldes II vom Streitgegenstand umfasst sein sollte, bliebe die Vorlagefrage entscheidungserheblich.

118

2. Der Kläger hat für den streitgegenständlichen Zeitraum dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 19 SGB II (Arbeitslosengeld II). Gemäß § 19 Abs. 1 S. 1, S. 3 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung von Regelbedarf, Mehrbedarfen und Bedarf für Unterkunft und Heizung, wobei das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen die Geldleistungen mindert (§ 19 Abs. 3 S. 1 SGB II).

119

2.1 Der Kläger war erwerbsfähiger Leistungsberechtigter in diesem Sinne, weil er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II), älter als 15 Jahre war und die für ihn nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II maßgebliche Altersgrenze von 65 Jahren und acht Monaten noch nicht erreicht hatte.

120

2.2 Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II, da er nicht wegen Krankheit oder Behinderung außerstande war, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II). Der Kläger bezog zwar ab dem 01.02.2014 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung von der DRV Bund. Diese setzt jedoch lediglich voraus, dass der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI), bzw. ein berufsbezogenes Absinken der Erwerbsfähigkeit auf weniger als sechs Stunden täglich (§ 240 Abs. 2 S. 1 SGB VI). Dafür, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr dazu in der Lage gewesen sein könnte, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein, liegen keine Anhaltspunkte vor. Im Rentenbescheid vom 17.12.2013 wurde vielmehr festgehalten, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht bestehe. Eine weitergehende Einschränkung der Erwerbsfähigkeit wird weder vom Kläger noch vom Beklagten behauptet. Der Beklagte ist auch nach dem vorliegend streitigen Zeitraum noch von der Erwerbsfähigkeit des Klägers im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II ausgegangen. Da selbst im Falle des Herabsinkens der Erwerbsfähigkeit auf unter drei Stunden täglich zunächst die Nahtlosigkeitsregelung des § 44a Abs. 1 S. 7 SGB II greifen würde (vgl. zur Vorgängerregelung BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 19 m.w.N.; Korte in: LPK-SGB II, § 44a Rn. 23 f., 5. Auflage 2013; Knapp in: jurisPK-SGB II, § 44a Rn. 68, 3. Auflage 2012, Stand: 16.08.2013), sind weitere Ermittlungen hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht angezeigt.

121

2.3 Der Kläger war hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II, was gemäß § 9 Abs. 1 SGB II der Fall ist, wenn jemand seinen eigenen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II), sichern kann und die nötige Hilfe nicht von anderen erhält. Dies trifft vorliegend zu, weil dem Bedarf des Klägers zum Lebensunterhalt im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen oder Vermögen gegenüberstand, das den Bedarf vollständig hätte decken können. Als Einkommen zu berücksichtigen war seit dem 01.02.2014 lediglich die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die zur Deckung des Gesamtbedarfs bereits ohne Berücksichtigung eines höheren Unterkunftsbedarfes nicht ausreichte.

122

2.4 Der Kläger war nicht nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II, § 7 Abs. 4 SGB II, § 7 Abs. 5 SGB II oder § 77 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 7 Abs. 4a SGB II a.F. von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen.

123

2.5 Der Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, so dass er dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen unter Berücksichtigung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hat. Der Kläger ist alleiniger Mietvertragspartner. Im Monat Dezember 2013 hatte der Kläger eine Kaltmiete in Höhe von 313,90 Euro, eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 118 Euro und eine Rate für die Heizgaslieferung in Höhe von 51 Euro zuzüglich eines als Heizungsbedarf zu qualifizierenden Anteils der Stromkostenvorauszahlung zu entrichten. Im Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 hatte der Kläger eine Kaltmiete in Höhe von 335,80 Euro, eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 118 Euro und eine Rate für die Heizgaslieferung in Höhe von 51 Euro zuzüglich eines als Heizungsbedarf zu qualifizierenden Anteils der Stromkostenvorauszahlung zu entrichten.

124

Die tatsächlichen Aufwendungen sind nachgewiesen durch eine Mietbescheinigung vom 19.03.2012 (Kaltmiete von 313,90 Euro und Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 118 Euro), durch den Mietvertrag vom 26.03.2012 und durch das Schreiben der Vermieterin vom 23.09.2013 (Erhöhung der Kaltmiete auf 335,80 Euro; Betriebskostenvorauszahlung weiter bei 118 Euro). Das Gericht hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Mieterhöhung zum 01.01.2014 zivilrechtlich unwirksam sein könnte.

125

Der Abschlag für die Heizgaslieferung in Höhe von 51 Euro monatlich ist nachgewiesen durch die Verbrauchsabrechnung vom 20.11.2013.

126

Die auf dem Mietvertrag für die selbst bewohnte Wohnung beruhenden Verpflichtungen des Klägers zur Zahlung der Kaltmiete und der Nebenkostenvorauszahlung sind Aufwendungen für Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (BSG, Urteil vom 25.06.2008 - B 11b AS 35/06 R - Rn. 20). Die für die Belieferung mit Heizgas zu zahlende Rate ist als Heizungsbedarf im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II anzuerkennen. Entsprechendes gilt nach der Rechtsauffassung der vorlegenden Kammer auch für einen noch abschließend zu schätzenden Anteil der Stromkostenvorauszahlung, der zum Betrieb der Kombigastherme erforderlich ist.

127

3. Die Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist für die durch das Gericht zu treffende Sachentscheidung über den Anspruch des Klägers entscheidungserheblich.

128

Entscheidungserheblichkeit im Sinne des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG liegt bereits vor, wenn bei Gültigkeit der Vorschrift (3.2) ein Entscheidungsspektrum eröffnet wird, das eine Abweichung von der Entscheidung bei Nichtigkeit der Vorschrift (3.1) ermöglicht. Nicht erforderlich ist hingegen das Vorliegen einer einzigen Entscheidungsalternative, da andernfalls eine Vorlage von für verfassungswidrig zu unbestimmt gehaltenen Regelungen ausgeschlossen wäre.

129

3.1 Im Falle der Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II wäre der Beklagte zur Gewährung von höheren Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zu verurteilen. Die den Bedarf für Unterkunft und Heizung regelnde Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hätte bei Nichtigerklärung des zweiten Halbsatzes den Wortlaut:

130

"Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt."

131

Demzufolge wären bei der Berechnung des Leistungsanspruchs im Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe ohne weitere Begrenzung zu berücksichtigen.

132

Konkret würde dies im vorliegenden Verfahren zu einer Verurteilung des Beklagten zu höheren Leistungen unter Berücksichtigung eines höheren Bedarfs für Unterkunft im Umfang von 28,40 Euro für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 sowie im Umfang von 50,30 Euro monatlich für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 führen. Die monatliche Differenz resultiert daraus, dass der Beklagte bei der Leistungsberechnung an Stelle der tatsächlich geschuldeten Kaltmiete von 313,90 Euro für den Monat Dezember 2013 und in Höhe von 335,80 Euro monatlich für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 durchgehend eine für angemessen gehaltene monatliche Kaltmiete von 285,50 Euro zu Grunde legte. Diese Differenz schlägt zunächst auf den berücksichtigten Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und sodann auf die Höhe der Gesamtleistung nach § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II durch.

133

Die Kammer hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte eine andere Bedarfsposition (rechtswidrig) zu hoch angesetzt hätte, so dass die Unterdeckung im Bereich der Kaltmiete durch einen anderen Bedarfsanteil teilweise oder vollständig ausgeglichen wäre, mit der Folge, dass auch im Falle der Nichtigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 SGB II nicht zu höheren Leistungen zu verurteilen wäre. Insbesondere ist die zusätzliche Berücksichtigung eines Teils der Stromkosten des Klägers als Heizkosten im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II vor dem Hintergrund des elektrischen Betriebs der Kombigastherme dem Grunde nach nicht zu beanstanden (vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 51/10 R - Rn. 15). Ob der hierbei durch den Beklagten berücksichtigte Betrag von 4,22 Euro monatlich zu niedrig, zu hoch oder zutreffend angesetzt ist, wird das Gericht im Falle eines Urteils gemäß § 202 SGG i.V.m. § 287 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) durch Schätzung zu bestimmen haben, da für den Stromverbrauch der Kombigastherme kein separater Zähler bzw. Zwischenzähler existiert, sodass die Stromkosten nicht konkret ausgewiesen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 51/10 R - Rn. 15; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - Rn. 27). Diese Schätzung ist kein Teil der Sachverhaltsermittlung, sondern kann erst anhand der ermittelten Tatsachen im Urteil erfolgen, so dass hierdurch die Zulässigkeit des Vorlageverfahrens (etwa wegen unvollständiger Tatsachenermittlung) nicht in Frage gestellt wird. Im Übrigen würde selbst unter der Annahme, die Stromkosten für die Kombigastherme seien nicht als Bedarf nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berücksichtigen (so vertreten durch SG Augsburg, Urteil vom 14.02.2013 - S 16 AS 887/12 - Rn. 12 ff.), eine rechtswidrige Begünstigung nur im Umfang von 4,22 Euro monatlich vorliegen, wodurch die Differenz zwischen tatsächlicher und bei der Bedarfsberechnung berücksichtigter Kaltmiete nur marginal kompensiert würde.

134

Entsprechendes gilt für die einkommensmindernde Berücksichtigung der Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung, die nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 73/12 R - Rn. 27) zusätzlich zur Versicherungspauschale nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 AlgIIV abzusetzen sind. Für die vom Beklagten durchgeführte Durchschnittsberechnung gibt es keine Rechtsgrundlage, so dass der vierteljährlich fällige Beitrag ausschließlich im jeweiligen Fälligkeitsmonat vom Einkommen abzusetzen wäre. Demzufolge liegt rechnerisch eine rechtswidrige Begünstigung des Klägers in den Monaten Februar und März 2014 um den Betrag von 18,97 Euro monatlich vor, die aber ebenfalls nur zu einer teilweisen Kompensation der Differenz zwischen tatsächlicher und als angemessen anerkannter Kaltmiete, beschränkt auf den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014, führt.

135

Bei Nichtigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II hätte der Kläger demzufolge einen gegenüber dem Änderungsbescheid vom 26.03.2014 höheren Leistungsanspruch. Der Beklagte wäre entsprechend zu verurteilen.

136

3.2 Im Falle der Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II wäre hingegen offen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beklagte zu höheren Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zu verurteilen wäre. Dies hinge davon ab, wie der Begriff der Angemessenheit im vorliegenden Fall zu konkretisieren wäre.

137

Die wesentliche verfassungsrechtliche Problematik besteht hier darin, dass es der für verfassungswidrig gehaltenen Vorschrift an der hinreichenden Bestimmtheit (bzw. Intensionstiefe, vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik, 10. Auflage 2009, S. 196) mangelt. Dies hat nicht nur (zur Überzeugung der Kammer) die Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zur Folge, sondern führt auch dazu, dass sich die Rechtsfolgen unter Annahme der Gültigkeit der Vorschrift nicht ohne weiteres bestimmen lassen. Wegen der Unbestimmtheit des Angemessenheitsbegriffs könnte im Falle der Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II jede Entscheidung mit dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II in Einklang gebracht werden, die im Einzelfall zur Verurteilung zur Leistung unter Berücksichtigung der Unterkunftsaufwendungen in tatsächlicher Höhe führt. Auch ließe sich in jedem Einzelfall eine Kürzung des Leistungsanspruchs unter Berufung auf den Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. Hs. 2 SGB II begründen, insbesondere auch die vom Beklagten im vorliegenden Fall verfügte Begrenzung (3.2.1). Zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit muss es daher genügen, dass die Kammer das Spektrum der Entscheidungsmöglichkeiten für den Fall der Gültigkeit der Vorschrift aufzeigt (3.2.2), da andernfalls eine Vorlage von für verfassungswidrig zu unbestimmt gehaltenen Regelungen ausgeschlossen wäre (3.2.3).

138

3.2.1 Die Frage der Entscheidungserheblichkeit im Sinne des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG muss aus der Perspektive einer für den Fall der Gültigkeit der vorgelegten Norm anzunehmenden hypothetischen Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts beantwortet werden (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 06.11.1957 - 2 BvL 12/56, 2 BvL 12 BvL 13/56, 2 BvL 12 BvL 14/56, 2 BvL 12 BvL 15/56 - Rn. 13). Die Kammer muss bei Bildung dieser hypothetischen Rechtsauffassung notwendigerweise die Vorstellungen außer Betracht lassen, die zur Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift geführt haben.

139

Unter Vorwegnahme der Darlegungen zur Begründetheit des Vorlagebeschlusses beruht der Befund der Verfassungswidrigkeit im Wesentlichen auf folgenden Überlegungen:

140

1. Der Gesetzgeber verstößt gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, indem er die konkrete Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im für dessen Verwirklichung zentralen Bereich des unterkunftsbezogenen Existenzminimums durch Verwendung eines "unbestimmten Rechtsbegriffs" im Wesentlichen der Verwaltung und der Rechtsprechung überlässt.

141

2. Der Gesetzgeber verstößt gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, weil er die zur Festsetzung der existenzsichernden Leistungen erforderliche Auswahl der Methoden zur Ermittlung der Bedarfe und zur folgerichtigen Begründbarkeit der Höhe des Leistungsanspruchs unterlassen hat.

142

Unter der Annahme, dass beide Vorwürfe nicht zuträfen, wäre dem Gericht ein Spektrum "vertretbarer", d.h. mit dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzessystematik vereinbarer Entscheidungen eröffnet, das eine volle Klageabweisung, ein volles Obsiegen des Klägers und jede Entscheidung zwischen beiden Polen grundsätzlich ermöglicht. Um dies zu belegen, genügt es, sich die zahlreichen Wertentscheidungen zu vergegenwärtigen, die ausgehend vom unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit getroffen werden müssen, um zu einer konkreten Einzelfallentscheidung zu kommen.

143

a) Die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II hinge, sofern das BVerfG die Vorschrift nicht für nichtig erklärt oder die Verfassungswidrigkeit unter Anordnung anderer Rechtsfolgen feststellt, davon ab, nach welchen Parametern eine verfassungskonforme Konkretisierung der Vorschrift stattzufinden hätte. Sollte das BVerfG der Interpretation des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II überhaupt eine verfassungsrechtliche Relevanz zubilligen, wäre das vorlegende Gericht gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG auch an die Vorgaben des BVerfG zur verfassungskonformen Anwendung der Regelung gebunden (BVerfG, Beschluss vom 10.06.1975 - 2 BvR 1018/74 - Rn. 14; BVerfG, Beschluss vom 27.01.2006 - 1 BvQ 2/06 - Rn. 33 ff.). Über derartige Vorgaben lässt sich gegenwärtig nur spekulieren. Rein tatsächlich ist nicht auszuschließen, dass das BVerfG eine oder mehrere der bisher zur Konkretisierung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vertretenen Auffassungen als verfassungskonform erachten könnte.

144

b) Folgte das Gericht - sofern es ihm durch das BVerfG freigestellt werden sollte - nach verfassungsgerichtlicher Bestätigung der Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II der Rechtsprechung des BSG (s.o. unter A. IV. 1), hätte eine Überprüfung und gegebenenfalls Nachbesserung des vom Beklagten vorgelegten Konzepts zur Bestimmung der maßgeblichen Mietobergrenzen nach dessen Kriterien zu erfolgen. Ob die aus dem von A & K erarbeiteten Konzept abgeleitete Entscheidung des Beklagten über die dem Kläger zu gewährenden Leistungen den Anforderungen der BSG-Rechtsprechung standhalten würde, ist völlig offen. Ohne dass dies an dieser Stelle genauerer Erörterung bedürfte, eröffnet bereits die uneingeschränkte Prüfungsbefugnis der Gerichte die Möglichkeit zu einer Korrektur des Konzepts, da dieses - notwendigerweise - mit subjektiven Wertentscheidungen operiert, die jedes zur Entscheidung berufene Gericht auch anders treffen könnte (vgl. zu dieser Problematik: SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 65 ff.).

145

Anhaltspunkte für eine (nach Maßgabe des BSG) fehlende "Schlüssigkeit" des vorgelegten Konzepts ergeben sich jedenfalls aus der Ausgestaltung der Vergleichsräume, die anhand von Clusteranalysen empirisch-statistisch differenzierter Wohnungsmarkttypen und nicht nach "homogenen Lebensbereichen" (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 21) vorgenommen wurde, des Weiteren aus der relativ geringen Stichprobe bei der Datenerhebung (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - Rn. 16) und aus der Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen ausschließlich anhand der Kaltmiete bei Berücksichtigung der kalten Nebenkosten in tatsächlicher Höhe (entgegen BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 32/09 R - Rn. 28; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 85/09 R - Rn. 29). Letztendlich basiert die Festlegung der Perzentilen, mit denen die Angemessenheitsgrenze innerhalb der für die jeweilige Haushaltsgröße und den jeweiligen Wohnungsmarkttyp festgelegt werden, auf einer anhand von Plausibilitätserwägungen erfolgten Setzung des Konzepterstellers. Das zur Entscheidung berufene Gericht könnte auf der Basis der Rechtsprechung des BSG auch andere Perzentilen zur Festsetzung der abstrakten Angemessenheitsgrenze als "schlüssig" erachten. Mögliche Korrekturen durch das Gericht würden gegebenenfalls zu Nachermittlungen, aber nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der Angemessenheitsgrenzen führen.

146

Nach derzeitiger Rechtsprechung des BSG wäre im Falle fehlender Ermittlungsmöglichkeiten von einer Angemessenheitsobergrenze auszugehen, die das BSG für die Bruttokaltmiete in Höhe der um 10 % angehobenen Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG verortet (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 25 ff. m.w.N.). Dies zu Grunde gelegt, kann davon ausgegangen werden, dass bei Unschlüssigkeit des Konzepts und durch das Gericht festgestelltem Ermittlungsausfall jedenfalls keine höheren Werte als die um 10 % erhöhten Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG als Bruttokaltmiete zu berücksichtigen wären. Dies ergäbe im Falle eines Einpersonenhaushalts in Alzey (Mietenstufe III) einen Höchstwert nach § 12 Abs. 1 WoGG von 330 Euro. Um 10 % erhöht ergäbe dies eine Angemessenheitsobergrenze von 363 Euro. Die tatsächliche Bruttokaltmiete des Klägers lag für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 bei 431,90 Euro (313,90 Euro Grundmiete zuzüglich 118 Euro Nebenkostenvorauszahlung) und für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 bei 453,80 Euro (335,80 Euro Grundmiete zuzüglich 118 Euro Nebenkostenvorauszahlung). Tatsächlich berücksichtigte der Beklagte bei dem Kläger mit dem Änderungsbescheid vom 26.03.2014 über den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum eine Bruttokaltmiete von 403,50 Euro (285,50 Euro "angemessene" Kaltmiete zuzüglich 118 Euro Nebenkostenvorauszahlung). Die tatsächlich bewilligten Leistungen lagen somit bereits über der vom BSG entwickelten "Angemessenheitsobergrenze".

147

Sollte sich die Rechtsprechung des BSG als verfassungsrechtlich vertretbar erweisen und würde sich die Kammer dieser Rechtsauffassung nach Entscheidung des BVerfG anschließen, würde dies im Ergebnis wahrscheinlich nicht dazu führen, dass die tatsächliche Bruttokaltmiete des Klägers als abstrakt angemessen angesehen werden könnte. Vor dem Hintergrund der Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II wäre aber auch dies für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht völlig ausgeschlossen. Die Klage wäre aber wahrscheinlich (teilweise) abzuweisen.

148

c) Würde das Gericht der Auffassung der 20. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 25.01.2013 - S 20 AS 4915/11 - Rn. 33; s.o. unter A. IV. 3.3) folgen, bedürfte es keiner weiteren Ermittlungen, weil die danach maßgeblichen Höchstbeträge nach § 12 WoGG sich dem Gesetz entnehmen und rechnerisch um 10 % erhöhen ließen. Hieraus ergäbe sich kein höherer Leistungsanspruch des Klägers. Die Klage wäre insoweit abzuweisen.

149

d) Würde die Kammer sich der Rechtsauffassung der 17. Kammer des SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 91 ff.; Urteil vom 22.10.2012 - S 17 SO 145/11 - Rn. 84 ff.; Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 72 ff.; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 751/12 - Rn. 41; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13 - Rn. 39; Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 50; s.o. unter A. IV. 3.1) oder der 20. Kammer des SG Leipzig (Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12 - Rn. 41 ff.; Urteil vom 16.12.2013 - S 20 AS 879/11 - Rn. 72; s.o. unter A. IV. 3.2) anschließen, dürften weitere Ermittlungen angesichts der relativ geringen Überschreitung der vom Beklagten zu Grunde gelegten Angemessenheitsgrenze ebenfalls obsolet sein. Der Beklagte wäre wohl zur Gewährung von höheren Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu verurteilen.

150

3.2.2 Die Frage, welche Auswirkung die Gültigkeit einer Vorschrift auf das Ergebnis des Prozesses haben würde, ist gerade bei normbereichsgeprägten unbestimmten Rechtsbegriffen wie dem der "Angemessenheit tatsächlicher Aufwendungen" nicht durch die (hypothetische) Einnahme eines juristischen Standpunktes zu lösen, weil sich die Entscheidungstätigkeit des Gerichts nicht in einer einfachen Subsumtion eines Falles unter einen Gesetzestext erschöpft. Die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs steuert von vornherein Richtung und Intensität der gerichtlichen Ermittlungen, deren Ergebnisse wiederum auf die (weitere) Konkretisierung des Rechtsbegriffs zurückwirken. Dies lässt sich methodologisch als mit-normative Wirkung von Sachbereichselementen beschreiben und kommt in der Rechtspraxis beispielsweise darin zum Ausdruck, dass Verwaltung und Tatsachengerichte nach der Rechtsprechung des BSG den durch das BSG initiierten Vorgang der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs mit Hilfe empirisch-statistischer Wohnungsmarktanalysen zu vervollständigen haben.

151

Aus diesem Grund sieht sich die Kammer weder dazu verpflichtet noch dazu in der Lage, der Frage, wie die Angemessenheitsgrenze bei Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift im konkreten Fall zu bestimmen wäre, zur Klärung der Entscheidungserheblichkeit vorzugreifen und auf dieser Basis eine gegebenenfalls erforderliche Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Eine Beweisaufnahme würde die Vorlage an das BVerfG nicht vermeiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.01.1978 - 2 BvL 8/77 - Rn. 56), weil sie nicht dazu geeignet wäre, das Entscheidungsspektrum der Kammer soweit einzuschränken, dass nur noch ein mit dem Falle der Nichtigkeit der Vorschrift identisches Ergebnis vertretbar wäre. Die üblicherweise geforderte klare Entscheidungsalternative bei Nichtigkeit der Vorschrift einerseits und bei Gültigkeit andererseits (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 06.11.1957 - 2 BvL 12/56 u. a. - Rn. 12; BVerfG, Beschluss vom 22.04.1986 - 2 BvL 6/84 - Rn. 32; BVerfG, Beschluss vom 07.12.1988 - 1 BvL 27/88 - Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 01.04.2014 - 2 BvL 2/09 - Rn. 44; BVerfG, Beschluss vom 19.11.2014 - 2 BvL 2/13 - Rn. 38), kann und muss demzufolge nicht dargelegt werden.

152

Diese Ausgangssituation erfordert vielmehr eine Fortentwicklung der verfassungsprozessrechtlichen Dogmatik zur Entscheidungserheblichkeit dergestalt, dass Entscheidungserheblichkeit bereits dann gegeben ist, wenn bei Gültigkeit der Vorschrift ein Entscheidungsspektrum eröffnet wird, das eine Abweichung von der Entscheidung bei Nichtigkeit der Vorschrift ermöglicht. Diese Erweiterung ist notwendig, um Verfassungsverstöße bei bzw. durch Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe justiziabel zu machen und hierbei die Grenzen verfassungskonformer Auslegungsmöglichkeiten zu wahren. Sie ist mit dem Wortlaut des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG vereinbar, der lediglich besagt, dass es bei der Entscheidung des Gerichts auf die Gültigkeit des Gesetzes ankommen muss. Dies erfordert noch keine Festlegung, auf welche exakte Weise sich die gesetzliche Regelung im Falle ihrer Gültigkeit auf das Ergebnis der Entscheidung auswirkt. Die Entscheidungserheblichkeit ist bereits dann gegeben, wenn der für verfassungswidrig gehaltene Normbestandteil als wesentliches Eingangsdatum im Konkretisierungsprozess das Ergebnis der Endentscheidung beeinflusst (vgl. bereits BVerfG, Beschluss vom 31.01.1978 - 2 BvL 8/77 - Rn. 28).

153

3.2.3 Die Alternative zu dieser Vorgehensweise bestünde darin, die Entscheidungserheblichkeit zu verneinen, weil der unbestimmte Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ jedenfalls auch eine Entscheidung ermöglicht, die im Ergebnis einer Entscheidung bei Nichtigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II gleichkommt, beispielsweise unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der 17. Kammer des SG Mainz oder der 20. Kammer des SG Leipzig (s.o. unter A. V. 3.2.1 d).

154

Auf diese Weise wäre das Gericht gezwungen, seiner hypothetischen Rechtsauffassung für den Fall der Gültigkeit der Vorschrift stets die Entscheidungsalternative zu Grunde zu legen, die das gleiche Ergebnis mit sich brächte wie im Falle der Nichtigkeit der Vorschrift.

155

Das Gericht ist jedoch nicht dazu berechtigt oder gar verpflichtet, einer für unzutreffend gehaltenen Auffassung über die Möglichkeit einer "verfassungskonformen Auslegung" zu folgen, um die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage zu beseitigen. Dies führte zu einer faktischen Nichtanwendung der Vorschrift und damit entgegen Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG zu einer Normverwerfung, die gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG dem BVerfG vorbehalten ist.

156

3.2.4 Bei Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II würde dem Gericht ein gegenüber der Situation bei Nichtigkeit der Vorschrift erheblich erweitertes Entscheidungsspektrum eröffnet. Auf die Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II kommt es bei der Entscheidung des Falles somit an.

157

4. Die Entscheidungserheblichkeit wird ferner nicht dadurch beseitigt, dass die streitgegenständlichen Bescheide aus einem anderen Rechtsgrund aufzuheben wären und/oder dem Kläger aus anderen Rechtsgründen höhere Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.03.2014 zustehen könnten.

158

4.1 Die streitgegenständlichen Bescheide weisen keine entscheidungserheblichen formellen Mängel auf. Insbesondere ist der die früheren Bescheide ersetzende Änderungsbescheid vom 26.03.2014 sowohl begründet (§ 35 SGB X) als auch inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X). Die mit diesem Bescheid aufgehobenen älteren Bescheide wurden mit korrekter Datumsangabe und bezogen auf den betroffenen Leistungszeitraum eindeutig bezeichnet. Die Leistungsbewilligung wurde hinsichtlich der Bedarfsarten Regelbedarf, Unterkunftsbedarf und Heizungsbedarf differenziert auf die jeweiligen Bewilligungsmonate dargestellt, so dass der Bescheid auch im Hinblick auf mögliche Folgeentscheidungen nach § 22 Abs. 7 SGB II, § 22 Abs. 8 SGB II oder § 40 Abs. 4 S. 1 SGB II hinreichend bestimmt ist.

159

4.2 Der Kläger hat nicht aus anderen Rechtsgründen einen Anspruch auf höhere Leistungen, der das im vorliegenden Verfahren verfolgte Begehren vollständig erfüllen würde.

160

4.2.1 Der Kläger hat nicht aus einem von der Frage der Angemessenheit unabhängigen Rechtsgrund einen Anspruch auf Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für die Kaltmiete.

161

a) Ob der Kläger in den Genuss der Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II kommen kann, hängt davon ab, ob und gegebenenfalls auf welche Weise der Begriff der Angemessenheit einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist.

162

Nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II sind die den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung so lange als Bedarf zu berücksichtigen, wie es dem oder der Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II knüpft in dessen erstem Halbsatz an die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II an. Diese bildet den sachlichen Bezugspunkt für die Frage, ob eine Kostensenkung unmöglich oder unzumutbar ist (vgl. zur Prüfungsreihenfolge auch BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 31).

163

Ohne die Frage der (konkreten) Angemessenheit zu klären, könnte eine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung daher nur angenommen werden, wenn diese oder jene bereits unabhängig davon bestünde, welche Unterkunftsalternativen (oder andere Kostensenkungsmöglichkeiten) für den Leistungsberechtigten bestanden haben mögen. Rein hypothetisch könnte eine generelle Unmöglichkeit der Kostensenkung ohne Bezugnahme auf eine Angemessenheitsgrenze ansonsten nur angenommen werden, wenn es objektiv und unabhängig von näheren Eingrenzungen ("Vergleichsraum" usw.) für niemanden eine Möglichkeit gäbe, eine kostengünstigere Unterkunft als die vom Kläger bewohnte zu finden. Dass dies vorliegend nicht der Fall ist, belegen schon die von A & K im Zuge der Konzepterstellung erhobenen Angebotsmieten, die zum Teil eine geringere Kaltmiete als die vom Kläger geschuldete auswiesen.

164

Um § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II losgelöst von der Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zur Anwendung zu bringen, müsste der Leistungsberechtigte daher aus in seiner Person liegenden Gründen an seine konkret bewohnte Unterkunft derart gebunden sein, dass jeglicher Wohnungswechsel unmöglich oder unzumutbar wäre. Dies könnte beispielsweise aus behinderungsbedingten Gründen, aus der Verpflichtung zur Pflege von Angehörigen oder mit einer notwendig mit der Wohnung verknüpften Erwerbstätigkeit der Fall sein. Im Falle des Klägers liegen derartige Umstände nicht vor. Die vom Kläger mitgeteilten gesundheitlichen Einschränkungen schließen eine Kostensenkung durch Umzug nicht von vornherein aus. Auch die Regelhöchstfrist von sechs Monaten war im streitgegenständlichen Zeitraum bereits deutlich überschritten.

165

Der Kläger hat auch nicht bereits deshalb einen höheren Leistungsanspruch, weil die an ihn gerichtete Kostensenkungsaufforderung vom 05.03.2012 mangelhaft gewesen sein könnte. Der Beklagte hat in seinem Aufforderungsschreiben zwar nur eine Nettokaltmiete als Referenzmiete benannt, was nach der neueren Rechtsprechung des BSG den an die Kostensenkungsaufforderung zu stellenden Anforderungen nicht genügen würde (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - Rn. 43 m.w.N.). Die Kostensenkungsaufforderung ist jedoch keine formelle Voraussetzung für eine Absenkung des anzuerkennenden Unterkunftsbedarfs nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R - Rn. 19). Es ist zwar auch ohne nähere Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs einleuchtend, die Entstehung einer Kostensenkungsobliegenheit an die Kenntnis derselben zu knüpfen. Diese Voraussetzung lässt sich dem Tatbestand der Unzumutbarkeit des Umzugs in dem Sinne zuordnen, dass eine Kostensenkung ohne Kenntnis der Notwendigkeit derselben vom Leistungsberechtigten nicht erwartet werden kann. Losgelöst von einer Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs muss aber insoweit genügen, dass dem Leistungsberechtigten überhaupt mitgeteilt wird, dass der Leistungsträger die bisher berücksichtigten unterkunftsbezogenen Aufwendungen für unangemessen hält und eine Absenkung der Leistung beabsichtigt. Dies hat der Beklagte dem Kläger im Schreiben vom 05.03.2012 mitgeteilt.

166

Die vom BSG entwickelten qualitativen Voraussetzungen für die "Wirksamkeit" der Kostensenkungsaufforderung resultieren hingegen aus einer bestimmten Auslegung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II und setzen sowohl dessen Verfassungsmäßigkeit als auch eine nähere Konkretisierung voraus. Die Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II weist bei Abstraktion von den für den vorliegenden Beschluss maßgeblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ein dem § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vergleichbar breites Spektrum an Konkretisierungs- und Entscheidungsmöglichkeiten auf. Hiervon werden auch die aus der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs abgeleiteten Voraussetzungen für den Eintritt der Kostensenkungsobliegenheit erfasst.

167

Daher hängt auch die Frage, ob dem Kläger die Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II zu Gute kommen kann, von der Gültigkeit der Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ab.

168

Dem Gericht ist es verwehrt, § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II "verfassungskonform" so auszulegen, dass in Folge der Unbestimmtheit des Angemessenheitsbegriffs eine Kostensenkung per se unmöglich oder unzumutbar wäre, gegebenenfalls vermittelt über die Behauptung, dass der Leistungsträger in Folge der Unbestimmtheit und/oder Verfassungswidrigkeit des Angemessenheitsbegriffs gar nicht dazu in der Lage sei, eine rechtmäßige Kostensenkungsaufforderung zu erteilen. Eine solche Auslegung liefe auf eine Negation der Wirkungen des Angemessenheitsbegriffs zwar nicht im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II, jedoch in dessen Auswirkungen auf § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II hinaus. Eine solche Vorgehensweise käme einer Normverwerfung gleich, die dem Fachgericht wegen seiner Bindung an das Gesetz nicht gestattet ist.

169

b) Der Kläger hat auch keinen mit dem Klagebegehren gleichwertigen Anspruch auf Übernahme des Differenzbetrags aus tatsächlicher und berücksichtigter Kaltmiete aus § 22 Abs. 8 SGB II.

170

Nach § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II können Schulden übernommen werden, sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Nach § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II sollen Schulden übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Gemäß § 22 Abs. 8 S. 4 SGB II sollen diesbezügliche Geldleistungen als Darlehen erbracht werden. Nach § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt, solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen.

171

Es kann vorliegend offen bleiben, ob zwischen dem Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II und der Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II ein Ausschließlichkeitsverhältnis besteht (soBerlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 188, 5. Auflage 2013) und ob eine Leistung zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft grundsätzlich nicht gerechtfertigt im Sinne des § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II sein kann (vgl. Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 194, 5. Auflage 2013). Desgleichen kann offen bleiben, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 22 Abs. 8 SGB II im Falle des Klägers gegeben wären und ob ein derartiger Anspruch bereits an einer fehlenden separaten Antragstellung scheitern würde (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 3/14 R - Rn. 15). Denn jedenfalls im Hinblick auf die Rechtsfolgen würde durch die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen nach § 22 Abs. 8 SGB II dem Begehren des Klägers nicht vollumfänglich entsprochen. Zunächst könnte der Beklagte auf Grund des eingeräumten Ermessens (abgesehen vom Fall der Ermessensreduzierung auf Null) im Unterschied zur Verurteilung zu Leistungen nach §§ 19 Abs. 1, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II durch das Gericht nur zur Neubescheidung verpflichtet werden (§ 131 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 SGG; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 131 Rn. 12d, 11. Auflage 2014). Darüber hinaus hätte der Beklagte die Schulden im Regelfall darlehensweise zu übernehmen (§ 22 Abs. 8 S. 4 SGB II), was bereits als solches eine vergleichsweise schlechtere Rechtsposition als die begehrte vermittelt, die wegen der bei darlehensweiser Gewährung zwingenden Tilgungsregelung des § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II weiter verschlechtert würde (vgl. zu den Möglichkeiten und Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung von Sollvorschriften im Zusammenhang mit § 42a Abs. 1 S. 1 SGB II: SG Berlin, Urteil vom 22.02.2013 - S 37 AS 25006/12 - Rn. 29 ff. einerseits und SG Mainz, Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 100 f. andererseits und Bittner in: jurisPK-SGB II, § 42a Rn. 31.1, 3. Auflage 2012, Stand: 22.07.2014).

172

c) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger einen Anspruch auf Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft aus § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II hat.

173

Nach dieser Vorschrift muss eine Absenkung der nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Unabhängig von der umstritten Frage, ob § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II überhaupt ein subjektives Recht gewährt (verneinend: Sächsisches LSG, Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 637/12 - Rn. 202 unter Verweis auf die Gesetzesbegründung - BT-Drucks. 17/3404, S. 98; bejahend: Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 96, 5. Auflage 2013), stünde die Entscheidung, ob eine Absenkung der für unangemessen gehaltenen Aufwendungen verlangt wird, im Ermessen des Leistungsträgers (Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 96, 5. Auflage 2013), was sich aus der Wendung "muss nicht gefordert werden" im Gesetzeswortlaut ergibt. Die Frage, wann ein Wohnungswechsel in Folge zu übernehmender Umzugskosten unwirtschaftlich wäre, hinge im Übrigen wesentlich davon ab, in welchem Umfang der Leistungsberechtigte zur Senkung seiner Unterkunftskosten verpflichtet wäre. Dies ergäbe sich wiederum aus der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II, sodass die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II ihrerseits von der Gültigkeit der Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II abhängt.

174

4.2.2 Andere Rechtsgrundlagen, die dem Kläger materiell einen höheren Leistungsanspruch verschaffen können, stellen die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage bereits deshalb nicht in Frage, weil sie zum auf höhere Leistungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II gerichteten klägerischen Begehren allenfalls hinzutreten, dieses jedoch nicht erfüllen können. Deshalb hängt die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage nicht von der Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs nach § 20 SGB II ab (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13), unabhängig davon, ob von einer Trennbarkeit der Streitgegenstände Regelbedarf und Unterkunftsbedarf ausgegangen wird. Auch die im vorliegenden Verfahren gegebenenfalls noch zu klärende Frage, ob ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II auf Grund eines Diabetes mellitus Typ II zu berücksichtigen ist, berührt die Entscheidungserheblichkeit nicht. Gemessen an der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R - Rn. 25 ff.) dürfte dem Kläger ohnehin frühestens ab dessen Kenntnis von der ernährungsrelevanten Erkrankung ein Mehrbedarf zustehen, die er erst im Zuge der Krankenhausbehandlung Ende März 2014 erlangte.

175

Desgleichen lässt es die Entscheidungserheblichkeit unberührt, dass der Kläger einen höheren Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung im Hinblick auf die im Dezember 2013 an den Energielieferanten zu entrichtende Nachzahlung und auf eine - schätzungsabhängig - weitergehende Berücksichtigung von laufenden Stromkosten als Heizkosten haben könnte. Denn diese Positionen stellten eine Erhöhung der tatsächlichen Aufwendungen dar, die zur nicht vollständig berücksichtigten Kaltmiete hinzuträten und das Klagebegehren somit nicht erschöpfen würden. Entsprechendes gilt für die Frage, ob der Kläger noch Mietaufwendungen für die Garage schuldet und diese als Unterkunftskosten zu berücksichtigen wären.

176

4.2.3 Die Entscheidungserheblichkeit wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beklagte für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 zur Gewährung höherer Leistungen verurteilt werden könnte, weil die Teilaufhebung der Leistungsbewilligung mit Änderungsbescheid vom 15.01.2014 rechtwidrig gewesen sein könnte und deshalb aufzuheben wäre.

177

Die mit dem Änderungsbescheid vom 15.01.2014 verfügte und in den Folgeänderungen aufrechterhaltene teilweise Aufhebung des Bescheids vom 06.01.2014 ist entgegen der Begründung des Bescheids am Maßstab des § 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGB X zu messen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist § 48 Abs. 1 SGB X nicht einschlägig, da der zurückzunehmende Bescheid vom 06.01.2014 bereits nach Erlass des Rentenbescheids vom 17.12.2013 ergangen ist, so dass in der Sach- und Rechtslage bezüglich der Rentenbewilligung nach dem 06.01.2014 keine Änderung mehr eingetreten ist. Vielmehr war der Änderungsbescheid vom 06.01.2014 von Beginn an rechtswidrig zu Gunsten des Klägers, soweit die ab dem 01.02.2014 zu erwartende Rentenzahlung nicht als Einkommen berücksichtigt wurde.

178

Nach § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Gemäß § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen bereits verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Da die teilweise Rücknahme der Leistungsbewilligung ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft (ab dem 01.02.2014) erfolgte, der Kläger die Leistungen zum Zeitpunkt der Rücknahme dementsprechend noch nicht erhalten hatte, konnte er sie auch noch nicht verbraucht haben. Für im Vertrauen auf noch auszuzahlende Leistungen getätigte Vermögensdispositionen gibt es keine Anhaltspunkte. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 15.01.2014 noch kein schutzwürdiges Vertrauen aufgebaut hatte, das einer teilweisen Rücknahme der Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Zukunft entgegenstünde.

179

Die Teilaufhebung könnte allerdings deshalb rechtwidrig sein, weil der Beklagte bei Erlass des Änderungsbescheides vom 15.01.2014 kein Ermessen ausgeübt hat. Für Rücknahmen rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakte nach § 45 SGB X sieht § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nur eine gebundene Entscheidung vor, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X vorliegen, also entweder eine Erwirkung des Verwaltungsaktes durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung, das Beruhen des Verwaltungsaktes auf vorsätzlich oder grob fahrlässig getätigten unrichtigen oder unvollständigen Angaben oder die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. Nach derzeitigem Verfahrensstand käme allenfalls eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 06.01.2014 in Betracht, wobei auch hierfür keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen.

180

Bei Fehlen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X hätte der Beklagte eine Ermessensentscheidung zu treffen gehabt (Conradis in: LPK-SGB II, § 40 Rn. 15, 5. Auflage 2013). Der Änderungsbescheid vom 15.01.2014 enthält keine Ermessenserwägungen. Dies gilt auch für die Änderungsbescheide vom 30.01.2014 und vom 26.03.2014. Dem liegt die ausdrücklich geäußerte Auffassung des Beklagten zu Grunde, dass ein Fall des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X vorliege. Hierüber hätte gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III eine gebundene Entscheidung zu ergehen.

181

Eine Heilung des Ermessensfehlers wäre jedoch zumindest durch Erlass eines Gegenstandsbescheids nach § 96 Abs. 1 SGG denkbar (BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 A 1/03 R - Rn. 17; Waschull in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, § 41 Rn. 14, 3. Auflage 2011), solange die Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X noch nicht abgelaufen ist.

182

Ob die Voraussetzungen für die mit Bescheid vom 15.01.2014 erfolgte teilweise Rücknahme des Änderungsbescheids vom 06.01.2014 gegeben waren, musste von der vorlegenden Kammer noch nicht abschließend geklärt werden, da der ebenfalls streitgegenständliche Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.01.2014 hiervon nicht betroffen ist und diese Frage auf die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage somit keinen Einfluss hat.

VI.

183

Das BVerfG hat sich mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II noch nicht befasst, so dass der Zulässigkeit der Vorlage nicht der Einwand der Rechtskraft nach § 31 Abs. 1 BVerfGG entgegensteht (vgl. zu dieser Voraussetzung BVerfG, Beschluss vom 30.05.1972 - 1 BvL 18/71 - Rn. 18).

184

1. Im Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 07.11.2007 (1 BvR 1840/07) wird § 22 SGB II erwähnt, die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift jedoch nicht geprüft.

185

2. Im Nichtannahmebeschluss vom 25.11.2009 (1 BvR 2515/09 - Rn. 7) führt die 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG an, dass sich aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG ergebe, dass es sich bei den Kosten für Renovierungsarbeiten, die während eines laufenden Mietverhältnisses vorgenommen werden, nicht um angemessene Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II handele, wenn der Hilfebedürftige hierzu nach dem Mietvertrag nicht wirksam verpflichtet sei und sie auch nicht zur Aufrechterhaltung der Bewohnbarkeit der Wohnung erforderlich seien. Das BVerfG referiert hier die Rechtsprechung des BSG unter Bezugnahme auf das Urteil vom 16.12.2008 (B 4 AS 49/07 R - Rn. 28) dergestalt, dass dieses hinsichtlich der "Bewohnbarkeit" der Wohnung auf einen einfachen Ausstattungsgrad oder auf einen Ausstattungsstandard im unteren Wohnungssegment abgestellt habe, ohne diese Frage einer eigenen, verfassungsrechtlichen Bewertung zu unterziehen. Gegenstand dieses Verfahrens war eine Verfassungsbeschwerde, die sich auf eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG sowie auf eine Verletzung Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 Abs. 3 GG stützte. Eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wurde - soweit dies dem Beschlusstext entnommen werden kann - nicht geltend gemacht und wurde vom BVerfG auch nicht geprüft.

186

3. Im Urteil vom 09.02.2010 hat das BVerfG (1 BvL 1/09 u.a.) die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht geprüft. Streitgegenstand war ausschließlich die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der damaligen Regelleistung (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 1, 85, 99, 106, 125, 126, 127, 129). Mit der Formulierung, "§ 22 Abs. 1 SGB II stell(e) die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher" (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 148), hat das BVerfG erkennbar weder eine Prüfung der Regelung als solcher noch der hierzu ergangenen fachgerichtlichen Rechtsprechung durchgeführt (vgl. auch Stölting in: jurisPK-SGB XII, § 35a Rn. 10, 2. Auflage 2014, Stand 25.06.2014). Das BVerfG formuliert vielmehr einen Anspruch oder ein Postulat, äußert sich aber nicht zu der Frage, ob § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verfassungswidrig ist. Diese Frage war im Urteil vom 09.02.2010 nicht streitgegenständlich, so dass das BVerfG nicht zur Entscheidung hierüber befugt war (§ 81 BVerfGG). Soweit in der zitierten Formulierung zum Ausdruck gebracht wird, dass § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II grundsätzlich zur Verschaffung existenzsichernder Leistungen für die Unterkunft geeignet ist, ist dem zuzustimmen. Dies ergibt sich daraus, dass nach dem ersten Halbsatz der Regelung grundsätzlich der tatsächliche Bedarf zu berücksichtigen ist.

187

4. Im Nichtannahmebeschluss vom 24.03.2010 (1 BvR 395/09 - Rn. 3) war ebenfalls nur die Regelleistung Gegenstand der Prüfung.

188

5. Im Nichtannahmebeschluss vom 07.07.2010 (1 BvR 2556/09 - Rn. 25) findet § 22 SGB II nur am Rande Erwähnung.

189

6. Im stattgebenden Kammerbeschluss des BVerfG vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11) war die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ebenfalls nicht Gegenstand der Prüfung. Das BVerfG stellt hier lediglich fest, dass die im dem Verfahren vor dem BVerfG zu Grunde liegenden Gerichtsverfahren aufgeworfene Rechtsfrage, ob die den Beschwerdeführern tatsächlich entstehenden Kosten der Unterkunft als angemessen anzusehen seien, zum gängigen Geschäft eines Sozialgerichts gehöre und diese Frage bereits bei Klageerhebung in den Grundzügen höchstrichterlich geklärt gewesen sei (BVerfG, Beschluss vom 27.09.2011 - 1 BvR 232/11 - Rn. 23). Das BVerfG erläutert dann kurz den Stand der Rechtsprechung des BSG zur Frage der Angemessenheit, ohne diese einer verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen (BVerfG, Beschluss vom 27.09.2011 - 1 BvR 232/11 - Rn. 25). Dass eine solche Prüfung dort unterblieben ist, war folgerichtig, da die streitgegenständliche Verfassungsbeschwerde sich lediglich gegen die (vermeintlich) überlange Verfahrensdauer vor einem Sozialgericht gerichtet hatte. Die Frage, ob ein Gericht in angemessener Zeit entscheiden kann, ist unterscheidbar und zu unterscheiden von der Frage, ob die Entscheidung auf Grund einer verfassungsgemäßen Norm oder auf welche Weise verfassungskonform zu erfolgen hat. Eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Normen wäre deshalb fehl am Platze gewesen und entspräche auch nicht der Zurückhaltung, die sich das BVerfG bei der Prüfung fachgerichtlicher Entscheidungen nach eigenem Selbstverständnis auferlegt (vgl. Baer, NZS 2014, S. 4).

190

7. Im Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) spielt die Angemessenheit von Unterkunftsleistungen bzw. -bedarfen keine Rolle. Es wird lediglich am Rande erwähnt, dass Kosten für Unterkunft und Heizöl nach dem AsylbLG in tatsächlicher Höhe gedeckt würden (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 83).

191

8. Der Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 29.05.2013 (1 BvR 1083/09) enthält keinerlei Ausführungen zum Verhältnis von § 22 SGB II zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.

192

9. Auch im Beschluss vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12 u.a.) unterlagen nur die Leistungen für den Regelbedarf der verfassungsrechtlichen Prüfung. Hinsichtlich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung hält das BVerfG lediglich fest, dass nach § 22 Abs. 1 SGB II die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen würden (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 90).

193

10. Die Behauptung, das BVerfG habe die Rechtsprechung des BSG zum Begriff der Angemessenheit bereits gebilligt (Luik, jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.10.2013 - L 2 SO 1510/13 NZB - Rn. 12 ff.; SG Karlsruhe, Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 49 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 104/14 - Rn. 43; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 3878/11 - Rn. 44), erweist sich somit als haltlos. Es trifft auch nicht zu, dass es für den 1. Senat des BVerfG nahegelegen hätte, in seiner Entscheidung über die Regelleistungen des Arbeitslosengeldes II gemäß § 78 S. 2 BVerfGG auch § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II aus denselben Gründen für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären (so aber SG Dresden, Urteil vom 10.09.2013 - S 49 AS 8234/10 - Rn. 57). Im Gegenteil hätte es eine Kompetenzüberschreitung des BVerfG bedeutet, eine Norm für verfassungswidrig zu erklären, auf deren Gültigkeit es im zu entscheidenden Verfahren nicht ankam.

VII.

194

Einer Rüge der Nichtigkeit der Rechtsvorschrift durch die Beteiligen bedarf es nicht (§ 80 Abs. 3 BVerfGG).

B.

195

§ 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist verfassungswidrig. Die Regelung verstößt gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG (Schutz der Menschenwürde) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip).

I.

196

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 133).

197

1. Mit dem Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.), bestätigt und ergänzt durch das Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) und den Beschluss vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12 u.a.), hat das BVerfG die auf Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) gestützte staatliche Pflicht zur Existenzsicherung subjektivrechtlich fundiert und ein Recht auf parlamentsgesetzliche Konkretisierung in strikten einfachgesetzlichen Anspruchspositionen konstituiert (soRixen, SGb 2010, S. 240). Bereits mit Beschluss vom 12.05.2005 hatte das BVerfG klargestellt, dass die Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates sei, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Rn. 28).

198

Im Urteil vom 09.02.2010 stellt das BVerfG nicht nur prozedurale Anforderungen an die Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums an einen beliebigen (staatlichen) Akteur, sondern weist die Bestimmung des Anspruchsinhalts auch einem konkreten Adressaten, dem Bundesgesetzgeber, zu. Der Bundesgesetzgeber steht, da er von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Recht der öffentlichen Fürsorge aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG umfassend Gebrauch gemacht hat (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 181), demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein entsprechender Rechtsanspruch besteht (Berlit in: LPK-SGB II, § 22a Rn. 6, 5. Auflage 2013). Hiermit hat das BVerfG das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG als Gewährleistungsrecht im Sozialrecht aktiviert (Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 275).

199

2. Das BVerfG entwickelt das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Das Menschenwürdeprinzip aus Art. 1 Abs. 1 GG wird dabei als eigentliche Anspruchsgrundlage herangezogen, während das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG im Sinne eines Gestaltungsgebots mit erheblichem Wertungsspielraum verstanden wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 62). Das auf dieser Grundlage bestimmte Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG demnach neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 133).

200

Der unmittelbare verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nach den Ausführungen des BVerfG nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleistet hierbei das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst, da der Mensch als Person notwendig in sozialen Bezügen existiert (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 135).

201

Das BVerfG führt hierzu weiter aus, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch ein Parlamentsgesetz erfolgen müsse, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthalte. Aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergebe sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen. Dies gelte in besonderem Maße, wenn und soweit es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen Existenz gehe. Zudem könne sich der von Verfassungs wegen bestehende Gestaltungsspielraum des Parlaments nur im Rahmen eines Gesetzes entfalten und konkretisieren. Schließlich sei die Begründung von Geldleistungsansprüchen auch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte verbunden. Derartige Entscheidungen seien dem Gesetzgeber vorbehalten (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 136). Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkomme, sei das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 137).

202

Der Umfang des Anspruchs könne im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Er hänge von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und sei danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG halte den Gesetzgeber an, die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht im Hinblick auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu erfassen. Die hierbei erforderlichen Wertungen kämen dem parlamentarischen Gesetzgeber zu. Ihm obliege es, den Leistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge zu konkretisieren. Ihm komme Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Dieser umfasse die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs und sei zudem von unterschiedlicher Weite: Er sei enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiere, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehe (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 138).

203

Zur Konkretisierung des Anspruchs habe der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen. Hierzu habe er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür aufzuwendenden Kosten zu ermitteln und auf dieser Basis die Höhe des Gesamtbedarfs zu bestimmen. Das Grundgesetz schreibe ihm dafür keine bestimmte Methode vor (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 139). Es komme dem Gesetzgeber zu, die Methode zur Ermittlung der Bedarfe und zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auszuwählen. Die getroffene Entscheidung verändere allerdings nicht die grundrechtlichen Maßstäbe (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 78).

204

3. Zum (verfassungs-)gerichtlichen Prüfungsmaßstab führt das BVerfG aus, dass dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums eine zurückhaltende Kontrolle durch das BVerfG entspreche.

205

Das Grundgesetz selbst gebe keinen exakt bezifferten Anspruch vor. Deswegen könne auch der Umfang dieses Anspruchs im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und der dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Dem BVerfG komme nicht die Aufgabe zu, zu entscheiden, wie hoch ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums sein müsse. Es sei zudem nicht seine Aufgabe, zu prüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung zur Erfüllung seiner Aufgaben gewählt habe. Aus verfassungsrechtlicher Sicht komme es vielmehr entscheidend darauf an, dass die Untergrenze eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht unterschritten werde und die Höhe der Leistungen zu dessen Sicherung insgesamt tragfähig begründbar sei (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 80).

206

Die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz beschränke sich darauf, ob die Leistungen evident unzureichend seien. Diese Kontrolle beziehe sich auf die Höhe der Leistungen insgesamt und nicht auf einzelne Berechnungselemente, die dazu dienten, diese Höhe zu bestimmen. Evident unzureichend seien Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich sei, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen könnten, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen sei (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 81).

207

Jenseits der Evidenzkontrolle überprüfe das BVerfG, ob Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen seien. Das BVerfG setze sich dabei nicht mit eigener Sachkompetenz an die Stelle des Gesetzgebers, sondern überprüfe lediglich die gesetzgeberischen Festlegungen zur Berechnung von grundgesetzlich nicht exakt bezifferbaren, aber grundrechtlich garantierten Leistungen. Ließen sich diese nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen, stünden sie mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG im Einklang (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 82).

208

Entscheidend sei, dass der Gesetzgeber seine Entscheidung an den konkreten Bedarfen der Hilfebedürftigen ausrichte und die Leistungen zur Konkretisierung des grundrechtlich fundierten Anspruchs tragfähig begründet werden könnten (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 76). Die sich aus der Verfassung ergebenden Anforderungen an die methodisch sachgerechte Bestimmung grundrechtlich garantierter Leistungen bezögen sich nicht auf das Verfahren der Gesetzgebung, sondern auf dessen Ergebnisse. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG bringe für den Gesetzgeber keine spezifischen Pflichten im Verfahren mit sich. Entscheidend sei, ob sich die Höhe existenzsichernder Leistungen durch realitätsgerechte, schlüssige Berechnungen sachlich differenziert begründen lasse. Das Grundgesetz enthalte in den Art. 76 ff. GG zwar Vorgaben für das Gesetzgebungsverfahren, die auch die Transparenz der Entscheidungen des Gesetzgebers sicherten. Das parlamentarische Verfahren mit der ihm eigenen Öffentlichkeitsfunktion sichere so, dass die erforderlichen gesetzgeberischen Entscheidungen öffentlich verhandelt würden und ermögliche, dass sie in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert würden. Die Verfassung schreibe jedoch nicht vor, was, wie und wann genau im Gesetzgebungsverfahren zu begründen und zu berechnen sei, sondern lasse Raum für Verhandlungen und für den politischen Kompromiss. Das Grundgesetz verpflichte den Gesetzgeber insofern auch nicht, durch Einbeziehung aller denkbaren Faktoren eine optimale Bestimmung des Existenzminimums vorzunehmen. Darum zu ringen sei vielmehr Sache der Politik (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 77).

209

Zur Ermöglichung der verfassungsgerichtlichen Kontrolle bestehe für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen. Komme er dieser Obliegenheit nicht hinreichend nach, stehe die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 144).

210

4. Die vorlegende Kammer ist gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG an die vom BVerfG für das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.), im Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) und im Beschluss vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12 u.a.) entwickelten Maßstäbe gebunden. Die Bindungswirkung der Entscheidungen des BVerfG umfasst in sachlicher Hinsicht nicht nur die Entscheidungsformel, sondern auch die tragenden Gründe der Entscheidung (BVerfG, Entscheidung vom 20.01.1966 - 1 BvR 140/62 - Rn. 40; BVerfG, Beschluss vom 10.06.1975 - 2 BvR 1018/74 - Rn. 13 f.; vgl. BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 27.01.2006 - 1 BvQ 4/06 - Rn. 27 ff. ; vgl. Gaier, JuS 2011, S. 961).

211

5. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des BVerfG aber auch grundsätzlich an. Die Entwicklung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Umstand geschuldet, dass sowohl die Menschenwürdegarantie als auch das Sozialstaatsprinzip als echte, einklagbare, verfassungsrechtliche Garantien verstanden werden, nicht nur als bloße Programmsätze. Ein menschenwürdiges Leben, zu dessen Achtung und Schutz alle staatliche Gewalt nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG verpflichtet ist, kann nur mit einem Mindestmaß an materiellen und sozialen Ressourcen geführt werden (vgl. Schulz, SGb 2010, S. 203 f.). Der Schutz der Menschenwürde liefe ohne Rücksicht auf ihre ökonomischen Bedingungen ins Leere (Drohsel, NZS 2014, S. 99). Vor diesem Hintergrund erscheint es auch vertretbar, das Grund- und Menschenrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums allein auf Art. 1 Abs. 1 GG zu stützen (vgl. Tiedemann, NVwZ 2012, S. 1032 f.).

212

5.1 Das Bekenntnis zum Sozialstaat bedingt die (Selbst-)Verpflichtung des Staates und der ihn tragenden Gesellschaft, ein solches menschenwürdiges Leben auch denen zu garantieren, die hierfür nicht aus eigener Kraft (bzw. mit den Mitteln, die ihnen Staat und Gesellschaft anderweitig durch Bildung, Infrastruktur etc. zur Verfügung stellen) sorgen können. Die objektive staatliche Verpflichtung zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums enthält auch die Verpflichtung, Hilfebedürftigen einen Anspruch auf die Leistung zu verschaffen (so bereits BVerfG, Urteil vom 07.06.2005 - 1 BvR 1508/96 - Rn. 48; vgl. Baer, NZS 2014, S. 3). Diese subjektivrechtliche Seite der verfassungsrechtlichen Garantie ist eine zwingende Folge daraus, dass Art. 1 Abs. 1 GG als echte Rechtsnorm verstanden wird. Ohne subjektivrechtliche Fundierung liefe die Garantie der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ins Leere, sie wäre abhängig von der jeweiligen Staatsräson und vollständig Verhandlungsmasse im politischen Prozess (vgl. Spellbrink, NZS 2010, S. 653). Der Hilfebedürftige bliebe Almosenempfänger (Baer, NZS 2014, S. 3). Insofern ist es konsequent, die Garantie der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums terminologisch und dogmatisch in den Rang eines Grundrechts und Menschenrechts (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - Rn. 62) zu erheben.

213

5.2 Die Unverfügbarkeit des Grundrechts (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 133; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 74) resultiert aus dessen Verankerung im Grundsatz der Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), insofern hierin der Schutz der Selbstbestimmung des Menschen auf Grund seines Eigenwerts angesprochen wird (vgl. Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 10, 4. Auflage 1999). Der Mensch kann seinen Achtungsanspruch nach Art. 1 Abs. 1 GG nicht verwirken, auch nicht durch selbst zu verantwortende Handlungen. Die vom BVerfG hervorgehobene Unverfügbarkeit "dem Grunde nach" bringt lediglich zum Ausdruck, dass hinsichtlich der Art und Höhe der existenzsichernden Leistungen ein Gestaltungsspielraum besteht. Die Verwendung dieser Formulierung ist abzugrenzen von einem lediglich "grundsätzlich" bestehenden Recht, welches im Ausnahmefall auch nicht bestehen kann. Die Verpflichtung zur "Konkretisierung" und "Aktualisierung" (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 133; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 74) bedeutet keine Einschränkungsbefugnis.

214

Bei der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Sicherung des Existenzminimums geht es nicht darum, bestimmte Lebensentwürfe zu ermöglichen, sondern das physische Überleben und ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe des Menschen im Falle der Hilfebedürftigkeit unabhängig von dessen Lebensentwurf zu garantieren. Der Staat kann Art und Höhe der Gewährung von Sozialleistungen generell zwar von der Erfüllung von Verhaltenserwartungen abhängig machen, nicht jedoch die Gewährleistung des Existenzminimums. Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 137).

215

Die Gewährung existenzsichernder Leistungen darf deshalb nicht von der Erfüllung von Gegenleistungen oder von bestimmten Handlungen durch den Hilfebedürftigen abhängig gemacht werden (a.A. wohl Berlit, info also 2013, S. 201 f.). Dies lässt die Zulässigkeit der Schaffung von Mitwirkungsobliegenheiten unberührt, die dazu dienen, festzustellen, ob Hilfebedürftigkeit überhaupt besteht (vgl. §§ 60 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -; vgl. auch Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 290). Die Unverfügbarkeit des Grundrechts ist nicht durch den Verweis auf ein Prinzip der Selbstverantwortlichkeit, das gleichfalls ein Gebot der Menschenwürde sei, zu relativieren (in diese Richtung Görisch, NZS 2011, S. 648; Berlit, info also 2013, S. 200; weitere Nachweise bei Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 390). Auch wenn nach bestimmten Menschenwürdekonzeptionen Erwerbsarbeit zur Würdeverwirklichung gehört, folgt hieraus nicht, dass der ebenfalls der Menschenwürdegarantie unterfallende Schutz des physischen und soziokulturellen Existenzminimums bei Verstoß gegen Erwerbsobliegenheiten wegfallen dürfte. Aus der Einbeziehung der Selbstverwirklichung durch Erwerbsarbeit in den Schutz der Menschenwürdegarantie könnte allenfalls gefolgert werden, dass der Staat derartige Selbstverwirklichung nicht verhindern darf und möglichst fördern sollte. Einer hilfebedürftigen Person existenzsichernde Leistungen vorzuenthalten, weil sie beispielsweise einer Erwerbsarbeit nicht nachgehen will, mag eine sozialpolitische Wunschvorstellung sein; die Annahme, dass dies als ein Ausdruck der Anerkennung der Menschenwürde des Betroffenen erscheinen könne (vgl. Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 390; Berlit, info also 2013, S. 200), liegt jedoch fern. Schließlich ist mit dem Anspruch auf existenzsichernde Leistungen kein Verbot der Selbstverwirklichung durch Erwerbsarbeit verbunden. Die Einräumung eines Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen kann für sich genommen die Menschenwürde nicht verletzen.

216

Die Beschränkung der Reichweite des Schutzes durch Art. 1 Abs. 1 GG durch Anreicherung des Menschenwürdebegriffs mit bestimmten Vorstellungen vom „guten“, "eigenverantwortlichen" oder „gemeinschaftsdienlichen“ Leben hätte letztendlich zur Folge, dass die Verwirklichung der Würde des Menschen Staats- oder Gemeinschaftszwecken untergeordnet werden dürfte. Dies zu verhindern, ist gerade der Sinn des Art. 1 Abs. 1 GG, der die Menschenwürde für unantastbar erklärt.

217

Die Verankerung des Existenzsicherungsgrundrechts in der Menschenwürdegarantie schließt es somit aus, die Frage, wem existenzsichernde Leistungen zu gewähren sind, vom durch demokratischen Mehrheitsbeschluss zugeschriebenen Wert eines Menschen oder seiner Handlungen für die Gesellschaft abhängig zu machen (vgl. Spellbrink, NZS 2010, S. 653).

218

Einschränkungen des materiellen Anspruchs der Höhe nach sind daher verfassungswidrig, wenn sie dazu führen, dass die Höhe der verbliebenen Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz evident unzureichend ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 81) oder sich durch realitätsgerechte, schlüssige Berechnungen nicht sachlich differenziert begründen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 82). An diesem verfassungsrechtlichen Maßstab sind die im SGB II vorgesehenen Leistungseinschränkungen zu prüfen (neben § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II z.B. auch § 22 Abs. 5 S. 1 SGB II, § 22 Abs. 5 S. 4 SGB II, § 31a Abs. 1 S. 1 SGB II, § 32 Abs. 1 S. 1 SGB II, § 42a Abs. 1 S. 1 SGB II, § 43 Abs. 2 S. 1 SGB II). Dies betrifft beispielsweise Leistungskürzungen durch Sanktionen (§ 31a SGB II, § 32 SGB II), die nur dann nicht verfassungswidrig sind, wenn trotz der Leistungskürzung noch das gesamte Existenzminimum einschließlich eines zumindest geringfügigen Maßes an sozialer Teilhabe gedeckt ist (Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 297 f.). Da es dem Gesetzgeber freisteht, den Leistungsanspruch über das Existenznotwendige hinaus zu erweitern, verstoßen Abstufungen in der Leistungshöhe, die verhaltenssteuernde Wirkung entfalten sollen, nicht automatisch gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07.07.2010 - 1 BvR 2556/09 - Rn. 9).

219

Leistungsausschlüsse dem Grunde nach, die trotz bestehender Hilfebedürftigkeit eintreten und durch kein anderes existenzsicherndes Leistungssystem (z.B. durch Leistungen nach dem SGB XII oder nach dem AsylbLG) aufgefangen werden, sind per se verfassungswidrig, da sie evident die Gewähr dafür entziehen, ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist. Nicht bedarfsbezogene Ausschlusstatbestände unter Missachtung der Grenzfunktion des Gesetzeswortlauts im Wege einer "teleologischen Gesetzeskorrektur" noch auszuweiten (so Hessisches LSG, Beschluss vom 11.12.2014 - L 7 AS 528/14 B ER - Rn. 57), verstößt daher nicht nur gegen das Gebot der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 97 Abs. 1 GG), sondern - falls kein anderes Existenzsicherungssystem greift - auch gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.

220

Die in den Nichtannahmebeschlüssen des BVerfG vom 03.09.2014 (1 BvR 1768/11) und vom 08.10.2014 (1 BvR 886/11) geäußerte Auffassung, der Leistungsausschluss von Auszubildenden in § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II a.F. verletze das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht, da existenzielle Bedarfe, soweit sie durch die Ausbildung entstünden vorrangig durch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) beziehungsweise nach dem SGB III gedeckt würden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08.10.2014 - 1 BvR 886/11 - Rn. 13), obwohl diese Leistungssysteme bedarfsunabhängige Ausschlussgründe vorsehen, stellt demgegenüber einen nicht ohne weiteres nachvollziehbaren Bruch mit der im Urteil vom 09.02.2010 entwickelten Dogmatik dar. Denn es ist unklar, weshalb die zur Voraussetzung der Gewährung existenzsichernder Leistungen gemachte Verhaltenserwartung des Abbruchs der Ausbildung oder des Studiums mit dem Axiom der Unverfügbarkeit des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sein könnte.

221

Das Grundrecht ist - unbeschadet der Beschlüsse des BVerfG vom 03.09.2014 (1 BvR 1768/11) und vom 08.10.2014 (1 BvR 886/11) - dem Grunde nach unverfügbar und insoweit - wie es der überkommenen Dogmatik der Menschenwürdegarantie entspricht - "abwägungsfest" (Baer, NZS 2014, S. 3).

222

5.3 Dass das BVerfG dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum bei der Gestaltung des einfachrechtlichen Anspruchs belässt, gründet darauf, dass die normative Einschätzung dessen, was für ein menschenwürdiges Leben unter konkreten gesellschaftlichen Bedingungen erforderlich ist, nur im Wege eines politischen Prozesses erfolgen kann, dessen Durchführung unter den verfassungsrechtlichen Bedingungen einer parlamentarischen Demokratie den gewählten Legislativorganen obliegt. Der materielle Gehalt des Grundrechts muss im Gesetzgebungsprozess konkretisiert werden (vgl. jedoch zur Kritik an der sozialpolitischen "Leere" des Urteils des BVerfG vom 09.02.2010: Schnath, NZS 2010, S. 298; zur Kritik an der eingeschränkten Überprüfbarkeit: Neskovic/Erdem, SGb 2012, S. 137 f.).

223

Der Einwand, das BVerfG entziehe die gesellschaftlich streitbare Frage nach der Reichweite der staatlichen Verpflichtung zur Absicherung des Existenzminimums durch Verankerung des Grundrechts in Vorschriften, die der Ewigkeitsgarantie (Art. 79 Abs. 3 GG) unterliegen, für die Ewigkeit dem politischen Diskurs und schwäche hiermit das demokratische Prinzip (Groth, NZS 2011, S. 571; kritisch auch Rixen, NZS 2011, S. 333), vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen. Formal schwächt jedes Grundrecht und jede verfassungsrechtliche Bindung der Legislative die Demokratie, wenn man diese auf den Gesetzgebungsakt reduziert und die Voraussetzungen für den demokratischen Prozess (z.B. Meinungsfreiheit, soziale Teilhabe) ausblendet (vgl. auch Luik, jurisPR-SozR 4/2010 Anm. 1). Die Konstituierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch das BVerfG als "Gewährleistungsrecht" zwingt die Legislativorgane jedoch dazu, den demokratischen Prozess, der sich nicht im Gesetzgebungsakt erschöpft, praktisch zu realisieren, auch wenn grundsätzlich nur dessen Ergebnis einer (verfassungs-)gerichtlichen Kontrolle unterliegt.

224

Die scheinbar entgegengesetzte Kritik, das BVerfG überlasse das Grundrecht weitestgehend der Disposition des nur bedingt gebundenen Gesetzgebers (Neskovic/Erdem, SGb 2012, S. 138), verdeutlicht die Kompromisshaftigkeit der vom BVerfG entwickelten Dogmatik. Bei der Konstruktion des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums werden Menschenwürdegarantie und Sozialstaatsprinzip mit dem Demokratieprinzip harmonisiert. Eine Lösung, die diese Verfassungsgrundsätze besser miteinander in Einklang bringt, ist der vorlegenden Kammer nicht ersichtlich.

225

5.4 Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums stellt an ein Staatswesen, welches den Schutz und die Achtung der Menschenwürde zum obersten Staatsziel erklärt und der Verfassung voranstellt (Art. 1 Abs. 1 GG) und sich als "sozial" bezeichnet (Art. 20 Abs. 1 GG), keine überzogenen Anforderungen, insbesondere nicht im Hinblick auf die Finanzierung (vgl. zu diesbezüglichen Vorbehalten gegenüber sozialen Menschenrechten: Wimalasena, KJ 2008, S. 4 f.). Letzteres wird dadurch gesichert, dass der Gesetzgeber in Ausübung seines Gestaltungsspielraums bei der inhaltlichen Bestimmung des Grundrechts den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsstand berücksichtigen kann und muss. Das Grundrecht ist zwar dem Grunde nach unverfügbar und abwägungsfest, der Höhe nach aber nicht vom gesellschaftlichen Wohlstand und dessen ökonomischen Grundlagen entkoppelt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 74).

226

6. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums garantiert nicht nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Regelbedarfen (gegebenenfalls ergänzt durch Mehrbedarfe) zusammengefasst sind (§§ 20, 21 SGB II), sondern auch die Bedarfe für Unterkunft und Heizung (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 135; BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 64; Bieresborn, jurisPR-SozR 12/2007 Anm. 2; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, S. 144 ff.; dies. in: Hauck/Noftz, § 22 SGB II Rn. 6, Stand Oktober 2012; Berlit in: LPK-SGB II, §22a Rn. 6, 5. Auflage 2013; ders., info also 2011, S. 195; Piepenstock in: jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 31, 3. Auflage 2012; Mutschler, NZS 2011, S. 481; Kofner, WuM 2011, S. 72; Knickrehm, SozSich 2010, S. 191; dies., NZM 2013, S. 602 ff.; dies., jM 2014, S. 339; Putz, SozSich 2011, S. 233, Klerks, info also 2011, S. 196; Gautzsch, NZM 2011, S. 498 f.; Rosenow, wohnungslos 2012, S. 56; Stölting in: Eicher, SGB II, § 1 Rn. 16, 3. Auflage 2013; Groth, SGb, 2013, S. 250; Axer, SGb 2013, S. 671; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 90; vgl. bereits Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rn. 5, 1. Auflage 2005).

227

Die Versorgung mit einer Unterkunft und Schutz gegen Kälte in dieser Unterkunft gehören zu den durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Grundbedürfnissen des Menschen jedenfalls unter den gegenwärtigen klimatischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland. Die Möglichkeit der Nutzung irgendeiner Form von bewohnbarer Unterkunft gehört bereits zum physischen Existenzminimum (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.09.2013 - L 36 AS 1414/12 NK - Rn. 47). Darüber hinaus gehören Aufwendungen für Unterkunft und Heizung auch zum sozialen Teilhabebedarf, also zum soziokulturellen Existenzminimum, dessen Realisierung in einem Leistungsanspruch nach der Rechtsprechung des BVerfG einem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unterliegt (vgl. Groth, SGb, 2013, S. 250: „Für Bezieher von Grundsicherungsleistungen bedeuten Wohnung und Wohnumfeld Rückzugs- und Identifikationsräume, deren Preisgabe einen vielfach ohnehin empfundenen sozialen Abstieg nach außen sichtbar machen würde.").

228

Es besteht kein derartiger Unterschied zwischen den Bedarfen zur Sicherung des (sonstigen) Lebensunterhalts und den Bedarfen zur Sicherung von Unterkunft und Heizung, der es rechtfertigen würde, dass für die Bestimmung des Unterkunftsbedarfs andere verfassungsrechtliche Maßstäbe herangezogen werden könnten als für den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dies schließt allerdings nicht aus, die Gewährung des Unterkunftsbedarfs auf andere Weise als den Regelbedarf zu gestalten. Die vom Gesetzgeber im Grundsatz gewählte Möglichkeit, den Unterkunftsbedarf als Geldleistung im Rahmen des Gesamtanspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld auszugestalten, ist nur eine von mehreren denkbaren Varianten (vgl. Schmidt, NVwZ 1995, S. 1045; Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 17, 5. Auflage 2013).

229

Die (verfassungsrechtliche) Notwendigkeit der näheren Bestimmung durch den Gesetzgeber ergibt sich im Übrigen daraus, dass die Unterkunftskosten nach geltendem Recht mit den Regelbedarfen in einem wechselseitigen Zusammenhang stehen. Bei Leistungsberechtigten ohne anrechnungsfreies Einkommen oder Schonvermögen wirkt sich die unvollständige Berücksichtigung der Unterkunftskosten nach geltendem Recht praktisch wie eine Minderung der Leistungen für den Regelbedarf aus, da die übersteigenden Unterkunftskosten aus der Regelleistung bestritten werden müssen (vgl. Kofner, WuM 2011, S. 76; Spindler, info also 2011, S. 247). Eine dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums genügende Gestaltung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II (bzw. Sozialgeld) setzt daher eine verfassungsgemäße Bestimmung aller einzelnen Berechnungselemente (Regelbedarf, Mehrbedarfe, Unterkunft- und Heizungsbedarfe) voraus.

II.

230

Dies zu Grunde gelegt verstößt § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG.

231

Der unbestimmte Rechtsbegriff der "Angemessenheit", der alleiniger Anknüpfungspunkt im Normtext für die Beschränkung der Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ist, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht (so bereits SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 68 ff.; SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 52 ff.; SG Mainz, Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 43; SG Leipzig, Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12 - Rn. 41 ff.; Stölting, SGb 2013, S. 545).

232

Der Gesetzgeber hat zwar einen gesetzlichen Anspruch auf Gewährung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums dem Grunde nach geschaffen (1), diesen jedoch der Höhe nach nicht hinreichend bestimmt (2), weswegen nicht festgestellt werden kann, ob eine evidente Unterschreitung des für eine menschenwürdige Existenz Notwendigen vorliegt (3). Für eine Prüfung der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 142 ff. und Rn. 159 ff.) fehlt es gleichfalls an einem hinreichend bestimmten gesetzlichen Anspruch als Bezugspunkt. Der Gesetzgeber hat - bezogen auf Unterkunfts- und Heizungsbedarfe - das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, nicht in einer Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben und weder ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt noch die hierfür erforderlichen Tatsachen ermittelt (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 143) (4). Eine verfassungskonforme Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist nicht möglich (5). Die gegen die Annahme der Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vorgetragenen Argumente sind nicht überzeugend (6).

233

Ausgehend von der Rechtsprechung des BVerfG ist die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen zur Sicherung des Existenzminimums in vier Schritten zu prüfen:

234

Erstens muss der Anspruch in einem formellen Bundesgesetz auf Grund eines verfassungsgemäß durchgeführten Gesetzgebungsverfahrens konstituiert werden (formell-gesetzlicher Anspruch).

235

Zweitens muss der Anspruch im Gesetzestext selbst so hinreichend bestimmt sein, dass die Verwaltung eine Entscheidung über die Höhe des Anspruchs treffen kann, die die im Gesetzestext zum Ausdruck kommenden Wertentscheidungen des Gesetzgebers nachvollziehbar berücksichtigt (hinreichende Bestimmtheit; konkreter Anspruch).

236

Drittens darf die Höhe des Anspruchs nicht evident unzureichend zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz sein (Evidenzkontrolle).

237

Viertens müssen die Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen sein, was mindestens eine inhaltliche Bestimmung des Existenzminimums und eine Auswahl der Methoden zur Ermittlung der Bedarfe und zur Festsetzung der Höhe des Leistungsanspruchs durch den Gesetzgeber voraussetzt ("tragfähige Begründbarkeit").

238

1. Mit den §§ 19 Abs. 1, Abs. 3, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hat der Gesetzgeber einen Anspruch auf Gewährung eines unterkunftsbezogenen Existenzminimums als Teil des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld im Wege eines formellen Bundesgesetzes realisiert. In dieser Hinsicht ist der Gesetzgeber seiner Gestaltungsverpflichtung nachgekommen.

239

1.1 Der einfachrechtliche Anspruch auf existenzsichernde Leistungen muss durch ein formelles Bundesgesetz gestaltet werden (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 - u.a. - Rn. 136).

240

Ein wesentliches Merkmal des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist der hiermit verbundene Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber. Dieser hat einerseits zur Konsequenz, dass oberhalb evidenter Verstöße ein weiter Gestaltungsspielraum mit zurückgenommener (verfassungs-)gerichtlicher Kontrolle besteht, andererseits, dass der Gesetzgeber diesem Gestaltungsauftrag auch nachkommen muss und somit eine Gestaltungsverpflichtung besteht. Die Gestaltungsverpflichtung des parlamentarischen Gesetzgebers ergibt sich aus dem Demokratieprinzip, welches bestimmt, dass die für die Grundrechtsverwirklichung wesentlichen Regelungen durch das Parlament selbst zu treffen sind (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 136), also nicht an Exekutive oder Judikative delegiert werden dürfen. Hieraus folgt, dass der einfachrechtliche Leistungsanspruch zur Gewährung des Existenzminimums durch ein formelles Parlamentsgesetz geregelt werden muss. In Folge der umfassenden Wahrnehmung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge) durch den Bundesgesetzgeber, ist der Anspruch vollständig durch ein formelles Bundesgesetz zu regeln (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 181).

241

1.2 Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf Gewährleistung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums ausgestaltet, in dem er mit §§ 19 Abs. 1, Abs. 3, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (bzw. für das Recht der Sozialhilfe mit §§ 27a Abs. 1 S. 1, 35 Abs. 1 S. 1 SGB XII) einen einfachgesetzlichen Anspruch auf Leistungen für die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung geschaffen hat. Diese Leistungen bilden einen integralen Bestandteil des Arbeitslosengeldes II bzw. des Sozialgelds (vgl. Berlit, info also 2011, S. 166), die im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Sicherung des Lebensunterhalts dienen.

242

§ 19 Abs. 1 SGB II lautet:

243

"Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Arbeitslosengeld II. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung."

244

§ 19 Abs. 3 S. 1 SGB II lautet:

245

"Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts werden in Höhe der Bedarfe nach den Absätzen 1 und 2 erbracht, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind."

246

§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lautet:

247

"Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind."

248

1.3 Mit der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II wird der Umfang des Bedarfes für Unterkunft und Heizung bestimmt, der bei der Bemessung des individuellen Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld zum Regelbedarf nach § 20 SGB II und gegebenenfalls zu Mehrbedarfen nach § 21 SGB II hinzutritt. Ausgangspunkt für die Bedarfsbemessung sind die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.

249

Der Unterkunftsbedarf wird im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausschließlich als Bestandteil einer Geldleistung (§ 11 S. 1 SGB I, § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB II) erbracht (Piepenstock in: jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 35, 3. Auflage 2012, Stand: 01.12.2014). Dies gilt auch für besondere Konstellationen (Umzugskosten gemäß § 22 Abs. 6 SGB II, Schuldenübernahme gemäß § 22 Abs. 8 SGB II). Auch bei Direktauszahlung der Leistung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte (§ 22 Abs. 7 SGB II) verbleibt es bei einer Geldleistung.

250

1.4 Ergänzt wird der Anspruch auf Unterkunftsleistungen durch § 22 Abs. 2 SGB II (unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum), § 22 Abs. 6 SGB II (Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten einschließlich Mietkaution) und § 22 Abs. 8 SGB II (Übernahme von Schulden zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit und von vergleichbaren Notlagen). Für die Kosten der Warmwasserbereitung wird ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II anerkannt, soweit keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 SGB II berücksichtigt werden.

251

1.5 Eingeschränkt werden die Leistungen für Unterkunft und Heizung unabhängig von der Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II durch § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II (Kostendeckelung bei nicht erforderlichem Umzug; vgl. zur verfassungskonformen Auslegung dieser Regelung: SG Mainz, Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 55 ff.), § 22 Abs. 5 SGB II (Leistungsausschluss bei Umzug vor Vollendung des 25. Lebensjahrs, vgl. Berlit, info also 2011, S. 59 ff.; Hammel, ZFSH/SGB 2013, S. 73 ff.) und gegebenenfalls durch Sanktionen bei Pflichtverletzungen nach § 31a SGB II.

252

2. Mit der Begrenzung der bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigenden Unterkunftskosten auf die „angemessenen“ Aufwendungen in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verstößt der Gesetzgeber gegen das verfassungsrechtliche Gebot, die für die Verwirklichung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wesentlichen Regelungen hinreichend bestimmt selbst zu treffen (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 136).

253

Aus der Grundrechtsrelevanz der existenzsichernden Leistungen erwachsen qualitative Anforderungen hinsichtlich der Intensionstiefe (vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik, 10. Auflage 2009, S. 196) der textlich verfassten gesetzlichen Bestimmungen. Diese müssen so viele Merkmale aufweisen, dass die argumentative Rückbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Fachgerichte (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 97 Abs. 1 GG) an die im Gesetzgebungsverfahren erzeugten Gesetztestexte ermöglicht wird. Der Gesetzestext muss so hinreichend bestimmt sein, dass eine Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung auch und gerade vom Adressaten der Entscheidung noch als Konkretisierung eines bestimmten Gesetzgebungsakts nachvollzogen werden kann. Die aus dem Demokratieprinzip resultierende Anforderung an den Gesetzgeber, die wesentlichen Entscheidungen zur Grundrechtsverwirklichung selbst zu treffen, liefe andernfalls ins Leere.

254

Die das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums konstituierenden Entscheidungen des BVerfG (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a.; BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a.) enthalten selbst keine näheren Ausführungen über den Grad der Bestimmtheit, den gesetzliche Regelungen zur Sicherung des Existenzminimums haben müssen. Dies ist wohl dem Umstand geschuldet, dass die dort zu überprüfenden Fragen ausschließlich die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistungen bzw. des Regelbedarfes betrafen, bei denen die Leistungshöhe im Gesetz bzw. in den hierzu erlassenen, durch gesetzliche Regelungen weitgehend determinierten Anpassungsverordnungen numerisch exakt bestimmt war bzw. ist. Die durch das BVerfG geprüften Vorschriften wiesen - jedenfalls auf der Rechtsfolgenseite - kein Bestimmtheitsproblem auf.

255

2.1 Das Bestimmtheitsgebot ist sowohl Ausdruck des Demokratie- als auch des Rechtsstaatsprinzips. Das BVerfG formuliert die rechtsstaatlichen Bestimmbarkeitsanforderungen beispielhaft folgendermaßen (BVerfG, Urteil vom 22.11.2000 - 1 BvR 2307/94, 1 BvR 1120/95, 1 BvR 1408/95, 1 BvR 21 BvR 2460/95, 1 BvR 21 BvR 2471/95 - Rn. 325):

256

"Das rechtsstaatliche Gebot der Gesetzesbestimmtheit zwingt den Gesetzgeber nicht, Regelungstatbestände stets mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Der Gesetzgeber ist aber gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (...). Bei der Frage, welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist auch die Intensität der Einwirkungen auf die Regelungsadressaten zu berücksichtigen (...). Die Rechtsunterworfenen müssen in zumutbarer Weise erkennen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen (...). Dabei reicht es aus, wenn sich dies im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt (...)."

257

An anderer Stelle führt das BVerfG aus, dass die grundsätzliche Zulässigkeit unbestimmter Gesetzesbegriffe den Gesetzgeber nicht davon entbinde, die Vorschrift so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normklarheit und Justitiabilität entspreche (BVerfG, Beschluss vom 12.01.1967 - 1 BvR 169/63 - Rn. 17).

258

2.1.1 Das verfassungsrechtliche Prinzip, dass die für die Grundrechtsverwirklichung wesentlichen Bestimmungen durch den parlamentarischen Gesetzgeber getroffen werden müssen ("Wesentlichkeitstheorie"), wird im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auf zweierlei Weise aufgerufen. Einerseits bewirkt bereits die dogmatische Qualifikation des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Grundrecht, dass das Wesentlichkeitsprinzip berücksichtigt werden muss. Andererseits bedingt die Besonderheit der Qualifikation als "Gewährleistungsrecht", dass das Grundrecht erst durch Erfüllung des gesetzgeberischen Gestaltungsauftrags zur vollen Entfaltung kommen kann. Mit diesem zweiten, materiellen Aspekt sind auch die vom BVerfG entwickelten Qualitätsmaßstäbe hinsichtlich der "tragfähigen Begründbarkeit" (siehe unten unter 4) verbunden.

259

Sowohl die Grundrechtsqualität als auch die Konstituierung des Anspruchs auf Existenzsicherung als Gewährleistungsrecht prägen mithin die "Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck" und bestimmen die "Intensität der Einwirkungen auf die Regelungsadressaten" (BVerfG, Urteil vom 22.11.2000 - 1 BvR 2307/94 u.a. - Rn. 325) in dem Sinne, dass der Gesetzgeber die Regelungen zur Sicherung des Existenzminimums möglichst exakt ausgestalten muss.

260

2.1.2 Hieraus folgt, dass eine Verwaltungs- oder Fachgerichtsentscheidung, mit der über die Gewährung existenzsichernder Leistungen entschieden wird, in qualifizierter Weise auf eine gesetzgeberische Entscheidung zurückgeführt werden können muss. Die hierfür wesentlichen Bestimmungen müssen im für die Sachentscheidung auf Verwaltungsebene einschlägigen Gesetzestext (Normtext bzw. amtlicher Wortlaut) enthalten sein, da nur dieser durch das formalisierte Gesetzgebungsverfahren in Geltung gesetzte Text dem parlamentarischen Willensbildungsprozess eindeutig zuzurechnen ist. Nicht einschlägige Normtexte (z.B. Parallelvorschriften) oder im Sachzusammenhang mit dem Gesetzgebungsakt stehende Nicht-Normtexte (z.B. Gesetzgebungsmaterialien) können legitimerweise Konkretisierungselemente für die Auslegung einfachen Gesetzesrechts sein, vermögen aber nicht die gemessen am Wesentlichkeitsvorbehalt festgestellte Unterbestimmtheit einer gesetzlichen Regelung zu kompensieren. Denn weder nicht einschlägige Normtexte noch Gesetzesmaterialien sind - bezogen auf die konkrete Regelungsmaterie - Ergebnisse des parlamentarisch-demokratischen Entscheidungsprozesses. In Bezug auf den Regelungsgegenstand unterliegen sie auch nicht den durch den parlamentarischen Prozess garantierten Sicherungen im Hinblick auf die Öffentlichkeit der Debatte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 77).

261

Für Grundrechtsträger muss darüber hinaus erkennbar sein, welche staatlichen Akteure für die Ausgestaltung ihrer Rechte verantwortlich sind. Dies betrifft den Grundrechtsträger nicht nur in seiner Eigenschaft als Leistungsberechtigten, sondern auch als Teilnehmer am demokratischen Prozess durch Wahlen oder andere Beteiligungsformen. Mit den Worten des BVerfG (Urteil vom 07.10.2014 - 2 BvR 1641/11 - Rn. 81):

262

"Demokratie und Volkssouveränität erschöpfen sich im repräsentativ-parlamentarischen System des Grundgesetzes nicht in Zurechnungsfiktionen und stellen auch nicht nur formale Mindestanforderungen an den Legitimationszusammenhang zwischen dem Volk und den handelnden Staatsorganen. (...) Der wahlberechtigte Bürger muss wissen können, wen er wofür - nicht zuletzt durch Vergabe oder Entzug seiner Stimme - verantwortlich machen kann. Daran fehlt es, wenn die Aufgaben durch Organe oder Amtswalter unter Bedingungen wahrgenommen werden, die eine solche Verantwortungszuordnung nicht ermöglichen (...)."

263

Dieser Verantwortungszusammenhang kann praktisch nur realisiert und sichtbar gemacht werden, indem die aus Gründen der Grundrechtsverwirklichung vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst zu treffenden Regelungen so gestaltet sind, dass sie zur maßgeblichen Beeinflussung der konkreten Entscheidungsprozesse der Verwaltung und der Fachgerichte geeignet sind.

264

2.1.3 Die Aussage des BVerfG, die Rechtsunterworfenen müssten in zumutbarer Weise erkennen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen, und hierfür reiche es aus, wenn sich dies im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lasse (BVerfG, Urteil vom 22.11.2000 - 1 BvR 2307/94 u.a. - Rn. 325), darf nicht so verstanden werden, dass ein verfassungswidriger Bestimmtheitsmangel des Gesetzes durch Auslegung der Gerichte mit anerkannten Mitteln der juristischen Methodenlehre ausgeglichen werden könnte (in diese Richtung aber Luik, jurisPRSozR 22/2013 Anm. 1).

265

Es geht hier nur darum festzustellen, ob eine Rechtsvorschrift nach verfassungsrechtlichen Maßstäben hinreichend bestimmt ist. Hierzu muss beurteilt werden, ob die sich aus der Eigenart des Lebenssachverhalts und des Normzwecks ergebenden Anforderungen an die Intensionstiefe (im Sinne von Merkmalsdichte) des Normtextes mit der konkret gewählten Regelungstechnik erfüllt werden. Diese Frage ist mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden zu beantworten. Dies kann insbesondere mit den Methoden der semantischen und der systematischen Auslegung geschehen, da diese die einschlägigen Normtexte selbst in den Blick nehmen.

266

Es geht an dieser Stelle hingegen nicht darum nachzuweisen, dass ein unbestimmter Rechtsbegriff mit Hilfe anerkannter Mittel der juristischen Methodenlehre für eine gerichtliche Sachentscheidung fruchtbar gemacht werden kann; dies ist ausnahmslos der Fall. Gerichte können unbestimmte Rechtsbegriffe argumentativ u.a. mit Zweckerwägungen, historischen und genetischen Aspekten, Erwägungen zur „materiellen Gerechtigkeit“ und Praktikabilitätserfordernissen anreichern, um den Fall zur Entscheidungsreife zu bringen. Die Rechtsprechung ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes verpflichtet (Art. 19 Abs. 4 GG), d.h. sie muss auch dann, wenn unbestimmte Rechtsbegriffe im Gesetz Verwendung finden, zu einer bestimmten Sachentscheidung kommen. In einem funktionierenden Rechtsstaat muss es auf jede Rechtsfrage eine Antwort geben (Forgó/Somek, Nachpositivistisches Rechtsdenken, in: Buckel/Christensen/Fischer-Lescano (Hrsg.): Neue Theorien des Rechts, 2. Auflage 2009, S. 257). Dieser Befund kommt in der Feststellung zum Ausdruck, dass der unbestimmte Rechtsbegriff der "Angemessenheit" der uneingeschränkten oder vollständigen richterlichen Kontrolle unterliege (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 - Rn. 21 ff.; Knickrehm, jM 2014, S. 340).

267

Hierfür stellt die juristische Methodenlehre Werkzeuge zu Verfügung, deren Aufgabe es ist, jeden Fall anhand rationaler Kriterien lösbar zu machen. Die normtextbezogenen Methoden der "grammatischen" und "systematischen" Auslegung verlieren durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe jedoch an Bedeutung, wodurch die Begrenzungen richterlichen und behördlichen Entscheidens durch Gesetzesbindung geschwächt werden. Durch Heranziehung vom Normtext unabhängiger, gleichwohl "anerkannter" Konkretisierungselemente wie historischer, genetischer und (insbesondere) teleologischer Auslegung lassen sich unbestimmte Rechtsbegriffe besonders leicht einer auf den Fall bezogenen Konkretisierung zuführen, da ein Verstoß gegen das Gesetzesbindungsgebot kaum je nachgewiesen werden kann.

268

Hiermit wird aber noch nichts über die Abgrenzung der Rechtserzeugungsbefugnisse zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung gesagt. Bei der Frage, ob der Gesetzgeber hinreichend bestimmte Regelungen getroffen hat, handelt es sich mithin nicht um ein methodologisches Problem, sondern um ein Problem der Legitimation. Die demokratische Willensbildung kann im Rechtsstaat nur in dem Umfang Wirkung entfalten, in dem sie durch Gesetze Verwaltung und Rechtsprechung zu binden vermag (Art. 20 Abs. 3 GG). Je weniger bedeutsame Merkmale eine Regelung aufweist, also je unbestimmter sie ist, desto geringer ist die Bindungswirkung des Gesetzes. Bei Regelungsmaterien, die aus verfassungsrechtlichen Gründen im Wesentlichen der Gestaltung durch den parlamentarischen Gesetzgeber unterliegen, erwächst hieraus ein Bestimmtheitsgebot. Das Bestimmtheitsgebot verlangt eine Regelungstechnik, die dazu geeignet ist, Gesetzesbindung zu erzeugen. Hierzu muss die gesetzliche Vorschrift so viele bestimmende Merkmale aufweisen, dass der durch Verwaltung und Rechtsprechung zu vollziehende Konkretisierungsprozess wirksam im Sinne der demokratischen Willensbildung gesteuert werden kann.

269

2.1.4 Wann die Voraussetzung der hinreichenden Bestimmtheit (bzw. Bestimmbarkeit) erfüllt ist, lässt sich nicht abstrakt festlegen, da Gesetzestext, Interpretationskultur und rechtsstaatliches Verfahren - abgesehen von Fällen numerischer Exaktheit - niemals eine vollständige Determination der Fallentscheidung ermöglichen (Müller/Christensen, Juristische Methodik, 10. Auflage 2009, S. 195). Gesetzesbegriffe sind in diesem Sinne also immer unbestimmt. Hieraus folgt, dass die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Gesetzes nicht losgelöst von dessen Funktion betrachtet werden können und Maßstab für die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots nur ein der Regelungsmaterie angemessener Grad von Bestimmbarkeit sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.08.1978 - 2 BvL 8/77 - Rn. 101).

270

Dass dieser Grad der Bestimmbarkeit bei der gesetzlichen Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums besonders hoch sein muss, ergibt sich zum einen aus der Grundrechte verwirklichenden Funktion des Gesetzes (Stölting, SGb 2013, S. 545), zum anderen und wesentlich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die politische Transformation der "gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche" (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 138) überhaupt erst vollziehen muss, um seiner Gestaltungsverpflichtung nachzukommen. Regelungstechniken, die wegen ihrer Unbestimmtheit nicht dazu geeignet sind, Verwaltung und Rechtsprechung wirkungsvoll zu steuern, erhalten zwar den legitimatorischen Schein der Gesetzesbindung aufrecht (vgl. Maus, Verrechtlichung, Entrechtlichung und der Funktionswandel von Institutionen, in: dies.: Rechtstheorie und politische Theorie im Industriekapitalismus, München 1986, S. 278), überlassen die Interpretation dessen, was die genannten "gesellschaftlichen Anschauungen" sein mögen, jedoch einer demokratisch allenfalls höchst mittelbar legitimierten Funktionselite.

271

2.1.5 Zur Prüfung, ob eine gesetzliche Regelung den genannten Anforderungen genügt, ist daher eine möglichst präzise Analyse erforderlich, in welchem Ausmaß der Gesetzestext unter Einschluss der Gesetzessystematik die in Ausführung des Gesetzes ergehenden behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen zu begrenzen vermag und sich durch diese Begrenzung dazu eignet, die wesentlichen Wertentscheidungen des Gesetzgebers in der einzelfallbezogenen Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung wiedererkennbar zu machen.

272

2.2 Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II weist unabhängig von der Problematik der Angemessenheitsgrenze einen relativ geringen Bestimmtheitsgrad auf, da beispielsweise nicht ausdrücklich normiert ist, was unter Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Einzelnen zu verstehen ist (2.2.1), auf welche Weise diese Aufwendungen in Mehrpersonenhaushalten einzelnen Personen als Bedarf zuzuordnen sind (2.2.2) und wie die Aufwendungen unterschiedlichen Bewilligungszeiträumen bzw. -abschnitten zuzuordnen sind (2.2.3). Diese Unsicherheiten lassen sich aber unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik kohärent lösen.

273

2.2.1 Die für diese Vorschrift zentralen Begriffe "Aufwendungen" und "Unterkunft" zeichnen sich durch einen hohen Abstraktionsgrad aus, was ein weites Verständnis beider Begriffe - auch vor dem Hintergrund des Auslegungsgrundsatzes der möglichst weitgehenden Verwirklichung der sozialen Rechte (§ 2 Abs. 2 SGB I; vgl. hierzu SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 - S 3 KR 298/12 - Rn. 75) - erzwingt (vgl. zum BSHG: Schmidt, NVwZ 1995, S. 1041). Die verwendeten Begriffe verweisen auf Grund ihrer Allgemeinheit auf einen weiten, aber hinreichend bestimmbaren Anwendungsbereich.

274

a) Nach der Rechtsprechung des BSG ist eine Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II jede Einrichtung oder Anlage, die geeignet ist, vor den Unbilden des Wetters bzw. der Witterung zu schützen und eine gewisse Privatsphäre (einschließlich der Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren) gewährleistet (BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 1/08 R - Rn. 14; BSG, Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 79/09 R - Rn. 10).

275

Dieser Auffassung ist unter dem Vorbehalt zuzustimmen, dass hiermit keine Mindestanforderungen für die Qualifikation eines Objekts als Unterkunft gestellt werden, sondern die mit der Nutzung eines Objekts verbundene Zweckbestimmung beschrieben wird. Denn auf Grund der Weite des Begriffs der Unterkunft (im Unterschied zur "Wohnung") lässt sich mit § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht vereinbaren, Aufwendungen für die Nutzung eines Obdachs nicht zu berücksichtigen, wenn dieses beispielsweise keinen ausreichenden Schutz vor der Witterung oder keinen Schutz der Privatsphäre bietet (a.A. wohl LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 07.03.2013 - L 3 AS 69/13 B ER - Rn. 18). Auch dies wäre eine unzulässige Verwendung eines um Vorstellungen vom "guten" Leben angereicherten Menschenwürdeverständnisses zur Leistungsbegrenzung (s.o. unter B. I. 5.2).

276

Voraussetzung für die Kategorisierung eines Objekts als Unterkunft ist weiter die zweckentsprechende Nutzung des Objekts durch die leistungsberechtigte Person (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R - Rn. 15). Dies folgt daraus, dass es in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II um "Bedarfe für Unterkunft" geht. Die Beziehung des (kostenverursachenden) Objekts zum Leistungsberechtigten wird einerseits durch dessen Nutzung, andererseits durch die mit der Nutzung verbundenen Verpflichtungen (Aufwendungen) geprägt. Eine nicht durch den Leistungsberechtigten genutzte Wohnung ist deshalb nicht dessen Unterkunft, auch wenn er hierfür Aufwendungen zu erbringen hat.

277

Dies schließt nicht von vornherein aus, dass mehrere Wohnungen durch einen Leistungsberechtigten über einen gewissen Zeitraum parallel genutzt werden und gleichzeitig eine dem Leistungsberechtigten zuzuordnende Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sein können (a.A. Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 25, 5. Auflage 2013; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.06.2006 - L 10 B 488/06 AS ER - Rn. 5; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.01.2013 - L 6 AS 2124/11 B - Rn. 15). Ob die Aufwendungen für mehrere Unterkünfte als Bedarf eines Leistungsberechtigten zu berücksichtigen sind, ist eine Frage, die nach geltendem Recht nur über die Auslegung des Angemessenheitsbegriffs im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zu lösen ist (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 08.10.2007 - L 7 AS 249/07 ER - Rn. 31).

278

b) Unter Aufwendungen für Unterkunft versteht die vorlegende Kammer diejenigen Ausgaben, die als Gegenleistung für die Überlassung der konkret genutzten Unterkunft geschuldet werden, zuzüglich derjenigen Ausgaben, die mit der Nutzung der Unterkunft notwendig zusammenhängen.

279

Mit dem ersten Bestandteil der Definition werden die Ausgaben erfasst, die Voraussetzung für eine rechtmäßige Nutzung des Wohnraums sind, mit dem zweiten Bestandteil die Ausgaben, die aus der Nutzung folgen sowie diejenigen Ausgaben, die der Erhaltung der Nutzbarkeit der Unterkunft dienen. Auf diese Weise wird dem hohen Abstraktionsgrad der Regelung Rechnung getragen. Mit der Präposition "für" können im vorliegenden Kontext die Gegenleistungen für die Überlassung der Unterkunft (z.B. Miete einschließlich Nebenkosten, Kaufpreis), die für die Erhaltung der Unterkunft zu tätigenden Ausgaben (z.B. Renovierungskosten), die mit der Nutzung rechtlich verbundenen Verpflichtungen (z.B. Grundsteuer, Anschlussgebühren) und die für die Nutzbarkeit als Unterkunft erforderlichen Kosten (z.B. Wasseranschlusskosten, Müllgebühren) angesprochen werden.

280

Aus dieser Definition folgt, dass jegliche Gegenleistungen aus Austauschverhältnissen, die die dauerhafte oder vorübergehende Überlassung von Wohnraum zum Gegenstand haben, Aufwendungen für die Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sein können. Dies betrifft sowohl Mietverhältnisse und ähnliche Dauernutzungsverhältnisse als auch im Bedarfszeitraum geschuldete Kaufpreisraten für den Eigentumserwerb einschließlich atypischer Vertragsgestaltungen, wie die Zahlung einer Leibrente als Gegenleistung für eine Eigentumsübertragung (vgl. SG Mainz, Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13 - Rn. 24 ff.; a.A. BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R - Rn. 17 ff.).

281

Der (grundsätzliche) Ausschluss von Kaufpreisraten (BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 79/10 R - Rn. 18 ff.; vgl. zuletzt auch BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R - Rn. 17 ff.) überzeugt methodisch nicht. Das BSG differenziert offenbar nicht zwischen echten Kaufpreisraten, die als Gegenleistung für die Eigentumsübertragung geschuldet werden (vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 79/10 R - Rn. 18 ff.), und Tilgungsleistungen zur Rückzahlung eines zum Zwecke des Immobilienerwerbs aufgenommenen Darlehens (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11b AS 67/0AS 67/06 R - Rn. 27). Echte im Bedarfszeitraum geschuldete Kaufpreisraten lassen sich semantisch nicht aus dem Normbereich des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ausschließen, da diese synallagmatische Gegenleistungen für die Überlassung von Wohnraum darstellen. Ein Ausschluss derartiger Aufwendungen aus der Bedarfsberechnung ließe sich nur unter entsprechender Auslegung des Angemessenheitsbegriffs in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang bringen. Der grundsätzliche Ausschluss von Tilgungsleistungen wird durch das BSG allerdings weder mit einer Auslegung des Begriffs der Aufwendungen (so wohl noch BVerwG, Urteil vom 24.04.1973 - V C 61.73 - Rn. 15), noch mit der Auslegung des Begriffs der Angemessenheit (allenfalls angedeutet durch das BSG im Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - Rn. 24) begründet. Stattdessen wird dem § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal untergeschoben, indem von "anzuerkennenden" Unterkunftskosten die Rede ist (BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R - Rn. 17). Dies bietet dem BSG unter Umgehung der Gesetzesbindung ein rhetorisches Einfallstor für die in der Herausnahme von Tilgungsleistungen aus dem Unterkunftsbedarf zum Ausdruck kommenden sozialpolitischen Erwägungen (vgl. zum Ganzen SG Mainz, Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13 - Rn. 27 ff.).

282

Ob auch Tilgungsraten oder Schuldzinsen für zum Zwecke des Eigentumserwerbs aufgenommene Darlehen als Aufwendungen für Unterkunft anzusehen sind, kann vorliegend offen bleiben. Dies erscheint im Unterschied zur Situation bei echten Kaufpreisraten jedenfalls nicht zwingend. Dass keine Schulden aus der Vergangenheit übernommen werden, lässt sich anhand konkreter gesetzlicher Regelungen begründen, im SGB XII aus dem Kenntnisgrundsatz (§ 18 Abs. 1 SGB XII), im SGB II aus dem Umstand, dass keine Leistungen für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden (§ 37 Abs. 2 S. 1 SGB II). Auf Grund dieser Regelung sind Schulden, die zur Deckung von Bedarfen vor Kenntnis bzw. vor Antragstellung aufgenommen wurden, nicht nachträglich durch Grundsicherungsleistungen auszugleichen. Wenn die Gegenleistung (Zahlung des Kaufpreises) für die Überlassung des Wohnraums in der Vergangenheit bereits vollständig erbracht wurde, stellt sie daher keinen gegenwärtigen Unterkunftsbedarf mehr dar. Die Begleichung von Tilgungsraten und Schuldzinsen von in der Vergangenheit zum Zwecke des Eigentumserwerbs aufgenommenen Krediten dient der Vermeidung der Zwangsvollstreckung u.a. in das erworbene Eigentum und kann deshalb gegebenenfalls zur Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II führen. Sie ist jedoch keine unmittelbare Gegenleistung für die Überlassung des Wohnraums. Dass gerade Schuldzinsen vom BSG als Kosten der Unterkunft anerkannt werden, obwohl diese - anders als Tilgungsraten - kein Substitut für den Kaufpreis, sondern das Entgelt für die Kreditgewährung darstellen, beruht wohl auf einer schematischen Übertragung des Regelungsgehalts des § 7 Abs. 2 der Verordnung zu § 82 SGB XII, der die Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betrifft (BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - Rn. 38; vgl. aber auch BSG, Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 61/10 R - Rn. 16). Die dort abzugsfähigen Ausgaben werden als Aufwendungen für die Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angesehen.

283

Bereits unter dem Aspekt der Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung gehören sämtliche mietvertraglich geschuldeten Nebenkosten zu den Aufwendungen für Unterkunft (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.2008 - B 11b AS 35/06 R - Rn. 20), unabhängig davon, ob die hierbei zu deckenden Bedarfe nach der gesetzgeberischen Konzeption auch Bestandteile des Regelbedarfs sein sollen (BSG, Urteil vom 07.05.2009 - B 14 AS 14/08 R - Rn. 22; BSG, Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 151/10 R - Rn. 15 ff.; a.A. noch BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/7b 64/06 R - Rn. 32).

284

Auch im Falle der Bewohnung eines Eigenheims nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gehören die Nebenkosten, wie z.B. Beiträge zur Wohngebäudeversicherung, Grundsteuern, Wasser- und Abwassergebühren und ähnliche Kosten zu den grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Aufwendungen für die Unterkunft (BSG, Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 61/10 R - Rn. 14).

285

c) Aufwendungen für Heizung sind alle Kosten, die für die Heizung der Unterkunft und für die Warmwasserbereitung (Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 32, 5. Auflage 2013) außer in Fällen des § 21 Abs. 7 SGB II anfallen, unabhängig von der Art und Weise der Beheizung.

286

d) Unter tatsächlichen Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II sind nicht nur solche Ausgaben zu verstehen, die bereits getätigt wurden. Es genügt vielmehr, dass sich der Leistungsberechtigte einem unterkunftsbezogenen Anspruch ausgesetzt sieht (vgl. BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - Rn. 24). Dies ergibt sich systematisch zwingend daraus, dass Unterkunfts- und Heizungsbedarfe als Teil des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld einheitlich und für einen bestimmten Bewilligungszeitraum bewilligt werden und monatlich im Voraus erbracht werden (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II), des Weiteren daraus, dass die zweckkonforme Verwendung der unterkunftsbezogenen Leistungen im Falle des § 22 Abs. 7 SGB II durch Auszahlung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte sichergestellt werden kann. Letzteres setzt voraus, dass der Anspruch auf unterkunftsbezogene Leistungen von der Erfüllung der Verpflichtungen des Leistungsberechtigten gegenüber Dritten grundsätzlich unabhängig ist. Somit orientiert sich die Leistungsgewährung für Unterkunftsbedarfe zwar an tatsächlich zu erwartenden Aufwendungen, erhält jedoch den Charakter einer abstrakten Geldleistung (vgl. Groth, jurisPR-SozR 2/2013 Anm. 2).

287

e) Unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik lassen sich die in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angesprochenen Bemessungsfaktoren für die Berechnung des unterkunftsbezogenen Teils des Leistungsanspruchs aus § 19 Abs. 1 SGB II somit hinreichend genau bestimmen.

288

2.2.2 Dass die §§ 19, 22 SGB II keine ausdrückliche Regelung über die Zuordnung von Unterkunftsbedarfen zu einzelnen Haushaltsmitgliedern enthalten, verstößt ebenfalls nicht gegen das Bestimmtheitsgebot.

289

Aus der Gesetzessystematik ergibt sich zwingend, dass die Aufwendungen bei Mehrpersonenhaushalten den Personen als Bedarf zuzuordnen sind, die die Aufwendungen tatsächlich haben, d.h. die tatsächlich einer entsprechenden Forderung ausgesetzt sind. Für eine Aufteilung nach Kopfteilen besteht hingegen keine Rechtsgrundlage (für das "Kopfteilprinzip" aber grundsätzlich das BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - Rn. 28 f.; Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07AS 7/07 R - Rn. 19).

290

a) Die Festsetzung des Unterkunftsbedarfs anhand der tatsächlichen Aufwendungen ist im Zusammenhang mit § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II als Bestandteil der Bedarfsberechnung anzusehen. Die Leistungen nach dem SGB II sind als Individualansprüche ausgestaltet (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - Rn. 12). Der Betrag der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft, soweit er angemessen ist, wird gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II als Unterkunftsbedarf anerkannt, d. h. er fließt als Berechnungsposten in die Bestimmung des individuellen Gesamtanspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nach § 19 Abs. 1, 19 Abs. 3 S. 1 SGB II ein (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 14.05.2014 - L 11 AS 621/13 - Rn. 27). Der für die Leistungsberechnung nach § 19 SGB II maßgebliche Unterkunftsbedarf wird somit nicht anhand der Nutzungsintensität einer Unterkunft durch eine leistungsberechtigte Person bemessen, sondern anhand der für die Nutzung aufzuwendenden Kosten. Der Ausgangspunkt des BSG, die Höhe des Unterkunftsbedarfs anhand der Nutzungsintensität der Unterkunft durch die einzelne Person festlegen zu wollen (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - Rn. 28) und hierbei aus Gründen der Praktikabilität von einer gleichmäßigen Nutzung, also von "Kopfteilen" auszugehen, geht daher fehl.

291

Dass § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II die Möglichkeit einschließt, dass auch Empfänger von Sozialgeld Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung erhalten können, besagt noch nichts über deren Verteilung. Entsprechendes gilt für die zunächst in § 22 Abs. 7 SGB II a.F. und nunmehr in § 27 Abs. 3 SGB II enthaltene Härtefallregelung für Auszubildende, die von den Leistungen nach dem SGB I gemäß § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen sind, und bei denen die Übernahme von Unterkunftskosten auch dann möglich ist, wenn sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und ihnen hierdurch (nur) typischerweise keine eigenen Kosten entstehen.

292

b) Bei Personen, die selbst keine Unterkunftskosten schulden, somit keine Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II haben, fehlt es an einer Bemessungsgrundlage für den Unterkunftsbedarf, der bei der Bedarfsberechnung nach § 19 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 SGB II berücksichtigt werden könnte. Für eine Berücksichtigung nach Kopfteilen bedürfte es einer Rechtsgrundlage, nach der fiktive oder pauschale Unterkunftsbedarfe zu Grunde gelegt werden dürften. Das BVerwG, auf dessen Rechtsprechung sich das BSG zur Begründung des Kopfteilprinzips stützt, ist ausdrücklich davon ausgegangen, dass es sich bei der Anwendung des Kopfteilprinzip um eine pauschalierende Regelung handelt (BVerwG, Urteil vom 21.01.1988 - 5 C 68/85 - Rn. 10). Im Unterschied zum Sozialhilferecht (§ 35 Abs. 3 SGB XII) und außerhalb des Anwendungsbereichs des § 22a Abs. 2 SGB II ist eine Pauschalierung von Unterkunftskosten im SGB II jedoch nicht vorgesehen.

293

Praktikabilitätserwägungen (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - Rn. 28) vermögen eine solche Rechtsgrundlage nicht zu ersetzen. Dies verbietet sich bereits auf Grund der Rechtsfolgen, die die Berücksichtigung von Unterkunftsbedarfen nach sich ziehen. Unter Anwendung der Kopfteilmethode kann trotz der Vertretungsvermutung des § 38 Abs. 1 SGB II nicht sichergestellt werden, dass die zur Deckung der Unterkunftsbedarfe erbrachten Leistungen tatsächlich dem im Außenverhältnis zur Leistung der Unterkunftsaufwendungen Verpflichteten zur Verfügung stehen. Die zur Entgegennahme von Leistungen berechtigende Vertretungsvermutung kann widerlegt, ihr kann auch ausdrücklich widersprochen werden. Sie gilt im Übrigen nur zu Gunsten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter, obwohl auch nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte (Sozialgeldempfänger) Unterkunftskostenschuldner sein können. Sie gilt nicht für reine Haushaltsgemeinschaften, deren Unterkunftskosten nach der Rechtsprechung des BSG ebenfalls nach dem Kopfteilprinzip berücksichtigt werden sollen (vgl. BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07AS 7/07 R - Rn. 19). Bei der Auszahlung der Leistungen an verschiedene Haushaltsmitglieder läge eine zweckentsprechende Mittelverwendung nicht in der Hand des Verpflichteten.

294

c) Die Höhe des Bedarfs für Unterkunft und Heizung ist darüber hinaus nicht nur für die Berechnung der Gesamthöhe des Leistungsanspruchs auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, sondern auch im Hinblick auf mögliche Rechtsfolgen, die an die Qualifizierung eines Bedarfsanteils als Unterkunfts- und/oder Heizungsbedarfs anknüpfen, von Bedeutung. So sieht § 22 Abs. 7 SGB II Möglichkeiten einer freiwilligen oder durch die Behörde veranlassten unmittelbaren Auszahlung bewilligter Leistungen an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte vor, soweit Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird. Die Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II setzt voraus, dass Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird. Nach § 40 Abs. 4 S. 1 SGB II sind abweichend von § 50 SGB X 56 Prozent der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft (ohne Heizung) nicht zu erstatten.

295

d) Gegen das Kopfteilprinzip spricht im Übrigen der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 6a Abs. 4 S. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) eine besondere, von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II abweichende Regelung über die Verteilung von Unterkunftsbedarfen getroffen hat. Diese die Berechnung der Unterkunftsbedarfe modifizierende Regelung generiert aber keine an die tatsächlichen Aufwendungen anknüpfenden Leistungsansprüche, sondern betrifft die Voraussetzungen für den Kinderzuschlag, der Unterkunftsbedarfe nicht gesondert erfasst. Nach § 6a Abs. 4 S. 2 BKGG sind die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus den im jeweils letzten Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Bedarfen für Alleinstehende, Ehepaare, Lebenspartnerschaften und Kinder ergibt. Diese Regelung bildet die unterkunftsbezogenen Mehrkosten, die durch die Berücksichtigung von Kindern erforderlich werden, ab. Sie ist vor dem Hintergrund des Zweckes der Einführung des Kinderzuschlags zu verstehen, der darauf abzielt, Personen nicht unter das Regime des SGB II fallen zulassen, die nur auf Grund dessen, dass sie Kinder versorgen, den gesamten Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln nicht decken können (Schnell, SGb 2009, S. 649). Die differenzierte Regelung der fiktiven Aufteilung der Unterkunfts- und Heizungsbedarfe in § 6a Abs. 4 S. 2 BKGG verfolgt erkennbar den Zweck, den Anteil der Unterkunfts- und Heizkosten zu bestimmen, den die Leistungsberechtigten nach § 6a BKGG typischerweise zusätzlich wegen ihrer Kinder zur Deckung des Wohnbedarfs aufwenden. Anspruchsberechtigte für den Kinderzuschlag sind nach § 6a Abs. 1 BKGG stets die Eltern, so dass - anders als unter Anwendung des Kopfteilprinzips im SGB II - regelmäßig Identität zwischen Sozialleistungsberechtigten und Unterkunftskostenschuldnern besteht. Im Sinne der Kohärenz gesetzgeberischen Handelns hätte es nahegelegen, eine Bedarfszuordnungsfiktion wie in § 6a Abs. 4 S. 2 BKGG auch in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ausdrücklich zu regeln, wenn es hierfür ein Bedürfnis gäbe (für die Übertragung der Mehrbedarfsmethode des § 6a BKGG auf § 22 Abs. 1 SGB II hingegenSchürmann, SGb 2009, S. 203; ders., SGb 2010, S. 166 ff.).

296

e) Unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Kontextes ist letztlich aber von entscheidender Bedeutung, dass das Kopfteilprinzip vom Bedarfsdeckungsgrundsatz abweicht (vgl. Wersig, info also 2013, S. 52) und je nach Konstellation eine Sicherstellung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums im Konfliktfall verhindern kann, selbst wenn die der Haushaltsgemeinschaft gewährten Leistungen insgesamt zur Bedarfsdeckung ausreichen würden. Die durch die Anwendung des Kopfteilprinzips entstehenden praktischen Probleme („Mithaftung“ der übrigen Bedarfsgemeinschaftsmitglieder bei Sanktionen, Unterkunftsbedarf bei „temporärer Bedarfsgemeinschaft“, Zuordnung von Erstattungsansprüchen bei der Rückabwicklung von Leistungen, Sicherstellung der Zahlungen an Vermieter) widerlegen die These, dass das Kopfteilprinzip verwaltungspraktikabel sei. Das BSG begegnet diesen Phänomenen mit inzwischen zahlreichen Ausnahmen (BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - Rn. 19 - Ortsabwesenheit eines Bedarfsgemeinschaftsmitglieds; BSG, Urteil vom 23.05.2013 - B 4 AS 67/12 R - Rn. 21 f. - Sanktion; BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 3/14 R - Rn. 27 - Mietschuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 SGB II a.F.), hält aber (noch) am Kopfteilprinzip fest, obwohl es erkennt, dass eine gesetzliche Grundlage hierfür fehlt (BSG, Urteil vom 23.05.2013 - B 4 AS 67/12 R - Rn. 19). Neben der Tatsache, dass dies methodisch nicht stimmig ist, vermag die Ausnahmerechtsprechung die Defizite der Kopfteilmethode nur eingeschränkt zu kompensieren, weil im Regelfall zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung noch nicht feststeht, ob und gegebenenfalls welche der genannten Schwierigkeiten im Einzelfall auftreten werden.

297

f) Die bezüglich der Zuordnung von Unterkunftsbedarfen innerhalb von Mehrpersonenhaushalten aufgetretenen Unsicherheiten sind mithin nicht auf eine zu unbestimmte gesetzliche Regelung, sondern auf eine an die Systematik des SGB II nicht angepasste Übernahme der Rechtsprechung des BVerwG durch die Sozialgerichtsbarkeit zurückzuführen.

298

2.2.3 Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II genügt auch insoweit den oben skizzierten Bestimmbarkeitsanforderungen, als die Aufwendungen für Unterkunft bestimmten Bedarfszeiträumen zugeordnet werden können.

299

Dass die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung einem bestimmten Bedarfszeitraum zugeordnet werden müssen, folgt aus dem Umstand, dass die unterkunftsbezogenen Leistungen einen Teil des grundsätzlich als Geldleistung konzipierten Arbeitslosengeldes II bzw. des Sozialgelds bilden (§ 19 Abs. 1 S. 3 SGB II). Der Geldleistungsanteil für Unterkunft und Heizung ist zwar eine am tatsächlichen Bedarf orientierte, aber von dessen tatsächlicher Deckung unabhängige Leistung. Die Abgrenzung der Bedarfszeiträume nach Monaten folgt aus dem Zusammenhang mit dem monatsweise zu berücksichtigenden Regelbedarf und wird durch flankierende Regelungen wie § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II und § 22 Abs. 3 SGB II bestätigt. Unterkunfts- und Heizungsbedarfe werden als Teil des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld einheitlich für einen bestimmten Bewilligungszeitraum bewilligt und monatlich im Voraus erbracht (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II).

300

Die Beschränkung auf die tatsächlichen Aufwendungen und die Abstraktion von der tatsächlichen Deckung bewirken, dass ein spezifischer Unterkunftsbedarf nur einmal bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen ist. Wenn beispielsweise die für einen Monat geschuldete Miete für diesen Monat tatsächlich nicht gezahlt wird, kann die - weiterhin geschuldete und fällige - Miete nicht im Folgemonat erneut in den Bedarf eingestellt werden. Dies gilt entsprechend für gestundete Kaufpreisraten. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ausschließlich im Monat der erstmaligen Fälligkeit zu berücksichtigen. Dementsprechend können vor Antragstellung bereits gegenüber Dritten geschuldete und fällig gewordene Aufwendungen für Unterkunft und Heizung auch dann nicht bei der aktuellen Bedarfsberechnung berücksichtigt werden, wenn sie immer noch geschuldet werden.

301

Aufwendungen für Unterkunft und Heizung können sowohl monatlich als auch als einmalige Bedarfe anfallen (vgl. BSG, Beschluss vom 16.05.2007 - B 7b AS 40/06 R - Rn. 9 ff. zur Heizölbevorratung). Als bedarfserhöhend zu berücksichtigen sind sie stets vollständig und ausschließlich im ersten Fälligkeitsmonat.

302

2.2.4 Die Regelung § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ist somit hinreichend bestimmbar, soweit und solange Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen bei der Bedarfsberechnung nach den §§ 19 Abs. 1, Abs. 3, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berücksichtigen sind. Bei Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen bei der Leistungsbewilligung ist das unterkunftsbezogene Existenzminimum jedenfalls dann gesichert, wenn die leistungsberechtigte Person tatsächlich eine menschenwürdige Unterkunft bewohnt.

303

2.3 Die Begrenzung der durch den Grundsicherungsträger bei der Berechnung des Leistungsanspruchs zu berücksichtigenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung auf "angemessene" Aufwendungen in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verstößt jedoch wegen mangelnder Bestimmtheit gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.

304

2.3.1 Im Unterschied zu den Regelbedarfen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II werden die Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht als Pauschalleistung, sondern grundsätzlich in tatsächlicher Höhe übernommen. Das Grundrecht auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums ist somit nur auf Grund der in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vorgesehenen Begrenzung auf die angemessenen Aufwendungen betroffen ("Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind"). Erst durch den Angemessenheitsvorbehalt im zweiten Halbsatz wird der im ersten Halbsatz formulierte Leistungsanspruch begrenzt.

305

a) Der Begriff der Angemessenheit hat im vorliegenden Kontext eine leistungsbeschränkende Funktion (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 19: "Ihm wohnt der Gedanke der Begrenzung inne"). Die Begrenzungsfunktion ergibt sich aus dem semantischen Kontext ("…erbracht, soweit…"). § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verpflichtet die zuständigen Behörden somit dazu, Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in näher zu bestimmenden Fällen in geringerer als tatsächlicher Höhe der Bedarfsberechnung zu Grunde zu legen (SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 40).

306

b) Die Frage, bis zu welchem Betrag die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Einzelfall als angemessen anzusehen sind, unterliegt keinem Beurteilungsspielraum der Verwaltung. Die Gerichte sind zur uneingeschränkten Kontrolle dieser Frage gemäß Art. 19 Abs. 4 GG befugt und verpflichtet (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 21 ff.; so schon Putz, info also 2004, S. 198).

307

c) Bei nicht angemessenen Unterkunftskosten ist in jedem Fall der Teil der Unterkunftskosten zu zahlen, der im Rahmen der Angemessenheit liegt. Die Unangemessenheit von Unterkunftskosten hat nicht zur Folge, dass überhaupt keine Aufwendungen für Unterkunft in den Bedarf einzustellen wären (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 25). Dies ergibt sich aus der Verwendung des Wortes "soweit" in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II, das im vorliegenden Kontext nicht mit der Bedeutung "für den Fall, dass", sondern mit der Bedeutung "in dem Umfang" zu verstehen ist. Dies erschließt sich auch aus dem Zusammenhang mit den Regelungen des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II und des § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II, bei denen erkennbar davon ausgegangen wird, dass Unterkunftsbedarfe auch zu berücksichtigen sind, wenn sie die tatsächlichen Aufwendungen nicht decken. Ein "Alles-oder-Nichts-Prinzip" ist mit Gesetzeswortlaut und Systematik nicht vereinbar.

308

d) Weitere Bestimmungen zur Angemessenheit der Aufwendungen sind im einschlägigen Gesetzestext und im unmittelbaren Textzusammenhang nicht enthalten. Aus der Regelung zur vorläufigen Übernahme unangemessener Kosten in § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II wird lediglich deutlich, dass es bei der Bestimmung der Angemessenheit auf die "Besonderheit(en) des Einzelfalls" ankommen soll, wodurch die besonderen Umstände in der Person des Leistungsberechtigten zu berücksichtigen sind ("Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit", vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 12; Piepenstock in: jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 32, 3. Aufl. 2012, Stand: 01.12.2014; vgl. auch BT-Drucks. 17/3404, S. 98). § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II ermöglicht dem Leistungsträger die Übernahme unangemessener Kosten, wenn die Absenkung durch bei einem Wohnungswechsel zu erbringende Leistungen unwirtschaftlich wäre. Hierdurch wird der Angemessenheitsbegriff jedoch nicht näher bestimmt.

309

e) Das SGB II enthält keine allgemeinen Regelungen, die zur näheren Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II geeignet wären. In § 1 Abs. 1 SGB II ist lediglich festgehalten, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende es Leistungsberechtigten ermöglichen soll, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht.

310

f) Für den Fall, dass der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art oder Umfang nicht im Einzelnen bestimmt ist, sieht § 33 S. 1 SGB I vor, dass bei deren Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen sind, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Aus dieser grundsätzlich einschlägigen Regelung lässt sich für die Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II allenfalls der Hinweis auf die Bedeutung der örtlichen Verhältnisse gewinnen.

311

g) Auch die mit Gesetz vom 24.03.2011 mit Wirkung zum 01.04.2011 neu eingeführten §§ 22a bis 22c SGB II tragen zur näheren Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nichts bei. Diese Regelungen sind für die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht einschlägig.

312

Das Land Rheinland-Pfalz, in dem der Landkreis Alzey-Worms liegt, hat im Übrigen bislang kein Gesetz nach § 22a SGB II erlassen. Der Anwendungsbereich der §§ 22a bis 22c SGB II ist daher in Rheinland-Pfalz generell nicht eröffnet.

313

h) Von der ursprünglich in § 27 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31.03.2011 gültigen Fassung enthaltenen Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung, mit der hätte bestimmt werden können, welche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sind und unter welchen Voraussetzungen die Kosten für Unterkunft und Heizung pauschaliert werden können, hat das (zuletzt) zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales keinen Gebrauch gemacht. Die Möglichkeit, den summenmäßigen Umfang der in der gesetzlichen Regelung nicht konkretisierten Höhe der Leistungen durch verordnungsrechtliche Nachregulierung operabel zu machen (Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 27 Rn. 1, 1. Auflage 2005), wurde nicht genutzt.

314

2.3.2 Die Begrenzung der bei der Berechnung der Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nach § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II zu berücksichtigenden Unterkunftsbedarfe auf die angemessenen Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verstößt gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, indem die konkrete Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im für dessen Verwirklichung zentralen Bereich des unterkunftsbezogenen Existenzminimums durch Verwendung eines "unbestimmten Rechtsbegriffs" im Wesentlichen der Verwaltung und der Rechtsprechung überlassen wird.

315

a) Die im Normtext vorgesehene Begrenzung der nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu erbringenden bzw. anzuerkennenden Aufwendungen für die Unterkunft auf das "Angemessene" ist nicht hinreichend konkret, um eine gesetzgeberische Entscheidung über die Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen menschenwürdigen Existenzminimums erkennen zu lassen.

316

b) Als sicherer Bedeutungskern der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lässt sich lediglich feststellen, dass bei der Bedarfsberechnung nach § 19 Abs. 1, Abs. 3 SGB II jedenfalls nicht mehr als die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen sind. Der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II vermag isoliert betrachtet keine weiteren Bindungen der Behörden und Gerichte für die Sachentscheidung hervorzurufen.

317

Der Begriff „angemessen“ drückt lediglich eine positiv bewertete Relation aus. Er gewinnt seine Bedeutung erst dadurch, dass verschiedene Größen auf „richtige“ (angemessene) Weise zueinander in Beziehung gesetzt werden, ohne dass der Begriff selbst einen Maßstab für die „Richtigkeit“ vorgibt oder auch nur andeutet. In § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und im systematischen Zusammenhang fehlen sowohl Bezugsgrößen als auch Maßstäbe für das „richtige“ Verhältnis zwischen diesen Größen. Der Begriff der „Angemessenheit“ bleibt somit bedeutungsoffen.

318

Der Begriff der „Angemessenheit“ könnte im Kontext von § 22 Abs. 1 SGB II beispielsweise ein Preis-Leistungsverhältnis zwischen Ausstattung und Miethöhe, ein Verhältnis der Unterkunftsaufwendungen zu den sonstigen Lebensverhältnissen des Leistungsberechtigten oder ein Verhältnis der Aufwendungen zu den Unterkunftskosten einer irgendwie näher zu bestimmenden Bevölkerungsgruppe bezeichnen. Auch wenn feststünde, welche dieser Möglichkeiten im vorliegenden Kontext zuträfe, wäre die Frage, unter welchen Voraussetzungen das bestimmte Verhältnis ein „angemessenes“ ist, noch nicht einmal in den Grundzügen beantwortet.

319

c) Die nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II erforderliche Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls macht die Regelung zwar flexibler, aber nicht gehaltvoller. Die in § 1 Abs. 1 SGB II geregelte Zielsetzung der Sicherung eines menschenwürdigen Lebens ist im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Fragestellung tautologisch. § 33 S. 1 SGB I ermöglicht eine Konkretisierung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II dahingehend, dass örtliche Verhältnisse zu berücksichtigen sind, ohne diese näher einzugrenzen.

320

d) An der enormen Konkretisierungsarbeit, die das BSG zur Operationalisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bisher geleistet hat (s.o. unter A. IV. 1) lässt sich ablesen, in welchem Ausmaß der Gesetzgeber seine aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums resultierende Gestaltungsaufgabe bislang vernachlässigt hat. So ist im Gesetz bereits nicht geregelt, ob sich die Angemessenheit (unbeschadet der allgemeinen Regelung des § 33 S. 1 SGB I) nach den örtlichen Wohnverhältnissen richtet und wie diese räumlich abzugrenzen sind. Es fehlt eine Festlegung, welches Bevölkerungs- oder Einkommenssegment als Bezugsgröße für einen angemessenen Wohnstandard verwendet werden soll. Es gibt keine Regelung darüber, ob sich die Angemessenheitsgrenze auf ein Individuum, eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II oder auf eine Haushaltsgemeinschaft beziehen soll. Auch für die Anwendung der „Produkttheorie“ gibt es keine Rechtsgrundlage, daher auch keine Regelungen dazu, welche Wohnflächengrenzen gegebenenfalls zu Grunde zu legen wären. Es gibt weder eine Regelung über die Verpflichtung oder gar über die Befugnis des Leistungsträgers zur Datenerhebung, noch über deren Art und Umfang.

321

Der Gesetzgeber hat mit der Beschränkung auf die "angemessenen" Aufwendungen somit die nahezu geringstmögliche Regelungsdichte für die Frage der Höhe des Unterkunfts- und Heizungsbedarfs realisiert. Noch unbestimmter hätte die gesetzgeberische Aussage des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nur sein können, wenn in der Regelung eine Beschränkung auf die tatsächlichen Aufwendungen gefehlt hätte. Man könnte auch von einer "Gesetzesattrappe" sprechen (vgl. Maus, Verrechtlichung, Entrechtlichung und der Funktionswandel von Institutionen, in: dies.: Rechtstheorie und politische Theorie im Industriekapitalismus, München 1986, S. 278).

322

e) Dass die Vorgaben des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht dazu geeignet sind, Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen zu prägen, ist ein in Rechtsprechung und Literatur im Grunde unumstrittener Befund.

323

Das Phänomen wird beispielsweise damit umschrieben, dass gesetzgeberische und administrative Zielvorgaben für die Beurteilung der angemessenen Unterkunftskosten fehlten (Butzer/Keller, NZS 2009, S. 66; Jaritz, Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft - Sanktionen - Mitwirkung, in: Baus/Krings (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen im Sozial- und Arbeitsrecht, St. Augustin/Berlin 2012, S. 63), dass mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit die bedeutsame Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums im Bereich der Unterkunft auf Sozialverwaltungen und Sozialgerichte verlagert werde (Groth, SGb 2013, S. 250) und dass der Verwaltung im ersten Schritt und den Gerichten im zweiten Schritt letztlich die Aufgabe zukomme, das soziokulturelle Existenzminimum in Bezug auf die mit Abstand größte Teilposition, die in diesen Wert einfließe, zu bestimmen (Rosenow, wohnungslos 2012, S. 60). Es handele sich bei § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zwar um ein Parlamentsgesetz, das jedoch weder einen konkreten Anspruch enthalte, noch Vorgaben mache, wie dieser von den Behörden und gegebenenfalls von den Gerichten zu ermitteln sei (Stölting, SGb 2013, S. 545). Der Begriff des Angemessenen in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sei unbestimmt und allein durch die Rechtsprechung konkretisiert worden (Mutschler, NZS 2011, S. 481). In § 22 Abs. 1 SGB II seien keine weitergehenden gesetzgeberischen Setzungen vorgenommen, die Ausfüllung des Begriffs der "Angemessenheit" obliege dem Rechtsanwender (Krauß, In Stichpunkten: Ein Überblick über das schlüssige Konzept in der Rechtsprechung des BSG, in: Deutscher Landkreistag (Hrsg.), Angemessenheit bei den Kosten der Unterkunft im SGB II, Berlin 2013, S. 7). Spellbrink stellt insbesondere bezogen auf den Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 SGB II fest, dass der Gesetzgeber selbst nicht regeln bzw. die Detailarbeit der Justiz überlassen wolle (Spellbrink, info also 2009, S. 102) und der Gesetzgeber dem Richter immer dann Macht einräume, wenn er unbestimmte Rechtsbegriffe verwende, unter denen im SGB II die "Angemessenheit" besonders hervorsteche (Spellbrink, info also 2009, S. 104). Nach Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 16.05.2011 - L 19 AS 2202/10 - Rn. 29) habe es der Gesetzgeber sowohl bei der Einführung des SGB II als auch später (trotz mehrfacher Forderungen seitens der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit) unterlassen, die angemessene Wohnfläche für Bezieher von SGB II-Leistungen konkret festzulegen und die Ausfüllung des Begriffs "angemessene Kosten der Unterkunft" stattdessen der Rechtsprechung überlassen.

324

Auch das BSG konstatiert, dass die Verwaltung bei der Erstellung des (vom BSG entwickelten) „schlüssigen Konzepts“ mangels normativer Vorgaben durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise festgelegt sei (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 20) und hat in Folge der fehlenden Bestimmtheit der gesetzlichen Vorgaben bezogen auf die angemessene Wohnfläche mehrfach an die politische Ebene appelliert, Abhilfe zu schaffen (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 18; BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R - Rn. 14). In der Literatur finden sich ebenfalls seit Einführung des SGB II zahlreiche Stimmen, die wegen der Unbestimmtheit der Regelung eine Nachbesserung im Gesetzes- oder Verordnungswege fordern (Rips, WuM 2004, S. 439 ff.; ders., WuM 2005, 632 ff.; Goch, WuM 2006, 599 ff.; Kofner, WuM 2007, 310 ff.; Groth, SGb 2009, S. 644 ff.; Jaritz, Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft - Sanktionen - Mitwirkung, in: Baus/Krings (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen im Sozial- und Arbeitsrecht, St. Augustin/Berlin 2012, S. 69).

325

Diejenigen Stimmen in Rechtsprechung und Literatur, die § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II für verfassungsgemäß halten, behaupten überwiegend nicht, dass der Gesetzgeber selbst das unterkunftsbezogene Existenzminimum hinreichend bestimmt geregelt habe, sondern vertreten die Auffassung, dass dies (legitimerweise) durch die gefestigte Rechtsprechung des BSG erfolgt sei (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - Rn. 39; SG Karlsruhe Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 53 f.; Luik, jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; Link in: jurisPK-SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014).

326

f) Aus den Gesetzgebungsmaterialien lassen sich keine Informationen gewinnen, die dem Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 SGB II schärfere Konturen verleihen könnten.

327

In der Gesetzesbegründung der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BT-Drucks. 15/1516, S. 57 vom 05.09.2003), d.h. zur Ursprungsfassung des § 22 Abs. 1 SGB II, heißt es:

328

"Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden wie in der Sozialhilfe in tatsächlicher, angemessener Höhe berücksichtigt, wobei sie den am Maßstab der Sozialhilfepraxis ausgerichteten – angemessenen – Umfang nur dann und solange übersteigen dürfen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, die Aufwendungen für die Unterkunft zu senken. Die hierbei zu beachtenden Voraussetzungen entsprechen den sozialhilferechtlichen Regelungen."

329

Bezugspunkt für die Übernahme des Angemessenheitsbegriffs in § 22 Abs. 1 SGB II war somit das vormalige Sozialhilferecht des BSHG. Für die Bestimmung der Leistungen für Unterkunft nach dem BSHG war bis zum 31.12.2004 § 3 Abs. 1 S. 1, S. 2 Regelsatzverordnung (RegelsatzVO) in der Fassung des Gesetzes vom 14.11.2003 Anspruchsgrundlage. Dieser lautete:

330

"Laufende Leistungen für die Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 11 Abs. 1 des Gesetzes zu berücksichtigen sind, so lange anzuerkennen, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken."

331

Das Sozialhilferecht des BSHG operierte im Bereich der Unterkunftssicherung somit ebenfalls mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit (§ 3 Abs. 1 S. 2 RegelsatzVO), ohne dass dieser nähere Ausformungen in materiellen Gesetzen erhalten hätte. Der Verweis auf die „sozialhilferechtlichen Regelungen“ in der Gesetzesbegründung ist somit tautologisch.

332

Weitere Hinweise finden sich in den maßgeblichen Gesetzgebungsmaterialien zur Einführung des SGB II nicht (vgl. zum Ganzen: SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 55 ff.). Den Gesetzesmaterialien zur Parallelregelung in § 29 Abs. 1 S. 3 SGB XII lassen sich gleichfalls keine weiteren Hinweise zur Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs entnehmen (vgl. BT-Drucks. 15/1514, S. 59, 60 vom 05.09.2003).

333

In der Gesetzesbegründung der Fraktionen CDU/CSU und SPD zum Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BT-Drucks. 16/1410, S. 23 vom 09.05.2006), mit dem die Begrenzung der Unterkunftskosten nach Umzug in § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II eingeführt wurde, wird ausgeführt:

334

"Mit der Regelung werden die Kosten der Unterkunft und Heizung in den Fällen auf die bisherigen angemessenen Unterkunftskosten begrenzt, in denen Hilfebedürftige unter Ausschöpfung der durch den kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit höheren, gerade noch angemessenen Kosten ziehen. Diese Begrenzung gilt insbesondere nicht, wenn der Wohnungswechsel zur Eingliederung in Arbeit oder aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen erforderlich ist."

335

Dieser Begründung lässt sich nur entnehmen, dass die Autoren des Gesetzentwurfes davon ausgegangen sind, dass die kommunalen Träger für die Festlegung von Angemessenheitsgrenzen zuständig seien. Dies mag ein Reflex auf die bis zum Zeitpunkt der Erstellung des Gesetzentwurfes bereits ergangene Rechtsprechung oder schlicht eine Bezugnahme auf die Regelung der Trägerschaft in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II sein, besagt aber nichts über die materielle Bedeutung des Angemessenheitsbegriffs.

336

Im Zuge der weiteren Änderungsgesetzgebung zum § 22 SGB II sind in den Gesetzesmaterialien spezifische Ausführungen zum Angemessenheitsbegriff nur insoweit enthalten, als Erläuterungen zu den Satzungsregelungen in §§ 22a bis 22c SGB II gegeben werden (vgl. insbesondere BT-Drucks. 17/3404, S. 44, 98-101 vom 26.10.2010). In diesem Zusammenhang lässt sich den Gesetzgebungsmaterialien aber die Feststellung entnehmen, dass die Schwierigkeiten mit der Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung zu einer Vielzahl von Widerspruchs- und Gerichtsverfahren geführt haben, weshalb die Neuregelung in §§ 22a bis 22c SGB II den Ländern und Kommunen die Möglichkeit eröffnen soll, den Bedarf für Unterkunft und Heizung transparent und rechtssicher auszugestalten (BT-Drucks. 17/3404, S. 99). Das Problem der mangelnden Transparenz und Rechtssicherheit im Hinblick auf die im Rahmen des SGB II zu berücksichtigenden Unterkunftsbedarfe ist auf der politischen Ebene also durchaus erkannt worden. Zur näheren Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II trägt dieser Befund aber nichts bei.

337

g) Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist somit zu unbestimmt, um behördliche oder gerichtliche Entscheidungen zu ermöglichen, in denen gesetzgeberische Wertentscheidungen wiederzuerkennen wären. Sie genügt nicht den spezifischen Anforderungen an die Bestimmbarkeit, die auf Grund der Betroffenheit des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu stellen sind (s.o. unter B. II. 2.1).

338

Mit § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II hat der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über die Höhe der zur Sicherung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums zu gewährenden Leistungen nicht selbst getroffen, sondern der Ausgestaltung durch die Verwaltung und die Gerichte überlassen. Hierdurch hat eine politische Transformation der „gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche“ (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 138) im Wege eines demokratisch-parlamentarischen Prozesses effektiv nicht stattgefunden. Durch die Verschiebung der Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums in die Sphäre der Verwaltungs- und Gerichtspraxis ist die Gestaltung dieses elementaren Bestandteils der Existenzsicherung dem öffentlichen demokratisch-parlamentarischen Diskurs weitgehend entzogen worden (so bereits SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 74).

339

Die Unbestimmtheit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II hat praktisch zur Folge, dass die wesentlichen Entscheidungen über die Höhe der unterkunftsbezogenen Leistungen durch das BSG, die Verwaltung und die Instanzgerichte getroffen werden. Hiermit verbunden ist zunächst das Problem, dass die genannten Institutionen über keine hinreichende demokratische Legitimation verfügen. Die wesentlichen Rahmenbedingungen für die Verwaltung zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen haben im Laufe der Jahre ca. ein Dutzend Bundesrichter geschaffen. Die Umsetzung der Rahmenbedingungen auf kommunaler Ebene erfolgt ohne spezifische Verfahrensvoraussetzungen, so dass eine Mitwirkung demokratischer Selbstverwaltungsgremien nicht sichergestellt und praktisch wohl eher die Ausnahme ist. Die Kontrolle und Ersetzung der Verwaltungsentscheidung erfolgt durch die Fachgerichte ebenfalls nur in mittelbarer demokratischer Legitimation.

340

Diese Ausgangslage hat auf Grund der zwar weitreichenden, aber - abgesehen vom hilfsweisen Rückgriff auf § 12 Abs. 1 WoGG - nicht zielgenauen Vorgaben des BSG weiter zur Folge, dass den behördlichen und instanzgerichtlichen Entscheidungsträgern praktisch erhebliche Spielräume im Hinblick auf die Bewertung der örtlichen Verhältnisse belassen werden. Die kommunalen Träger (und teilweise auch die Tatsachengerichte) bedienen sich darüber hinaus in zunehmendem Umfang sachverständiger Hilfe. Gelegentlich (wie auch im vorliegenden Fall) wird die gesamte Erstellung eines „schlüssigen Konzepts“ durch externe Dienstleister vorgenommen, wodurch die Normsetzung in gewissem Umfang privatisiert wird.

341

Durch diese vertikale Verschränkung der für die Leistungshöhe maßgeblichen Wertentscheidungen ist die politische und rechtliche Verantwortung für die Leistungsberechtigten praktisch nicht mehr nachvollziehbar. Es bleibt diffus, auf welcher politischen Ebene auf die Bestimmung der Höhe der unterkunftsbezogenen Leistungen Einfluss genommen werden könnte.

342

2.3.3 Abweichungen von dem erarbeiteten verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab zur Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung existenzsichernder Leistungen lassen sich weder mit den Besonderheiten der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (a) noch mit spezifischen Eigenschaften unterkunftsbezogener Bedarfe (b) rechtfertigen.

343

a) Die Orientierung am "Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit" (vgl. BSG, Urteil vom 20.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 12) rechtfertigt keine Abweichung vom verfassungsrechtlichen Maßstab. Hiermit wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber in der Tradition des Bedarfsdeckungsprinzips auf eine Pauschalierung im engeren Sinne verzichtet und die grundsätzliche Berücksichtigung der tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung angeordnet hat. Da die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II die Funktion einnimmt, die Leistungen auf das zur Wahrung der Menschenwürde Existenznotwendige zu beschränken, gibt dies jedoch keinen Anlass, von den Anforderungen des BVerfG an die Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen abzuweichen. Die Deckelung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung durch eine (regional differenzierte) Angemessenheitsgrenze wirkt genauso begrenzend und das Existenzminimum konkretisierend wie eine Pauschale. Hat eine leistungsberechtigte Person höhere Kosten der Unterkunft zu tragen, als anerkannt werden, hat dies denselben Effekt, als wenn diese Person mit den Leistungen für den Regelbedarf nicht auskommt und Mehrausgaben hat. Ein Unterschied besteht - zum Nachteil der Leistungsberechtigten - lediglich darin, dass eine leistungsberechtigte Person nicht (bzw. nur unter Vernachlässigung unterkunftsbezogener Verpflichtungen) durch Einsparungen beim Unterkunftsbedarf Mehrausgaben in anderen Bedarfsbereichen kompensieren kann (so schon SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 81).

344

Auch das BSG bezeichnet die Heranziehung von Höchstwerten nach dem WoGG zu Recht als "Pauschalierung", obwohl hiermit nicht gemeint ist, dass auch höhere als tatsächliche Unterkunftskosten gewährt werden können (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 23).

345

b) Die Leistungsbegrenzung allein mit Hilfe des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit kann auch nicht mit dem Sachgesichtspunkt der spezifischen Eigenschaften von Unterkunftsbedarfen gerechtfertigt werden.

346

Der Wohnungsmarkt hat zwar grundlegend andere Eigenschaften als der Markt für andere Konsumgüter (v. Malottki, info also 2012, S. 99; Gautzsch, NZM 2011, S. 498). So spiegeln die tatsächlichen monatlichen Mietzahlungen (Bestandsmieten) nicht das aktuelle Marktpreisniveau am Wohnungsmarkt wieder, das Angebot an Wohnungen ist kurzfristig unelastisch, Wohnen ist ein nicht substituierbares Grundbedürfnis, Wohnungen sind hinsichtlich ihrer Merkmale heterogene Güter und auf dem Wohnungsmarkt spielen persönliche Eigenschaften der Nachfrager anders als bei vielen anderen Konsumgütern eine Rolle (v. Malottki, info also 2012, S. 99 f.). Daneben dürfte die regionale Spreizung der kalten Unterkunftskosten deutlicher ausfallen als bei den Preisen der meisten anderen Konsumgüter.

347

Diese Besonderheiten im Sachbereich des unterkunftsbezogenen Existenzminimums erfordern unter Umständen andere Vorgehensweisen bei der Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse und bei der Festsetzung von Art und Höhe der zu gewährenden Leistungen, rechtfertigen jedoch keine Abstriche hinsichtlich der demokratischen Legitimation der Regelung des Leistungsanspruchs. Denn es besteht kein Grund zur Annahme, dass der Gesetzgeber die Besonderheiten von Unterkunftsbedarfen nicht im Gesetz selbst oder auf Grund eines Gesetzes im Rahmen hinreichend bestimmter Vorgaben berücksichtigen könnte.

348

Dem Bundesgesetzgeber stehen sämtliche Möglichkeiten zur Verfügung, sich die Rahmenbedingungen für eine verfassungsrechtlich zulässige, sozial- und wohnungspolitisch gewünschte Lösung zu schaffen. Der Bundesgesetzgeber kann beispielsweise als Haushaltsgesetzgeber die zur Erhebung der notwendigen empirischen Grundlagen erforderlichen Mittel zuordnen und als Steuergesetzgeber - soweit erforderlich - weitere Mittel generieren. Er kann als verfassungsändernder Gesetzgeber sogar die staatsorganisationsrechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, seine Aufgaben (teilweise) zu delegieren, soweit dies nicht ohnehin schon möglich ist (vgl. Art. 91e GG). Regionale Eigenheiten von Wohnungsmärkten können selbstverständlich auch von Institutionen und Personen, die nicht in der Region ansässig oder verwurzelt sind, bei der Bedarfsermittlung und -bewertung berücksichtigt werden, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass die führenden Unternehmen und Institute aus Darmstadt, Hamburg und Köln, die "schlüssige Konzepte" für kommunale Träger erstellen, bundesweit tätig sind.

349

Neben anderen hat auch das BSG an den Gesetz- und Verordnungsgeber wiederholt appelliert, bundesweite Regelungen für als angemessen anzuerkennende Wohnungsgrößen sowie zur Bestimmung von Vergleichsräumen zu schaffen (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 18 f.).

350

2.3.4 Die Unterbestimmtheit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II wird nicht durch andere den Unterkunftsbedarf deckende Ansprüche kompensiert.

351

a) Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II ist nicht dazu geeignet, die Deckung des Unterkunftsbedarfs in verfassungskonformer Weise sicherzustellen. Dies liegt zunächst darin begründet, dass § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II selbst an den Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II anknüpft und somit am gleichen Bestimmtheitsmangel leidet (s.o. unter A. V. 4.2.1 a). Darüber hinaus operiert diese Bestandsschutzregelung mit dem weiteren unbestimmten Rechtsbegriff der "Unzumutbarkeit" und sieht eine Regelfrist von sechs Monaten für die Übernahme "unangemessener" Aufwendungen vor. Auf diese Weise wird eine im Falle der Leistungskürzung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II eintretende Bedarfsunterdeckung nicht in jedem Fall ausgeglichen. Die Gewährleistung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimums wird mit § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II nicht effektiv gesichert.

352

b) Auch die Möglichkeit der Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II kompensiert die verfassungsrechtlich defizitäre Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht. § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II sieht vor, dass - sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird - Schulden übernommen werden können, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Nach § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II sollen Schulden übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Nach § 22 Abs. 8 S. 4 SGB II sollen Geldleistungen als Darlehen erbracht werden.

353

Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist nicht schon dadurch verfassungsgemäß, dass mit § 22 Abs. 8 SGB II ein letztes Interventionssystem geschaffen wurde, das zur Deckung des notwendigen Unterkunftsbedarfs notfallmäßig einspringen kann. Denn der Gesetzgeber hat die Art der Deckung des unterkunftsbezogenen Bedarfs in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II grundsätzlich als anhand der tatsächlichen Aufwendungen zu bildende Berechnungsgröße im Gesamtbedarf geregelt.

354

Die Möglichkeit der Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II erscheint zwar für eine Kompensation nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II unvollständig gedeckter Unterkunftsbedarfe nicht völlig ungeeignet, da das Existenzminimum grundsätzlich auch durch darlehensweise Leistungen gesichert werden kann (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07.04.2010 - 1 BvR 688/10 - Rn. 2).

355

Durch die Verwendung des Begriffs der Angemessenheit in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist jedoch nicht hinreichend bestimmt, unter welchen Umständen an die Stelle einer Ausgestaltung der Leistung zur Gewährung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums als gebundener Anspruch auf einen Zuschuss (außer in Fällen des § 24 Abs. 5 SGB II) ein Anspruch tritt, der vom (gegebenenfalls intendierten) Ermessen der Behörde abhängig ist, weitere zum Teil begrifflich unbestimmte Voraussetzungen (Rechtfertigung; drohende Wohnungslosigkeit) hat und in der Regel eine darlehensweise Leistung (bei Tilgung mit Aufrechnung gegen laufende Leistungen) vorsieht (§ 22 Abs. 8 S. 4 SGB II). Auch diese Fragen sind zur Grundrechtsverwirklichung im Hinblick auf das unterkunftsbezogene Existenzminimum so wesentlich, dass sie die durch den Gesetzgeber selbst zu regeln sind.

356

c) Andere zur Sicherung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums geeignete Sozialleistungen sind für Leistungsberechtigte nach dem SGB II ausgeschlossen. Gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 SGB II und § 21 S. 1 SGB XII schließt der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII aus. Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach dem SGB II sind vom Wohngeldbezug ausgeschlossen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 WoGG).

357

2.3.5 Die mit Gesetz vom 24.03.2011 mit Wirkung vom 01.01.2011 neu eingeführten §§ 22a bis 22c SGB II vermögen an der Untauglichkeit der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zur Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums nichts zu ändern.

358

a) Gemäß § 22a Abs. 1 SGB II wird den Landesgesetzgebern ermöglicht, Kommunen per Landesgesetz zu ermächtigen oder zu verpflichten, zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen im Rahmen näher bestimmter Kriterien Satzungen zu erlassen, die gemäß § 35c SGB XII unter bestimmten Voraussetzungen auch für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII gelten sollen. Die Kreise und kreisfreien Städte können, wenn das Landesrecht dies vorsieht, nach § 22a Abs. 2 S. 1 SGB II Bedarfe für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet durch eine monatliche Pauschale berücksichtigen, wenn auf dem örtlichen Wohnungsmarkt ausreichend freier Wohnraum verfügbar ist und dies dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit entspricht. Nach § 22a Abs. 2 S. 2 SGB II sind Regelungen für den Fall vorzusehen, dass die Pauschalierung im Einzelfall zu unzumutbaren Ergebnissen führt. Nach § 22a Abs. 3 S. 1 SGB II soll die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt abbilden. Gemäß § 22a Abs. 3 S. 2 SGB II soll die Bestimmung Auswirkungen auf den örtlichen Wohnungsmarkt berücksichtigen hinsichtlich der Vermeidung von Mietpreis erhöhenden Wirkungen, Verfügbarkeit von Wohnraum des einfachen Standards und aller verschiedenen Anbietergruppen und hinsichtlich der Schaffung und Erhaltung sozial ausgeglichener Bewohnerstrukturen. Gemäß § 22b Abs. 1 S. 1 SGB II ist in der Satzung zu bestimmen, welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt wird und in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterkunft als angemessen anerkannt werden. Nach § 22b Abs. 1 S. 4 SGB II können die Kreise und kreisfreien Städte ihr Gebiet in mehrere Vergleichsräume unterteilen, für die sie jeweils eigene Angemessenheitswerde bestimmen, um die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt realitätsgerecht abzubilden.

359

Bislang bestehen Landesgesetze nach § 22a SGB II nur in Berlin (§ 8 AG-SGB II Berlin), Hessen (§ 4a Offensiv-Gesetz Hessen) und Schleswig-Holstein (§ 2a AG-SGB II/BKGG Schleswig-Holstein).

360

b) Systematisch stehen die §§ 22a bis 22c SGB II neben dem § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und begründen ein vom § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II unabhängiges Normprogramm zur Bestimmung der Höhe unterkunftsbezogener Leistungen. Unmittelbar werden hiermit nur Rahmenbedingungen für die landesrechtliche Gestaltung von Satzungsermächtigungen aufgestellt. Es wird keine Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II für dessen Anwendungsbereich vorgenommen. Wenn in § 22a Abs. 3 S. 1 SGB II die "Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung" die "Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt abbilden" soll, folgt hieraus nicht, dass auch der Angemessenheitsbegriff in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II im Ausgangspunkt auf diese Weise zu konkretisieren ist.

361

Die in §§ 22a bis 22c SGB II getroffenen Wertentscheidungen sind deshalb bereits auf Grund ihrer systematischen Stellung nicht dazu geeignet, die Defizite des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II im Hinblick auf die Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums abzumildern (so bereits SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 58). Durch die Gesetzesänderung wurde keine Änderung im Normprogramm des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II herbeigeführt (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - Rn. 15; Berlit, info also 2011, S. 165).

362

c) Darüber hinaus genügen auch die in den §§ 22a bis 22c SGB II getroffenen Regelungen den Anforderungen an die verfassungsgemäße Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung des Existenzminimums nicht. Unabhängig davon, ob und unter welchen Voraussetzungen der Bundesgesetzgeber die nähere Ausgestaltung der Bestimmung des Existenzminimums den Ländern und/oder Kommunen überlassen darf (kritisch Berlit, info also 2010, S. 203; Putz, SozSich 2011, S. 233), fehlt es an einer Auswahl der Methoden zur Ermittlung der Bedarfe und zur folgerichtigen Begründbarkeit der Höhe des Leistungsanspruchs durch den Gesetzgeber.

363

Das BVerfG hat seine Rechtsprechung zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bislang ausschließlich anhand von Teilleistungsansprüchen etabliert, die durch den Gesetzgeber numerisch exakt bestimmt waren (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a.; BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a.). Dass dies nicht die einzige Möglichkeit ist, einen verfassungsgemäßen Leistungsanspruch zu schaffen, zeigt sich darin, dass dem Gesetzgeber auch im Hinblick auf die Leistungsart (Geld-, Sach- oder Dienstleistung) ein Gestaltungsspielraum eingeräumt wird (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 67). Es ist deshalb von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Gewährleistung unterkunftsbezogener existenzsichernder Leistungen auf andere Weise als durch einen unmittelbar im Gesetz der Höhe nach bezifferten Anspruch (bzw. bis zu einer bezifferten Höchstgrenze) ausgestaltet wird. Beispielsweise erfolgt auch die Fortschreibung der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 S. 1 SGB II i.V.m. § 28a, 40 SGB XII im Wege einer Rechtsverordnung und nicht unmittelbar durch ein formelles Gesetz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 142). Entscheidet sich der Gesetzgeber für eine Ausgestaltung des Anspruchs auf Leistungen zur Gewährleistung des Existenzminimums durch untergesetzliche Normen, muss er aber durch Schaffung eines geeigneten gesetzlichen Regelungssystems dafür sorgen, dass die untergesetzlichen Konkretisierungen des Leistungsanspruchs wesentlich auf Wertentscheidungen des Gesetzgebers zurückführbar sind.

364

Die §§ 22a bis 22c SGB II enthalten zwar einige Anhaltspunkte für die Art und Weise, wie Angemessenheitsgrenzen durch kommunale Satzungsgeber zu bilden sind, und geben mit der Bezugnahme auf "Verhältnisse des einfachen Standards" (§ 22b Abs. 1 S. 4 SGB II; vgl. auch § 22a Abs. 3 S. 1, S. 2 Nr. 3 SGB II) eine grobe Richtung für die normative Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen vor. Auch scheint in § 22b Abs. 1 S. 1 SGB II eine Festlegung auf die "Produkttheorie" enthalten zu sein. Es fehlen aber Vorgaben über "standardbildende Faktoren" (Klerks, info also 2011, S. 197). So bleibt u.a. unklar, welche Wohnflächen als angemessen angesehen werden sollen und wessen Wohnverhältnisse Bezugsgröße für einen angemessenen Wohnstandard sein sollen.

365

Somit würde auch eine auf die Satzungsermächtigung nach § 22a Abs. 1 SGB II oder § 22a Abs. 2 SGB II gestützte Bestimmung von Angemessenheitsgrenzen nicht wesentlich auf Wertentscheidungen des Gesetzgebers zurückgeführt werden können.

366

Dass die §§ 22a bis 22c SGB II auch in deren Anwendungsbereich nicht viel zur Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs beizutragen vermögen, zeigt sich darin, dass die Rechtsprechung zur Auslegung dieser Vorschriften umfassend auf die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II durch das BSG zurückgreift (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.09.2013 - L 36 AS 1987/13 NK - Rn. 49; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.09.2013 - L 36 AS 1414/12 NK - Rn. 45; BSG, Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - Rn. 29 ff.; BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 53/13 R - Rn. 26; hiervon abweichend aber SG Berlin, Urteil vom 28.04.2014 - S 82 AS 28836/12 - Rn. 28).

367

3. Die Frage, ob die über § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II gewährten Leistungen evident nicht zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums ausreichen, lässt sich in Folge der Unbestimmtheit der Regelung nicht beantworten.

368

3.1 Die Höhe des Anspruchs auf der Existenzsicherung dienende Leistungen darf nicht evident unzureichend zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz sein (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 - Rn. 81). Unter Würdigung des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) und der Abhängigkeit der Bestimmung der Grundvoraussetzungen eines menschenwürdigen Lebens von gesellschaftlichen Vorstellungen verzichtet das BVerfG auf genauere Umschreibungen insbesondere des Aspekts der sozialen Teilhabe und belässt dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Die Evidenzkontrolle ist hierbei nicht auf das physische Existenzminimum beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 - Rn. 81; a.A. Neskovic/Erdem, SGb 2012, S. 137). Mithin kann ein Leistungsanspruch auch dann evident unzureichend sein, wenn er nicht dazu ausreicht, elementare Bedürfnisse der sozialen Teilhabe zu befriedigen.

369

3.2 Offen bleiben kann vorliegend, ob ein evidenter Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bereits deshalb vorliegt, weil bei Kürzung des bei der Leistungsbemessung berücksichtigten Unterkunftsbedarfs unter die tatsächlichen Aufwendungen stets ein ungedeckter Bedarfsrest verbleibt (vgl. Schmidt, NVwZ 1995, S. 1046).

370

Diese Frage ließe sich verneinen, wenn verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden wäre, dass die Leistungsbemessung eine Schuldenbildung zur Folge hätte. Das unterkunftsbezogene Existenzminimum wäre dann erst ab dem Zeitpunkt berührt, wenn der tatsächliche Verlust der Wohnung und damit des Obdachs eintritt. Die verfassungsrechtlich gebotene Interventionsschwelle würde erst zum letztmöglichen Zeitpunkt überschritten, an dem der Verlust der Wohnung noch verhindert werden kann. Für diesen Fall böte § 22 Abs. 8 SGB II eine unterkunftssichernde Interventionsmöglichkeit und im Fall einer Ermessensreduzierung auch eine Interventionspflicht.

371

Eine andere Möglichkeit wäre es, die verfassungsrechtliche Gewährleistungsverpflichtung als erfüllt anzusehen, wenn sich die insgesamt bewilligte Leistung abstrakt dazu eignet, den unabhängig vom Einzelfall definierten Bedarf zu decken. Das hieße, das Existenzminimum unabhängig von den unterkunftsbezogenen Verpflichtungen, denen ein Leistungsberechtigter rechtlich und tatsächlich ausgesetzt ist, als gewahrt anzusehen, wenn der insgesamt gewährte Geldbetrag dazu ausreichen würde, die Kosten für irgendeine dem Existenzminimum genügende Unterkunft und den sonstigen Lebensunterhalt aufzubringen.

372

Auch wenn der Gesetzgeber die existenzsichernden Leistungen nach den Maßstäben des Verfassungsrechts nur in einer Höhe gewährleisten müsste, die abstrakt dazu geeignet ist, den Unterkunftsbedarf zu decken, änderte dies nichts daran, dass die Bestimmung, in welcher Höhe dieser Bedarf anzusetzen wäre, wesentlich dem Gesetzgeber obliegt (s.o. unter B. II. 2.3.4 b).

373

3.3 Unter der Voraussetzung, dass eine nicht bedarfsdeckende Berücksichtigung von Unterkunftskosten nicht per se verfassungswidrig ist, lässt sich eine evidente Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht feststellen. Dies beruht allerdings darauf, dass die Regelung bereits wegen ihrer ungenügenden Bestimmbarkeit verfassungswidrig ist. Die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit zur Regelung der Leistungshöhe nimmt der Prüfung, ob die durch das Gesetz gewährten Leistungen evident unzureichend sind, jeglichen Bezugspunkt und macht die vom BVerfG geforderte Evidenzkontrolle (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 81) unmöglich.

374

4. § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II verstößt auch deshalb gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, weil der Gesetzgeber die zur Festsetzung der existenzsichernden Leistungen erforderliche Auswahl der Methoden zur Ermittlung der Bedarfe und zur folgerichtigen Begründbarkeit der Höhe des Leistungsanspruchs nicht vorgenommen hat. Eine Prüfung der tragfähigen Begründbarkeit der gesetzgeberischen Konzeption (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 139) scheitert daher bereits daran, dass weder Prüfungsmaßstab (inhaltliche Bestimmung des Existenzminimums) noch Ergebnis (Leistungsanspruch) durch Gesetz hinreichend bestimmt worden sind.

375

4.1 Die aus dem Demokratieprinzip folgende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers führt dazu, dass oberhalb der Evidenzkontrolle nur die folgerichtige Umsetzung der auf empirische Erkenntnisse gestützten normativen Entscheidungen des Gesetzgebers im gesetzlich geregelten Leistungsanspruch zu prüfen ist. Da nur der Gesetzgeber diese Gestaltungsaufgabe umsetzen kann, ist er hierzu aber auch verpflichtet - anders könnte das Grundrecht nicht realisiert werden.

376

Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber sowohl für die grundlegenden Wertentscheidungen hinsichtlich der für die Existenzsicherung erforderlichen Bedarfe zuständig ist, als auch für die Realisierung eines konkreten auf existenzsichernde Leistungen gerichteten Anspruchs. Der Gesetzgeber hat somit - jenseits der Evidenzkontrolle - sowohl den Maßstab für die Verfassungsmäßigkeit der Leistungen zu bestimmen als auch den Leistungsanspruch entweder in konkreter Höhe festzusetzen oder aber ein Regelungssystem zu etablieren, das eine Festsetzung der Leistungshöhe auf Grund gesetzgeberischer Wertentscheidungen ermöglicht. Die Ausgestaltung der Leistung hinsichtlich der Art und Höhe ist daher an den durch den Gesetzgeber selbst getroffenen Wertentscheidungen zu messen. Der Zusammenhang zwischen beiden Aspekten unterliegt der Prüfung der Folgerichtigkeit oder "tragfähigen Begründbarkeit".

377

Offen bleiben kann vorliegend, in welcher Form der Gesetzgeber die für die Ausgestaltung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen grundlegenden Wertentscheidungen zu treffen hat, ob diese Wertentscheidungen selbst Bestandteil eines formellen Gesetzes sein müssen, oder ob sie sich zumindest aus der Gesetzesbegründung oder sonstigen Gesetzesmaterialien ergeben müssen.

378

a) Das BVerfG stellt im Urteil vom 09.02.2010 fest, dass sich der Grundrechtsschutz (auch) deshalb auf das Verfahren zur Ermittlung des Existenzminimums erstrecke, weil eine Ergebniskontrolle am Maßstab dieses Grundrechts nur begrenzt möglich sei (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn.142). Das BVerfG prüfe deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben habe, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt habe, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt habe (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn.143). Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle bestehe für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen. Komme der Gesetzgeber dieser Obliegenheit nicht hinreichend nach, stehe die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn.143).

379

b) Im Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10 u.a. - Rn. 79) führt das BVerfG diesbezüglich aus, dass sich die Art und die Höhe der Leistungen "mit einer Methode erklären lassen (müssen), nach der die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt werden und nach der sich alle Berechnungsschritte mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegen". Im Beschluss vom 23.07.2014 stellt das BVerfG klar, dass die Entscheidung anhand des vom BVerfG entwickelten Folgerichtigkeitsmaßstabs "tragfähig begründbar" sein müsse (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 80). Die Verfassung schreibe nicht vor, was, wie und wann genau im Gesetzgebungsverfahren zu begründen und zu berechnen sei (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 77).

380

Daraus muss gefolgert werden, dass nach Auffassung des BVerfG bestimmte Qualitätsmerkmale der Gesetzesbegründung keine formelle Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zur Realisierung eines Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen sind.

381

c) Auf Grund des Beschlusses des BVerfG vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12 u.a.) liegt es nahe die „tragfähige Begründbarkeit“ als rein objektiven Maßstab zu verstehen, so dass Wertentscheidungen über die Auswahl der Methoden zur Bestimmung des Existenzminimums weder anhand des Gesetzes noch anhand der Gesetzgebungsmaterialien belegbar sein müssten. Hierfür könnte sprechen, dass für die praktische Grundrechtsverwirklichung nur Art und Höhe der Leistung wesentlich sind, nicht aber die der Anspruchsausgestaltung zu Grunde liegenden Wertentscheidungen. Andererseits birgt die Reduzierung des Prüfungsmaßstabs auf die "tragfähige Begründbarkeit" die Gefahr, dass einer durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes festgelegten Leistungshöhe eine derartige Methode nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens beliebig untergeschoben werden könnte, beispielsweise durch das Gericht selbst oder durch interessierte Teilnehmer am öffentlichen Diskurs (Beispiele für Stellungnahmen zur „richtigen“ Höhe der Regelleistungen z.B. bei Spindler, info also 2010, S. 53). Hierdurch würde die "Folgerichtigkeitsprüfung" tendenziell auf das Niveau der Evidenzkontrolle reduziert, da jedes in die Diskussion eingebrachte Berechnungsmodell, das in sich schlüssig den gesetzlich geregelten Anspruch zu unterbieten im Stande wäre, zu dessen Rechtfertigung taugen würde. Bei einer derartigen Sichtweise wäre nicht sichergestellt, dass die grundlegenden Wertentscheidungen hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums tatsächlich durch den parlamentarisch-demokratischen Gesetzgeber getroffen werden. Für eine Prüfung, ob sich aus den parlamentarischen Wertentscheidungen das gefundene Ergebnis in Form des gesetzlichen Anspruchs folgerichtig ableiten lässt, fehlte die erste Komponente.

382

Das BVerfG hat sich bei der "Folgerichtigkeitsprüfung" trotz der Reduzierung des Prüfungsmaßstabs auf die "tragfähige Begründbarkeit" fast ausschließlich an den zur Verfügung stehenden Gesetzgebungsmaterialien bzw. im Falle des Beschlusses vom 23.07.2014 am gesetzlich fixierten Verfahren zur Bestimmung der Regelbedarfe im RBEG orientiert (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a.- Rn.160 ff.; BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 21 BvL 2/11 - Rn. 91 f.; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 91 ff.). Insbesondere im Urteil vom 09.02.2010 hat das BVerfG keine ergänzenden Expertisen zu der Frage eingeholt, ob die seinerzeit zur Überprüfung stehende Leistungshöhe nicht unabhängig von der Gesetzesbegründung „tragfähig begründbar“ gewesen sein könnte.

383

Es bleibt nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG mithin unklar, in welchem Zusammenhang die der verfassungsrechtlichen Prüfung zu Grunde zu legenden Wertentscheidungen mit dem Gesetzgebungsprozess stehen müssen.

384

d) Mit guten Gründen ließe sich vertreten, dass die grundlegenden Wertentscheidungen im Sinne einer inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums ebenso wie der hieraus abzuleitende Leistungsanspruch im Wege eines formellen Gesetzes getroffen werden müssen. Hierfür spricht, dass dem Gesetzgeber als solchem keine andere Handlungsform als das formelle Gesetz zur Verfügung steht. In Folge der pluralistischen Zusammensetzung der Gesetzgebungskörperschaften (die auf Bundesebene darüber hinaus aus zwei verschiedenen Gremien, Bundestag und Bundesrat, bestehen) gibt es keinen authentischen Interpreten der Entscheidungen des Gesetzgebers, der verbindlich gesetzgeberische Konzeptionen und Intentionen im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Prüfung darstellen oder "nachbessern" könnte. Daher ist auch nicht klar, wer zur Erfüllung von „Obliegenheiten“ des Gesetzgebers (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn.143) berufen sein könnte. Verbindliche Wertentscheidungen des "Gesetzgebers" können nur in Gesetzesform ergehen. Aus dem Grundgesetz lassen sich weder Begründungs- noch sonstige Dokumentationspflichten über den Gesetzgebungsprozess als formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für ein Bundesgesetz herleiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 77; Groth, NZS 2011, S. 571 m.w.N.). Die Gestaltungsverpflichtung des Gesetzgebers kann sich in formeller Hinsicht daher nicht auf dessen Begründung erstrecken. Die grundlegenden Wertentscheidungen zur Ausgestaltung des Anspruchs auf ein menschenwürdiges Existenzminimums müssten demnach in Gesetzesform getroffen werden, um als Entscheidungen des Gesetzgebers identifizierbar zu sein.

385

Der formlose Prüfungsmaßstab der "tragfähigen Begründbarkeit" bezöge sich demnach nur auf den folgerichtigen Zusammenhang zwischen der gesetzlich zu regelnden inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums einerseits und dem gesetzlich zu regelnden Leistungsanspruch andererseits. Sofern der Gesetzgeber also seinem Auftrag zur Ausgestaltung des Grundrechts nachgekommen wäre, könnte der hieraus abgeleitete Leistungsanspruch anhand eines objektiven Maßstabs auf seine tragfähige Begründbarkeit überprüft werden.

386

4.2 Wie dieses Problem zu lösen ist, kann vorliegend offen bleiben, da es der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II sowohl an einer inhaltlichen Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums als auch an einem überprüfbaren Ergebnis im Sinne eines hinreichend bestimmten gesetzlichen Anspruchs fehlt. Eine Prüfung der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 142 ff. und Rn. 159 ff.) kann deshalb nicht stattfinden.

387

Darüber hinaus fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass im Gesetzgebungsverfahren der Versuch unternommen wurde, Unterkunftsbedarfe allgemein zu erfassen und für ein Konzept zur Bestimmung der Höhe unterkunftsbezogener Leistungen auszuwerten. Die Gesetzesbegründung zur ursprünglichen Fassung enthält lediglich den Verweis auf die sozialhilferechtliche Praxis, an die angeknüpft werden soll (BT-Drucks. 15/1516, S. 57). Auch im Zuge späterer Gesetzesänderungen erfolgte keine Auseinandersetzung mit Bewertungsgrundsätzen, die eine rationale und nachvollziehbare Berechnung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums ermöglichen würden (s.o. unter B. II. 2.3.2.c). Soweit im Zuge der Einführung der Satzungsregelung in §§ 22a bis 22c SGB II Überlegungen über geeignete Methoden zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzen angestellt wurden (BT-Drucks. 17/3404, S. 44, 98-101), stehen diese systematisch neben dem Normprogramm des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und enthalten - wie die gesetzliche Regelung selbst (s.o. unter B II. 2.3.5) - im Übrigen auch keine hinreichenden normativen Maßstäbe zur Bestimmung der Höhe unterkunftsbezogener existenzsichernder Leistungen.

388

Die vom BVerfG aufgestellten Anforderungen an den Gesetzgeber können nicht dadurch erfüllt werden, dass sie mit Hilfe eines "unbestimmten Rechtsbegriffs" zur näheren Bestimmung der Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis überantwortet werden (so bereits SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 71). Die Auffassung, das BSG würde gerade mit der Rechtsprechung zum "schlüssigen Konzept" den prozeduralen Anforderungen des Urteils des BVerfG vom 09.02.2010 genügen (Knickrehm, SozSich 2010, S. 193; Luik, jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; Link in: jurisPK SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41; Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - Rn. 39; SG Karlsruhe Urteil vom 06.02.2014 - S 13 AS 235/13 - Rn. 53 f.), übersieht, dass es sich um Anforderungen an das Gesetzgebungsverfahren und dessen Ergebnisse handelt. Diesbezügliche Defizite kann die fachgerichtliche Rechtsprechung nicht ausgleichen, denn sie ist zu den im Gesetzgebungsverfahren vorzunehmenden sozialpolitischen Wertungen nicht berufen (vgl. Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 287).

389

5. Der Bestimmtheitsmangel des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II kann nicht durch eine "verfassungskonforme Auslegung" behoben werden.

390

Das Gebot verfassungskonformer Auslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz im Einklang steht (BVerfG, Urteil vom 19.09.2007 - 2 BvF 3/02 - Rn. 92). Die verfassungskonforme Auslegung ist demzufolge eine Vorzugsregel, nach der bestimmte nach methodisch korrekter Konkretisierungsarbeit gefundene Ergebnisse gegenüber anderen zu bevorzugen sind. Die Fachgerichte sind verfassungsrechtlich gehalten, Gesetzesrecht verfassungskonform auszulegen und gegebenenfalls „interpretatorisch (zu) reparieren“ (Baer, NZS 2014, S. 4).

391

Da der Befund der Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II in erster Linie auf der mangelnden Bestimmtheit des Normtextes (s.o. unter B. II. 2.3) und in zweiter Linie auf fehlenden gesetzgeberischen Wertentscheidungen bezüglich der inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums (s.o. unter B. II. 4.2) beruht, müsste das Ziel einer "verfassungskonformen Auslegung" zunächst darin bestehen, entweder den (als verfassungswidrig erkannten) Bestimmtheitsmangel oder das Bestimmtheitserfordernis zu beseitigen. Eine „verfassungskonforme Auslegung“ müsste dazu in der Lage sein, die notwendigen gesetzgeberischen Wertentscheidungen zur Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums aufzuzeigen oder aber gesetzgeberische Wertentscheidungen dieser Art entbehrlich zu machen.

392

Für eine Beseitigung des Bestimmtheitsmangels durch Auslegung genügt es demnach nicht darzulegen, dass der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit einer einzelfallbezogenen Konkretisierung zugeführt werden kann. Es bedürfte vielmehr der Begründung, weshalb der Begriff der Angemessenheit in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II entgegen der hier vertretenen Auffassung (s.o. unter B. II. 2.3.2. b) dazu geeignet sein sollte, Gesetzesbindung zu erzeugen und hiermit eine wirksame Steuerung der durch Verwaltung und Rechtsprechung zu vollziehenden Konkretisierungsprozesse anhand gesetzgeberischer Wertentscheidungen zu ermöglichen (s.o. unter B. II. 2.1.3).

393

Für eine Beseitigung des Bestimmtheitserfordernisses (s.o. unter B. II. 2.1.4) bedürfte es einer Auslegung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II, die geeignet ist, die aus dem Grundrechtsbezug der Regelungsmaterie resultierende Gestaltungsverpflichtung des Gesetzgebers zu beseitigen. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums dürfte in Folge einer derartigen Auslegung durch § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht betroffen sein.

394

5.1 Die Rechtsprechung des BSG (siehe oben unter A. IV. 1.) bietet vor dem Hintergrund der genannten Anforderungen keine verfassungskonforme Lösung. Sie kann weder den Bestimmtheitsmangel heilen, noch das Bestimmtheitserfordernis beseitigen. Sie vermag auch nicht die fehlenden gesetzgeberischen Wertentscheidung bezüglich der inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums zu ersetzen.

395

5.1.1 Mit der Ausrichtung des Angemessenheitsbegriffs auf einfache, grundlegende Wohnstandards (so bereits BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R) und der hieraus folgenden Entwicklung von Wertmaßstäben und Methoden zur weiteren Konkretisierung von Angemessenheitsgrenzen übernimmt das BSG die dem Gesetzgeber auferlegten und vorbehaltenen Gestaltungsaufgaben umstandslos selbst, indem es den vom BVerfG erarbeiteten Maßstab zur Gestaltung der das Existenzminimum gewährenden Leistungen verfeinert und im Übrigen an die Verwaltung und die Instanzgerichte delegiert (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 21: „(Die) Mietobergrenze ist unter Berücksichtigung eines existenzsichernden Leistungssystems festzulegen.“).

396

Das BSG übernimmt damit eine Aufgabe, die nach der vom BVerfG entwickelten Dogmatik dem parlamentarischen Gesetzgeber obliegt (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 136). Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, ob das BSG mit seiner Rechtsprechung zum "schlüssigen Konzept" den materiellen Anforderungen des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im Hinblick auf Realitätsgerechtigkeit, Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Sachgerechtigkeit genügt (vgl. schon SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 72).

397

Das BVerfG hat in seinen Entscheidungen Maßstäbe entwickelt, anhand derer die Gerichte die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung zu prüfen haben. Diese Maßstäbe haben die Funktion, Mindestanforderungen an gesetzgeberisches Handeln zu formulieren, nicht gesetzgeberisches Handeln zu ersetzen. Wenn nun diese Mindestanforderungen an die Gesetzgebung von der Rechtsprechung in die Konkretisierung eines unbestimmten Rechtsbegriffs übersetzt werden, führt dies unweigerlich zu einer Ausrichtung an Minimalstandards der Existenzsicherung, obwohl sich aus dem Gesetzeswortlaut hierfür nichts ergibt.

398

Letztendlich unterstellt das BSG mit der Orientierung an einfachen und im unteren Marktsegment liegenden Standards (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - Rn. 24), der Gesetzgeber wolle im Bereich der Unterkunftsbedarfe Leistungen nur in der Höhe gewähren, zu der er von Verfassungs wegen mindestens verpflichtet ist. Das "Angemessene" sei in diesem Sinne nur das zur Wahrung des Existenzminimums zwingend Erforderliche. Dies ist aber nur eine von vielen denkbaren Lesarten des Angemessenheitsbegriffs in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, zumal der Gesetzgeber dem Erhalt einer konkret innegehabten Wohnung im Bereich des SGB II erkennbar einen hohen Stellenwert einräumt (vgl. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II, § 12 Abs. 1 Nr. 4 SGB II).

399

Das BSG verwendet den Angemessenheitsbegriff somit als normtextlichen Ausgangspunkt und Rechtfertigungsgrund für die eigene Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums (so schon SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 52). Auf diese Weise können aber weder der Bestimmtheitsmangel (s.o. unter B. II. 2.3) geheilt noch die fehlenden gesetzgeberischen Wertentscheidungen (s.o. unter B. II. 4) ersetzt werden. Das BSG kann auf diese Weise auch das Bestimmtheitserfordernis nicht beseitigen, weil es sich mit der Ausrichtung an einfachen, grundlegenden Wohnstandards gerade am Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums orientiert (vgl. SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 79). Eine verfassungskonforme Auslegung ist so nicht möglich.

400

5.1.2 Die vom BSG entwickelten Konkretisierungsmaßstäbe sind auch im Einzelnen teilweise verfassungsrechtlich bedenklich und im Übrigen nicht alternativlos.

401

a) Bereits im Ansatz ist die vom BSG herangezogene Produkttheorie, die die beiden Faktoren (angemessene) Wohnfläche und (angemessener) Quadratmetermietpreis zu den Bestimmungsgrößen für die Angemessenheitsgrenze zusammenfügt, eine Wertentscheidung, die mit guten Gründen auch anders getroffen werden könnte.

402

Das BSG nähert sich der Fragestellung, welchen Unterkunftsbedarf Menschen mit geringem Einkommen in Deutschland haben, nur indirekt, indem es die zwei normativen Ausgangspunkte „angemessene Wohnfläche“ und „angemessener Wohnstandard“ kombiniert und nicht versucht, unmittelbare Erkenntnisse über die tatsächlichen Ausgaben einkommensschwacher Haushalte zu gewinnen. Dieser Ansatz ist eher mit dem früher zur Festsetzung des Regelsatzes nach dem BSHG herangezogenen Warenkorbmodell als mit der empirisch-statistischen Methode der Regelbedarfsbemessung verwandt (vgl. Rosenow, wohnungslos 2012, S. 57). Im Hinblick auf die Wohnfläche bleibt es bei einer normativen Setzung (v. Malottki, info also 2012, S. 101), während hinsichtlich des angemessenen Wohnstandards letztendlich doch versucht wird, diesen auf ein empirisch-statistisches Maß herunter zu brechen, indem regionale Quadratmetermietpreise ermittelt werden sollen. Die Multiplikation zweier (mutmaßlich) unterdurchschnittlicher Werte im Rahmen der Produkttheorie führt dazu, dass die so ermittelten Angemessenheitsgrenzen stärker negativ von durchschnittlichen oder üblichen Unterkunftskosten abweichen, als es bei Betrachtung der für die Bestimmung des "einfachen Segments" des Wohnstandards gewählten Perzentile den Anschein hat (vgl. v. Malottki, info also 2014, S. 100 f.; ders., info also 2012, S. 107).

403

Demgegenüber könnte eine stärkere Anlehnung an empirisch-statistische Verfahren Unterkunftsbedarfe realitätsgerechter erfassen. Beispielsweise könnte als Grundlage für die Bestimmung von Unterkunftskostenbegrenzungen an die statistisch nachweisbaren tatsächlichen Ausgaben der Bevölkerung für Unterkunftsbedarfe aus Einkommens- und Verbrauchsstichproben oder Mikrozensus-Erhebungen angeknüpft werden (vgl. SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 73 f.; Stölting, SGb 2013, S. 546; vgl. im Sinne einer Weiterentwicklung der Produkttheorie hin zu einer "Absolutmiettheorie“: v. Malottki, info also 2012, S. 107).

404

b) Fragwürdig ist auch die vollständige Ausblendung der Lebensverhältnisse und des Wohnstandards von Wohneigentümern bei der Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen. Laut Mikrozensus 2010 werden 53,1 % der Wohnungen in Rheinland-Pfalz von deren Eigentümern bewohnt (Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, Wohnungen und Mieten 2010 - Ergebnisse des Mikrozensus 2010, Bad Ems 2012). Der größere Teil des tatsächlich bestehenden Wohnraums wird somit von vornherein nicht in die Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen mit einbezogen (vgl. auch v. Malottki, info also 2014, S. 100). Der als Angemessenheitsgrenze durch Bestimmung einer Perzentile der Mietenstichprobe herangezogene Quadratmetermietpreis verliert hierdurch an Aussagekraft. Wird diese Grenze beispielsweise bei der 33. Perzentile des erhobenen Datenbestands gegriffen, bedeutet dies keineswegs, dass der so bestimmte Quadratmetermietpreis in etwa den Wohnstandard des unteren Einkommensdrittels der Bevölkerung repräsentiert.

405

c) Auch die Differenzierung der Angemessenheitsgrenze nach der Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 - Rn. 21) ist angreifbar und hat sowohl gegenüber der Alternative der Anknüpfung an das Individuum als auch gegenüber einer Bemessung nach der Anzahl der Haushaltsmitglieder spezifische Nachteile. Gegenüber der Bezugnahme auf das Individuum führt die Vorgehensweise in Kombination mit der Hinzuziehung der Wohnflächengrenzen nach den landesrechtlichen Wohnförderungsbestimmungen zu einer sehr deutlichen und vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) problematischen Benachteiligung von Mehrpersonenbedarfsgemeinschaften. So liegt die Angemessenheitsgrenze beispielsweise in dem von A & K für den vorliegend Beklagten erstellten Konzept für eine Zweipersonenbedarfsgemeinschaft nur um 13,30 Euro über der Angemessenheitsgrenze für eine "Einpersonenbedarfsgemeinschaft". Auf den Individualanspruch übertragen werden unter Zugrundelegung der Kopfteilmethode für einen Partner in einer Zweipersonenbedarfsgemeinschaft Kosten für die Kaltmiete nur in Höhe von bis zu 149,40 Euro berücksichtigt, bei einem Einpersonenhaushalt in Höhe von bis zu 285,50 Euro. Auch wenn diese Ungleichbehandlung mit unterschiedlichen Bedarfsdeckungserfordernissen eventuell gerechtfertigt werden könnte, wird dies durch die Bezugnahme auf Bedarfsgemeinschaften an Stelle von Haushaltsgemeinschaften wieder konterkariert (kritisch auch Koepke, SGb 2009, S. 617 ff.). Denn das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft verknüpft begrenzte Voraussetzungen (§ 7 Abs. 3 SGB II) mit begrenzten Rechtsfolgen (vgl. Rosenow, SGb 2008, S. 284). So haben die Gründe, weshalb eine Person, die mit anderen in einem Haushalt lebt, nicht mit diesen zu einer Bedarfsgemeinschaft zusammengefasst wird, in aller Regel nichts mit der Art und dem Umfang der Nutzung der Unterkunft zu tun.

406

Die zusätzliche Anforderung des BSG, dass auch bei der Bestimmung der "angemessenen" Quadratmetermietpreise nach Haushaltsgrößen differenzierte Wohnflächenintervalle berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - Rn. 20), führt darüber hinaus dazu, dass die normative Bestimmung der "angemessenen Wohnfläche" zweifach berücksichtigt wird. Der hiermit einhergehende Benachteiligungseffekt zu Lasten von Personen, die in größeren Bedarfsgemeinschaften wohnen, wird hierdurch verstärkt, weil größere Wohnungen einen tendenziell niedrigeren Quadratmetermietpreis aufweisen.

407

d) Die an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung anknüpfende Bestimmung der angemessenen Wohnfläche anhand der Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau (unkritisch noch in den Urteilen des BSG vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 19 - und vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - Rn. 12) genügt bereits nach Auffassung des BSG nicht den selbst gestellten Anforderungen (grundlegend: BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 15 ff.). Sie wird nach mehreren fruchtlosen Appellen, eine Verordnung nach § 27 SGB II a.F. zu erlassen, wohl nur aus Mangel an Alternativen weiter verfolgt (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 18; BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R - Rn. 14; vgl. auch Groth, SGb 2009, S. 645).

408

Neben der grundsätzlichen Untauglichkeit der Wohnraumförderungsbestimmungen, Aussagen über tatsächliche Verhältnisse am Wohnungsmarkt zu ermöglichen (vgl. v. Malottki, info also 2012, S. 101), ist die Heranziehung der landesrechtlich unterschiedlichen Beträge gleichheitswidrig. Da die angemessene Wohnfläche bei Anwendung der Produkttheorie stets einen Faktor der Angemessenheitsgrenze bildet, wirken sich nach dem jeweiligen Landesrecht unterschiedliche Förderungsgrößen proportional auf die Angemessenheitsgrenzen aus. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass nach der Rechtsprechung des BSG für Einpersonenhaushalte in Baden-Württemberg (angemessene Wohnfläche: 45 m²; BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 106/10 R - Rn 18; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 21) eine um 10 % niedrigere Angemessenheitsgrenze gilt als für Einpersonenhaushalte in Rheinland-Pfalz und den meisten anderen Bundesländern (angemessene Wohnfläche: 50 m²; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 16 - Schleswig-Holstein; BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R - Rn. 17 - Nordrhein-Westfalen; BSG, Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 61/12 R - Rn. 21 - Sachsen-Anhalt; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - Rn. 20 - Bayern) - völlig unabhängig von den jeweiligen örtlichen Wohnungsmarktverhältnissen.

409

Das BSG erkennt dies zwar und sieht auch die Gefahr einer eigentlich kompetenzwidrigen mittelbaren Beeinflussung der bundesrechtlichen Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II durch die Bundesländer (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - Rn. 16), hat die Suche nach einer Problemlösung aber allem Anschein nach aufgegeben.

410

Daneben ist es zweifelhaft, ob die Wohnflächenstaffelung des Wohnungsbauförderungsrechts auch innerhalb eines Landes sich zur Normierung divergierender Unterkunftsbedarfe verschiedener Haushaltsgrößenklassen eignet. Das Wohnbauförderungsrecht modelliert die klassische Entwicklung eines familiären Haushalts und hat hierbei den Zweipersonenhaushalt eines Ehepaares im Blick (Gautzsch, NZM 2011, S. 504). Dies erklärt möglicherweise den in den meisten Bundesländern relativ geringen Sprung der als förderungswürdig erachteten Wohnfläche von einem Einpersonenhaushalt zu einem Zweipersonenhaushalt um nur 10 m² (vgl. Boerner in: Löns/Herold-Tews, § 22 Rn. 25, 3. Auflage 2011), während bei Hinzutreten einer dritten Person eine Erhöhung um weitere 15 m² die Regel ist. Dies lässt beispielsweise die häufige Konstellation des Zweipersonenhaushaltes bei Alleinerziehenden mit einem Kind außer Betracht (Gautzsch, NZM 2011, S. 504).

411

e) Neben den notwendigen Wertentscheidungen bei der Bestimmung der Parameter für die Festlegung der Wohnflächengrenzen und des Vergleichsraums sowie für die Erhebung der Datengrundlage fehlt es an einer konkreten Ausformulierung und Begründung eines statistischen Maßes, mit dem innerhalb des Auswertungsdatensatzes das einfache Segment abgegrenzt werden könnte (vgl. v. Malottki, info also 2012, S. 104). Unter Anwendung der Produkttheorie des BSG stellt die Festlegung dieses Maßes aber praktisch die wesentliche Entscheidung über die Angemessenheitsgrenze dar, weil hierbei festgelegt wird, wie hoch der für die Haushaltsgröße maßgebliche Quadratmetermietpreis ist, der anschließend mit der als angemessen angesehenen Wohnfläche multipliziert wird. Die Entscheidung, welche Perzentile herangezogen wird, beruht dabei häufig nur auf Zahlenästhetik und stellt eine reine Dezision des Entscheidungsträgers dar, unabhängig davon, ob diese Entscheidung auf Verwaltungsebene oder durch das Gericht erfolgt. Das BSG beanstandet für einen Münchener Fall die Heranziehung der 20. Perzentile der Grundgesamtheit des gesamten Marktes nicht (BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - Rn. 37), gibt aber keinen Grund dafür an, weshalb - bei Festlegung auf ein "unteres Marktsegment" - nicht auch die 18., 26., 32. oder 41. Perzentile herangezogen werden dürfte.

412

Spätestens im abschließenden „Griff nach der Perzentile“ zeigt sich, dass die Vorstellung trügt, man könne die abstrakt angemessenen Unterkunftskosten (bzw. den Quadratmetermietpreis für Wohnungen einfachen Standards) mit Hilfe eines schlüssigen Konzepts „ermitteln“ (so aber BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - Rn. 17).

413

f) Die Angemessenheitsgrenze "per se" oder "Angemessenheitsobergrenze" in Form der Heranziehung der Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG zuzüglich 10 % als höchstens angemessene Bruttokaltmiete für den Fall fehlender Ermittlungsmöglichkeiten durch das Gericht wurde offenbar ohne jegliche Plausibilitätsprüfung geschaffen. Jedenfalls lässt sich eine solche den Urteilsbegründungen des BSG nicht entnehmen (BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - Rn. 15; BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R - Rn. 20; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R – Rn. 23; BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 73/08 R - Rn. 29; BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 132/10 R - Rn. 29; BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R - Rn. 20 ff.; BSG, Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - Rn. 19; BSG, Urteil vom 16.04.2013 - B 14 AS 28/12 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 4/13 R - Rn. 15; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 25 ff.).

414

Das BSG hat in seiner Judikatur vielmehr Gründe dafür angeführt, weshalb der Rückgriff auf die Höchstwerte nach § 8 Abs. 1 WoGG a.F. bzw. § 12 Abs. 1 WoGG gerade nicht zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze geeignet ist. Der mit der Gewährung von Wohngeld verfolgte Zweck sei ein anderer, als derjenige der Leistungen nach dem SGB II (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 18; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 21). Die pauschalierten Höchstbeträge des § 8 WoGG könnten keine valide Basis bilden und allenfalls als ein gewisser Richtwert Berücksichtigung finden, wenn alle Erkenntnismöglichkeiten erschöpft seien (BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 24). Die Tabellenwerte in § 8 WoGG stellten grundsätzlich keinen geeigneten Maßstab für die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft dar, weil sie zum einen die örtlichen Gegebenheiten nicht angemessen widerspiegelten und zum anderen nicht darauf abstellten, ob der Wohnraum bedarfsangemessen sei (BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R - Rn. 20). Die in § 12 Abs.1 WoGG festgeschriebenen Werte würden ebenso wenig wie die in § 8 Abs. 1 WoGG a.F. den Anspruch erheben, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 27).

415

Das BSG begründet die Heranziehung der modifizierten Höchstwerte nach § 8 Abs.1 WoGG a.F. bzw. § 12 Abs. 1 WoGG schlicht damit, dass die Übernahme der tatsächlichen Kosten nicht unbegrenzt erfolgen könne. Es gebe eine "Angemessenheitsgrenze" nach "oben". Durch sie solle verhindert werden, dass extrem hohe und damit nicht nur nach Auffassung des Grundsicherungsträgers, sondern per se unangemessene Mieten durch den Steuerzahler zu finanzieren seien (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 27). Worauf die Annahme gestützt wird, dass diese Angemessenheitsobergrenze sich aus § 8 Abs. 1 WoGG a.F. bzw. § 12 Abs. 1 WoGG ergeben könnte, wird jedoch nicht erklärt. Die Hinzufügung eines „Sicherheitszuschlags“ von 10 % „im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Sicherung des Wohnraumes“ (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn. 27; BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R - Rn. 22; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - Rn. 28) ist offensichtlich aus der Luft gegriffen.

416

Es bleibt somit unklar, was das BSG zu der Annahme verleitet, die herangezogenen Werte hätten für tatsächliche Wohnungsmarktlagen irgendeine Aussagekraft. Diese Werte liegen tatsächlich oftmals unter den von kommunalen Trägern anhand von schlüssigen oder unschlüssigen Konzepten erarbeiteten Angemessenheitsgrenzen (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 4/13 R - Rn. 15; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2014 - L 2 AS 3878/11 - Revision anhängig: B 4 AS 44/14 R; vgl. zur Kritik auch Rosenow, wohnungslos 2012, S. 60; Schnitzler, SGb 2010, S. 512; Groth, SGb 2013, S. 251).

417

g) Gegen die Rechtsprechung des BSG spricht weiter, dass sie - letztlich wegen der unbestimmten gesetzlichen Grundlage - nicht dazu in der Lage ist, Rechtssicherheit zu schaffen (vgl. SG Dresden, Urteil vom 25.01.2013 - S 20 AS 4915/11 - Rn. 32; SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 65 ff.).

418

In der Literatur wird hierzu u.a. ausgeführt, dass nicht überraschen könne, dass sich die jeweilige Bestimmung der angemessenen Höhe der Kosten der Unterkunft in der Praxis als konfliktträchtig erweise (Butzer/Keller, NZS 2009, S. 66), dass die im Bereich der Unterkunftskosten anhängigen Streitverfahren schwerpunktmäßig die Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung beträfen (Jaritz, Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft - Sanktionen - Mitwirkung, in: Baus/Krings (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen im Sozial- und Arbeitsrecht, St. Augustin/Berlin 2012, S. 63) und dass Leistungen für Unterkunft und Heizung zu den streitanfälligeren Leistungen, die Verwaltung und Sozialgerichte in erheblichem Umfang beschäftigen, gehörten (Berlit, info also 2011, S. 170; vgl. auch Groth, SGb 2009, S. 646; Winter, SGb 2012, S. 366).

419

Dies liegt zum einen darin begründet, dass auch höchstrichterliche Rechtsprechung keine Bindungswirkung über den Einzelfall hinaus entfaltet und aus diesem Grund eine gesetzliche Regelung nicht funktionell gleichwertig ersetzen kann (vgl. Berlit, info also 2010, S. 195; Groth, SGb 2009, S. 646), zum anderen darin, dass ein unauflöslicher Widerspruch zwischen dem Anliegen besteht, einerseits abstrakt-generell geregelte Mietobergrenzen unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten schaffen zu wollen und hierfür andererseits als gesetzliche Grundlage lediglich einen "unbeschränkt überprüfbaren" unbestimmten Rechtsbegriff zu haben. Das Dilemma wird in der folgenden Passage aus dem Urteil des BSG vom 22.09.2009 (B 4 AS 18/09 R - Rn. 26 f.) besonders deutlich:

420

"Es ist im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten. Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher grundsätzlich schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit vom Grundsicherungsträger vorzulegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne eine hinreichende Datengrundlage, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1, 2. Halbsatz SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Diese Ermittlungspflicht geht nicht ohne Weiteres auf das Sozialgericht über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht tragfähig (schlüssig) erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind. (…) Steht nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten zur Überzeugung des Gerichts fest, dass keine solchen Erkenntnismöglichkeiten mehr vorhanden sind - etwa durch Zeitablauf - sind vom Grundsicherungsträger die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen für Unterkunft zu übernehmen. Sie sind allerdings auch in diesem Fall nicht völlig unbegrenzt zu übernehmen, sondern nur bis zur Höhe der durch einen Zuschlag maßvoll erhöhten Tabellenwerte in § 8 WoGG."

421

Das BSG stellt den Leistungsträgern hiermit die Aufgabe, Angemessenheitsgrenzen in Form von abstrakt-generellen Regelungen zu treffen, ohne ausdrücklich einen Beurteilungs- oder Gestaltungsspielraum einzuräumen. Dies soll allerdings nur "im Wesentlichen" Aufgabe des Leistungsträgers sein. Das Konzept soll auch nur "grundsätzlich" bereits zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (so ausdrücklich auch BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - Rn. 21). Es hat aber keine erkennbaren Konsequenzen, wenn es zu diesem Zeitpunkt nicht vorliegt. Aus der weichen Formulierung, "es kann vom (…) kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt", geht deutlich hervor, dass sich für eine echte Verpflichtung keine Rechtsgrundlage finden lässt. So geht auch die Ermittlungspflicht nur nicht "ohne Weiteres" auf die Sozialgerichte über.

422

Die Unschärfe in der Aufgabenverteilung zwischen Leistungsträger (eigenständig "ermitteln") und Gericht (unbeschränkte Kontrolle) hat systematisch-konstruktive Gründe. An der Gestattung eines Beurteilungsspielraums ist das BSG gehindert, da methodischer Ausgangspunkt für die gesamte Judikatur zur Angemessenheit der Unterkunftskosten der uneingeschränkt überprüfbare, unbestimmte Rechtsbegriff ist (vgl. Groth, SGb 2013, S. 250). Dies hat zur Konsequenz, dass im Endeffekt die Gerichte auf Grundlage systematischer Vorentscheidungen der Verwaltung über die konkrete Höhe der Angemessenheitsgrenze nach eigenen Wertungen entscheiden sollen (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - Rn. 24; vgl. zum Ganzen: SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 Rn. 65 ff.).

423

Die so erfolgte Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen und somit der Höhe der unterkunftsbezogenen Leistungen des SGB II stellt sich bei realistischer Betrachtung als kooperativer Prozess zwischen Verwaltung und Rechtsprechung dar, der im Wesentlichen erst im Streitfall zwischen Leistungsberechtigtem und Behörde vollzogen wird. In diesem Prozess sind die politischen Verantwortlichkeiten kaum auseinanderzuhalten und die Funktionen der Staatsgewalten nicht mehr voneinander unterscheidbar. Die Rechtsprechung kann auf diese Weise ihrer verfassungsrechtlichen Kontrollfunktion gegenüber der Legislative nicht nachkommen. Rechtssicherheit kann auf diese Weise nicht erreicht werden.

424

5.2 Die von der 20. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 25.01.2013 - S 20 AS 4915/11 - Rn. 26 ff.; s. o. unter A. IV. 3.3) vertretene Auslegung ist ebenfalls nicht dazu geeignet, die Verfassungskonformität des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II sicherzustellen. Mit der Begrenzung der Leistungen für Unterkunft auf die um 10 % erhöhten Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG legt das Gericht die Höhe des Existenzsicherungsanspruchs nach eigenen Wertmaßstäben fest. Dies ist bereits auf Grund der Gestaltungsverpflichtung des Gesetzgebers verfassungswidrig. Im Übrigen begründet das SG Dresden ebenso wenig wie das BSG, weshalb die um 10 % erhöhten Höchstwerte nach § 12 Abs. 1 WoGG für die Bemessung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums geeignet sein sollten (s.o. unter B. II 5.1.2. f).

425

5.3 Die von der 17. Kammer des SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09; Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 751/12; Urteil vom 10.05.2013 - S 17 AS 119/13; Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12; Urteil vom 22.10.2012 - S 17 SO 145/11; s. o. unter A. IV. 3.1) und von der 20. Kammer des SG Leipzig (Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12; Urteil vom 16.12.2013 - S 20 AS 879/11; s. o. unter A. IV. 3.2) erarbeiteten Vorschläge zur verfassungskonformen Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II laufen entweder auf eine verfassungswidrige Wahrnehmung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums durch Verwaltung und Gerichte oder auf eine gleichfalls verfassungswidrige faktische Normverwerfung durch die Gerichte hinaus.

426

5.3.1 Die 17. Kammer des SG Mainz stellt zwar die möglichen Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zutreffend dar (SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 61) und formuliert abstrakt die Anforderungen, die eine verfassungskonforme Auslegung des Angemessenheitsbegriffs im Rahmen des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllen müsste (SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn. 62). Zutreffend weist das SG Mainz darauf hin, dass das Primat der verfassungskonformen Auslegung im Rahmen der Gesetzesbindung entstehungsgeschichtliche und teleologische Auslegungselemente verdrängen muss. Im Rahmen der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II kann das abstrakt formulierte Ziel der verfassungskonformen Auslegung jedoch nicht erreicht werden.

427

a) Der in den zitierten Entscheidungen eingeschlagene Weg besteht darin, nicht den Bestimmtheitsmangel des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zu beseitigen (was - wie unter B. II. 2 gezeigt - nicht möglich ist), sondern ihn durch Herausnahme der verfassungsrechtlichen Brisanz irrelevant zu machen. Dies gelingt in der Theorie dadurch, dass § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II als Regelung interpretiert wird, die das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht betrifft (vgl. SG Mainz, Urteil vom 19.04.2013 - S 17 AS 518/12 - Rn 62; in diesem Punkt vergleichbar: SG Dresden, Urteil vom 10.09.2013 - S 49 AS 8234/10 - Rn. 54). Der Angemessenheitsbegriff soll nach dieser Auffassung so konkretisiert werden, dass er eine andere Funktion einnimmt, als die der Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 87).

428

Dieser Ansatz ist theoretisch nachvollziehbar, weil auf diese Weise die Bestimmbarkeits- und Folgerichtigkeitskriterien, die für die Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfüllt werden müssen (s.o. unter B. II. 2.1 und unter B. II. 4), außer Betracht bleiben könnten. Losgelöst von diesen der Grundrechtsverwirklichung geschuldeten Anforderungen wäre die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II nicht zu beanstanden.

429

b) Allerdings lässt sich der Anspruch, eine Auslegung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II zu ermöglichen, die nicht die Ausgestaltung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums betrifft, nicht einlösen. Denn die Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II führt nur zu einem im Hinblick auf das Existenzsicherungsgrundrecht verfassungskonformen Ergebnis, solange der Fall der evidenten Überschreitung der ortsüblichen Unterkunftsaufwendungen nicht eintritt. Sobald das Gericht aber im Einzelfall eine solche Überschreitung feststellen müsste, würde es die Höhe des unterkunftsbezogenen Existenzminimums doch selbst bestimmen und hiermit - ebenso wie das BSG - eine Gestaltungsaufgabe übernehmen, die dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Dies gilt auch dann, wenn die Angemessenheitsgrenze so hoch definiert wird, dass nach "allgemeinen Anschauungen" oder anderen scheinbar objektiven Kriterien keine Bedenken bestehen, die Kostenübernahme als unverhältnismäßig anzusehen. Denn durch die Kürzung des in die Leistungsberechnung einzubeziehenden Unterkunftsbedarfs wird das Existenzminimum in jedem Fall ausgestaltet, selbst wenn der Betroffene eine "Luxuswohnung" bewohnt. Dies folgt zum einen daraus, dass auch in diesem Fall der "angemessene" Anteil des Unterkunftsbedarfs zu berücksichtigen wäre (s.o. unter B. II. 2.3.1 b), welcher in irgendeiner Form durch Verwaltung oder Gericht beziffert werden müsste.

430

Zum anderen könnte der Unterkunftsbedarf oder wahlweise der Bedarf zur Sicherung des sonstigen Lebensunterhalts bei einer Kürzung nicht vollständig gedeckt werden. In Folge der geringen Elastizität des Konsumguts "Unterkunft" (s.o. unter B. II. 2.3.3 b) besteht in jedem Fall der Kürzung die Gefahr einer akuten Unterdeckung des Unterkunftsbedarfs. Die Leistungsberechtigten sind zwar nicht unmittelbar dazu gezwungen, ihren Verpflichtungen für den Erhalt der Unterkunft vollständig nachzukommen, wenn sie diese nicht als Leistungen vom SGB II-Träger erhalten, so dass die gewährten Leistungen für den Regelbedarf in vollem Umfang verkonsumiert werden dürfen, gegebenenfalls unter Inkaufnahme des schuldenbedingten Wohnungsverlusts. Der Verlust einer bestimmten, bisher bewohnten Unterkunft als solcher verstößt auch nicht gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Ein Verstoß läge erst dann vor, wenn nicht kurzfristig eine die menschenwürdige Existenz sichernde Unterkunft verfügbar wäre.

431

Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein solcher Zustand eintreten kann, ist aber von wesentlicher Bedeutung für die Grundrechtsverwirklichung und unterliegt deshalb wiederum der Gestaltungsverpflichtung des parlamentarischen Gesetzgebers (s.o. B II. 2.1.2 und 2.1.5). Die hierfür maßgeblichen Wertentscheidungen können durch die Gerichtsbarkeit nicht ersetzt werden (s.o. unter B II. 4.2).

432

Die Auslegung des Angemessenheitsbegriffs durch die 17. Kammer des SG Mainz führt demzufolge nicht zu einem verfassungskonformen Ergebnis.

433

c) Die Verfassungswidrigkeit könnte theoretisch nur vermieden werden, wenn die Angemessenheitsgrenze so hoch angesetzt würde, dass sie praktisch niemals zum Zuge käme. Die Interpretation einer Rechtsvorschrift in einer Weise, dass sie keine Auswirkungen hat, kommt im Ergebnis aber der Nichtanwendung dieser Norm gleich. Der Rechtsprechung steht es auf Grund der Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG) jedoch nicht zu, eine gesetzgeberische Regelungsentscheidung im Wege der Auslegung vollständig zu neutralisieren.

434

d) Der Vorschlag, die Leistungspflicht nur in Einzelfällen zu begrenzen, in denen Leistungsberechtigte hinsichtlich ihrer Unterkunft deutlich erkennbar über den ortsüblichen Verhältnissen leben (SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 87) läuft somit entweder auf eine verfassungswidrige Wahrnehmung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums oder auf eine gleichfalls verfassungswidrige faktische Normverwerfung durch die Gerichte hinaus.

435

5.3.2 Der Vorschlag einer verfassungskonformen Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II durch das SG Leipzig (Urteil vom 15.02.2013 - S 20 AS 2707/12 - Rn. 41 ff.) scheitert aus denselben Gründen. Die Frage, wann ein die Leistungskürzung rechtfertigender Ausnahmefall im Sinne eines offensichtlichen Missverhältnisses zu den sonstigen Lebensumständen des Leistungsberechtigten vorliegen würde, hätte wesentliche Bedeutung für die Grundrechtsverwirklichung und bedürfte deshalb einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber.

436

5.4 Andere Vorschläge für eine verfassungskonforme Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II wurden in Rechtsprechung und Literatur bislang nicht gemacht und sind für die vorlegende Kammer auch nicht ersichtlich.

437

6. Die in Rechtsprechung und Literatur unternommen Versuche, die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG zu verteidigen, gelingen nicht.

438

6.1 Die Auffassung von Link (in: jurisPK-SGB XII, § 35 Rn. 65.3, 1. Auflage 2011, Stand 31.01.2014 - s.o. unter A. IV. 5.5) und dem 1. Senat des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 19/13 - Rn. 41 - s.o. unter A. IV. 4.1), die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessen" biete mit dem hierfür entwickelten schlüssigen Konzept gerade ein vom BVerfG gefordertes transparentes und schlüssiges Verfahren, vernachlässigt, dass das BVerfG Transparenz- und Schlüssigkeitsanforderungen ausdrücklich an das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren gestellt hat (so bereits SG Mainz, Urteil vom 18.10.2013 - S 17 AS 1069/12 - Rn. 46). Dass das BVerfG betont habe, dass dem Gesetzgeber bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums ein Gestaltungsspielraum zukomme, lässt die Schlussfolgerung nicht zu, dass der Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum praktisch an die Verwaltung und die Gerichtsbarkeit weiterreichen dürfte. Auch eine "gefestigte Rechtsprechung" kann die Ausübung gesetzgeberischen Gestaltungsermessens nicht ersetzen. Die Kritik am Urteil des SG Mainz vom 08.06.2012 (S 17 AS 1452/09), das hiermit die Rechtsprechung zum schlüssigen Konzept lediglich substituiert werde, trifft im Ergebnis zwar zu, würdigt aber nicht den Umstand, dass diese Substitution von einem anderen Ausgangspunkt erfolgte und nur einer Art Evidenzkontrolle diente.

439

6.2 Soweit die 49. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 10.09.2013 - S 49 AS 8234/10 - Rn. 57 - s.o. unter A. IV. 4.2) ausführt, dass die Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nicht einem Parlamentsgesetz vorbehalten sei, da einem solchen nur die Bestimmung des Existenzminimums unterliege und § 22 SGB II über dieses Minimum deutlich hinausgehe, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Frage, wie hoch die Angemessenheitsgrenze liegt, bestimmt maßgeblich, wie hoch der zur Sicherung des Existenzminimums gedachte Leistungsanspruch ausfällt. Der Begriff "Existenzminimum" markiert nur in dem Sinne eine Untergrenze dahingehend, dass der Gesetzgeber ein Minimum an existenzsichernden Leistungen zur Verfügung stellen muss. Ob der Gesetzgeber sich zur Sicherung des Existenzminimums einer Regelungstechnik unter Verwendung von "Obergrenzen" bedient, ist für die Qualifikation als zur Sicherung des Existenzminimums bestimmte Leistung völlig unerheblich.

440

Die These, dass weder der Bundes- noch die Landesgesetzgeber die existenznotwendigen Kosten der Unterkunft in einer für das gesamte Bundes- oder Landesgebiet hinreichend zuverlässigen und transparenten Weise sachgerecht ermitteln könnten, wie es das BVerfG für die Ermittlung des Existenzminimums verlange, ist nicht zielführend und darüber hinaus nicht geeignet, plausibel zu machen, weshalb die kommunalen Träger und Sozialgerichte diese Voraussetzungen besser erfüllen könnten.

441

Auch die Behauptung, es sei nicht zu befürchten, dass der nach der Rechtsprechung des BSG für die Beurteilung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zu Grunde zu legende Wohnstandard die aus der Gewährleistung des Existenzminimums herzuleitenden Mindeststandards unterschreiten könnte, ist sehr gewagt. Selbst die wenigen instanzgerichtlichen Entscheidungen zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzen, die das BSG bestätigt hat, sind im Hinblick auf ihre Eignung, das Existenzminimum durch ein rationales Verfahren zu gewährleisten, methodisch angreifbar (vgl. v. Malottki, info also 2014, S. 99 ff. zu BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R). Dass deswegen auf eine formal-gesetzliche Grundlage verzichtet werden könne, steht jedenfalls in deutlichem Gegensatz zur Rechtsprechung des BVerfG, nach der gerade der Gesetzgeber die Höhe der existenzsichernden Leistungen auszugestalten habe.

442

6.3 Die vom 2. Senat des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 28.10.2013 - L 2 SO 1510/13 NZB - Rn. 12 ff. - s.o. unter A. IV. 4.3; Urteile vom 26.03.2014 - L 2 AS 104/14 - Rn. 43 - s.o. A. IV. 4.5) und vom 2. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 11.03.2014 - L 2 AS 276/14 B ER - Rn. 49 ff. - s.o. unter A. IV. 4.4) gegen die Rechtsauffassung der 17. Kammer des SG Mainz herangezogenen Gründe stellen keine Sachargumente dar. Die Senate begnügen sich damit, auf eine entgegenstehende höhere Rechtsprechung zu verweisen und (im Falle des 2. Senats des LSG Baden-Württemberg) über Implikationen der Rechtsprechung des BVerfG zu spekulieren, ohne sich in der Sache mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II auseinanderzusetzen.

443

6.4 Luiks Argumentation (jurisPR-SozR 22/2013 Anm. 1; ähnlich ders. in: Eicher, SGB II, § 22 Rn. 6, 3. Auflage 2013 – s.o. unter A. IV. 5.4) stützt sich im Wesentlichen auf die Annahme, dass das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bereits bestätigt habe. Dies trifft nicht zu (s. o. unter A. VI.), würde im Übrigen eine Auseinandersetzung in der Sache aber auch nicht entbehrlich machen, da das BVerfG der Bindungswirkung seiner Entscheidungen selbst nicht unterliegt (BVerfG, Beschluss vom 19.11.1991 - 1 BvR 1425/90 - Rn. 16 m.w.N.). Dass das BSG selbst eine Konzeption zur Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums entwickelt hat, die, stammte sie vom Gesetzgeber, den prozeduralen Anforderungen des BVerfG im Hinblick auf die Gestaltung existenzsichernder Leistungen genügen könnte, beseitigt das verfassungsrechtliche Problem nicht. Das BSG verfügt nicht über eine hinreichende demokratische Legitimation, um zur wesentlichen Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums befugt zu sein. Dass das legitimatorische Problem nicht mit herkömmlichen juristischen Auslegungsmethoden bewältigt werden kann, wurde bereits ausgeführt (s. o. unter B. II. 2.1.4).

444

6.5 Berlits Einwand, dass die Rechtsprechung des BSG an eine auch dem SGB II-Gesetzgeber bekannte Rechtsprechung des BVerwG zum Angemessenheitsbegriff im BSHG anknüpfe und in ihrem sachlichen Regelungsgehalt erneut in den Vorgaben für die Satzungsregelung aufgegriffen worden sei (Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn, 60 f., 5. Auflage 2013 - s.o. unter A. IV. 5.6), verfängt ebenfalls nicht. Die anhand der Gesetzgebungsmaterialien nachvollziehbare Bezugnahme auf die Sozialhilfepraxis verweist nicht nur auf ein gesetzgeberisches Regelungsmodell, sondern auch auf eine Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis, die vor dem Hintergrund der erst nach dem Außerkrafttreten des BSHG etablierten Rechtsprechung des BVerfG zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auf Grund der selben Legitimationsdefizite keinen Bestand haben würde. Sie basiert ebenfalls auf dem unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit (vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 RegelsatzVO i.d.F. des Gesetzes vom 14.11.2003).

445

So bestimmte sich nach der ständigen Rechtsprechung des bis zum 31.12.2004 für Sozialhilfe zuständigen BVerwG (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.2005 - 5 C 15/04) die Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft nach dem Bedarf des Hilfebedürftigen, welcher sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles richten sollte, insbesondere nach Umständen in der Person des Hilfebedürftigen, in der Art seines Bedarfs und nach den örtlichen Verhältnissen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für eine Unterkunft waren die örtlichen Verhältnisse maßgeblich. Hierbei wurde auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abgestellt und auf dieser tatsächlichen Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne ermittelt. Erschienen dem Sozialhilfeträger die Unterkunftskosten im Einzelfall als zu hoch, durfte er die Angemessenheitsprüfung nicht darauf beschränken, ausgehend vom Bedarf des Hilfebedürftigen mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse zu bestimmen, welcher Kostenaufwand für die Unterkunft sozialhilferechtlich an sich (abstrakt) angemessen gewesen wäre. Der Sozialhilfeträger hatte die Angemessenheitsprüfung in einem solchen Fall auch auf die Frage zu erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war. Bestand eine derartige Unterkunftsalternative nicht, waren die Aufwendungen in voller Höhe weiter zu übernehmen (BVerwG, Urteil vom 28.04.2005 - 5 C 15/04 - Rn. 10 f. m.w.N.). Dass bei der Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft nicht auf die jeweiligen örtlichen durchschnittlichen Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfeempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen war, ergab sich aus der Aufgabe der Hilfe zum Lebensunterhalt, nur den "notwendigen" Bedarf abzudecken (BVerwG, Urteil vom 17.11.1994 - 5 C 11/93 - Rn. 11; BVerwG, Beschluss vom 02.08.1994 - 5 PKH 32/94 - Rn. 2). Hierbei verwies das BVerwG auf § 12 Abs. 1 S. 1 BSHG, welcher in der zuletzt maßgeblichen Fassung vom 23.07.1996 lautete:

446

"Der notwendige Lebensunterhalt umfaßt besonders Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens."

447

In diesen Ausführungen zeigt sich, dass auch unter der Ägide des BSHG das unterkunftsbezogene Existenzminimum nicht wesentlich durch den Gesetzgeber ausgestaltet, sondern anhand relativ allgemeiner Vorgaben des seinerzeit zuständigen Bundesgerichts weitgehend der Verwaltungspraxis überlassen wurde. Das erst mit der Ausdifferenzierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch das BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) offenkundig gewordene Bestimmtheitsproblem bestand auch bezüglich der gesetzlichen Regelung des BSHG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Allerdings erscheint es denkbar, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der unterkunftsbezogenen Leistungen des BSHG anders zu beurteilen, weil das damalige Leistungssystem im Vergleich zum SGB II weitaus mehr Möglichkeiten bot, individuelle Notlagen zu beheben, beispielsweise auch durch Sachleistungen und persönliche Hilfe (vgl. Schmidt, NVwZ 1995, S. 1045).

448

Der Verweis auf eine Rechtsprechungspraxis genügt den oben (B. II. 2.1) skizzierten Bestimmtheitsanforderungen aber ohnehin nicht, da global auf eine unbestimmte Vielzahl von Entscheidungstexten Bezug genommen wird. Entscheidungstexte der Gerichtsbarkeit sind schon in Folge ihrer von Normtexten erheblich abweichenden Textstruktur sowie auf Grund ihrer Funktion nicht dazu geeignet, eine gesetzliche Regelung gleichwertig zu ersetzen (s.o. unter B. II. 5.1.2 g). Deshalb würde auch ein ausdrücklicher Verweis im Gesetzestext auf eine bisherige Sozialhilfepraxis dem Bestimmtheitserfordernis des Gewährleistungsrechts nicht genügen. Tatsächlich ist die Bezugnahme auf das Sozialhilferecht aber nicht im Gesetzestext, sondern lediglich in der Gesetzesbegründung erhalten und schon aus diesem Grund nicht dazu geeignet, das Bestimmtheitsproblem abzumildern.

449

Mit der Übernahme wesentlicher Bestandteile der Rechtsprechung des BSG in die §§ 22a bis 22c SGB II hat der Gesetzgeber zwar möglicherweise zu erkennen gegeben, dass diese Rechtsprechung in den Grundzügen akzeptiert wird. Allerdings wurden diese Bestandteile gerade nicht in den für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II relevanten Normtext implementiert. Das Bestimmtheitsproblem wurde auf diese Weise somit nicht behoben. Hiervon abgesehen genügen auch die §§ 22a bis 22c SGB II nicht den unter B. II. 2.1 dargestellten Bestimmtheitsanforderungen (s.o unter B. II. 2.3.5).

450

Allenfalls ließe sich aus der gesetzgeberischen Entscheidung zur Einführung der §§ 22a bis 22c SGB II der Schluss ziehen, dass eine Orientierung der Angemessenheitsgrenze an den materiellen Mindestanforderungen für die Gewährung des Existenzminimums, wie sie die BSG-Rechtsprechung vorgibt, der gesetzgeberischen Intention - jedenfalls zum Zeitpunkt der Schaffung der Satzungsregelung - durchaus entsprochen hat. Dies vermag am Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot jedoch nichts zu ändern.

III.

451

Die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II ist nach Überzeugung der Kammer auf Grund des Verstoßes gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verfassungswidrig (s.o. unter B. II. 2.3.2, B. II. 4). Auf die Gültigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB II kommt es im vorliegenden Verfahren an (s.o. unter A. V). Das Gericht hat das Verfahren daher nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG über die Gültigkeit der Vorschrift einzuholen.

C.

452

Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar.

Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Mainz Vorlagebeschluss, 12. Dez. 2014 - S 3 AS 130/14

Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Mainz Vorlagebeschluss, 12. Dez. 2014 - S 3 AS 130/14

Referenzen - Gesetze

Sozialgericht Mainz Vorlagebeschluss, 12. Dez. 2014 - S 3 AS 130/14 zitiert 101 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 7 Leistungsberechtigte


(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die1.das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,2.erwerbsfähig sind,3.hilfebedürftig sind und4.ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschla

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 48 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse


(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltun

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 45 Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen de

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung


(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Le

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 100


(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassu

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung


Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 20 Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts


(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des tägl

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 9 Hilfebedürftigkeit


(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer So

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 50 Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen


(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten. (2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatt

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 96


(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. (2) Eine Abschrift des neuen Ver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 74


(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete: 1. das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen


(1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind1.angemessener Hausrat; für die Beurteilung der Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs von Bür

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 40 Anwendung von Verfahrensvorschriften


(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass1.rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 19 Bürgergeld und Leistungen für Bildung und Teilhabe


(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Bürgergeld. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Bürgergeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 21 Mehrbedarfe


(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind. (2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrb

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 39 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 82 Begriff des Einkommens


(1) Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Nicht zum Einkommen gehören1.Leistungen nach diesem Buch,2.die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungs

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 558 Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete


(1) Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Das Mieterhöhungsverlangen kann fr

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 31


(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. (2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gese

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 240 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit


(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die 1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und2. berufsunfähigsind. (2) Berufsunfähig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 73


(1) Die Beteiligten können vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 95


Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 24 Abweichende Erbringung von Leistungen


(1) Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 8 Erwerbsfähigkeit


(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (2) Im Sinne von Absatz 1 kön

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 33 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. (2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, w

Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG | § 3 Grundleistungen


(1) Leistungsberechtigte nach § 1 erhalten Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zu

Referenzen - Urteile

Sozialgericht Mainz Vorlagebeschluss, 12. Dez. 2014 - S 3 AS 130/14 zitiert oder wird zitiert von 59 Urteil(en).

Sozialgericht Mainz Vorlagebeschluss, 12. Dez. 2014 - S 3 AS 130/14 zitiert 51 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 14. Mai 2014 - L 11 AS 621/13

bei uns veröffentlicht am 14.05.2014

Tatbestand Streitig ist die Höhe der zu gewährenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.12.2012 bis 31.05.2013 insbesondere i

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 10. Okt. 2017 - 1 BvR 617/14

bei uns veröffentlicht am 10.10.2017

Tenor Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Gründe I.

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 19. Nov. 2014 - 2 BvL 2/13

bei uns veröffentlicht am 19.11.2014

Tenor § 23a Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 Satz 1 des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 2004 (GVBl S. 298), zuletzt geändert durch Artikel 2 des G

Bundessozialgericht Urteil, 18. Nov. 2014 - B 4 AS 3/14 R

bei uns veröffentlicht am 18.11.2014

Tenor Auf die Revision des Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung u

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 06. Nov. 2014 - 2 BvL 2/11

bei uns veröffentlicht am 06.11.2014

Gründe Das Verfahren der konkreten Normenkontrolle betrifft die Frage, ob § 40 Abs. 4 Satz 3 Wehrdisziplinarordnung (WDO) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Neuord

Bundesverfassungsgericht Urteil, 07. Okt. 2014 - 2 BvR 1641/11

bei uns veröffentlicht am 07.10.2014

Tenor 1. § 6a Absatz 2 Satz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 ist mit

Bundessozialgericht Urteil, 06. Aug. 2014 - B 4 AS 37/13 R

bei uns veröffentlicht am 06.08.2014

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das La

Sozialgericht Mainz Urteil, 04. Juni 2014 - S 3 KR 298/12

bei uns veröffentlicht am 04.06.2014

weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Diese Entscheidung zitiert Tenor 1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 03.01.2012 in Ge-stalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2012 verurteilt, der Klägerin

Bundessozialgericht Urteil, 04. Juni 2014 - B 14 AS 42/13 R

bei uns veröffentlicht am 04.06.2014

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 04. Juni 2014 - B 14 AS 53/13 R

bei uns veröffentlicht am 04.06.2014

Tenor Die Revision des Antragsgegners gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. September 2013 - L 36 AS 1987/13 NK - wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Beschluss, 07. Apr. 2014 - B 14 AS 311/13 B

bei uns veröffentlicht am 07.04.2014

Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Juni 2013 wird als unzulässig verworfen.

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 01. Apr. 2014 - 2 BvL 2/09

bei uns veröffentlicht am 01.04.2014

Gründe A. 1 Das Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob § 5

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 26. März 2014 - L 2 AS 104/14

bei uns veröffentlicht am 26.03.2014

Tenor Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts F. vom 8. August 2011 werden zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand

Bundessozialgericht Urteil, 20. Feb. 2014 - B 14 AS 65/12 R

bei uns veröffentlicht am 20.02.2014

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 12. Dez. 2013 - B 4 AS 87/12 R

bei uns veröffentlicht am 12.12.2013

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 wird zurückgewiesen.

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 28. Okt. 2013 - L 2 SO 1510/13 NZB

bei uns veröffentlicht am 28.10.2013

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Februar 2013 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe

Bundessozialgericht Urteil, 17. Okt. 2013 - B 14 AS 70/12 R

bei uns veröffentlicht am 17.10.2013

Tenor Auf die Revisionen des Antragstellers und des Antragsgegners wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. August 2012 geändert.

Bundessozialgericht Urteil, 10. Sept. 2013 - B 4 AS 77/12 R

bei uns veröffentlicht am 10.09.2013

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 10. Sept. 2013 - B 4 AS 4/13 R

bei uns veröffentlicht am 10.09.2013

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 2012 aufgehoben und der Rechtstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses

Bundessozialgericht Urteil, 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R

bei uns veröffentlicht am 12.06.2013

Tenor Die Revision des Beklagten wird als unzulässig verworfen. Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile de

Bundessozialgericht Urteil, 12. Juni 2013 - B 14 AS 73/12 R

bei uns veröffentlicht am 12.06.2013

Tenor Auf die Revisionen der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. August 2012 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. März 2012 sowie der Bescheid des Bek

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 29. Mai 2013 - 1 BvR 1083/09

bei uns veröffentlicht am 29.05.2013

Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SG

Bundessozialgericht Urteil, 23. Mai 2013 - B 4 AS 67/12 R

bei uns veröffentlicht am 23.05.2013

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. Aug

Bundessozialgericht Urteil, 16. Apr. 2013 - B 14 AS 28/12 R

bei uns veröffentlicht am 16.04.2013

Tenor Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Dezember 2011 geändert. Die Bescheid

Bundessozialgericht Urteil, 14. Feb. 2013 - B 14 AS 61/12 R

bei uns veröffentlicht am 14.02.2013

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Mai 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landess

Bundessozialgericht Urteil, 16. Mai 2012 - B 4 AS 109/11 R

bei uns veröffentlicht am 16.05.2012

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das L

Bundessozialgericht Urteil, 22. März 2012 - B 4 AS 16/11 R

bei uns veröffentlicht am 22.03.2012

Tenor Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Lan

Bundessozialgericht Urteil, 20. Dez. 2011 - B 4 AS 19/11 R

bei uns veröffentlicht am 20.12.2011

Tenor Auf die Revisionen der Kläger und des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. April 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und En

Bundessozialgericht Urteil, 24. Nov. 2011 - B 14 AS 151/10 R

bei uns veröffentlicht am 24.11.2011

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 28. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 06. Okt. 2011 - B 14 AS 131/10 R

bei uns veröffentlicht am 06.10.2011

Tenor Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 15. Juli 2010 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niede

Bundessozialgericht Urteil, 23. Aug. 2011 - B 14 AS 91/10 R

bei uns veröffentlicht am 23.08.2011

Tenor Die Revision der Kläger wird zurückgewiesen, soweit mit ihr eine Leistung von mehr als 321,19 Euro geltend gemacht wird. Im Übrigen wird das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 11. Mai 2010 a

Bundessozialgericht Urteil, 07. Juli 2011 - B 14 AS 79/10 R

bei uns veröffentlicht am 07.07.2011

Tenor Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19. November 2009 aufgehoben und die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des S

Bundessozialgericht Urteil, 07. Juli 2011 - B 14 AS 51/10 R

bei uns veröffentlicht am 07.07.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Land

Bundessozialgericht Urteil, 26. Mai 2011 - B 14 AS 86/09 R

bei uns veröffentlicht am 26.05.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 2009 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sächsi

Bundessozialgericht Urteil, 26. Mai 2011 - B 14 AS 132/10 R

bei uns veröffentlicht am 26.05.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 18. Februar 2009 aufgehoben.

Bundessozialgericht Urteil, 13. Apr. 2011 - B 14 AS 32/09 R

bei uns veröffentlicht am 13.04.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009 aufgehoben.

Bundessozialgericht Urteil, 13. Apr. 2011 - B 14 AS 106/10 R

bei uns veröffentlicht am 13.04.2011

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. Juli 2010 aufgehoben.

Bundessozialgericht Urteil, 13. Apr. 2011 - B 14 AS 85/09 R

bei uns veröffentlicht am 13.04.2011

Tenor Auf die Revisionen der Klägerinnen wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. März 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurü

Bundessozialgericht Urteil, 06. Apr. 2011 - B 4 AS 119/10 R

bei uns veröffentlicht am 06.04.2011

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. April 2010 wird zurückgewiesen, soweit die Klägerin Arbeitslosengeld II und Übernahme der tatsäc

Bundessozialgericht Urteil, 24. Feb. 2011 - B 14 AS 61/10 R

bei uns veröffentlicht am 24.02.2011

Tenor Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 18. März 2009 geändert, soweit

Bundessozialgericht Urteil, 19. Okt. 2010 - B 14 AS 65/09 R

bei uns veröffentlicht am 19.10.2010

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. September 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an d

Bundessozialgericht Urteil, 19. Okt. 2010 - B 14 AS 2/10 R

bei uns veröffentlicht am 19.10.2010

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das

Bundessozialgericht Urteil, 19. Okt. 2010 - B 14 AS 50/10 R

bei uns veröffentlicht am 19.10.2010

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Land

Bundessozialgericht Urteil, 19. Okt. 2010 - B 14 AS 15/09 R

bei uns veröffentlicht am 19.10.2010

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. Dezember 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das La

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 07. Juli 2010 - 1 BvR 2556/09

bei uns veröffentlicht am 07.07.2010

Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anrechnung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) auf die L

Bundessozialgericht Urteil, 17. Juni 2010 - B 14 AS 79/09 R

bei uns veröffentlicht am 17.06.2010

Tatbestand 1 Der Kläger begehrt höhere Kosten der Unterkunft nach § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) . Streitig ist dabei insbesondere, welche Kosten der Kläger

Bundessozialgericht Urteil, 23. März 2010 - B 8 SO 24/08 R

bei uns veröffentlicht am 23.03.2010

Tatbestand 1 Im Streit sind höhere Leistungen (60 Euro monatlich) für Unterkunfts- und Heizkosten im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die

Bundessozialgericht Urteil, 18. Feb. 2010 - B 14 AS 74/08 R

bei uns veröffentlicht am 18.02.2010

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Klägern zustehenden Kosten der Unterkunft (KdU) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites B
8 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Sozialgericht Mainz Vorlagebeschluss, 12. Dez. 2014 - S 3 AS 130/14.

Sozialgericht Aachen Urteil, 08. Nov. 2016 - S 14 AS 757/15

bei uns veröffentlicht am 08.11.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die Art der Berücksichtigung von Stromkosten für den Betrieb einer Gaskombitherme als nach § 22 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - G

Landessozialgericht NRW Beschluss, 06. Juni 2016 - L 7 AS 803/16 B ER

bei uns veröffentlicht am 06.06.2016

Tenor Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 19.04.2016 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten der Un

Sozialgericht Mainz Vorlagebeschluss, 18. Apr. 2016 - S 3 AS 149/16

bei uns veröffentlicht am 18.04.2016

weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Diese Entscheidung zitiert Tenor 1. Das Verfahren wird ausgesetzt. 2. Dem Bundesverfassungsgericht werden folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt: a) Ist § 7 Abs. 1 Satz 2

Sozialgericht Mainz Vorlagebeschluss, 18. Apr. 2016 - S 3 AS 99/14

bei uns veröffentlicht am 18.04.2016

Tenor 1. Das Verfahren wird ausgesetzt. 2. Dem Bundesverfassungsgericht wird folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt: Ist § 7 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (BGBI. Teil I

Referenzen

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Das Mieterhöhungsverlangen kann frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht werden. Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 werden nicht berücksichtigt.

(2) Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten sechs Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 abgesehen, geändert worden sind. Ausgenommen ist Wohnraum, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist.

(3) Bei Erhöhungen nach Absatz 1 darf sich die Miete innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 abgesehen, nicht um mehr als 20 vom Hundert erhöhen (Kappungsgrenze). Der Prozentsatz nach Satz 1 beträgt 15 vom Hundert, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind. Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen.

(4) Die Kappungsgrenze gilt nicht,

1.
wenn eine Verpflichtung des Mieters zur Ausgleichszahlung nach den Vorschriften über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen wegen des Wegfalls der öffentlichen Bindung erloschen ist und
2.
soweit die Erhöhung den Betrag der zuletzt zu entrichtenden Ausgleichszahlung nicht übersteigt.
Der Vermieter kann vom Mieter frühestens vier Monate vor dem Wegfall der öffentlichen Bindung verlangen, ihm innerhalb eines Monats über die Verpflichtung zur Ausgleichszahlung und über deren Höhe Auskunft zu erteilen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn die Verpflichtung des Mieters zur Leistung einer Ausgleichszahlung nach den §§ 34 bis 37 des Wohnraumförderungsgesetzes und den hierzu ergangenen landesrechtlichen Vorschriften wegen Wegfalls der Mietbindung erloschen ist.

(5) Von dem Jahresbetrag, der sich bei einer Erhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete ergäbe, sind Drittmittel im Sinne des § 559a abzuziehen, im Falle des § 559a Absatz 1 mit 8 Prozent des Zuschusses.

(6) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen behördliche und gerichtliche Entscheidungen, die einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf vollständige Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung verneinten, sowie mittelbar gegen § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

2

1. Die Regelungen zur Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung in § 22 SGB II wurden durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954) mit Wirkung zum 1. Januar 2005 eingeführt. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, der sich seitdem inhaltlich nicht verändert hat, lautet seit 1. Januar 2011: "Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind."

3

Die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in einer mehrstufigen Einzelfallprüfung zu ermitteln. Sie errechnet sich aus dem Produkt von angemessener Wohnfläche und dem angemessenen Mietzins pro Quadratmeter ("Produkttheorie"); Maßstab für den angemessenen Mietzins seien "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" im Vergleichsraum (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R -, juris, Rn. 24; Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R -, juris, Rn. 13 m.w.N.). Das Bundessozialgericht gibt jedoch keine bestimmte Methode vor, nach der die kommunalen Grundsicherungsträger die Daten über das Mietpreisniveau zu ermitteln haben. Es hat insoweit Mindestanforderungen definiert, die sicherstellen sollen, dass die ermittelten Daten die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes tatsächlich wiedergeben. Eine Datenermittlung, die diese Mindestanforderungen erfüllt, wird als "schlüssiges Konzept" bezeichnet (BSG, Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R -, juris, Rn. 18 f.; Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R -, juris, Rn. 20). Ist kein schlüssiges Konzept erstellt worden und kann dies auch nicht nachgeholt werden, zieht das Bundessozialgericht die Tabellenhöchstwerte nach dem Wohngeldgesetz heran (BSG, Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R -, juris, Rn. 27), wobei es diese um einen abstrakt-generellen Sicherheitszuschlag von 10 % erhöht (BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 16/11 R -, juris, Rn. 22; Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R -, juris, Rn. 30).

4

2. Die Beschwerdeführerin bewohnt seit 1985 alleine eine 77 qm große Dreizimmerwohnung in Freiburg. Seit 2005 bezieht sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch. Das Jobcenter übernahm zunächst die vollen Kosten der Unterkunft und Heizung. Ab August 2005 teilte es der Beschwerdeführerin mehrfach mit, die Mietkosten seien unangemessen hoch.

5

3. Erstmals für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 31. März 2009 übernahm das Jobcenter die Kosten der Unterkunft und Heizung nur teilweise. Die tatsächliche monatliche Gesamtmiete betrug damals 642 € bei einer Kaltmiete von 497 €; das Jobcenter bewilligte für Kosten der Unterkunft und Heizung lediglich 439 €, davon für die Kaltmiete 290 € im Monat.

6

Nach erfolglosem Widerspruch erhob die Beschwerdeführerin dagegen Klage beim Sozialgericht. Das Jobcenter gab daraufhin ein Teilanerkenntnis ab und übernahm ab November 2008 einen zusätzlichen monatlichen Betrag von knapp 15 €. Die verbleibende Klage wies das Gericht ab. Die Berufung der Beschwerdeführerin wies das Landessozialgericht zurück. Der herangezogene qualifizierte Mietspiegel könne Grundlage eines schlüssigen Konzepts für die Ermittlung der Vergleichsmiete sein. Die vom Jobcenter zugrunde gelegte Miethöhe und die sich daraus ergebende Obergrenze für einen Einpersonenhaushalt entspreche dem Mietniveau im unteren Segment des Wohnungsmarktes für Wohnungen dieser Größe am Wohnort der Beschwerdeführerin. Leistungsberechtigten seien Wohnungen mit überwiegend einfacher Bodenausstattung - und damit einem Abschlag in Höhe von 6 % -, ohne Gegensprechanlage und Türöffner - mit einem Abschlag in Höhe von 4 % - und an Durchgangsstraßen - mit einem Abschlag in Höhe von 5 % - zumutbar.

7

Auf die Revision der Beschwerdeführerin hob das Bundessozialgericht das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Das Vorgehen des Landessozialgerichts zur Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung sei grundsätzlich nicht zu beanstanden. Es sei aber zweifelhaft, ob die vorgenommenen Abschläge geeignet seien, um dem angemessenen einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnungsstandard Rechnung zu tragen.

8

In der Folge verurteilte das Landessozialgericht aufgrund eines Teilanerkenntnisses das Jobcenter, für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2008 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 487 € und von Januar bis März 2009 in Höhe von 503 € zu zahlen. Im Übrigen wies es die Berufung zurück. Das Teilanerkenntnis beruhe darauf, dass es bei der Neuberechnung auf die Abschläge verzichtet habe, die in der Revisionsentscheidung beanstandet worden seien. Darüber hinaus sei die Berechnung jedoch nicht zu beanstanden gewesen. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos.

9

4. Auch im Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 übernahm das Jobcenter die Kosten der Unterkunft und Heizung nur teilweise. Die tatsächliche monatliche Gesamtmiete hatte sich zwischenzeitlich auf 706 € erhöht, wobei 524 € auf die Kaltmiete entfielen. Das Jobcenter bewilligte als angemessene Gesamtmiete 461 €, da der Höchstsatz für eine angemessene Kaltmiete in Freiburg 305 € betrage. Im von der Beschwerdeführerin angestrengten Klageverfahren änderte das Jobcenter den Bescheid und gewährte für den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2010 Leistungen für eine Kaltmiete in Höhe von 354 € und vom 1. Januar bis zum 31. März 2011 in Höhe von 364 €. Die weitergehende Klage der Beschwerdeführerin auf vollständige Kostenübernahme wies das Sozialgericht ab. Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde blieben erfolglos.

10

5. Die Beschwerdeführerin macht mit ihrer Verfassungsbeschwerde geltend, in ihrem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG verletzt worden zu sein. Es sei bislang nicht geklärt, ob § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II den vom Bundesverfassungsgericht seit 2010 entwickelten Vorgaben an die Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums genüge. Dies sei zu verneinen. Die gesetzliche Regelung einer Beschränkung der Übernahme der Kosten der Unterkunft, "soweit diese angemessen sind", sei nicht ausreichend bestimmt. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne das nicht kompensieren, denn die Ausgestaltung des grundrechtlichen Leistungsanspruchs obliege dem Gesetzgeber. Zudem weise die Rechtsprechung inhaltliche Mängel auf. Das vom Bundessozialgericht geforderte schlüssige Konzept werde von vielen Landkreisen wegen des damit verbundenen Aufwands gar nicht erstellt. Weshalb dann die Wohngeldtabelle ein geeigneter Ausgangspunkt zur Bestimmung der angemessenen Kosten sei, habe das Bundessozialgericht nicht begründet. Das Beispiel der Stadt Freiburg verdeutliche, dass die sich ergebende Summe teilweise geringer sei als jene auf Grundlage eines schlüssigen Konzepts.

II.

11

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie hat weder nach § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

12

1. Soweit gerügt wird, die Heranziehung der Wohngeldtabellenwerte sei nicht tragfähig begründet, ist eine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin nicht möglich. Die der Beschwerdeführerin zu erstattenden Kosten der Unterkunft sind nicht durch Verwendung von Tabellenwerten, sondern auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts ermittelt worden.

13

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch im Übrigen nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die Rügen hinsichtlich einer Verfassungswidrigkeit der Regelung zur Erstattung der Kosten der Unterkunft und Heizung in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht durchgreifen. Die Vorschrift genügt der aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG folgenden Pflicht des Gesetzgebers, einen konkreten gesetzlichen Anspruch zur Erfüllung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum zu schaffen. Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber keinen Anspruch auf unbegrenzte Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung normiert hat.

14

a) Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gewährleistet das gesamte Existenzminimum einer Person durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie (vgl. BVerfGE 125, 175 <223>). Dazu gehört das physische Existenzminimum, zu dessen Sicherung die Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu decken sind. Das Grundgesetz selbst gibt insoweit keinen exakt bezifferten Anspruch auf Sozialleistungen vor (vgl. BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165 Rn. 78>). Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss aber durch ein Gesetz gesichert sein, das einen konkreten Leistungsanspruch enthält (BVerfGE 125, 175 <223>; 132, 134 <160 Rn. 65>); der parlamentarische Gesetzgeber muss den Leistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge konkretisieren (BVerfGE 125, 175 <224>; 132, 134 <161 Rn. 67>). Dies schließt die Verwendung unbestimmter, konkretisierungsbedürftiger Begriffe nicht aus, solange sich der Regelungsgehalt der Norm mit den üblichen Auslegungsmethoden und insbesondere aufgrund des systematischen Regelungszusammenhangs bestimmen lässt (vgl. BVerfGE 102, 254 <337>). Die Anforderungen an den Grad der Bestimmtheit einer Norm sind dabei auch von der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts und dem Normzweck abhängig (vgl. BVerfGE 49, 168 <181>; 128, 282 <317>; stRspr).

15

b) Die Ausgangsverfahren betreffen Bewilligungszeiträume vor der Einführung der an § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anknüpfenden Regelungen in §§ 22a bis c SGB II. Auch damals war der Leistungsanspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung jedoch hinreichend gesetzlich normiert. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

16

aa) Die Begrenzung der Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung durch das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit lässt sich durch Auslegung hinreichend konkretisieren. Aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II folgt, dass für die Angemessenheit die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind. Es ist also der konkrete Bedarf der Leistungsberechtigten einzelfallbezogen zu ermitteln. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II verfolgt damit anders als § 20 SGB II im Ausgangspunkt einen Individualisierungsgrundsatz. Was angemessen ist, kann des Weiteren in Anknüpfung an die sozialhilferechtliche Vorgängerregelung bestimmt werden, an die der Gesetzgeber mit § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anschließen wollte (vgl. BTDrucks 15/1516, S. 57). In Fortführung der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1996 - 5 C 4/95 -, juris, Rn. 14) stellt das Bundessozialgericht auf die im unteren Preissegment für vergleichbare Wohnungen am Wohnort der Leistungsberechtigten marktüblichen Wohnungsmieten ab (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R -, juris, Rn. 24; Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R -, juris, Rn. 13 m.w.N.).

17

Die Regelung zur Angemessenheit war in der hier maßgeblichen Fassung der Norm auch insoweit hinreichend bestimmt, als der Gesetzgeber zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgegeben hatte, wie die marktüblichen Wohnungsmieten zu ermitteln sind. Der zu ordnende Lebenssachverhalt ist von so unterschiedlichen Faktoren bestimmt, dass die Vorgabe angemessener Kostenerstattung als hinreichend bestimmt anzusehen ist. So muss die Ermittlung der marktüblichen Wohnungsmieten zur Bestimmung des Betrages, der eine menschenwürdige Existenz hinsichtlich dieser Bedarfe tatsächlich sichert, immer die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigen. Dabei ist die Heterogenität des jeweils lokal unterschiedlichen Wohnungsmarktes ebenso zu beachten wie die Tatsache, dass zu den Kosten der Unterkunft regional in unterschiedlichem Maße belastbare Informationen vorliegen. Das stellt auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum "schlüssigen Konzept" in Rechnung, die zudem den erheblichen Ermittlungsaufwand und die praktischen Probleme bei der Ermittlung der marktüblichen Wohnungsmieten verdeutlicht. Vor diesem Hintergrund durfte sich der Gesetzgeber darauf beschränken, die Deckung eines existenzsichernden Bedarfs durch den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit zu gewährleisten, um so der Vielfältigkeit der betroffenen Lebenssachverhalte gerecht zu werden. Das schließt eine weitere Konkretisierung des Leistungsanspruchs oder eine andere Methode zur Bestimmung der Höhe der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht aus.

18

Dem Ziel der Konkretisierungspflicht, dass Normadressaten sich auf Entscheidungen der Verwaltung einstellen können (vgl. BVerfGE 118, 168 <186> m.w.N.), ist verfahrensrechtlich Rechnung getragen worden. Die Reduzierung der Leistung auf die angemessenen Kosten der Unterkunft setzt eine vorherige Aufforderung voraus, sich binnen einer angemessenen Frist eine neue Unterkunft zu suchen. Aus der Aufforderung muss konkret ersichtlich sein, welchen Mietpreis der Leistungsträger als angemessen erachtet (BSG, Urteil vom 1. Juni 2010 - B 4 AS 78/09 R -, juris, Rn. 14 f.; stRspr).

19

bb) Die hier geltend gemachten Einwände gegen die Begrenzung der Übernahme auf angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung greifen auch im Hinblick auf die Höhe des Leistungsanspruchs verfassungsrechtlich nicht durch. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist insoweit entscheidend, dass die Untergrenze eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht unterschritten wird, die gesetzlichen Regeln also tatsächlich eine menschenwürdige Existenz sichern (vgl. BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165 f. Rn. 79>; 137, 34 <73 f. Rn. 77>). Danach ist die Begrenzung auf angemessene Kosten in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht zu beanstanden. Zwar handelt es sich bei den Kosten für Unterkunft und Heizung um eine der grundrechtsintensivsten Bedarfspositionen, denn sie betreffen die grundlegende Wohn- und Lebenssituation eines Menschen (vgl. BVerfGE 125, 175 <223>; 132, 134 <160 Rn. 64>). Doch ergibt sich daraus keine Verpflichtung, jedwede Unterkunft im Falle einer Bedürftigkeit staatlich zu finanzieren und insoweit Mietkosten unbegrenzt zu erstatten. Die grundrechtliche Gewährleistung bezieht sich nur auf das Existenzminimum.

20

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

21

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe

Das Verfahren der konkreten Normenkontrolle betrifft die Frage, ob § 40 Abs. 4 Satz 3 Wehrdisziplinarordnung (WDO) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung anderer Vorschriften (2. WehrDiszNOG) vom 16. August 2001 (BGBl I S. 2093) verfassungsgemäß ist.

I.

1. § 40 der WDO hat folgenden Wortlaut:

(1) Disziplinararrest darf erst verhängt werden, nachdem der Richter des zuständigen, notfalls des nächst erreichbaren Truppendienstgerichts zugestimmt hat. Der Richter stimmt dem beabsichtigten Disziplinararrest zu, wenn er diese Disziplinarmaßnahme für zulässig und angebracht hält. Die Entscheidung bedarf keiner Begründung. Der Richter kann zugleich die sofortige Vollstreckbarkeit anordnen, wenn dies zur Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung geboten ist; diese Entscheidung ist zu begründen. Hat der Richter die sofortige Vollstreckbarkeit angeordnet, gelten § 37 Abs. 1 Satz 1 und § 47 Abs. 1 nicht.

(2) …

(3) Lehnt der Richter es ab, dem Disziplinararrest zuzustimmen oder stimmt er nur einem kürzeren Disziplinararrest zu, hat er diese Entscheidung zu begründen. Ist er der Auffassung, dass eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme angebracht ist, übersendet er die Akten der Einleitungsbehörde zur weiteren Entschließung.

(4) Der Disziplinarvorgesetzte kann in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 binnen einer Woche nach Bekanntgabe der richterlichen Entscheidung das Truppendienstgericht anrufen. Hält das Truppendienstgericht den beabsichtigten oder einen kürzeren Disziplinararrest für zulässig und angebracht, verhängt es diesen selbst. Diese Entscheidung ist endgültig. Der Soldat ist vor der Entscheidung zu hören; die Anhörung kann außerhalb der Verhandlung auch durch den Vorsitzenden stattfinden. Dem Soldaten darf nur die Begründung für den verhängten Disziplinararrest mitgeteilt werden. Hält das Truppendienstgericht Disziplinararrest für nicht angebracht, entscheidet der Disziplinarvorgesetzte, ob er eine andere Disziplinarmaßnahme gegen den Soldaten verhängen will. Hält das Truppendienstgericht eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme für geboten, übersendet es die Akten der Einleitungsbehörde zur weiteren Entschließung.

(5) …

(6) Der Richter und das Truppendienstgericht können dem Bundesverwaltungsgericht Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vorlegen. § 18 Abs. 4 der Wehrbeschwerdeordnung gilt entsprechend. Von der Vorlage bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts läuft die Frist nach § 17 Abs. 2 nicht.

2. In dem Ausgangsverfahren beantragten der Kompaniechef 5./Fernmelde-bataillon 701 sowie der Kommandeur Fernmeldebataillon 701 in F., jeder für sich, gegenüber dem Truppendienstgericht Süd die Zustimmung zur Verhängung eines nicht zur Bewährung auszusetzenden Disziplinararrestes von sieben beziehungsweise 21 Tagen gegenüber zwei Soldaten. Auf die Mitteilung des Vorsitzenden des angerufenen Gerichts, dass lediglich der Verhängung eines jeweils dreitägigen Disziplinararrestes zugestimmt werde und die Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen sei, riefen beide Disziplinarvorgesetzte gemäß § 40 Abs. 4 Satz 1 WDO das Truppendienstgericht an. Die Kammer des Truppendienstgerichts gelangte zur Überzeugung, dass die Verhängung eines dreitägigen Disziplinararrestes auf Bewährung in beiden Fälle ausreichend sei. Angesichts der Unanfechtbarkeit der eigenen Entscheidung (§ 40 Abs. 4 Satz 3 WDO) sah es sich jedoch an der Verhängung dieser Disziplinararreste gehindert.

II.

Mit Beschluss vom 15. März 2011 hat das Truppendienstgericht Süd die verbundenen Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG zur Entscheidung vorgelegt. Es ist der Auffassung, dass der in § 40 Abs. 4 Satz 3 WDO vorgesehene Ausschluss jeglichen Rechtsmittels gegen Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG verstößt. Der vom Truppendienstgericht verhängte Disziplinararrest könne im Gegensatz zu dem vom Disziplinarvorgesetzten mit richterlicher Zustimmung verhängten Disziplinararrest nicht weiter angegriffen werden. Darin liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Die Vorlagefrage sei auch entscheidungserheblich, weil es selbst die von ihm in der Sache für angezeigt gehaltene Entscheidung nach § 40 Abs. 4 Satz 3 WDO für "endgültig" zu erklären habe.

III.

Die Vorlage ist unzulässig.

1. Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 GG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist zu begründen, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist. Diesem Begründungserfordernis genügt ein Vorlagebeschluss nur, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 127, 335 <355>).

Die Anforderung der Entscheidungserheblichkeit nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG beschränkt sich nicht nur auf den die Hauptsache betreffenden Tenor, sondern umfasst auch die - notwendigen - Nebenentscheidungen, etwa über die Kostentragungspflicht (vgl. BVerfGE 18, 302 <303 f.>; 31, 137 <139>). Nur ausnahmsweise kann es bei gleichlautendem Tenor auf die in Abhängigkeit von der Verfassungswidrigkeit oder -mäßigkeit der vorgelegten Vorschrift anders lautenden Gründe einer Entscheidung ankommen, etwa wenn die Rechtskraftwirkungen der Entscheidung im Unklaren bleiben und aus diesem Grund weiterer Rechtsstreit über künftiges Verhalten zwischen den Beteiligten zu gewärtigen ist (BVerfGE 47, 146 <165>) oder wenn die Zurückweisung eines Rechtsmittels, etwa einer Berufung, entweder als unzulässig oder als unbegründet ergehen müsste (vgl. BVerfGE 22, 106 <109>; 91, 118 <122>; stRspr). Zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm muss dargelegt sein, dass und aus welchen Gründen das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle der Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 121, 108 <117>).

2. Diesen Anforderungen genügt die Vorlage nicht. Das vorlegende Gericht hat nicht hinreichend dargetan, inwiefern es für die Entscheidung erheblich ist, ob gegen sie ein Rechtsmittel statthaft ist oder nicht.

Ist von vornherein kein Rechtsmittel gegen eine gerichtliche Entscheidung vorgesehen, bedarf es keiner entsprechenden Nebenentscheidung. Wird sie gleichwohl getroffen, so hat sie rein deklaratorische Wirkung. So liegen die Dinge auch hier. § 40 Abs. 4 Satz 3 WDO sieht ausdrücklich vor, dass die gerichtliche Entscheidung endgültig ist. Es bedarf somit weder einer originären Entscheidung des Gerichts über die Zulassung eines weiteren Rechtsmittels, noch würde eine diesbezügliche Tenorierung rechtliche Bedeutung entfalten.

Vor diesem Hintergrund hätte sich das vorlegende Gericht mit der Entscheidungserheblichkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift auseinandersetzen und darlegen müssen, dass seine Entscheidung bei einer Beseitigung der beanstandeten Gleichheitswidrigkeit des Rechtsbehelfsausschlusses in § 40 Abs. 4 Satz 3 WDO durch das Bundesverfassungsgericht anders ausfallen würde.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Klägerin im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen zustehen.

2

Die alleinstehende Klägerin bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum eine 48 qm große Wohnung in München. Sie hatte eine mietvertragliche Verpflichtung in Höhe von 745 Euro (690 Euro Nettokaltmiete zzgl 55 Euro Betriebskosten) monatlich. Die Vorauszahlung für die Gasversorgung betrug 97 Euro im Monat (lediglich im Februar 2008: 107 Euro wegen einer Nachforderung; Bruttowarmmiete 835,67 Euro).

3

Ende August 2006 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihre Nettokaltmiete die zulässige Höchstgrenze von 397,30 Euro monatlich überschreite. Die Klägerin wurde aufgefordert, sich bis Ende Februar 2007 um eine Minderung der Unterkunftskosten zu bemühen. Ab dem 1.3.2007 werde die Unterkunftsleistung auf die angemessene Höhe abgesenkt.

4

Für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.5.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II, welches Leistungen für KdUH in Höhe von 813 Euro monatlich umfasste (Bescheid vom 29.11.2006 idF des Bescheides vom 19.12.2006). Ab 1.3.2007 senkte er die Leistungen für die Kaltmiete auf die von ihm als angemessen befundene Mietobergrenze herab (Bescheide vom 13.2.2007). Für den Zeitraum bis 31.5.2007 hat das LSG mit dem hier angefochtenen Urteil vom 11.7.2012 diese Entscheidung des Beklagten aufgehoben. Hiergegen sind die Beteiligten nicht in die Revision gegangen.

5

Für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin schlussendlich Leistungen für KdUH in Höhe von 496,45 Euro für ihre brutto-kalten Mietaufwendungen (441,45 Euro Nettokaltmiete + 55 Euro Betriebskosten) und übernahm im Verlaufe des Gerichtsverfahrens ihre Aufwendungen für Gas abzüglich der Warmwasserpauschale in tatsächlicher Höhe (Bescheid vom 23.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 und des Änderungsbescheides vom 14.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008, dieser in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009). Ebenso verfuhr der Beklagte für den Zeitraum vom 1.12.2007 bis zum 31.5.2008 (Bescheid vom 22.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008). Durch Bescheid vom 7.5.2008 (in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009) setzte der Beklagte diese Praxis für den Leistungszeitraum vom 1.6.2008 bis zum 30.11.2008 zunächst fort. Ab dem 1.7.2008 erhöhte er jedoch den Leistungsanteil für die Bruttokaltmiete der Klägerin auf 504,21 Euro (Nettokaltmiete 449,21 Euro + 55 Euro kalte Nebenkosten) und wies unter Einbeziehung dieser Änderung (Bescheid vom 3.7.2008) den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 25.9.2008 zurück (idF der Änderungsbescheide vom 15.12.2008 und 29.4.2009).

6

Das SG hat die miteinander verbundenen Klagen auf Übernahme der tatsächlichen Mietaufwendungen abgewiesen (Urteil vom 26.11.2009). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG geändert. Soweit es den Zeitraum vom 1.3. bis 31.5.2007 betrifft, hat es die Bescheide wie benannt aufgehoben. Zudem hat es den Beklagten unter Abänderung der weiteren Bescheide verurteilt, der Klägerin über die bereits bewilligten Leistungen hinaus KdUH in Höhe von 9,88 Euro für den Monat Februar 2008 - für eine Heizkostennachforderung - und in Höhe von jeweils 0,12 Euro für die Monate Juli bis November 2008 wegen unzutreffender Anwendung der Rundungsregelung zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zwar fehle es dem Beklagten an einem schlüssigen, nachvollziehbaren Konzept zur Ermittlung der angemessenen KdUH iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die vom Beklagten für einen Ein-Personen-Haushalt übernommenen Aufwendungen der Klägerin für die Bruttokaltmiete in Höhe von 496,45 Euro im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.6.2008 und 504,21 Euro im Zeitraum vom 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 seien jedoch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. G K angemessen gewesen. Die für den Mietspiegel 2007 der Stadt München erhobenen und vom Sachverständigen ausgewerteten Daten betreffend Wohnungen "um die 50 qm" - in der Gestalt von gewichteten 243 Wohnungen zwischen 46 und 54 qm - bildeten eine geeignete Grundlage zur Berechnung der angemessenen Aufwendungen für die Bruttokaltmiete iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Erfassung lediglich von Bestandsmieten und die Nichtberücksichtigung preisgebundenen Wohnraums stünden dem nicht entgegen. Zudem beruhe der Mietspiegel 2007 auf dem für den streitgegenständlichen Zeitraum aussagekräftigsten Zahlenmaterial, welches selbst auf einer repräsentativen Stichprobe fuße. Die Auswertung des Datenmaterials durch den Sachverständigen habe unter Anwendung statistisch anerkannter Methoden stattgefunden und ergeben, dass mit den gewährten Mitteln ausreichend angemessener Wohnraum im Stadtgebiet München gefunden werden könne. Es drohe auch keine Konzentration von Leistungsempfängern in bestimmten sozialen Brennpunkten/Stadtbezirken. Ebenso wenig könne unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der Klägerin festgestellt werden, dass eine abstrakt angemessene Wohnung nicht tatsächlich auf dem Wohnungsmarkt hätte angemietet werden können. Zutreffend erfolgt sei auch der Abzug der Warmwasserpauschale aus den vom Beklagten übernommenen monatlichen Abschlägen für die Versorgung der Klägerin mit Erdgas (Urteil vom 11.7.2012).

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe den Begriff der Angemessenheit des § 22 SGB II rechtsfehlerhaft angewandt. Zutreffende Konsequenz aus der Feststellung, der Beklagte verfüge über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Miete, hätte die Annahme einer Unmöglichkeit zur Kostensenkung sowie der Verurteilung zur Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen sein müssen. Die vom Beklagten herangezogene Mietobergrenze sei zu gering. Bei seinen Ermittlungen habe das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht zutreffend umgesetzt. Die erhobenen und ermittelten Daten seien nicht repräsentativ. Zudem käme es bei Übertragung der Daten zu einer "Ghettoisierung". Die Annahme, zur gewährten Mietobergrenze sei 1/5 der Wohnungen in München generell zu diesem Preis verfügbar, sei unzutreffend. Bereits die dem Sachverständigen gestellten Fragen seien teilweise problematisch. Die Beweisanordnung sei schon durch die Bezugnahme auf den Mietspiegel vorbestimmt gewesen. Das LSG habe bei der Fragestellung antizipiert, dass die Rohdaten des Mietspiegels und eine diesbezügliche Konzentration auf 20 % des maßgeblichen Wohnraums geeignet seien, ein zutreffendes Bild des Mietmarkts im streitgegenständlichen Zeitraum zu zeichnen. Die 20 %-Grenze sei willkürlich gezogen. Tatsächlich dürften nicht nur 5,3 % der Gesamtbevölkerung Wohnungen im unteren Marktsegment suchen, sodass ein Verweis auf die vom LSG in die Auswertung nicht einbezogenen Sozialwohnungen problematisch sei. Dies zeige sich bereits daran, dass nicht Ortsansässige auf solche Wohnungen mindestens fünf Jahre warten müssten. Im Gutachten unberücksichtigt geblieben seien auch Aspekte, die zu einer Erhöhung der Quadratmeterpreisberechnung geführt hätten, wie zB ein Zuschlag für eine Küche. Auch bei absoluter Betrachtung sei die Stichprobe viel zu gering, um daraus die Verfügbarkeit von Wohnraum ableiten zu können. Es gäbe auf dem Münchener Mietmarkt nicht etwa 20 % Wohnungen um 50 qm, sondern nur zwischen 1,31 % und 4,8 %. Das LSG habe zudem in entscheidungserheblicher Art und Weise gegen § 103 SGG verstoßen, indem es einem Antrag auf Vernehmung des Haus- und Grundbesitzervereins München und Umgebung eV, gesetzlich vertreten durch Rechtsanwalt S, als Sachverständigen keine Folge geleistet habe. Das LSG habe auch, obwohl die Klägerin nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, keinerlei Hinweis darauf gegeben, dass eine weitere Beweisaufnahme aus seiner Sicht entbehrlich sei.

8

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 und Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 26. November 2009 sowie Änderung der Bescheide des Beklagten vom 23. April 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. August 2007, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2007 und in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 sowie des Änderungsbescheides vom 29. April 2009, des Bescheides vom 22. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008, diese in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. April 2009 und des Bescheides vom 7. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Juli 2008, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15. Dezember 2008 sowie 29. April 2009, zu verurteilen, ihr über die bereits im Urteil des Landessozialgerichts zuerkannten Leistungen hinaus für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis 30. November 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Zugrundelegung der tatsächlichen Mietzahlungsverpflichtung zu gewähren.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Das LSG sei der Rechtsprechung des BSG gefolgt, als es selbst Ermittlungen zur Angemessenheit der Mietobergrenze vorgenommen habe. Die Zugrundelegung einer 20 %-Grenze durch das LSG fülle das durch die Rechtsprechung des BSG vorgegebene "untere Marktsegment" aus. Zudem habe das LSG keine Abschläge bei der Miete berücksichtigt, sondern dies vielmehr für unzulässig erachtet. Die erhobenen Daten seien entgegen der Auffassung der Klägerin auch repräsentativ. Regressionsmietspiegel, wie der für München erstellte, kämen mit einer kleineren Stichprobe als sog Tabellenmietspiegel aus. Die im Mietspiegel erfassten Bestandsmieten seien lediglich solche aus den letzten vier Jahren vor der Stichprobe. Die Daten für den Mietspiegel seien zwar im Auftrag der Stadt München, aber durch ein unabhängiges Marktforschungsinstitut erhoben und ausgewertet worden.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

12

Die Entscheidung des LSG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat der Klägerin schlussendlich im hier streitigen Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe iS des § 22 Abs 1 SGB II erbracht.

13

1. Streitgegenstand sind höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis 30.11.2008, als sie in den Bescheiden des Beklagten für die Zeiträume vom 1.6.2007 bis 30.11.2007, 1.12.2007 bis 31.5.2008 und 1.6.2008 bis 30.11.2008 festgestellt worden sind.

14

Nicht Streitgegenstand ist die Höhe der Leistungen für den vorhergehenden Zeitraum ab dem 1.3.2007. Der erkennende Senat brauchte daher nicht darüber zu befinden, ob sich das LSG zur Begründung seiner Aufhebungsentscheidung zutreffend auf § 45 SGB X gestützt hat oder nicht § 48 SGB X hätte zugrundelegen müssen. Denn es liegt nahe, bei der Umsetzung einer angekündigten Absenkung der Leistungen für Unterkunft von einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse auszugehen. Die Klägerin hat sich jedoch in ihrer Revision nicht gegen die Höhe der Leistungen in diesem Zeitraum gewandt - obwohl sie niedriger waren, als ihre tatsächlichen Aufwendungen - und der unterlegene Beklagte ist nicht in die Revision gegangen. Das Urteil des LSG ist insoweit rechtskräftig geworden.

15

Ebenfalls rechtskräftig geworden ist die Entscheidung des LSG im Hinblick auf die zu Lasten des Beklagten vorgenommene Anwendung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist) und die Verurteilung zur Zahlung eines Betrags von 9,88 Euro für die Gaskostennachforderung im Monat Februar 2008. Der Beklagte ist auch hiergegen nicht in die Revision gegangen.

16

2. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin ihre Anfechtungs- und Leistungsklage auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt hat (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl auch BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11). Hieran hat sich - wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat - durch die Neufassung des § 19 SGB II aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) für laufende Verfahren über vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte - wie es auch hier der Fall ist - nichts geändert (BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 11; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

17

3. An dem Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 22 SGB II an die einkommens- und vermögenslose, alleinstehende Klägerin bestehen nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG keine Zweifel.

18

4. Die der Klägerin von dem Beklagten bewilligten Leistungen für Unterkunft in Höhe von 496,45 Euro für ihre Mietaufwendungen (brutto/kalt) ab dem 1.6.2007 und 504,21 Euro (ebenfalls brutto/kalt) ab dem 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Rechtsgrundlage für die hier umstrittene Höhe der Leistungen sind §§ 19, 22 SGB II. Danach werden im Rahmen des Alg II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als im Hinblick auf den pauschalierten Regelbedarf - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, zur Bestimmung der Leistungshöhe auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die Leistungen nicht in beliebiger Höhe zu erbringen, sondern nur insoweit, als die tatsächlichen Aufwendungen für Miete und Heizung angemessen sind. Die Angemessenheit begrenzt somit die zu erbringenden Leistungen der Höhe nach. Die Begrenzung der Leistungen für KdU - die Aufwendungen der Klägerin für Heizkosten hat der Beklagte schlussendlich in tatsächlicher Höhe abzüglich der Warmwasserpauschale erbracht - ab dem 1.6.2007 auf die vom Beklagten befundene Höhe ist im vorliegenden Fall rechtmäßig.

19

a) Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 12). Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze ist daher auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen (vgl BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 17). Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des BSG zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist.

20

aa) Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße hat das LSG hier zutreffend mit 50 qm bestimmt. Es hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückgegriffen, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 12). Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen festlegen, bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt. Der erkennende Senat sieht diesen Anknüpfungspunkt zwar als problematisch an (vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität ist aber wenigstens solange, wie nicht eine Satzung über die angemessenen KdU iS von §§ 22a ff SGB II vorliegt, in welcher grundsätzlich andere Wohnraumgrößen festgelegt werden können(vgl § 22b Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), an diesem Maßstab festzuhalten. Nach den Bestimmungen des Freistaates Bayern in den Wohnraumförderbestimmungen (Wohnraumförderbestimmungen der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 11.11.2002 und vom 4.12.2007 ) ist auch für die Stadt München eine angemessene Wohnungsgröße von 50 qm für einen Ein-Personen-Haushalt zugrunde zu legen.

21

bb) Das LSG hat auch zutreffend erkannt, dass die für Leistungsberechtigte infrage kommende Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen muss, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 13). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen. Das BSG hat jedoch auch klargestellt, dass die Referenzwohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Standard abbilden, von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand gehören, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung auch der hinter einem qualifizierten Mietspiegel stehenden Daten unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet(BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 29; s auch BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - RdNr 23; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - , RdNr 14). Diesen Voraussetzungen wird die Entscheidung des LSG hier gerecht, wenn das Gericht die hinter dem qualifizierten Mietspiegel für die Stadt München liegenden Daten aus den Jahren 2007 heranzieht. Denn die Daten dieses Mietspiegels umfassen weder Wohnungen in einfacher Wohnlage (Wohnungen in abgelegenen Gebieten mit unzureichender Infrastruktur und/oder Nähe zu größeren Gewerbe- und Industriegebieten, Entsorgungs- oder militärischen Anlagen) noch Wohnungen mit einfachster Ausstattung, deren Toilette, Küche oder Bad von anderen Mietparteien mitbenutzt werden, die nicht über Küche und Toilette verfügen und Wohnungen im Untergeschoss (Mietspiegel München 2007, S 5, 11 und Mietspiegel München 2009, S 4, 5, 11).

22

cc) Auch soweit das LSG die gesamte Stadt München als maßgeblichen Vergleichsraum angesehen hat, sind Rechtsfehler nicht erkennbar. Der Senat hat bereits für Großstädte wie München entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Hiervon kann nach den Feststellungen des LSG bei dem vom Mietspiegel München umfassten Stadtgebiet ausgegangen werden; die Beteiligten haben hiergegen auch keine Revisionsrügen erhoben.

23

dd) Das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze sowie das Ergebnis der Überprüfung sind ebenfalls grundsätzlich nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Überprüfung der vom Beklagten angenommenen Referenzmiete, zur Bestimmung also, wie hoch die angemessenen Aufwendungen für eine Wohnung einfachen Standards einer bestimmten Größe in einem bestimmten Vergleichsraum sind, ist es Ziel, einen Mietpreis hierfür zu ermitteln, um so die angemessenen Aufwendungen bestimmen zu können ("Referenzmiete", vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17).

24

Eine pauschale bundeseinheitliche Grenze (Quadratmeterpreis) scheidet hierbei aus. Es ist auf die konkreten Verhältnisse abzustellen. Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16) auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; vgl auch BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 7). Entscheidend ist jedoch, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zugrunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist.

25

Dabei ist es zuvörderst Angelegenheit der Grundsicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten sind (vgl § 40 Abs 1 SGB II iVm § 20 SGB X). Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit von ihm vorzulegen. Entscheidet der Leistungsträger - wie auch hier - ohne eine hinreichende Datengrundlage, führt dies entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch nicht ohne Weiteres dazu, dass automatisch die Leistungen für KdU in tatsächlich entstehender Höhe zu übernehmen wären. Vielmehr ist die Verwaltung im Rahmen ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1, 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und auf Verlangen des Gerichts eine ggf unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, geht diese Ermittlungspflicht zwar nicht ohne Weiteres auf das SG über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht schlüssig erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind (idS BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, juris RdNr 27; vgl auch BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 34). Andererseits haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate jedoch bereits entschieden, dass dann, wenn Datenmaterial für den Vergleichsraum vorhanden ist, etwa noch auswertbare Daten, die die Grundlage für die Erstellung zumindest eines qualifizierten Mietspiegels geboten haben, diese im Rahmen der Amtsermittlungspflicht der Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Überprüfung der von dem Beklagten gewählten Angemessenheitsgrenze heranzuziehen sind (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

26

Gemessen an diesen Vorgaben ist es nicht zu beanstanden, dass das Tatsachengericht hier die für die Ermittlung der angemessenen KdU erforderlichen Daten vom Grundsicherungsträger eingeholt bzw angefordert und diese anschließend durch einen Sachverständigen hat auswerten lassen. Das LSG durfte sich ebenfalls im Rahmen seiner Ermittlungen hinsichtlich der Anknüpfungstatsachen (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO) an dem Datenbestand orientieren, der für die Erstellung des Mietspiegels für die Stadt München erhoben wurde.

27

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Tatsachenvorgabe auch nicht mit durchgreifenden Zweifeln behaftet. Das BSG vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich die Grundsicherungsträger für die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze (ausschließlich) an dieser Art des Datenbestandes orientieren dürfen. Für das gerichtliche Ermittlungsverfahren gelten keine strengeren Anforderungen (BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 25; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

28

ee) Ebenso genügt das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze von 496,45 Euro vom 1.6.2007 bis 30.6.2008 und ab dem 1.7.2008 von 504,21 Euro brutto kalt sowie das Ergebnis der Überprüfung im konkreten Fall den Vorgaben des BSG. Der erkennende Senat hat entschieden, dass ein Konzept ein planmäßiges Vorgehen iS einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Raum sei (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Von der Schlüssigkeit eines Konzepts ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 20):

-       

Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen,

-       

es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

-       

Angaben über den Beobachtungszeitraum,

-       

Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),

-       

Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

-       

Validität der Datenerhebung,

-       

Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

-       

Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

29

Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Durch den Rückgriff des LSG auf die Daten des Münchner Mietspiegels 2007 wird die Datenerhebung auf ein bestimmtes Gebiet (hier: die Stadt München) begrenzt - der Vergleichsraum ist damit genau eingegrenzt und es werden nicht nur Mieten bestimmter Stadtbezirke in die Auswertung einbezogen, sondern Daten über das gesamte Stadtgebiet erhoben (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Einer Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke, die auf eine nur begrenzte Nutzung des Datenbestandes oder eine nur begrenzte Datenerhebung zurückzuführen sein könnte, ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG auch nicht festzustellen. Abgesehen davon, dass die entgegengesetzte Behauptung der Klägerin eine - der Revision entzogene (vgl § 163 SGG) - Tatsachenbehauptung darstellt, erfolgt hier nach den Feststellungen des LSG keine Begrenzung des Raumes der Datenerhebung auf besonders "heruntergekommene" und daher "billige" Stadtbezirke, sondern die Ermittlung bezieht sich auf das Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw räumlichen Vergleichsraum. Zwar folgt aus dieser Betrachtung nach dem Sachverständigengutachten, dass in einigen Stadtbezirken Münchens Wohnungen mit einer Größe "um 50 qm" und einer Bruttokaltmiete bis zu 450 Euro nicht zu finden sind. Dieses Ergebnis betrifft jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Frage, ob die Datenerhebung über den gesamten Vergleichsraum erfolgt ist. Soweit sie hier die Forderung des BSG nach einer Vermeidung von Ghettoisierung behandelt, hat der Senat im Übrigen Zweifel, ob angesichts des vom LSG festgestellten Vorhandenseins von Wohnungen zu einem Mietzins noch unterhalb der von dem Beklagten als Referenzgröße angenommenen (450 Euro ./. rund 500 Euro) in 18 von 26 Stadtbezirken das Risiko einer Ghettobildung besteht.

30

Nicht zu beanstanden ist auch die Vorgehensweise des LSG auf den Datenbestand des qualifizierten Mietspiegels für München zurückzugreifen, obwohl bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist und Wohnraum nicht berücksichtigt wird, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, weil §§ 558 ff BGB nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung findet. Mit der Entscheidung des BSG, dass die hinter einem Mietspiegel liegenden Daten grundsätzlich geeignet sind, auch die grundsicherungsrechtliche Angemessenheitsgrenze zu bestimmen (s nur BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29), ist die Konsequenz verknüpft, dass alsdann keine Angebotsmieten in die Datenerhebung einfließen müssen (anderes für andere Datenquellen: BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 25 RdNr 20; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 24; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 102 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 22). Die hiervon ausgehenden Wirkungen auf die Mietpreisgrenze werden jedoch dadurch gemindert, dass im Rahmen der Datenauswertung lediglich solche Mieten berücksichtigungsfähig sind, die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart wurden (vgl § 558 Abs 2 BGB; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 3). Dadurch wird erreicht, dass nur aktuell zu zahlende Mieten der Datenerhebung zugrunde gelegt werden. Gewährleistet wird durch den Rückgriff auf die Daten des Mietspiegels zudem, dass Wohnraum, dessen Miete keinen zuverlässigen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten bringen kann, wie es etwa für Wohnraum in Wohnheimen oder Herbergen und Gefälligkeitsmietverhältnissen (zB Vereinbarung von besonders niedrigen Mieten zwischen Verwandten) der Fall ist, nicht berücksichtigt wird.

31

Der Rechtsprechung des BSG folgend hat das LSG auch zutreffend die Bruttokaltmiete als Beobachtungsgegenstand der Datenerhebung gewählt (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23 zur Nettokaltmiete als Vergleichsbasis; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34; BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Dieses Vorgehen gewährleistet für die Leistungsberechtigten die Möglichkeit innerhalb des die Angemessenheit bestimmenden Produkts aus Wohnungsgröße und Ausstattung tatsächlich frei wählen zu können; die Möglichkeiten der Produkttheorie also ausschöpfen zu können. Ebenso wenig ist es hier zu beanstanden, dass durch den Rückgriff auf die Bruttokaltmiete sämtliche kalten Nebenkosten in die Überprüfung der vom Beklagten zugrunde gelegten Angemessenheitsgrenze eingeflossen sind. Denn bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten im Vergleichsraum kommt es nicht darauf an, ob existenzsicherndes Wohnen in (gedachten) Wohnungen möglich ist, in denen der in den Betriebskostenarten, wie zB Kosten für Straßen- und Gehwegreinigung, Hausreinigung, Gartenpflege und Schneebeseitigung durch Dritte, Gemeinschaftsantenne/Kabelanschluss und Aufzug, zum Ausdruck kommende Wohnungsstandard nicht gewährleistet ist. Es geht vielmehr darum "die Wirklichkeit", also die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums, abzubilden (vgl nur BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 21). Dort, wo statistische Daten zur Bestimmung der kalten Nebenkosten gerade im unteren Wohnsegment nicht vorliegen, hat es das BSG daher für zulässig befunden, auf bereits vorliegende Daten zurückzugreifen. Eine weitergehende Gewichtung hat das BSG nicht vorgenommen, weil nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 34 zu Betriebskostenübersichten und die Bildung eines Durchschnittswertes). Aus der Heranziehung von Werten aus allen Mietverhältnissen folgt zwar - weil er den gesamten Mietmarkt erfasst - in der Tendenz ein höherer Bruttokaltmietpreis, als dies bei Auswertung nur des Teilsegments der Fall wäre, auf das Leistungsberechtigte nach dem SGB II zu verweisen sind. Sofern eine entsprechend differenzierte Datenlage aber nicht vorliegt, also eine Auswertung des Teilsegments mit vernünftigem Aufwand ausscheidet, ist eine solche Vergröberung erforderlich, um mit ausreichender Sicherheit zu gewährleisten, dass in jedem Marktsegment - auch in dem in Bezug zu nehmenden unteren Segment - eine genügende Anzahl an Mietverhältnissen zu diesem Preis vorhanden ist. Dies wirkt sich im Übrigen auch nur zugunsten der Leistungsberechtigten aus.

32

Ebenfalls zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG hat das LSG bei der Bestimmung des Beobachtungsgegenstandes eine Größenbeschränkung vorgenommen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris; vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen zur Bestimmung der Wohnungsgröße nach den maßgeblichen Wohnraumfördervorschriften verwiesen. Im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, dass das LSG die Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes durch den Sachverständigen auf Wohnungen "um die 50 qm" gebilligt hat. Eine Beschränkung auf die Wohnungen, die exakt eine Größe von 50 qm aufweisen, würde zu einer zu starken Reduzierung der in die Betrachtung einzubeziehenden Wohnungen führen. Die Gewichtung auf 243 Wohnungen unter Berücksichtigung der aus dem Datenbestand entfernten Wohnungen begegnet ebenfalls keinen Bedenken, da hinter den gelöschten Datensätzen der ursprünglich 331 Wohnungen auch für das schlüssige Konzept nicht heranzuziehende Wohnungen waren.

33

Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das LSG die Begrenzung der Datenerhebung auf die Zeitpunkte 1.7.2007 und 1.7.2008 vorgenommen hat. Das BSG hat es insoweit für die Datenerhebung im Rahmen eines schlüssigen Konzepts für erforderlich gehalten, dass "Angaben über den Beobachtungszeitraum" gemacht werden können (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Auch ist das im Beobachtungszeitraum verwendete Zahlenmaterial nach den Feststellungen des LSG hinreichend aussagekräftig. Die für den Münchner Mietspiegel 2007 verwendeten Daten wurden zwar zum Stichdatum 1.1.2006 erhoben. Der Sachverständige hat die Werte für den hier noch streitgegenständlichen Zeitraum jedoch in vertretbarer Art und Weise nach anerkannter wissenschaftlicher Methodik für die weiteren zugrunde gelegten Stichdaten 1.7.2007 und 1.7.2008 fortgeschrieben. Die Klägerin wurde hierdurch nicht schlechter gestellt, als sich aus den Ausführungen des LSG zu der für den Münchner Mietspiegel 2011 erfolgten Datenerhebung ergibt, da die Stichprobe keinen solchen Preisanstieg ergeben hat, wie nach der Hochrechnung der Ergebnisse des Mietspiegels 2007 erwartet.

34

Soweit das LSG auf die Daten des Mietspiegels für München zurückgegriffen hat, hält dies, wie oben bereits ausgeführt, einer Überprüfung Stand. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" hat das LSG hier eine "Stichprobe" zur Basis seiner Überprüfung der Angemessenheitsgrenze des Beklagten gemacht (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 24). Insoweit gilt, dass eine Anlehnung hinsichtlich des Stichprobenumfangs und der Auswertung etc an den für Mietspiegel geltenden Standard nicht zu beanstanden ist (vgl zum Stichprobenumfang: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 38 f). Im Hinblick auf einen qualifizierten Mietspiegel hat der erkennende Senat bereits darauf hingewiesen, dass bei dessen Erstellung die Repräsentativität der Stichprobe durch die Annahme der Chance gleicher Wahrscheinlichkeit der Abbildung der im Detail unbekannten Realität der Grundgesamtheit des Gesamtwohnungsbestandes fingiert werde (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 24; s auch Gautzsch, Sozialrecht aktuell 2011, S 137, 139) und eine umfassende verfahrensrechtliche Absicherung durch die beteiligten Interessengruppen stattfinde. Daher sei die Repräsentativität und Validität der Datenerhebung für einen Mietspiegel auch im Rahmen des schlüssigen Konzepts regelmäßig als ausreichend anzusehen (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 28). Einwände gegen die Methodik der Erhebung der Daten für den Münchner Mietspiegel 2007 sind nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Allein die Kritik an den gezogenen Schlüssen genügt insoweit nicht, um die statistische Methodik der Datenerhebung in Frage zu stellen.

35

Denn es handelt sich auch bei der für den Raum München gezogenen Stichprobe des Regressionsmietspiegels 2007 um eine repräsentative Stichprobe. Beim Regressionsmietspiegel wird davon ausgegangen, dass die Miete einer Wohnung sich aus der Bewertung ihrer Wohnwertmerkmale durch die Marktpartner ergibt und dieser Zusammenhang mit einer mathematischen Gleichung beschrieben werden kann. Jedes Merkmal leistet dabei einen Beitrag zum Mietpreis der Wohnung (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 40). Daher kommen Regressionsmietspiegel im Vergleich zum Tabellenmietspiegel mit einer kleineren Stichprobe aus. Denn der Regressionsmietspiegel nutzt die Informationen der gesamten Stichprobe und nicht nur von Teilmengen, wie sie hinter den jeweiligen Tabellenfeldern des Tabellenmietspiegels stehen (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 39). Für die Stichprobe gilt, dass sie proportional vorzunehmen ist, also dass in einer solchen Stichprobe alle wesentlichen Teilmengen der Grundgesamtheit in ähnlichen Proportionen auch enthalten sind (Börstinghaus/Clar, Mietspiegel, 1997, RdNr 650; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 35). Das LSG hat im Anschluss an den von ihm ernannten Sachverständigen aus einer Stichprobe von mehr als 3000 Wohnungen im gesamten Münchener Stadtgebiet 331 Wohnungen "um die 50 qm" (bestimmt als gewichteter Wohnungsbestand zwischen 46 und 54 qm) zugrunde gelegt. Dieses Verfahren der Stichprobe entspricht dem aktuellen Stand der Forschung, wie auch das LSG in seinem Urteil ausgeführt hat.

36

Dass die für die Erstellung des Münchener Mietspiegels 2007 erhobenen Daten und für das Urteil des LSG zugrunde gelegten Wohnungen "um die 50 qm" keine qualitativen Merkmale einfachen Standards aufwiesen, steht der Auswertung und Verwendung dieser Daten nicht entgegen, denn offensichtlich weisen diese Wohnungen einen höheren als den unteren Standard auf und bewegen sich dennoch im maßgeblichen Preissektor. Umgekehrt ist anzunehmen, dass Wohnungen, die einen geringeren Standard aufweisen, zu noch günstigeren Konditionen angemietet werden können. Die vom LSG verwendete Datengrundlage ist auf diese Art und Weise zugunsten der Klägerin vergrößert worden. Die vom Sachverständigen vorgenommene und vom LSG akzeptierte Gewichtung der Wohnungen um 50 qm, die dazu beiträgt, dass die Stichprobe letztlich 243 Wohnungen umfasst, führt im Übrigen dazu, dass Wohnungen, die nicht dem Standard entsprechen, der im Rahmen der Überprüfung durch das "schlüssige Konzept" zugrunde zu legen ist, aus der Auswertung von vornherein ausgeschieden worden sind.

37

Dass das LSG von den ermittelten Wohnungen "um die 50 qm" letztlich die unteren 20 % des preislichen Segments zur Grundlage seiner Entscheidung über die Angemessenheit gemacht hat, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Die Grenzziehung nach der Höhe des Mietpreises im Vergleichsraum ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, weil die Stichprobe eine klare Definition des Untersuchungsgegenstandes nach "unten" und nach der Größe beinhaltet - anders als wenn ausschließlich ausgehend vom Mietpreis die Höhe der angemessenen Mietaufwendungen bestimmt wird. Es sind hier bereits bei der Datenerhebung lediglich Wohnungen mit mehr als einfachstem Standard in einer Größe von 46 bis 54 qm zugrunde gelegt worden. In die Erhebung einbezogen werden damit zugleich auch Daten für Wohnungen mittleren, gehobenen und luxuriösen Standards. Um diese bei der Auswertung alsdann wieder auszuscheiden, denn sie sind für Leistungsbezieher im Grundsicherungsrecht nicht angemessen, kann auf die Grenze "20%" zurückgegriffen werden. Dies entspricht einer Orientierung an den unteren 20 % der Einkommensbezieher. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG überschreitet im Vergleichsraum München auch mindestens 1/5 der Wohnungen mit grundsicherungsrechtlich zugrunde zu legendem Standard nicht die festgestellte Mietobergrenze, die der Beklagte gewählt hat, sondern liegt noch unter dieser.

38

Soweit die Klägerin vorbringt, für den vom Beklagten festgesetzten und vom LSG bestätigten Bruttokaltmietpreis sei es tatsächlich nicht möglich, in München eine Wohnung um 50 qm anzumieten, hält diese Behauptung einer Überprüfung unter systematischen Gesichtspunkten nicht Stand. Das BSG hält daran fest, dass dann, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und ihm Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können, davon auszugehen ist, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 36; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 30). Soweit die Klägerin in der Ergänzung ihrer Revisionsbegründung auf die Daten des Münchner Vereins Haus und Grund eV abstellt, rügt sie im Grunde die Auswahl der Datengrundlage, die hier jedoch, wie ausgeführt, nicht zu beanstanden ist.

39

ff) Darin, dass das Berufungsgericht einem schriftsätzlich angekündigten Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Unternehmen "Haus & Grund", vertreten durch Herrn Rechtsanwalt S, nicht gefolgt ist, liegt auch kein Verstoß gegen die Sachermittlungspflicht (vgl § 103 SGG). Das LSG musste sich nicht gedrängt fühlen, dem Beweisantrag der Klägerin nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nachzukommen. Gemäß § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO obliegt es dem Tatsachengericht, dem Sachverständigen den der Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalt - hier den für die Erstellung des Münchner Mietspiegels 2007 erhobenen Datenbestand - vorzugeben. Daraus folgt, dass auch ein anderer als der vom Gericht ernannte Sachverständige seine sachverständigen Schlussfolgerungen aus diesem Datenbestand hätte ableiten müssen. Dass bei Anwendung derselben oder einer anderen mathematisch-statistischen Methode grundlegend andere Ergebnisse gefolgt wären, ist weder von der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich.

40

Dass das LSG eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigte, bedurfte auch keines ausdrücklichen Hinweises an die Klägerin. Eine Hinweispflicht besteht in erster Linie nur dann, wenn ein Beteiligter ausdrücklich um einen entsprechenden Hinweis bittet (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 109 RdNr 9a). Im Übrigen hat sich aus der Ladung des Gerichts zum Termin ergeben, dass eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigt war. Die Tatsacheninstanzen sind zudem nicht verpflichtet, auf das Stellen eines Beweisantrages - wie hier ohnehin schriftsätzlich seitens der Klägerin angekündigt - hinzuwirken (vgl BSG Beschluss vom 5.5.2010 - B 5 R 26/10 B - juris RdNr 10) oder zu einer in Aussicht genommenen Beweiswürdigung Hinweise zu geben (BSG Beschluss vom 31.8.1993 - 2 BU 61/93; BSG Beschluss vom 6.3.2003 - B 11 AL 129/02 B - HVBG-INFO 2003, 1724; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 99). Darauf liefe ein solcher von der Klägerin verlangter Hinweis jedoch hinaus.

41

b) Die Festsetzung der Leistungshöhe unterhalb der tatsächlichen Aufwendungen beruht auch auf einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung (vgl zur Kostensenkungsaufforderung BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 38)iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 mWv 1.8.2006, BGBl I 1706). Danach sind die tatsächlichen Mietaufwendungen - soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen - als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

42

Der Beklagte hat die Klägerin mehrfach, erstmals mit Schreiben vom 29.8.2006, aufgefordert, die KdU zu senken und nach dem Unterlassen jeglicher Kostensenkungsversuche durch die Klägerin eine Absenkung auf die von ihm als angemessen erachtete Höhe der kalten Nettomietaufwendungen in Höhe von 397,30 Euro zum 1.3.2007 angekündigt. Dabei ist es für den hier nur noch streitigen Zeitraum ab dem 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 ohne Bedeutung, dass der Beklagte die "Sechsmonatsfrist" iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II, in der dem Leistungsberechtigten in der Regel die Möglichkeit eingeräumt wird, die nach Auffassung des Beklagten zu hohen Aufwendungen zu senken, zunächst unzutreffend berechnet hatte. Jedenfalls ab dem 1.6.2007 konnte der Beklagte die Unterkunfts- und Heizkosten absenken, denn die Klägerin war über die vom Beklagten als zutreffend befundene Angemessenheitsgrenze hinreichend informiert und ihr war die Kostensenkung auch nicht unmöglich.

43

Der Beklagte hat zwar in seiner Kostensenkungsaufforderung als Referenzmiete eine Nettokaltmiete benannt. Diese Angabe muss in dem hier streitigen Zeitraum jedoch noch als zulässig und ausreichend angesehen werden, um von einer zutreffenden Kostensenkungsaufforderung iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II ausgehen zu können. Noch 2009 hatte der erkennende Senat es offen gelassen, ob die Vergleichsmiete eine Netto- oder eine Bruttokaltmiete sein müsse (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff). Erst 2010 hat der 14. Senat eindeutig bestimmt, dass die Angemessenheitsgrenze durch eine genau zu benennende Bruttokaltmiete zu definieren ist (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; s auch BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34).

44

Unschädlich ist auch, dass der Beklagte die Angemessenheitsgrenze im Verlaufe des Gerichtsverfahrens geändert hat. Denn dies ist einerseits Ergebnis der Auseinandersetzungen der Beteiligten vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und andererseits stellt das Schreiben des Grundsicherungsträgers über die Unangemessenheit der Unterkunftskosten und die Aufforderung zur Kostensenkung lediglich ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion dar. Hält der Leistungsempfänger die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend bzw einschlägig, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche KdU angemessen sind (vgl nur BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 19, unter Hinweis auf BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - juris RdNr 34). Insofern stellt die Kostensenkungsaufforderung seitens des Grundsicherungsträgers lediglich ein "Angebot" dar, in einen Dialog über die angemessenen KdU einzutreten (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40).

45

Gründe, die der Klägerin eine Kostensenkung unzumutbar machen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hat sich nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) auch nicht um eine Kostensenkung bemüht oder anderweitig nachgewiesen, dass es ihr nicht möglich oder zumutbar war, Wohnraum zu der vom Beklagten vorgegebenen Mietobergrenze anzumieten.

46

5. Der Abzug der Kosten für die Warmwasserbereitung von den tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin für die Gaslieferung/Heizung in Höhe von 6,22 Euro für den Monat Juni 2007, 6,26 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2007 bis einschließlich Juni 2008 und 6,33 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2008 bis November 2008 ist nicht zu beanstanden. Höhere Leistungen wegen der Heizkostennachforderung für den Monat Februar 2008 und unter Berücksichtigung der Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II, wie durch das LSG geschehen, stehen der Klägerin nicht zu. Sie hat insoweit auch keine Einwände gegen die Entscheidung des LSG erhoben.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der 1960 geborene, alleinstehende Kläger bezieht von dem beklagten Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende seit dem 1.1.2005 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er bewohnt seit dem 1.9.2004 eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin-Schöneberg. Für diese Altbauwohnung (bezugsfertig ca 1900) mit einer Größe von 58,31 qm, die über eine Öl-Zentralheizung beheizt (bei einer Gesamtwohnfläche von knapp 2000 qm) und mit Warmwasser versorgt wird, zahlte der Kläger im streitigen Zeitraum eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 438,63 Euro. Der Betrag setzte sich zusammen aus einer Nettokaltmiete von 203,63 Euro, einem Modernisierungszuschlag in Höhe von 98,36 Euro, einer Vorauszahlung für die kalten Betriebskosten in Höhe von 76,31 Euro sowie einem nach dem Mietvertrag nicht abdingbaren Betrag für den Kabelanschluss in Höhe von 14,31 Euro und schließlich einer Vorauszahlung für warme Betriebskosten in Höhe von 46,02 Euro.

2

Der Beklagte gewährte dem Kläger bis einschließlich August 2006 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 438,63 Euro. Mit Schreiben vom 1.2.2006 teilte er dem Kläger mit, die KdU seien nicht angemessen. Für Ein-Personen-Haushalte gelte insoweit ein Richtwert von 360 Euro. Die tatsächlichen Kosten würden solange übernommen werden, wie es dem Kläger nicht möglich sei, die Kosten zu senken. Diese Zusage gelte für längstens sechs Monate. Für die Zeit vom 1.9.2006 bis zum 30.11.2006 bewilligte er mit Bescheid vom 29.5.2006 monatliche Leistungen in Höhe von 705 Euro (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie KdU in Höhe von 360 Euro). Widerspruch und Klage gerichtet auf die Übernahme der KdU in Höhe von 438,63 Euro blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19.7.2006; Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15.2.2007).

3

Das hiergegen angerufene Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und in der Sache mit Urteil vom 26.11.2009 zurückgewiesen. Für den Kläger, der im streitigen Zeitraum Berechtigter im Sinne des § 7 Abs 1 SGB II(in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004, BGBl I 2014) gewesen sei, ergäben sich Ansprüche auf weitergehende KdU als von dem Beklagten bewilligt nach Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten nach der sog Produkttheorie nicht. Lediglich die geltend gemachten Heizkosten seien in Höhe von 39,80 Euro (tatsächliche Kosten abzüglich der Pauschale für die Erwärmung von Wasser) in vollem Umfang als wirtschaftlich angemessen anzusehen. Die übrigen geltend gemachten KdU in Höhe von 392,61 Euro, von denen auch die Kosten für den Kabelanschluss und der Modernisierungszuschlag zu den berücksichtigungsfähigen KdU gehörten, seien unangemessen hoch.

4

Hinsichtlich der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße sei die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zu Grunde zu legen, für die in Berlin - in Ermangelung von Richtlinien zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung - Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) - weiterhin auf die (ehemals) geltenden Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau(Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 - WFB 1990 -) vom 16.7.1990 (Amtsblatt für Berlin 1990, 1379 ff) in der Fassung der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 vom 13.12.1992 (VVÄndWFB 1990; Amtsblatt für Berlin 1993, 98 f) - dort Ziffer I.13 - und ergänzend auf die zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) iVm § 27 Abs 1 bis 5 WoFG erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 (Mitteilung Nr 8/2004) zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen - dort Ziffer 8 Abs 1 Satz 3 - abzustellen sei. Maßgebend seien allein die Größen, die sich für 1-Raum Wohnungen ergäben (45 qm).

5

Für die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Hierfür seien die sich aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3109) ergebenden durchschnittlichen Mittelwerte für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten zu Grunde zu legen, der im streitigen Zeitraum gegolten habe, nicht dagegen die Werte aus dem im laufenden Berufungsverfahren veröffentlichten Mietspiegel 2007, auch wenn dieser auf den im Jahre 2006 gezahlten Mieten fuße. Für eine Wohnfläche von vierzig bis unter sechzig Quadratmetern in einfacher Lage ergebe sich eine Nettokaltmiete von gerundet 4,33 Euro pro qm (Summe aus sämtlichen Mittelwerten geteilt durch 9), und also eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von insgesamt 194,85 Euro (4,33 Euro x 45 qm). Weder halte der Senat insoweit nur einzelne der nach Jahren der Bezugsfertigkeit der Wohnungen und ergänzend nach deren Ausstattung mit Sammelheizung und Bad gebildeten Spalten für maßgeblich noch sehe er innerhalb der einzelnen Spalten die angegebenen Spannentiefst- oder -höchstwerte als entscheidend an. Weitere Verfeinerungen mathematisch-statistischer Art würden weder die Akzeptanz noch die Nachvollziehbarkeit erhöhen, mögliche statistisch-wissenschaftliche Ungenauigkeiten durch den Rückgriff allein auf Mittelwerte würden zur Überzeugung des Senats dadurch kompensiert, dass bereits zu Gunsten der Hilfebedürftigen als Richtwert die maximal förderungsfähige Quadratmeterzahl berücksichtigt werde.

6

Zu der Nettokaltmiete seien die angemessenen kalten Betriebskosten, die regelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten seien, unter Zugrundelegung der vom Deutschen Mieterbund (DMB) mit dem "Betriebskostenspiegel 2005" veröffentlichten Angaben (www.mieterbund.de) zu bestimmen, die sich auf 1,79 Euro pro qm (einschließlich Steuern und Abgaben) monatlich beliefen. Es ergebe sich damit eine angemessene Bruttokaltmiete von insgesamt 275,40 Euro. Der Beklagte habe im Verwaltungsverfahren unter Abzug der maximal berücksichtigungsfähigen Heizkosten von 39,80 Euro monatlich Leistungen für eine Bruttokaltmiete in Höhe von 320,20 Euro zuerkannt und damit bereits einen Betrag, der über der angemessenen Bruttokaltmiete in Berlin für diesen Zeitraum liege.

7

Es sei davon auszugehen, dass eine konkrete Unterkunftsalternative zu diesem Mietzins tatsächlich anmietbar sei. Der Kläger habe jedenfalls Bemühungen zur Kostensenkung nicht erkennen lassen. Soweit er erstmals in der mündlichen Verhandlung ohne jede zeitliche Zuordnung und Darlegung vorgetragen habe, sich erfolglos telefonisch bei 200 bis 300 Vermietern um günstigere Wohnungen bemüht zu haben, sei dies nach Überzeugung des Senats unglaubhaft, denn es stehe in krassem Widerspruch zu seinem bisherigen Vortrag.

8

Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner vom LSG zugelassenen Revision. Er rügt, das LSG habe den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Aufwendungen für eine Unterkunft fehlerhaft konkretisiert. Zudem habe das LSG zu Unrecht den Vortrag des Klägers, er habe vergeblich versucht angemessenen Wohnraum anzumieten, als unglaubhaft abgetan ohne eigene Ermittlungen anzustellen, inwieweit es ihm tatsächlich möglich sei, angemessenen Wohnraum anzumieten.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2009 sowie das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Februar 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 29. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2006 zu verurteilen, ihm weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit von September bis November 2006 in Höhe von monatlich 78,63 Euro zu gewähren.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob der Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen kann, als sie der Beklagte bewilligt hat.

13

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 29.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2006, gegen den sich die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) richtet. Streitgegenstand sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von September 2006 bis November 2006, die dieser Bescheid ua regelt. Der Kläger hat den Streitstoff in der Sache schon mit Klageerhebung auf die KdU beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18).

14

2. Der Kläger gehört nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Neben der Regelleistung hat er damit Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung.

15

3. KdU werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Erfasst sind alle Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag für die Unterkunft ergeben (vgl zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 20 zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung mwN). Dazu zählen hier neben der geschuldeten Nettokaltmiete in Höhe von 203,63 Euro und der Vorauszahlung für die "kalten" Betriebskosten in Höhe von 76,31 Euro auch die Kosten für den Kabelanschluss (dazu nur BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18) sowie der Modernisierungszuschlag in Höhe von 98,36 Euro, wie das LSG zutreffend entschieden hat. Soweit der Vermieter die Kosten einer Modernisierungsmaßnahme nach § 559 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf den Mieter abwälzt, gehören diese Kosten, auch wenn sie weiterhin gesondert ausgewiesen sind, zur vertraglich geschuldeten (Kalt-)Miete.

16

4. Die Angemessenheit von KdU ist (getrennt von den Kosten der Heizung, vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23) unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zu Grunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder der Beklagte noch das LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.

17

a) Entgegen der Auffassung des LSG ergibt sich für einen Ein-Personen-Haushalt in Berlin eine maßgebliche Wohnfläche von 50 qm. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 WoFG vom 13.9.2001 (BGBI I 2376) iVm § 5 WoBindG in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (neue Fassung) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG(als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an eine Einzelperson Wohnraum von bis zu 50 qm überlassen werden. An diese Regelungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF, die auch nach Inkrafttreten von § 27 WoFG und § 5 WoBindG nF Grundlage für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind, ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14). Entgegen der Auffassung des LSG sind die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl (sofern sie überhaupt im Regel-Ausnahmeverhältnis zu verstehen wären, wie das LSG meint) für die Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II unbeachtlich. Dies haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits für andere Bundesländer entschieden, in denen neben der Wohnungsgröße auch die Raumzahl entscheidend ist (vgl für Bayern BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 15; für Rheinland-Pfalz BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 34; für Nordrhein-Westfalen BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb für das Land Berlin anderes gelten sollte. Auch auf die (unterschiedlichen) Wohnungsgrößen in den (zum 31.12.1999 außer Kraft getretenen) Richtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für die Förderung der Neuschaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau (WFB 1990 vom 16.7.1990 in der Fassung der VVÄndWFB 1990 vom 13.12.1992) und den Richtlinien über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum (Eigentumsförderungssätze 1999 vom 25.5.1999) kommt es nicht an. Diese mögen Auswirkungen auf die üblichen Wohnungsgrößen im geförderten Wohnungsbau nach 1992 haben (und damit ohnehin nur für ein Teilsegment des in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarktes), es handelt sich aber nicht um Bestimmungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF.

18

b) Zutreffend hat das LSG bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des BSG muss es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der auf Grund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des LSG sprechen, dass es sich bei der Stadt Berlin insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handelt. Die Stadt Berlin ist mit einer Einwohnerzahl von rund 3,4 Millionen (Stand 2006; Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) und einer Fläche von rund 891 qkm zwar nahezu dreimal so groß wie die Stadt München (rund 1,36 Millionen Einwohner bei einer Fläche von rund 310 qkm; Quelle: Statistisches Amt München), für die der 4. Senat des BSG einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen hat ( vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale liegen aber - trotz dieser Größe - auch bezogen auf das Stadtgebiet von Berlin vor. Der öffentliche Nahverkehr ist auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her ausgerichtet. Von den Randlagen aus ergeben sich in die innerstädtischen Bezirke insoweit lediglich Fahrzeiten, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden (vgl § 121 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das Risiko einer Gettoisierung. Außerdem zeigt die Wohnlagenkarte als Anlage zu dem vom LSG in Bezug genommenen Berliner Mietspiegel, dass ohnehin in allen Bezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren (dazu sogleich), vorhanden sind, sodass auch von daher die Bildung eines engeren Vergleichsraums nicht erforderlich erscheint. Es steht nicht zu befürchten, dass mit einem ggf zur Kostensenkung erforderlichen Umzug regelmäßig das nähere soziale Umfeld verlassen werden muss. Soweit ein solcher Umzug über die Orts- oder auch Bezirksgrenzen hinweg im Einzelfall gleichwohl notwendig wird, ist dies im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Hilfebedürftigen hinzunehmen (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 18).

19

c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zu Grunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln ( vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R ).

20

aa) Die Träger der Grundsicherung entscheiden in Berlin über die Angemessenheit von Unterkunftskosten auf Grundlage der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen). Es handelt sich dabei um bloße Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des Beklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (360 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG zu Grunde liegt. Ob zur Ermittlung des Wertes die Produkttheorie unter Zugrundelegung der oben genannten Wohnungsgrößen angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden sind, wird nicht erkennbar und ist von dem Beklagten nicht vorgetragen. Im Übrigen ist der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat (ausdrücklich bereits BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 19).

21

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2005 (vom 22.8.2005, Amtsblatt für Berlin 2005, 3109) bestimmt. Bei diesem Mietspiegel handelt es sich um einen qualifizierten Mietspiegel iS des § 558d BGB. Grundlage für die vorliegende Entscheidung ist dabei der Mietspiegel für das Jahr 2005, denn ein "schlüssiges Konzept", das vorrangig der Grundsicherungsträger vorzulegen hat, muss bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (anders etwa SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 43). Da ein solches Konzept im Rahmen der Angemessenheitsprüfung in der Folge gerichtlich voll überprüfbar ist, sind Ausgangsdaten allerdings zu korrigieren, soweit sich in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren herausstellt, dass es zu nicht vorhersehbaren Preissprüngen gekommen ist. Diese Prüfung wird das LSG ggf nachzuholen haben.

22

Qualifizierte Mietspiegel können - wie auch einfache Mietspiegel - Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach §22 Abs 1 SGB II sein (vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 16; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25 und zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25). Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben(zum Folgenden auch Butzer/Keller, NZS 2009, 65). Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen (wie dies auch bezogen auf den Berliner Mietspiegel der Fall ist) nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist - wie bereits ausgeführt - auch bei der Prüfung nach § 22 Abs 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. Im Hinblick auf das mit dem Mietspiegel nicht erfasste Marktsegment der preisgebundenen Wohnungen bestehen - jedenfalls bezogen auf Berlin - keine weitergehende Bedenken. Mit dem Wegfall der Anschlussförderung für Objekte des Sozialen Wohnungsbaus, bei denen die 15jährige Grundförderung ab dem 1.1.2003 endet (dazu BVerwGE 126, 33), und dem Verzicht auf die entsprechenden Belegungsbindungen sank der Anteil mietpreisgebundener Sozialwohnungen bis Ende 2006 auf knapp 12 % des Gesamtwohnungsbestandes (vgl Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 2007, S 30 unter Bezugnahme auf Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung). Hilfebedürftige werden damit in erster Linie auf die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt angewiesen sein.

23

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig, wovon das LSG im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen ist (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Über das Baualter können zwar sehr vergröbernd Rückschlüsse auf die Bauweise und den Baustandard gezogen werden. Insbesondere liegt der Ausstattungsgrad von Neubauten im Regelfall über dem Ausstattungsgrad in Gebäuden älterer Bauklassen. Gerade Wohnungen, die in der Nachkriegszeit erbaut worden sind, haben häufig einen wesentlich geringeren Ausstattungsgrad. Aus dem Mietspiegel allein lässt sich jedoch nicht ersehen, inwieweit gerade Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, die den Rückschluss zulassen, im konkreten Vergleichsraum sei eine "angemessene" Wohnung tatsächlich anmietbar. Zudem birgt die Verweisung auf bestimmte Bauklassen verdeckt die Gefahr einer Gettoisierung. Solange nicht statistisch valides Material vorliegt, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile einer Stadt - prägen, erscheint es nicht zulässig, allein bestimmte Bauklassen in Bezug zu nehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bauklassen, die den Standard von Neubauten abbilden. Zwar werden eine ganze Anzahl von Neubauten einen Ausstattungsgrad haben, der über das in Bezug zu nehmende Segment nach § 22 SGB II hinausgeht. Eine generelle Festlegung, der Hilfeempfänger sei schlechterdings von der Anmietung einer solchen Wohnung ausgeschlossen, lässt sich aber nicht treffen (vgl auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Erst wenn weitergehendes Material erkennen lässt, dass Gebäude dieser Bauklassen den Mietmarkt des unteren Marktsegments nicht maßgeblich mitprägen, kommt eine Außerachtlassung der Mietpreise für solche Bauklassen in Betracht.

24

Allerdings weist der Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad) gesondert aus. Es handelt sich einerseits um Wohnungen mit "Ofenheizung", bei denen sich der Mieter der Wohnung mit der Versorgung mit Kohlen und der Entsorgung der Asche befassen muss (vgl LG Berlin Urteil vom 15.1.2007 - 67 S 305/06 - juris RdNr 13), und andererseits oder kumulativ um Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder Küche) waschen, aber nicht duschen können. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden. Dem lässt sich nicht mit dem LSG entgegenhalten, diese Werte seien einzubeziehen, um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten. Wenn solche Wohnungen nicht den unteren, sondern den untersten Standard abbilden, gehören sie von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung des qualifizierten Mietspiegels unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet.

25

cc) Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete, wie ihn das LSG vorgenommen hat, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht. Die Bildung arithmetischer Werte bietet gerade bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment abbildet. Die sog Tabellenmethode, nach der der Berliner Mietspiegel erstellt ist, stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen (hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen. Zwischen den einzelnen (insgesamt 113 besetzten) Rasterfeldern bestehen keine Beziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem einzelnen, mit den drei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Einzelne Felder haben also je nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt. Weil die Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird.

26

Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen. Solche Rückschlüsse, die aus weitergehendem Material (das etwa auch der Träger der Grundsicherung auf Grund eigener Erhebungen einführen könnte) getroffen werden, müssen gerichtlich überprüfbar sein. Dies trifft aber auf die Grundlagendaten für qualifizierte Mietspiegel entgegen der Auffassung des LSG zu. Für einen qualifizierten Mietspiegel ist immer eine Primärdatenerhebung erforderlich, also die Erhebung von Daten, die ausschließlich zum Zweck der Mietspiegelerstellung erhoben wurden. Die Daten der Primärdatenerhebung müssen repräsentativ sein, die gezogene Stichprobe muss ein realistisches Abbild des Wohnungsmarktes abgeben (vgl im Einzelnen Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl 2008, § 558d RdNr 7). Die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze muss in einer öffentlich zugänglichen Dokumentation niedergelegt sein (aaO RdNr 10). Es erscheint damit durchaus sinnvoll, solche Grundlagendaten bei Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Konzepts heranzuziehen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Auswertung dieser bereits vorhandenen Daten zu einem erhöhten (über einfache Rechenschritte hinausgehenden) Aufwand bei den Gerichten führen muss. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist in erster Linie der kommunale Träger für solche notwendig erscheinenden Auswertungen im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin der Fall ist.

27

Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.

28

d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Schon der Wortlaut des § 22 Abs 1 SGB II zeigt, dass diese Kosten zu den KdU für einen Hilfebedürftigen gehören und nicht - wie die Heizkosten - getrennt erfasst werden sollen. Zur realistischen Abbildung eines abstrakt angemessenen Mietpreises ist die Einbeziehung des Faktors "kalte Betriebskosten" erforderlich. Dies entspricht den mietrechtlichen Vorgaben im Mietwohnungsbau, an denen sich der Gesetzgeber des SGB II wegen der KdU orientiert. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (vgl nur Blank in Blank/Börstinghaus, aaO, § 556 RdNr 1). Auch der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum kann Betriebskosten nur als gesondert abzurechnende Kosten auf den Mieter abwälzen (vgl § 20 der Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen - Neubaumietenverordnung - BGBl 1990, 2204 idF BGBl I 2003, 2346).

29

Eine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs 1 und 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufstellung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen(BetrKV; vom 25.11.2003, BGBl I 2346 ) normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt angemessenen Kosten iS des § 22 Abs 1 SGB II sind die dort genannten Betriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten. Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. Zutreffend geht das LSG davon aus, dass solche Werte möglichst aktuell sein müssen, um sichere Rückschlüsse auf das Preisniveau im jeweiligen Vergleichsraum zu geben. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell sind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die Werte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen Preisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich.

30

5. Zutreffend hat das LSG die Prüfung der Angemessenheit der Heizkosten getrennt von den übrigen Unterkunftskosten auf Grundlage der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG durchgeführt und die tatsächlichen Aufwendungen als angemessen angesehen.

31

6. Sollten sich die Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung als unangemessen erweisen, könnten dem Kläger höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zustehen. Soweit danach die Aufwendungen für die Unterkunft den den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder in sonstiger Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese Prüfung wird das LSG auf Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung abschließend erneut durchzuführen haben, wobei nicht erkennbar ist, dass die entsprechende Prüfung im angefochtenen Urteil für sich genommen rechtsfehlerhaft war. Die bislang vorgenommenen tatrichterlichen Würdigungen entziehen sich einer eigenständigen Bewertung durch das Revisionsgericht.

32

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2009 bis 30.6.2010.

2

Der im Jahr 1947 geborene, zunächst selbständige Kläger mietete zum 1.12.2008 eine Wohnung mit einer Größe von 75 qm in A./Landkreis R. an. Hierfür entrichtete er monatlich eine Grundmiete in Höhe von 380 Euro zzgl einer Vorauszahlung auf Betriebskosten in Höhe von 80 Euro.

3

Nach einem Herzinfarkt meldete er sein Gewerbe zum 31.12.2008 ab und beantragte am 8.1.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

4

Der Beklagte, der zum 1.1.2012 Optionskommune nach § 6a Abs 2 SGB II geworden ist, bewilligte dem Kläger ab dem 30.12.2008 Kosten für Unterkunft und Heizung, zunächst bis 31.7.2009 in Höhe von monatlich 470,77 Euro auf Grundlage der tatsächlichen Grundmiete in Höhe von 380 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 66,81 Euro. Ab 1.8.2009 bewilligte er monatlich einen Betrag in Höhe von 335,77 Euro, wobei er unter Beibehaltung der anderen Beträge nur noch eine Grundmiete von 245 Euro anerkannte (Bescheid vom 21.1.2009). Im Zuge der Bewilligung ab 30.12.2008 forderte der Beklagte den Kläger zudem auf, die Unterkunftskosten zu senken. Die Kaltmiete von 380 Euro würde um 135 Euro über den angemessenen Mietkosten liegen. Nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten könne der Beklagte ab 1.8.2009 nur noch die angemessene Kaltmiete von 245 Euro zzgl Nebenkosten anerkennen (Schreiben vom 21.1.2009).

5

Die Leistungsbewilligung wurde mehrfach geändert, zuletzt wurden dem Kläger für Dezember 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer Kaltmiete von 245 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 61,75 Euro bewilligt (Änderungsbescheide vom 7.4.2009, 10.8.2009, 16.11.2009). Für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger Kosten für Unterkunft und Heizung in derselben Höhe (Bescheid vom 10.12.2009).

6

Der Beklagte wies die gegen die Bewilligung für Dezember 2009 und für den Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2010 eingelegten Widersprüche als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 6.4.2010).

7

Während des Verfahrens vor dem SG reduzierte der Beklagte die Bewilligung ab 1.6.2010 um verringerte kalte Nebenkosten und stellte die Leistungen ab 1.7.2010 ein, nachdem der Kläger zu diesem Zeitpunkt aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten verzogen war (Änderungsbescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010).

8

Das SG hat den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 weitere Kosten der Unterkunft bis zu einem Betrag von 338,80 Euro monatlich zzgl Heizkosten zu gewähren. Im Übrigen hat es die auf die Übernahme der tatsächlichen Kosten gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 22.11.2011). Die vom Beklagten zugrunde gelegte Mietobergrenze sei unzutreffend, da der Beklagte nicht über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Mietkosten im Sinne der Rechtsprechung des BSG verfüge. Da es mangels hinreichender Datenbasis nicht mehr möglich sei, die angemessene Kaltmiete für die streitige Zeit zu ermitteln, seien die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen, begrenzt auf die Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) und der Wohngeldverordnung (WoGV) einschließlich eines Zuschlags von 10 %. Dies führe beim Kläger zu einer Referenzmiete von 338,80 Euro.

9

Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 31.5.2010 monatlich weitere 69,84 Euro und für den Monat Juni 2010 weitere 71,64 Euro zu gewähren (Urteil vom 7.11.2012). Der Tenor der angefochtenen Entscheidung sei ohne inhaltliche Änderung lediglich zur Klarstellung neu gefasst worden; das SG habe in seiner Entscheidung die Heizkosten mit monatlich 61,75 Euro berücksichtigt, es habe damit im Ergebnis eine Leistung für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 400,55 Euro zugesprochen. Zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung habe der Beklagte zunächst als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 45 qm zugrunde gelegt. Der Beklagte habe als Vergleichsraum den Bereich der Region W., L. und A. mit ca 75 000 Einwohnern herangezogen. Für diesen sei jedoch in der Anlage zum Mietpreisspiegel keine einheitliche angemessene Mietobergrenze vorgesehen. Ob von dem Erfordernis eines einheitlichen Wertes der angemessenen Miete in Bereichen des ländlichen Raumes abgewichen und Vergleichsräume mit nach Gemeinden differenzierten Mietobergrenzen gebildet werden dürften, könne dahingestellt bleiben, da jedenfalls dem vom Beklagten im streitigen Zeitraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde gelegen habe. Die für einen Mietspiegel erforderliche statistisch aufgearbeitete Zusammenstellung der vorkommenden Mieten läge dem Mietpreisspiegel nicht zugrunde. Grundlage sei das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Feststellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen von den Mietpreisen bei Neuabschlüssen. Von den beteiligten Gemeinden seien keine Erhebungen durchgeführt worden. Der Mietpreisspiegel sei mangels Nachprüfbarkeit nicht ausreichend für die Begründung eines schlüssigen Konzepts. Darüber hinaus sei die Gemeinde A., in welcher der Kläger gewohnt habe, in Tabelle 4 des Mietpreisspiegels 2009, in welcher die jeweiligen Ortszu- bzw -abschläge bezogen auf das Referenzniveau der Stadt W. aufgelistet seien, nicht aufgeführt. Es sei damit nicht nachvollziehbar, wie die Mietobergrenzen für den damaligen Wohnort des Klägers ermittelt worden seien. Dem Senat sei es auch nicht mehr möglich, aufgrund eigener Ermittlungen ein schlüssiges Konzept für den streitigen Zeitraum zu erstellen, es fehle an der erforderlichen Datenbasis. Es seien damit die tatsächlichen Aufwendungen bis zur Angemessenheitsgrenze der Tabellenwerte in § 12 WoGG und ein Zuschlag von 10 % hinzuzurechnen. Es habe auch eine wirksame Kostensenkungsaufforderung vorgelegen.

10

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er folge zwar der Feststellung des LSG, dass er im vorliegenden Fall über kein schlüssiges Konzept verfüge sowie dass die Aufwendungen bis zur Höhe der Tabellenwerte aus § 12 WoGG zu übernehmen seien. Nicht gefolgt werden könne aber der Hinzurechnung eines Zuschlages von 10 %.

11

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Konstanz vom 22. November 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 insoweit aufzuheben, als Leistungen für Unterkunft und Heizung von mehr als 308 Euro monatlich zuzüglich der Heizkosten zu bewilligen sind.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Bei fehlendem schlüssigen Konzept sei sowohl nach § 8 WoGG als auch nach § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" von 10 % gerechtfertigt.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet.

15

Die Vorinstanzen haben den Beklagten zu Recht zu einer weiteren Leistungsgewährung an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 verurteilt. Der Kläger ist grundsätzlich leistungsberechtigt, sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (§§ 7, 22 SGB II).

16

1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 16.11.2009 und 10.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.4.2010, gemäß § 96 SGG in der Gestalt der Bescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010. Im Streit stehen die darin geregelten Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1.12.2009 bis 30.6.2010. Bereits der Kläger hat den Streitgegenstand durch seine Klage zum SG bezüglich der Kosten der Unterkunft und Heizung wirksam beschränkt. Die übrigen abtrennbaren Regelungsinhalte der gegenständlichen Bescheide sind nicht angegriffen worden. Zudem ist nach den Urteilen des SG und des LSG die Verurteilung zu weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 39,04 Euro (Monate Dezember 2009 bis Mai 2010) bzw 40,84 Euro (Monat Juni 2010) rechtskräftig geworden. Der Beklagte wendet sich lediglich gegen die Verurteilung zu einer Leistung von weiteren 30,80 Euro monatlich. Da der Kläger selbst keine Revision eingelegt hat, sind die gegenständlichen Bescheide bestandskräftig geworden, soweit mit diesen die Leistungen ab 1.7.2010 eingestellt sowie höhere Leistungen abgelehnt wurden.

17

Die Leistungen für Unterkunft und Heizung bilden abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert (vgl BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).

18

2. Das SG und LSG haben den Beklagten zu Recht zu einer Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer höheren Bruttokaltmiete als die vom Beklagten in Höhe von monatlich 308 Euro anerkannte verurteilt. Der Kläger erfüllt nach den Feststellungen des LSG die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 SGB II.

19

Sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Diese werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als bei der pauschalierten Regelleistung - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die tatsächlichen Kosten nicht in beliebiger Höhe erstattungsfähig, sondern nur insoweit, als sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung limitiert somit die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist, also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessene Mietobergrenze nicht überschreitet (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 14; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59). Die Angemessenheit für die Kosten der Unterkunft und die für die Kosten der Heizung sind getrennt voneinander festzustellen.

20

Auch wenn der Beklagte im Revisionsverfahren davon ausgeht, über kein schlüssiges Konzept zu verfügen und sich mit der Heranziehung der Tabellenwerte nach § 12 WoGG einverstanden erklärt, entbindet dies die Gerichte nicht davon, zunächst die angemessenen Unterkunftskosten anhand eines vorrangigen schlüssigen Konzeptes zu ermitteln(vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 17; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - RdNr 26).

21

3. Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende wie den Kläger in Baden-Württemberg 45 qm. Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376: "Wohnraumförderungsgesetz") wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen" des jeweiligen Landes. Nach den Feststellungen des LSG hat das Land Baden-Württemberg zwar keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Ein-Personen-Haushalte von einer Wohnfläche von 45 qm auszugehen. An dieser Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 22).

22

4. Die Heranziehung des Vergleichsraums, den der Beklagte zugrunde gelegt hat, ist nicht zu beanstanden. Als örtlicher Vergleichsraum ist in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgebend, ohne dass hierfür der kommunalverfassungsrechtliche Begriff der "Gemeinde" entscheidend sein muss. Bei besonders kleinen Gemeinden, etwa im ländlichen Raum, die über keinen repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen, kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen. Entscheidend ist es, für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 21; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 15). Dies ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hier der Fall. Die Festlegung des Vergleichsraums entspricht den vom Senat hierzu entwickelten Kriterien.

23

5. Dem Leistungsberechtigten muss es möglich sein, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines schlüssigen Konzeptes zu ermitteln (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17 ff). Auf Grundlage des konkreten Vergleichsraums hat das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass der Beklagte über kein eigenständiges schlüssiges Konzept verfügt (§ 163 SGG).

24

Das LSG ist sodann in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass ein schlüssiges Konzept auch nicht mehr entwickelt werden kann und es sich um einen Ausfall von lokalen Erkenntnismöglichkeiten handelt. Der erkennende Senat hat ausdrücklich betont, dass die umfassende Ermittlung der Daten sowie die Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts Angelegenheit des Grundsicherungsträgers ist und bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig ist. Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein schlüssiges Konzept auf Aufforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne ein schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen (vgl BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 21; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 25). Liegen aber keine Ermittlungsergebnisse vor, brauchen insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen nachträglich durchgeführt zu werden. Die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen ist in diesen Fällen begrenzt, sofern nachvollziehbare Darlegungen dazu erfolgen, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Der erkennende Senat hat hierzu betont, dass auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen erkennbar sein muss, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat. Erst wenn solche Feststellungen erfolgt sind, ist ein Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG zu rechtfertigen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 18; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17). Diesen Anforderungen zur Feststellung eines Erkenntnisausfalles ist das LSG gerecht geworden. Schon für die Wohnortgemeinde des Klägers liegen keinerlei nachvollziehbare Daten für die Ermittlung der Mietobergrenze vor. Im Übrigen ist Grundlage des "Mietpreisspiegels" des Beklagten das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Erstellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen.

25

6. Im Falle eines Erkenntnisausfalls zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt(stRspr, vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).

26

a) Für die bis 31.12.2008 geltende Regelung in § 8 WoGG aF ist nach der Rechtsprechung des BSG wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung zur Bestimmung der angemessenen Bruttokaltmiete(vgl § 9 Abs 1 WoGG aF) auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27 im Anschluss an BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21). Zu dem Sicherheitszuschlag hat der Senat ausgeführt, dass er im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich ist, denn beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts kann nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27). Der erkennende Senat hat zudem entschieden, dass dabei ein Zuschlag in Höhe von 10 % zu den Werten der rechten Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG aF angemessen und ausreichend ist(vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).

27

b) Die Einbeziehung eines "Sicherheitszuschlages" hat auch im Falle der Heranziehung von § 12 WoGG zu erfolgen. Die von der Rechtsprechung der zuständigen Senate für die Geltung von § 8 WoGG aF angestellten Erwägungen sind auf § 12 WoGG zu übertragen. Denn trotz der Anhebung der Tabellenwerte in § 12 WoGG im Vergleich zu den Werten aus § 8 WoGG aF hat sich nichts daran geändert, dass es sich bei der Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten anhand des WoGG nur um eine abstrakte, allein der Deckelung der zu übernehmenden Aufwendungen dienende Begrenzung handelt, die unabhängig von den konkreten Umständen im Vergleichsraum erfolgt. Denn über letztere fehlen gerade ausreichende Erkenntnisse. Der Sicherheitszuschlag ist auch im Rahmen von § 12 WoGG erforderlich, da die in § 12 WoGG festgeschriebenen Werte ebenso wenig wie die in § 8 WoGG aF den Anspruch erheben, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden(vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, § 12 RdNr 14, 65. Lfg Mai 2011). Der Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, aaO, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die nach § 11 WoGG zu berücksichtigende Miete den in § 12 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist. Beide Regelungen verfolgen damit verschiedene Ziele; auf die Werte aus § 12 WoGG ist daher nur als Berechnungsgrundlage zur Bemessung der angemessenen Miete abzustellen und dem Sinn und Zweck von § 22 Abs 1 S 1 SGB II nach mittels des "Sicherheitszuschlages" anzupassen. Aufgrund der unterschiedlichen Zweckbestimmung hat es für die Bestimmung des Zuschlages bei § 12 WoGG damit keine Bedeutung, dass mit der Wohngeldreform 2009 die Werte aus § 8 WoGG um 10 % angehoben wurden. Durch die Anhebung sollte dem Zweck des WoGG entsprechend die Anzahl derjenigen Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger verringert werden, deren Miete aufgrund der allgemeinen Mietsteigerungen die Höchstbeträge überschreitet (vgl dazu BT-Drucks 16/8918, S 1, 49). Hinweise darauf, dass die Erhöhung der Werte unter Berücksichtigung der Mietpreissteigerungen in einem Umfang erfolgt wäre, der den Sicherheitszuschlag entbehrlich machen könnte, ergeben sich aus der Gesetzesbegründung nicht.

28

c) Soweit damit feststeht, dass auch im Rahmen von § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen ist, ist weiter dessen Höhe zu bestimmen. Der Senat schließt sich insoweit den Entscheidungen der Tatsacheninstanzen an, dass eine Erhöhung für den streitgegenständlichen Zeitraum um 10 % zu erfolgen hat. Die Höhe des Zuschlages ist ebenso wie die Heranziehung der abstrakten Werte aus § 12 WoGG nach abstrakten Kriterien zu bestimmen. Auf regionale Unterschiede hat der Gesetzgeber bereits durch die Festlegung der Mietenstufen in der WoGV reagiert; bei Änderung der Verhältnisse können diese entsprechend angepasst werden (vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 22). Die Höhe des Zuschlages soll möglichst sicherstellen, dass der Leistungsempfänger mit dem ihm dann im Ergebnis zustehenden Betrag für die Kosten der Unterkunft in die Lage versetzt wird, im örtlichen Vergleichsraum möglichst sicher eine Unterkunft zu finden, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht. Es soll durch die Höhe des Zuschlages eine angemessene Abgrenzung einerseits zu nur einfachstem Standard wie andererseits zu einem bereits gehobenen Standard erfolgen. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 12 WoGG einen Zuschlag in Höhe von 10 % zurzeit als angemessen.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 18. Februar 2009 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten Jobcenter Leistungen für die Unterkunft und Heizung ausgehend von der von ihm tatsächlich gezahlten Bruttokaltmiete nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

2

Der Kläger bewohnt seit dem Jahr 2001 eine 48 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung in Bremen-W, für die er eine Bruttokaltmiete von 378,24 Euro zu zahlen hat. Bis zum 31.12.2004 bezog er Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), als Kosten der Unterkunft waren 245 Euro anerkannt, nachdem eine ihm eingeräumte insgesamt achtmonatige Frist zur Beschaffung einer sozialhilferechtlich angemessenen Wohnung abgelaufen war. Die Rechtsvorgängerin des jetzigen Beklagten (im Folgenden: "Beklagter") bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.6.2005 Leistungen nach dem SGB II, darunter 245 Euro für die Unterkunft und 31 Euro für die Heizung monatlich (Bescheid vom 28.11.2004, Widerspruchsbescheid vom 2.5.2005).

3

Das Verwaltungsgericht (VG) Bremen - Kammer für Sozialgerichtssachen - hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 28.7.2006). Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Beklagte am 22.11.2006 dem Kläger für die umstrittene Zeit Leistungen für die Unterkunft in Höhe von 265 Euro monatlich bewilligt. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) der Freien Hansestadt Bremen - Senat für Sozialgerichtssachen - hat unter Änderung der angefochtenen Bescheide den Beklagten verurteilt, dem Kläger vom 1.1. bis zum 30.6.2005 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 291,50 Euro zu bewilligen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 18.2.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Streitgegenstand sei nur die Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, bei deren Prüfung in mehreren Schritten vorzugehen sei(Hinweis auf BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2; BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3).

4

Die angemessene Wohnungsgröße für Ein-Personen-Haushalte reiche in der Stadt Bremen bis 48 qm nach der Neufassung der Richtlinien zur Durchführung der vertraglich vereinbarten Förderung der Modernisierung von Mietwohnungen in der Freien Hansestadt Bremen vom 10.5.2004 (Amtsblatt der Freien Hansestadt Bremen 417). Der Wohnungsstandard müsse nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen. Der räumliche Vergleichsmaßstab sei so zu wählen, dass der Leistungsberechtigte in seinem sozialen Umfeld verbleiben könne. Bei einer Großstadt wie Bremen mit rund 548 000 Einwohnern sei eine Differenzierung geboten. Angemessen als räumlicher Vergleichsmaßstab sei vorliegend der Stadtbezirk Bremen-West, in dem der Stadtteil W liege, in dem der Kläger wohne. In Bremen-West wohnten ca 88 600 Einwohner, er umfasse 15 Ortsteile, in denen ein Umzug zumutbar sei und er sei im Hinblick auf Wohnbebauung und Mietniveau ähnlich strukturiert. Die Ortsteile seien durch öffentliche Verkehrsmittel gut miteinander verbunden.

5

Für die Stadt Bremen liege weder ein einfacher noch ein qualifizierter Mietspiegel vor. Der Beklagte habe auch kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung des Mietniveaus für eine sozialrechtlich angemessene Wohnung für Ein-Personen-Haushalte im Stadtbezirk Bremen-West erstellt. Das vom Beklagten vorgelegte Ergebnis einer Recherche aufgrund von Wohnungsanzeigen genüge den Anforderungen für ein schlüssiges Konzept nicht. Dem "GEWOS-Gutachten", in dem eine umfassende Erhebung des Mietwohnungsbestandes in Bremen erfolgt sei, könne der zu ermittelnde abstrakt angemessene Mietzins für den Stadtbezirk Bremen-West nicht entnommen werden, denn die Angaben zum Mietniveau bezögen sich auf die ganze Stadt. Daher seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ( Hinweis auf die Urteile vom 7.11.2006, aaO) zur Bestimmung des abstrakt angemessenen Mietzinses die Werte der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz(in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954, im Folgenden: WoGG aF) zugrunde zu legen. Diese Werte seien durch die in den GEWOS-Gutachten über die Mietsituation in Bremen enthaltenen Erkenntnisse zu modifizieren. Der Beklagte habe vorliegend bei der Bemessung der Leistung für die Unterkunft § 8 WoGG aF und die Mietstufe IV angewandt, aber nicht die äußere rechte Spalte (Bezugsfertigkeit ab 1.1.1992), sondern die zweite von rechts (Bezugsfertigkeit vom 1.1.1966 bis zum 31.12.1991) und einen Betrag von 265 Euro als angemessen angesehen. Dem könne aufgrund der Untersuchungen des GEWOS-Institutes nicht gefolgt werden, weil ein unausgeglichenes Verhältnis zwischen der Anzahl der nach dem SGB II hilfebedürftigen alleinstehenden Personen und dem Bestand an Wohnraum zu diesem Mietpreis vorgelegen habe. Als angemessener Wohnungsbestand für Alleinstehende mit bis zu 50 qm seien insgesamt 16 100 Einheiten ermittelt worden, von denen 13 100 bis 14 500 von Haushalten nach dem SGB II und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bewohnt wurden und weitere 310 Wohnungen leer standen. Die Anzahl der nicht angemessen wohnenden Alleinstehenden habe 5000 bis 5500 Personen betragen, für die folglich nur 1600 bis 3000 Wohnungen zur Verfügung gestanden hätten. Nach dem GEWOS-Gutachten und den Ausführungen der Sachverständigen S würde sich durch eine Anhebung der Mietobergrenze um 10 vH die Anzahl der angemessenen Wohnungen von 16 100 auf 24 000 erhöhen und ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Nachfrage und angemessenem Wohnungsbestand für Alleinstehende ergeben. Der angemessene Mietzins für den Kläger betrage daher monatlich (265 + 26,50 =) 291,50 Euro. Zwar beziehe sich das GEWOS-Gutachten auf die gesamte Stadt Bremen, der Übertragung auf den Stadtbezirk West stünden aber keine durchgreifenden Hinderungsgründe entgegen.

6

Entgegen der Ansicht des Klägers beinhalte § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954, im Folgenden: SGB II aF) keine Regel, nach der eine Absenkung der Unterkunftskosten erst sechs Monate nach Bezug von Leistungen nach dem SGB II möglich sei. Für den Kläger habe die Möglichkeit eines Umzugs bestanden, wie sich aus dem GEWOS-Gutachten und den Erläuterungen der Sachverständigen ergebe. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, ihm günstigen Wohnraum nachzuweisen. Vielmehr sei es eine Obliegenheit des Klägers gewesen, sich um eine angemessene Unterkunft zu bemühen. Ein Umzug in eine kostengünstigere Wohnung sei dem Kläger auch zuzumuten gewesen. Dagegensprechende Gründe seien weder vorgetragen worden, noch ersichtlich.

7

Mit der - vom BSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend: Nach den Feststellungen des OVG liege für die Stadt Bremen kein einfacher und kein qualifizierter Mietspiegel vor, auch habe der Beklagte kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung des Mietniveaus. Demgemäß sei der Bemessung der Leistung für die Unterkunft des Klägers zumindest der Mietzins nach der rechten Spalte in § 8 WoGG aF in Höhe von 325 Euro zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 %, also 357,50 Euro zugrunde zu legen(Hinweis ua auf BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3). Wäre das OVG seiner Verpflichtung nachgekommen, der Bemessung der Leistung für die Unterkunft ein schlüssiges Konzept zugrunde zu legen und sich ggf von dem Beklagten vorlegen zu lassen, hätte es den Beklagten verpflichten müssen, die tatsächlichen Unterkunftskosten des Klägers zu übernehmen.

8

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 18. Februar 2009 und den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 28. Juli 2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 28. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2005 und den Bescheid vom 22. November 2006 zu ändern
und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen für die Unterkunft und die Heizung in Höhe von 423,24 Euro vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 monatlich zu zahlen.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Auf die Revision des Klägers ist das Urteil des OVG der Freien Hansestadt Bremen aufzuheben, weil der rechtlichen Auffassung des OVG in mehreren Punkten nicht gefolgt werden kann. Der Rechtsstreit ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) zurückzuverweisen, weil eine endgültige Entscheidung seitens des BSG mangels ausreichender Feststellungen nicht möglich ist.

11

Streitgegenstand des Verfahrens ist nach den Anträgen des Klägers in den Vorinstanzen die "Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten" und der diesen Anspruch regelnde Bescheid des Beklagten vom 28.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.5.2005 und der im Laufe des Berufungsverfahrens ergangene Änderungsbescheid vom 22.11.2006. Eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Leistungen für die Unterkunft und Heizung ist zulässig, soweit es sich bei der Verfügung über diese Leistungen um eine abtrennbare Verfügung (Verwaltungsakt iS des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) des Gesamtbescheides handelt. Eine weitere Aufspaltung des Streitgegenstandes in die Leistungen für die Unterkunft und für die Heizung ist rechtlich nicht möglich, weil diese Leistungen eng miteinander verknüpft sind, zB über die Wohnungsgröße (vgl mit weiterer Begründung: BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 18 ff). Hierin hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über frühere Bewilligungsabschnitte nichts geändert.

12

Die aufgezeigten Voraussetzungen für eine Beschränkung des Streitgegenstandes sind vorliegend erfüllt, weil insbesondere der Widerspruchsbescheid eine abtrennbare Verfügung über die Leistung für die Unterkunft und Heizung enthält. Soweit der vor dem VG und dem OVG nicht anwaltlich vertretene Kläger in seinen Sachanträgen "die tatsächlichen Unterkunftskosten" begehrt hat, ist hierin bei sachgerechter Auslegung seiner Anträge (vgl § 123 Sozialgerichtsgesetz) keine Beschränkung des Streitgegenstandes und Ausschluss der Leistung für die Heizung zu sehen, sodass sich für die streitgegenständliche Zeit aufgrund der tatsächlichen Bruttokaltmiete von 378,24 Euro plus des zu zahlenden Vorschusses für die Heizung von 45 Euro ein Betrag von 423,24 Euro ergibt.

13

Ob der Kläger zu dem dem Grunde nach anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II gehört, kann nicht abschließend beurteilt werden, weil das Urteil des OVG zu einigen Grundvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (Alter, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit) keine Feststellungen hinsichtlich des Klägers enthält.

14

Die vorliegend umstrittenen Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, das insofern vom 1.1.2005 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (ständige Rechtsprechung vgl nur BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 12 mwN). Zwischen der Leistung für die Unterkunft und der Leistung für die Heizung ist zu unterscheiden, wie schon im Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals Leistungen sowie der Rechtsprechung des BSG zu entnehmen ist (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 18).

15

Die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistung für die Heizung kann vom Senat nicht beurteilt werden, weil das Urteil des OVG insofern keine weitergehenden Feststellungen enthält, außer der dem Kläger von dem Beklagten bewilligten 31 Euro.

16

Der Kläger könnte gegen den Beklagten einen Anspruch auf eine höhere Leistungen für die Unterkunft (Nettokaltmiete plus kalte Betriebskosten) als die ihm vom OVG zugesprochenen 291,50 Euro monatlich für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.6.2005 haben, weil die Herleitung des Betrags nicht frei von Rechtsfehlern ist.

17

Zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft, auf die der dem Grunde nach Leistungsberechtigte Anspruch hat, ist in mehreren Schritten vorzugehen: Zunächst ist die angemessene Leistung für die Unterkunft unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren abstrakt zu ermitteln (dazu 1.). Dann ist - falls insofern vom Leistungsberechtigten Einwände vorgebracht werden - zu prüfen, ob in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum eine solche abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte angemietet werden können (dazu 2.). Soweit die Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft übersteigen, sind erstere solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 Satz 2 SGB II aF, der durch die Einführung des neuen Satzes 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706, ohne inhaltliche Änderung zu Satz 3 wurde; zu dieser Voraussetzung unter 3.; vgl zu allen Voraussetzungen ua BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19 ff; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 12 ff; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29; zuletzt: BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 20 ff).

18

1. Die Höhe der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft des Klägers kann aufgrund der Feststellungen des OVG nicht beurteilt werden.

19

Die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft ist entsprechend der soeben aufgezeigten Rechtsprechung in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln: a) Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. b) Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen. c) Im nächsten Schritt ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro qm Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraumes zu zahlen ist, um die nach der Produkttheorie angemessene Nettokaltmiete zu ermitteln. d) Zu der so ermittelten Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen.

20

a) Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende in Bremen 48 qm.

21

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (ständige Rechtsprechung seit BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376, "Wohnraumförderungsgesetz", im Folgenden: WoFG) wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen des jeweiligen Landes".

22

Nach den Feststellungen des OVG ist nach der Neufassung der Richtlinien zur Durchführung der vertraglich vereinbarten Förderung der Modernisierung von Mietwohnungen in der Freien Hansestadt Bremen vom 20.5.2004 (Abl 417 ff) für einen Ein-Personen-Haushalt eine Wohnungsgröße bis 48 qm angemessen. An diese Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II aus den genannten Gründen anzuknüpfen.

23

b) Der für den Kläger maßgebliche örtliche Vergleichsraum kann nach den derzeitigen Feststellungen des OVG nicht auf den Stadtbezirk Bremen-West beschränkt werden.

24

Zur Begründung dieses von ihm angenommenen örtlichen Vergleichsraums hat das OVG angeführt, dass bei einer Großstadt wie Bremen mit rund 548 000 Einwohnern eine Differenzierung geboten sei. Das Mietniveau sei in den einzelnen Stadtteilen unterschiedlich hoch, es gebe Stadtteile, in denen 77 % der Mietwohnungen auf geringem Niveau liegen.

25

Nach der Rechtsprechung des BSG ist Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes zunächst der Wohnort des Leistungsberechtigten. Der Vergleichsraum muss einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung umfassen, um ein entsprechendes Wohnungsangebot aufzuweisen und die notwendigen abstrakten Ermittlungen zu ermöglichen. Des Weiteren muss er aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur, insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit, einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Das BSG hat als solche Vergleichsräume die Städte München mit rund 1,36 Mio Einwohnern (BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19) und Berlin mit rund 3,4 Mio Einwohnern angesehen (BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 24). Es hat darauf hingewiesen, dass eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke oder Ortsteile mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum das Risiko einer Gettoisierung birgt.

26

Dem folgend kann aus der Einwohnerzahl der Stadt Bremen kein zwingender Grund für eine weitere Unterteilung der Stadt abgeleitet werden. Dagegen spricht vielmehr die Feststellung des OVG, in bestimmten Stadtteilen würden 77 % der Mietwohnungen auf geringem Niveau liegen, was möglicherweise die Gefahr einer Gettoisierung birgt, und die weiteren Ausführungen des OVG zum maßgeblichen Datenbestand, bei denen oftmals auf die gesamte Stadt Bremen zurückgegriffen wurde. Ob die Stadt Bremen insgesamt die Voraussetzungen eines Vergleichsraumes erfüllt, wird das LSG zu prüfen haben.

27

c) Welche unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards angemessene Nettokaltmiete pro qm Wohnfläche auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraumes für den Kläger zugrunde zu legen ist, kann aufgrund der Feststellungen des OVG nicht bestimmt werden.

28

Unabhängig von der Beantwortung der Frage nach dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum (siehe zuvor) gibt es nach den Feststellungen des OVG für die Stadt Bremen weder einen einfachen noch einen qualifizierten Mietspiegel, und der Beklagte hat auch kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung des Mietniveaus für eine angemessene Wohnung für Ein-Personen-Haushalte aufgestellt. Ob aus dem GEWOS-Gutachten, das eine umfassende Erhebung des Mietwohnungsbestandes für die gesamte Stadt Bremen enthält, entsprechende Zahlen abgeleitet werden können, ggf in Verbindung mit weiteren Ermittlungen (vgl zB die Anhörung der Sachverständigen S und ihre sehr differenzierten Angaben zum Wohnungsbestand für Alleinstehende in Bremen), kann vom Senat mangels weiterer Feststellungen nicht beurteilt werden (vgl auch BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16).

29

Nur wenn es nicht möglich ist, auf diesem Wege eine angemessene Nettokaltmiete zu bestimmen, kann zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft auf die Tabelle zu § 8 WoGG aF zurückgegriffen werden. Dieser Rückgriff auf § 8 WoGG führt jedoch nicht zu einem geeigneten Maßstab zur Bestimmung der angemessenen Leistung für die Unterkunft iS des § 22 SGB II, sondern beinhaltet nur eine Angemessenheitsgrenze nach oben, weswegen auch die rechte Spalte in der Tabelle zugrunde zu legen ist(BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2; BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 15; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 21 f, 27).

30

Gegen ein "Mischverfahren" wie es das OVG angewandt hat, bei dem von Werten aus der Tabelle nach § 8 WoGG aF ausgegangen wird und diese aufgrund bestimmter lokaler Erkenntnisse verändert werden, um ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Nachfrage und angemessenem Wohnungsbestand zu erreichen, spricht schon, dass ihm keine systematische Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete zugrunde liegt. Offen bleibt zB, warum von den Werten der zweiten Spalte von rechts in der Tabelle ausgegangen wird und nicht von denen in der ganz rechten oder dritten von rechts.

31

d) Feststellungen zu den abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten fehlen.

32

2. Ob in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum eine solche abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte gemietet werden können, kann mangels entsprechender Feststellungen nicht beurteilt werden (vgl BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - , zur Veröffentlichung vorgesehen).

33

3. Ob die Aufwendungen des Klägers für seine Unterkunft (Bruttokaltmiete von 378,24 Euro), wenn sie die abstrakt angemessene Leistung für seine Unterkunft übersteigen, nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II aF zu berücksichtigen sind, weil es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar war, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, kann ebenfalls nicht abschließend entschieden werden.

34

Das OVG hat insofern zu Recht auf die schon durch den Sozialhilfeträger erfolgten Kostensenkungsinformationen hingewiesen (BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 23; BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 24). Individuelle Gründe, die seitens des Klägers einer Kostensenkung entgegenstehen, hat das OVG nicht festgestellt.

35

4. Der Rechtsstreit ist an das LSG Niedersachsen-Bremen zurückzuverweisen. Zwar hat das OVG der Freien Hansestadt Bremen "das Urteil erlassen" (vgl § 170 Abs 2 Satz 2 SGG am Ende) und nicht das LSG Niedersachsen-Bremen. Die früheren §§ 50a ff SGG, nach denen aufgrund Landesrechts die Sozialgerichtsbarkeit in bestimmten sozialrechtlichen Materien durch besondere Spruchkörper der Verwaltungsgerichte ausgeübt wurde(eingeführt durch Gesetz vom 9.12.2004, BGBl I 3302), sind jedoch mit Wirkung vom 1.1.2009 aufgehoben. Die Übergangsregelung in § 206 Abs 2 SGG sieht vor, dass Verfahren, die am 1.1.2009 bei den besonderen Spruchkörpern der Verwaltungsgerichte anhängig sind, bei diesen anhängig bleiben und entsprechend der bisherigen Rechtslage fortgeführt werden; für Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung eines besonderen Spruchkörpers, die nach dem 31.12.2008 ergehen, ist jedoch das LSG zuständig. Entsprechend dieser vom Gesetzgeber getroffenen Regel, die anhängigen Verfahren in der jeweiligen Instanz in den besonderen Spruchkörpern zu belassen, nach Abschluss einer Instanz diese aber der üblichen Zuständigkeitsregelung zu unterwerfen, ist nunmehr für das zurückverwiesene Verfahren das LSG zuständig.

36

5. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung des Klägers in der Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010.

2

Der 1970 geborene Kläger bewohnt eine 55 qm große Wohnung in H. Ab dem 1.8.2009 betrug die monatliche Grundmiete 270 Euro. Die Betriebskostenvorauszahlung belief sich auf 100 Euro monatlich sowie die Heizkostenvorauszahlung auf 53 Euro monatlich. Die Warmwasseraufbereitung erfolgte zentral über die Heizungsanlage.

3

Die Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend: Beklagter) gewährte dem Kläger für die Zeit vom 1.8.2009 bis 31.1.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, ua Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 416,21 Euro (370 Euro Bruttokaltmiete + 53 Euro Heizkostenvorauszahlung abzüglich eines Warmwasserabschlages in Höhe von 6,79 Euro). Mit Schreiben vom 22.7.2009 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass die monatliche Kaltmiete in Höhe von 270 Euro sowie die monatlichen kalten Nebenkosten in Höhe von 100 Euro den von ihm für angemessen erachteten Umfang überstiegen und forderte zur Kostensenkung auf. Der angemessene Höchstbetrag für die Kaltmiete belaufe sich auf 213,75 Euro (45 qm x 4,75 Euro/qm) sowie für die kalten Nebenkosten auf 90 Euro (45 qm x 2 Euro/qm). Er beabsichtige, ab dem 1.2.2010 nur noch die angemessenen Unterkunftskosten zu berücksichtigen.

4

Mit Bescheid vom 13.1.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, wovon mtl 349,96 Euro auf die Kosten der Unterkunft und Heizung (Nettokaltmiete 213,75 Euro + 90 Euro kalte BK + Heizkosten 46,21 Euro) entfielen. Auf den gegen die Höhe der bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung erhobenen Widerspruch des Klägers änderte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 13.1.2010 teilweise ab und gewährte - unter Berücksichtigung monatlicher Heizkosten von 46,53 Euro (Heizkosten 53 Euro abzüglich Warmwasser in Höhe von 6,47 Euro) - nunmehr Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 350,28 Euro. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 1.3.2010).

5

Das SG hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 13.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.3.2010 verurteilt, dem Kläger von Februar bis Juli 2010 Leistungen nach dem SGB II unter Zugrundelegung einer angemessenen Nettokaltmiete in Höhe von 237,50 Euro und angemessenen Betriebskosten in Höhe von 100 Euro zuzüglich angemessener Heizkosten zu bewilligen (Urteil vom 17.11.2010). Das LSG hat die von dem Beklagten erhobene Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird, dem Kläger weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 33,75 Euro monatlich für die Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 zu bewilligen (Urteil vom 16.5.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das SG habe zutreffend eine Grundmiete von 237,50 Euro monatlich als angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II angesehen. Es sei dabei richtigerweise von einer angemessenen Wohnungsgröße von 50 qm für einen Alleinstehenden ausgegangen. Zur Überzeugung des Senats sei die angemessene Wohnfläche im Rahmen der Produkttheorie anhand der im streitigen Bewilligungszeitraum aktuell gültigen Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zur Belegung von gefördertem Wohnraum zu bestimmen. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des BSG, wonach für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze in Ermangelung anderweitiger Erkenntnisquellen grundsätzlich an die anerkannten Wohnraumgrößen für Wohngeldberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau und deshalb an die für die Belegung von gefördertem Wohnraum maßgebenden Vorschriften anzuknüpfen sei. Für die Belegung von gefördertem Wohnraum seien ab dem 1.1.2010 in Nordrhein-Westfalen die in Nr 8.2 der Wohnungsnutzungsbestimmungen (WNB) angesetzten Werte maßgeblich, mithin für einen Ein-Personen-Haushalt 50 qm. Andere Erkenntnisquellen zur Bestimmung der angemessenen Wohnraumgröße im unteren Segment des Wohnungsmarktes seien nicht ersichtlich. Auch das BSG gehe von einer möglichen Dynamisierung der Werte als Folge von Änderungen der maßgeblichen Verwaltungsvorschriften aus. Es habe dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine überragende Bedeutung beigemessen und eine Heranziehung anderweitiger Verwaltungsregelungen zur Bestimmung der Wohnflächen nur dann für vertretbar angesehen, wenn aktuelle Verwaltungsvorschriften zu § 10 WoFG nicht existierten, was vorliegend jedoch nicht der Fall sei. Hierbei habe das BSG an die Rechtsprechung des BVerwG angeknüpft. Durch die Anhebung des Wertes von 45 qm auf 50 qm im Land Nordrhein-Westfalen sei lediglich eine Anpassung an die in anderen Bundesländern übliche Praxis erfolgt. Weiter habe das SG den Vergleichsraum mit dem Stadtgebiet der kreisangehörigen Stadt H. zutreffend festgestellt. Unter Zugrundelegung dessen könne vorliegend als den Wohnungsstandard widerspiegelnder, abstrakt angemessener Quadratmeterpreis ein Betrag von 4,75 Euro/qm angesetzt werden, dessen Angemessenheit zwischen den Beteiligten unstreitig gestellt sei. Die Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 100 Euro monatlich habe der Beklagte in voller Höhe zu übernehmen.

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II. Das LSG habe sich zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche zu Unrecht auf Nr 8.2 der WNB gestützt. Vielmehr sei auch nach Inkrafttreten der WNB weiterhin auf die Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz und mithin auf eine angemessene Wohnfläche für Alleinstehende von 45 qm abzustellen. Dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers. Diesem habe bei Einführung des SGB II zum 1.1.2005 die damalige Situation vor Augen gestanden. Anhaltspunkte für eine sich am Wohnungsbauförderungsrecht orientierende Dynamisierung seien nicht ersichtlich. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die für Hilfebedürftige angemessene Wohnfläche sich mit der Zeit ändern solle, zumal § 22 Abs 1 SGB II und das Wohnraumförderungsrecht unterschiedliche Zwecke verfolgten. Auch Gründe der Rechtssicherheit und Praktikabilität sprächen nicht für die Anwendung der aktuellen WNB. Im Übrigen fehle es für die Anpassung der abstrakt angemessenen Wohnfläche an der Notwendigkeit. Im Gegensatz zu der Höhe der Regelleistung dürfte sich an der Fläche, die ein Mensch für ein menschenwürdiges Dasein benötige, nichts mehr ändern. Soweit in bestimmten Situationen ein erhöhter Wohnflächenbedarf bestehe, habe dies bereits nach altem Recht berücksichtigt werden können.

7

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Aachen vom 17. November 2010 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die Ausführungen der Vorinstanzen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung (§ 170 Abs 2 S 2 SGG)begründet. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, in welcher Höhe dem Kläger in der Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen.

11

1.a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 13.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.3.2010, mit dem der Beklagte dem Kläger im streitigen Zeitraum ua Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 350,28 Euro (213,75 Euro Nettokaltmiete, 90 Euro kalte Betriebskosten, 53 Euro Heizkosten abzüglich 6,47 Euro Warmwasserabschlag) bewilligt hat und gegen den der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) vorgeht. Da sich vorliegend nur der Beklagte mit der Berufung gegen das beide Beteiligte beschwerende Urteil des SG gewandt hat, war ein über die Verurteilung hinausgehender Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung schon nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.

12

b) Der Kläger hat den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Bei diesen handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - RdNr 11 - SozR 4-4200 § 22 Nr 46; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr 11 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

13

2. Unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen hat das BSG jedoch den Anspruch des Klägers auf Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Insoweit mangelt es jedoch an hinreichenden Feststellungen des LSG. Das LSG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass durch das "Unstreitigstellen" bestimmter Teilaspekte des Anspruchs auf Leistungen der Unterkunft und Heizung - hier der abstrakt angemessenen Nettokaltmiete und den abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten - es einer weiteren Darlegung dieser Aspekte nicht bedurfte.

14

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 21; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 20; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung weiter nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 20; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 15, 17; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 14 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

15

Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese - falls vom Leistungsberechtigten entsprechende sachliche Gründe vorgebracht werden - solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 2 SGB II aF, der durch die Einführung des neuen S 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706 - ohne inhaltliche Änderung zu S 3 wurde; vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 29; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 30).

16

Der Senat folgt dem LSG bei der Festlegung der angemessenen Wohnungsgröße und des Vergleichsraums. Diese Feststellungen allein genügen allerdings nicht zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete.

17

3. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße für einen Ein-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 50 qm zu berücksichtigen ist. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist - entsprechend der vom LSG vorgenommenen Auslegung des Landesrechts - in Nordrhein-Westfalen ab dem 1.1.2010 auf die in Nr 8.2 der WNB (MBl NRW 2010, 1) festgesetzten Werte zurückzugreifen. Diese sehen für einen Ein-Personen-Haushalt anstelle von bisher 45 qm eine Wohnfläche von 50 qm vor.

18

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; zuletzt BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 17 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Maßgeblich sind die im streitigen Zeitraum gültigen Bestimmungen (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 14 f; BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 86/09 R - RdNr 18; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr 17). Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtete sich damit grundsätzlich nach den Werten, die die Länder aufgrund von § 10 Wohnraumförderungsgesetz vom 13.9.2001 (BGBl I 2379) (bzw zu der vorherigen Vorschrift des § 5 Abs 2 Wohnungsbindungsgesetz) festgelegt hatten. Maßgeblich für Nordrhein-Westfalen war damit Ziff 5.7.1 der Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG) vom 8.3.2002 in der geänderten Fassung vom 21.9.2006 (Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport, Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8.3.2002, 396, 400; vgl nur BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 - RdNr 16; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr 17). Zum 1.1.2010 ist im Zuge der Föderalismusreform mit dem Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG-NRW) (Art 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen vom 8.12.2009) das WoFG in Nordrhein-Westfalen abgelöst worden. Gleichzeitig sind mit dem Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009 Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB, MBl NRW 2010, 1) zum Vollzug der Teile 4 bis 6 des WFNG NRW erlassen worden und in Kraft getreten. Diese ersetzen die bisherigen VV-WoBindG. Nach Nr 19 S 2 der WNB treten die VV-WoBindG mit Ausnahme der Nr 8 bis 8b.3 und 22 und der Anlage mit Ablauf des 31.12.2009 außer Kraft. Für die Belegung von gefördertem Wohnraum (vgl § 18 WFNG NRW, der Nachfolgevorschrift zu § 27 WoFG - vgl LT-Drucks 14/9394, S 96) sind ab dem 1.1.2010 daher die in Nr 8.2 der WNB angesetzten Werte für Wohnflächen maßgeblich.

19

Dass - wie der Beklagte einwendet - der mit der Angemessenheitsprüfung verbundene Zweck im Rahmen des § 22 SGB II mit den Zwecken des sozialen Wohnungsbaus nicht übereinstimme, wird durch den Rückgriff auf die von den Ländern erlassenen Vorschriften zum sozialen Wohnungsbau ohnehin bewusst in Kauf genommen(vgl bereits BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 15). Insoweit kommt dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine überragende Bedeutung zu. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, ist eine Heranziehung anderweitiger Verwaltungsregelungen zur Bestimmung der Wohnfläche nur dann vertretbar, wenn aktuelle Verwaltungsvorschriften zu § 10 WoFG nicht existieren(vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R). Dies ist auf die Situation in NRW im streitigen Zeitraum zu übertragen. Das WFNG-NRW ist zum 1.1.2010 an die Stelle des WoFG und somit auch des § 10 WoFG getreten. Mit § 18 WFNG-NRW existiert für den Wohnungsberechtigungsschein eine Nachfolgevorschrift zu § 27 WoFG(vgl LT-Drucks 14/9394, 96), der in Abs 4 auf die Bestimmungen der Länder zur maßgeblichen Wohnungsgröße verwies. Welche Wohnungsgröße iS des § 18 Abs 2 WFNG-NRW in der Regel angemessen ist, bestimmt nunmehr Ziffer 8.2 der WNB. Mithin existiert eine aktuelle Bestimmung zur Wohnungsfläche im sozialen Wohnungsbau, die anzuwenden ist.

20

Zudem ist zu berücksichtigen, dass Leistungsberechtigte nach dem SGB II zumindest Teil der Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung sind. Hierauf hat bereits der ebenfalls für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständige 14. Senat des BSG hingewiesen (BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 86/09 R - RdNr 19). Demnach folgt aus § 1 Abs 2 WoFG, dass Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung Haushalte sind, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind; insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen. Hierzu gehören auch Haushalte, deren Mitglieder Leistungen nach dem SGB II beziehen. Nichts anderes ergibt sich aus der im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschrift des § 2 WFNG-NRW.

21

Auch liegt der Schluss nahe, dass - soweit in Nordrhein-Westfalen die Vorschriften über die Wohnflächen gegenüber der bisherigen Regelung erhöht werden - eine entsprechende Anzahl kleinerer Wohnungen für Mieterhaushalte im sozialen Wohnungsbau tatsächlich nicht vorhanden ist. Hieraus folgt, dass solche Wohnungen dann aber auch nicht für Leistungsberechtigte nach dem SGB II zur Verfügung stehen (vgl BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 86/09 R - RdNr 18).

22

Demgegenüber ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 22 SGB II(BT-Drucks 15/1516, S 57) - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht, dass die Ermittlung der angemessenen Wohnfläche keinen Veränderungen unterworfen werden sollte. Es heißt dort lediglich, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung wie in der Sozialhilfe in tatsächlicher, angemessener Höhe berücksichtigt werden, wobei sie den am Maßstab der Sozialhilfepraxis ausgerichteten - angemessenen - Umfang nur dann und solange übersteigen dürfen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder zuzumuten ist, die Aufwendungen für die Unterkunft zu senken. Wie der Beklagte selbst ausführt, entsprach es der sozialhilferechtlichen Praxis, die durch das BVerwG bestätigt wurde (vgl BVerwG Urteil vom 21.1.1993 - 5 C 3/91 - BVerwGE 92, 1, 3; BVerwG Urteil vom 17.11.1994 - 5 C 11/93 - BVerwGE 97, 110, 112 f), dass die Frage nach der sozialhilferechtlich angemessenen Wohnfläche anhand der Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften unter Rückgriff auf die Verwaltungsvorschriften der Länder zu § 5 Abs 2 WoBindG zu beantworten war. Diese Vorschriften wurden sodann zum 1.1.2002 durch das WoFG mit entsprechenden Durchführungsbestimmungen abgelöst, auf die in der Folgezeit grundsätzlich abzustellen war (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, aaO). Nicht anders verhält es sich, wenn durch den Übergang der Gesetzeskompetenz vom Bund auf die Länder landesrechtliche Vorschriften das WoFG abgelöst haben und entsprechende neue Durchführungsvorschriften erlassen worden sind.

23

Auch die Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 26.10.2010 (BT-Drucks 17/3404, S 101) geht grundsätzlich von der Maßgeblichkeit der aktuellen Vorschriften zum sozialen Wohnungsbau aus. Durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) ist zum 1.4.2011 die Möglichkeit des Verordnungsgebers auf Grundlage des § 27 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) eine bundeseinheitliche Bestimmung angemessener Wohnungsgrößen durch Verordnung zu erlassen (vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 18; Urteile vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 16 und - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 14) -, weggefallen. Stattdessen können die Länder, die Kreise und kreisfreien Städte nun durch Gesetz ermächtigt oder verpflichtet werden, durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind (vgl § 22a SGB II). In der Satzung ist auch zu bestimmen, welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt wird (vgl § 22b Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II). Nach der Gesetzesbegründung soll sich die Festlegung angemessener Wohnflächen an den Wohnflächen orientieren, die auf dem örtlichen Markt für Haushalte im Niedrigeinkommensbereich ohne Transferleistungen üblich sind. In Ballungsräumen könne in der Regel davon ausgegangen werden, dass die von Personen im Niedrigeinkommensbereich bewohnten Wohnungen durchschnittlich kleiner seien als die Werte der aktuellen Wohnungsbauförderung. Seien belastbare Daten hierzu nicht verfügbar, könnten der Festsetzung hilfsweise die landesrechtlichen Wohnraumförderbestimmungen zugrunde gelegt werden (vgl dazu BSGE 97, 254 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 3).

24

4. Nach den Feststellungen des LSG ist die Heranziehung des Stadtgebiets der Stadt H. als maßgeblicher Vergleichsraum nicht zu beanstanden. Es handelt sich danach um einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich (zu den Anforderungen an den maßgeblichen Vergleichsraum siehe nur BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR § 22 Nr 19, RdNr 21).

25

5. Der Senat kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG jedoch nicht abschließend beurteilen, ob der von den Vorinstanzen zugrunde gelegte Quadratmeterpreis von 4,75 Euro und mithin eine monatliche Nettokaltmiete von 237,50 Euro abstrakt angemessen sind.

26

Eine rechtliche Einschränkung des Prüfungsumfangs durch das "Unstreitigstellen" bestimmter unselbstständiger Berechnungselemente innerhalb eines einheitlichen Anspruchs auf die abstrakte Rechtsfrage, welche Wohnungsgröße im Rahmen der Anwendung der Produkttheorie zugrunde zu legen ist, ist nicht möglich. Das "Unstreitigstellen" solcher Teilaspekte hat nicht zur Folge, dass das Gericht hieran gebunden ist (vgl BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG Urteil vom 23.8.2011 - B 14 AS 165/10 R - RdNr 16 - SozR 4-4200 § 11 Nr 43). Derartige Erklärungen entbinden das Gericht nicht davon darzulegen, welchen Streitstoff es nach eigener Überzeugungsbildung für maßgebend hält. Durch entsprechende Erklärungen geben die Beteiligten lediglich zum Ausdruck, dass sie von einem bestimmten Sachverhalt ausgehen und die tatsächlichen Grundlagen des Rechtsstreits insoweit aus ihrer Sicht geklärt sind. Dies steuert die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 13; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 68/07 R - BSGE 102, 258 = SozR 4-4225 § 1 Nr 1, RdNr 10). Nur wenn die Annahme naheliegt, dass weitere oder abweichende Tatsachen für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung sind, muss das Gericht in eine weitere Ermittlung des tatsächlichen Streitstoffs einsteigen. Von der Pflicht zur nachvollziehbaren Darlegung einzelner Anspruchselemente entbinden solche Erklärungen jedoch hingegen nicht.

27

Hieran fehlt es vorliegend, denn das LSG hat es unterlassen nachvollziehbar darzulegen, warum der vom Beklagten angesetzte Quadratmeterpreis von 4,75 Euro abstrakt angemessen ist und insofern den vom BSG aufgestellten Anforderungen an ein schlüssiges Konzept (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 26; vgl auch BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 7 und BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42) entspricht. Diese Feststellung ist jedoch - gemeinsam mit Feststellungen zur angemessenen Wohnungsgröße und zum Vergleichsraum - zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 SGB II unerlässlich. Dies wird das LSG im wiederöffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

28

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der 1960 geborene, alleinstehende Kläger bezieht von dem beklagten Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende seit dem 1.1.2005 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er bewohnt seit dem 1.9.2004 eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin-Schöneberg. Für diese Altbauwohnung (bezugsfertig ca 1900) mit einer Größe von 58,31 qm, die über eine Öl-Zentralheizung beheizt (bei einer Gesamtwohnfläche von knapp 2000 qm) und mit Warmwasser versorgt wird, zahlte der Kläger im streitigen Zeitraum eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 438,63 Euro. Der Betrag setzte sich zusammen aus einer Nettokaltmiete von 203,63 Euro, einem Modernisierungszuschlag in Höhe von 98,36 Euro, einer Vorauszahlung für die kalten Betriebskosten in Höhe von 76,31 Euro sowie einem nach dem Mietvertrag nicht abdingbaren Betrag für den Kabelanschluss in Höhe von 14,31 Euro und schließlich einer Vorauszahlung für warme Betriebskosten in Höhe von 46,02 Euro.

2

Der Beklagte gewährte dem Kläger bis einschließlich August 2006 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 438,63 Euro. Mit Schreiben vom 1.2.2006 teilte er dem Kläger mit, die KdU seien nicht angemessen. Für Ein-Personen-Haushalte gelte insoweit ein Richtwert von 360 Euro. Die tatsächlichen Kosten würden solange übernommen werden, wie es dem Kläger nicht möglich sei, die Kosten zu senken. Diese Zusage gelte für längstens sechs Monate. Für die Zeit vom 1.9.2006 bis zum 30.11.2006 bewilligte er mit Bescheid vom 29.5.2006 monatliche Leistungen in Höhe von 705 Euro (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie KdU in Höhe von 360 Euro). Widerspruch und Klage gerichtet auf die Übernahme der KdU in Höhe von 438,63 Euro blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19.7.2006; Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15.2.2007).

3

Das hiergegen angerufene Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und in der Sache mit Urteil vom 26.11.2009 zurückgewiesen. Für den Kläger, der im streitigen Zeitraum Berechtigter im Sinne des § 7 Abs 1 SGB II(in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004, BGBl I 2014) gewesen sei, ergäben sich Ansprüche auf weitergehende KdU als von dem Beklagten bewilligt nach Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten nach der sog Produkttheorie nicht. Lediglich die geltend gemachten Heizkosten seien in Höhe von 39,80 Euro (tatsächliche Kosten abzüglich der Pauschale für die Erwärmung von Wasser) in vollem Umfang als wirtschaftlich angemessen anzusehen. Die übrigen geltend gemachten KdU in Höhe von 392,61 Euro, von denen auch die Kosten für den Kabelanschluss und der Modernisierungszuschlag zu den berücksichtigungsfähigen KdU gehörten, seien unangemessen hoch.

4

Hinsichtlich der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße sei die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zu Grunde zu legen, für die in Berlin - in Ermangelung von Richtlinien zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung - Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) - weiterhin auf die (ehemals) geltenden Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau(Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 - WFB 1990 -) vom 16.7.1990 (Amtsblatt für Berlin 1990, 1379 ff) in der Fassung der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 vom 13.12.1992 (VVÄndWFB 1990; Amtsblatt für Berlin 1993, 98 f) - dort Ziffer I.13 - und ergänzend auf die zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) iVm § 27 Abs 1 bis 5 WoFG erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 (Mitteilung Nr 8/2004) zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen - dort Ziffer 8 Abs 1 Satz 3 - abzustellen sei. Maßgebend seien allein die Größen, die sich für 1-Raum Wohnungen ergäben (45 qm).

5

Für die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Hierfür seien die sich aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3109) ergebenden durchschnittlichen Mittelwerte für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten zu Grunde zu legen, der im streitigen Zeitraum gegolten habe, nicht dagegen die Werte aus dem im laufenden Berufungsverfahren veröffentlichten Mietspiegel 2007, auch wenn dieser auf den im Jahre 2006 gezahlten Mieten fuße. Für eine Wohnfläche von vierzig bis unter sechzig Quadratmetern in einfacher Lage ergebe sich eine Nettokaltmiete von gerundet 4,33 Euro pro qm (Summe aus sämtlichen Mittelwerten geteilt durch 9), und also eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von insgesamt 194,85 Euro (4,33 Euro x 45 qm). Weder halte der Senat insoweit nur einzelne der nach Jahren der Bezugsfertigkeit der Wohnungen und ergänzend nach deren Ausstattung mit Sammelheizung und Bad gebildeten Spalten für maßgeblich noch sehe er innerhalb der einzelnen Spalten die angegebenen Spannentiefst- oder -höchstwerte als entscheidend an. Weitere Verfeinerungen mathematisch-statistischer Art würden weder die Akzeptanz noch die Nachvollziehbarkeit erhöhen, mögliche statistisch-wissenschaftliche Ungenauigkeiten durch den Rückgriff allein auf Mittelwerte würden zur Überzeugung des Senats dadurch kompensiert, dass bereits zu Gunsten der Hilfebedürftigen als Richtwert die maximal förderungsfähige Quadratmeterzahl berücksichtigt werde.

6

Zu der Nettokaltmiete seien die angemessenen kalten Betriebskosten, die regelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten seien, unter Zugrundelegung der vom Deutschen Mieterbund (DMB) mit dem "Betriebskostenspiegel 2005" veröffentlichten Angaben (www.mieterbund.de) zu bestimmen, die sich auf 1,79 Euro pro qm (einschließlich Steuern und Abgaben) monatlich beliefen. Es ergebe sich damit eine angemessene Bruttokaltmiete von insgesamt 275,40 Euro. Der Beklagte habe im Verwaltungsverfahren unter Abzug der maximal berücksichtigungsfähigen Heizkosten von 39,80 Euro monatlich Leistungen für eine Bruttokaltmiete in Höhe von 320,20 Euro zuerkannt und damit bereits einen Betrag, der über der angemessenen Bruttokaltmiete in Berlin für diesen Zeitraum liege.

7

Es sei davon auszugehen, dass eine konkrete Unterkunftsalternative zu diesem Mietzins tatsächlich anmietbar sei. Der Kläger habe jedenfalls Bemühungen zur Kostensenkung nicht erkennen lassen. Soweit er erstmals in der mündlichen Verhandlung ohne jede zeitliche Zuordnung und Darlegung vorgetragen habe, sich erfolglos telefonisch bei 200 bis 300 Vermietern um günstigere Wohnungen bemüht zu haben, sei dies nach Überzeugung des Senats unglaubhaft, denn es stehe in krassem Widerspruch zu seinem bisherigen Vortrag.

8

Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner vom LSG zugelassenen Revision. Er rügt, das LSG habe den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Aufwendungen für eine Unterkunft fehlerhaft konkretisiert. Zudem habe das LSG zu Unrecht den Vortrag des Klägers, er habe vergeblich versucht angemessenen Wohnraum anzumieten, als unglaubhaft abgetan ohne eigene Ermittlungen anzustellen, inwieweit es ihm tatsächlich möglich sei, angemessenen Wohnraum anzumieten.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2009 sowie das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Februar 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 29. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2006 zu verurteilen, ihm weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit von September bis November 2006 in Höhe von monatlich 78,63 Euro zu gewähren.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob der Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen kann, als sie der Beklagte bewilligt hat.

13

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 29.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2006, gegen den sich die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) richtet. Streitgegenstand sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von September 2006 bis November 2006, die dieser Bescheid ua regelt. Der Kläger hat den Streitstoff in der Sache schon mit Klageerhebung auf die KdU beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18).

14

2. Der Kläger gehört nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Neben der Regelleistung hat er damit Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung.

15

3. KdU werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Erfasst sind alle Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag für die Unterkunft ergeben (vgl zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 20 zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung mwN). Dazu zählen hier neben der geschuldeten Nettokaltmiete in Höhe von 203,63 Euro und der Vorauszahlung für die "kalten" Betriebskosten in Höhe von 76,31 Euro auch die Kosten für den Kabelanschluss (dazu nur BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18) sowie der Modernisierungszuschlag in Höhe von 98,36 Euro, wie das LSG zutreffend entschieden hat. Soweit der Vermieter die Kosten einer Modernisierungsmaßnahme nach § 559 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf den Mieter abwälzt, gehören diese Kosten, auch wenn sie weiterhin gesondert ausgewiesen sind, zur vertraglich geschuldeten (Kalt-)Miete.

16

4. Die Angemessenheit von KdU ist (getrennt von den Kosten der Heizung, vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23) unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zu Grunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder der Beklagte noch das LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.

17

a) Entgegen der Auffassung des LSG ergibt sich für einen Ein-Personen-Haushalt in Berlin eine maßgebliche Wohnfläche von 50 qm. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 WoFG vom 13.9.2001 (BGBI I 2376) iVm § 5 WoBindG in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (neue Fassung) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG(als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an eine Einzelperson Wohnraum von bis zu 50 qm überlassen werden. An diese Regelungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF, die auch nach Inkrafttreten von § 27 WoFG und § 5 WoBindG nF Grundlage für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind, ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14). Entgegen der Auffassung des LSG sind die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl (sofern sie überhaupt im Regel-Ausnahmeverhältnis zu verstehen wären, wie das LSG meint) für die Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II unbeachtlich. Dies haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits für andere Bundesländer entschieden, in denen neben der Wohnungsgröße auch die Raumzahl entscheidend ist (vgl für Bayern BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 15; für Rheinland-Pfalz BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 34; für Nordrhein-Westfalen BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb für das Land Berlin anderes gelten sollte. Auch auf die (unterschiedlichen) Wohnungsgrößen in den (zum 31.12.1999 außer Kraft getretenen) Richtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für die Förderung der Neuschaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau (WFB 1990 vom 16.7.1990 in der Fassung der VVÄndWFB 1990 vom 13.12.1992) und den Richtlinien über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum (Eigentumsförderungssätze 1999 vom 25.5.1999) kommt es nicht an. Diese mögen Auswirkungen auf die üblichen Wohnungsgrößen im geförderten Wohnungsbau nach 1992 haben (und damit ohnehin nur für ein Teilsegment des in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarktes), es handelt sich aber nicht um Bestimmungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF.

18

b) Zutreffend hat das LSG bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des BSG muss es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der auf Grund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des LSG sprechen, dass es sich bei der Stadt Berlin insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handelt. Die Stadt Berlin ist mit einer Einwohnerzahl von rund 3,4 Millionen (Stand 2006; Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) und einer Fläche von rund 891 qkm zwar nahezu dreimal so groß wie die Stadt München (rund 1,36 Millionen Einwohner bei einer Fläche von rund 310 qkm; Quelle: Statistisches Amt München), für die der 4. Senat des BSG einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen hat ( vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale liegen aber - trotz dieser Größe - auch bezogen auf das Stadtgebiet von Berlin vor. Der öffentliche Nahverkehr ist auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her ausgerichtet. Von den Randlagen aus ergeben sich in die innerstädtischen Bezirke insoweit lediglich Fahrzeiten, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden (vgl § 121 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das Risiko einer Gettoisierung. Außerdem zeigt die Wohnlagenkarte als Anlage zu dem vom LSG in Bezug genommenen Berliner Mietspiegel, dass ohnehin in allen Bezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren (dazu sogleich), vorhanden sind, sodass auch von daher die Bildung eines engeren Vergleichsraums nicht erforderlich erscheint. Es steht nicht zu befürchten, dass mit einem ggf zur Kostensenkung erforderlichen Umzug regelmäßig das nähere soziale Umfeld verlassen werden muss. Soweit ein solcher Umzug über die Orts- oder auch Bezirksgrenzen hinweg im Einzelfall gleichwohl notwendig wird, ist dies im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Hilfebedürftigen hinzunehmen (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 18).

19

c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zu Grunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln ( vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R ).

20

aa) Die Träger der Grundsicherung entscheiden in Berlin über die Angemessenheit von Unterkunftskosten auf Grundlage der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen). Es handelt sich dabei um bloße Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des Beklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (360 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG zu Grunde liegt. Ob zur Ermittlung des Wertes die Produkttheorie unter Zugrundelegung der oben genannten Wohnungsgrößen angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden sind, wird nicht erkennbar und ist von dem Beklagten nicht vorgetragen. Im Übrigen ist der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat (ausdrücklich bereits BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 19).

21

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2005 (vom 22.8.2005, Amtsblatt für Berlin 2005, 3109) bestimmt. Bei diesem Mietspiegel handelt es sich um einen qualifizierten Mietspiegel iS des § 558d BGB. Grundlage für die vorliegende Entscheidung ist dabei der Mietspiegel für das Jahr 2005, denn ein "schlüssiges Konzept", das vorrangig der Grundsicherungsträger vorzulegen hat, muss bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (anders etwa SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 43). Da ein solches Konzept im Rahmen der Angemessenheitsprüfung in der Folge gerichtlich voll überprüfbar ist, sind Ausgangsdaten allerdings zu korrigieren, soweit sich in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren herausstellt, dass es zu nicht vorhersehbaren Preissprüngen gekommen ist. Diese Prüfung wird das LSG ggf nachzuholen haben.

22

Qualifizierte Mietspiegel können - wie auch einfache Mietspiegel - Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach §22 Abs 1 SGB II sein (vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 16; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25 und zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25). Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben(zum Folgenden auch Butzer/Keller, NZS 2009, 65). Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen (wie dies auch bezogen auf den Berliner Mietspiegel der Fall ist) nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist - wie bereits ausgeführt - auch bei der Prüfung nach § 22 Abs 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. Im Hinblick auf das mit dem Mietspiegel nicht erfasste Marktsegment der preisgebundenen Wohnungen bestehen - jedenfalls bezogen auf Berlin - keine weitergehende Bedenken. Mit dem Wegfall der Anschlussförderung für Objekte des Sozialen Wohnungsbaus, bei denen die 15jährige Grundförderung ab dem 1.1.2003 endet (dazu BVerwGE 126, 33), und dem Verzicht auf die entsprechenden Belegungsbindungen sank der Anteil mietpreisgebundener Sozialwohnungen bis Ende 2006 auf knapp 12 % des Gesamtwohnungsbestandes (vgl Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 2007, S 30 unter Bezugnahme auf Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung). Hilfebedürftige werden damit in erster Linie auf die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt angewiesen sein.

23

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig, wovon das LSG im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen ist (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Über das Baualter können zwar sehr vergröbernd Rückschlüsse auf die Bauweise und den Baustandard gezogen werden. Insbesondere liegt der Ausstattungsgrad von Neubauten im Regelfall über dem Ausstattungsgrad in Gebäuden älterer Bauklassen. Gerade Wohnungen, die in der Nachkriegszeit erbaut worden sind, haben häufig einen wesentlich geringeren Ausstattungsgrad. Aus dem Mietspiegel allein lässt sich jedoch nicht ersehen, inwieweit gerade Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, die den Rückschluss zulassen, im konkreten Vergleichsraum sei eine "angemessene" Wohnung tatsächlich anmietbar. Zudem birgt die Verweisung auf bestimmte Bauklassen verdeckt die Gefahr einer Gettoisierung. Solange nicht statistisch valides Material vorliegt, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile einer Stadt - prägen, erscheint es nicht zulässig, allein bestimmte Bauklassen in Bezug zu nehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bauklassen, die den Standard von Neubauten abbilden. Zwar werden eine ganze Anzahl von Neubauten einen Ausstattungsgrad haben, der über das in Bezug zu nehmende Segment nach § 22 SGB II hinausgeht. Eine generelle Festlegung, der Hilfeempfänger sei schlechterdings von der Anmietung einer solchen Wohnung ausgeschlossen, lässt sich aber nicht treffen (vgl auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Erst wenn weitergehendes Material erkennen lässt, dass Gebäude dieser Bauklassen den Mietmarkt des unteren Marktsegments nicht maßgeblich mitprägen, kommt eine Außerachtlassung der Mietpreise für solche Bauklassen in Betracht.

24

Allerdings weist der Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad) gesondert aus. Es handelt sich einerseits um Wohnungen mit "Ofenheizung", bei denen sich der Mieter der Wohnung mit der Versorgung mit Kohlen und der Entsorgung der Asche befassen muss (vgl LG Berlin Urteil vom 15.1.2007 - 67 S 305/06 - juris RdNr 13), und andererseits oder kumulativ um Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder Küche) waschen, aber nicht duschen können. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden. Dem lässt sich nicht mit dem LSG entgegenhalten, diese Werte seien einzubeziehen, um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten. Wenn solche Wohnungen nicht den unteren, sondern den untersten Standard abbilden, gehören sie von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung des qualifizierten Mietspiegels unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet.

25

cc) Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete, wie ihn das LSG vorgenommen hat, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht. Die Bildung arithmetischer Werte bietet gerade bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment abbildet. Die sog Tabellenmethode, nach der der Berliner Mietspiegel erstellt ist, stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen (hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen. Zwischen den einzelnen (insgesamt 113 besetzten) Rasterfeldern bestehen keine Beziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem einzelnen, mit den drei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Einzelne Felder haben also je nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt. Weil die Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird.

26

Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen. Solche Rückschlüsse, die aus weitergehendem Material (das etwa auch der Träger der Grundsicherung auf Grund eigener Erhebungen einführen könnte) getroffen werden, müssen gerichtlich überprüfbar sein. Dies trifft aber auf die Grundlagendaten für qualifizierte Mietspiegel entgegen der Auffassung des LSG zu. Für einen qualifizierten Mietspiegel ist immer eine Primärdatenerhebung erforderlich, also die Erhebung von Daten, die ausschließlich zum Zweck der Mietspiegelerstellung erhoben wurden. Die Daten der Primärdatenerhebung müssen repräsentativ sein, die gezogene Stichprobe muss ein realistisches Abbild des Wohnungsmarktes abgeben (vgl im Einzelnen Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl 2008, § 558d RdNr 7). Die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze muss in einer öffentlich zugänglichen Dokumentation niedergelegt sein (aaO RdNr 10). Es erscheint damit durchaus sinnvoll, solche Grundlagendaten bei Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Konzepts heranzuziehen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Auswertung dieser bereits vorhandenen Daten zu einem erhöhten (über einfache Rechenschritte hinausgehenden) Aufwand bei den Gerichten führen muss. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist in erster Linie der kommunale Träger für solche notwendig erscheinenden Auswertungen im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin der Fall ist.

27

Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.

28

d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Schon der Wortlaut des § 22 Abs 1 SGB II zeigt, dass diese Kosten zu den KdU für einen Hilfebedürftigen gehören und nicht - wie die Heizkosten - getrennt erfasst werden sollen. Zur realistischen Abbildung eines abstrakt angemessenen Mietpreises ist die Einbeziehung des Faktors "kalte Betriebskosten" erforderlich. Dies entspricht den mietrechtlichen Vorgaben im Mietwohnungsbau, an denen sich der Gesetzgeber des SGB II wegen der KdU orientiert. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (vgl nur Blank in Blank/Börstinghaus, aaO, § 556 RdNr 1). Auch der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum kann Betriebskosten nur als gesondert abzurechnende Kosten auf den Mieter abwälzen (vgl § 20 der Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen - Neubaumietenverordnung - BGBl 1990, 2204 idF BGBl I 2003, 2346).

29

Eine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs 1 und 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufstellung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen(BetrKV; vom 25.11.2003, BGBl I 2346 ) normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt angemessenen Kosten iS des § 22 Abs 1 SGB II sind die dort genannten Betriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten. Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. Zutreffend geht das LSG davon aus, dass solche Werte möglichst aktuell sein müssen, um sichere Rückschlüsse auf das Preisniveau im jeweiligen Vergleichsraum zu geben. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell sind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die Werte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen Preisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich.

30

5. Zutreffend hat das LSG die Prüfung der Angemessenheit der Heizkosten getrennt von den übrigen Unterkunftskosten auf Grundlage der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG durchgeführt und die tatsächlichen Aufwendungen als angemessen angesehen.

31

6. Sollten sich die Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung als unangemessen erweisen, könnten dem Kläger höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zustehen. Soweit danach die Aufwendungen für die Unterkunft den den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder in sonstiger Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese Prüfung wird das LSG auf Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung abschließend erneut durchzuführen haben, wobei nicht erkennbar ist, dass die entsprechende Prüfung im angefochtenen Urteil für sich genommen rechtsfehlerhaft war. Die bislang vorgenommenen tatrichterlichen Würdigungen entziehen sich einer eigenständigen Bewertung durch das Revisionsgericht.

32

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft (KdU) und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006.

2

Die verheirateten Kläger leben seit 24 Jahren in der Gemeinde G (ca 11 000 Einwohner) im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. G grenzt direkt an das Stadtgebiet der Stadt Freiburg im Breisgau (ca 220 000 Einwohner), die den Stadtkreis Freiburg bildet. Die Kläger bewohnen seit 2004 eine knapp 80 qm große, ihrem Sohn gehörende Drei-Zimmer-Wohnung, für die sie eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 572 Euro entrichten. Der Beklagte bewilligte seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen KdU und Heizung (Bescheid vom 27.11.2004), wies die Kläger aber gleichzeitig darauf hin, dass die Wohnung unangemessen teuer sei und die tatsächlichen Unterkunftskosten nur für eine Übergangszeit von längstens sechs Monaten übernommen werden könnten. Ab 1.7.2005 könne nur noch ein Betrag in Höhe von 306,60 Euro entsprechend einem Mietpreis von 5,11 Euro/qm für eine 60 qm große Wohnung in einem Zweipersonenhaushalt als Kaltmiete anerkannt werden. Einen erneuten Hinweis auf die für angemessen erachtete Miete sowie zur Senkung der Unterkunftskosten enthielt der Bescheid des Beklagten vom 29.4.2005, mit dem Leistungen für die Zeit vom 1.6.2005 bis 30.11.2005 bewilligt wurden. Der Antrag der Kläger auf Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006, mit dem der Beklagte für den Bewilligungszeitraum vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro monatlich zuzüglich Nebenkosten bewilligte, war ohne Erfolg (Bescheid vom 3.7.2006; Widerspruchsbescheid vom 27.7.2006). Für den weiteren Bewilligungszeitraum vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 erkannte der Beklagte gleichfalls nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro an (Bescheid vom 24.5.2006; Widerspruchsbescheid vom 3.7.2006).

3

Das SG hat den Beklagten unter Änderung der Bewilligungsbescheide und Aufhebung des Bescheids vom 3.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006 verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 unter Berücksichtigung einer Kaltmiete in Höhe von 572 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom 18.7.2008). Ihnen sei es nicht möglich gewesen, die Wohnkosten auf das tatsächlich angemessene Maß zu senken, weil sie von dem Beklagten nicht zutreffend belehrt worden seien.

4

Das LSG hat den Beklagten unter Abänderung des Urteils des SG verurteilt, den Klägern im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Zugrundelegung von Unterkunftskosten einschließlich kalter Nebenkosten in Höhe von monatlich 446,25 Euro zu gewähren, im Übrigen die Klage abgewiesen sowie die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Eine wirksame Kostensenkungsaufforderung liege vor. Der Beklagte habe in dem vorliegend streitigen Zeitraum aber kein schlüssiges Konzept für die Ermittlung der angemessenen KdU und Heizung. Der von ihm angenommene Quadratmeterpreis beruhe auf Erfahrungen, Bestätigung durch die sozialhilferechtliche Rechtsprechung zum BSHG, Beobachtung des Wohnungsmarktes und der Berücksichtigung des Freiburger Mietspiegels. Für den Vergleichsraum existiere kein Mietspiegel. Für den streitigen Zeitraum von 12/2005 bis 11/2006 könne der Beklagte - auch unter Mithilfe des Gerichts - ein schlüssiges Konzept nicht mehr erarbeiten oder ein bisheriges Konzept durch Verfeinerung bzw Ergänzung der Datenerhebung verändern. Auch das Gericht könne unter Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen und -mittel im Rahmen der Amtsermittlung, insbesondere auch Einholung eines Sachverständigengutachtens, für die inzwischen vier bzw fünf Jahre zurückliegenden Zeiträume weder ein schlüssiges Konzept noch eine entsprechende Datengrundlage ermitteln. Es seien daher grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger, "nach oben" begrenzt durch die Tabellenwerte zu § 8 WoGG (Höchstbetrag der Tabelle), maßgebend, die um einen - hier angemessenen fünfprozentigen - "Sicherheitszuschlag" zu erhöhen seien. Für die Höhe des Zuschlags sei maßgeblich, dass der Ort G einerseits zu einem eher ländlich geprägten Vergleichsraum im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehöre und andererseits die bestehende räumliche und infrastrukturelle Verbindung zur Großstadt Freiburg aufweise. Ein Vergleich mit dem Mietspiegel der Stadt Freiburg ergebe, dass der Zuschlag angemessen sei. Soweit die Aufwendungen der Kläger den angemessenen Mietpreis von 446,25 Euro überstiegen, handele es sich um unangemessene Kosten, die grundsätzlich nicht mehr übernommen würden. Der Senat habe den von den Klägern im Schriftsatz vom 21.6.2010 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 22.6.2010 gestellten Beweisanträgen nicht nachgehen müssen, weil diese unzulässig seien.

5

Mit ihren Revisionen machen die Kläger eine Verletzung von § 22 SGB II, §§ 103, 128 SGG geltend. Der Beklagte habe im streitigen Zeitraum die tatsächliche Nettokaltmiete in Höhe von monatlich 572 Euro zu übernehmen. Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die vom Beklagten festgesetzte Angemessenheitsgrenze fehlerhaft sei. Dies führe zur Unwirksamkeit der Kostensenkungsaufforderung, weil dieser Wert auch dort genannt werde mit der Folge, dass die tatsächlichen Kosten zu übernehmen seien. Wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis komme, dass die fehlerhaft bezifferte Angemessenheitsgrenze "nicht ursächlich" dafür sei, dass sie keine angemessene Wohnung gefunden hätten, weil sie gar nicht versucht hätten, eine andere Wohnung zu finden oder die Kosten zu senken, sei dies schlicht falsch. Sie hätten sich - wie ihre Dokumentation belege - umfangreich um eine günstigere Wohnung bemüht. Das LSG habe es versäumt, sachgerechte Ermittlungen zur Situation auf dem einschlägigen Wohnungsmarkt im streitigen Zeitraum anzustellen, obwohl umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung gestanden habe (Hinweis auf Gutachten zum Mietspiegel 2007 der Stadt Freiburg i.Br., Gemeinderatsdrucksache G-09/024, Untersuchung des Amtes für Statistik der Stadt Freiburg i.Br. aus 2004, Untersuchung des "Runden Tisches" der Stadt Freiburg i.Br. aus 2006 und Studie des Immobilienverbandes Deutschland von 2008). Ein Rückgriff auf § 8 WoGG sei deshalb unzulässig. Bei Auswertung der Erkenntnisquellen hätte das Berufungsgericht festgestellt, dass die tatsächlichen KdU angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II gewesen seien.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Juli 2008 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG im Wesentlichen für zutreffend. Die Stadt Freiburg i.Br. sei als Referenz- und Vergleichsmaßstab für den Flächenlandkreis Breisgau-Hochschwarzwald nicht tauglich.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

10

1. Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom 3.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006, mit dem der Beklagte den Überprüfungsantrag der Kläger in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 betreffend die KdU und Heizung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 abgelehnt hat. Weiterer Verfahrensgegenstand ist der Bewilligungsbescheid vom 24.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.7.2006, wobei auch hier nur höhere Leistungen der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 im Streit sind. Bei den Leistungen der Unterkunft und Heizung handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl zur Nichtberücksichtigung der Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte: BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).

11

2. Ob die Kläger einen Anspruch auf (teilweise) Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 SGB X und damit verbundenen höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 sowie für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 in Abänderung des Bescheides vom 24.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.7.2006 haben, lässt sich aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Zwar sind die Kläger Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014), weil dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des LSG zu entnehmen ist, dass sie im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch das 65. Lebensjahr vollendet haben (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II) waren und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Es fehlen jedoch Feststellungen sowohl zu den KdU als auch zu den Heizkosten.

12

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 14, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

13

Zwar reichen die Feststellungen des LSG zur angemessenen Wohnfläche (3) sowie zum Fehlen eines tragfähigen schlüssigen Konzepts des Beklagten (4) aus, nicht jedoch diejenigen zum Erkenntnisausfall zur Höhe der angemessenen Unterkunftskosten (5). Das LSG ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass die Kostensenkungsaufforderungen des Beklagten nicht bereits zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit der Kostensenkung führen (6). Sollte das LSG - nach weiterer Prüfung - auf die Tabellenwerte nach § 8 WoGG zurückgreifen, ist die Höhe des vom LSG zu den Tabellenwerten erhobenen Zuschlags zu korrigieren (7).

14

3. Das LSG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 60 qm zu berücksichtigen ist. Das Land Baden-Württemberg hat keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Zweipersonenhaushalte von einer Wohnfläche von 60 qm auszugehen. An diese Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen.

15

4. Nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) lag dem von dem Beklagten im streitigen Zeitraum im Vergleichsraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde, das den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG gerecht wird (vgl nur BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18 ff). Die weitere Feststellung des LSG, dass sich für den streitigen Zeitraum eine entsprechende Datengrundlage zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete nicht mehr ermitteln lässt und insofern ein Erkenntnisausfall vorliegt, reicht für eine Überprüfung durch den Senat aber nicht aus.

16

5. Zwar hat der erkennende Senat für den Fall des Ausfalls von lokalen Erkenntnismöglichkeiten aufgrund von fehlenden Ermittlungen des Grundsicherungsträgers eine Begrenzung der Amtsermittlungspflicht der Sozialgerichte für zulässig erachtet und ausdrücklich betont, dass es im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger sei, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu ermitteln (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 23; BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 26; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 21). Insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume (vgl zum Fehlen von Ermittlungsmöglichkeiten etwa durch Zeitablauf BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 27) brauchen deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden. Dies entbindet jedoch nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen muss erkennbar sein, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat.

17

Hieran fehlt es vorliegend. Zwar können die Feststellungen des LSG, dass ein Mietspiegel und weitere Erkenntnismöglichkeiten und -mittel nicht vorhanden seien, insbesondere - hier - auch ein Sachverständigengutachten für die inzwischen mehrere Jahre zurückliegenden Zeiträume nicht mehr eingeholt werden könne, einen Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG rechtfertigen. Den Ausführungen des LSG kann jedoch nicht zweifelsfrei entnommen werden, auf welchen Vergleichsraum sich diese Feststellungen beziehen, inwieweit es im streitigen Zeitraum - also den Jahren 2005 und 2006 - konkret an einer hinreichenden Datengrundlage fehlt und hierauf aufbauend, warum hierdurch wiederum die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts für die hier denkbaren Vergleichsräume ausscheidet. Obgleich hierzu im sozialgerichtlichen Verfahren von den Beteiligten unterschiedliche Auffassungen vertreten worden sind, hat das LSG im Ergebnis offen gelassen, wie sich der Vergleichsraum im konkreten Fall darstellt. Auch wenn davon auszugehen ist, dass jedenfalls die Gemeinde G als Wohnort der Kläger Teil des Vergleichsraums ist, muss das LSG als Tatsacheninstanz anhand der allgemeinen rechtlichen Vorgaben für die Festlegung des Vergleichsraums (vgl hierzu BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 20 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 24) bestimmen, ob hier weitere Umlandgemeinden, Teile von Freiburg bzw das gesamte Stadtgebiet von Freiburg in die Festlegung des Vergleichsraums einzubeziehen sind. Nur vor diesem Hintergrund ist erkennbar, ob die Feststellung des Erkenntnisausfalls auf einem zutreffenden rechtlichen Maßstab zur Bestimmung eines Vergleichsraums erfolgt ist. Das LSG wird mithin im wiedereröffneten Berufungsverfahren zunächst den Vergleichsraum zu bestimmen haben.

18

6. Der Senat folgt dem Berufungsgericht aber darin, dass die Kostensenkungsaufforderung des Beklagten nicht zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit der Kostensenkung führt.

19

Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 2 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der durch die Einführung des neuen S 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706 - ohne inhaltliche Änderung zu S 3 wurde). Die Kläger wurden mit den Bewilligungsbescheiden vom 27.11.2004 und 29.4.2005 durch die Angabe der aus Sicht des Beklagten angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 306,60 Euro sowie über die aus seiner Sicht bestehende Rechtslage hinreichend informiert. Dies ist ausreichend. Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits mehrfach entschieden haben, stellt § 22 Abs 1 S 2 SGB II keine über eine Aufklärungs- und Warnfunktion hinausgehenden Anforderungen(BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 29; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 7, RdNr 20 ff; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 40; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 16). Der Streit darüber, ob die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage zu klären, welche Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II abstrakt angemessen sind(BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, RdNr 34).

20

7. Kommt das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu dem Ergebnis, dass ein schlüssiges Konzept für den festgelegten Vergleichsraum nicht erarbeitet werden kann, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden dann wiederum durch die Tabellenwerte zu § 8 WoGG (bzw für Zeiträume ab 1.1.2009 § 12 WoGG) im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt. Wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten (vgl § 5 Abs 1 WoGG aF bzw nunmehr § 9 Abs 1 WoGG) nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei § 8 WoGG auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27 im Anschluss an BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26, RdNr 21). Der Sicherheitszuschlag ist im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich. Denn es kann beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27).

21

Vor diesem Hintergrund ist das LSG vorliegend von unzutreffenden Kriterien zur Bestimmung des Zuschlags ausgegangen. Die in § 8 WoGG festgeschriebenen Werte erheben nicht den Anspruch, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden. Der Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/ Dietrich/Fröba, WoGG, Loseblatt, 65. Lfg Mai 2011, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die tatsächliche Miete den in § 8 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist.

22

Bei der Bestimmung des Zuschlages ist daher zu beachten, dass es sich nicht um eine einzelfallbezogene Anwendung auf einen konkreten, tatsächlichen Sachverhalt, die dem LSG unter Beachtung der Verhältnisse des regionalen Wohnungsmarktes obliegt, handelt. Vielmehr ist er unter Berücksichtigung genereller, abstrakter Kriterien festzulegen. Ein Rückgriff auf die regionalen Verhältnisse kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil gerade erst der Ausfall der Erkenntnismöglichkeiten im räumlichen Vergleichsgebiet zur Anwendung von § 8 WoGG führt. Bereits durch die jeweiligen im WoGG verankerten Mietenstufen fließen regionale Unterschiede in die Bestimmung der zu übernehmenden KdU ein. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 8 WoGG (rechte Spalte) einen Zuschlag in Höhe von 10 % als angemessen, aber auch ausreichend(vgl BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; ebenfalls 10 % bejahend: LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 24.4.2007 - L 7 AS 494/05; Urteil vom 11.3.2008 - L 7 AS 332/07; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 26.5.2010 - L 12 <20> SO 37/07; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 26.8.2010 - L 5 AS 4/08; Hessisches LSG Urteil vom 20.12.2010 - L 9 AS 239/08; LSG Sachsen Anhalt Urteil vom 3.3.2011 - L 5 AS 181/07; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 30.9.2011 - L 3 AS 17/09; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 8.12.2011 - L 25 AS 1711/07).

23

8. Da es das LSG unterlassen hat, Feststellungen zu den angemessenen Heizkosten zu treffen, kann der Senat die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen für die Heizung nicht überprüfen. Das LSG wird deshalb im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch die getrennt von den Unterkunftskosten auf ihre Angemessenheit zu prüfenden Heizkosten zu bestimmen haben.

24

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Klägern zustehenden Kosten der Unterkunft (KdU) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Insbesondere ist streitig, ob die den Klägern gewährte Eigenheimzulage bei den KdU bedarfsmindernd berücksichtigt werden darf.

2

Der Kläger zu 1 ist 1955 geboren, seine Ehefrau 1966 (Klägerin zu 2) und die gemeinsame Tochter im Jahre 2001 (Klägerin zu 3). Die Kläger wohnen in einer dem Kläger zu 1 und der Klägerin zu 2 je zur Hälfte gehörenden Eigentumswohnung mit einer Größe von 73 qm. Die ihnen zustehende Eigenheimzulage beträgt jährlich 3.527,91 Euro. Die Kläger erhalten seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

3

Die Agentur für Arbeit Heilbronn bewilligte mit Bescheid vom 11. November 2005 den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 117,40 Euro für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006. Die Agentur für Arbeit ging dabei von einem monatlichen Bedarf von 829 Euro aus, auf den das Krankengeld der Klägerin zu 2 und das Kindergeld für die Klägerin zu 3 angerechnet wurde. Bei der Klägerin zu 3 ergab sich ein Einkommensüberhang von 67 Euro monatlich.

4

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 5. Januar 2006 den Klägern für Dezember 2005 KdU in Höhe von monatlich 210,18 Euro. In dem Bescheid hieß es ua, die Eigenheimzulage in Höhe von 293,99 Euro monatlich sei auf den Bedarf für die KdU anzurechnen. Die Beklagte berücksichtigte einen Wohnbedarf von insgesamt 571,17 Euro, von dem sie die Eigenheimzulage in Höhe von 293,99 Euro und den von der Bundesagentur für Arbeit (BA) ermittelten Einkommensüberhang in Höhe von 67 Euro in Abzug brachte. Wegen Änderungen des den Bedarf übersteigenden Einkommens der Klägerin zu 3 ab Februar 2006 erfolgte mit Bescheid vom 12. April 2006 eine Neuberechnung der Leistungen durch die Beklagte. Die Leistungen wurden nunmehr für Februar 2006 auf 215,41 Euro und für die Monate März bis Mai 2006 auf 203,79 Euro festgesetzt. Dabei wurde die Eigenheimzulage jeweils in Höhe von 293,99 Euro bedarfsmindernd berücksichtigt.

5

Am 9. Januar 2006 bzw 7. Februar 2006 legte der Kläger zu 1 gegen den Bescheid vom 5. Januar 2006 Widerspruch ein und machte dabei höhere KdU geltend. Er wandte sich insbesondere gegen die Berücksichtigung der Eigenheimzulage als Einkommen und legte eine Abtretungsanzeige gegenüber dem Finanzamt vom 13. Dezember 2005 vor. Daraus folgt, dass der Kläger zu 1 die Eigenheimzulage für 2006 in voller Höhe an die Kreissparkasse Heilbronn abgetreten hat. Am 27. April 2006 legte der Kläger zu 1 gegen den Bescheid vom 12. April 2006 Widerspruch ein und verwies auf die Abtretungserklärung. Die Beklagte gab durch Widerspruchsbescheid vom 14. September 2006 den Widersprüchen teilweise statt. Sie bewilligte nunmehr für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 31. Januar 2006 monatlich 382,87 Euro KdU, für den Monat Februar 2006 388,10 Euro und für die Monate März bis Mai 2006 jeweils 376,48 Euro monatlich. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte sie im Wesentlichen aus, in der Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006 seien durchschnittlich monatlich 602,13 Euro an Schuldzinsen zu berücksichtigen, von denen ein Pauschalbetrag für den Tiefgaragenstellplatz in Höhe von monatlich 35 Euro abzuziehen sei. Hiermit beliefen sich die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen für die Schuldzinsen auf 567,13 Euro monatlich. Die Eigenheimzulage von 293,99 Euro monatlich mindere die berücksichtigungsfähigen Schuldzinsen auf 273,14 Euro. Die Nebenkosten seien mit 148,87 Euro monatlich zu veranschlagen und die Kosten für Heizung und Warmwasser beliefen sich auf 39,43 Euro monatlich, wovon die in den Regelleistungen bzw im Sozialgeld enthaltenen Energieanteile für die Warmwasserbereitung in Höhe von insgesamt 11,57 Euro abzuziehen seien, sodass reine Heizkosten von 27,86 Euro monatlich verblieben. Die zu berücksichtigende KdU würden somit 449,87 Euro monatlich betragen, wovon der von der BA ermittelte Einkommensüberhang in Höhe von 67 Euro und 73,39 Euro (für den Zeitraum von März bis Mai 2006) anzurechnen sei.

6

Hiergegen haben die Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben, das durch Urteil vom 22. März 2007 die Bescheide der Beklagten vom 5. Januar 2006 und 12. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2006 abgeändert und die Beklagte verurteilt hat, den Klägern für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006 weitere Leistungen für KdU und Heizung in Höhe von monatlich 293,99 Euro zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Eigenheimzulage sei nicht bedarfsmindernd im Rahmen der KdU zu berücksichtigen. Dies gelte sowohl hinsichtlich des Teils der Eigenheimzulage, der zur Tilgung des zur Finanzierung der Eigentumswohnung aufgenommen Darlehens gedient habe, als auch des Teils, der zur Zahlung der Schuldzinsen verwendet worden sei. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt, die das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg durch Beschluss vom 1. April 2008 zurückgewiesen hat. Zur Begründung hat es zunächst auf den Inhalt des Urteils des SG verwiesen (§ 153 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz). Es sei zwar richtig, dass die Beklagte die Eigenheimzulage formal nicht als Einkommen gewertet, sondern angenommen habe, dass durch die Eigenheimzulage der Bedarf für die KdU verringert worden sei. Dies treffe aber nicht zu, denn durch die Gewährung einer Eigenheimzulage werde der Anspruch der Kreissparkasse gegen die Kläger zu 1 und 2 auf Zahlung von Schuldzinsen nicht berührt, der Bedarf insoweit also gar nicht verändert. Soweit der Zinsanspruch der Bank dadurch erloschen sei, dass die Kläger die Zinsen mit Hilfe der Eigenheimzulage getilgt hätten, beruhe dies auf einer Erfüllung der Zinsforderung mit Einkünften, welche die Bedürftigkeit gerade nicht mindern würden.

7

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer - vom Senat zugelassenen - Revision. Sie rügt eine Verletzung der §§ 9 Abs 1 und 22 Abs 1 Satz 1 SGB II und macht geltend, dass im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II nur der konkrete Wohnbedarf zu decken sei. Durch die Abtretung der Eigenheimzulage an die kreditgebende Kreissparkasse würden monatlich die tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten gesenkt. Würde man die Eigenheimzulage nicht als bedarfmindernd berücksichtigen, so würde im Ergebnis die Eigenheimzulage den Klägern doppelt gewährt. Das LSG habe insgesamt gegen den das SGB II prägenden Bedarfsdeckungsgrundsatz verstoßen. Im Übrigen entspreche ihr Vorgehen den in Baden-Württemberg geltenden Richtlinien zum SGB II, die vom Landkreistag Baden-Württemberg und vom Städtetag Baden-Württemberg herausgegeben worden seien. Dort sei eindeutig bestimmt, dass die Eigenheimzulage die Unterkunftskosten senke.

8

Die Beklagte beantragt,

den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. April 2008

und das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. März 2007 aufzuheben und

die Klage abzuweisen.

9

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie halten die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung in der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist es nicht möglich, zu überprüfen, in welcher Höhe den Klägern im streitigen Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 KdU zustanden.

12

1. Der Senat kann bereits nicht darüber entscheiden, ob die den Klägern von den Vorinstanzen zugesprochenen KdU "angemessen" iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind. Streitig sind hier allein die KdU gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, für die die Beklagte hier auf Grund des offensichtlich praktizierten Trennungsmodells ausschließlich zuständig ist (§ 6 Abs 1 Nr 2 SGB II). Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II haben die Leistungsempfänger grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Übernahme der tatsächlich anfallenden angemessenen KdU. LSG und SG haben es versäumt, eine Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten der Kläger vorzunehmen. Dies folgt insbesondere daraus, dass das SG die Beklagte verurteilt hat, den Klägern monatlich weitere 293,99 Euro an KdU zu gewähren. Das LSG hat diesen Tenor des SG durch die Zurückweisung der Berufung der Beklagten bestätigt. Das LSG hat es jedoch - ebenso wie das SG - unterlassen, im Einzelnen zu begründen, inwieweit die den Klägern - unter Zugrundelegung der Verurteilung durch das SG - zugesprochenen KdU noch angemessen waren. Hieran hat der Senat auf Grund des Inhalts der Akten erhebliche Zweifel.

13

Jedenfalls aus dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14. September 2006 geht hervor, dass den Klägern für den streitigen Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006 ein Wohnbedarf in Höhe von 422,01 Euro zuerkannt worden ist, jeweils zuzüglich der tatsächlichen Heizkosten in Höhe von 27,86 Euro. Von diesem anerkannten Wohnbedarf wurde der aus den Leistungsbescheiden der Arbeitsagentur folgende (im Einzelnen wohl nicht angefochtene und unstreitige) Einkommensüberhang der Klägerin zu 3 in Höhe von 67 Euro (Dezember 2005 und Januar 2006) bzw 61,77 Euro (Februar 2006) und 73,39 Euro (März bis Mai 2006) abgezogen. Hieraus folgten für die Kläger Zahlbeträge für die KdU in Höhe von 382,87 Euro für Dezember 2005 und Januar 2006, für Februar 2006 in Höhe von 388,10 Euro und für den Zeitraum März bis Mai 2006 in Höhe von 376,48 Euro. Geht man von dem in dem Widerspruchsbescheid anerkannten Wohnbedarf in Höhe von 422,01 Euro aus, so folgt bei einer Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von weiteren 293,99 Euro monatlich, dass das SG und das LSG mithin von einem Wohnbedarf der Kläger von monatlich 716 Euro zuzüglich der tatsächlichen Heizkosten ausgegangen sind. Weder im Urteil des SG noch im Beschluss des LSG wird aber eine Prüfung vorgenommen, inwieweit diese ausgeurteilten KdU noch angemessen iS des § 22 Abs 1 SGB II gewesen sind.

14

Hierzu hätte insbesondere deshalb Anlass bestanden, weil die zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (BSG) bei Haus- oder Wohnungseigentümern grundsätzlich entschieden haben, dass die Schuldzinsen und Nebenkosten nur in Höhe der Miete einer vergleichbaren angemessenen Mietwohnung zu übernehmen sind (bereits BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3; BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, jeweils RdNr 34 ff; Urteil des Senats vom 18. Juni 2008 - B 14/11b AS 67/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 13; vgl auch 4. Senat des BSG, Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17 RdNr 14). In dem Widerspruchsbescheid der Beklagten findet sich der Hinweis, dass im Bereich der Stadt Heilbronn für einen Drei-Personen-Haushalt bei einer maximalen Wohnfläche von 75 qm eine Brutto-Kaltmiete in Höhe von 444 Euro als angemessen betrachtet werde. Ob dieser Betrag eine richtige Grenzziehung bezüglich der Angemessenheit der KdU enthält, kann nur auf Grund der Überprüfung des "schlüssigen Konzepts" des Grundsicherungsträgers entschieden werden (hierzu zuletzt Urteil des Senats vom 20. August 2009 - B 14 AS 65/08 R und Urteil des 4. Senats des BSG vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R). Jedenfalls hätte es einer Prüfung und gegebenenfalls eingehenden Begründung durch das LSG bedurft, wieso die Kläger als Wohnungseigentümer auf Grund des Tenors des SG KdU in Höhe von 716 Euro monatlich als noch angemessen zugesprochen bekommen haben.

15

Das LSG wird mithin nach der Zurückverweisung zunächst einen Vergleich anzustellen haben, welche KdU für Mieter im hier streitigen räumlichen Bereich aufgrund des schlüssigen Konzepts des zuständigen Grundsicherungsträgers als angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II betrachtet werden. Insofern könnte es sich - zu Gunsten der Beklagten und Revisionsführerin - erweisen, dass der insgesamt zugesprochene Betrag über dem für einen Drei-Personen-Haushalt als angemessen geltenden Mietbedarf liegt.

16

2. Der Senat kann des Weiteren nicht abschließend darüber befinden, inwieweit die den Klägern zufließende Eigenheimzulage als bedarfsmindernd bei den KdU abzusetzen ist. Das BSG hat bereits entschieden, dass die Eigenheimzulage nicht als Einkommen zu Lasten der Grundsicherungsempfänger zu berücksichtigen ist, wenn sie nachweislich ihrem Zweck entsprechend verwendet wird (grundlegend Urteil des 4. Senats vom 30. September 2008 - BSGE 101, 281 = SozR 4-4200 § 11 Nr 14; bestätigt in dem Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17). So lagen die Verhältnisse auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG jedenfalls hier. Die Kläger haben die Eigenheimzulage direkt an ihren Gläubiger, die Kreissparkasse Heilbronn, abgetreten. Damit war der von ihnen geforderte Nachweis geführt, dass die Eigenheimzulage zur Finanzierung des geschützten Eigenheims - hier der Eigentumswohnung - dient (vgl jetzt den Wortlaut von § 1 Abs 1 Nr 7 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung idF vom 22.8.2005, BGBl I 2499).

17

Andererseits hat der 4. Senat des BSG aber auch zu erkennen gegeben (Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17 RdNr 20), dass die Eigenheimzulage, soweit sie direkt auf die Schuldzinsen verrechnet wird, den Wohnbedarf senken kann. Zu Recht hat insofern die Revisionsführerin vorgetragen, dass im Rahmen der KdU jeweils der tatsächliche Bedarf der Kläger zu decken ist. Würden sich die Vertragsgestaltungen zwischen der Kreissparkasse und den Klägern so darstellen, dass die Eigenheimzulage tatsächlich zu einer monatlichen Reduzierung der real anfallenden Schuldzinsen geführt hätte, so könnten nach der Logik des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II auch nur die tatsächlich anfallenden Schuldzinsen als KdU geltend gemacht werden (zur lediglich ausnahmsweise in besonderen Härtefällen möglichen Übernahme auch von Tilgungsleistungen als KdU vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 13 RdNr 27 ff). Wie sich die Rechtsverhältnisse und die Zahlungsflüsse hier tatsächlich dargestellt haben, insbesondere wie die in einem Betrag ausbezahlte Eigenheimzulage sich auf die monatlichen Schuldzinszahlungen auswirkte, kann der Senat den Feststellungen in dem Beschluss des LSG nicht entnehmen. Das LSG hat zwar ausgeführt, dass durch die Gewährung einer Eigenheimzulage der Anspruch der Kreissparkasse gegen die Kläger auf Zahlung von Schuldzinsen nicht berührt, der Bedarf insoweit also gar nicht verändert werde. Es bleibt unklar, ob es sich hierbei um eine generelle Aussage des LSG handelt oder ob die konkreten Vertragsbeziehungen zwischen der Kreissparkasse und den Klägern berücksichtigt werden. Soweit der Zinsanspruch der Bank tatsächlich monatlich nicht durch die Eigenheimzulage gemindert wird, bestehen die Schuldzinsen und der Anspruch auf KdU aber wohl in ungeminderter Höhe. Wie die Beklagte zu Recht ausführt, geht es bei den KdU um den tatsächlich anfallenden Bedarf. Wird die Eigenheimzulage jährlich einmal auf einem Konto der Kreissparkasse in irgendeiner Form verrechnet, ohne dass dies zu einer Reduzierung der monatlichen Schuldzinszahlung führt, so sind diese real anfallenden Schuldzinsen auch als tatsächlicher Bedarf bis zur Angemessenheitsgrenze anzuerkennen. Eine (fiktive) Umlage der einmalig gezahlten Eigenheimzulage auf die tatsächlichen monatlichen Schuldzinsen ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn die Eigenheimzulage nicht zu einer tatsächlichen Reduktion der Schuldzinsen geführt hat. Insofern hat das LSG zutreffend entschieden, dass der Privilegierungscharakter der Eigenheimzulage im Rahmen der Berücksichtigung von Einkommen durch ein solches Vorgehen bei den KdU konterkariert würde.

18

Das LSG wird also im Einzelnen festzustellen haben, in welcher Weise die jährlich gewährte Eigenheimzulage sich auf die monatlich tatsächlich anfallenden Zinszahlungen der Kläger auswirkte. Diese tatsächlich anfallenden Zinszahlungen sind jedenfalls als Schuldzinsen dann bei der Berechnung der angemessenen KdU zu Grunde zu legen. Hierbei ist - worauf bereits oben hingewiesen wurde - jedoch weiterhin zu berücksichtigen, dass die Schuldzinsen - und die KdU insgesamt - nicht in jeder Höhe sondern nur in Höhe der angemessenen Kosten zu übernehmen sind. Die Angemessenheitsgrenze bestimmt sich dabei für Hauseigentümer - worauf auch bereits hingewiesen wurde - nach denselben Kriterien wie für Mieter.

19

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des Ausgangs des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. September 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die im August 1948 geborene Klägerin begehrt im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit vom 1.12.2007 bis zum 30.4.2008 höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung.

2

Die Klägerin erhält seit Ende Mai 2006 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Seit Januar 2005 bewohnt sie eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin-Spandau mit einer Wohnfläche von 59,50 qm. Die Wohnung wird zentral mit Warmwasser versorgt. Die Nettokaltmiete schwankte in der hier streitigen Zeit zwischen 283 Euro und 290,05 Euro, hinzu kamen Vorauszahlungen für die "kalten Betriebskosten" von 133 Euro und für die Heizkosten einschließlich Warmwasser von 44 Euro. Die Gesamtaufwendungen für die Unterkunft betrugen von Dezember 2007 bis Februar 2008 460 Euro, für März 2008 467,05 Euro und für April 2008 464,63 Euro.

3

Die Klägerin erzielte in dem hier streitigen Zeitraum von Dezember 2007 bis April 2008 ein Erwerbseinkommen von 100 Euro monatlich brutto. Über Vermögen verfügte sie nicht, sie hatte Verbindlichkeiten im Umfang von rund 200 000 Euro.

4

Der Beklagte bewilligte der Klägerin zunächst bis November 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie die tatsächlichen KdU einschließlich Heizung, teilweise mit Abzug für die Warmwasseraufbereitung. Es folgten mehrfache Neuberechnungen; mit Änderungsbescheid vom 12.2.2008 legte der Beklagte die Leistungen für die KdU einschließlich Heizung für den Zeitraum von August 2006 bis November 2007 endgültig fest und gewährte zuletzt 485,37 Euro.

5

Bereits mit Schreiben vom 14.5.2007 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die KdU seien nicht angemessen. Für einen Ein-Personen-Haushalt gelte ein Richtwert von 360 Euro. Die gegenwärtige tatsächliche Bruttowarmmiete übersteige diesen geltenden Richtwert. Mit Schreiben vom 13.7.2007 forderte der Beklagte die Klägerin auf, ihre KdU und Heizung bis zum 31.10.2007 zu reduzieren und kündigte eine Senkung der zu gewährenden Unterkunftskosten auf den als angemessen angesehenen Richtwert von 360 Euro ab dem 1.11.2007 an.

6

Mit vorläufigem Bescheid vom 23.11.2007 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1.12.2007 bis zum 30.4.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einkommensanrechnung in Höhe von 267 Euro und Leistungen für die KdU und Heizung in Höhe von nur noch 360 Euro.

7

Aufgrund des dagegen von der Klägerin eingelegten Widerspruchs berechnete der Beklagte nun mit endgültigem Änderungsbescheid vom 12.2.2008 die Leistungen ohne Einkommensanrechnung neu und gewährte die volle Regelleistung zuzüglich KdU in Höhe von 360 Euro für den gesamten Zeitraum von Dezember 2007 bis April 2008. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.3.2008 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.11.2007 zurückgewiesen, soweit der Bescheid nicht durch den Bescheid vom 12.2.2008 geändert worden war. In Streit standen jetzt nur noch die KdU; der Beklagte wies darauf hin, die Kosten seien gegenwärtig mit 460 Euro für die Wohnung bei einem Ein-Personen-Haushalt zu hoch. Die Voraussetzungen für eine Überschreitung des Richtwertes um 10 % nach den Regelungen der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz in der Fassung vom 30.5.2006 ("AV-Wohnen") wegen wesentlicher sozialer Bezüge oder fortgeschrittenen Alters erfülle die Klägerin nicht.

8

Auf die von der Klägerin erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 29.8.2008 den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide und unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, der Klägerin Leistungen für die KdU in Höhe von 374,14 Euro monatlich zu gewähren und die Berufung zugelassen. Zur Begründung nimmt das SG auf den Berliner Mietspiegel von 2007 Bezug und geht von einem Mittelwert aller Wohnungen zwischen 40 und 60 qm für einfache Wohnlagen und für Wohnungen aller Altersgruppen mit Sammelheizung und Bad aus. Daraus errechne sich eine angemessene Nettomiete in Höhe von 4,88 Euro pro qm. Hinzu kämen warme Betriebskosten ohne Kosten für die Warmwasseraufbereitung von durchschnittlich 2,60 Euro pro qm auf der Grundlage der Erhebung des Deutschen Mieterbundes. Daraus resultiere bei einer in Berlin maßgeblichen Wohnungsgröße für eine Person von 50 qm eine Angemessenheitsgrenze für Bruttowarmmieten von 374 Euro. Weitergehende Ansprüche bestünden nicht; es gäbe auch keine Umstände, die gegen die Zumutbarkeit einer Kostensenkung sprächen.

9

Mit Änderungsbescheid vom 25.11.2008 hat der Beklagte aufgrund der Entscheidung des SG Leistungen für den hier streitigen Zeitraum in Höhe von 721,14 Euro monatlich bewilligt, worin KdU in Höhe von nunmehr 374,14 Euro enthalten waren.

10

Mit der eingelegten Berufung hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt, Leistungen für die KdU in tatsächlicher Höhe, mindestens aber in Höhe von 396 Euro zu erhalten. Dieser Wert ergebe sich aus der AV-Wohnen, die eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift darstelle. Danach könne der Richtwert für Ein-Personen-Haushalte von 360 Euro Bruttowarmmiete bei über 60-jährigen Hilfeempfängern um 10 % überschritten werden. Sie, die Klägerin, werde zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung das 60. Lebensjahr vollendet haben und sie betreue im Übrigen ihre 85-jährige Tante in der Nachbarschaft. Diese sei zum maßgeblichen Zeitpunkt in Pflegestufe 2 eingestuft worden. Es kümmerten sich auch noch andere Personen um die Tante, vorrangig jedoch sie, die Klägerin.

11

Mit Urteil vom 10.9.2009 hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG bei Bejahung der Hilfebedürftigkeit und Begrenzung des Streitgegenstandes auf die Unterkunftskosten in dem Zeitraum vom 1.12.2007 bis zum 30.4.2008 festgestellt, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls keine höheren KdU beanspruchen könne, als die Summe, die ihr bereits zugesprochen worden sei. Die tatsächlichen KdU seien nicht angemessen. Dies gelte allerdings nicht für die anzusetzenden Heizkosten, die in Höhe von 44 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale offensichtlich angemessen seien. Im Übrigen seien die KdU nach der Produkttheorie zu prüfen und dabei zunächst die maßgebliche Wohnungsgröße zu bestimmen. Da in Berlin keine Richtlinien nach § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) ergangen seien, werde davon ausgegangen, dass die Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau in Berlin (Wohnbauförderungsbestimmungen 1990) heranzuziehen seien, und zwar in der Fassung der Änderung der WFB vom 13.12.1992. Danach sei grundsätzlich bei einem Ein-Personen-Haushalt eine angemessene Wohnungsgröße von 45 qm anzusetzen. In einem weiteren Schritt sei der räumliche Vergleichsmaßstab zu ermitteln. Abzustellen sei dabei aufgrund der verkehrstechnischen Verbundenheit und der einheitlichen Infrastruktur auf das gesamte Land Berlin, für das auch ein einheitlicher und nicht nach Bezirken getrennter Mietspiegel existiere. Es handele sich hier um einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), sodass die gesetzliche Vermutung gelte, dass die angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergäben. Dabei könne nur ein bereits veröffentlichter Mietspiegel herangezogen werden; dies sei für den hier streitgegenständlichen Zeitraum der Mietspiegel 2007 vom 11.7.2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797 ff). Bei der Ermittlung des Quadratmeterpreises für die Gesamtwohnfläche für Ein-Personen-Haushalte sei auf die Zeile D des Mietspiegels zurückzugreifen, in der Wohnungen in einfacher Wohnlage mit einer Wohnfläche von 40 bis 60 qm erfasst seien. Zur Festsetzung des maßgeblichen Quadratmeterpreises sei - anders als es das SG getan habe - ein Gesamtmittelwert aus sämtlichen der in der Zeile D enthaltenen Mittelwerte zu bilden. Dadurch werde ein objektiver Durchschnittswert gebildet, weil zwar auch Wohnungen mit unzureichender Ausstattung, also zB ohne Bad, miteinbezogen seien, andererseits aber auch Neubauten berücksichtigt würden. Auf dieser Grundlage errechne sich Quadratmeterpreis von 4,54 Euro. Daraus ergebe sich eine angemessene Nettokaltmiete in Höhe von 204,30 Euro (45 qm bei 4,54 Euro pro qm).

12

Hinzu kämen die kalten Betriebskosten, zu deren Bestimmung das SG zu Recht auf den vom Deutschen Mieterbund für die gesamte Bundesrepublik Deutschland ermittelten Betriebskostenspiegel zurückgegriffen habe. Für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheit einer Miete im Zeitraum von Dezember 2007 bis April 2008 sei dabei auf das Abrechnungsjahr 2006 zurückzugreifen, da die Höhe der künftigen Vorauszahlungen sich nach den Kosten für die abgelaufene Abrechnungsperiode richte. Bei der Berechnung seien sämtliche Betriebskosten anzusetzen, die in den jeweiligen Betriebskostenspiegel Eingang gefunden hätten, da nur durch eine weite Streuung letztlich ein realistischer Durchschnittswert zu ermitteln sei.

13

Unter Ansetzung einer Nettokaltmiete von 4,54 Euro pro qm und kalter Betriebskosten von 1,75 Euro pro qm ergebe sich eine angemessene Bruttokaltmiete von 283,05 Euro, während der Beklagte monatlich 322,26 Euro zuerkannt habe und das SG den Beklagten sogar verpflichtet habe, eine Bruttokaltmiete von 336,40 Euro zu übernehmen. Dass die Klägerin nicht die Möglichkeit gehabt habe, der Kostensenkungsaufforderung der Beklagten nachzukommen und im streitigen Zeitraum Wohnraum zu den genannten Preisen anzumieten, habe sie weder selbst vorgetragen, noch sei dies sonst ersichtlich. Die Klägerin habe vielmehr deutlich gemacht, dass sie in ihrer bisherigen Wohnung bleiben wolle und keine preisgünstigere Wohnung gesucht habe. Besondere Gründe, die 130 Euro über den angemessenen Kosten für die KdU liegenden tatsächlichen Mietkosten weiterhin zu erbringen, bestünden nicht. Insbesondere scheide bei der im genannten Zeitraum 59 Jahre alten Klägerin die Annahme einer Unzumutbarkeit des Umzugs wegen des Lebensalters aus. Auch die unentgeltliche Pflege der in der Nähe wohnenden Tante bedeute nicht, dass keinerlei Veränderungen der Wohnraumsituation stattfinden dürften.

14

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision. Sie rügt, das LSG habe den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Aufwendungen für eine Unterkunft fehlerhaft konkretisiert. Ein Anspruch auf KdU in tatsächlicher Höhe, wenigstens aber in Höhe von 396 Euro ergebe sich unmittelbar aus der AV-Wohnen, da diese Vorschrift eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten darstelle. Bei der danach für einen Ein-Personen-Haushalt ermittelten Bruttowarmmiete in Höhe von 360 Euro seien hier Zuschläge zu machen, da auch das Lebensalter der Klägerin von jetzt über 60 Jahren mitberücksichtigt werden müsse.

15

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. September 2009 und Änderung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 29. August 2008 sowie der Bescheide des Beklagten vom 23. November 2007 und vom 12. Februar 2008 sowie des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2008 sowie des Bescheids vom 25. November 2008 dazu zu verpflichten, ihr Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1. Dezember 2007 bis 28. Februar 2008 in Höhe von monatlich weiteren 85,86 Euro sowie für den Zeitraum 1. März bis 31. März 2008 in Höhe von weiteren 92,91 Euro sowie für den Zeitraum 1. April 2008 bis 30. April 2008 in Höhe von weiteren 90,49 Euro zu bewilligen.

16

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

17

Der Beklagte ist der Meinung, die AV-Wohnen sei zwar zutreffend als Grundlage der Entscheidung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten heranzuziehen, die Voraussetzungen für eine Erhöhung im Einzelfall seien bei der Klägerin jedoch nicht gegeben.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob die Klägerin höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen kann, als sie der Beklagte zuletzt aufgrund des Urteils des SG bewilligt hat und ob die bewilligte Summe angemessen ist.

19

1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 23.11.2007 und 12.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2008 sowie des Bescheids des Beklagten vom 25.11.2008, gegen die sich die Anfechtungs- und Leistungsklage der Klägerin richtet (§ 54 Abs 4 SGG). Dabei ist Streitgegenstand allein der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung in der Zeit von Dezember 2007 bis April 2008. Zulässigerweise hat die Klägerin den Streitstoff in der Sache schon mit Klageerhebung auf die KdU beschränkt (vgl zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18).

20

2. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) gehört die erwerbsfähige und hilfebedürftige Klägerin dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Neben der Regelleistung hat sie damit Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung.

21

3. KdU werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Die Angemessenheit von KdU ist (getrennt von den Kosten der Heizung, vgl insoweit BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23) unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren. Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (vgl dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept somit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder der Beklagte noch das LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.

22

a) Entgegen der Auffassung des LSG ergibt sich für einen Ein-Personen-Haushalt in Berlin eine maßgebliche Wohnfläche von 50 qm. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 WoFG vom 13.9.2001 (BGBl I 2376) iVm § 5 des Gesetzes zur Sicherstellung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (WoBindG) in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (nF) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG(als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an eine Einzelperson Wohnraum von bis zu 50 qm überlassen werden. An diese Regelungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF, die auch nach Inkrafttreten von § 27 WoFG und § 5 WoBindG nF Grundlage für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind, ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14).

23

Entgegen der Auffassung des LSG sind die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl (sofern sie überhaupt im Regel-Ausnahmeverhältnis zu verstehen wären, wie das LSG meint) für die Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II unbeachtlich. Dies haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits für andere Bundesländer entschieden, in denen neben der Wohnungsgröße auch die Raumzahl entscheidend ist (vgl für Bayern BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 15; für Rheinland-Pfalz BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 34; für Nordrhein-Westfalen BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb für das Land Berlin anderes gelten sollte. Auch auf die (unterschiedlichen) Wohnungsgrößen in den (zum 31.12.1999 außer Kraft getretenen) Richtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für die Förderung der Neuschaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau (Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 vom 16.7.1990 in der Fassung der Änderungsvorschriften vom 13.12.1992) und den Richtlinien über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum (Eigentumsförderungssätze 1999 vom 25.5.1999) kommt es nicht an. Diese mögen Auswirkungen auf die üblichen Wohnungsgrößen im geförderten Wohnungsbau nach 1992 haben (und damit ohnehin nur für ein Teilsegment des in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarktes), es handelt sich aber nicht um Bestimmungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF.

24

b) Zutreffend hat das LSG bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) muss es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des LSG sprechen, dass es sich bei der Stadt Berlin insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handelt. Die Stadt Berlin ist mit einer Einwohnerzahl von rund 3,4 Millionen (Stand 2006; Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) und einer Fläche von rund 891 qkm zwar nahezu dreimal so groß wie die Stadt München (rund 1,36 Millionen Einwohner bei einer Fläche von rund 310 qkm; Quelle: Statistisches Amt München), für die der 4. Senat des BSG einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen hat ( vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale liegen aber - trotz dieser Größe - auch bezogen auf das Stadtgebiet von Berlin vor. Der öffentliche Nahverkehr ist auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her ausgerichtet. Von den Randlagen aus ergeben sich in die innerstädtischen Bezirke insoweit lediglich Fahrzeiten, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden (vgl § 121 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das Risiko einer Ghettoisierung. Außerdem zeigt die Wohnlagenkarte als Anlage zu dem vom LSG in Bezug genommenen Berliner Mietspiegel, dass ohnehin in allen Bezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren (dazu sogleich), vorhanden sind, sodass auch von daher die Bildung eines engeren Vergleichsraums nicht erforderlich erscheint. Es steht nicht zu befürchten, dass mit einem ggf zur Kostensenkung erforderlichen Umzug regelmäßig das nähere soziale Umfeld verlassen werden muss. Soweit ein solcher Umzug über die Orts- oder auch Bezirksgrenzen hinweg im Einzelfall gleichwohl notwendig wird, ist dies im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Hilfebedürftigen hinzunehmen (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 18).

25

c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als räumlichem Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zu Grunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln ( vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R ).

26

aa) Ein solches schlüssiges Konzept ist allerdings nicht in den von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin erlassenen Ausführungsvorschriften vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden AV-Wohnen) zu sehen, die der Beklagte zur Ermittlung angemessener KdU gemäß § 22 SGB II heranzieht und auf die sich auch die Klägerin zur Begründung der von ihr verlangten Mindestsumme der Kosten für Unterkunft beruft. Es handelt sich bei der AV-Wohnen um bloße Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des Beklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (360 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG zugrunde liegt. Vielmehr ist überhaupt nicht ersichtlich, auf welche Weise die angegebenen Werte ermittelt wurden. Ob zur Ermittlung des Wertes die Produkttheorie unter Zugrundelegung der oben genannten Wohnungsgrößen angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden sind, erschließt sich weder aus den AV-Wohnen selbst, noch gibt der Vortrag des Beklagten dazu etwas her. Im Übrigen ist aber der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten unabhängig von den Heizkosten zu erfolgen hat (ausdrücklich bereits BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 19).

27

Die Klägerin kann die AV-Wohnen daher auch nicht unter anderen Gesichtspunkten für sich nutzbar machen. Insbesondere kann sie sich nicht auf Ziff 4 Abs 5 stützen, wonach die Richtwerte für die Angemessenheit in Einzelfällen um bis zu 10 % überschritten werden können. Abgesehen davon, dass die dort genannten Richtwerte aus den dargelegten Gründen nicht als Ausgangspunkt für weitere Berechnungen gewählt werden können, zeigt sich auch an den weitergehenden Vorschriften der AV-Wohnen, dass diese entgegen der Meinung der Klägerin nicht als normkonkretisierende Vorschrift begriffen werden können. § 22 Abs 1 SGB II ist als bundesweite Regelung in den Grundsätzen so einheitlich wie möglich zu handhaben, keinesfalls kann ein einzelner Grundsicherungsträger durch interne Verwaltungsvorschriften die gesetzlichen Bestimmungen in seinem Sinne grundlegend verändern. Dies würde auch gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes verstoßen.

28

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete anhand des Berliner Mietspiegels bestimmt, bei dem es sich um einen qualifizierten Mietspiegel iS des § 558d BGB handelt. Als Grundlage für die vorliegende Entscheidung ist dabei richtigerweise der Mietspiegel für das Jahr 2007 herangezogen worden (Amtsblatt für Berlin Nr 30 vom 11.7.2007 S 1797), denn ein "schlüssiges Konzept", das vorrangig der Grundsicherungsträger vorzulegen hat, muss bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen. Da aber ein solches Konzept zur Angemessenheitsprüfung gerichtlich voll überprüfbar ist, sind Ausgangsdaten ggf zu korrigieren, soweit sich in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren herausstellt, dass es zu nicht vorhersehbaren Preissprüngen gekommen ist. Diese Prüfung wird das LSG ggf nachzuholen haben.

29

Qualifizierte Mietspiegel können - wie auch einfache Mietspiegel - Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach §22 Abs 1 SGB II sein (vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 16; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25 und zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25). Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben(zum Folgenden auch Butzer/Keller, NZS 2009, 65). Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen (wie dies auch bezogen auf den Berliner Mietspiegel der Fall ist) nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist - wie bereits ausgeführt - auch bei der Prüfung nach § 22 Abs 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. Im Hinblick auf das mit dem Mietspiegel nicht erfasste Marktsegment der preisgebundenen Wohnungen bestehen - jedenfalls bezogen auf Berlin - keine weitergehenden Bedenken. Mit dem Wegfall der Anschlussförderung für Objekte des Sozialen Wohnungsbaus, bei denen die 15jährige Grundförderung ab dem 1.1.2003 endet (dazu BVerwGE 126, 33), und dem Verzicht auf die entsprechenden Belegungsbindungen sank der Anteil mietpreisgebundener Sozialwohnungen bis Ende 2006 auf knapp 12 % des Gesamtwohnungsbestandes (vgl Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 2007, S 30 unter Bezugnahme auf Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung). Hilfebedürftige werden damit in erster Linie auf die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt angewiesen sein.

30

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig, wovon das LSG im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen ist (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Über das Baualter können zwar sehr vergröbernd Rückschlüsse auf die Bauweise und den Baustandard gezogen werden. Insbesondere liegt der Ausstattungsgrad von Neubauten im Regelfall über dem Ausstattungsgrad in Gebäuden älterer Bauklassen. Gerade Wohnungen, die in der Nachkriegszeit erbaut worden sind, haben häufig einen wesentlich geringeren Ausstattungsgrad. Aus dem Mietspiegel allein lässt sich jedoch nicht ersehen, inwieweit gerade Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, die den Rückschluss zulassen, im konkreten Vergleichsraum sei eine "angemessene" Wohnung tatsächlich anmietbar. Zudem birgt die Verweisung auf bestimmte Bauklassen verdeckt die Gefahr einer Ghettoisierung. Solange nicht statistisch valides Material vorliegt, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile einer Stadt - prägen, erscheint es nicht zulässig, allein bestimmte Bauklassen in Bezug zu nehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bauklassen, die den Standard von Neubauten abbilden. Zwar werden eine ganze Anzahl von Neubauten einen Ausstattungsgrad haben, der über das in Bezug zu nehmende Segment nach § 22 SGB II hinausgeht. Eine generelle Festlegung, der Hilfeempfänger sei schlechterdings von der Anmietung einer solchen Wohnung ausgeschlossen, lässt sich aber nicht treffen (vgl auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Erst wenn weitergehendes Material erkennen lässt, dass Gebäude dieser Bauklassen den Mietmarkt des unteren Marktsegments nicht maßgeblich mitprägen, kommt eine Außerachtlassung der Mietpreise für solche Bauklassen in Betracht.

31

Speziell der Berliner Mietspiegel weist allerdings in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad auf. Dabei handelt es sich einerseits um Wohnungen mit "Ofenheizung" (also ohne Sammelheizung), bei denen der Mieter selbst die Kohlen in die Wohnung tragen und anschließend die Asche entsorgen muss. Andererseits oder auch kumulativ handelt es sich um Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder Küche) waschen können; es fehlt also an einer Dusche. Die Werte für diese Wohnungen sind zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich von vornherein nicht verwiesen werden. Demgegenüber kann die Argumentation des LSG, diese Werte seien einzubeziehen, um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten, nicht durchgreifen. Soweit solche Wohnungen nicht den unteren, sondern den untersten Standard abbilden, können sie von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand gezählt werden, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Sie dürfen deshalb in die Auswertung des qualifizierten Mietspiegels unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II grundsätzlich nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet.

32

cc) Soweit allerdings das LSG zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete einen arithmetischen Mittelwert aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt vorgenommen hat, erfüllt dies die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht. Die Bildung arithmetischer Werte bietet gerade bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment realistisch abbildet. Die hier zur Erstellung des Berliner Mietspiegels verwandte sog Tabellenmethode stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen (hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen. Zwischen den einzelnen (insgesamt 107 besetzten) Rasterfeldern bestehen aber keine Beziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem bestimmten, mit den drei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Daraus folgt, dass einzelne Felder, je nach der Anzahl der Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt besitzen. Weil die Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet. Dies gilt besonders, wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen.

33

Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen. Solche Rückschlüsse, die sich aus weitergehendem Material - das durchaus auch der Träger der Grundsicherung aufgrund eigener Erhebungen einführen könnte - ergeben, müssen allerdings gerichtlich überprüfbar sein.

34

Dies ist - entgegen der Auffassung des LSG - bezüglich der Grundlagendaten für qualifizierte Mietspiegel der Fall. Für einen qualifizierten Mietspiegel müssen immer zunächst Daten erhoben werden, die ausschließlich dem Zweck der Mietspiegelerstellung dienen. Die Daten dieser Primärdatenerhebung müssen repräsentativ sein, die gezogene Stichprobe muss ein getreues Abbild des Wohnungsmarktes abgeben (vgl im Einzelnen Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl 2008, § 558d RdNr 7). Die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze muss in einer öffentlich zugänglichen Dokumentation niedergelegt sein (aaO, RdNr 10). Es erscheint daher durchaus nahe liegend, solche Grundlagendaten bei der Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Konzepts mit heranzuziehen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Auswertung dieser bereits vorhandenen Daten zu einem erhöhten (über einfache Rechenschritte hinausgehenden) Aufwand bei den Gerichten führen muss. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist in erster Linie der kommunale Träger für solche notwendig erscheinenden Auswertungen im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (vgl grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin mit der AV-Wohnen der Fall ist.

35

Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.

36

d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Schon der Wortlaut des § 22 Abs 1 SGB II zeigt, dass diese Kosten zu den KdU für einen Hilfebedürftigen gehören und nicht - wie die Heizkosten - getrennt erfasst werden sollen. Zur realistischen Abbildung eines abstrakt angemessenen Mietpreises ist die Einbeziehung des Faktors "kalte Betriebskosten" erforderlich. Dies entspricht den mietrechtlichen Vorgaben im Mietwohnungsbau, an denen sich der Gesetzgeber des SGB II wegen der KdU orientiert. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (vgl nur Blank in Blank/Börstinghaus, aaO, § 556 RdNr 1). Auch der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum kann Betriebskosten nur als gesondert abzurechnende Kosten auf den Mieter abwälzen (vgl § 20 der Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen - Neubaumietenverordnung - BGBl I 1990, 2204 idF BGBl I 2003, 2346).

37

Eine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs 1 und 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufstellung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen(BetrKV; vom 25.11.2003, BGBl I 2346 ) normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt angemessenen Kosten iS des § 22 Abs 1 SGB II sind die dort genannten Betriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten. Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. Zutreffend geht das LSG davon aus, dass solche Werte möglichst aktuell sein müssen, um sichere Rückschlüsse auf das Preisniveau im jeweiligen Vergleichsraum zu geben. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell sind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die Werte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen Preisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich.

38

4. Zutreffend hat das LSG sodann die Angemessenheit der Heizkosten getrennt von den übrigen Unterkunftskosten geprüft und die tatsächlichen Aufwendungen in Höhe von 44 Euro als angemessen angesehen, was revisionsrechtlich auch nicht angegriffen wird. Soweit das LSG in diesem Rahmen die Frage offengelassen hat, ob von diesem Wert ausgehend von der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998 ein Wert von 6,26 Euro als Warmwasserpauschale bei einem maßgeblichen Regelsatz von 347 Euro zu berücksichtigen ist (vgl BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5)oder - wie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in einem Rundschreiben vom 4.8.2008 (IIb 5-2910/1) es vertritt - ausgehend von der EVS 2003 ein Wert von 6,56 Euro zugrunde zu legen ist, so ist diese Frage in der Rechtsprechung des BSG bereits mit Urteil des 4. Senats vom 22.9.2009 (B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24) für den hier maßgeblichen Zeitraum entschieden; dem schließt sich der erkennende Senat an. Die internen Verschiebungen des prozentualen Anteils der einzelnen Rechnungsposten der EVS haben nicht zu einer Regelleistungserhöhung geführt, diese ist vielmehr erst zum 1.7.2007 durch die Bekanntmachung vom 18.6.2007 auf der Grundlage des § 20 Abs 4 SGB II, also der Anpassung an den aktuellen Rentenwert erfolgt. Die EVS 2003 hatte mithin keine Auswirkungen auf die Höhe der Regelleistung und damit auf die Höhe des Betrags, der den SGB II-Leistungsempfängern tatsächlich zur Verfügung stand. Deshalb war konsequenterweise auch der Anteil der Kosten der Warmwasserbereitung lediglich um den prozentualen Anpassungsbetrag (Dynamisierungsbetrag) der Regelleistung, also um 0,58 % zu erhöhen. Unter Berücksichtigung einer Warmwasserpauschale von richtigerweise 6,26 Euro bei einem Regelsatz von 347 Euro sind vorliegend nach den Feststellungen des LSG also reine Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 37,74 Euro monatlich entstanden, die bei der Berechnung der angemessenen KdU mit einzubeziehen sind.

39

5. Sollten sich die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin für Unterkunft und Heizung nach den dargestellten Vorgaben als unangemessen erweisen, kann sie höhere Leistungen insoweit nicht verlangen. Soweit gemäß § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II Aufwendungen für die Unterkunft als Bedarf so lange zu berücksichtigen sind, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, wäre eine Übernahme der tatsächlichen (überhöhten) Unterkunftskosten für einen Zeitraum von sechs Monaten möglich. Allerdings hat das LSG hier revisionsrechtlich nicht angegriffen festgestellt, dass vorliegend eine wirksame Kostensenkungsforderung vorlag und die Sechs-Monats-Frist verstrichen ist, ohne dass sich die Klägerin um Kostensenkung bemüht hätte. Zur damit in Zusammenhang stehenden Frage der Zumutbarkeit des Wohnungswechsels hat die Klägerin ebenfalls keine revisionsrechtlich beachtlichen Rügen gegen die Feststellungen des LSG, dass weder das Alter der Klägerin noch die pflegerische Betreuung der Tante einem Umzug entgegenstünden, vorgebracht. Sie setzt vielmehr ihre eigene Bewertung an die Stelle der des LSG, was für eine revisionsrechtliche Überprüfung nicht ausreicht. Die bislang vorgenommenen tatrichterlichen Würdigungen entziehen sich einer eigenständigen Bewertung durch das Revisionsgericht.

40

Das LSG wird abschließend noch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. Dezember 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob den Klägern für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2006 höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zustehen.

2

Der 1959 geborene Kläger zu 1, die 1962 geborene Klägerin zu 2 und die 1998 geborene Klägerin zu 3 bewohnten eine 88,59 qm große Drei-Zimmer-Wohnung in W zur Miete. Seit Januar 2005 ist eine monatliche Brutto-Kaltmiete von 412 Euro zu entrichten (und ein Heizkostenabschlag von 120 Euro monatlich). Bereits mit Schreiben vom 8.12.2004 wurden die Kläger vom Beklagten aufgefordert, die Unterkunftskosten zu senken. Nachdem der Beklagte dann die Unterkunftskosten zunächst weiter übernahm, forderte er mit Schreiben vom 15.11.2005 die Kläger erneut zur Senkung der Unterkunftskosten bis zum 31.5.2006 auf. Die Miethöchstgrenze betrage 372 Euro monatlich (kalt).

3

Der Beklagte bewilligte den Klägern sodann für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2006 lediglich Leistungen, die eine Brutto-Kaltmiete von 372 Euro (nebst Heizkosten von monatlich 96,73 Euro) berücksichtigten. Zur Begründung führte der Beklagte aus, es hätten nur noch angemessene Kosten der Unterkunft in der bewilligten Höhe übernommen werden können (Bescheid vom 12.4.2006, Widerspruchsbescheid vom 19.7.2006).

4

Das Sozialgericht (SG) hat auf die Klage durch Urteil vom 15.5.2007 den Beklagten verurteilt, den Klägern Kosten der Unterkunft in Höhe der rechten Spalte der Tabelle nach § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines Zuschlags von 10 vH (451 Euro monatlich ohne Heizkosten) zu gewähren. Die vom Beklagten vorgelegten Tabellen gäben die tatsächlichen Mietpreise in W nicht wieder. Dementsprechend seien Unterkunftskosten zwar nicht in tatsächlicher, sondern in Höhe der Tabelle nach § 8 WoGG nebst eines Zuschlags von 10 vH zu gewähren.

5

Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 11.12.2008 den Beklagten auf dessen Berufung hin unter Änderung des Urteils des SG verurteilt, den Klägern für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2006 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 412 Euro sowie unter Berücksichtigung von Heizkosten in Höhe von 120 Euro im Monat zu gewähren. Im Übrigen hat es die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

6

Der Beklagte rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 22 Abs 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Er habe für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nicht nur ein schlüssiges Konzept angewandt, sondern hieraus auch zutreffende Schlüsse gezogen.

7

Der Beklagte beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Urteile des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 11. Dezember 2008 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 15. Mai 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie halten die Ausführungen des LSG für zutreffend.

10

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz) erklärt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der Senat kann auf Grund der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen, ob der beklagte Grundsicherungsträger zur Feststellung der Angemessenheitsgrenze von einem schlüssigen Konzept ausgegangen ist und die Angemessenheitsgrenze ohne Rechtsfehler festgesetzt hat.

12

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid des Beklagten vom 12.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2006 nur noch insoweit, als mit diesem Bescheid Leistungen für Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2006 geregelt werden.

13

Die Beteiligten haben den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Kosten der Unterkunft beschränkt (ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff). Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (BSG) rechtlich zulässig. Eine weitere Begrenzung des Streitgegenstandes nur auf die Unterkunftskosten, ohne Berücksichtigung der Heizkosten, ist jedoch nicht möglich (vgl BSG aaO, RdNr 22).

14

Das LSG hat den Beklagten verurteilt, den Klägern für den streitigen Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2006 Kosten der Unterkunft in Höhe von 412 Euro und Heizkosten in Höhe von 120 Euro monatlich zu bewilligen. Da die Kläger selbst keine Revision eingelegt haben, ist der Bescheid vom 12.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2006 bestandskräftig geworden, soweit mit diesem Bescheid höhere Leistungen abgelehnt worden sind.

15

Die Kläger erfüllen die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II bzw § 28 SGB II für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ihr Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für Kosten der Unterkunft. Diese werden gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als bei der pauschalierten Regelleistung - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die tatsächlichen Kosten nicht in beliebiger Höhe erstattungsfähig, sondern nur insoweit, als sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung limitiert somit die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach. Die Angemessenheitsprüfung ist nicht ins Belieben der Verwaltung gestellt. Vielmehr sind weitere Konkretisierungen erforderlich, die schon auf Grund des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien erfolgen müssen. Zum anderen fordert das Rechtsstaatsprinzip die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung (vgl hierzu BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 12).

16

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze wird nach der Rechtsprechung des BSG in einem ersten Schritt die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie in einem zweiten Schritt festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Insoweit ist das Vorgehen des LSG nicht zu beanstanden. Das LSG hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückgegriffen, welche die Länder auf Grund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (vgl BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3 RdNr 19). Insoweit ist das LSG unter Berücksichtigung der Wohnraumförderbestimmungen nach Nr 11 der Richtlinie über die soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen (Wohnraumförderungsbestimmungen vom 27.6.2003, NdsMinBl 2003, 580, zuletzt geändert durch Runderlass vom 19.10.2006, NdsMinBl 2006, 973) von einer für die Kläger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße von 75 qm ausgegangen. Auch bestehen keine Bedenken dagegen, die gesamte Fläche der Stadt W als maßgeblichen Vergleichsraum zu berücksichtigen (vgl hierzu bereits BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 15).

17

Der Senat kann indessen auf Grund der bisherigen Feststellungen des LSG nicht beurteilen, welche Wohnungsmieten im maßgeblichen Vergleichszeitraum in W zu zahlen und welche davon als angemessen anzusehen sind.

18

Stehen die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche Vergleichszeitraum fest, ist nach der Rechtsprechung des BSG in einem dritten Schritt nach Maßgabe der Produkttheorie zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist, dh, Ziel der Ermittlung des Grundsicherungsträgers ist es, einen Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards zu ermitteln, um diesen nach Maßgabe der Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger zugestandenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren und so die angemessene Miete feststellen zu können. Entscheidend ist hierbei, dass den Feststellungen des Grundsicherungsträgers ein Konzept zu Grunde liegt, das im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig ist. Die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" soll auf diese Weise hinreichend nachvollziehbar gemacht werden.

19

Der 4. Senat des BSG hat das dem vorliegenden Rechtsstreit zu Grunde liegende Konzept des Beklagten, der sich nicht auf einen qualifizierten Mietspiegel stützen kann (vgl zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts auf der Basis der Daten eines Mietspiegels die Urteile des Senats vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R; B 14 AS 2/10 R; B 14 AS 50/10 R), bereits einer eingehenden rechtlichen Überprüfung unterzogen (Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R = BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30 RdNr 19 ff). Der erkennende Senat macht sich insoweit für den vorliegenden Parallelfall die Rechtsauffassung des 4. Senats des BSG zum sog schlüssigen Konzept zu Eigen und verweist insoweit auf dessen Ausführungen unter RdNr 19 ff des zitierten Urteils vom 22.9.2009.

20

Der erkennende Senat teilt auch die Rechtsauffassung des 4. Senats hinsichtlich der Rechtsfolgen aus dem Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts seitens der beklagten Stadt W Diese hat zwar Daten über Mietpreise und den Wohnungsbestand erhoben, es kann jedoch nicht beurteilt werden, ob aus diesem Datenbestand zutreffende Schlüsse auf die Angemessenheitsgrenze gezogen werden können. Solche Rückschlüsse setzen voraus, dass nachvollziehbar ist, welche Wohnungen in die Datenerhebung einbezogen wurden. Schon hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Das LSG wird daher prüfen müssen, nach welchen Kriterien der beklagte Grundsicherungsträger die von ihm ausgewerteten Daten erhoben hat, insbesondere welche Wohnungen dabei berücksichtigt wurden. Ergeben diese Ermittlungen eine brauchbare Datengrundlage, wird das LSG möglicherweise in die Lage versetzt, eine Angemessenheitsgrenze selbst zu bestimmen. Ist dies nicht möglich, so ist nach der Rechtsprechung des BSG auf die Werte der Wohngeldtabelle (rechte Spalte) zu § 8 WoGG zuzüglich eines Zuschlags abzustellen(grundlegend BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 29; vgl auch Urteil des Senats vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 26, insbesondere RdNr 21).

21

Das LSG wird auch unabhängig vom Vorliegen eines schlüssigen Konzepts hinsichtlich der Kosten der Unterkunft eine abschließende Entscheidung über die Angemessenheit der Höhe der Heizkosten zu treffen haben (grundlegend Urteil des Senats vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/06 R = BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23). Das LSG hat - soweit ersichtlich - den Beklagten verurteilt, die tatsächlich monatlich anfallenden Heizkosten in Höhe von 120 Euro zu übernehmen. Dies entspricht vom Ansatzpunkt her der Rechtslage und der Rechtsprechung des BSG (BSG aaO). Der Anspruch auf Heizkosten gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II besteht zunächst jeweils in Höhe der konkret individuell geltend gemachten Aufwendungen. Eine Pauschalierung ist unzulässig. Nur wenn die Heizkosten über einem aus einem bundesweiten oder kommunalen Heizspiegel zu ermittelnden Grenzbetrag liegen, sind sie im Regelfall nicht mehr als angemessen zu betrachten (zur Ermittlung des Wertes aus diesem sog bundesweiten Heizspiegel vgl BSG aaO, RdNr 22 ff).

22

Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung höherer Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) für die Zeit vom 5.8.2007 bis zum 29.2.2008.

2

Der 1957 geborene Kläger (ursprünglich Kläger zu 1) und der 1977 geborene chinesische Staatsangehörige Y, der das vorliegende Verfahren im Klage- und Berufungsverfahren als Kläger zu 2 betrieben hatte, waren im streitigen Zeitraum eingetragene Lebenspartner nach dem Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz ). Sie bezogen seit dem 1.1.2005 von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Für die von ihnen bewohnte 61,44 qm große 2,5 Zimmerwohnung in Berlin-Schöneberg zahlten sie nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg im streitigen Zeitraum eine Miete einschließlich Heizkosten von insgesamt 532,49 Euro monatlich. Der Beklagte teilte ihnen mit Schreiben vom 29.1.2007 mit, dass ihre KdU nicht angemessen seien. Für einen Zwei-Personen-Haushalt gelte insoweit ein Richtwert in Höhe von 444 Euro. Sie seien daher verpflichtet, ihre KdU zu senken. Er, der Beklagte, sei bereit, die tatsächlichen KdU noch für sechs Monate nach Zugang seines Schreibens zu übernehmen.

3

Mit Bescheid vom 27.6.2007 gewährte der Beklagte dem Kläger und seinem Partner für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 31.8.2007 Leistungen in Höhe von 916,49 Euro monatlich. Als Bedarf legte er dabei jeweils den Regelsatz für Partner einer Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 312 Euro und berücksichtigungsfähige KdU in Höhe von 532,49 Euro zugrunde. Hierauf rechnete er zunächst Einkommen an. Nach Widerspruch wegen der Berücksichtigung von Einkommen und nachdem Y mitgeteilt hatte, er werde vom 2.8.2007 an für voraussichtlich vier Monate wegen familiärer Verpflichtungen nach Peking reisen, bewilligte der Beklagte dem Kläger für August 2007 Leistungen in Höhe von insgesamt 578,24 Euro (312 Euro Regelleistung und 266,24 Euro KdU). Der Bescheid berücksichtige als Änderungen die unerlaubte Ortsabwesenheit des Y Dadurch sei dessen Leistungsanspruch weggefallen (Änderungsbescheid vom 7.8.2007). Mit Bescheid vom 23.8.2007 in der Fassung des Bescheides vom 25.9.2007 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1.9.2007 bis zum 29.2.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 534 Euro monatlich (312 Euro Regelleistung und 222 Euro KdU). Die hiergegen gerichteten Widersprüche blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheide vom 25.9.2007 und 26.9.2007).

4

Während des hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Berlin geführten Klageverfahrens kehrte Y am 6.12.2007 nach Deutschland zurück. Für die Zeit vom 6.12.2007 bis zum 29.2.2008 bewilligte ihm der Beklagte daraufhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 534 Euro monatlich (für Dezember 2007 anteilig in Höhe von 437,60 Euro; Bescheid vom 28.12.2007).

5

Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 18.1.2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit der Ortsabwesenheit des Y Leistungen in Höhe des Regelsatzes für Alleinstehende von 347 Euro zu gewähren. Während der Ortsabwesenheit des Y sei zwar nicht die Bedarfsgemeinschaft aufgelöst worden, weil keine dauerhafte Trennungsabsicht vorgelegen habe. Jedoch seien mit der Abreise das gemeinsame Wirtschaften aus einem Topf und damit die Grundlage der Bildung des Mischregelsatzes entfallen. Zu Recht habe der Beklagte dagegen nur die Hälfte der Kaltmiete und der Nebenkosten berücksichtigt. Dies entspreche der Kopfteilmethode, die solange anzuwenden sei, wie die Kläger eine Bedarfsgemeinschaft bildeten. Die angemessene Bruttokaltmiete für einen Zwei-Personen-Haushalt betrage ausgehend von den obersten Spannenwerten im Berliner Mietspiegel 407,40 Euro (Kaltmiete von 293,40 Euro zuzüglich angemessener kalter Betriebskosten in Höhe von 114 Euro). Zusätzlich gehöre die tatsächliche Heizkostenvorauszahlung abzüglich der Warmwasser- und Kochgaspauschale zu den angemessenen Kosten für Heizung.

6

Die hiergegen vom Kläger und Y zum LSG eingelegten Berufungen sind ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 9.6.2009). Streitgegenstand seien im Berufungsverfahren nach zulässiger Beschränkung des Streitgegenstandes noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 5.8.2007 bis zum 29.2.2008 und des Y für die Zeit nach seiner Rückkehr aus Peking, also vom 7.12.2007 bis zum 29.2.2008. Gegenstand des Verfahrens seien damit die Bescheide des Beklagten vom 27.6.2007, 23.8.2007 und vom 25.9.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. und 26.9.2007 sowie der Bescheid vom 28.12.2007. Die Änderungsbescheide des Beklagten vom 7.8.2007 und vom 6.9.2007 seien dagegen nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden, denn die Verfügungssätze dieser Bescheide erschöpften sich in der Aufhebung der Leistungsbewilligung für Y ab dem 8.7.2007 bzw ab August 2007 wegen Ortsabwesenheit. Nachdem der Beklagte seine Berufung zurückgenommen habe, sei das erstinstanzliche Urteil im Übrigen insoweit rechtskräftig und damit für die Beteiligten bindend, als das SG den Beklagten verpflichtet habe, dem Kläger für die Dauer der Ortsabwesenheit des Y die höhere Regelleistung nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II zu gewähren.

7

Beide Berufungskläger seien Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II(in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004, BGBl I 2014), insbesondere hätten sie während des streitigen Zeitraums ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II)gehabt und seien auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II in Verbindung mit § 9 SGB II gewesen. Neben der Regelleistung nach § 20 SGB II, deren Höhe nicht mehr streitig sei, hätten sie Anspruch auf Leistungen für die KdU in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen seien. Ansprüche auf weitergehende KdU als von dem Beklagten bewilligt ergäben sich nach Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten nach der sog Produkttheorie nicht.

8

Hinsichtlich der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße sei die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zugrunde zu legen, für die in Berlin - in Ermangelung von Richtlinien zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung - Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) - zum einen an die Bestimmungen zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen(insoweit an die Mitteilung Nr 8/2004 vom 15.12.2004 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung) und zum anderen - wegen fehlender Bestimmungen über den Mietwohnungsbau - an die Richtlinien über Förderungssätze für eigengenutztes Wohneigentum der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 25.5.1999 (Eigentumsförderungssätze 1999, ABl 1999, 2918 ff) anzuknüpfen sei. Nach Maßgabe dieser Regelungen sei eine Wohnungsgröße von bis zu 60 qm für die Kläger angemessen.

9

Für die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließe, die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Hierfür seien die sich aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) ergebenden durchschnittlichen Mittelwerte für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten zugrunde zu legen. Für eine Wohnfläche von vierzig bis unter sechzig Quadratmetern in einfacher Lage ergebe sich eine Nettokaltmiete von gerundet 4,54 Euro pro qm (Summe aus sämtlichen Mittelwerten geteilt durch 9), und also eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von insgesamt 272,40 Euro (4,54 Euro x 60 qm). Hierzu seien als angemessene kalte Betriebskosten die durchschnittlichen kalten Betriebskosten, die regelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten seien, unter Zugrundelegung der vom Deutschen Mieterbund (DMB) mit dem "Betriebskostenspiegel 2007" veröffentlichten Angaben (www.mieterbund.de) zu bestimmen, die sich auf 1,79 Euro pro qm (einschließlich Steuern und Abgaben), mithin für eine Wohnung von 60 qm auf 107,40 Euro monatlich beliefen. Zuzüglich einer angemessenen Bruttokaltmiete von insgesamt 379,80 Euro seien Heizkosten in Höhe von 0,85 Euro pro qm (ebenfalls unter Rückgriff auf den Betriebskostenspiegel 2007) als angemessen anzusehen, sodass sich bei einer Wohnungsgröße von 60 qm eine angemessene monatliche Bruttowarmmiete in Höhe von insgesamt 430,80 Euro (379,80 Euro + 51 Euro) ergebe. Zur Überzeugung des Senats stehe in Berlin eine ausreichende Zahl gerade auch von Zwei-Zimmer-Wohnungen in diesem Mietsegment mit dem vorgenannten Mietniveau zur Verfügung. Ein "Bestandsschutz" nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II bestehe nicht mehr. Der Kläger habe auch während der Dauer der Ortsabwesenheit des Y keinen Anspruch auf Leistungen für die KdU in Höhe der gesamten Kosten der Mietwohnung, sondern nur in Höhe der Hälfte dieser Kosten. Besonderheiten, die ein Abweichen vom Prinzip der Aufteilung der Unterkunftskosten nach der Kopfzahl der Wohnungsnutzer rechtfertigen könnten, bestünden im vorliegenden Fall nicht. Unerheblich sei, dass ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft wegen einer länger als sechs Wochen währenden Ortsabwesenheit vorübergehend vom Leistungsbezug ausgeschlossen (vgl § 7 Abs 4a SGB II in Verbindung mit § 3 Abs 4 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können vom 23.10.1997 , geändert durch Art 1 1. ÄndAnO vom 16.11.2001 ) und infolgedessen außer Stande gewesen sei, den auf ihn entfallenden Anteil der Unterkunftskosten aufzubringen. Denn insoweit handele es sich um eine von dem Lebenspartner des Klägers selbst zu verantwortende Entscheidung, sich länger als sechs Wochen von seinem Wohnsitz zeit- und ortsfern aufzuhalten. Diese Entscheidung könne den Beklagten nicht verpflichten, dem anderen Hilfebedürftigen nunmehr nicht nur Leistungen für die KdU in Höhe seines Kopfteils, sondern in Höhe der gesamten tatsächlichen KdU zu erbringen.

10

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers. An dem Revisionsverfahren hat sich Y, der mittlerweile vom Kläger dauernd getrennt lebt, nicht beteiligt. Der Kläger rügt die fehlerhafte Anwendung des § 22 Abs 1 SGB II durch das LSG. Während der Ortsabwesenheit des Y liege ein Sachverhalt vor, der ein Abweichen vom Grundsatz der Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahl rechtfertige. Y habe aufgrund der Ortsabwesenheit keinen Beitrag zu den KdU beisteuern können, sodass die bei der Bedarfsgemeinschaft vermuteten Synergieeffekte ausfielen. Es seien für diesen Zeitraum die angemessenen KdU entsprechend einem Ein-Personen-Haushalt in Höhe von 422,50 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale in Ansatz zu bringen. Die abstrakte Angemessenheit der Wohnungskosten sei unter Rückgriff auf den günstigsten Spannenhöchstwert innerhalb der verschiedenen Bauklassen für Wohnungen mit Bad und WC in einfacher Wohnlage zu bestimmen, solange der Träger der Grundsicherung dem Hilfebedürftigen nicht die konkrete Möglichkeit der Anmietung von günstigeren Wohnungen nachweise. Nur bei Zugrundelegung des Spannenoberwerts könne ausreichend sicher geschlussfolgert werden, dass eine angemessene Wohnung tatsächlich gefunden werden könne. Dies gelte auch für die kalten Betriebskosten. Zwar ergebe sich nach dem Betriebskostenspiegel des DMB ein deutlich niedrigerer Mittelwert. Dieser bundesdeutsche Wert könne aber nicht maßgeblich sein, sondern es sei auf die mutmaßlichen Betriebskosten aus dem Berliner Mietspiegel für eine konkret in Berlin anzumietende Wohnung zurückzugreifen. Ausgehend von einer Nettokaltmiete in Höhe von 4,71 Euro pro qm (einfache Wohnlage Baujahre 1965-1972), kalten Betriebskosten in Höhe von 2,59 Euro pro qm und Heizkosten in Höhe von 1,15 Euro ergebe sich (bei einer Wohnungsgröße für eine Person in Höhe von 50 qm) eine angemessene Gesamtmiete in Höhe von 422,50 Euro, die um 6,53 Euro für Warmwasser zu bereinigen sei (Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 4.4.2008 - L 32 AS 458/08 AS ER und vom 5.9.2007 - L 32 AS 1312/07 AS ER). Entsprechend seien die Kosten für einen Zwei-Personen-Haushalt zu berechnen.

11

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2009 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2008 sowie die Bescheide des Beklagten vom 27. Juni 2007, vom 7. August 2007, vom 23. August 2007 und vom 25. September 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. September 2007 und 26. September 2007 sowie den Bescheid vom 28. Dezember 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger weitere Kosten der Unterkunft und Heizung abzüglich bereits gezahlter Kosten für den Bewilligungszeitraum

        

vom 5. August 2007 bis 31. August 2007 in Höhe von 370,01 Euro,

        

vom 1. September 2007 bis 30. November 2007 in Höhe von monatlich 411,12 Euro,

        

vom 1. Dezember 2007 bis 6. Dezember 2007 in Höhe von 82,22 Euro,

        

vom 7. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von 221,87 Euro,

        

vom 1. Januar 2008 bis 31. Januar 2008 in Höhe von 266,07 Euro und

        

vom 1. Februar 2008 bis 29. Februar 2008 in Höhe von 270,07 Euro

        

zu gewähren.

12

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Er hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob der Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen kann, als sie das SG zugesprochen hat.

15

1. Streitgegenstand sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von August 2007 bis Februar 2008. Der Kläger ist durch das Urteil des SG im Hinblick auf die Höhe der Regelleistung nicht beschwert und hat dementsprechend den Streitstoff in der Sache auf die KdU beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217, 222 f = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6 f, jeweils RdNr 18). Er hat bereits im Widerspruchs- und Klageverfahren für den Fall, dass Y höhere KdU nicht zuständen, die gesamten Unterkunftskosten geltend gemacht, sodass er insoweit durch das SG-Urteil beschwert und seine Berufung statthaft ist. Nachdem der Beklagte die von ihm geführte Berufung zurückgenommen hat, ist das SG-Urteil bindend geworden, auch soweit es höhere KdU (nämlich hinsichtlich der Kosten der Heizung) zugesprochen hat als ursprünglich bewilligt. Das LSG wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits die weitergehende, im Revisionsverfahren vorgenommene betragsmäßige Beschränkung des Streitstoffs zu beachten haben.

16

Bei diesem auf die KdU beschränkten Streitgegenstand sind Gegenstand des Verfahrens die Bescheide des Beklagten vom 27.6.2007, vom 7.8.2007, vom 23.8.2007 und vom 25.9.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.9.2007 und 26.9.2007 sowie der Bescheid vom 28.12.2007. Unzutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 7.8.2007 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Mit diesem als Änderungsbescheid bezeichneten Bescheid sollte ausdrücklich den Änderungen Rechnung getragen werden, die sich aus der Ortsabwesenheit des Y ergeben haben. Der Bescheid beinhaltet damit sinngemäß auch die Regelung, dass aus der Ortsabwesenheit des Y für den Kläger weder ein Anspruch auf höhere Regelleistung noch auf höhere KdU folgt. Diese Regelung hat der Kläger schon mit seinem Widerspruch angegriffen und damit zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Lediglich der ergänzend am 6.9.2007 ergangene, ausschließlich an Y gerichtete Aufhebungsbescheid ist nicht (mehr) Gegenstand des Verfahrens, denn er betrifft nur die Aufhebung von Bewilligungen an Y

17

2. Der Kläger gehört nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Auch die rechtliche Würdigung des LSG, er habe im streitigen Zeitraum mit Y in Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst b SGB II gelebt, ist nicht zu beanstanden. Nach dem Vortrag des Klägers und seines damaligen Partners, den das LSG bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, bestand ein Trennungswille im zweiten Halbjahr 2007 nicht, auf den es insoweit nach § 15 Abs 5 LPartG wie nach § 1567 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) maßgeblich ankommt(vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16).

18

3. a) Leistungen für Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Welche Aufwendungen für die Unterkunft vorliegend tatsächlich angefallen sind, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht abschließend entnehmen. Das LSG hat die Gesamtaufwendungen für Unterkunft nicht von denen der Heizung getrennt ausgewiesen. Lediglich aus dem Tatbestand des SG-Urteils lässt sich ersehen, dass sich die tatsächlichen Kosten aus einer Nettokaltmiete in Höhe von 393,27 Euro und 70,68 Euro Betriebskosten sowie einem nicht an den Vermieter zu entrichtenden Abschlag für die Gasversorgung (wohl bei einer Gasetagenheizung) in Höhe von 89 Euro zusammengesetzt haben, von denen der Beklagte nur einen Teil anerkannt hat. Das LSG wird dies nach Zurückverweisung des Rechtsstreits im Einzelnen nachzuvollziehen und die Prüfung der Unterkunftskosten getrennt von den Kosten der Heizung durchzuführen haben (vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23).

19

b) Die tatsächlich aufgewandten KdU bis zur Höhe ihrer Angemessenheit stehen dem Kläger in der Zeit vom 5.8.2007 bis zum 6.12.2007 allein zu. Für die Anwendung des Kopfteilprinzips ist in dieser Zeit entgegen der Auffassung des LSG kein Raum, weil der Kläger die Wohnung nach den Feststellungen des LSG während dieser Zeit nicht mit weiteren Personen gemeinsam, sondern allein genutzt hat. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG setzt die Aufteilung der KdU nach Köpfen voraus, dass die Wohnung gemeinsam mit anderen Personen genutzt wird (vgl BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, jeweils RdNr 28; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 6 RdNr 13; BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19). Entscheidend ist mithin, dass neben dem Hilfebedürftigen die Wohnung den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf weiterer Personen abdeckt. Daran fehlt es, soweit ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Wohnung über einen Zeitraum nicht nutzt, der zu einem Ausschluss von Leistungen nach § 7 Abs 4, 4a SGB II führt. Entgegen der Auffassung des LSG steht der Sinn und Zweck des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4a SGB II dem nicht entgegen. Der Leistungsausschluss wegen Ortsabwesenheit nach § 7 Abs 4a SGB II findet - bezogen auf die KdU - seine Begründung gerade darin, dass die Notwendigkeit der Übernahme der Wohnungskosten dann nicht erkennbar ist, wenn die Wohnung nicht genutzt wird. Diesem Ausschluss von KdU entspricht es durchaus, wenn bei der Verteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen ein nur "fiktiver" Anteil des ortsabwesenden Partners nicht eingestellt wird. Es ist dem verbliebenen Partner einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II, die trotz der Abwesenheit des Partners ausnahmsweise nicht aufgelöst wird, jedenfalls bei einer im Vorhinein auf bis zu sechs Monate beschränkten Abwesenheit des Partners nicht zumutbar, die KdU vorübergehend zu senken(dazu im Einzelnen unter 4.a). Es geht damit in solchen Konstellationen nicht darum, den verbliebenen Partner in die Lage zu versetzen, etwaigen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber seinem ortsabwesenden Partner nachzukommen, sondern es ihm selbst zu ermöglichen, den eigenen Wohnbedarf (zumindest für eine Übergangszeit) voll zu decken.

20

4. Die Angemessenheit von KdU ist unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder der Beklagte noch SG und LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.

21

a) Zutreffend hat das LSG eine Wohnungsgröße von 60 qm als angemessen für einen Zwei-Personen-Haushalt zugrunde gelegt. Die im Vorhinein auf vier Monate begrenzte Ortsabwesenheit des Y führt nicht dazu, dass wegen der Prüfung der Angemessenheit auf die Wohnungsgröße für eine Person abzustellen wäre.

22

Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 WoFG vom 13.9.2001 (BGBI I 2376) iVm § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (nF) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG(als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm und an Zwei-Personen-Haushalte Wohnraum von bis zu 60 qm überlassen werden. An diese Regelungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF, die auch nach Inkrafttreten von § 27 WoFG und § 5 WoBindG nF Grundlage für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind, ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14). Die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl sind für die Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II unbeachtlich. Dies haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits für andere Bundesländer entschieden, in denen neben der Wohnungsgröße auch die Raumzahl entscheidend ist (vgl für Bayern BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 15; für Rheinland-Pfalz BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 34; für Nordrhein-Westfalen BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb für das Land Berlin anderes gelten sollte. Auf die (unterschiedlichen) Wohnungsgrößen in den (zum 31.12.1999 außer Kraft getretenen) Richtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für die Förderung der Neuschaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau (Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 vom 16.7.1990 in der Fassung der Änderungsvorschriften vom 13.12.1992) und den Richtlinien über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum (Eigentumsförderungssätze 1999 vom 25.5.1999), die das LSG ergänzend herangezogen hat, kommt es nicht an. Diese mögen Auswirkungen auf die üblichen Wohnungsgrößen im geförderten Wohnungsbau nach 1992 haben (und damit ohnehin nur für ein Teilsegment des in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarktes), es handelt sich aber nicht um Bestimmungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF.

23

Soweit die landesrechtlichen Bestimmungen an die Personenzahl in einem Haushalt anknüpfen, hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass Ausgangspunkt für die Berechnung der Wohnfläche die Zahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ist (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 21). Dies gilt im Ausgangspunkt auch, wenn Partner der Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II dauerhaft in getrennten Wohnungen leben, ohne dass ein Trennungswille vorliegt, und eine Haushaltsgemeinschaft deshalb nicht besteht. Insgesamt können KdU nur in einer Höhe beansprucht werden, wie sie Partnern in einer gemeinsamen Wohnung zustehen (BSG Urteil vom 18.2.2010 - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, jeweils RdNr 17). Besonderheiten hinsichtlich der Feststellung der maßgeblichen Wohnungsgröße sind allerdings für Fälle denkbar, in denen zwar eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II trotz Auflösung der Haushaltsgemeinschaft wegen eines fehlenden Trennungswillens iS des § 1567 Abs 1 BGB bzw des § 15 Abs 5 LPartG fortbesteht, ein Partner der Bedarfsgemeinschaft aber wegen eines dauerhaften auswärtigen Aufenthalts die Wohnung nicht nutzt und Leistungen nach dem SGB II nicht erhalten kann. Namentlich die Auflösung der Haushaltsgemeinschaft bei längerem Aufenthalt eines Partners außerhalb des in § 7 Abs 4a SGB II genannten Bereichs (wie etwa einem langfristigen Auslandsaufenthalt) oder bei einem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung mit der Folge des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4 SGB II (etwa der Verbüßung einer Freiheitsstrafe) kann es für den verbliebenen Partner zumutbar werden lassen, die entstehenden Gesamtkosten zu mindern und seine Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung anzupassen. Der Erhalt einer größeren, für zwei Personen zugeschnittenen Wohnung mit Hilfe von Leistungen nach dem SGB II ist zeitlich nicht unbegrenzt schutzwürdig. Anlass zu weitergehender Festlegung, von welchem Zeitpunkt an Maßnahmen zur Kostensenkung vom Träger nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II verlangt werden können, bietet der vorliegende Fall nicht. Jedenfalls wenn der auswärtige Aufenthalt im Vorhinein auf unter sechs Monate beschränkt ist, ergibt sich eine solche Obliegenheit für den verbliebenen Partner der Bedarfsgemeinschaft nicht.

24

b) Zutreffend hat das LSG bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des BSG muss es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des LSG sprechen, dass es sich bei der Stadt Berlin insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handelt. Die Stadt Berlin ist mit einer Einwohnerzahl von rund 3,4 Millionen (Stand 2006; Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) und einer Fläche von rund 891 qkm zwar nahezu dreimal so groß wie die Stadt München (rund 1,36 Millionen Einwohner bei einer Fläche von rund 310 qkm; Quelle: Statistisches Amt München), für die der 4. Senat des BSG einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen hat ( vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale liegen aber - trotz dieser Größe - auch bezogen auf das Stadtgebiet von Berlin vor. Der öffentliche Nahverkehr ist auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her ausgerichtet. Von den Randlagen aus ergeben sich in die innerstädtischen Bezirke insoweit lediglich Fahrzeiten, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden (vgl § 121 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das Risiko einer Gettoisierung. Außerdem zeigt die Wohnlagenkarte als Anlage zu dem vom LSG in Bezug genommenen Berliner Mietspiegel, dass ohnehin in allen Bezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren (dazu sogleich), vorhanden sind, sodass auch von daher die Bildung eines engeren Vergleichsraums nicht erforderlich erscheint. Es steht nicht zu befürchten, dass mit einem ggf zur Kostensenkung erforderlichen Umzug regelmäßig das nähere soziale Umfeld verlassen werden muss. Soweit ein solcher Umzug über die Orts- oder auch Bezirksgrenzen hinweg im Einzelfall gleichwohl notwendig wird, ist dies im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Hilfebedürftigen hinzunehmen (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 18).

25

c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zugrunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln ( vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R ).

26

aa) Die Träger der Grundsicherung entscheiden in Berlin über die Angemessenheit von Unterkunftskosten auf Grundlage der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen). Es handelt sich dabei um bloße Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des Beklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (444 Euro für einen Zwei-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG zugrunde liegt. Ob zur Ermittlung des Wertes die Produkttheorie unter Zugrundelegung der oben genannten Wohnungsgrößen angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden sind, wird nicht erkennbar und ist von dem Beklagten nicht vorgetragen. Im Übrigen ist der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat (ausdrücklich bereits BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 19).

27

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) bestimmt. Qualifizierte Mietspiegel iS des § 558d BGB (wie der Berliner Mietspiegel) können - wie auch einfache Mietspiegel - Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs 1 SGB II sein(vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 16; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25 und zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25). Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben(zum Folgenden auch Butzer/Keller, NZS 2009, 65). Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen (wie dies auch bezogen auf den Berliner Mietspiegel der Fall ist) nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist - wie bereits ausgeführt - auch bei der Prüfung nach § 22 Abs 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. Im Hinblick auf das mit dem Mietspiegel nicht erfasste Marktsegment der preisgebundenen Wohnungen bestehen - jedenfalls bezogen auf Berlin - keine weitergehenden Bedenken. Mit dem Wegfall der Anschlussförderung für Objekte des Sozialen Wohnungsbaus, bei denen die 15jährige Grundförderung ab dem 1.1.2003 endet (dazu BVerwGE 126, 33), und dem Verzicht auf die entsprechenden Belegungsbindungen sank der Anteil mietpreisgebundener Sozialwohnungen bis Ende 2006 auf knapp 12 % des Gesamtwohnungsbestandes (vgl Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 2007, S 30 unter Bezugnahme auf Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung). Hilfebedürftige werden damit in erster Linie auf die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt angewiesen sein.

28

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig, wovon das LSG im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen ist (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Über das Baualter können zwar sehr vergröbernd Rückschlüsse auf die Bauweise und den Baustandard gezogen werden. Insbesondere liegt der Ausstattungsgrad von Neubauten im Regelfall über dem Ausstattungsgrad in Gebäuden älterer Bauklassen. Gerade Wohnungen, die in der Nachkriegszeit erbaut worden sind, haben häufig einen wesentlich geringeren Ausstattungsgrad. Aus dem Mietspiegel allein lässt sich jedoch nicht ersehen, inwieweit gerade Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, die den Rückschluss zulassen, im konkreten Vergleichsraum sei eine "angemessene" Wohnung tatsächlich anmietbar. Zudem birgt die Verweisung auf bestimmte Bauklassen verdeckt die Gefahr einer Gettoisierung. Solange nicht statistisch valides Material vorliegt, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile einer Stadt - prägen, erscheint es nicht zulässig, allein bestimmte Bauklassen in Bezug zu nehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bauklassen, die den Standard von Neubauten abbilden. Zwar werden eine ganze Anzahl von Neubauten einen Ausstattungsgrad haben, der über das in Bezug zu nehmende Segment nach § 22 SGB II hinausgeht. Eine generelle Festlegung, der Hilfeempfänger sei schlechterdings von der Anmietung einer solchen Wohnung ausgeschlossen, lässt sich aber nicht treffen (vgl auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Erst wenn weitergehendes Material erkennen lässt, dass Gebäude dieser Bauklassen den Mietmarkt des unteren Marktsegments nicht maßgeblich mitprägen, kommt eine Außerachtlassung der Mietpreise für solche Bauklassen in Betracht.

29

Allerdings weist der Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad) gesondert aus. Es handelt sich einerseits um Wohnungen mit "Ofenheizung", bei denen sich der Mieter der Wohnung mit der Versorgung mit Kohlen und der Entsorgung der Asche befassen muss (vgl LG Berlin Urteil vom 15.1.2007 - 67 S 305/06 - juris RdNr 13), und andererseits oder kumulativ um Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder Küche) waschen, aber nicht duschen können. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, diese Werte seien einzubeziehen, um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten. Wenn solche Wohnungen nicht den unteren, sondern den untersten Standard abbilden, gehören sie von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung des qualifizierten Mietspiegels unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet.

30

cc) Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete, wie ihn das LSG vorgenommen hat, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht. Die Bildung arithmetischer Werte bietet gerade bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment abbildet. Die sog Tabellenmethode, nach der der Berliner Mietspiegel erstellt ist, stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen (hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen. Zwischen den einzelnen (insgesamt 107 besetzten) Rasterfeldern bestehen keine Beziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem einzelnen, mit den drei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Einzelne Felder haben also je nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt. Weil die Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird.

31

Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen. Solche Rückschlüsse, die aus weitergehendem Material (das etwa auch der Träger der Grundsicherung aufgrund eigener Erhebungen einführen könnte) getroffen werden, müssen gerichtlich überprüfbar sein. Dies trifft auf die Grundlagendaten für qualifizierte Mietspiegel zu. Für einen qualifizierten Mietspiegel ist immer eine Primärdatenerhebung erforderlich, also die Erhebung von Daten, die ausschließlich zum Zweck der Mietspiegelerstellung erhoben wurden. Die Daten der Primärdatenerhebung müssen repräsentativ sein, die gezogene Stichprobe muss ein getreues Abbild des Wohnungsmarktes abgeben (vgl im Einzelnen Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl 2008, § 558d RdNr 7). Die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze muss in einer öffentlich zugänglichen Dokumentation niedergelegt sein (aaO RdNr 10). Es erscheint damit durchaus sinnvoll, solche Grundlagendaten bei Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Konzepts heranzuziehen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Auswertung dieser bereits vorhandenen Daten zu einem erhöhten (über einfache Rechenschritte hinausgehenden) Aufwand bei den Gerichten führen muss. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist in erster Linie der kommunale Träger für solche notwendig erscheinenden Auswertungen im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin mit der AV-Wohnen der Fall ist.

32

Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.

33

d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Schon der Wortlaut des § 22 Abs 1 SGB II zeigt, dass diese Kosten zu den KdU für einen Hilfebedürftigen gehören und nicht - wie die Heizkosten - getrennt erfasst werden sollen. Zur realistischen Abbildung eines abstrakt angemessenen Mietpreises ist die Einbeziehung des Faktors "kalte Betriebskosten" erforderlich. Dies entspricht den mietrechtlichen Vorgaben im Mietwohnungsbau, an denen sich der Gesetzgeber des SGB II wegen der KdU orientiert. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (vgl nur Blank in Blank/Börstinghaus, aaO § 556 RdNr 1). Auch der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum kann Betriebskosten nur als gesondert abzurechnende Kosten auf den Mieter abwälzen (vgl § 20 der Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen - Neubaumietenverordnung - BGBl I 1990, 2204 idF BGBl I 2003, 2346).

34

Eine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs 1 und 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufhebung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen(BetrKV; vom 25.11.2003, BGBl I 2346 ) normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt angemessenen Kosten iS des § 22 Abs 1 SGB II sind die dort genannten Betriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten. Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell sind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die Werte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen Preisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich.

35

5. Das LSG wird abschließend die Heizkosten getrennt von den Unterkunftskosten zu bestimmen haben (dazu nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23). Auszugehen ist dabei zunächst von den tatsächlichen Kosten. Diese Kosten, die nach den Feststellungen des SG in einer Gasabschlagszahlung von 89 Euro monatlich an ein Berliner Gasversorgungsunternehmen bestehen, sind sodann um die Kosten der Warmwasserbereitung zu bereinigen, wenn feststeht, dass die Erwärmung des Wassers wie die Heizung über eine Gasetagenheizung (Gastherme) erfolgt ist (vgl BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5). Ferner lässt sich dem Urteil des SG entnehmen, dass durch den Beklagten von den Gasabschlagszahlungen zusätzlich eine Pauschale für Kochenergie abgezogen worden ist. Soweit die notwendigen Feststellungen des LSG hierzu ergeben, dass vorliegend mit einem Gasherd gekocht wird und die Kosten hierfür ebenfalls in den Gasabschlagszahlungen enthalten sind, ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Kosten wie die Kosten für das Warmwasser insoweit bereits in der Regelleistung unter der Position Haushaltsenergie enthalten sind. Allerdings erschließt sich dem Senat nicht, woraus sich die Höhe der vom Beklagten und dem SG zugrunde gelegten Pauschale ergeben soll. Maßgeblich kann auch insoweit allein der Anteil sein, der bereits in der Regelleistung für das Kochen (im Regelfall das Kochen mit einem Elektroherd) enthalten ist (vgl BSG aaO RdNr 23 ff). Offenbar vertritt der Beklagte (und ihm folgend das SG Berlin) wie die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin die Auffassung, dieser Anteil sei mit 22,3 Prozent des in der Regelleistung enthalten Anteils für Haushaltsenergie zu bestimmen. Erläuternd heißt es dazu etwa in dem Rundschreiben I Nr 5/2009 der Senatsverwaltung: abrufbar über die Internetpräsenz der Senatsverwaltung: http://www.berlin.de/sen/soziales/berliner-sozialrecht/archiv/rdschr/2009_05_anlage.html) ua über die Pauschalen für Haushaltsenergie (sog Energiepauschalen): "Der Anteil der Pauschale für Haushaltsenergie am Regelsatz insgesamt ist durch die Regelsatzbemessung auf Grundlage der EVS 2003 vorgegeben, die Verteilung der Bestandteile jedoch nicht. Die prozentualen Anteile wurden anhand der in Berlin zugrunde gelegten Werte für das Bezugsjahr 2003 ermittelt." Das LSG wird zu ermitteln haben, ob entsprechende Unterlagen bei der Senatsverwaltung vorliegen, die eine realistische Abbildung des Verbrauchsanteils für die Kochenergie (sei es mit Strom, sei es mit Gas) zulassen. Dies erscheint nach bisherigem Stand zumindest zweifelhaft. Lässt sich ein Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteils, der für das Kochen in der Regelleistung enthalten sein soll, nicht finden, hat ein entsprechender Abzug von den Heizkosten im Falle der Versorgung mit Gas für Haushaltsenergie zu unterbleiben.

36

Die tatsächlichen (bereinigten) Kosten für Heizung sind solange als angemessen von dem Beklagten zu übernehmen, wie der nach der Rechtsprechung des Senats maßgebliche Grenzwert nicht überschritten wird (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 25).

37

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der 1960 geborene, alleinstehende Kläger bezieht von dem beklagten Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende seit dem 1.1.2005 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er bewohnt seit dem 1.9.2004 eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin-Schöneberg. Für diese Altbauwohnung (bezugsfertig ca 1900) mit einer Größe von 58,31 qm, die über eine Öl-Zentralheizung beheizt (bei einer Gesamtwohnfläche von knapp 2000 qm) und mit Warmwasser versorgt wird, zahlte der Kläger im streitigen Zeitraum eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 438,63 Euro. Der Betrag setzte sich zusammen aus einer Nettokaltmiete von 203,63 Euro, einem Modernisierungszuschlag in Höhe von 98,36 Euro, einer Vorauszahlung für die kalten Betriebskosten in Höhe von 76,31 Euro sowie einem nach dem Mietvertrag nicht abdingbaren Betrag für den Kabelanschluss in Höhe von 14,31 Euro und schließlich einer Vorauszahlung für warme Betriebskosten in Höhe von 46,02 Euro.

2

Der Beklagte gewährte dem Kläger bis einschließlich August 2006 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 438,63 Euro. Mit Schreiben vom 1.2.2006 teilte er dem Kläger mit, die KdU seien nicht angemessen. Für Ein-Personen-Haushalte gelte insoweit ein Richtwert von 360 Euro. Die tatsächlichen Kosten würden solange übernommen werden, wie es dem Kläger nicht möglich sei, die Kosten zu senken. Diese Zusage gelte für längstens sechs Monate. Für die Zeit vom 1.9.2006 bis zum 30.11.2006 bewilligte er mit Bescheid vom 29.5.2006 monatliche Leistungen in Höhe von 705 Euro (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie KdU in Höhe von 360 Euro). Widerspruch und Klage gerichtet auf die Übernahme der KdU in Höhe von 438,63 Euro blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19.7.2006; Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15.2.2007).

3

Das hiergegen angerufene Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und in der Sache mit Urteil vom 26.11.2009 zurückgewiesen. Für den Kläger, der im streitigen Zeitraum Berechtigter im Sinne des § 7 Abs 1 SGB II(in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004, BGBl I 2014) gewesen sei, ergäben sich Ansprüche auf weitergehende KdU als von dem Beklagten bewilligt nach Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten nach der sog Produkttheorie nicht. Lediglich die geltend gemachten Heizkosten seien in Höhe von 39,80 Euro (tatsächliche Kosten abzüglich der Pauschale für die Erwärmung von Wasser) in vollem Umfang als wirtschaftlich angemessen anzusehen. Die übrigen geltend gemachten KdU in Höhe von 392,61 Euro, von denen auch die Kosten für den Kabelanschluss und der Modernisierungszuschlag zu den berücksichtigungsfähigen KdU gehörten, seien unangemessen hoch.

4

Hinsichtlich der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße sei die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zu Grunde zu legen, für die in Berlin - in Ermangelung von Richtlinien zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung - Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) - weiterhin auf die (ehemals) geltenden Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau(Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 - WFB 1990 -) vom 16.7.1990 (Amtsblatt für Berlin 1990, 1379 ff) in der Fassung der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 vom 13.12.1992 (VVÄndWFB 1990; Amtsblatt für Berlin 1993, 98 f) - dort Ziffer I.13 - und ergänzend auf die zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) iVm § 27 Abs 1 bis 5 WoFG erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 (Mitteilung Nr 8/2004) zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen - dort Ziffer 8 Abs 1 Satz 3 - abzustellen sei. Maßgebend seien allein die Größen, die sich für 1-Raum Wohnungen ergäben (45 qm).

5

Für die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Hierfür seien die sich aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3109) ergebenden durchschnittlichen Mittelwerte für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten zu Grunde zu legen, der im streitigen Zeitraum gegolten habe, nicht dagegen die Werte aus dem im laufenden Berufungsverfahren veröffentlichten Mietspiegel 2007, auch wenn dieser auf den im Jahre 2006 gezahlten Mieten fuße. Für eine Wohnfläche von vierzig bis unter sechzig Quadratmetern in einfacher Lage ergebe sich eine Nettokaltmiete von gerundet 4,33 Euro pro qm (Summe aus sämtlichen Mittelwerten geteilt durch 9), und also eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von insgesamt 194,85 Euro (4,33 Euro x 45 qm). Weder halte der Senat insoweit nur einzelne der nach Jahren der Bezugsfertigkeit der Wohnungen und ergänzend nach deren Ausstattung mit Sammelheizung und Bad gebildeten Spalten für maßgeblich noch sehe er innerhalb der einzelnen Spalten die angegebenen Spannentiefst- oder -höchstwerte als entscheidend an. Weitere Verfeinerungen mathematisch-statistischer Art würden weder die Akzeptanz noch die Nachvollziehbarkeit erhöhen, mögliche statistisch-wissenschaftliche Ungenauigkeiten durch den Rückgriff allein auf Mittelwerte würden zur Überzeugung des Senats dadurch kompensiert, dass bereits zu Gunsten der Hilfebedürftigen als Richtwert die maximal förderungsfähige Quadratmeterzahl berücksichtigt werde.

6

Zu der Nettokaltmiete seien die angemessenen kalten Betriebskosten, die regelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten seien, unter Zugrundelegung der vom Deutschen Mieterbund (DMB) mit dem "Betriebskostenspiegel 2005" veröffentlichten Angaben (www.mieterbund.de) zu bestimmen, die sich auf 1,79 Euro pro qm (einschließlich Steuern und Abgaben) monatlich beliefen. Es ergebe sich damit eine angemessene Bruttokaltmiete von insgesamt 275,40 Euro. Der Beklagte habe im Verwaltungsverfahren unter Abzug der maximal berücksichtigungsfähigen Heizkosten von 39,80 Euro monatlich Leistungen für eine Bruttokaltmiete in Höhe von 320,20 Euro zuerkannt und damit bereits einen Betrag, der über der angemessenen Bruttokaltmiete in Berlin für diesen Zeitraum liege.

7

Es sei davon auszugehen, dass eine konkrete Unterkunftsalternative zu diesem Mietzins tatsächlich anmietbar sei. Der Kläger habe jedenfalls Bemühungen zur Kostensenkung nicht erkennen lassen. Soweit er erstmals in der mündlichen Verhandlung ohne jede zeitliche Zuordnung und Darlegung vorgetragen habe, sich erfolglos telefonisch bei 200 bis 300 Vermietern um günstigere Wohnungen bemüht zu haben, sei dies nach Überzeugung des Senats unglaubhaft, denn es stehe in krassem Widerspruch zu seinem bisherigen Vortrag.

8

Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner vom LSG zugelassenen Revision. Er rügt, das LSG habe den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Aufwendungen für eine Unterkunft fehlerhaft konkretisiert. Zudem habe das LSG zu Unrecht den Vortrag des Klägers, er habe vergeblich versucht angemessenen Wohnraum anzumieten, als unglaubhaft abgetan ohne eigene Ermittlungen anzustellen, inwieweit es ihm tatsächlich möglich sei, angemessenen Wohnraum anzumieten.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2009 sowie das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Februar 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 29. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2006 zu verurteilen, ihm weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit von September bis November 2006 in Höhe von monatlich 78,63 Euro zu gewähren.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob der Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen kann, als sie der Beklagte bewilligt hat.

13

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 29.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2006, gegen den sich die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) richtet. Streitgegenstand sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von September 2006 bis November 2006, die dieser Bescheid ua regelt. Der Kläger hat den Streitstoff in der Sache schon mit Klageerhebung auf die KdU beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18).

14

2. Der Kläger gehört nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Neben der Regelleistung hat er damit Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung.

15

3. KdU werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Erfasst sind alle Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag für die Unterkunft ergeben (vgl zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 20 zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung mwN). Dazu zählen hier neben der geschuldeten Nettokaltmiete in Höhe von 203,63 Euro und der Vorauszahlung für die "kalten" Betriebskosten in Höhe von 76,31 Euro auch die Kosten für den Kabelanschluss (dazu nur BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18) sowie der Modernisierungszuschlag in Höhe von 98,36 Euro, wie das LSG zutreffend entschieden hat. Soweit der Vermieter die Kosten einer Modernisierungsmaßnahme nach § 559 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf den Mieter abwälzt, gehören diese Kosten, auch wenn sie weiterhin gesondert ausgewiesen sind, zur vertraglich geschuldeten (Kalt-)Miete.

16

4. Die Angemessenheit von KdU ist (getrennt von den Kosten der Heizung, vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23) unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zu Grunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder der Beklagte noch das LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.

17

a) Entgegen der Auffassung des LSG ergibt sich für einen Ein-Personen-Haushalt in Berlin eine maßgebliche Wohnfläche von 50 qm. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 WoFG vom 13.9.2001 (BGBI I 2376) iVm § 5 WoBindG in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (neue Fassung) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG(als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an eine Einzelperson Wohnraum von bis zu 50 qm überlassen werden. An diese Regelungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF, die auch nach Inkrafttreten von § 27 WoFG und § 5 WoBindG nF Grundlage für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind, ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14). Entgegen der Auffassung des LSG sind die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl (sofern sie überhaupt im Regel-Ausnahmeverhältnis zu verstehen wären, wie das LSG meint) für die Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II unbeachtlich. Dies haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits für andere Bundesländer entschieden, in denen neben der Wohnungsgröße auch die Raumzahl entscheidend ist (vgl für Bayern BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 15; für Rheinland-Pfalz BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 34; für Nordrhein-Westfalen BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb für das Land Berlin anderes gelten sollte. Auch auf die (unterschiedlichen) Wohnungsgrößen in den (zum 31.12.1999 außer Kraft getretenen) Richtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für die Förderung der Neuschaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau (WFB 1990 vom 16.7.1990 in der Fassung der VVÄndWFB 1990 vom 13.12.1992) und den Richtlinien über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum (Eigentumsförderungssätze 1999 vom 25.5.1999) kommt es nicht an. Diese mögen Auswirkungen auf die üblichen Wohnungsgrößen im geförderten Wohnungsbau nach 1992 haben (und damit ohnehin nur für ein Teilsegment des in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarktes), es handelt sich aber nicht um Bestimmungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF.

18

b) Zutreffend hat das LSG bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des BSG muss es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der auf Grund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des LSG sprechen, dass es sich bei der Stadt Berlin insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handelt. Die Stadt Berlin ist mit einer Einwohnerzahl von rund 3,4 Millionen (Stand 2006; Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) und einer Fläche von rund 891 qkm zwar nahezu dreimal so groß wie die Stadt München (rund 1,36 Millionen Einwohner bei einer Fläche von rund 310 qkm; Quelle: Statistisches Amt München), für die der 4. Senat des BSG einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen hat ( vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale liegen aber - trotz dieser Größe - auch bezogen auf das Stadtgebiet von Berlin vor. Der öffentliche Nahverkehr ist auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her ausgerichtet. Von den Randlagen aus ergeben sich in die innerstädtischen Bezirke insoweit lediglich Fahrzeiten, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden (vgl § 121 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das Risiko einer Gettoisierung. Außerdem zeigt die Wohnlagenkarte als Anlage zu dem vom LSG in Bezug genommenen Berliner Mietspiegel, dass ohnehin in allen Bezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren (dazu sogleich), vorhanden sind, sodass auch von daher die Bildung eines engeren Vergleichsraums nicht erforderlich erscheint. Es steht nicht zu befürchten, dass mit einem ggf zur Kostensenkung erforderlichen Umzug regelmäßig das nähere soziale Umfeld verlassen werden muss. Soweit ein solcher Umzug über die Orts- oder auch Bezirksgrenzen hinweg im Einzelfall gleichwohl notwendig wird, ist dies im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Hilfebedürftigen hinzunehmen (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 18).

19

c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zu Grunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln ( vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R ).

20

aa) Die Träger der Grundsicherung entscheiden in Berlin über die Angemessenheit von Unterkunftskosten auf Grundlage der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen). Es handelt sich dabei um bloße Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des Beklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (360 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG zu Grunde liegt. Ob zur Ermittlung des Wertes die Produkttheorie unter Zugrundelegung der oben genannten Wohnungsgrößen angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden sind, wird nicht erkennbar und ist von dem Beklagten nicht vorgetragen. Im Übrigen ist der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat (ausdrücklich bereits BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 19).

21

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2005 (vom 22.8.2005, Amtsblatt für Berlin 2005, 3109) bestimmt. Bei diesem Mietspiegel handelt es sich um einen qualifizierten Mietspiegel iS des § 558d BGB. Grundlage für die vorliegende Entscheidung ist dabei der Mietspiegel für das Jahr 2005, denn ein "schlüssiges Konzept", das vorrangig der Grundsicherungsträger vorzulegen hat, muss bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (anders etwa SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 43). Da ein solches Konzept im Rahmen der Angemessenheitsprüfung in der Folge gerichtlich voll überprüfbar ist, sind Ausgangsdaten allerdings zu korrigieren, soweit sich in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren herausstellt, dass es zu nicht vorhersehbaren Preissprüngen gekommen ist. Diese Prüfung wird das LSG ggf nachzuholen haben.

22

Qualifizierte Mietspiegel können - wie auch einfache Mietspiegel - Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach §22 Abs 1 SGB II sein (vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 16; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25 und zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25). Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben(zum Folgenden auch Butzer/Keller, NZS 2009, 65). Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen (wie dies auch bezogen auf den Berliner Mietspiegel der Fall ist) nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist - wie bereits ausgeführt - auch bei der Prüfung nach § 22 Abs 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. Im Hinblick auf das mit dem Mietspiegel nicht erfasste Marktsegment der preisgebundenen Wohnungen bestehen - jedenfalls bezogen auf Berlin - keine weitergehende Bedenken. Mit dem Wegfall der Anschlussförderung für Objekte des Sozialen Wohnungsbaus, bei denen die 15jährige Grundförderung ab dem 1.1.2003 endet (dazu BVerwGE 126, 33), und dem Verzicht auf die entsprechenden Belegungsbindungen sank der Anteil mietpreisgebundener Sozialwohnungen bis Ende 2006 auf knapp 12 % des Gesamtwohnungsbestandes (vgl Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 2007, S 30 unter Bezugnahme auf Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung). Hilfebedürftige werden damit in erster Linie auf die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt angewiesen sein.

23

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig, wovon das LSG im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen ist (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Über das Baualter können zwar sehr vergröbernd Rückschlüsse auf die Bauweise und den Baustandard gezogen werden. Insbesondere liegt der Ausstattungsgrad von Neubauten im Regelfall über dem Ausstattungsgrad in Gebäuden älterer Bauklassen. Gerade Wohnungen, die in der Nachkriegszeit erbaut worden sind, haben häufig einen wesentlich geringeren Ausstattungsgrad. Aus dem Mietspiegel allein lässt sich jedoch nicht ersehen, inwieweit gerade Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, die den Rückschluss zulassen, im konkreten Vergleichsraum sei eine "angemessene" Wohnung tatsächlich anmietbar. Zudem birgt die Verweisung auf bestimmte Bauklassen verdeckt die Gefahr einer Gettoisierung. Solange nicht statistisch valides Material vorliegt, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile einer Stadt - prägen, erscheint es nicht zulässig, allein bestimmte Bauklassen in Bezug zu nehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bauklassen, die den Standard von Neubauten abbilden. Zwar werden eine ganze Anzahl von Neubauten einen Ausstattungsgrad haben, der über das in Bezug zu nehmende Segment nach § 22 SGB II hinausgeht. Eine generelle Festlegung, der Hilfeempfänger sei schlechterdings von der Anmietung einer solchen Wohnung ausgeschlossen, lässt sich aber nicht treffen (vgl auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Erst wenn weitergehendes Material erkennen lässt, dass Gebäude dieser Bauklassen den Mietmarkt des unteren Marktsegments nicht maßgeblich mitprägen, kommt eine Außerachtlassung der Mietpreise für solche Bauklassen in Betracht.

24

Allerdings weist der Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad) gesondert aus. Es handelt sich einerseits um Wohnungen mit "Ofenheizung", bei denen sich der Mieter der Wohnung mit der Versorgung mit Kohlen und der Entsorgung der Asche befassen muss (vgl LG Berlin Urteil vom 15.1.2007 - 67 S 305/06 - juris RdNr 13), und andererseits oder kumulativ um Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder Küche) waschen, aber nicht duschen können. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden. Dem lässt sich nicht mit dem LSG entgegenhalten, diese Werte seien einzubeziehen, um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten. Wenn solche Wohnungen nicht den unteren, sondern den untersten Standard abbilden, gehören sie von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung des qualifizierten Mietspiegels unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet.

25

cc) Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete, wie ihn das LSG vorgenommen hat, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht. Die Bildung arithmetischer Werte bietet gerade bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment abbildet. Die sog Tabellenmethode, nach der der Berliner Mietspiegel erstellt ist, stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen (hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen. Zwischen den einzelnen (insgesamt 113 besetzten) Rasterfeldern bestehen keine Beziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem einzelnen, mit den drei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Einzelne Felder haben also je nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt. Weil die Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird.

26

Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen. Solche Rückschlüsse, die aus weitergehendem Material (das etwa auch der Träger der Grundsicherung auf Grund eigener Erhebungen einführen könnte) getroffen werden, müssen gerichtlich überprüfbar sein. Dies trifft aber auf die Grundlagendaten für qualifizierte Mietspiegel entgegen der Auffassung des LSG zu. Für einen qualifizierten Mietspiegel ist immer eine Primärdatenerhebung erforderlich, also die Erhebung von Daten, die ausschließlich zum Zweck der Mietspiegelerstellung erhoben wurden. Die Daten der Primärdatenerhebung müssen repräsentativ sein, die gezogene Stichprobe muss ein realistisches Abbild des Wohnungsmarktes abgeben (vgl im Einzelnen Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl 2008, § 558d RdNr 7). Die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze muss in einer öffentlich zugänglichen Dokumentation niedergelegt sein (aaO RdNr 10). Es erscheint damit durchaus sinnvoll, solche Grundlagendaten bei Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Konzepts heranzuziehen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Auswertung dieser bereits vorhandenen Daten zu einem erhöhten (über einfache Rechenschritte hinausgehenden) Aufwand bei den Gerichten führen muss. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist in erster Linie der kommunale Träger für solche notwendig erscheinenden Auswertungen im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin der Fall ist.

27

Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.

28

d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Schon der Wortlaut des § 22 Abs 1 SGB II zeigt, dass diese Kosten zu den KdU für einen Hilfebedürftigen gehören und nicht - wie die Heizkosten - getrennt erfasst werden sollen. Zur realistischen Abbildung eines abstrakt angemessenen Mietpreises ist die Einbeziehung des Faktors "kalte Betriebskosten" erforderlich. Dies entspricht den mietrechtlichen Vorgaben im Mietwohnungsbau, an denen sich der Gesetzgeber des SGB II wegen der KdU orientiert. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (vgl nur Blank in Blank/Börstinghaus, aaO, § 556 RdNr 1). Auch der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum kann Betriebskosten nur als gesondert abzurechnende Kosten auf den Mieter abwälzen (vgl § 20 der Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen - Neubaumietenverordnung - BGBl 1990, 2204 idF BGBl I 2003, 2346).

29

Eine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs 1 und 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufstellung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen(BetrKV; vom 25.11.2003, BGBl I 2346 ) normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt angemessenen Kosten iS des § 22 Abs 1 SGB II sind die dort genannten Betriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten. Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. Zutreffend geht das LSG davon aus, dass solche Werte möglichst aktuell sein müssen, um sichere Rückschlüsse auf das Preisniveau im jeweiligen Vergleichsraum zu geben. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell sind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die Werte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen Preisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich.

30

5. Zutreffend hat das LSG die Prüfung der Angemessenheit der Heizkosten getrennt von den übrigen Unterkunftskosten auf Grundlage der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG durchgeführt und die tatsächlichen Aufwendungen als angemessen angesehen.

31

6. Sollten sich die Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung als unangemessen erweisen, könnten dem Kläger höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zustehen. Soweit danach die Aufwendungen für die Unterkunft den den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder in sonstiger Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese Prüfung wird das LSG auf Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung abschließend erneut durchzuführen haben, wobei nicht erkennbar ist, dass die entsprechende Prüfung im angefochtenen Urteil für sich genommen rechtsfehlerhaft war. Die bislang vorgenommenen tatrichterlichen Würdigungen entziehen sich einer eigenständigen Bewertung durch das Revisionsgericht.

32

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. April 2010 wird zurückgewiesen, soweit die Klägerin Arbeitslosengeld II und Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1. November 2007 bis 31. März 2008 als endgültige Leistungen begehrt. Im Übrigen wird das Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die endgültige, hilfsweise vorläufige Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 unter Berücksichtigung eines höheren Bedarfs an Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) und ohne die Berücksichtigung von Einkommen.

2

Die 1947 geborene Klägerin bezieht seit 1.1.2005 fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie bewohnte bis Mai 2008 alleine eine 81,83 qm große Dreizimmerwohnung in Berlin. Für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 30.11.2006 gewährte ihr der Beklagte Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen monatlichen Aufwendungen (monatliche Bruttowarmmiete 663,53 Euro, ab 1.4.2005 684,78 Euro).

3

Mit dem Antrag vom 24.4.2007 auf Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum ab 1.5.2007 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie voraussichtlich zum 1.9.2007 eine selbstständige Erwerbstätigkeit als Leiterin eines Kindertheaterprojektes beim Förderverein H eV (wieder) aufnehmen werde. Den voraussichtlichen Betriebseinnahmen von monatlich 500 Euro im Zeitraum 1.9.2007 bis 31.3.2008 würden 100 Euro Betriebsausgaben gegenüberstehen. Für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 bewilligte der Beklagte monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 387 Euro einschließlich eines Betrags von 360 Euro für Unterkunft und Heizung (Bescheid vom 5.10.2007) und eines monatlichen Regelbedarfs von 347 Euro, dem er monatliches Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von 320 Euro gegenüberstellte. Auf Seite 2 des Bescheides heißt es ua: "Die Bewilligung ist nach § 40 Abs 1 Nr 1a SGB II iVm § 328 SGB III nur vorläufig aufgrund des unterschiedlichen Einkommens Ihrer Honorartätigkeit." Dem Bescheid war zudem ein Erläuterungsschreiben vom selben Tag zur vorläufigen Leistungsgewährung beigefügt, in dem ua ausgeführt wird, dass auf den Antrag der Klägerin vom 5.10.2007 die Leistung wegen der Unklarheit der Einkommenshöhe nur vorläufig in Bezug auf die Leistungshöhe bewilligt werde und eine abschließende Entscheidung zur Höhe des Leistungsanspruches erst nach Vorlage des Einkommensteuerbescheids erfolgen könne.

4

Gegen den Bescheid vom 5.10.2007 legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie Leistungen für KdU in Höhe von 513,59 Euro, den Abzug von Betriebsausgaben vom Einkommen und die Nichtanrechnung von Einkommen für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.4.2008 begehrte, da ihre berufliche Tätigkeit zum 31.3.2008 ende. Von Januar bis Oktober 2007 habe sie monatliche Betriebsausgaben in Höhe von 260,83 Euro gehabt.

5

Auf den Antrag der Klägerin verpflichtete das SG den Beklagten durch Beschluss vom 25.10.2007 - S 100 AS 524/07 ER I - im Wege einstweiliger Anordnung, der Klägerin für den Monat Oktober 2007 unter Anrechnung bereits gezahlter Leistungen insgesamt 707 Euro zu zahlen und für den Zeitraum vom 1.11. bis zum 31.12.2007 monatliche Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 504,78 Euro zu gewähren. Dies führte der Beklagte durch Bescheid vom 9.11.2007 aus.

6

Mit Änderungsbescheid vom 2.1.2008 gewährte der Beklagte der Klägerin unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 5.10.2007 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für
den Zeitraum vom 1.11. bis 31.12.2007 in Höhe von 740,44 Euro, hiervon einen Betrag in Höhe von 504,78 Euro für KdU,
für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.3.2008 in Höhe von 595,66 Euro, hiervon einen Betrag in Höhe von 360 Euro für KdU und
für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.4.2008 in Höhe von 707 Euro, hiervon ebenfalls einen Betrag in Höhe von 360 Euro für KdU.
Dabei berücksichtigte der Beklagte im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 als Betriebsausgaben 260,83 Euro und ging von einem laufenden Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von monatlich 239,17 Euro aus, von dem ein Betrag in Höhe von 111,34 Euro als Einnahme iS des § 11 SGB II zu berücksichtigen sei. Zudem berücksichtigte er das Auslaufen des Honorarvertrages der Klägerin zum 31.3.2008 mit der Folge, dass für April 2008 kein Einkommen berücksichtigt wurde. Auch in diesem Bescheid hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Bewilligung vorläufig erfolge, weil die Höhe des Einkommens nicht hinreichend bekannt sei. Den Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22.1.2008 unter Hinweis auf die Vorläufigkeit der Bewilligung und der Entscheidung des SG vom 25.10.2007 - S 100 AS 524/07 ER I - sowie seiner bisherigen Berechnungen zum Einkommen zurück.

7

Hiergegen hat die Klägerin am 21.2.2008 Klage zum SG Berlin "wegen Kosten der Unterkunft" erhoben und ausgeführt, ihr würden höhere Leistungen für KdU zustehen. Mit am 16.5.2008 beim SG eingegangenem Schriftsatz hat sie zudem die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne die Anrechnung von Einkommen, hilfsweise unter Berücksichtigung der Kosten ihres Arbeitszimmers als Betriebsausgabe geltend gemacht. Durch Gerichtsbescheid vom 6.8.2008 hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen, soweit die Klägerin die Gewährung höherer Regelleistungen geltend gemacht habe. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da die Aufwendungen der Klägerin für Unterkunft und Heizung nicht angemessen seien.

8

Auf die Berufung der Klägerin hiergegen hat das LSG Berlin-Brandenburg in der mündlichen Verhandlung vom 22.4.2010 darauf hingewiesen, dass Regelungsgehalt der streitgegenständlichen Bescheide eine vorläufige Leistungsbewilligung sei, woraufhin die Klägerin erklärt hat, eine endgültige, hilfsweise vorläufige Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II zu erstreben. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 22.4.2010). Im Hinblick auf die Gewährung höherer Regelleistungen hat es die Klage als unzulässig angesehen, weil sie nicht fristgerecht erhoben sei. Das auf die Gewährung höherer Regelleistungen gerichtete Begehren sei nicht bereits Gegenstand der Klageschrift vom 21.2.2008 gewesen. Die Klägerin habe den Streitgegenstand auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung begrenzt. Auch die endgültige Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat es als unzulässig - in Ermangelung einer Klagebefugnis der Klägerin - bewertet. Es fehle insoweit an einem Verwaltungsakt, der über die von ihr begehrten endgültigen Leistungen entschieden habe. Der Beklagte habe durch die streitgegenständlichen Bescheide nur vorläufige Leistungen bewilligt. Die auf vorläufige Leistungen gerichtete Klage sei jedoch ebenfalls unzulässig. Insoweit sei der angegriffene Bescheid bestandskräftig geworden, denn dieses Begehren sei nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem SG gewesen. Die Klage sei von Anfang an eindeutig auf eine endgültige Leistungsgewährung gerichtet gewesen. Hierin sei nicht (als Minus) ein auf die vorläufige Bewilligung von Leistungen gerichtetes Begehren enthalten. Die erstmals im Berufungsverfahren (hilfsweise) begehrte vorläufige Gewährung höherer Leistungen nach § 40 Abs 1 Nr 1a SGB II iVm § 328 SGB III sei ihrer Rechtsnatur nach etwas anderes als eine endgültige Leistungsbewilligung, ein so genanntes aliud.

9

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 40 Abs 1 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III, § 54 Abs 1 Satz 2 SGG, §§ 95, 123 SGG und Art 19 Abs 4 GG. Die Klagebefugnis könne nicht verneint werden. Außerdem sei der Vorläufigkeitsvorbehalt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen, weshalb von einer endgültigen Bewilligung auszugehen sei. Eine nur vorläufige Bewilligung unterstellt, hätten die Klaganträge, ausgehend vom Klagebegehren, gemäß § 123 SGG von Anfang an dahingehend ausgelegt werden müssen, dass die Klage auf die vorläufige Gewährung höherer Leistungen gerichtet gewesen sei. Eine Beschränkung des Streitgegenstands auf die Leistungen der KdU sei nicht erfolgt. In der Sache bestehe ein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung. Für die Zeit von April 2007 bis Januar 2008 sei ihr zudem aus familiären Gründen eine gesteigerte Wohnungssuche nicht zumutbar gewesen. Eine wirksame Kostensenkungsaufforderung sei nicht erfolgt.

10

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. April 2010 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 5. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides 2. Januar 2008, dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2008 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne die Anrechnung von Einkommen und unter Berücksichtigung eines Bedarfs für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 675,78 Euro zu gewähren,

11

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. April 2010 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 5. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Januar 2008, dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2008 zu verpflichten, ihr für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 vorläufig höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

12

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist unbegründet, soweit die Klägerin für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II begehrt. Der Beklagte hat insoweit zu Recht zwischen dem 1.11.2007 und dem 31.3.2008 die Leistungen vorläufig bewilligt (2.). Im Hinblick auf die vorläufige Leistungsgewährung im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 SGG)(3.). Entgegen der Rechtsauffassung des LSG erstreckt sich die Klage insoweit nicht alleine auf die Gewährung endgültiger Leistungen. Auch im Hinblick auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat April 2008 ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung an das LSG begründet. Es kann nicht abschließend festgestellt werden, ob in diesem Monat - trotz der Beendigung des Honorarvertrags der Klägerin zum 31.3.2008 - die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung noch rechtmäßig war (4.).

14

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig(vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

15

Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt(BSG Urteile vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R).

16

2. Die Klägerin hat im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 keinen Anspruch auf endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Beklagte hat entgegen der Auffassung der Klägerin ab dem 1.11.2007 nur vorläufige Leistungen bewilligt (a). Ihre gleichwohl auf endgültige Leistungen gerichtete Klage ist jedoch im Gegensatz zur Auffassung des LSG nicht unzulässig (b). Die angefochtenen Bescheide sind jedoch im Hinblick auf die Bewilligung vorläufiger Leistungen rechtmäßig (c).

17

a) Streitgegenstand ist der Bescheid vom 5.10.2007 idF des Änderungsbescheides vom 2.1.2008, dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.1.2008, mit welchem der Beklagte eine vorläufige Entscheidung iS des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III getroffen hat. Die Auslegung des Bescheides vom 5.10.2007 durch das LSG insoweit ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

18

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass bei der Auslegung eines Bescheids maßgebend ist, wie der Empfänger ihn verstehen durfte (§ 133 BGB). Auszugehen ist vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 = BSGE 67, 104 <110 f> = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; BSG Urteil vom 16.11.1995 - 4 RLw 4/94 = SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12). Der Empfänger kann sich nicht darauf berufen, er habe die Erklärung in einem bestimmten Sinne verstanden, wenn sie objektiv - unter Berücksichtigung aller Umstände - nicht so verstanden werden konnte (zur Maßgeblichkeit des objektiven Erklärungswertes vgl BSG Urteil vom 1.3.1979 - 6 RKa 3/78 = BSGE 48, 56 <58 f> = SozR 2200 § 368a Nr 5 S 10). Die Regelung der Vorläufigkeit für sich hat Verfügungscharakter (Niesel/Brand/Düe, SGB III, 5. Aufl 2010, § 328 RdNr 30; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 301, vgl auch BSG Urteil vom 15.8.2002 - B 7 AL 24/01 R = SozR 3-4100 § 147 Nr 1 S 5). Es ist deshalb erforderlich, dass sich aus dem Verwaltungsakt eindeutig ergibt, ob und inwieweit die Verwaltung eine vorläufige Bewilligung verfügt hat (BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 = BSGE 67, 104 <110 f> = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; BSG Urteil vom 16.11.1995 - 4 RLw 4/94 = SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12 f; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 46). Die "Typus prägenden Merkmale" der vorläufigen Entscheidung müssen unzweifelhaft erkennbar sein (vgl BSG Urteil vom 29.4.1997 - 4 RA 46/96 - SozR 3-1200 § 42 Nr 9 S 37 mwN; Niesel/Brand/Düe, SGB III, 5. Aufl 2010, § 328 RdNr 20, 30; Gagel/Pilz, SGB III, § 328 RdNr 34 f; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 301). Das ist hier der Fall.

19

Selbst wenn man annehmen wollte, die Verfügung der Vorläufigkeit der Bewilligung in dem Bescheid vom 5.10.2007 sei nicht auf den ersten Blick erkennbar gewesen, weil der Beklagte den Verfügungssatz insoweit nicht dem Bescheidtext voran-, sondern an das Ende des Verwaltungsaktes gestellt hat, konnte die Klägerin durch das dem Bescheid beigefügte Erläuterungsschreiben die Vorläufigkeit der Leistungsgewährung erkennen. Das Erläuterungsschreiben des Beklagten und der Bewilligungsbescheid vom 5.10.2007 bilden zusammen eine rechtliche Einheit im Sinne eines Verwaltungsaktes (vgl BSG Urteil vom 1.7.2010 - B 11 AL 19/09 R, zur Erläuterung der Vorläufigkeit einer Entscheidung auf einem Anlagenblatt zum Bescheid; s auch BSG Urteile vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R = SozR 4-1500 § 95 Nr 1 S 2; 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R = BSGE 95, 191 <193> = SozR 4-4300 § 37b Nr 2 S 3; 17.10.2007 - B 11a/7a AL 72/06 R - SozR 4-4300 § 37b Nr 6 S 20). In dem Schreiben des Beklagten vom 5.10.2007 ist unter Bezugnahme auf den Bewilligungsbescheid vom selben Tag klar und eindeutig ausgeführt, dass und warum und in Bezug auf welchen Inhalt der Leistungsbewilligung eine Vorläufigkeitsregelung getroffen wird. In der Gesamtschau der im Bescheid vom 5.10.2007 enthaltenen Verfügungen und den darauf bezogenen Ausführungen im Erläuterungsschreiben vom 5.10.2007 sind die "Typus prägenden Merkmale der vorläufigen Entscheidung" für den an Treu und Glauben orientierten Adressaten unzweifelhaft erkennbar.

20

b) Die Klage auf endgültige Leistungen ist im Gegensatz zur Auffassung des LSG gleichwohl nicht unzulässig. Zwar ist die vorläufige Leistung - wie vom LSG zutreffend ausgeführt - eine Leistung sui generis und ein aliud gegenüber der endgültigen Leistung (stRspr, vgl BSG Urteil vom 31.5.1989 - 4 RA 19/88 = SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14; BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 = BSGE 67, 104 <109 f> = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; BSG Urteil vom 12.5.1992 - 2 RU 7/92 = SozR 3-1200 § 42 Nr 2 S 4 f; BSG Urteil vom 16.6.1999 - B 9 V 13/98 R = SozR 3-1200 § 42 Nr 8 S 25 mwN; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 56). Materiell-rechtlich handelt es sich mithin um zwei verschiedene Ansprüche. Soweit das LSG die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen eine die vorläufige Bewilligung von Leistungen verfügende Entscheidung der Verwaltung jedoch in Ermangelung einer Klagebefugnis für unzulässig hält, verkennt es die Grenzen der Rechtsschutzgewährung gegen vorläufige Entscheidungen. Unabhängig von der jeweils zutreffenden Klageart ist auch gegen vorläufige Entscheidungen grundsätzlich gerichtlicher Rechtsschutz zu gewähren. Im Falle einer den Kläger im Verhältnis zur vorläufigen Bewilligung belastenden endgültigen Entscheidung kann er im Klageverfahren gegen die endgültige Entscheidung nicht mehr damit gehört werden, die Verwaltung habe nicht vorläufig bewilligen dürfen. Ist die vorläufige Bewilligung bestandskräftig geworden, ist sie auch im Rahmen eines Erstattungsbescheides nach § 328 Abs 3 Satz 2 SGB III hinsichtlich der Vorläufigkeit nicht mehr überprüfbar(BSG Urteil vom 15.8.2002 - B 7 AL 24/01 R, SozR 3-4100 § 147 Nr 1). Der eine vorläufige Leistung bewilligende Bescheid ist mithin ebenso wie ein solcher über die Bewilligung von endgültigen Leistungen mit der Begründung anfechtbar, die Verwaltung habe rechtswidrig gehandelt, hier zu Unrecht vorläufige Leistungen anstatt endgültige bewilligt. Die zutreffende Klageart ist dann zu förderst die Anfechtungsklage (vgl Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 92).

21

Gleichwohl ist ein auf endgültige Leistungen gerichtetes Begehren in Gestalt der Leistungsklage nicht grundsätzlich unzulässig ( § 54 Abs 2 SGG - vgl BSG Urteil vom 21.7.2009 - B 7 AL 49/07 R, BSGE 104, 76 = SozR 4-4300 § 22 Nr 2; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 315; aA Düe in Niesel/Brand, SGB III, 6. Aufl 2010, § 328 RdNr 30 f, der nur die Anfechtung für rechtlich zulässig hält ) - ein Kläger ist wegen der Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung nicht ausschließlich gehalten, ebenfalls nur Leistungen in vorläufiger Höhe zu beantragen, wenn die Verwaltung eine endgültige Leistungsgewährung durch gesonderten Verfügungssatz zumindest konkludent ablehnt. Die Entscheidung der vorläufigen Bewilligung einer Leistung ist nach § 328 Abs 1 SGB III eine Ermessensentscheidung, wobei der Verwaltungsträger einen Entscheidungsfreiraum im Sinne von Entschließungs- und Auswahlermessen hat(vgl Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 42). Die grundsätzlich richtige Klageart im Falle nicht gebundener Entscheidungen ist damit zwar die Verpflichtungsklage (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 20b; so auch Eicher in Eicher/Schlegel, § 328 SGB III, RdNr 92 im Hinblick auf vorläufige Leistungen wegen der Entscheidungsfreiräume der Verwaltung). Sie hält auch der erkennende Senat für die zutreffende Klageart im Falle der vorläufigen Bewilligung von Leistungen nach § 328 Abs 1 SGB III, um der Einebnung der Verschiedenartigkeit der Ansprüche auf endgültige und vorläufige Leistungen entgegenzuwirken. Geht der Kläger jedoch davon aus, dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Entscheidung nicht vorliegen oder das Ermessen der Behörde sowohl im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Entscheidung selbst, als auch der Höhe der zu bewilligenden Leistungen auf Null reduziert sei, ist die Beantragung der Leistung selbst (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 315 - kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage)und hilfsweise die Verpflichtung zum Erlass eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zulässig. Die Verpflichtungsklage ist dann jedoch ggf als ein Minus (Hilfsantrag) in der Leistungsklage enthalten (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, IV, RdNr 18). Im Hinblick auf die Verpflichtung des Richters nach § 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG, den erhobenen Anspruch festzustellen und auf eine entsprechende Antragstellung hinzuwirken(BSG Urteil vom 13.3.1991 - 6 RKa 20/89, BSGE 68, 190 <191> = SozR 3-2500 § 95 Nr 1), hätte sich das LSG in dieser Hinsicht mit dem klägerischen Vortrag auseinandersetzen und seinen prozessualen Hinweispflichten nachkommen oder die Klage insoweit ggf als unbegründet behandeln müssen.

22

c) Gleichwohl vermag die Klägerin mit ihrem Begehren auf endgültige Leistungen nicht durchzudringen. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte der Klägerin die Leistungen als vorläufige und nicht in Gestalt endgültiger Leistungen erbracht hat.

23

Gemäß § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III kann der Leistungsträger über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entscheiden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruches eines Hilfebedürftigen auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Hilfebedürftige die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

24

Die Klägerin hat bereits bei Antragstellung am 24.4.2007 mitgeteilt, dass sie ab dem 1.9.2007 eine selbstständige Erwerbstätigkeit als Leiterin eines Kindertheaterprojekts beim Förderverein H eV aufnehmen und voraussichtliche Betriebseinnahmen von 500 Euro haben werde, denen vom 1.9.2007 bis 31.3.2008 voraussichtlich Betriebsausgaben von 100 Euro monatlich entgegenstehen würden. Da somit zum Entscheidungszeitpunkt nicht eindeutig festzustellen war, in welcher Höhe Einkommen bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen sein werde, was nach § 9 SGB II wiederum Einfluss sowohl auf das "Ob" des Bestehens eines Leistungsanspruchs, als auch auf die endgültige Leistungshöhe hat, entspricht die Ausfüllung des Ermessensfreiraums durch Bewilligung vorläufiger Leistungen pflichtgemäßer Ermessensbetätigung(vgl zum grundsätzlichen Verbot, einen Geldleistungsanspruch durch "endgültigen" Verwaltungsakt - von Sonderfällen und speziellen gesetzlichen Regelungen abgesehen - anzuerkennen, bevor die Sach- und Rechtslage vollständig geklärt ist: BSG Urteil vom 25.6.1998 - B 7 AL 126/95 R, BSGE 82, 183 = SozR 3-4100 § 71 Nr 2; BSGE 62, 32 , 39 = SozR 4100 § 71 Nr 2; BSGE 67, 104 , 113 ff = SozR 3-1300 § 32 Nr 2; SozR 3-1300 § 32 Nr 4).

25

Mit Rücksicht auf den hier vorliegenden Streitgegenstand brauchte sich der Senat nicht mit der Frage zu befassen, inwieweit die Voraussetzungen des § 3 Abs 6 Alg II-V idF vom 17.12.2007 (BGBl I 2942), der hier nach § 9 Satz 3 Alg II-V für den Zeitraum ab dem 1.1.2008 zur Anwendung gelangen könnte, gegeben sind.

26

3. Im Hinblick auf die Höhe der vorläufigen Leistungen für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 vermochte der Senat aufgrund der Feststellungen des LSG keine abschließende Entscheidung zu treffen. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des LSG ist die Klage auf höhere vorläufige Regelleistungen und Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ebenfalls nicht bereits unzulässig.

27

a) Die Klage ist im Hinblick auf die Gewährung vorläufig höherer Leistungen nicht verfristet. Wenn auch die Klägerin erst auf die Hinweise des LSG hilfsweise ausdrücklich vorläufige Leistungen beantragt hat, war die Bewilligung vorläufiger Leistungen gleichwohl von Anfang an Streitgegenstand des Gerichtsverfahrens.

28

Streitgegenstand ist nach der herrschenden prozessualen Theorie (vgl BSG Urteil vom 25.10.1995 - 5 RJ 40/93 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 4 S 7) der prozessuale Anspruch, nämlich das von der Klägerin aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren, eine - bestimmte oder bestimmbare - Rechtsfolge auszusprechen. Der Streitgegenstand ist identisch mit dem erhobenen prozessualen Anspruch und wird bestimmt durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (stRspr, vgl hierzu nur BSG Beschluss vom 18.8.1999 - B 4 RA 25/99 B = SozR 3-1500 § 96 Nr 9 S 18 f und Urteil vom 25.2.2004 - B 5 RJ 62/02 R = SozR 4-2600 § 237 Nr 2 S 20; ebenso BVerwG vom 10.5.1994 - 9 C 501/93 = BVerwGE 96, 24, 25).

29

Ein Klageantrag ist unter Berücksichtigung des "Meistbegünstigungsprinzips" (vgl hierzu nur: BSG Urteil vom 4.2.1999 - B 7 AL 120/97 R = SozR 3-6050 Art 71 Nr 11 S 57; BSG Urteil vom 10.3.1994 - 7 RAr 38/93, BSGE 74, 77 <79> = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 47; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 <219> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 2 f; BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 77/03 R = SozR 4-1500 § 92 Nr 2 S 4 f, jeweils mwN; s auch BVerfG vom 29.10.1975 - 2 BvR 630/73 = BVerfGE 40, 272 <275>, das auf eine "dem Beschwerdeführer günstige Auslegung" abstellt) unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens so auszulegen (§ 123 SGG), dass das Begehren der Klägerin möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Die Gerichte haben sich nicht daran zu orientieren, was als Klageantrag zulässig ist, sondern was nach dem klägerischen Vorbringen begehrt wird, soweit jeder vernünftige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung anpassen würde und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (BSG Urteil vom 17.2.2005 - B 13 RJ 31/04 R = SozR 4-2600 § 43 Nr 3 S 17; BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 77/03 R = SozR 4-1500 § 92 Nr 2 S 4 f; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 <219> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 2 f; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 123 RdNr 8). Auch für die Auslegung von Prozesshandlungen einschließlich der Klageanträge ist die Auslegungsregel des § 133 BGB entsprechend anzuwenden(BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87, BSGE 63, 93 <94> = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 180; BSG Urteil vom 13.3.1991 - 6 RKa 20/89, BSGE 68, 190 <191> = SozR 3-2500 § 95 Nr 1). Danach ist nicht an dem Wortlaut einer Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, soweit er für das Gericht und die Beteiligten erkennbar ist. Dabei muss der für das Gericht und die übrigen Beteiligten erkennbare gesamte Klagevortrag einschließlich der Verwaltungsvorgänge herangezogen werden (BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87, BSGE 63, 93 <94 f> = SozR 2200 § 205 Nr 65; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 92 RdNr 12).

30

Die Klägerin hat, wie oben dargelegt, den Bescheid vom 5.10.2007, mit dem Leistungen vorläufig bewilligt worden sind, angefochten und höhere Leistungen begehrt. Damit ist die Gewährung höherer vorläufiger Leistungen zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden, unabhängig von der konkreten Formulierung ihres Antrags. Die Neufassung des Antrags der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG stellte mithin keine Klageänderung iS des § 99 SGG dar. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufgrund des rechtlichen Hinweises der Vorsitzenden gemäß § 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG erfolgte Konkretisierung des Klageantrags und die Differenzierung in einen Haupt- und einen Hilfsantrag ist eine Klarstellung des schon ursprünglich Gewollten(vgl BSG Urteil vom 13.3.1991 - 6 RKa 20/89, BSGE 68, 190 <191> = BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 1 S 3 f).

31

b) Ebenso wenig ist die Klage im Hinblick auf die Gewährung auch einer höheren Regelleistung verfristet. Die Klägerin hat den Streitgegenstand nicht auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Die Regelleistung ist von Anfang an im Streit gewesen. Die Klägerin hat den streitgegenständlichen Bescheid nicht nur teilweise angefochten und auch die Klage zu keinem Zeitpunkt teilweise zurückgenommen.

32

Nach der Rechtsprechung des BSG sind bei einem Streit um höhere Leistungen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R = BSG SozR 4-4300 § 428 Nr 3 S 10 mwN; BSG Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 49/06 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 7 S 37). Eine Begrenzung des Streitgegenstandes ist jedoch zulässig, wenn ein Bescheid im Einzelfall mehrere abtrennbare Verfügungen (Verwaltungsakte iS des § 31 SGB X) enthält (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = BSGE 97, 217 <223 f> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6 mwN). Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich zwar bei den Ansprüchen auf Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II, sodass eine Beschränkung des Streitgegenstandes insoweit zulässig ist(BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 <223 f> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 9 S 74). Es bedarf aber hierfür einer eindeutigen und ausdrücklichen Erklärung (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = BSGE 97, 217 <224> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6; BSG Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R = BSG SozR 4-1500 § 95 Nr 1 S 4; BSG Urteil vom 10.3.1994 - 7 RAr 38/93 = BSGE 74, 77 <79> = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 47 f; BVerwG vom 9.7.1997 - 1 B 209/96; Behrend in Hennig, SGG, § 95 RdNr 27a; Jansen/Humpert, SGG, § 123 RdNr 4a), an der es vorliegend fehlt. Allein aus fehlenden Äußerungen zu abtrennbaren Teilen eines Verwaltungsakts kann nicht geschlossen werden, dass die betreffende Teilregelung nicht angefochten sei, sondern in Bestandskraft erwachsen solle.

33

c) Statthafte Klageart betreffend den Hilfsantrag der Klägerin auf Gewährung höherer vorläufiger Leistungen ist - wie oben bereits dargelegt - die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage, da der Verwaltung hinsichtlich der Höhe der Leistung grundsätzlich ein - wenn auch eng begrenzter - Ermessensspielraum verbleibt (Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 92; Wehrhahn in Estelmann, SGB II, § 40 RdNr 109; LSG Berlin-Brandenburg vom 15.2.2008 - L 28 B 1869/07 AS PKH). Ob der Beklagte die vorläufige Leistung hier in zutreffender Höhe bewilligt hat, vermochte der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Es mangelt an Feststellungen des LSG zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, sodass bereits aus diesem Grunde die Rechtmäßigkeit der Höhe der vorläufigen Leistungen nicht überprüft werden konnte. Nicht zu beanstanden ist hingegen die prognostische Entscheidung des Beklagten im Hinblick auf die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens.

34

§ 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 SGB III räumt der Verwaltung zwar grundsätzlich sowohl hinsichtlich des "Ob" als des "Wie" (Art, Höhe, Dauer) der Leistung Ermessen ein, also ein Entschließungs- und Auswahlermessen. Allerdings verbleibt dem Beklagten im Bereich der Leistungen nach dem SGB II nur ein sehr eng begrenzter Entscheidungsfreiraum. So ist zunächst die Höhe der Leistung ohne das zu berücksichtigende Einkommen auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben zu bestimmen. Dabei sind alle Leistungsbestandteile in zutreffender Höhe zu ermitteln, hier Regelleistung und Leistung für Unterkunft und Heizung. Erst im Hinblick auf die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens, das sodann die zuvor ermittelte Leistungshöhe senkt, ist das Vorhandensein eines Ermessensspielraums im Sinne eines Auswahlermessens denkbar (vgl dazu Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 42 ff), der gerichtlich gemäß § 54 Abs 2 Satz 2 SGG überprüft werden kann. Zu beachten ist jedoch auch dabei, dass die Leistungen nach dem SGB II der Gewährleistung des Existenzminimums dienen, weshalb die Ermessensspielräume sich verengen, soweit es um die Sicherung der physischen Existenz (Nahrung, Kleidung, Wohnung) des Leistungsempfängers geht (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua = BVerfGE 125, 175). Eine zweckentsprechende Ermessensbetätigung hat im Rahmen des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III deshalb regelmäßig zur Folge, dass die Leistungen in derjenigen Höhe gewährt werden, die bei Bestätigung der wahrscheinlich vorliegenden Voraussetzungen voraussichtlich auch endgültig zu leisten sein wird. Ein "vorsorglicher" Abschlag aufgrund der Vorläufigkeit scheidet im Regelungskreis des SGB II wegen des existenzsichernden Charakters der Leistungen regelmäßig aus (Niesel/Brand/Düe, SGB III, 5. Aufl 2010, § 328 RdNr 18; Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240 <246>; Leopold, info also 2008, 104 <106>; im Ergebnis ebenso Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 189; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 44; vgl auch BT-Drucks 13/2440, S 32 zu Art 4 Nr 3 , wonach die vorläufige Bewilligung gerade den Zweck habe, den Bezug von Sozialhilfe zu vermeiden).

35

Unter Berücksichtigung dessen hat der Beklagte den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung zunächst nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zu bemessen, also festzustellen, ob und in welcher Höhe die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sind. Die Prüfung der Angemessenheit setzt dabei eine Einzelfallprüfung voraus (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = BSGE 97, 231 <238> = SozR 4-4200 § 22 Nr 2 S 23; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R = BSGE 97, 254 <258 f> = SozR 4-4200 § 22 Nr 3 S 30 f). Diese wird das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren unter Beachtung der nachfolgenden Erwägungen vorzunehmen haben:

36

Die Angemessenheit von Unterkunfts- und Heizkosten ist (getrennt voneinander vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23) unter Zugrundelegung der so genannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren. Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln. Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen, wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen (vgl grundsätzlich zum schlüssigen Konzept: BSG Urteile vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R, BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30; 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 27). Insoweit wird auf die Rechtsprechung des 14. Senats des BSG zu den angemessenen Unterkunftskosten in der Stadt Berlin verwiesen, der sich der erkennende Senat anschließt (Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R). Kosten für ein Arbeitszimmer, welches die Klägerin als Betriebsausgabe in Abzug bringen will, sind nicht als Kosten der Unterkunft anzusehen, da § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nur Leistungen für privaten Wohnraum umfasst(BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R = SozR 4-4200 § 16 Nr 1 Satz 3 mwN).

37

Sollten sich die Aufwendungen der Klägerin für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung dessen als unangemessen erweisen, könnten ihr gleichwohl höhere Leistungen zustehen, wenn ihr die nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II vorzunehmende Kostensenkung nicht zumutbar sein sollte. Nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für die Unterkunft, die den den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder in sonstiger Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese Prüfung wird das LSG auf Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung durchzuführen haben.

38

Der erkennende Senat hat in seinen Entscheidungen vom 19.2.2009 (B 4 AS 30/08 R, BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19) und 17.12.2009 (B 4 AS 27/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 27) beispielhaft Umstände aufgeführt, die der Zumutbarkeit eines Umzugs entgegenstehen können. Ob vorliegend ein Fall subjektiver Unzumutbarkeit vorliegt, kann der erkennende Senat aufgrund der festgestellten Tatsachen nicht beurteilen.

39

Einer Aufforderung zur Kostensenkung bedurfte es jedenfalls ab November 2006 nicht mehr, weil der Klägerin hinreichend verdeutlicht war, dass der Beklagte ihre Aufwendungen für KdU für unangemessen hält. Offen bleiben kann insoweit, ob das Schreiben des Beklagten vom 2.5.2006 mit der darin enthaltenen Kostensenkungsaufforderung der Klägerin zuging und ob sie vom Inhalt dieses Schreibens Kenntnis erlangte. Denn jedenfalls mit dem Bewilligungsbescheid vom 7.11.2006 und in der Folge im Zuge der gerichtlichen Auseinandersetzungen vor dem SG um die Angemessenheit der Kaltmiete brachte der Beklagte gegenüber der Klägerin hinreichend deutlich zum Ausdruck, welche Kaltmiete er für angemessen erachtete. Einer weiteren Kostensenkungsaufforderung bedurfte es nicht mehr, da deren Zweck der Aufklärung und Warnung erreicht war (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2; BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 7; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 8). Der Klägerin war der von dem Beklagten zugrunde gelegte angemessene Mietpreis bekannt.

40

Hinsichtlich der Höhe des zugrunde gelegten Regelleistungsbedarfs ergeben sich keine Beanstandungen. Auf Basis dessen sowie der zu erbringenden Leistungen für Unterkunft und Heizung ist alsdann die vorläufige Höhe des Alg II unter Berücksichtigung der prognostischen Höhe des Einkommens, das die Gesamtleistung durch Anrechnung senkt, zu bestimmen.

41

Die prognostische Ermittlung des anzurechnenden Einkommens durch den Beklagten ist hier nicht zu beanstanden. Maßgeblich für die Prognose sind die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens bekannten und erkennbaren Umstände und die Angaben des Antragstellers im Leistungsantrag (BSG Urteil vom 30.8.2007 - B 10 EG 6/06 R = SozR 4-7833 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 2.10.1997 - 14 Reg 10/96 - SozR 3-7833 § 6 Nr 15; BSG Urteil vom 16.12.1999 - B 14 EG 1/99 R - SozR 3-7833 § 6 Nr 22). Die Klägerin hat zunächst im Antrag vom 24.4.2007 angegeben, sie erwarte monatliche Betriebsausgaben in Höhe von 100 Euro ab dem 1.9.2007 bis zum 31.3.2008. Sie hat sodann in der Begründung ihres Widerspruchs mitgeteilt, sie habe seit dem 1.1.2007 durchschnittliche monatliche Betriebsausgaben in Höhe von 260,83 Euro verzeichnet. Der Beklagte hat dies im Änderungsbescheid vom 2.1.2008 der Berechnung zugrunde gelegt. Dies ist nicht zu beanstanden. Die erst im Klageverfahren vorgebrachten neuen Tatsachen, nach denen nach Auffassung der Klägerin überhaupt kein Einkommen anzurechnen ist, können die Prognose des Beklagten nicht erschüttern, da sie die Richtigkeit der ursprünglichen Prognose nicht widerlegten (vgl zur Prognose bei beruflichen Bildungsmaßnahmen: BSGE 37, 163 = SozR 4100 § 41 Nr 1).

42

4. Ob die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung auch für den Monat April 2008 rechtmäßig war, vermochte der Senat ebenfalls nicht abschließend zu beurteilen. Der vorläufige Verwaltungsakt ergeht auf Grundlage eines nicht vollständig ermittelbaren Sachverhalts und einer hierauf beruhenden Prognose (Schimmelpfennig, Vorläufige Verwaltungsakte, 1989, S 106; Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240 <242>). Die Verwaltung muss die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens bekannten und erkennbaren Umstände fehlerfrei ermitteln (BSG Urteil vom 30.8.2007 - B 10 EG 6/06 R = SozR 4-7833 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 2.10.1997 - 14 REg 10/96 - SozR 3-7833 § 6 Nr 15; BSG Urteil vom 16.12.1999 - B 14 EG 1/99 R - SozR 3-7833 § 6 Nr 22). Die Klägerin hatte zwar bereits im Antrag vom 24.4.2007 erklärt, dass der Honorarvertrag nur bis 31.3.2008 laufe. Ob hieraus jedoch folgt, dass sie ab dem 1.4.2008 auch keinen Einkommenszufluss aus dieser Beschäftigung mehr haben würde, ist offen. Es mangelt an Tatsachenfeststellungen des LSG hierzu. Der Beklagte hat im Hinblick auf die Beendigung der Beschäftigung zwar bereits kein Einkommen mehr bei der Berechnung der vorläufigen Leistungen berücksichtigt, ob insoweit allerdings bereits die Grundlage für die Vorläufigkeit der Bewilligung entfallen und der Beklagte eine endgültige Entscheidung hätte treffen müssen, wird das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren ebenso aufzuklären haben, wie es unter den oben dargelegten Gesichtspunkten auch die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Monat April 2008 wird überprüfen müssen.

43

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. Juli 2010 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Jobcenter die Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1.7.2008 bis zum 31.3.2009 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II).

2

Die im Jahr 1950 geborene Klägerin ist seit 2002 ohne Beschäftigung und bezieht nach Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe seit dem 1.1.2005 Arbeitslosengeld II. Sie bewohnt seit dem Jahr 1985 eine 76,83 qm große Drei-Zimmer-Wohnung in Freiburg. Für die Wohnung bezahlt sie seit dem 1.11.2007 monatlich 497 Euro Kaltmiete, eine Heizkosten- und Warmwasserpauschale von 37,50 Euro sowie Betriebskosten. Der für die Stadt Freiburg erstellte qualifizierte Mietspiegel 2007 weist für die Zeit ab 1.3.2007 für eine 45 qm große Wohnung einen durchschnittlichen "Basismietpreis" von 7,51 Euro je qm aus, der Mietspiegel 2009 von 7,87 Euro. Für bestimmte Ausstattungsvarianten erfolgen prozentuale Zu- und Abschläge von diesem Basismietpreis. Ab 1.1.2005 zahlte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden auch: Beklagter) der Klägerin die vollen Kosten der Unterkunft sowie anteilige Kosten der Heizung, damals insgesamt 570,18 Euro monatlich. Mit Schreiben vom 8.8.2005 wurde der Klägerin vom Beklagten mitgeteilt, ihre Kosten der Unterkunft seien unangemessen hoch, und sie wurde unter anderem aufgefordert, die Kosten zu senken. Angemessen seien maximal 5,62 Euro je qm, für 45 qm also insgesamt 252,90 Euro. Eine ähnliche Aufforderung erging mit Schreiben des Beklagten vom 9.3.2006. Der Beklagte zahlte aber weiterhin die vollen Kosten der Unterkunft. Unter dem 17.7.2007 schlossen die Beteiligten zur Senkung der unangemessenen Miete eine Vereinbarung, in der sich die Klägerin bereit erklärte, ab Oktober 2007 die überhöhten Kosten als Eigenanteil zu übernehmen. Ein Versuch des Beklagten, an die Klägerin eine geringere Leistung für die Unterkunft zu zahlen, führte zu einem Klageverfahren, aufgrund dessen der Beklagte schließlich weiterhin bis zum 31.3.2008 die vollen Kosten der Unterkunft zahlte. Für die Zeit vom 1.4. bis 30.9.2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen in Höhe von 786,64 Euro monatlich, davon Leistungen für Unterkunft und Heizung von 439,64 Euro (Kaltmiete 290,70 Euro plus Nebenkosten 117,97 Euro = 408,67 Euro plus Heizkosten 30,97 Euro; Bescheid vom 25.3.2008) und für die Zeit vom 1.10.2008 bis 31.3.2009 in derselben Höhe (weiterer Bescheid vom 25.3.2008). Mit Bescheiden vom 18.5.2008 änderte der Beklagte diese Bescheide und bewilligte wegen Anhebung der Regelleistung von 347 auf 351 Euro insgesamt Leistungen von 790,64 Euro ab 1.7.2008. Die gegen diese letzten Bescheide erhobenen Widersprüche wurden zurückgewiesen (Widerspruchsbescheide vom 15.7.2008).

3

Die dagegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht (SG) verbunden und nach einem Teilanerkenntnis des Beklagten hinsichtlich einer angemessenen Kaltmiete von 305,10 Euro monatlich für die Zeit vom 1.11.2008 bis 31.3.2009 im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 10.7.2009). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.7.2010) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe die zulässigerweise allein umstrittenen Kosten der Unterkunft zutreffend festgesetzt. Für einen Ein-Personen-Haushalt sei eine Wohnfläche von 45 qm nach dem landesrechtlich geregelten Wohnungsbindungsrecht angemessen. Die Größe der Wohnung der Klägerin von 74 qm überschreite diesen Wert erheblich und ihre tatsächliche Miete liege deutlich über der angemessenen Referenzmiete von 290,70 bzw 305,10 Euro pro Monat aus dem Produkt von Mietpreis und Quadratmeter. Der räumliche Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Durchschnittsmiete sei vorliegend die Stadt Freiburg. Die von dem Beklagten zugrunde gelegte Miethöhe von 6,46 Euro bzw 6,78 Euro und die sich daraus (x 45 qm =) ergebenden Obergrenzen von 290,70 bzw 305,10 Euro entsprächen dem Mietniveau in der Stadt Freiburg im unteren Segment des Wohnungsmarktes für Wohnungen bis 45 qm. Der Mietspiegel der Stadt Freiburg sei als schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (ua Hinweis auf BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - und BSG vom 22.9.2009 - B 14 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30) für die Ermittlung einer Vergleichsmiete geeignet und der Beklagte habe aus ihm die richtigen Schlüsse gezogen. Auszugehen sei von den ermittelten Basismietpreisen von 7,51 Euro im Mietspiegel 2007 und 7,87 Euro in dem Mietspiegel 2009 pro Quadratmeter für eine zwischen 1961 und 1977 errichtete Standardwohnung mit 45 qm in einem Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen pro Hauseingang, normaler Beschaffenheit mit durchschnittlicher Wohnungsausstattung. Von diesen Beträgen seien entsprechend der Systematik des Mietspiegels Abschläge zu machen von 6 % für eine überwiegend einfache Bodenausstattung, 4 % für das Fehlen einer Gegensprechanlage und eines Türöffners sowie 5 % für die Lage an einer Durchgangsstraße. Die Untersuchungen des "Runden Tisches zu den Auswirkungen der Hartz-Gesetze in Freiburg" seien nicht geeignet, diese auf empirischer Grundlage gewonnenen Wertungen und Einschätzungen des örtlichen Wohnungsmarktes in Frage zu stellen.

4

Die Sechs-Monats-Frist des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II sei abgelaufen, der Beklagte habe die Klägerin mit Schreiben vom 8.8.2005 und 9.3.2006 darauf hingewiesen, dass ihre Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien, und die Klägerin habe sich verpflichtet, ab Oktober 2007 den unangemessenen Teil der Kosten der Unterkunft selbst zu tragen. Der Klägerin sei ein Umzug im Vergleichsraum der Stadt Freiburg möglich und zumutbar. Weder sei keine angemessene Wohnung zu finden noch ständen gesundheitliche Gründe einem Umzug entgegen. Dass die Klägerin möglicherweise im Jahr 2013 abschlagsfrei Altersrente in Anspruch nehmen könne, führe zu keiner anderen Beurteilung. Die Heizung und sonstigen Nebenkosten habe der Beklagte abzüglich des Betrages für die Warmwasserbereitung in vollem Umfang übernommen, sodass die Klägerin insofern nicht beschwert sei.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das LSG habe § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht richtig angewandt. Es habe zu Unrecht das Konzept des Beklagten als plausibles Konzept anerkannt. Insbesondere sei ungeklärt, ob Wohnungen wie das LSG sie für angemessen halte, überhaupt existierten. Dagegen spreche ua eine Untersuchung der Stadt Freiburg aus dem Jahr 2004. Die Ablehnung ihres Beweisantrages verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens aus Art 6 Europäische Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), weil ihr eine Beweislast aufgebürdet worden sei, die objektiv nicht zu erbringen gewesen sei. Eine Wohnung von 45 qm sei für sie nicht angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (- 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175), insbesondere im Vergleich mit einem jungen Menschen müsse ihre "Lebensleistung" berücksichtigt werden und, dass sie kurz vor dem Erreichen des Rentenalters stehe. Bei einem Umzug müsse sie ihr soziales Umfeld aufgeben, weil es nicht möglich sei, in dem von ihr bewohnten Stadtteil zu dem von dem Beklagten angegebenen Preis eine Wohnung zu mieten. Nach einem Beschluss des Gemeinderats vom 5.5.2009 sei bei älteren Menschen die Wohnungsdauer - mindestens 15 Jahre - zu berücksichtigen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. Juli 2010 und des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Juli 2009 aufzuheben, die Bescheide des Beklagten vom 18. Mai 2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15. Juli 2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. März 2009 monatlich Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 645,94 Euro zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Auf die Revision der Klägerin ist das Urteil des LSG vom 5.7.2010 aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Denn aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung vom 1.7.2008 bis zum 31.3.2009 hat.

10

Nach dem angefochtenen Urteil des LSG, das die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen hat, hat die Klägerin nach den angefochtenen Bescheiden des Beklagten in der Veränderung durch deren Teilanerkenntnis vor dem SG, monatlich nur Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.7. bis 31.10.2008 in Höhe von 439,64 Euro (Kaltmiete 290,70 Euro plus kalte Nebenkosten 117,97 Euro = 408,67 Euro plus Kosten der Heizung 30,97 Euro) und für die Zeit vom 1.11.2008 bis zum 31.3.2009 von 454,04 Euro (Erhöhung der Kaltmiete um 14,40 Euro auf 305,10 Euro aufgrund des Teilanerkenntnisses). Als Ergebnis des Revisionsverfahrens ist es jedoch möglich, dass die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung hat, weil dem LSG hinsichtlich der Herleitung der einzelnen Beträge nicht gefolgt werden kann.

11

Streitgegenstand des Verfahrens sind allein Ansprüche der Klägerin auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.7.2008 bis zum 31.3.2009 und die letzten diese Ansprüche regelnden Bescheide des Beklagten vom 18.5.2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15.7.2008. An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert.

12

Die Klägerin lebt nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 Sozialgerichtsgesetz) allein in ihrer Wohnung und gehört dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil sie das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, der insofern vom 1.7.2008 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde).

13

Rechtsgrundlage für die vorliegend der Höhe nach umstrittenen Leistungen für Unterkunft und Heizung sind §§ 19, 22 SGB II. Danach werden im Rahmen des Arbeitslosengeldes II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, der insofern vom 1.7.2008 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (stRspr vgl nur BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 12 mwN). Zwischen der Leistung für die Unterkunft (dazu 1.) und der Leistung für die Heizung (dazu 2.) ist zu unterscheiden, wie schon dem Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals "Leistungen" sowie der Rechtsprechung des Senats (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 18) zu entnehmen ist.

14

1. Die Klägerin könnte gegen den Beklagten einen höheren Anspruch auf Leistung für die Unterkunft als die ihr bewilligten 408,67 Euro monatlich für die Zeit vom 1.7. bis zum 31.10.2008 und 423,07 Euro monatlich für die Zeit vom 1.11.2008 bis zum 31.3.2009 haben.

15

Zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft, auf die der dem Grunde nach leistungsberechtigte Hilfebedürftige Anspruch hat, ist in mehreren Schritten vorzugehen: Zunächst ist die angemessene Leistung für die Unterkunft unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren abstrakt zu ermitteln (dazu a). Dann ist - falls insofern vom Hilfebedürftigen Einwände vorgebracht werden - zu prüfen, ob in dem örtlichen Vergleichsraum eine solche abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte angemietet werden können (dazu b). Soweit die Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft, also die von ihm zu zahlende Nettokaltmiete plus kalte Betriebskosten, die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft des Hilfebedürftigen (entsprechend a) übersteigen, sind erstere nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel längstens für sechs Monate(dazu c) (vgl ua BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19 ff; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 12 ff; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27: Mietspiegel als schlüssiges Konzept; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29; zuletzt: BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 20 ff).

16

a) Ob die abstrakt ermittelte, angemessene Leistung für die Unterkunft der Klägerin monatlich nicht höher als die ihr bewilligten 408,67 Euro für die Zeit vom 1.7. bis zum 31.10.2008 und 423,07 Euro für die Zeit vom 1.11.2008 bis zum 31.3.2009 ist, kann nicht festgestellt werden.

17

Die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft ist entsprechend der soeben aufgeführten Rechtsprechung unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln: (1) Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. (2) Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen. (3) Im nächsten Schritt ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraumes zu zahlen ist, um die nach der Produkttheorie angemessene Nettokaltmiete zu ermitteln. (4) Zu der Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen.

18

(1) Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende wie die Klägerin in Baden-Württemberg allgemein und damit auch in Freiburg 45 qm.

19

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376: "Wohnungsförderungsgesetz") wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen" des jeweiligen Landes.

20

Nach den Feststellungen des LSG hat das Land Baden-Württemberg zwar keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Ein-Personen-Haushalte von einer Wohnfläche von 45 qm auszugehen. An dieser Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 22).

21

(2) Als den maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum hat das LSG zu Recht die Stadt Freiburg zugrunde gelegt und insbesondere auf deren Einwohnerzahl von über 200 000 hingewiesen (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 24).

22

(3) Welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards als angemessen auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums Stadt Freiburg für die Zeit vom 1.7.2008 bis zum 31.3.2009 zugrunde zu legen ist, kann aufgrund der Feststellungen des LSG nicht bestimmt werden.

23

Dass von einem einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnungsstandard, der hinsichtlich Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt, auszugehen ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 24; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 25).

24

Zur Ermittlung der diesem einfachen Wohnungsstandard angemessenen Kaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt ist zu überprüfen, ob das LSG seiner Entscheidung ein sogenanntes schlüssiges Konzept zugrunde gelegt hat bzw ein solches der überprüften Entscheidung des SG bzw dem Bescheid des Beklagten zugrunde lag. In Ermangelung eines anderen schlüssigen Konzepts hat das LSG zutreffend zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete auf die Freiburger Mietspiegel 2007 und 2009 zurückgegriffen. Qualifizierte Mietspiegel iS des § 558d Bürgerliches Gesetzbuch - wie diese Mietspiegel - können Grundlage der Bestimmung der angemessenen Miete nach § 22 Abs 1 SGB II sein(vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen RdNr 27 mwN).

25

Dem LSG kann insofern gefolgt werden, als es bei der Anwendung der Mietspiegel nicht besondere Baualtersklassen herausgegriffen, sondern die in den Mietspiegeln angeführte Standardwohnung (errichtet in der Zeit zwischen 1961 und 1977, in einem Mehrfamilienhaus mit mindestens fünf Wohnungen pro Hauseingang, normale Art und Beschaffenheit, mit durchschnittlicher Wohnungsausstattung) zugrunde gelegt hat. Des Weiteren ist es gemäß den Mietspiegeln von einer Kaltmiete pro Quadratmeter von 7,51 Euro im Jahr 2008 und von 7,87 Euro im Jahr 2009 für eine Wohnfläche von 45 qm ausgegangen.

26

Ob das weitere Vorgehen des LSG, von diesen Durchschnittsbeträgen entsprechend der Systematik der Mietspiegel Abschläge zu machen von zB 6 % für eine überwiegend einfache Bodenausstattung, geeignet ist, um dem angemessenen einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnungsstandard Rechnung zu tragen, könnte zweifelhaft sein, weil statistische Nachweise fehlen, denen entnommen werden kann, dass es entsprechende Wohnungen in ausreichender Zahl in Freiburg gibt. Das entsprechende Ermittlungsdefizit liegt auch dem Vorbringen der Klägerin zugrunde, dass für die von Seiten des LSG aus den Mietspiegeln abgeleiteten angemessenen Nettokaltmieten keine Wohnung auf dem Wohnungsmarkt zu bekommen sei, also auf den noch offenen, weiteren Prüfungspunkt b).

27

(4) Die kalten Betriebskosten, die zu der so ermittelten - abstrakt angemessenen - Nettokaltmiete noch hinzuzurechnen sind, müssen, damit zunächst die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft ermittelt wird, ebenfalls abstrakt ermittelt werden. Dazu kann auf Betriebskostenübersichten zurückgegriffen werden, möglichst allerdings auf örtliche Übersichten wegen der regionalen Unterschiede insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen (vgl nur BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 33 f).

28

Dem wird das Urteil des LSG nicht gerecht, weil das LSG einen Betrag von 117,97 Euro monatlich zugrunde gelegt hat. Dies ist der Betrag, den der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden neben der Kaltmiete und der Pauschale für die Heizkosten und Warmwasserbereitung als weitere Betriebskosten berücksichtigt hat. Dass dieser Betrag den abstrakten angemessenen kalten Betriebskosten für eine 45-qm-Wohnung in Freiburg entspricht, ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen.

29

b) Ob im örtlichen Vergleichsraum "Stadt Freiburg" auch eine Wohnung mit einfachem Wohnungsstandard und bis zu 45 qm Wohnfläche ausgehend von den vom LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegten abstrakt ermittelten, angemessenen Leistungen für die Unterkunft für die Zeit vom 1.7. bis zum 31.12.2008 in Höhe von 408,67 Euro monatlich (Kaltmiete für 45 qm x 6,46 Euro/qm = 290,70 Euro plus Betriebskosten in Höhe von 117,97 Euro) und für die Zeit vom 1.1. bis zum 31.3.2009 in Höhe von 423,07 Euro monatlich (Kaltmiete für 45 qm x 6,78 Euro/qm = 305,10 Euro plus Betriebskosten in Höhe von 117,97 Euro) tatsächlich hätte angemietet werden können, kann vom Senat unabhängig von den Ausführungen zu den kalten Betriebskosten (siehe zuvor) aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden.

30

Eine objektive Unmöglichkeit, eine Wohnung zu dem nach dem Mietspiegel angemessenen Quadratmeterpreis zu finden, hat der 4. Senat des BSG schon in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - abgesehen von Ausnahmefällen - grundsätzlich verneint, weil es in Deutschland derzeit keine allgemeine Wohnungsnot gibt und allenfalls in einzelnen Regionen Mangel an ausreichendem Wohnraum besteht (BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 36). Dem schließt sich der erkennende Senat zumindest dann an, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und entweder der Durchschnittswert dieses Mietspiegels angewandt wird oder dem Mietspiegel Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können. Denn dann kann davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft gibt.

31

Das LSG hat seiner Entscheidung aber nicht den Durchschnitts- oder entsprechend der Terminologie des Freiburger Mietspiegels "Basismietpreis" von 7,51 Euro im Mietspiegel 2007 und 7,87 Euro in dem Mietspiegel 2009 für eine zwischen 1961 und 1977 errichtete Standardwohnung mit 45 qm in einem Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen pro Hauseingang, normaler Beschaffenheit mit durchschnittlicher Wohnungsausstattung zugrunde gelegt, sondern eine fiktive Wohnung mit bestimmten Abschlägen, um dem angemessenen einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnungsstandard Rechnung zu tragen. Diese Abschläge führten nach der Berechnung des LSG für das Jahr 2008 zu einer abstrakt angemessenen Kaltmiete pro Quadratmeter von 6,46 Euro und für das Jahr 2009 von 6,78 Euro. Dass es Wohnungen zu diesen abstrakt angemessenen Quadratmeter-Nettokaltmieten im örtlichen Vergleichsraum Freiburg in einer bestimmten Häufigkeit gab, ist vom LSG nicht festgestellt worden.

32

Von daher kann das auf die Anmietbarkeit solcher Wohnungen abzielende Revisionsvorbringen der Klägerin und die Entscheidung, ob durch dieses die obige Tatsachenvermutung (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr 9 ff) erschüttert wird, dahingestellt bleiben, zumal es sich im Wesentlichen um neuen, im Revisionsverfahren unzulässigen Tatsachenvortrag handelt (vgl nur § 163 SGG). Ebenfalls dahingestellt bleiben kann die von der Klägerin in diesem Zusammenhang erhobene Rüge einer Verletzung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens nach Art 6 EMRK, weil sie die Nichtexistenz angemessener Wohnungen habe beweisen sollen. Derartiges wird von der Klägerin nicht verlangt, sondern nur eine Erschütterung des oben dargestellten Anscheinsbeweises (vgl zum Beweis negativer Tatsachen oder Tatbestandsmerkmale: Greger in Zöller, ZPO, 28. Aufl 2010, Vor § 284 RdNr 24 und Laumen in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl 2011, § 286 RdNr 64).

33

c) Gründe, warum die Klägerin über den abgelaufenen Sechs-Monats-Zeitraum des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II hinaus einen höheren Anspruch auf Leistung für die Unterkunft als die nach den obigen Ausführungen abstrakt angemessenen Beträge haben sollte(oben a), wenn eine solche Wohnung auch hätte angemietet werden können (oben b), sind nicht zu erkennen.

34

Soweit die Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft (Nettokaltmiete plus Betriebskosten) die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft übersteigen, sind die Aufwendungen nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

35

Der Ablauf der Sechs-Monats-Frist ergibt sich aus dem Leistungsbezug der Klägerin seit dem 1.1.2005 und dem vorliegend umstrittenen Zeitraum vom 1.7.2008 bis 31.3.2009. Durch Schreiben des Beklagten vom 8.8.2005 und 9.3.2006 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass ihre Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien. Unter dem 17.7.2007 haben die Beteiligten sogar eine Vereinbarung zur Senkung der unangemessenen Miete geschlossen, in der sich die Klägerin bereit erklärte, ab Oktober 2007 die überhöhten Kosten als Eigenanteil zu übernehmen.

36

Gründe, warum der Klägerin eine Kostensenkung durch Umzug, Untervermietung oder auf andere Weise nicht möglich oder nicht zumutbar ist, hat das LSG nicht festgestellt. Es hat vielmehr ausgeführt, der Klägerin sei ein Umzug im Vergleichsraum Stadt Freiburg möglich und zumutbar, insbesondere ständen diesem keine gesundheitlichen Gründe entgegen.

37

Einem Umzug entgegenstehende Gründe, wie eine Behinderung oder die Ausübung des Umgangsrechts mit einem Kind (vgl § 22b Abs 3 Satz 2 SGB II idF des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes - BGBl I 2011, 453; ähnlich schon BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 33 ff; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 33), liegen nach den Feststellungen des LSG bei der Klägerin nicht vor. Der Verweis der Klägerin auf ihr Alter, ihren möglichen baldigen Renteneintritt und ihre "Lebensleistung" beinhaltet keine Gründe, die eine Ausnahme und insbesondere die von der Klägerin begehrte Erhöhung ihrer Wohnfläche um 15 qm zu rechtfertigen vermögen.

38

Soweit die Klägerin ausführt, bei einem Umzug müsse sie ihr soziales Umfeld aufgeben, weil es nicht möglich sei, in dem von ihr bewohnten Stadtteil zu dem von dem Beklagten angegebenen Preis eine Wohnung anzumieten, ist zu bedenken, dass jeder Umzug in gewissem Maße mit einer Veränderung des sozialen Umfeldes einhergeht und dies eine normale Folge ist, die sich aus der gesetzlichen Regelung ergibt. Das "Aufrechterhalten des sozialen Umfeldes", eine "affektive Bindung" an einen bestimmten Stadtteil oder ein Alter von zB 56 Jahren stehen einem Umzug nicht entgegen (BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 33).

39

Die Ausführungen der Klägerin zu einem angeblichen Gemeinderatsbeschluss hinsichtlich der Berücksichtigung der Wohnungsdauer bei älteren Menschen sind neuer, im Revisionsverfahren unzulässiger Tatsachenvortrag (vgl nur § 163 SGG).

40

Aus der in dieses Verfahren eingeführten Begründung in dem noch anhängigen Revisionsverfahren B 14 AS 107/10 R und die Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (- 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175) folgt nichts Anderes, weil es keinen festgestellten individuellen Grund in der Person der Klägerin gibt, aus dem eine andere Bemessung der Leistung für die Unterkunft folgt oder der einer Kostensenkung nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II entgegensteht.

41

2. Die Klägerin hat Anspruch auf eine Leistung für die Heizung im streitigen Zeitraum von 31,17 Euro monatlich (Heizkosten und Warmwasserpauschale von 37,50 Euro abzüglich einer Pauschale für die Warmwasserbereitung von 6,33 Euro).

42

Die Prüfung der Angemessenheit der Leistung für die Heizung hat nicht nur getrennt von der für die Unterkunft zu erfolgen, sondern auch nach eigenen Regeln: Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung ist - mangels anderer Zahlen - so lange zu bejahen, wie die Kosten unter dem Grenzbetrag eines bundesweiten oder kommunalen Heizspiegels liegen (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 25; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 23 ff). Abzuziehen ist jedoch bei einer Warmwasserbereitung über die Heizung der Anteil, der für die Warmwasserbereitung im Rahmen der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist (vgl nur BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5).

43

Als von der Klägerin tatsächlich zu zahlende Heizkosten- und Warmwasserpauschale hat das LSG 37,50 Euro monatlich festgestellt. Deren Angemessenheit ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, weil der Jahresbetrag dieser Pauschale inklusiv der Kosten der Warmwasserbereitung (37,50 x 12 = 450) unter dem jeweils niedrigsten Grenzbetrag der bundesweiten Heizspiegel für die Abrechnungsjahre 2008 (14,60 Euro/qm x 45 qm = 657 Euro) und 2009 (12,10 Euro/qm x 45 qm = 544,50 Euro) liegt.

44

Von diesen 37,50 Euro sind 6,33 Euro für die Warmwasserbereitung abzuziehen und nicht 6,63 Euro, wie das LSG ebenso wie der Beklagte ohne Herleitung dieses Betrags angenommen haben. In dem schon genannten Urteil des BSG vom 27.2.2008, auf das sich das LSG bezieht, wird kein anzurechnender Betrag für die Warmwasserbereitung bei einer Regelleistung von 351 Euro genannt, wie sie vorliegend an die Klägerin gezahlt wurde. Nach der Berechnung in dem Urteil des BSG ist bei einer Regelleistung von 347 Euro eine Pauschale von 6,26 Euro zugrunde zu legen (vgl die Tabelle in RdNr 25). Zum hier maßgeblichen Zeitraum ab 1.7.2008 war die Regelleistung von 347 Euro auf 351 Euro erhöht worden, also um ca 1,15 %. Übertragen auf die Pauschale von 6,26 Euro sind 1,15 % 7,2 Cent, sodass die für die Warmwasserbereitung von der Regelleistung abzuziehende Pauschale mit (6,26 plus 0,07 =) 6,33 Euro zu errechnen ist (ebenso Brehm/Schifferdecker, SGb 2010, 331, 335).

45

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Höhe der dem Kläger vom beklagten Jobcenter zu zahlenden Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit von November 2006 bis April 2007.

2

Der im Jahr 1950 geborene, erwerbsfähige Kläger ist promovierter Politikwissenschaftler und konnte im streitgegenständlichen Zeitraum seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften und Mitteln sichern. Er wohnt seit dem Jahr 1959 zunächst als Kind in der Familie, inzwischen allein in einer "2 2/2-Zimmerwohnung" mit einer Wohnfläche von knapp 75 qm, für die er eine Bruttowarmmiete von 515,87 Euro monatlich im strittigen Zeitraum zu zahlen hatte. Leistungen nach dem SGB II erhielt er ab dem 21.4.2005. Mit Schreiben vom 26.4.2006 teilte der Beklagte dem Kläger mit, die Kosten der Unterkunft seien nicht angemessen. Er sei längstens für sechs Monate bereit die tatsächlichen Kosten so lange zu übernehmen, wie es dem Kläger nicht möglich sei, durch einen Wohnungswechsel, Untervermietung oder Erwirkung einer Mietminderung die Kosten der Unterkunft zu senken. Der Kläger wies auf seine lange Wohndauer in der Wohnung hin. Er bewahre in ihr ein umfassendes Archiv insbesondere zu den Themen Sport, Ministerium für Staatssicherheit und Fußball auf, in denen er als wissenschaftlicher Experte international anerkannt sei. Bei einem Umzug in eine kleinere Wohnung müsse er sich von diesen Beständen trennen, womit ihm eine weitere wissenschaftliche Tätigkeit und eine geplante Buchveröffentlichung verwehrt seien, hierauf würden aber seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt beruhen. Für die Zeit von November 2006 bis April 2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe von 396 Euro monatlich und legte dabei den Grundwert für Einpersonenhaushalte von 360 Euro für die Bruttowarmmiete nach den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (ABl 3743), zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschrift vom 30.5.2006 (ABl 2062) zuzüglich eines Zuschlags von 10 % wegen längerer Wohndauer zugrunde (Bescheid vom 12.10.2006, Widerspruchsbescheid vom 23.2.2007).

3

Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger Leistungen unter Zugrundelegung der vollen Kosten der Unterkunft in Höhe von 515,87 Euro monatlich von November 2006 bis April 2007 zu bewilligen (Urteil vom 21.5.2007). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG geändert und den Beklagten verurteilt, dem Kläger Leistungen für Unterkunft und Heizung von November 2006 bis April 2007 in Höhe von 416,28 Euro monatlich zu gewähren und im Übrigen die Klage und die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 24.4.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 SGB II seien nicht anhand der AV-Wohnen zu bestimmen. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Angemessenheit" obliege vielmehr den Gerichten und es sei eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (Hinweis ua auf das Urteil des BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2). Nach den Wohnungsbauförderungsbestimmungen des Landes Berlin erscheine eine Wohnung von bis zu 50 qm für eine Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft als angemessen. Als Wohnungsstandard sei von einem einfachen und im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad der Wohnung auszugehen. Zur Bestimmung des nach der Produkttheorie angemessenen Quadratmeterpreises sei vom qualifizierten Mietspiegel des Landes Berlin vom 11.7.2007 (ABl 1797) auszugehen, da ein besseres Erkenntnismittel nicht zur Verfügung stehe und dessen Stichtag 1.10.2006 vor dem umstrittenen Bewilligungszeitraum liege. Bei Anwendung des Mietspiegels sei der günstigste Spannenhöchstbetrag innerhalb der verschiedenen Baujahresklassen für Wohnungen mit Bad und WC zugrunde zu legen. Ebenfalls mit einzubeziehen seien die kalten und warmen Betriebskosten. Hinsichtlich deren Ermittlung seien - mangels "besserer Zahlen" - die Werte des Anhangs I zum Mietspiegel heranzuziehen und der 4/5 Spannenoberwert zugrunde zu legen. Konkret seien nach dem Mietspiegel pro Quadratmeter ein Wert von 4,71 Euro (Baujahre 1965 bis 1972, einfache Wohnlage, 40 bis unter 60 qm) plus 2,59 Euro kalte Betriebskosten sowie 1,15 Euro Heizkosten (= 8,45 Euro x 50 qm =) und damit insgesamt 422,50 Euro anzusetzen. Davon seien noch 6,22 Euro für die Warmwasserbereitung abzuziehen (Hinweis auf BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5), sodass 416,28 Euro monatlich für Leistungen der Unterkunft und Heizung zu zahlen seien. Eine solche Wohnung sei auch im bisherigen Umfeld des Klägers Berlin-Schöneberg anmietbar. Das Alter des Klägers und seine lange Wohndauer seien - auch in Kombination - keine Kriterien, aus denen eine Unzumutbarkeit hergeleitet werden könne, für die gebotene Senkung der Kosten der Unterkunft zu sorgen, ggf auch durch einen Umzug. Der Kläger könne sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, in der Wohnung sein Archiv unterbringen zu müssen. Die Unterlagen könnten außerhalb der Wohnung, zB in einem Keller oder bei einer öffentlichen oder privaten Stelle, aufbewahrt werden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Umzugskosten außer Verhältnis zu den ersparten Kosten der Unterkunft stehen könnten.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 22 SGB II. Die Entscheidung des LSG werde der vom Bundessozialgericht (BSG) geforderten Einzelfallentscheidung nicht gerecht. Seine enge Verbundenheit mit seiner Wohnung und dem sozialen Umfeld werde nicht ausreichend gewürdigt. Aufgrund der Wohndauer von fast 50 Jahren sei er nicht weniger schutzwürdig, als ein Eigentümer in einer selbst genutzten Wohneinheit. Es liege ein Verstoß gegen Art 1 Abs 1, Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1, Art 5 Abs 3 Grundgesetz (GG) vor.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Mai 2007 zurückzuweisen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er bezieht sich auf die AV-Wohnen. Im Übrigen lasse die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Angemessenheit" durch das LSG keinen Fehler erkennen, auch wenn die Argumente des LSG nicht in jedem Punkt überzeugten.

Entscheidungsgründe

8

Auf die Revision des Klägers ist das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Die zulässige Revision des Klägers ist begründet, weil das LSG die abstrakt angemessenen Leistungen für Unterkunft des Klägers und dessen angemessene Leistungen für Heizung nicht zutreffend ermittelt hat. Mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen kann der Senat nicht beurteilen, ob die Entscheidung des LSG aus anderen Gründen richtig ist, oder in der Sache selbst entscheiden (§ 170 Abs 1, 2 Sozialgerichtsgesetz).

9

Streitgegenstand des Verfahrens sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von November 2006 bis April 2007 und der diese Ansprüche regelnde Bescheid des beklagten Jobcenters vom 12.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.2.2007. An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert.

10

Der Kläger lebt nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) allein in seiner Wohnung und gehört dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, das insofern von November 2006 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde).

11

Rechtsgrundlage für die vorliegend der Höhe nach umstrittenen Leistungen für Unterkunft und Heizung sind §§ 19, 22 SGB II. Danach werden im Rahmen des Arbeitslosengeldes II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, das insofern von November 2006 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (stRspr vgl nur BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 12 mwN).

12

Zwischen der Leistung für die Unterkunft (dazu 1.) und der Leistung für die Heizung (dazu 2.) ist zu unterscheiden, wie schon dem Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals "Leistungen" sowie der Rechtsprechung des Senats (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; zuletzt: BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 18) zu entnehmen ist. Welche Aufwendungen für die Unterkunft und welche für die Heizung vorliegend tatsächlich angefallen sind, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Das LSG hat nur eine Bruttowarmmiete von 515,87 Euro monatlich festgestellt, die das SG dem Kläger auch zugesprochen hat, die dann als angemessen von dem Beklagten zu zahlen sein könnte, wenn dieser Betrag unter der Summe der angemessenen Leistungen für die Unterkunft und für die Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II liegen würde. Das LSG hat jedoch nur einen Betrag von insgesamt 416,28 Euro monatlich als angemessen angesehen und die weitergehende Klage abgewiesen.

13

1. Zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft, auf die der dem Grunde nach Hilfebedürftige Anspruch hat, ist in mehreren Schritten vorzugehen: Zunächst ist die angemessene Leistung für die Unterkunft unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren abstrakt zu ermitteln (dazu a). Anschließend ist - falls insofern Einwände vorgebracht werden - zu prüfen, ob in dem örtlichen Vergleichsraum eine Wohnung zu dieser abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft auch tatsächlich angemietet werden kann (dazu b). Soweit die Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft, also die von ihm zu zahlende Nettokaltmiete plus kalte Betriebskosten, die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft des Hilfebedürftigen (entsprechend a) übersteigen, sind erstere nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel längstens für sechs Monate(dazu c) (vgl zu diesen Voraussetzungen ua BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19 ff; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 12 ff; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27: Mietspiegel als schlüssiges Konzept; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 20 ff).

14

a) Der vom LSG ermittelte Betrag für die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft des Klägers hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, sodass er einer Entscheidung des Senats nicht zugrunde gelegt werden kann.

15

Die angemessene Leistung für die Unterkunft ist entsprechend der soeben aufgeführten Rechtsprechung unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln: (1) Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. (2) Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen. (3) Im nächsten Schritt ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums zu zahlen ist, um die nach der Produkttheorie angemessene Nettokaltmiete zu ermitteln. (4) Zu der Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen.

16

(1) Das LSG hat die für den Kläger als Alleinlebenden angemessene Wohnungsgröße mit maximal 50 qm in Berlin zutreffend bestimmt.

17

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376: "Wohnungsförderungsgesetz" im Folgenden: WoFG) wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen" des jeweiligen Landes.

18

Das Land Berlin hat zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 27 WoFG liegen nur unveröffentlichte Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen. Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (ABl 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm überlassen werden. Auf diese Regelungen ist für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II zurückzugreifen(vgl BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14; zuletzt BSG vom 19.10.2010, aaO, speziell zu Berlin).

19

(2) Zutreffend hat das LSG, wenn auch nicht unter Verwendung dieses Begriffs, die Stadt Berlin als maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum zugrunde gelegt (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 24).

20

(3) Soweit das LSG einen Betrag von 4,71 Euro als angemessene Nettokaltmiete pro Quadratmeter zugrunde gelegt hat, kann dessen Ermittlung aufgrund der Feststellungen des LSG nicht nachvollzogen werden.

21

(aa) Als Wohnungsstandard hat das LSG zu Recht einen einfachen, im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad der Wohnung angenommen (vgl BSG vom 19.10.2010, aaO, RdNr 25).

22

(bb) Zur Bemessung der angemessenen Leistung für die Unterkunft kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht von den AV-Wohnen ausgegangen werden, weil ihnen kein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG zugrunde liegt (vgl nur BSG vom 19.10.2010, aaO, RdNr 26 mwN).

23

(cc) In Ermangelung eines von dem Beklagten vorgelegten schlüssigen Konzepts hat das LSG zutreffend zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete auf den Berliner Mietspiegel vom 11.7.2007 (ABl 1797) zurückgegriffen. Qualifizierte Mietspiegel iS des § 558d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wie der Berliner Mietspiegel können Grundlage zur Bestimmung der abstrakt angemessenen Miete sein(vgl bereits BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 25; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27; zuletzt: BSG vom 19.10.2010, aaO, RdNr 27 mwN für Berlin).

24

Sollen aus einem qualifizierten Mietspiegel grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf bestimmte "Baujahresklassen" - so das LSG - bzw "Baualtersklassen" (im Mietrecht werden die Begriffe synonym verwandt) - so der Senat im Urteil vom 19.10.2010 zum Berliner Mietspiegel - ohne weitere Begründung grundsätzlich nicht zulässig (vgl bereits BSG vom 19.2.2009, aaO, RdNr 25; zuletzt: BSG vom 19.10.2010, aaO, RdNr 28 auch zum Folgenden). Denn aus einem Mietspiegel allein lässt sich nicht ohne Weiteres ersehen, inwieweit Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, der den Rückschluss zulässt, im Vergleichsraum sei eine angemessene Wohnung tatsächlich anmietbar. Dies ist nur möglich, wenn aufgrund statistisch valider Unterlagen eine Aussage darüber möglich ist, dass die in Bezug genommene Baualtersklasse in gewissem Umfang tatsächlich im Vergleichsraum vorhanden ist. Dies muss bei einem derart ausdifferenzierten Mietspiegel wie dem Berliner nicht der Fall sein.

25

Dem hat das LSG vorliegend nicht Rechnung getragen, als es zur Bestimmung der angemessenen Kaltmiete pro Quadratmeter von der Baualtersklasse mit dem niedrigsten Spannenoberwert für eine Wohnfläche von 40 qm bis unter 60 qm ausging und deren Spannenoberwert von 4,71 Euro zugrunde legte. Gründe, warum es, abgesehen von der Überlegung die Baualtersklasse mit dem niedrigsten Spannenoberwert zu nehmen, gerade von dieser Baualtersklasse ausgegangen ist, hat das LSG nicht angeführt.

26

Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG zunächst zu prüfen haben, ob die von ihm zugrunde gelegte Baualtersklasse von 1965 bis 1972 mit einem einfachen Ausstattungsstandard und einer Wohnfläche von 40 qm bis unter 60 qm statistisch nachvollziehbar über den örtlichen Vergleichsraum hinweg so häufig vorhanden ist, dass allein auf diese Baualtersklasse zurückgegriffen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Durchschnittswert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen dieser Größe und dieses Ausstattungsstandards in den jeweiligen Baualtersklassen zu bilden (vgl dazu BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 32 mit weiterer Begründung).

27

Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

28

(4) Neben der Nettokaltmiete sind auch die angemessenen (kalten) Betriebskosten iS des § 556 BGB abstrakt zu bestimmen und als Faktor in die Berechnung der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft mit einzubeziehen. Dazu kann auf Betriebskostenübersichten zurückgegriffen werden, möglichst allerdings auf örtliche wegen der regionalen Unterschiede insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen (vgl nur BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 33 f). Dem wird das Urteil des LSG nicht gerecht, weil es ohne weitergehende Begründung die Werte des Anhangs I zum Berliner Mietspiegel 2007 herangezogen und den oberen Wert einer 4/5-Spanne zur Berechnung der Kaltbetriebskosten zugrunde gelegt hat, was zu einem Betrag von 2,59 Euro pro Monat und Quadratmeter führt (siehe die Tabelle auf Seite 18 des Berliner Mietspiegels 2007).

29

b) Zur Prüfung, ob in dem örtlichen Vergleichsraum eine Wohnung zu dieser abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft auch tatsächlich angemietet werden kann, ist darauf hinzuweisen, dass beim Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels mit entsprechend wissenschaftlich gesicherten Feststellungen zum Wohnungsbestand davon ausgegangen werden kann, dass es eine Wohnung zu dem nach dem Mietspiegel angemessenen Quadratmeterpreis gibt. Diese Tatsachenvermutung kann aber erschüttert werden (vgl Parallelentscheidung vom heutigen 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R).

30

c) Gründe, warum der Kläger über den abgelaufenen Sechs-Monats-Zeitraum des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II hinaus einen höheren Anspruch auf Leistung für die Unterkunft als die nach den obigen Ausführungen abstrakt angemessenen Beträge haben sollte(oben a), wenn eine solche Wohnung auch hätte angemietet werden können (oben b), sind nicht zu erkennen.

31

Soweit die Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft (Nettokaltmiete plus Betriebskosten) die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft übersteigen, sind die Aufwendungen nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

32

Der Ablauf der Sechs-Monats-Frist ergibt sich aus dem Leistungsbezug des Klägers seit 21.4.2005 und dem vorliegenden strittigen Zeitraum ab November 2006. Durch das Schreiben des Beklagten vom 26.4.2006 wurde der Kläger auch darauf hingewiesen, dass seine Kosten der Unterkunft nicht angemessen seien.

33

Gründe, warum dem Kläger eine Kostensenkung durch Umzug, Untervermietung oder auf andere Weise nicht möglich oder nicht zumutbar ist, hat das LSG nicht festgestellt. Es hat vielmehr ausgeführt, das Alter des Klägers und seine lange Wohndauer seien - auch in Kombination - keine Gründe, die gegen einen Umzug sprechen würden. Hinsichtlich des vom Kläger angeführten Gesichtspunkts "soziales Umfeld" ist zu bedenken, dass jeder Umzug in gewissem Maße mit einer Veränderung des sozialen Umfelds einhergeht und dies eine normale Folge ist, die sich aus der gesetzlichen Regelung ergibt (vgl schon BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 32 ff; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 33 ff).

34

Einem Umzug entgegenstehende Gründe, wie eine Behinderung oder die Ausübung des Umgangsrechts mit einem Kind (vgl § 22b Abs 3 Satz 2 SGB II idF des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes, BGBl I 2011, 453; ähnlich schon BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 33 ff; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 33), hat das LSG beim Kläger nicht festgestellt, der Kläger hat insofern keine Aufklärungsrügen erhoben.

35

Das Gleiche gilt für die wissenschaftlichen Forschungen des Klägers und sein Archiv sowie dem in der Revisionsbegründung angeführten Art 5 Abs 3 GG. Das BSG hat bereits entschieden, dass § 22 SGB II keine Rechtsgrundlage zur Übernahme von Kosten für beruflich genutzte Räume ist(BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R - SozR 4-4200 § 16 Nr 1 RdNr 15). Zudem ist nicht zu erkennen, wieso die Wissenschaftsfreiheit des Klägers durch die Höhe der Leistungen für seine Unterkunft beeinträchtigt werden soll, zumal er insofern nichts Konkretes vorgetragen hat und als erwachsener Hilfebedürftiger dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen muss (vgl nur § 9 Abs 1 Nr 1, § 10 SGB II). Ebenso fehlt es an Feststellungen des LSG zum Fehlen anderweitiger Unterbringungsmöglichkeiten für das Archiv und seitens des Klägers wurden insofern keine Rügen erhoben. Auch aus den weiteren vom Kläger in der Revisionsbegründung angeführten Art 1 Abs 1, Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1 GG kann nichts hergeleitet werden, zumal es an näheren Ausführungen seitens des Klägers mangelt und es ein gewichtiger Unterschied ist, ob jemand zur Miete wohnt oder in einer in seinem Eigentum stehenden Wohnung.

36

2. Auch der vom LSG ermittelte Betrag für die Leistung für die Heizung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

37

Als Leistung für die Heizung hat das LSG einen Betrag von (1,15 Euro/qm x 50 qm =) 57,50 Euro pro Monat als angemessen angesehen. Den Ausgangswert von 1,15 Euro pro Quadratmeter hat es dem Anhang I des Berliner Mietspiegels entnommen. Zu den vom Kläger an den Vermieter bzw Versorger tatsächlich gezahlten Leistungen bzw Vorauszahlungen hat das LSG keine Feststellung getroffen.

38

Dem kann nicht gefolgt werden. Die Prüfung der Angemessenheit der Leistung für die Heizung hat nicht nur getrennt von der Leistung für die Unterkunft zu erfolgen, sondern nach eigenen Regeln. Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung ist - mangels für den Einzelfall aussagekräftiger anderer Werte - solange zu bejahen, wie diese Aufwendungen unter dem Grenzbetrag eines bundesweiten oder kommunalen Heizspiegels liegen (vgl BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 25; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 23 ff). Daher müssen zunächst die Aufwendungen des Klägers für die Heizung ermittelt werden und diese dann anhand eines kommunal oder bundesweiten Heizspiegels überprüft werden.

39

Erfolgt die Warmwasserbereitung über die Heizung ist der Anteil, der für die Warmwasserbereitung im Rahmen der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist, von den Aufwendungen für die Heizung abzuziehen (vgl nur BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5). Wird aber ein Heizspiegel oder wie vorliegend der Anhang I zum Mietspiegel zugrunde gelegt, der zwischen Leistungen für die Heizung mit und ohne Warmwasserbereitung differenziert, so kann nicht der Durchschnittsbetrag der Leistung für Heizung ohne Warmwasser berücksichtigt werden (hier 1,15 Euro pro Quadratmeter) und anschließend noch die Pauschale für die Warmwasserbereitung abgezogen werden.

40

Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerinnen wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. März 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen begehren von dem Beklagten die Gewährung höherer Kosten für Unterkunft (KdU) und Heizung für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 31.3.2008.

2

Die 1965 geborene, alleinerziehende Klägerin zu 1 und ihre am 2005 geborene Tochter, die Klägerin zu 2, beziehen von dem beklagten Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende seit dem 1.1.2005 (die Klägerin zu 2 seit ihrer Geburt) durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bewohnen eine 91 qm große Zweizimmerwohnung in Berlin-Friedrichshain. Für diese Wohnung zahlte die Klägerin zu 1 im streitigen Zeitraum eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 620 Euro.

3

Der Beklagte gewährte den Klägerinnen bis einschließlich März 2007 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 620 Euro. Mit Schreiben vom 8.6.2006 und ergänzend mit Bescheid vom 30.6.2006 teilte er den Klägerinnen mit, die KdU seien nicht angemessen. Für Zweipersonenhaushalte gelte insoweit ein Richtwert für die Bruttowarmmiete von 444 Euro. Mit Schreiben vom 21.6.2006 und vom 2.3.2007 legte die Klägerin zu 1 dar, sie sei seit März 2006 wieder arbeitsuchend und wolle im März 2007 wieder voll in den Beruf einsteigen. In ihrer Wohnumgebung habe sie ein Netzwerk an Bezugs- und Betreuungspersonen für ihre Tochter aufgebaut, das ihr ermögliche, ihre bisherige berufliche Tätigkeit wieder aufzunehmen. Von einer Absenkung der Mietkosten müsse daher abgesehen werden, da eine Kombination zweier atypischer Fälle vorliege.

4

Für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 30.9.2007 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 7.3.2007 monatliche Leistungen in Höhe von 855 Euro und legte dabei KdU in Höhe von 444 Euro zugrunde. Widerspruch und Klage gerichtet auf die Übernahme der KdU in Höhe von 620 Euro blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12.7.2007; Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3.4.2008).

5

Für die Zeit vom 1.10.2007 bis zum 31.3.2008 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 12.9.2007 monatliche Leistungen in Höhe von 859 Euro und legte dabei weiterhin Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 444 Euro zugrunde. Widerspruch und Klage hiergegen blieben ebenfalls ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 29.11.2007; Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 23.4.2008).

6

Das gegen beide Entscheidungen angerufene Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat die Berufungen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 31.3.2009 zurückgewiesen. Für die Klägerin zu 1, die im streitigen Zeitraum Berechtigte im Sinne des § 7 Abs 1 SGB II(in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004, BGBl I 2014) gewesen sei und ihre Tochter, die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebe und deshalb nach § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II Leistungsberechtigte sei, ergäben sich Ansprüche auf weitergehende KdU als von dem Beklagten bewilligt nach Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten nach der sog Produkttheorie nicht.

7

Hinsichtlich der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße sei die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zugrunde zu legen. Nach Maßgabe der in Berlin geltenden Regelungen sei eine Wohnungsgröße von bis zu 60 qm für die Klägerinnen angemessen. Für die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließe, die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Hierfür seien die sich aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) ergebenden durchschnittlichen Mittelwerte für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten zugrunde zu legen. Für eine Wohnfläche von sechzig und mehr Quadratmetern in einfacher Lage ergebe sich eine Nettokaltmiete von gerundet 4,55 Euro pro qm (Summe aus sämtlichen Mittelwerten geteilt durch 11), und also eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von insgesamt 273 Euro. Zu der Nettokaltmiete seien die angemessenen kalten Betriebskosten, die regelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten seien, unter Zugrundelegung der vom Deutschen Mieterbund (DMB) mit dem "Betriebskostenspiegel 2007" veröffentlichten Angaben (www.mieterbund.de) zu bestimmen, die sich auf 1,75 Euro pro qm (einschließlich Steuern und Abgaben) monatlich beliefen. Zuzüglich einer angemessenen Bruttokaltmiete von insgesamt 378 Euro seien Heizkosten in Höhe von 0,85 Euro pro qm (ebenfalls unter Rückgriff auf den Betriebskostenspiegel 2007) als angemessen anzusehen, sodass sich bei einer Wohnungsgröße von 60 qm eine angemessene monatliche Bruttowarmmiete in Höhe von insgesamt 429 Euro (378 Euro + 51 Euro) ergebe.

8

Es sei davon auszugehen, dass eine konkrete Unterkunftsalternative zu dem von dem Beklagten zugrunde gelegten Mietzins tatsächlich anmietbar sei. Die von den Klägerinnen vorgetragenen Gründe seien nicht geeignet, im Einzelfall einen höheren Mietzins als angemessen anzusehen. Die Betreuungssituation der Klägerin zu 2 könne auch bei Umzug in eine preisgünstigere Wohnung im Grundsatz aufrechterhalten werden. Solche Wohnungen seien nach den Recherchen des Senats im Internet im selben Bezirk wenige Straßen weiter und auch im nahegelegenen Berlin-Neukölln verfügbar. Die vorgetragene mindestens halbstündige Betreuung durch weitere Hausbewohner verbessere die Betreuungssituation nicht so maßgeblich, dass hierauf Rücksicht genommen werden müsse. Es sei auch nicht dargetan, weshalb die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Klägerin zu 1 nur in der jetzt bewohnten Wohnung stattfinden könne. Versuche der Klägerinnen, eine preisgünstigere Wohnung anzumieten (etwa über eine Wohnungsbaugenossenschaft), seien schließlich nicht erkennbar geworden; es sei aber nicht Aufgabe des Beklagten oder des LSG, den Klägerinnen entsprechende Wohnmöglichkeiten nachzuweisen.

9

Hiergegen richten sich die Klägerinnen mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie rügen eine Verletzung des § 22 Abs 1 SGB II. Das LSG habe den räumlichen Vergleichsraum unzutreffend bestimmt. Maßgeblich sei der bewohnte Bezirk (hier Friedrichshain-Kreuzberg), denn die Bezirke unterschieden sich in ihren Lebensverhältnissen und dabei insbesondere im Mietniveau erheblich. Der Mietspiegel sei damit kein geeigneter Ausgangspunkt für die Bestimmung der Referenzmiete, denn es werde nicht ersichtlich, welche Miethöhe für einfache Wohnungen im Bezirk anzusetzen seien. Für den maßgeblichen Vergleichsraum Friedrichshain-Kreuzberg ergebe sich für einfache Wohnlagen eine durchschnittliche Nettokaltmiete in Höhe von 5,90 Euro bzw 6,20 Euro pro Quadratmeter, wie sich aus Quellen eines weltweit tätigen Finanz-, Dienstleistungs- und Beratungsunternehmens im Immobilienbereich ergebe. Zuzüglich der vom LSG zugrunde gelegten kalten und warmen Betriebskosten ergebe sich ein Bruttowarm-Quadratmeterpreis von 8,50 Euro bzw 8,80 Euro und damit eine angemessene Vergleichsmiete von 510 Euro monatlich für das Jahr 2007 und 528 Euro monatlich für das Jahr 2008.

10

Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. März 2009, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. April 2008 und den Bescheid des Beklagten vom 7. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2007 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2008 und den Bescheid des Beklagten vom 12. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägerinnen für den Zeitraum 1. April 2007 bis 31. Dezember 2007 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 510 Euro monatlich sowie für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. März 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 528 Euro monatlich zu bewilligen.

11

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Er ist der Revision entgegengetreten und hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Klägerinnen ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob sie höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen können, als sie der Beklagte bewilligt hat.

14

1. Streitgegenstand sind allein Ansprüche der Klägerinnen auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von April 2007 bis März 2008. Die Klägerinnen haben den Streitstoff in der Sache schon mit Klageerhebung auf die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18). Nach zulässiger Verbindung der beiden Verfahren durch das Berufungsgericht (vgl § 113 Abs 1 SGG)ist vorliegend der Zeitraum vom 1.4.2007 bis zum 31.3.2008 zu überprüfen. Dabei sind Gegenstand des Verfahrens der Bescheid des Beklagten vom 7.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2007 sowie der Bescheid vom 12.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2007.

15

2. Die Klägerin zu 1 gehört nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil sie das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Sie lebt mit ihrer minderjährigen, nicht erwerbsfähigen Tochter, der Klägerin zu 2, in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 SGB II), sodass der Klägerin zu 2 Ansprüche auf Sozialgeld (§ 7 Abs 2 iVm § 28 SGB II) zustehen. Neben der Regelleistung (ggf unter Einschluss eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung) haben die Klägerinnen damit Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung.

16

3. KdU werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Welche Aufwendungen für die Unterkunft vorliegend tatsächlich angefallen sind, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht abschließend entnehmen, denn das LSG hat die Gesamtaufwendungen für Unterkunft nicht von denen der Heizung getrennt ausgewiesen. Das LSG wird dies nach Zurückverweisung des Rechtsstreits im Einzelnen nachzuholen und die Prüfung der Unterkunftskosten getrennt von den Kosten der Heizung durchzuführen haben (vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23).

17

4. Die Angemessenheit von KdU ist unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder die Beklagte noch das LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.

18

a) Zutreffend hat das LSG eine Wohnungsgröße von 60 qm als angemessen für einen Zweipersonenhaushalt zugrunde gelegt. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) vom 13.9.2001 (BGBI I 2376) iVm § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (nF) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG(als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm und an Zwei-Personen-Haushalte Wohnraum von bis zu 60 qm überlassen werden (vgl bereits BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 22 mwN).

19

b) Zutreffend hat das LSG ferner bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen (vgl BSG aaO RdNr 24). Auch ein Arbeitnehmer mit vergleichbar geringem Einkommen wird eine Ersatzwohnung innerhalb des gesamten Stadtgebiets für den Fall suchen, dass er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln eine innegehabte Wohnung nicht (mehr) finanzieren kann. Den besonderen Belangen und der konkreten Situation des jeweiligen Hilfebedürftigen (zB von Alleinerziehenden oder von Familien mit minderjährigen schulpflichtigen Kindern) ist nicht bereits bei der (abstrakt-generell vorzunehmenden) Festlegung der Vergleichsräume, sondern erst im Rahmen der Zumutbarkeitsregelung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II Rechnung zu tragen( vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 23, dazu unter 6.).

20

c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zugrunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln ( vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - FEVS 60, 145 ).

21

aa) Wie der Senat bereits dargelegt hat und wovon auch das LSG ausgegangen ist, sind die Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen), zur Entscheidung über die Angemessenheit von Unterkunftskosten ungeeignet (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 26).

22

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) bestimmt. Qualifizierte Mietspiegel iS des § 558d Bürgerlichen Gesetzbuches ( wie der Berliner Mietspiegel) können Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs 1 SGB II sein(vgl im Einzelnen für den Berliner Mietspiegel BSG aaO RdNr 27 mwN). Wenn der Träger der Grundsicherung - wie in Berlin - keine Daten und/oder Auswertungen vorlegt, muss das Gericht auf solche bereits vorhandene Datengrundlagen (soweit sie geeignet erscheinen) bei der Bestimmung eines angemessenen Referenzwertes zurückgreifen, bevor es seine Amtsermittlungspflicht auf die Feststellung der "Obergrenze" nach den Tabellenwerten des § 8 Wohngeldgesetz aF (jetzt § 12; ggf erhöht um einen Zuschlag) reduziert (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 23).

23

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Baualtersklassen grundsätzlich nicht zulässig (vgl bereits BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Dies gilt - wie der Senat ebenfalls bereits dargelegt hat (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 29) - allerdings nicht für die im Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 noch gesondert abgebildeten Baualtersklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad), unabhängig davon, mit welcher Häufigkeit solche Wohnungen noch verfügbar sind. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden.

24

cc) Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Baualtersklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokaltvergleichsmiete, wie ihn das LSG vorgenommen hat, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht.

25

Zum einen ist nicht nachvollziehbar, weshalb das LSG den aus seiner Sicht relevanten Mittelwert aus den Werten der Wohnungen mit einer Wohnungsgröße 60 qm und größer gebildet hat, wenn es selbst (zutreffend) davon ausgeht, dass 60 qm die Obergrenze für das in Bezug zu nehmende Segment darstellen. Eine Differenzierung nach Wohnungsgrößen ist bei Rückgriff auf einen qualifizierten Mietspiegel deshalb geboten, weil nach den Besonderheiten des jeweils maßgebenden örtlichen Wohnungsmarktes, insbesondere aus Gründen der Bevölkerungs- und Sozialstruktur und wegen städtebaulicher Entwicklungen sowohl das Angebot als auch die Nachfrage hinsichtlich kleinerer und größerer Wohnungen erheblich differieren können. Insbesondere kleinere Wohnungen weisen oftmals einen höheren Quadratmeterpreis auf (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 18). Es sind dann aber Rückschlüsse aus den Werten des Mietspiegels zu ziehen, die die Wohnungsgrößen abbilden, in denen ggf eine Ersatzwohnung in erster Linie zu suchen ist. Das ist im vorliegenden Falle das Marktsegment der Wohnungen von 40 bis unter 60 qm. Die Wohnungen, die exakt 60 qm groß sind, werden davon statistisch zwar nicht erfasst. Diese Ungenauigkeit ist aber hinzunehmen, wenn diese Wohnungen für eine abstrakt angemessene Vergleichswohnung die Obergrenze bilden und sämtliche übrigen Wohnungen bis unter 90 qm wegen ihrer Größe nicht das maßgebliche Marktsegment darstellen.

26

Die Bildung eines arithmetischen Mittelwertes bietet zum anderen bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment abbildet (im Einzelnen bereits BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 30). Weil die Werte der einzelnen Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird.

27

Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen (zur grundsätzlichen Eignung der Grundlagendaten für diese Prüfung bereits BSG aaO RdNr 31). Für solche notwendig erscheinenden Auswertungen ist in erster Linie der kommunale Träger im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin mit der AV-Wohnen der Fall ist.

28

Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Baualtersklassen zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.

29

d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 Abs 1 und 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufstellung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen( vom 25.11.2003, BGBl I 2346 ) - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte (vgl im Einzelnen BSG aaO RdNr 33 f). Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe sind bislang nicht ersichtlich.

30

5. Das LSG wird abschließend die Heizkosten getrennt von den Unterkunftskosten zu bestimmen haben (dazu nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23). Anhaltspunkte dafür, dass die tatsächlich gezahlten Kosten sich danach als unangemessen erweisen, ergeben sich bislang nicht.

31

6. Sollten sich die Aufwendungen der Klägerinnen für Unterkunft und Heizung als unangemessen erweisen, könnten ihnen höhere Leistungen allenfalls nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zustehen. Soweit danach die Aufwendungen für die Unterkunft den die Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder in sonstiger Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Bislang ist allerdings nicht erkennbar, dass das LSG diese Prüfung auf Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung rechtsfehlerhaft vorgenommen hat. Alleinerziehung (insbesondere von schulpflichtigen Kindern) kann zwar zu einer eingeschränkten Zumutbarkeit eines Wohnungswechsels führen (vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 35), wovon auch das LSG ausgegangen ist. Die tatrichterliche Würdigung, dass ein Wechsel der unmittelbaren Betreuungspersonen (insbesondere der Tagesmutter) bei einem Umzug in eine günstigere (und dabei in erster Linie kleinere) Wohnung in der Umgebung nicht notwendig gewesen wäre, ist von den Klägerinnen im Revisionsverfahren nicht mehr angegriffen worden. Sie haben bislang nichts vorgetragen, was gegen die Annahme des LSG sprechen könnte, dass ein Umzug in entferntere Ortsteile nicht erforderlich ist, um eine kostenangemessene Wohnung anzumieten. Ein Umzug über nahegelegene Bezirksgrenzen hinweg ist für sich genommen jedenfalls kein Grund für dessen Unzumutbarkeit; auch das nähere soziale Umfeld geht damit nicht notwendigerweise verloren.

32

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 2009 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sächsische Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten sind höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Unterkunft und die Heizung vom 1.7.2005 bis 31.3.2006.

2

Der im Jahr 1966 geborene Kläger ist alleinstehend und erwerbsfähig, im streitgegenständlichen Zeitraum hatte er kein Einkommen. Seit dem 1.6.1999 bewohnt er eine 58,01 qm große Mietwohnung, für die er im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich zahlen musste: Nettokaltmiete 279,67 Euro, kalte Betriebskosten 52,41 Euro und Heizkosten 71,19 Euro (insgesamt 403,27 Euro). Ab Juli 2005 bewilligte der Rechtsvorgänger des beklagten Landkreises (im Folgenden auch: Beklagter) dem Kläger Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von 705,83 Euro monatlich, davon für die Unterkunft und Heizung 374,83 Euro (Bescheid vom 7.6.2005). Er wies den Kläger darauf hin, dass dessen Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien, er sich deswegen mit seinem Fallmanager in Verbindung setzen solle und die übernommenen Heizkosten ausreichend sein müssten, sodass eine mögliche Nachzahlung nicht übernommen werden würde. Zur Begründung seines Widerspruchs führte der Kläger aus, ihm sei nicht erklärt worden, wie sich der Betrag von 42,75 Euro für die Heizkosten zusammensetze und er erwarte eine Aufstellung, aus der er nachvollziehen könne, welche Kosten übernommen würden und welche nicht. Für die Zeit vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 bewilligte der Beklagte monatlich 603,75 Euro Alg II und legte eine Grundmiete von 230 Euro einschließlich kalter Betriebskosten sowie 42,75 Euro für Heizkosten zu Grunde (Bescheid vom 11.10.2005). Die Widersprüche des Klägers wurden unter Hinweis auf die "Richtlinie des Landkreises zu den angemessenen Kosten für Unterkunft nach den Sozialgesetzbüchern II und XII" vom 16.12.2004 (im Folgenden: Unterkunftskosten-Richtlinie) zurückgewiesen (Widerspruchsbescheide vom 19.12.2005).

3

Das vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) hat den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger vom 1.7.2005 bis zum 31.3.2006 monatliche Leistungen in Höhe von 734 Euro zu zahlen. Eine nachvollziehbare Kostensenkungsaufforderung sei nicht nachweisbar, sodass die Kosten der Unterkunft und Heizung in voller Höhe zu übernehmen seien, zumal für den Abzug einer Warmwasserpauschale keine Rechtsgrundlage bestehe (Urteil vom 26.11.2007). Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG geändert und den Beklagten verurteilt an den Kläger monatlich vom 1.7. bis zum 30.9.2005: 728,05 Euro, vom 1.10. bis zum 31.12.2005: 605,21 Euro und vom 1.1. bis zum 31.3.2006: 605,65 Euro zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.1.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach den aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) anzuwendenden Maßstäben sei die Wohnung des Klägers mit 58,01 qm und einer Nettokaltmiete von 279,67 Euro monatlich für ihn als Alleinstehenden unangemessen. Nach den landesrechtlich festgesetzten Wohnungsgrößen aufgrund der zwar außer Kraft getretenen, aber nach wie vor anzuwendenden Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zum Sächsischen Belegungsgesetz vom 22.4.1996 (SächsABl S 478 - VwV-SächsBelG) gelte als Höchstgrenze für Alleinstehende eine Wohnfläche von 45 qm. Auf die seit dem 1.7.2005 geltende Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Modernisierung und Instandsetzung von Mietwohnungen als Ersatzwohnraum im Rahmen des Stadtumbaus vom 27.6.2005 (SächsABl S 682 - VwV-Ersatzwohnraumförderung) könne nicht zurückgegriffen werden, da deren Ziel die Beschleunigung des Freizugs von Abrissobjekten sei. Vor diesem Hintergrund sei die Unterkunftskosten-Richtlinie nicht zu beanstanden, nach der für Alleinstehende bei einer Wohnungsgröße von 45 qm in allen Gemeinden mit der Mietstufe II und einer Bezugsfertigkeit ab 1.1.1996 eine Miete von 230 Euro monatlich zu Grunde gelegt werde.

4

Besondere Umstände, die höhere Kosten der Unterkunft begründen würden, seien weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Dem Kläger sei ein Umzug in eine Wohnung mit angemessenen Kosten der Unterkunft in seinem Wohnort möglich und auch die Unangemessenheit seiner Kosten der Unterkunft bekannt gewesen. Eine vorherige Kostensenkungsaufforderung sei keine zwingende Voraussetzung für die Entscheidung der Behörde, nur die angemessenen Kosten der Unterkunft zu übernehmen. Der Beklagte habe auch die Kosten der Heizung auf das angemessene Maß senken dürfen.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er macht ua geltend: Nach Seite 14 des Urteils gehe das LSG von einer Nettokaltmiete von 230 Euro als angemessen aus, dies entspreche auch seiner Auffassung, während es auf Seite 19 seines Urteils eine Bruttokaltmiete von 230 Euro für angemessen erachte, dies entspreche der Auffassung des Beklagten. Es sei fraglich, ob die Unterkunftskosten-Richtlinie eine geeignete Grundlage zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft sei, da die Zahlen weit vor dem Jahr 2004 gewonnen worden seien. Angesichts des Anstiegs der Nebenkosten hätte eine jährliche Aktualisierung erfolgen müssen. Er sei von dem Beklagten nicht ordnungsgemäß darüber unterrichtet worden, dass die Kosten der Unterkunft unangemessen seien.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 2009 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 26. November 2007 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Hinsichtlich der Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße sei nicht dem Urteil des BSG vom 22.9.2009 (B 4 AS 70/08 R) zu folgen. Als örtlicher Vergleichsmaßstab sei auf den Wohnort des Klägers abgestellt worden. Da kein einfacher oder qualifizierter Mietspiegel vorhanden sei, seien Auskünfte eingeholt worden.

Entscheidungsgründe

9

Auf die Revision des Klägers ist das Urteil des LSG vom 15.1.2009 aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das LSG zurückzuverweisen.

10

Streitgegenstand des Verfahrens sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.7.2005 bis zum 31.3.2006, soweit das LSG auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG geändert hat, und die diese Ansprüche regelnden Bescheide des Beklagten vom 7.6.2005 und 11.10.2005 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 19.12.2005. An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II im Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern am 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert.

11

Der Kläger lebt nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 Sozialgerichtsgesetz) allein in einer Wohnung und gehört dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, der insofern vom 1.7.2005 bis heute nicht geändert wurde).

12

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, der insofern ebenfalls zwischenzeitlich nicht geändert wurde). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (stRspr, vgl nur BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 12 mwN). Zwischen der Leistung für die Unterkunft und der Leistung für die Heizung ist zu unterscheiden, wie schon dem Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals "Leistungen" sowie der Rechtsprechung des Senats zu entnehmen ist (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 18).

13

Zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft, auf die der dem Grunde nach Leistungsberechtigte Anspruch hat, ist in mehreren Schritten vorzugehen. Zunächst ist die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren festzustellen und als Grundlage für alle weiteren Berechnungen zuerst die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen (vgl unter Anderem BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen RdNr 20 ff; zuletzt BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen).

14

Schon hinsichtlich der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße von 45 qm für Alleinlebende im Freistaat Sachsen - wie dem Kläger - kann dem LSG jedoch nicht gefolgt werden.

15

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19; zuletzt BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen sowohl § 27 Abs 4 als auch § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376: "Wohnungsförderungsgesetz" im Folgenden: WoFG) wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen" des jeweiligen Landes.

16

Nach den Feststellungen des LSG gibt es in Sachsen keine derartigen Bestimmungen nach dem WoFG. Soweit das LSG aufgrund dessen meint, die außer Kraft getretene VwV-SächsBelG weiterhin anwenden zu können, kann dem nicht gefolgt werden. Speziell zur Situation im Freistaat Sachsen hat der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 22.9.2009 (B 4 AS 70/08 R - RdNr 14 f) ausgeführt: Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität sei auf die auf der Grundlage des § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Werte zurückzugreifen, bis der Verordnungsgeber eine nach § 27 SGB II mögliche Verordnung erlassen habe. Dementsprechend verbiete es sich aber, die aktuell in Sachsen festgesetzten Werte nach der VwV-Ersatzwohnraumförderung nicht zu Grunde zu legen, sondern stattdessen auf die VwV-SächsBelG abzustellen, die im Zeitraum vor dem Inkrafttreten des SGB II zur Anwendung gekommen war. Insoweit sei auch das vom LSG für seine Auffassung angeführte Argument nicht hilfreich, aus den speziellen Zielsetzungen der VwV-Ersatzwohnraumförderung ergebe sich, dass die dort zu Grunde gelegten Wohnflächenhöchstgrenzen nicht maßstäblich für die Ermittlung üblicher Wohnflächen im unteren Segment seien können. Denn der Umstand, dass sich die aktuellen Verwaltungsvorschriften möglicherweise nicht hinreichend daran orientierten, was eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt sei, werde in Folge des Rückgriffs auf die Werte nach § 10 WoFG ohnehin bewusst in Kauf genommen. Insoweit komme dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine überragende Bedeutung zu. Eine Heranziehung anderweitiger Verwaltungsregelungen zur Bestimmung der Wohnflächen erscheine nur dann vertretbar, wenn aktuelle Verwaltungsvorschriften zu § 10 WoFG nicht existierten.

17

Der Beklagte ist dem entgegengetreten: Es sei vom BSG schon nicht begründet worden, warum zur Bestimmung der in § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II geforderten Angemessenheit hinsichtlich der Wohnungsgröße gerade auf § 10 WoFG zurückgegriffen werde. Es stehe nicht fest, ob der mit der Angemessenheitsprüfung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II verfolgte Zweck mit den Zwecken des WoFG nebst Ausführungsbestimmungen der Länder übereinstimme. Auf die vom 4. Senat des BSG herangezogene VwV-Ersatzwohnraumförderung könne, wie das LSG zu Recht ausgeführt habe, nicht zurückgegriffen werden, da deren Ziel die Beschleunigung des Freizugs von Abrissobjekten sei.

18

Diese Begründung für die VwV-Ersatzwohnraumförderung zeigt jedoch, dass diese in Übereinstimmung mit dem 4. Senat gerade der Angemessenheitsprüfung nach dem bundesrechtlichen § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zu Grunde gelegt werden muss und nicht die ältere VwV-SächsBelG. Denn die abstrakte Angemessenheit der Leistung für die Unterkunft kann nicht ohne Berücksichtigung des verfügbaren Wohnraums erfolgen (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - RdNr 27 f; BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - ). Wenn die VwV-Ersatzwohnraumförderung nach ihren vom LSG festgestellten weiteren Zwecken der Beschleunigung des Freizugs von Abrissobjekten durch das Anbieten adäquater Wohnungen für Mieterhaushalte, die im Zuge des Stadtumbaus ihre bisherige Wohnung aufgeben müssen, dienen soll und die Wohnflächen gegenüber der bisherigen VwV-SächsBelG erhöht werden, so lässt dies nur den Schluss zu, dass es eine entsprechende Anzahl kleinerer Wohnungen für Mieterhaushalte im sozialen Wohnungsbau nicht gibt. Dann stehen solche Wohnungen aber auch für die Bezieher von SGB II-Leistungen nicht zur Verfügung.

19

Dass zur Bestimmung der Angemessenheit nach § 22 Abs 1 SGB II auf die Wohnungsgrößen nach den Vorschriften des sozialen Wohnungsbaus abgestellt wird, folgt aus § 1 Abs 2 WoFG ("Gesetz über die soziale Wohnraumförderung"), der lautet: "Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung sind Haushalte, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind. Unter diesen Voraussetzungen unterstützt die Förderung von Mietwohnraum insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen …" Zu diesen Haushalten mit geringem Einkommen, die Schwierigkeiten haben sich am Markt mit angemessenem Wohnraum zu versorgen, gehören die Haushalte, deren Mitglieder Leistungen nach dem SGB II beziehen, weil sie hinsichtlich ihrer möglichen Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft entsprechend begrenzt sind.

20

Der Rechtsstreit ist an das LSG zurückzuverweisen (vgl § 170 Abs 2 SGG), weil schon die für eine Entscheidung über die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft aufgrund der Wohnungsgröße für Alleinstehende im Freistaat Sachsen notwendigen weiteren Feststellungen, zB zur abstrakt angemessenen Nettokaltmiete, dem Urteil des LSG nicht zu entnehmen sind.

21

Eine Entscheidung über die Leistung für die Heizung ist ebenfalls nicht möglich, weil diese zwar getrennt von der Leistung für die Unterkunft nach eigenen Regeln zu ermitteln ist, aber keinen eigenen von der Leistung für die Unterkunft zulässigerweise abtrennbaren Streitgegenstand beinhaltet (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23).

22

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 18. Februar 2009 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten Jobcenter Leistungen für die Unterkunft und Heizung ausgehend von der von ihm tatsächlich gezahlten Bruttokaltmiete nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

2

Der Kläger bewohnt seit dem Jahr 2001 eine 48 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung in Bremen-W, für die er eine Bruttokaltmiete von 378,24 Euro zu zahlen hat. Bis zum 31.12.2004 bezog er Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), als Kosten der Unterkunft waren 245 Euro anerkannt, nachdem eine ihm eingeräumte insgesamt achtmonatige Frist zur Beschaffung einer sozialhilferechtlich angemessenen Wohnung abgelaufen war. Die Rechtsvorgängerin des jetzigen Beklagten (im Folgenden: "Beklagter") bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.6.2005 Leistungen nach dem SGB II, darunter 245 Euro für die Unterkunft und 31 Euro für die Heizung monatlich (Bescheid vom 28.11.2004, Widerspruchsbescheid vom 2.5.2005).

3

Das Verwaltungsgericht (VG) Bremen - Kammer für Sozialgerichtssachen - hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 28.7.2006). Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Beklagte am 22.11.2006 dem Kläger für die umstrittene Zeit Leistungen für die Unterkunft in Höhe von 265 Euro monatlich bewilligt. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) der Freien Hansestadt Bremen - Senat für Sozialgerichtssachen - hat unter Änderung der angefochtenen Bescheide den Beklagten verurteilt, dem Kläger vom 1.1. bis zum 30.6.2005 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 291,50 Euro zu bewilligen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 18.2.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Streitgegenstand sei nur die Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, bei deren Prüfung in mehreren Schritten vorzugehen sei(Hinweis auf BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2; BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3).

4

Die angemessene Wohnungsgröße für Ein-Personen-Haushalte reiche in der Stadt Bremen bis 48 qm nach der Neufassung der Richtlinien zur Durchführung der vertraglich vereinbarten Förderung der Modernisierung von Mietwohnungen in der Freien Hansestadt Bremen vom 10.5.2004 (Amtsblatt der Freien Hansestadt Bremen 417). Der Wohnungsstandard müsse nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen. Der räumliche Vergleichsmaßstab sei so zu wählen, dass der Leistungsberechtigte in seinem sozialen Umfeld verbleiben könne. Bei einer Großstadt wie Bremen mit rund 548 000 Einwohnern sei eine Differenzierung geboten. Angemessen als räumlicher Vergleichsmaßstab sei vorliegend der Stadtbezirk Bremen-West, in dem der Stadtteil W liege, in dem der Kläger wohne. In Bremen-West wohnten ca 88 600 Einwohner, er umfasse 15 Ortsteile, in denen ein Umzug zumutbar sei und er sei im Hinblick auf Wohnbebauung und Mietniveau ähnlich strukturiert. Die Ortsteile seien durch öffentliche Verkehrsmittel gut miteinander verbunden.

5

Für die Stadt Bremen liege weder ein einfacher noch ein qualifizierter Mietspiegel vor. Der Beklagte habe auch kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung des Mietniveaus für eine sozialrechtlich angemessene Wohnung für Ein-Personen-Haushalte im Stadtbezirk Bremen-West erstellt. Das vom Beklagten vorgelegte Ergebnis einer Recherche aufgrund von Wohnungsanzeigen genüge den Anforderungen für ein schlüssiges Konzept nicht. Dem "GEWOS-Gutachten", in dem eine umfassende Erhebung des Mietwohnungsbestandes in Bremen erfolgt sei, könne der zu ermittelnde abstrakt angemessene Mietzins für den Stadtbezirk Bremen-West nicht entnommen werden, denn die Angaben zum Mietniveau bezögen sich auf die ganze Stadt. Daher seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ( Hinweis auf die Urteile vom 7.11.2006, aaO) zur Bestimmung des abstrakt angemessenen Mietzinses die Werte der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz(in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954, im Folgenden: WoGG aF) zugrunde zu legen. Diese Werte seien durch die in den GEWOS-Gutachten über die Mietsituation in Bremen enthaltenen Erkenntnisse zu modifizieren. Der Beklagte habe vorliegend bei der Bemessung der Leistung für die Unterkunft § 8 WoGG aF und die Mietstufe IV angewandt, aber nicht die äußere rechte Spalte (Bezugsfertigkeit ab 1.1.1992), sondern die zweite von rechts (Bezugsfertigkeit vom 1.1.1966 bis zum 31.12.1991) und einen Betrag von 265 Euro als angemessen angesehen. Dem könne aufgrund der Untersuchungen des GEWOS-Institutes nicht gefolgt werden, weil ein unausgeglichenes Verhältnis zwischen der Anzahl der nach dem SGB II hilfebedürftigen alleinstehenden Personen und dem Bestand an Wohnraum zu diesem Mietpreis vorgelegen habe. Als angemessener Wohnungsbestand für Alleinstehende mit bis zu 50 qm seien insgesamt 16 100 Einheiten ermittelt worden, von denen 13 100 bis 14 500 von Haushalten nach dem SGB II und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bewohnt wurden und weitere 310 Wohnungen leer standen. Die Anzahl der nicht angemessen wohnenden Alleinstehenden habe 5000 bis 5500 Personen betragen, für die folglich nur 1600 bis 3000 Wohnungen zur Verfügung gestanden hätten. Nach dem GEWOS-Gutachten und den Ausführungen der Sachverständigen S würde sich durch eine Anhebung der Mietobergrenze um 10 vH die Anzahl der angemessenen Wohnungen von 16 100 auf 24 000 erhöhen und ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Nachfrage und angemessenem Wohnungsbestand für Alleinstehende ergeben. Der angemessene Mietzins für den Kläger betrage daher monatlich (265 + 26,50 =) 291,50 Euro. Zwar beziehe sich das GEWOS-Gutachten auf die gesamte Stadt Bremen, der Übertragung auf den Stadtbezirk West stünden aber keine durchgreifenden Hinderungsgründe entgegen.

6

Entgegen der Ansicht des Klägers beinhalte § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954, im Folgenden: SGB II aF) keine Regel, nach der eine Absenkung der Unterkunftskosten erst sechs Monate nach Bezug von Leistungen nach dem SGB II möglich sei. Für den Kläger habe die Möglichkeit eines Umzugs bestanden, wie sich aus dem GEWOS-Gutachten und den Erläuterungen der Sachverständigen ergebe. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, ihm günstigen Wohnraum nachzuweisen. Vielmehr sei es eine Obliegenheit des Klägers gewesen, sich um eine angemessene Unterkunft zu bemühen. Ein Umzug in eine kostengünstigere Wohnung sei dem Kläger auch zuzumuten gewesen. Dagegensprechende Gründe seien weder vorgetragen worden, noch ersichtlich.

7

Mit der - vom BSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend: Nach den Feststellungen des OVG liege für die Stadt Bremen kein einfacher und kein qualifizierter Mietspiegel vor, auch habe der Beklagte kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung des Mietniveaus. Demgemäß sei der Bemessung der Leistung für die Unterkunft des Klägers zumindest der Mietzins nach der rechten Spalte in § 8 WoGG aF in Höhe von 325 Euro zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 %, also 357,50 Euro zugrunde zu legen(Hinweis ua auf BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3). Wäre das OVG seiner Verpflichtung nachgekommen, der Bemessung der Leistung für die Unterkunft ein schlüssiges Konzept zugrunde zu legen und sich ggf von dem Beklagten vorlegen zu lassen, hätte es den Beklagten verpflichten müssen, die tatsächlichen Unterkunftskosten des Klägers zu übernehmen.

8

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 18. Februar 2009 und den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 28. Juli 2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 28. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2005 und den Bescheid vom 22. November 2006 zu ändern
und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen für die Unterkunft und die Heizung in Höhe von 423,24 Euro vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 monatlich zu zahlen.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Auf die Revision des Klägers ist das Urteil des OVG der Freien Hansestadt Bremen aufzuheben, weil der rechtlichen Auffassung des OVG in mehreren Punkten nicht gefolgt werden kann. Der Rechtsstreit ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) zurückzuverweisen, weil eine endgültige Entscheidung seitens des BSG mangels ausreichender Feststellungen nicht möglich ist.

11

Streitgegenstand des Verfahrens ist nach den Anträgen des Klägers in den Vorinstanzen die "Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten" und der diesen Anspruch regelnde Bescheid des Beklagten vom 28.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.5.2005 und der im Laufe des Berufungsverfahrens ergangene Änderungsbescheid vom 22.11.2006. Eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Leistungen für die Unterkunft und Heizung ist zulässig, soweit es sich bei der Verfügung über diese Leistungen um eine abtrennbare Verfügung (Verwaltungsakt iS des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) des Gesamtbescheides handelt. Eine weitere Aufspaltung des Streitgegenstandes in die Leistungen für die Unterkunft und für die Heizung ist rechtlich nicht möglich, weil diese Leistungen eng miteinander verknüpft sind, zB über die Wohnungsgröße (vgl mit weiterer Begründung: BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 18 ff). Hierin hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über frühere Bewilligungsabschnitte nichts geändert.

12

Die aufgezeigten Voraussetzungen für eine Beschränkung des Streitgegenstandes sind vorliegend erfüllt, weil insbesondere der Widerspruchsbescheid eine abtrennbare Verfügung über die Leistung für die Unterkunft und Heizung enthält. Soweit der vor dem VG und dem OVG nicht anwaltlich vertretene Kläger in seinen Sachanträgen "die tatsächlichen Unterkunftskosten" begehrt hat, ist hierin bei sachgerechter Auslegung seiner Anträge (vgl § 123 Sozialgerichtsgesetz) keine Beschränkung des Streitgegenstandes und Ausschluss der Leistung für die Heizung zu sehen, sodass sich für die streitgegenständliche Zeit aufgrund der tatsächlichen Bruttokaltmiete von 378,24 Euro plus des zu zahlenden Vorschusses für die Heizung von 45 Euro ein Betrag von 423,24 Euro ergibt.

13

Ob der Kläger zu dem dem Grunde nach anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II gehört, kann nicht abschließend beurteilt werden, weil das Urteil des OVG zu einigen Grundvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (Alter, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit) keine Feststellungen hinsichtlich des Klägers enthält.

14

Die vorliegend umstrittenen Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, das insofern vom 1.1.2005 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (ständige Rechtsprechung vgl nur BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 12 mwN). Zwischen der Leistung für die Unterkunft und der Leistung für die Heizung ist zu unterscheiden, wie schon im Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals Leistungen sowie der Rechtsprechung des BSG zu entnehmen ist (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 18).

15

Die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistung für die Heizung kann vom Senat nicht beurteilt werden, weil das Urteil des OVG insofern keine weitergehenden Feststellungen enthält, außer der dem Kläger von dem Beklagten bewilligten 31 Euro.

16

Der Kläger könnte gegen den Beklagten einen Anspruch auf eine höhere Leistungen für die Unterkunft (Nettokaltmiete plus kalte Betriebskosten) als die ihm vom OVG zugesprochenen 291,50 Euro monatlich für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.6.2005 haben, weil die Herleitung des Betrags nicht frei von Rechtsfehlern ist.

17

Zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft, auf die der dem Grunde nach Leistungsberechtigte Anspruch hat, ist in mehreren Schritten vorzugehen: Zunächst ist die angemessene Leistung für die Unterkunft unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren abstrakt zu ermitteln (dazu 1.). Dann ist - falls insofern vom Leistungsberechtigten Einwände vorgebracht werden - zu prüfen, ob in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum eine solche abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte angemietet werden können (dazu 2.). Soweit die Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft übersteigen, sind erstere solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 Satz 2 SGB II aF, der durch die Einführung des neuen Satzes 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706, ohne inhaltliche Änderung zu Satz 3 wurde; zu dieser Voraussetzung unter 3.; vgl zu allen Voraussetzungen ua BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19 ff; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 12 ff; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29; zuletzt: BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 20 ff).

18

1. Die Höhe der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft des Klägers kann aufgrund der Feststellungen des OVG nicht beurteilt werden.

19

Die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft ist entsprechend der soeben aufgezeigten Rechtsprechung in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln: a) Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. b) Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen. c) Im nächsten Schritt ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro qm Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraumes zu zahlen ist, um die nach der Produkttheorie angemessene Nettokaltmiete zu ermitteln. d) Zu der so ermittelten Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen.

20

a) Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende in Bremen 48 qm.

21

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (ständige Rechtsprechung seit BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376, "Wohnraumförderungsgesetz", im Folgenden: WoFG) wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen des jeweiligen Landes".

22

Nach den Feststellungen des OVG ist nach der Neufassung der Richtlinien zur Durchführung der vertraglich vereinbarten Förderung der Modernisierung von Mietwohnungen in der Freien Hansestadt Bremen vom 20.5.2004 (Abl 417 ff) für einen Ein-Personen-Haushalt eine Wohnungsgröße bis 48 qm angemessen. An diese Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II aus den genannten Gründen anzuknüpfen.

23

b) Der für den Kläger maßgebliche örtliche Vergleichsraum kann nach den derzeitigen Feststellungen des OVG nicht auf den Stadtbezirk Bremen-West beschränkt werden.

24

Zur Begründung dieses von ihm angenommenen örtlichen Vergleichsraums hat das OVG angeführt, dass bei einer Großstadt wie Bremen mit rund 548 000 Einwohnern eine Differenzierung geboten sei. Das Mietniveau sei in den einzelnen Stadtteilen unterschiedlich hoch, es gebe Stadtteile, in denen 77 % der Mietwohnungen auf geringem Niveau liegen.

25

Nach der Rechtsprechung des BSG ist Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes zunächst der Wohnort des Leistungsberechtigten. Der Vergleichsraum muss einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung umfassen, um ein entsprechendes Wohnungsangebot aufzuweisen und die notwendigen abstrakten Ermittlungen zu ermöglichen. Des Weiteren muss er aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur, insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit, einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Das BSG hat als solche Vergleichsräume die Städte München mit rund 1,36 Mio Einwohnern (BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19) und Berlin mit rund 3,4 Mio Einwohnern angesehen (BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 24). Es hat darauf hingewiesen, dass eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke oder Ortsteile mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum das Risiko einer Gettoisierung birgt.

26

Dem folgend kann aus der Einwohnerzahl der Stadt Bremen kein zwingender Grund für eine weitere Unterteilung der Stadt abgeleitet werden. Dagegen spricht vielmehr die Feststellung des OVG, in bestimmten Stadtteilen würden 77 % der Mietwohnungen auf geringem Niveau liegen, was möglicherweise die Gefahr einer Gettoisierung birgt, und die weiteren Ausführungen des OVG zum maßgeblichen Datenbestand, bei denen oftmals auf die gesamte Stadt Bremen zurückgegriffen wurde. Ob die Stadt Bremen insgesamt die Voraussetzungen eines Vergleichsraumes erfüllt, wird das LSG zu prüfen haben.

27

c) Welche unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards angemessene Nettokaltmiete pro qm Wohnfläche auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraumes für den Kläger zugrunde zu legen ist, kann aufgrund der Feststellungen des OVG nicht bestimmt werden.

28

Unabhängig von der Beantwortung der Frage nach dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum (siehe zuvor) gibt es nach den Feststellungen des OVG für die Stadt Bremen weder einen einfachen noch einen qualifizierten Mietspiegel, und der Beklagte hat auch kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung des Mietniveaus für eine angemessene Wohnung für Ein-Personen-Haushalte aufgestellt. Ob aus dem GEWOS-Gutachten, das eine umfassende Erhebung des Mietwohnungsbestandes für die gesamte Stadt Bremen enthält, entsprechende Zahlen abgeleitet werden können, ggf in Verbindung mit weiteren Ermittlungen (vgl zB die Anhörung der Sachverständigen S und ihre sehr differenzierten Angaben zum Wohnungsbestand für Alleinstehende in Bremen), kann vom Senat mangels weiterer Feststellungen nicht beurteilt werden (vgl auch BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16).

29

Nur wenn es nicht möglich ist, auf diesem Wege eine angemessene Nettokaltmiete zu bestimmen, kann zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft auf die Tabelle zu § 8 WoGG aF zurückgegriffen werden. Dieser Rückgriff auf § 8 WoGG führt jedoch nicht zu einem geeigneten Maßstab zur Bestimmung der angemessenen Leistung für die Unterkunft iS des § 22 SGB II, sondern beinhaltet nur eine Angemessenheitsgrenze nach oben, weswegen auch die rechte Spalte in der Tabelle zugrunde zu legen ist(BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2; BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 15; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 21 f, 27).

30

Gegen ein "Mischverfahren" wie es das OVG angewandt hat, bei dem von Werten aus der Tabelle nach § 8 WoGG aF ausgegangen wird und diese aufgrund bestimmter lokaler Erkenntnisse verändert werden, um ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Nachfrage und angemessenem Wohnungsbestand zu erreichen, spricht schon, dass ihm keine systematische Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete zugrunde liegt. Offen bleibt zB, warum von den Werten der zweiten Spalte von rechts in der Tabelle ausgegangen wird und nicht von denen in der ganz rechten oder dritten von rechts.

31

d) Feststellungen zu den abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten fehlen.

32

2. Ob in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum eine solche abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte gemietet werden können, kann mangels entsprechender Feststellungen nicht beurteilt werden (vgl BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - , zur Veröffentlichung vorgesehen).

33

3. Ob die Aufwendungen des Klägers für seine Unterkunft (Bruttokaltmiete von 378,24 Euro), wenn sie die abstrakt angemessene Leistung für seine Unterkunft übersteigen, nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II aF zu berücksichtigen sind, weil es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar war, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, kann ebenfalls nicht abschließend entschieden werden.

34

Das OVG hat insofern zu Recht auf die schon durch den Sozialhilfeträger erfolgten Kostensenkungsinformationen hingewiesen (BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 23; BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 24). Individuelle Gründe, die seitens des Klägers einer Kostensenkung entgegenstehen, hat das OVG nicht festgestellt.

35

4. Der Rechtsstreit ist an das LSG Niedersachsen-Bremen zurückzuverweisen. Zwar hat das OVG der Freien Hansestadt Bremen "das Urteil erlassen" (vgl § 170 Abs 2 Satz 2 SGG am Ende) und nicht das LSG Niedersachsen-Bremen. Die früheren §§ 50a ff SGG, nach denen aufgrund Landesrechts die Sozialgerichtsbarkeit in bestimmten sozialrechtlichen Materien durch besondere Spruchkörper der Verwaltungsgerichte ausgeübt wurde(eingeführt durch Gesetz vom 9.12.2004, BGBl I 3302), sind jedoch mit Wirkung vom 1.1.2009 aufgehoben. Die Übergangsregelung in § 206 Abs 2 SGG sieht vor, dass Verfahren, die am 1.1.2009 bei den besonderen Spruchkörpern der Verwaltungsgerichte anhängig sind, bei diesen anhängig bleiben und entsprechend der bisherigen Rechtslage fortgeführt werden; für Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung eines besonderen Spruchkörpers, die nach dem 31.12.2008 ergehen, ist jedoch das LSG zuständig. Entsprechend dieser vom Gesetzgeber getroffenen Regel, die anhängigen Verfahren in der jeweiligen Instanz in den besonderen Spruchkörpern zu belassen, nach Abschluss einer Instanz diese aber der üblichen Zuständigkeitsregelung zu unterwerfen, ist nunmehr für das zurückverwiesene Verfahren das LSG zuständig.

36

5. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision der Kläger wird zurückgewiesen, soweit mit ihr eine Leistung von mehr als 321,19 Euro geltend gemacht wird. Im Übrigen wird das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 11. Mai 2010 auf die Revision der Kläger aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Monat Dezember 2008 höhere Leistungen für die Unterkunft und Heizung.

2

Die Kläger zu 1 und 2 bilden zusammen mit ihren Kindern, den Klägern zu 3 und 4, eine Bedarfsgemeinschaft. Sie stehen seit dem Frühjahr 2008 mit Unterbrechungen im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Die Familie bewohnt ein 110 qm großes Einfamilienhaus.

3

Mit Schreiben vom 23.4.2008 teilte der Beklagte den Klägern mit, die tatsächlichen Unterkunftskosten entsprächen nicht den anerkennungsfähigen Maximalbeträgen. Als angemessen angesehen werden könnten Kosten der Unterkunft in Höhe von 470 Euro zzgl Heizkosten. Eine Übernahme der tatsächlichen Kosten komme nicht länger als bis zum 31.8.2008 in Betracht. Die Kläger wurden außerdem aufgefordert, sich unverzüglich um eine Senkung der Unterkunftskosten auf ein angemessenes Niveau zu bemühen.

4

Mit Bescheid vom 6.1.2009 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Monat Dezember 2008 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 1206 Euro, wobei Kosten der Unterkunft zzgl Heizkosten in Höhe von 555 Euro berücksichtigt wurden. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch bewilligte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 13.2.2009 Leistungen für Dezember 2008 in Höhe von insgesamt 1221,02 Euro und legte seiner Berechnung nunmehr Kosten der Unterkunft in Höhe von 470 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 100,02 Euro (tatsächliche Heizkosten in Höhe von 119 Euro abzüglich Warmwasserkosten in Höhe von 18,98 Euro) zugrunde. Im Übrigen wies er den Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 6.3.2009 zurück.

5

Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht (SG) Stade erhobenen Klage machen die Kläger geltend, die Befristung der Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten auf sechs Monate sei nicht angemessen und stelle eine unzumutbare Härte für die Bedarfsgemeinschaft dar.

6

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.5.2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten über die Regelhöchstfrist von sechs Monaten hinaus komme hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die Kläger keinerlei Bemühungen unternommen hätten, die Kosten der Unterkunft zu senken. Ein Verkauf des Eigenheims sei ebenso wenig in Betracht gezogen worden wie die Vermietung oder andere Maßnahmen. Die Übernahme nur der angemessenen Unterkunftskosten verstoße entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht gegen das Gebot des Schutzes von Ehe und Familie. Die Höhe der angemessenen Unterkunftskosten (Kaltmiete inclusive Nebenkosten) habe der Beklagte vorliegend ausgehend von einer Wohnungsgröße von 85 qm für eine vierköpfige Familie zutreffend mit 470 Euro angesetzt. Die vom Beklagten entwickelten Richtlinien zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten erfüllten in allen einzelnen Punkten die Anforderungen des Bundessozialgerichts (BSG) an ein schlüssiges Konzept. Die vom Beklagten festgesetzte Angemessenheitsgrenze von 470 Euro liege auch noch über den durchschnittlichen Kosten von 306 Vergleichswohnungen. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass im streitigen Zeitraum angemessen großer Wohnraum für den errechneten Betrag in Cuxhaven nicht zu erhalten gewesen sei. Entsprechendes hätten die Kläger auch nicht vorgetragen. Sie hätten vielmehr dargelegt, sich um anderweitigen Wohnraum gar nicht bemüht zu haben, weil sie in ihrem Haus wohnen bleiben wollten.

7

Das SG hat in seinem Urteil die Berufung zugelassen. Auf einen Antrag der Kläger hin, dem der Beklagte zugestimmt hat, hat das SG mit Beschluss vom 8.6.2010 die Sprungrevision zugelassen.

8

Zur Begründung ihrer eingelegten Revision tragen die Kläger vor, es treffe nicht zu, dass sie keine Bemühungen zur Kostensenkung unternommen hätten. Der Kläger zu 1 wisse aus früheren Gesprächen mit seinem Baufinanzierer, dass dieser auf uneingeschränkte Einhaltung des unveränderlichen Vertragsinhalts bestehe. Die Erzielung von Mieteinnahmen sei nur möglich, wenn die Familie aus dem Haus ausziehen würde, was nicht in Betracht komme. Entgegen den Feststellungen in dem Urteil sei die Wohnung nicht 110 qm groß, sondern nur 90,6 qm, was nicht wesentlich über der zugestandenen Wohnungsgröße von 85 qm liege. Als das Haus im Jahre 2002 erworben worden sei, habe die Familie finanziell noch besser dagestanden und man habe weitere Kinder mit einkalkuliert. Das Verlangen, jetzt auszuziehen, verstoße gegen das Gebot des Schutzes von Ehe und Familie. Im Übrigen sei das Haus auch deshalb nicht zu verkaufen, weil es Schonvermögen darstelle. Ein Verkauf würde dazu führen, dass erhebliche Schulden zurückblieben. Das Haus sei im Jahre 2002 für 130 000 Euro gekauft worden, wegen Dachreparaturen seien insgesamt 150 000 Euro finanziert worden. Die Restschuld liege bis heute bei 130 000 Euro, bei gutem Verkauf sei aber nur mit einem Erlös in der Größenordnung von 100 000 bis 110 000 Euro zu rechnen, bei einem Notverkauf nur mit 80 000 bis 90 000 Euro. Eine anderweitige Vermietung sei auch nur sinnvoll, wenn dadurch die Aufwendungen für das Haus in Höhe von rund 800 Euro monatlich an Mieteinnahmen erzielt würden. Dies sei aber nicht realistisch, weil das Angebot freistehender Mietwohnungen und zu mietender alter Häuser (wie dieses von 1934) in Cuxhaven groß sei und die Zahl derer, die eine derartige Unterkunft suchen, sehr begrenzt. Aus diesen individuellen Gründen müsse die Sechs-Monats-Frist unter Einbeziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes so interpretiert werden, dass auch "mittlere Lösungen" möglich seien. Unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts sei unangemessen hoher Bedarf über die Sechs-Monats-Frist hinaus weiter anzuerkennen und notfalls der das Angemessene überschreitende Anteil als Darlehen zu gewähren. Die gesetzgeberische Entscheidung der Besserstellung von Hauseigentümern gegenüber Mietern müsse bei den Unterkunftskosten mitberücksichtigt werden, ebenso wie die aus Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG) fließende Verpflichtung, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern.

9

Die Kläger beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 11. Mai 2010 aufzuheben und die Bescheide des Beklagten vom 6. Januar 2009 und 13. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2009 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern für den Monat Dezember 2008 weitere 326,01 Euro für die Unterkunft zu zahlen, hilfsweise, ihnen für den Monat Dezember 2008 weitere 326,01 Euro für Unterkunft als Darlehen zu gewähren.

10

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

11

Der Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Soweit die Kläger erstmals im Revisionsverfahren statt 321,19 Euro als zusätzliche Kosten der Unterkunft für den Monat Dezember 2008 326,01 Euro beantragt haben, handelt es sich um eine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung (§ 168 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz); der Antrag war insoweit zurückzuweisen.

13

Im Übrigen ist die durch Beschluss des SG vom 8.6.2010 zugelassene Sprungrevision (§ 161 SGG) der Kläger, die diese rechtzeitig eingelegt haben, im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen begründet (§ 170 Abs 2 und 4 SGG). Es kann vorliegend nicht abschließend entschieden werden, ob den Klägern höhere Leistungen für die Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) für den Monat Dezember 2008 zustehen.

14

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II ebenfalls idF des Gesetzes vom 3.8.2010), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes entstanden ist und im Laufe des gerichtlichen Verfahrens als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (; vgl § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II) tritt. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen (vgl dazu insgesamt BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5).

15

2. Streitgegenstand des Verfahrens sind allein Ansprüche der Kläger auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Monat Dezember 2008 und die diesen Anspruch regelnden Bescheide des Beklagten vom 6.1.2009 und vom 13.2.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.3.2009. An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über einen vorher abgeschlossenen Bewilligungsabschnitt nichts geändert.

16

3. Es ist trotz der sehr verkürzten Feststellungen des SG davon auszugehen, dass die Kläger dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach § 7 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 SGB II zählen. Das SG hat insofern festgestellt, dass die Kläger zu 1 und 2 mit ihren Kindern, den Klägern zu 3 und 4, eine Bedarfsgemeinschaft bilden und seit Frühjahr 2008 mit Unterbrechungen im Leistungsbezug bei dem Beklagten stehen. Aus den Urteilsgründen ergibt sich auch, dass das Lebensalter des Klägers zu 1 innerhalb der maßgeblichen Altersgrenzen liegt und dieser erwerbsfähig und (teilweise) hilfebedürftig ist.

17

Es fehlen aber jegliche Feststellungen dazu, welche berücksichtigungsfähigen Kosten seitens der Kläger überhaupt geltend gemacht werden. Zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke zählen alle notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (vgl Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 26). § 7 Abs 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch ( juris BSHG§76DV) findet insoweit entsprechende Anwendung (vgl Urteile des Senats vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10 und vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R -), als er Anhaltspunkte dafür liefert, welche Kosten im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen sind (vgl dazu auch BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Zu den danach berücksichtigungsfähigen Kosten zählen insbesondere auch Darlehenszinsen, grundsätzlich jedoch keine Tilgungsleistungen (vgl dazu insgesamt und zu den Ausnahmen hinsichtlich der Berücksichtigung von Tilgungsleistungen Urteil des Senats vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Vorliegend ist nicht ersichtlich, welcher Anteil der geltend gemachten Summe ggf auf Darlehenszinsen entfällt und ob auch Tilgungsleistungen darin enthalten sind. Bei der Ermittlung des grundsätzlich anerkennungsfähigen Betrags wird das LSG auch zu berücksichtigen haben, dass die Angemessenheit der Unterkunftskosten für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten ist und die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten an den Kosten zu messen ist, die für Mietwohnungen angemessen sind (vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10). Die Angemessenheit eines Hausgrundstücks im Sinne der Schutzvorschrift des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II indiziert nicht die Angemessenheit der Unterkunftskosten für dieses Haus nach § 22 Abs 1 SGB II. Geschützt wird von beiden Vorschriften nur "die Wohnung" im Sinne der Erfüllung des Grundbedürfnisses "Wohnen" als räumlichem Lebensmittelpunkt (vgl BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 32/07 R -), nicht dagegen die Immobilie als Vermögensgegenstand.

18

Die Kläger ziehen aus der Schutzvorschrift des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II zu Unrecht den Schluss, hierbei handele es sich um die "gesetzgeberische Grundentscheidung einer Besserstellung von Eigentümern gegenüber Mietern", die Anlass gebe, auch die Angemessenheitsgrenze unterschiedlich zu bestimmen. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung deutlich gemacht, dass § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II gerade keine Aussage zu den Kosten der Unterkunft trifft, sondern nur verhindern soll, dass ein selbst genutztes angemessenes Hausgrundstück oder eine solche Eigentumswohnung veräußert werden muss, bevor Grundsicherungsleistungen gewährt werden. Im Rahmen der Hilfegewährung nach dem SGB II sind dann aber nach den Grundsätzen des Art 3 Abs 1 GG alle Leistungsbezieher einheitlichen Kriterien zu unterwerfen, also auch Eigentümer und Mieter hinsichtlich der Leistungen, die dem Erhalt des Wohnraums dienen, gleich zu behandeln.

19

Ungeachtet der Frage, ob das Haus der Kläger tatsächlich eine geringere Wohnfläche aufweist als 110 qm, von denen das SG aufgrund der Angaben des Klägers zu 1 im Verwaltungsverfahren ausgegangen ist, und ob das Haus grundsätzlich unter die Schutzvorschrift des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II fällt (vgl hierzu: BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10), kommt es vorliegend allein darauf an, ob die Kosten für dieses Wohneigentum angemessen iS des § 22 Abs 1 SGB II sind.

20

4. Ungeachtet der Tatsache, dass innerhalb des Komplexes der Unterkunfts- und Heizkosten nicht eine weitere Begrenzung des Streitgegenstandes auf einzelne Elemente des Bedarfs bzw der Angemessenheitsprüfung stattfinden kann (vgl insoweit Urteil des Senats vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen), wird vorliegend faktisch nur um die Höhe der reinen Unterhaltskosten gestritten, da aufgrund des Änderungsbescheides vom 13.2.2009 die Heizkosten, lediglich bereinigt um die Warmwasserkosten für die vier Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, in tatsächlicher Höhe übernommen wurden und das SG von der Angemessenheit der Heizkosten ausgegangen ist (§ 163 SGG).

21

Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden im Rahmen des Arbeitslosengeldes II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft, auf die der dem Grunde nach leistungsberechtigte Hilfebedürftige Anspruch hat, ist in mehreren Schritten vorzugehen: Zunächst bedarf es zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheit der Wohnkosten der Feststellung, welche Größe die von der Bedarfsgemeinschaft bewohnte Wohnung hat (dazu unter a), sodann ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro qm Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums zu zahlen ist (dazu unter b).

22

a) Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr des BSG seit Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; zuletzt BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtet sich grundsätzlich nach den Werten, die die Länder aufgrund des § 10 Wohnraumförderungsgesetz vom 13.9.2001 (BGBl I 2376) festgelegt haben. Mit Bezug auf die genannte Norm hat das SG eine angemessene Wohnungsgröße für vier Personen vom 85 qm festgestellt. Allerdings ist dabei nicht auf die maßgebliche Richtlinie über die Soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen (Wohnraumförderungsbestimmungen ) vom 27.6.2003 idF vom 1.8.2008 (Nds MBl 2003, 580; 2008 862) Bezug genommen worden, sodass die angegebene Quadratmeterzahl aus dem Urteil des SG nicht nachvollzogen werden kann. Aus Nr 11 der WFB ergibt sich allerdings, dass eine Wohnfläche von 85 qm für vier Haushaltsmitglieder als angemessen anzusehen ist.

23

b) Es fehlt aber an Feststellungen zu den übrigen Parametern für die Ermittlung der abstrakten Angemessenheit der Unterkunftskosten. Die vom Beklagten entwickelten "Richtlinien zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten" entsprechen trotz des Bemühens, den Anforderungen gerecht zu werden, die die Rechtsprechung an ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten gestellt hat, in einem wesentlichen Punkt nicht den Vorgaben des BSG (vgl zB Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30; Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27). Der Beklagte geht nämlich von einer unzureichenden Datengrundlage aus bzw zieht aus den herangezogenen Daten nicht die sachlich gebotenen Schlüsse.

24

Zwar hat der Beklagte eine Datenbasis von 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Wohnungsbestands für die Ermittlung der angemessenen Mietwerte herangezogen (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R -), der ausgewählte Wohnungsbestand von 9788 Wohnungen setzt sich allerdings nur aus Wohnungen von Leistungsempfängern nach dem SGB II (zu 78 %), bzw SGB XII (zu 10 %) und Empfängern von Wohngeld (zu 12 %) zusammen. Damit können nur in der Rubrik der Wohngeldempfänger Wohnungen enthalten sein, die auch teurer sind als eine nach SGB II oder SGB XII angemessene Wohnung. Werden aber nur diese Wohnungen von Leistungsempfängern als Datengrundlage herangezogen und wird von den so erhaltenen Werten nochmals der Durchschnitt gebildet, so errechnet sich ein Angemessenheitswert, der unter dem Wert liegt, der für einen Teil der Leistungsempfänger als angemessen akzeptiert wird. Um diesen Zirkelschluss zu vermeiden, kann ein Leistungsträger auf alle Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand abstellen, also neben Wohnungen einfachen Standards auch auf solche mittleren und gehobenen Standards und dann aus den so gewonnenen Mietpreisen einen angemessenen Wert ermitteln (BSGE 104, 192, 197 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 21). Der Leistungsträger kann auch - wie vorliegend - bei der Datenerhebung nur die Wohnungen einfachen Standards zugrunde legen, muss als Angemessenheitsgrenze dann aber die obere Preisgrenze dieses Segments wählen. Das vom Beklagten gewählte Verfahren, die errechneten Durchschnittswerte um einen Sicherheitsaufschlag X zu erhöhen, stellt dagegen kein planmäßiges Vorgehen dar. Weder ist die Erhöhung für alle Wohnungsgrößen gleichmäßig erfolgt, noch ist überhaupt erkennbar und ggf mathematisch nachvollziehbar, wie sich die jeweilige Erhöhung errechnet.

25

Bei der Neujustierung der Angemessenheitsgrenze wird auch zu berücksichtigen sein, dass für die Datenerhebung nicht nur die Daten von tatsächlich am Markt angebotenen Wohnungen in Betracht kommen, sondern auch von bereits vermieteten (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Im Rahmen der Leistung für die Unterkunft ist sämtlicher Wohnraum zu berücksichtigen, der auch tatsächlich zu diesem Zweck vermietet wird, so etwa auch Wohnraum, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist (dazu näher und zu Ausnahmen von diesem Grundsatz BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30).

26

5. Sollte sich im wiedereröffneten Verfahren herausstellen, dass die tatsächlichen berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten der Kläger unangemessen hoch sind, so wird zu beachten sein, dass eine Erstattung dieser zu hohen Aufwendungen nur in Betracht kommt, wenn es dem Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 Satz 3 SGB II). Es besteht eine Obliegenheit zur Kostensenkung ab Kenntnis der Unangemessenheit (stRspr vgl nur BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8), hier also ab Zugang des Schreibens des Beklagten vom 23.4.2008.

27

Etwas anderes gilt nur, wenn Kostensenkungsmaßnahmen nicht möglich sind (dazu a) oder subjektiv nicht zumutbar (dazu b). Die Kläger verkennen, dass § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II selbst bei Vorliegen von "Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit" vorsieht, dass nach spätestens sechs Monaten nur noch die Aufwendungen in Höhe der Referenzmiete erstattet werden sollen (Regelfall). Die Erstattung nicht angemessener Kosten der Unterkunft bleibt der durch sachliche Gründe begründungspflichtige Ausnahmefall, die Obliegenheit zur Kostensenkung bleibt auch bei Unmöglichkeit oder subjektiver Unzumutbarkeit grundsätzlich bestehen. Wegen des Ausnahmecharakters sind strenge Anforderungen an die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und der Unzumutbarkeit zu stellen (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19).

28

a) Eine objektive Unmöglichkeit einer Unterkunftsalternative wird bei Abstellen auf hinreichend große Vergleichsräume nur in seltenen Ausnahmefällen zu begründen sein. In Deutschland gibt es derzeit keine allgemeine Wohnungsnot und allenfalls in einigen Regionen Mangel an ausreichendem Wohnraum (vgl schon zum Sozialhilferecht BVerwGE 101, 194). Vorliegend ergibt sich aus den Richtlinien des Beklagten zur konkreten Angemessenheit, dass der Landkreis Cuxhaven innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als 3000 Einwohner verloren hat, was bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,1 Personen fast 1500 Haushalten entspricht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass von den hierdurch frei gewordenen Wohnungen nur ein Teil für die Empfänger von Grundsicherungsleistungen in Betracht kommt, spricht dies eher für einen Angebotsüberschuss. Eine objektive Unmöglichkeit, eine angemessene Wohnalternative zu finden, dürfte daher kaum bestehen.

29

b) Auch eine subjektive Unzumutbarkeit ist vorliegend nicht zu erkennen. Zwar wird grundsätzlich respektiert, dass von einem Hilfebedürftigen nicht die Aufgabe seines sozialen Umfeldes verlangt werden kann (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 21). Dies bedeutet jedoch nicht, dass keinerlei Veränderungen der Wohnraumsituation stattfinden dürfen. Vielmehr sind auch Anfahrtswege mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinzunehmen, wie sie ja auch zB erwerbstätigen Pendlern selbstverständlich zugemutet werden (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 33 bis 35).

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 15. Juli 2010 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung ab 1.9.2008.

2

Die Klägerin zu 1 und ihr Sohn, der Kläger zu 2, beziehen seit September 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie bewohnen ein im Jahre 1992 gebautes und im Eigentum der Klägerin zu 1 stehendes Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 121 qm und einem Grundstück von 978 qm. Im Erdgeschoss des Hauses befinden sich neben Küche und Bad ein Raum, den der Kläger zu 2 bewohnt, sowie ein weiterer Raum, der laufend untervermietet wird. Im Obergeschoss sind ein Bad und zwei Wohnräume gelegen, in denen die Klägerin zu 1 lebt. Das Grundstück ist nach Angaben der Klägerin zu 1 derzeit noch mit 110 000 Euro belastet (ursprüngliche Belastung 291 000 DM, entspricht 148 785,93 Euro).

3

Die tatsächlichen Kosten für Unterkunft (KdU) und Heizung betrugen in der streitigen Zeit 556,43 Euro. Darin enthalten waren 427,82 Euro Unterkunftskosten inklusive Darlehenszinsen in Höhe von 326,94 Euro. Nach Abzug des Warmwasseranteils von den Heizkosten in Höhe von 140 Euro verblieben insoweit 128,61 Euro.

4

Mit Schreiben vom 12.5.2006 wies der Beklagte die Klägerin zu 1 erstmals darauf hin, dass die Unterkunft unangemessen groß und teuer sei. Für einen Zwei-Personen-Haushalt sei eine Wohnfläche von bis zu 60 qm zu einer Kaltmiete inklusive Nebenkosten in Höhe von 340 Euro angemessen, zuzüglich 72 Euro an Heizkosten. Es errechne sich insgesamt ein angemessener Betrag von 412 Euro für monatliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.

5

Auf der Grundlage eines Bescheids vom 20.8.2008 in Gestalt eines Änderungsbescheids vom 3.12.2008 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum ab 1.9.2008 bis Februar 2009 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von KdU und Heizung in Höhe von 412 Euro. Den Widerspruch der Kläger gegen die Absenkung der KdU und Heizung auf das nach Auffassung des Beklagten angemessene Maß wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9.12.2008 zurück.

6

Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage tragen die Kläger vor, trotz der fortlaufenden Aufnahme von Untermietern sei es nicht gelungen, die tatsächlichen KdU und Heizung zu decken. Sie hätten das Haus auch Maklern angeboten, es habe jedoch keiner einen Verkaufsauftrag bezüglich des Objekts annehmen wollen.

7

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und zunächst festgestellt, dass es sich bei dem Eigenheim mit einer Größe von 121 qm für zwei Personen auf einem Grundstück von 978 qm nicht um geschütztes Vermögen iS von § 12 Abs 3 Nr 4 SGB II handele. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei bei einem Zwei-Personen-Haushalt ein selbstgenutztes Hauseigentum von bis zu 90 qm als angemessen anzusehen, bei einem Drei-Personen-Haushalt - soweit ein Untermieter miteinbezogen würde - von bis zu 110 qm. Grundsätzlich müssten die Kläger daher das Grundstück verwerten. Dies spiele vorliegend aber keine Rolle, weil der Beklagte erklärt habe, dass Immobilieneigentum bis zu einer Wohnfläche von 120 qm bei der Leistungsberechnung generell nicht als verwertbares Vermögen behandelt werde und auch in diesen Fällen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Zuschuss erbracht würden.

8

Den grundsätzlichen Anspruch der Kläger auf Leistungen für Unterkunft und Heizung habe der Beklagte für den Wohnort der Kläger in nicht zu beanstandender Weise bestimmt. Zutreffend sei er von einer angemessenen Wohnungsgröße von 60 qm ausgegangen. Den vom Beklagten entwickelten Richtlinien zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten liege ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG zugrunde. Wohnungen in der besagten Größe zu dem als angemessen angesehenen Preis hätten auch tatsächlich im örtlichen Bezugsraum zur Verfügung gestanden. Die Kläger hätten demgegenüber nicht dargelegt, dass sie aktiv nach einer anderen Unterkunft gesucht und keine den Angemessenheitsgrenzen entsprechende Wohnung gefunden hätten.

9

Gegen dieses Urteil haben die Kläger die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügen eine Verletzung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II und machen geltend, die vom Beklagten herangezogenen Richtlinien entsprächen nicht den Anforderungen, die die Rechtsprechung des BSG an ein schlüssiges Konzept stelle.

10

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 15. Juli 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 20. August 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 3. Dezember 2008 sowie des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2008 zu verpflichten, ihnen ab dem 1. September 2008 bis 28. Februar 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe (derzeit 556,43 Euro) zu gewähren.

11

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Der Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Sprungrevision (§ 161 Sozialgerichtsgesetz) der Kläger ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das Landessozialgericht (LSG) begründet (§ 170 Abs 4 SGG). Es kann aufgrund der Feststellungen des SG nicht abschließend entschieden werden, ob den Klägern ein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) für den Zeitraum vom 1.9.2008 bis 28.2.2009 zusteht.

14

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II ebenfalls idF des Gesetzes vom 3.8.2010), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes entstanden ist und im Laufe des gerichtlichen Verfahrens als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (; vgl § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II)tritt. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen (vgl dazu insgesamt BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5).

15

2. Streitgegenstand des Verfahrens sind allein Ansprüche der Kläger auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1.9.2008 bis zum 28.2.2009. Dies ergibt sich aus dem zugrunde liegenden Leistungsbescheid des Beklagten vom 20.8.2008 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 3.12.2008, mit dem Leistungen für den genannten Zeitraum bewilligt wurden. Diese Bescheide haben die Kläger mit ihrem Widerspruch angegriffen und auf sie bezieht sich auch der Widerspruchsbescheid vom 9.12.2008. Eine Verwaltungsentscheidung über weitere Leistungszeiträume ist nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden. Insofern handelt es sich entgegen der Annahme des SG nicht um einen zeitlich unbegrenzten Antrag, der Streitgegenstand wird vielmehr durch die zugrunde liegenden Bescheide eingegrenzt.

16

An der Zulässigkeit eines nur auf die Überprüfung von Leistungen zu Unterkunft und Heizung gerichteten Rechtsmittels (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für das laufende Verfahren über einen vorher abgeschlossenen Bewilligungsabschnitt nichts geändert.

17

3. Die Begrenzung des Streitgegenstands auf die angemessenen KdU und Heizung enthebt das Tatsachengericht nicht von der Verpflichtung, die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II im Einzelnen festzustellen. Das SG hat weder Feststellungen über das Alter der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2, noch über deren Erwerbsfähigkeit getroffen. Auch ist die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft im Hinblick auf das Untermietverhältnis ungeklärt geblieben. Die Hilfebedürftigkeit der Kläger hätte zudem im Hinblick darauf ausdrücklich festgestellt werden müssen, dass die Klägerin zu 1 über Wohneigentum verfügt, das nach den Feststellungen des SG nicht unter die Schutzvorschrift des § 12 Abs 3 Nr 4 SGB II fällt. Verwertungsmöglichkeiten sind bislang nicht geprüft worden, wobei auch andere Ertragsquellen als der Verkauf in Betracht zu ziehen sind (vgl dazu insgesamt BSG Urteil vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 4 RdNr 32 bis 34). Dieser Aspekt der Bedarfsprüfung wird durch eine Verwaltungspraxis des Beklagten, wonach Wohnungs- bzw Hauseigentum bis zu 120 qm Wohnfläche bei der Leistungsberechnung generell nicht als verwertbares Vermögen behandelt werden, nicht unbeachtlich. Grundsicherungsträger sind vielmehr auch insoweit an die sich aus § 12 SGB II einerseits und § 22 SGB II andererseits ergebenden gesetzlichen Vorgaben gebunden(vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R -). Danach kommt die Übernahme angemessener KdU nur in Betracht, wenn Betroffene grundsätzlich leistungsberechtigt sind. Dies setzt wiederum voraus, dass der Bedarf auch durch zu berücksichtigendes Vermögen nicht gedeckt werden kann.

18

4. Sollte die weitere Aufklärung des Sachverhalts ergeben, dass die Leistungsvoraussetzungen bei den Klägern vorliegen, sind im Rahmen des Arbeitslosengeldes II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, der insofern bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde). Da innerhalb des Komplexes der Unterkunftskosten nicht eine weitere Begrenzung des Streitgegenstands auf einzelne Elemente des Bedarfs bzw der Angemessenheitsprüfung stattfinden kann (vgl insoweit Urteil des Senats vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen), ist noch die Höhe der angemessenen Heizkosten festzustellen (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23).

19

Zur Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten ist in mehreren Schritten vorzugehen. Zunächst bedarf es zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheit der Wohnkosten der Feststellung, welche Größe die von der Bedarfsgemeinschaft bewohnte Wohnung hat (dazu unter a), sodann ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums zu zahlen ist (dazu unter b).

20

a) Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr des BSG seit Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; zuletzt BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtet sich grundsätzlich nach den Werten, die die Länder aufgrund des § 10 Wohnraumförderungsgesetz vom 13.9.2001 (BGBl I 2376) festgelegt haben. Mit Bezug auf die genannte Norm hat das SG eine angemessene Wohnungsgröße für zwei Personen von 60 qm festgestellt. Allerdings ist dabei nicht die maßgebliche Richtlinie über die soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen (Wohnraumförderungsbestimmungen ) vom 27.6.2003 idF vom 1.8.2008 (Niedersächsisches Ministerialblatt 2003, 580) benannt worden, sodass die vom SG angenommene Quadratmeter-Zahl nicht unmittelbar nachvollziehbar ist. Allerdings ergibt sich aus Ziff 11.2 der WFB, dass eine Wohnfläche von 60 qm für zwei Haushaltsmitglieder als angemessen festgelegt ist.

21

b) Es fehlt aber an Feststellungen zu den übrigen Parametern für die Ermittlung der abstrakten Angemessenheit der Unterkunftskosten. Die vom Beklagten entwickelten "Richtlinien zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten" entsprechen trotz des Bemühens, den Anforderungen gerecht zu werden, die die Rechtsprechung an ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten gestellt hat, in einem wesentlichen Punkt nicht den Vorgaben des BSG (vgl zB Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30; Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27). Der Beklagte geht nämlich von einer unzureichenden Datengrundlage aus bzw zieht aus den herangezogenen Daten nicht die sachlich gebotenen Schlüsse.

22

Zwar hat der Beklagte eine Datenbasis von 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Wohnungsbestands für die Ermittlung der angemessenen Mietwerte herangezogen (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R), der ausgewählte Wohnungsbestand von 9788 Wohnungen setzt sich allerdings nur aus Wohnungen von Leistungsempfängern nach dem SGB II (zu 78 %), dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (zu 10 %) und Empfängern von Wohngeld (zu 12 %) zusammen. Damit können nur in der Rubrik der Wohngeldempfänger Wohnungen enthalten sein, die auch teurer sind als eine nach SGB II oder SGB XII angemessene Wohnung. Werden aber nur diese Wohnungen von Leistungsempfängern als Datengrundlage herangezogen und wird von den so erhaltenen Werten nochmals der Durchschnitt gebildet, so errechnet sich ein Angemessenheitswert, der unter dem Wert liegt, der für einen Teil der Leistungsempfänger als angemessen akzeptiert wird. Um diesen Zirkelschluss zu vermeiden, kann ein Leistungsträger auf alle Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand abstellen, also neben Wohnungen einfachen Standards auch auf solche mittleren und gehobenen Standards und dann aus den so gewonnenen Mietpreisen einen angemessenen Wert ermitteln (BSGE 104, 192, 197 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 21). Der Leistungsträger kann auch - wie vorliegend - bei der Datenerhebung nur die Wohnungen einfachen Standards zugrunde legen, muss als Angemessenheitsgrenze dann aber die obere Preisgrenze dieses Segments wählen. Das vom Beklagten gewählte Verfahren, die errechneten Durchschnittswerte um einen Sicherheitsaufschlag X zu erhöhen, stellt dagegen kein planmäßiges Vorgehen dar. Weder ist die Erhöhung für alle Wohnungsgrößen gleichmäßig erfolgt, noch ist überhaupt erkennbar und ggf mathematisch nachvollziehbar, wie sich die jeweilige Erhöhung errechnet.

23

Bei der Neujustierung der Angemessenheitsgrenze wird auch zu berücksichtigen sein, dass für die Datenerhebung nicht nur die Daten von tatsächlich am Markt angebotenen Wohnungen in Betracht kommen, sondern auch von bereits vermieteten (Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Im Rahmen der Leistung für die Unterkunft ist sämtlicher Wohnraum zu berücksichtigen, der auch tatsächlich zu diesem Zweck vermietet wird, so etwa auch Wohnraum, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist (dazu näher und zu Ausnahmen von diesem Grundsatz BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30).

24

5. Im Verfahren vor dem LSG wird daher erneut zu klären sein, wo die Angemessenheitsgrenze für Unterkunftskosten im vorliegenden Fall liegt und ob die Kläger bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen Anspruch auf höhere Leistungen der Unterkunft haben. Dabei wird zu beachten sein, dass die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten ist, dh die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind (vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10).

25

Schließlich wird das LSG noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger und des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. April 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von dem Beklagten zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung in der Zeit von November 2006 bis April 2007.

2

Die Klägerin zu 1 ist die Mutter des 1988 geborenen Klägers zu 2. Beide bezogen seit Anfang 2005 Leistungen nach dem SGB II. Im Juli 2005 schloss die Klägerin zu 1 einen Mietvertrag mit der R GmbH über eine Wohnung in der K-Straße in Duisburg (Mietbeginn und Umzug zum 1.11.2005) mit einer Größe von 77,53 qm, bestehend aus drei Zimmern zuzüglich Küche, Bad und Flur. Die Grundmiete betrug im streitgegenständlichen Zeitraum 364,68 Euro, die Betriebskostenvorauszahlung bis einschließlich November 2006 128,46 Euro und ab Dezember 2006 dann 150 Euro im Monat; die Heizkostenvorauszahlung belief sich im streitgegenständlichen Zeitraum auf 35,69 Euro monatlich. Nach Information durch die Klägerin zu 1 über den geplanten Umzug im Oktober 2005 erteilte der Beklagte eine Zustimmung zum Umzug ausdrücklich nicht (Schreiben vom 28.10.2005).

3

Bei der Bewilligung der Leistungen für die Zeit vom 1.11.2006 bis zum 30.4.2007 erkannte der Beklagte als angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung für den Monat November 2006 und für Januar bis April 2007 von 189,74 Euro (Klägerin zu 1) bzw 189,75 Euro (Kläger zu 2) sowie für den Monat Dezember 2006 von 193,26 Euro (Klägerin zu 1) bzw 193,27 Euro (Kläger zu 2) an (Bescheide vom 24.10.2006 und 31.1.2007; Widerspruchsbescheid vom 22.2.2007). Dabei ging er unter Berücksichtigung einer qm-Zahl von 60 qm von einer angemessenen Bruttokaltmiete iHv 343,80 Euro aus (Nettokaltmiete iHv 3,94 Euro/qm; Pauschale für Betriebskosten iHv 1,79 Euro/qm).

4

Das SG Duisburg hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, über die bereits gewährten Unterkunftsaufwendungen hinaus weitere Kosten für den Monat November 2006 in Höhe von 10,80 Euro und für die Monate Dezember 2006 bis April 2007 in Höhe von jeweils 19,48 Euro monatlich zu leisten (Urteil des SG vom 28.8.2008). Es hat den von ihm als angemessen angesehenen Wert für die Nettokaltmiete von 4,12 Euro je qm errechnet, indem es den Durchschnittswert aus den unteren Spannenwerten der normalen Wohnlage der Baualtersstufen I bis IV (bis 1984) aus dem Mietspiegel 2005 der Stadt Duisburg gebildet hat. Dabei hat das SG Wohnungen mit einer Bezugsfertigkeit nach 1984 ausgeklammert. Hinsichtlich der Betriebskosten sei die Pauschalierung in Höhe von 1,79 Euro pro qm unter Berücksichtigung des Betriebskostenspiegels des Deutschen Mieterbundes nicht zu beanstanden. Für November 2006 sei daher - bezogen auf eine angemessene Wohnungsgröße von 60 qm - eine Gesamtmiete iHv 390,29 Euro (Grundmiete in Höhe von 247,20 Euro, Betriebskostenvorauszahlung iHv 107,40 Euro, Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 35,69 Euro) und ein Mehrbetrag in Höhe von je 10,80 Euro zu übernehmen. Für die Monate Dezember 2006 bis April 2007 ergebe sich unter Berücksichtigung der tatsächlichen, auf 60 qm heruntergerechneten Betriebskostenvorauszahlungen eine Gesamtmiete in Höhe von 398,97 Euro mtl (Grundmiete iHv 247,20 Euro, Heizkostenvorauszahlung iHv 35,69 Euro, Betriebskostenvorauszahlung iHv 116,08 Euro) und ein Mehrbetrag iHv 19,48 Euro.

5

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufungen der Kläger und des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 29.4.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, das SG sei zu Recht von einer angemessenen Wohnungsgröße von 60 qm und dem gesamten Gebiet der Stadt Duisburg als maßgeblichem räumlichen Vergleichsraum ausgegangen. Auch der vom SG für angemessen gehaltene Wert von 4,12 Euro je qm für eine Nettokaltmiete für Wohnungen einfachen Standards im Stadtgebiet Duisburg halte der rechtlichen Überprüfung stand. Als Erkenntnisquelle für den angemessenen Mietpreis pro Quadratmeter kämen insbesondere Mietspiegel bzw Mietdatenbanken (§§ 558c ff BGB) in Betracht. Ein solcher qualifizierter Mietspiegel liege für die Stadt Duisburg vor. Es ergäben sich unter Berücksichtigung der von dem Beklagten vorgelegten Dokumentation des Mietspiegels keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser auf einer unzutreffenden oder unvollständigen Datenerhebung beruhe oder die Datenauswertung nicht den statistischen Anforderungen entspreche. Der Beklagte habe kein eigenständiges schlüssiges Konzept vorgelegt. Das SG habe mit zutreffender Begründung zunächst innerhalb des Mietspiegels nur die Wohnungen berücksichtigt, die bis 1984 bezugsfertig geworden seien. Der Wert des SG stelle sicher, dass keine Beschränkung auf das unterste Segment erfolge und rechtfertige die Annahme, dass ein ausreichend großer Teil von Wohnungen in diesem Segment auch tatsächlich angemietet werden könne. Das gelte insbesondere unter Berücksichtigung der Situation des Wohnungsmarkts in Duisburg, bei dem deutlich mehr als 50 % aller Wohnungen den Baualtersklassen I und II angehörten. Der Wert von 4,12 Euro entspreche in etwa dem Durchschnittswert, wie er sich aus der Mietpreisspanne von Wohnungen in einfacher Wohnlage - mit einem Abschlag von je 5 % - der Baualtersstufe I und Wohnungen der Baualtersstufe II der oberen Preisspanne ergebe (4,10 Euro). Es sei nicht zu beanstanden, dass das SG nicht auf die Durchschnittswerte aller Baualtersklassen, sondern auf die Mindestwerte abgestellt habe. Aus dem Durchschnittswert für die Baualtersklassen I bis IV ergebe sich vorliegend ein Betrag von 4,62 Euro, der sich am obersten Rand der Preisspanne der Wohnungen der Baualtersklasse I und am oberen Rand der Wohnungen der Baualtersklasse II bewegen würde, die zusammen aber deutlich mehr als 50 % aller Wohnungen in Duisburg ausmachten. Die von dem Beklagten vorgelegten Listen über preisgünstigen Wohnraum aus dem Jahr 2005 zeigten, dass zu einem Betrag von 4,12 Euro eine konkrete Wohnung für die Kläger ohne weiteres anzumieten gewesen wäre. Auch die Entscheidung des SG, den Beklagten zur Zahlung weiterer Nebenkosten in ausgeurteilter Höhe zu verpflichten, sei nicht zu beanstanden.

6

Zur Begründung ihrer Revision machen die Kläger geltend, die Annahme des LSG, der vom SG errechnete Mietpreis für einen Zweipersonenhaushalt garantiere, dass in nennenswertem Umfang Wohnungen mit einem im unteren, aber nicht im untersten Marktsegment liegenden Standard aus einem Wohnungssegment angemietet werden könne, das deutlich mehr als 50 % des gesamten Wohnungsbestandes der Stadt Duisburg umfasse, habe keine Grundlage in dem qualifizierten Mietspiegel der Stadt Duisburg. Die Verwendung der untersten Werte der Mietpreisspannen könne auch bei Einbeziehung der neueren Baualtersgruppen der Gebäude bis 1984 nicht für die Ermittlung angemessener Unterkunftskosten geeignet sein. Der Hinweis auf die Abschläge von den Tabellenwerten des Mietspiegels für einfache Wohnlagen überzeuge nicht. Der Duisburger Mietspiegel weise diese nicht gesondert aus, weil es nur sehr wenige in dem kleinen Stadtteil B und Teilbereichen des Stadtteils M sowie rund um den K gebe, die direkt an die Hochöfen der T AG angrenzten. Alle anderen Wohngebiete, geschätzt etwa 80 % der Stadtfläche, befänden sich in normaler Wohnlage, die durch mehr oder weniger modernisierte Altbauten, Zechensiedlungen und den typischen sozialen Wohnungsbau der 60iger und 70iger Jahre geprägt sei. Bei Anwendung des Mietspiegels müssten die Mittelwerte der Mietpreisspanne zur Anwendung kommen, wobei die Berücksichtigung von Gebäuden der Baualtersgruppen I und II bis 1960 in normaler Wohnlage ausreichend sei. Es gebe in Duisburg einen großen Altbaubestand, der in den Baualtersklassen bis 1960 mehr als die Hälfte aller Gebäude beinhalte. Auf der Basis des Mittelwertes des im Klagezeitraum geltenden Mietspiegels 2005 ergäben sich die geltend gemachten Beträge.

7

Die Kläger beantragen,
1. das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 28.8.2008 sowie das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29.4.2010 abzuändern und den Beklagten unter teilweiser Aufhebung seines Bescheides vom 24.10.2006 und des Änderungsbescheides vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.2.2007 zu verurteilen, ihnen über die bereits gewährten Unterkunftskosten hinaus weitere Unterkunftskosten für den Monat November 2006 in Höhe von 46,26 Euro, für Dezember 2006 in Höhe von 60,76 Euro und für Januar bis April 2007 in Höhe von je 67,80 Euro zu gewähren,
2. die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

8

Der Beklagte beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 28.8.2008 sowie das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29.4.2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen,
2. die Revisionen der Kläger zurückzuweisen.

9

Der Beklagte rügt eine Verletzung des § 22 Abs 1 SGB II. Diese sei darin zu sehen, dass das LSG unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 17.12.2009 (B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27)die Wohnverhältnisse der Stadt Essen und ihrem Essener Mietspiegel auf die Stadt Duisburg übertrage, ohne darzulegen, ob die Baualtersstruktur der Wohnungen in Essen denjenigen der Stadt Duisburg entspreche. Da der Mietspiegel nur zwischen Wohnungen in "normaler Wohnlage" und "guter Wohnlage" unterscheide, sei von den ermittelten Nettokaltmieten ein Abschlag von 5 % vorzunehmen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revisionen der Beteiligten sind im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG kann der Senat unter Berücksichtigung der generellen rechtlichen Anforderungen bei der Heranziehung von Mietspiegeln im Rahmen eines schlüssigen Konzepts zur Festlegung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten nicht abschließend beurteilen, ob die Kläger in dem streitigen Zeitraum von November 2006 bis April 2007 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II in der geltend gemachten Höhe beanspruchen können.

11

1. a) Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 24.10.2006 und 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.2.2007, wobei nur höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für November 2006 bis April 2007 im Streit sind. Bei diesen Leistungen handelt es sich um eine abtrennbare Verfügung des Gesamtbescheides, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl mit weiterer Begründung: BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl zur Nichtberücksichtigung der Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 ), zumindest für laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R, RdNr 11 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

12

b) Die Kläger haben hier nicht die Übernahme der Unterkunfts- und Heizkosten in tatsächlicher Höhe beansprucht, sondern begehren höhere Leistungen mit einer zahlenmäßigen Begrenzung ihres Klagebegehrens. Ob ein höherer Anspruch besteht, ist unter Berücksichtigung sämtlicher den Grund und die Höhe beeinflussender Anspruchsvoraussetzungen und Berechnungsfaktoren zu ermitteln, ohne dass eine Prüfung nur beschränkt auf die von den Klägern geltend gemachte Begründung erfolgt, es sei bei der Festlegung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten der (arithmetische) Mittelwert der Baualtersklasse II für Wohnungen bis zu 70 qm in einfacher Wohnlage (4,36 Euro) zugrunde zu legen. Der geltend gemachte Erhöhungsbetrag kann sich daher auch wegen anderer, bei der Ermittlung der Höhe der Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung zu prüfender Faktoren ergeben. Bei der abschließenden Feststellung der Höhe des Anspruchs des Klägers zu 2 ist auch sein bereinigtes Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen, das - nach Aktenlage - zwar seine Regelleistung überstieg, seinen Anspruch auf KdU jedoch nicht gänzlich entfallen ließ.

13

2. Unter Berücksichtigung der nachfolgenden Grundsätze zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs auf KdU und Heizung sind weitere Feststellungen des LSG erforderlich.

14

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 21; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 20). Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung weiter nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R, BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 20; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 15, 17).

15

Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese - falls vom Leistungsberechtigten entsprechende sachliche Gründe vorgebracht werden - solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 2 SGB II aF, der durch die Einführung des neuen Satzes 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706 - ohne inhaltliche Änderung zu Satz 3 wurde; vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R, BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 29; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 30). Da die angemessene Referenzmiete bereits bei der Ermittlung der abstrakt angemessenen Kosten so festzulegen ist, dass es dem Leistungsberechtigten grundsätzlich möglich ist, im gesamten räumlichen Vergleichsraum eine angemessene Wohnung anzumieten und allenfalls in einzelnen Regionen Deutschlands ein Mangel an ausreichendem Wohnraum besteht, dürfte für den Regelfall davon auszugehen sein, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft gibt (vgl bereits Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 36 sowie RdNr 29 zu möglichen persönlichen Umständen für den begründungspflichtigen Ausnahmefall; siehe auch BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen - für die Ermittlung der abstrakt angemessenen KdU unter Einbeziehung von qualifizierten Mietspiegeln RdNr 30).

16

Der Senat folgt dem LSG bei der Festlegung der angemessenen Wohnungsgröße (3) und des Vergleichsraums (4). Weitere Feststellungen sind jedoch zur abstrakt angemessenen Nettokaltmiete (5), den abstrakt angemessenen Betriebskosten (6) und den Heizkosten (7) erforderlich.

17

3. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 60 qm zu berücksichtigen ist. Die Bemessung der angemessenen Größe einer Wohnung erfolgt mit Bezug auf die anerkannten Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19), hier unter Berücksichtigung des im streitigen Zeitraum gültigen (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R, juris RdNr 15) Runderlasses des Ministeriums für Städtebau und Wohnen "Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG)" vom 8.3.2002 in der geänderten Fassung vom 21.9.2006. Dieser Erlass ist auch nach Inkrafttreten des Wohnraumförderungsgesetzes (WoFG) weiterhin auf Wohnungen, die seit dem 1.1.2003 nach dem WoFG gefördert worden sind, entsprechend anwendbar, soweit ausdrückliche Regelungen des WoFG nicht entgegenstehen (Ziff 1.11 VV-WoBindG). Ziff 5.7.1 VV-WoBindG bestimmt, dass in der Regel für einen Haushalt mit zwei haushaltsangehörigen Personen zwei Wohnräume oder 60 qm Wohnfläche iS von § 27 Abs 4 WoFG angemessen sind. Der Senat hat bereits entschieden, dass der Runderlass des Ministers für Bauen und Verkehr "Wohnraumförderbestimmungen (WFB)" vom 3.2.2004 in der geänderten Fassung vom 26.1.2006 nicht berücksichtigt werden kann, weil hierin die Größe der Wohnung lediglich mit der Anzahl der Zimmer verknüpft wird und nur die Anzahl der die Wohnung bewohnenden Personen Maßstab für die Wohnungsgröße ist (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 16).

18

4. Das LSG hat auch zutreffend bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Duisburg herangezogen. Entscheidend für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ist es, ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26, RdNr 15). In gleicher Weise wie bei der Stadt Essen, für die der Senat bereits einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen hat (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27), liegen die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch bezogen auf das Stadtgebiet von Duisburg vor.

19

5. a) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Duisburg als räumlichem Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsobergrenze) im streitigen Zeitraum mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht abschließend bestimmen.

20

Zugrunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard; die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Nach diesen inhaltlichen Vorgaben soll die Festlegung der Mietobergrenze auf der Grundlage eines deren Einhaltung ermöglichenden schlüssigen Konzepts erfolgen. Dies erfordert nach der Rechtsprechung des Senats, dass die Datenerhebung ausschließlich in dem genau eingegrenzten und über den gesamten Vergleichsraum erfolgt (keine "Ghettobildung"), der Beobachtungszeitraum und der Gegenstand der Beobachtung nachvollziehbar dargelegt sind, die Art und Weise der Datenerhebung festgelegt ist, die einbezogenen Daten repräsentativ sind und eine Validität der Datenerhebung angenommen werden kann. Bei der Datenauswertung müssen anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze eingehalten werden und Angaben über die gezogenen Schlüsse erfolgen (vgl zum schlüssigen Konzept im Einzelnen Urteil des Senats vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 26; vgl auch BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 7 und BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 25; vgl allgemein zur Verfahrens- und Vertretbarkeitskontrolle auch Berlitt in: info also 2010, 196).

21

b) Dabei hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest, wonach es Angelegenheit und Verantwortung des Grundsicherungsträgers ist, bereits im Verwaltungsverfahren ein solches schlüssiges Konzept zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten zu entwickeln. Die umfassende Ermittlung der Daten sowie deren Auswertung ist dessen Aufgabe und bereits für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig. Das Gericht hat anhand der von dem Grundsicherungsträger gelieferten Daten bzw der zusätzlich im Rahmen der Amtsermittlungspflicht von ihm angeforderten und zur Verfügung zu stellenden Daten und Unterlagen zu verifizieren, ob die angenommene Mietobergrenze angemessen iS des § 22 Abs 1 SGB II ist(vgl zu diesem Weg Urteil des Senats vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27). Entscheidet der Grundsicherungsträger - wie hier von dem LSG zu Recht angenommen (siehe hierzu nachfolgend) - ohne schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1 Halbs 2 SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und hat eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 26; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 25, RdNr 22). Wenn sich nach weiteren Ermittlungen des Grundsicherungsträgers und ggf des SG erweist, dass sich keine hinreichenden Feststellungen zu den angemessenen Unterkunftskosten für den streitigen Zeitraum und den Vergleichsraum mehr treffen lassen, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden dann wiederum durch die Tabellenwerte zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) bzw nunmehr § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben begrenzt. Wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten (vgl § 5 Abs 1 WoGG bzw nunmehr § 9 Abs 1 WoGG) ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei § 8 WoGG auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen(BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27 im Anschluss an BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 23; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26, RdNr 21).

22

c) Das LSG ist hier zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte kein eigenständiges schlüssiges Konzept entwickelt hat, weil die sogenannte "Schürkesliste", bei der es sich um eine Datenbank über freie Wohnungen in allen Größen, verteilt über das Duisburger Stadtgebiet handelt, und die weiteren Erhebungen des Beklagten den Gegenstand der Beobachtung nicht ausreichend eingrenzen und wesentliche Faktoren, wie zB den Wohnungsstandard, nicht ausreichend erfassen. Im Ansatz geht auch der Beklagte von einer Berechnung der angemessenen Nettokaltmiete unter Heranziehung der Daten des Mietspiegels aus, weil der von ihm zugrunde gelegte Wert von 3,94 Euro/qm seinen Ursprung im Mietspiegel für die Stadt Duisburg für das Jahr 1999 hat (Baualtersklasse I , einfache Wohnlage, Wohnungen bis 50 qm mit Heizung, Bad und Isolierverglasung).

23

d) Bei dem nachfolgend von den Vorinstanzen eingeschlagenen Weg, den vom Beklagten festgelegten Wert für die Nettokaltmiete anhand eines qualifizierten Mietspiegels zu verifizieren und abweichend festzulegen, sind die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, dass für die Bestimmung der angemessenen Referenzmiete im Rahmen eines schlüssigen Konzepts als eine Möglichkeit auf den Mietspiegel 2005 für die Stadt Duisburg zurückgegriffen werden kann (BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, Juris RdNr 16; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27,, RdNr 27; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 15/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; vgl nunmehr auch § 22c Abs 1 SGB II, der ausdrücklich vorsieht, dass zur Ermittlung der angemessenen KdU im Rahmen der neuen Satzungsregelungen ua Mietspiegel und qualifizierte Mietspiegel herangezogen werden können).

24

Bei dem Duisburger Mietspiegel 2005 handelt es sich um einen qualifizierten Mietspiegel, der nach § 558d Abs 1 BGB nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erarbeitet und von den Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist. Da bei der Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels die Repräsentativität der Stichprobe durch die Annahme der Chance gleicher Wahrscheinlichkeit der Abbildung der im Detail unbekannten Realität der Grundgesamtheit des Gesamtwohnungsbestandes fingiert wird (Gautzsch, Sozialrecht aktuell 2011, S 137, 139) und eine umfassende verfahrensrechtliche Absicherung durch die beteiligten Interessengruppen stattfindet, ist die Repräsentativität und Validität der Datenerhebung auch im Rahmen des schlüssigen Konzepts regelmäßig als ausreichend anzusehen (vgl hierzu bereits Urteil des Senats vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 28).

25

Zwar sind dem Mietspiegel 2005 der Stadt Duisburg keine gesonderten Werte für einfache Wohnlagen und Wohnungen nur einfachen Standards zu entnehmen, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen. Als Tabellenmietspiegel, bei dem die Struktur des Wohnungsmarktes in typischen Kategorien von Wohnungen beschrieben wird, die durch Kombination von Wohnwertmerkmalen bestimmt und denen die dazu passenden tatsächlich erhobenen Mietdaten zugeordnet werden (Gautzsch, Sozialrecht aktuell 2011, S 137, 139), berücksichtigt der Duisburger Mietspiegel sechs Baualtersklassen, die jeweils nochmals nur in die beiden Kategorien der normalen und guten Wohnlage aufgeteilt werden. Zusätzlich ist der Wohnbestand in vier Wohnflächengrößenklassen erfasst. Im Mietspiegel selbst werden ausschließlich Wohnungsausstattungen mit Heizung, Bad und Isolierverglasung einbezogen. Diese eingeschränkte Berücksichtigung von Wohnwertmerkmalen macht diesen Mietspiegel aber nicht grundsätzlich ungeeignet zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten. Wenn - wie hier - weiteres Datenmaterial vom Grundsicherungsträger nicht bereit gestellt wird bzw - zB wegen nur geringer Zahl von Wohnungen in einfacher Wohnlage - werden kann, ist vor einem ggf erforderlichem Rückgriff auf die Wohngeldtabelle unter Hinnahme von gewissen möglicherweise begünstigenden Spannbreiten zur Sicherstellung des Existenzminimums des Leistungsberechtigen im Bereich der KdU die Heranziehung der Daten eines qualifizierten Mietspiegels vorrangig zu prüfen.

26

e) Bei einem Herausgreifen nur bestimmter Mietspiegelwerte - wie hier erfolgt - muss allerdings - ggf durch weitere Ermittlungen - abgesichert werden, dass der hinter diesen berücksichtigten Werten stehende tatsächliche Wohnungsbestand im Vergleichraum die Anmietung einer angemessenen Wohnung im gesamten Vergleichsraum ermöglicht. Die Leistungsberechtigten dürfen auch nicht durch die Berücksichtigung nur bestimmter Mietspiegelfelder - de facto - auf bestimmte Bezirke oder Ortsteile mit besonders verdichteter Bebauung beschränkt werden, weil dies neben der tatsächlichen Ausklammerung eines Teils des Vergleichsraums gleichzeitig das Risiko einer Ghettoisierung birgt. Die zusätzliche Prüfung ist gefordert, weil es zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete für einen qualifizierten Mietspiegel ausreicht, wenn (nur) ein repräsentativer Rücklauf von Datensätzen (idR 30 Angaben) für die durch die jeweiligen Tabellenfelder beschriebenen Wohnungstypen vorhanden ist (Börstinghaus/Clar, Mietspiegel, 1997, S 223 ff; Börstinghaus, Miethöhe-Handbuch, 2009, Kapitel 6 RdNr 80). Die Besetzung einzelner Tabellenfelder eines Mietspiegels lässt daher zunächst nur die Vermutung zu, dass zum Zeitpunkt der Datenerhebung ein bestimmter Wohnungsmietwert auf dem Gesamtwohnungsmarkt überhaupt vorhanden ist (Gautzsch aaO, S 139) und erlaubt keinen Rückschluss auf seine Häufigkeit. Die einzelnen Mietspiegelfelder mit ihren Mietpreisen pro Quadratmeter haben insofern je nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Tabellenfeld tatsächlich im Vergleichsraum vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtwohnungsmarkt der mietspiegelrelevanten Wohnungen im Vergleichsraum (vgl hierzu grundlegend: BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 30).

27

f) Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen kann der Senat aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen, ob der von den Vorinstanzen zugrunde gelegte Wert von 4,12 Euro einer angemessenen Nettokaltmiete entspricht.

28

Der Betrag von 4,12 Euro/qm liegt unterhalb des Median (= Wert, der in der Mitte der nach der Höhe geordneten Mietwerte steht) der Wohnungen bis 70 qm ausschließlich der Baualtersklasse I (Wohnungen vor 1948) in normaler Wohnlage von 4,19 Euro/qm. Es kann nicht ohne weitere Ermittlungen davon ausgegangen werden, dass unter Heranziehung gerade nur des rechnerischen Durchschnittswerts aus den untersten Spannenwerten der Wohnungen in normaler Wohnlage der Baualtersklassen I bis IV im gesamten Vergleichsraum angemessener Wohnraum einfachen Standards in ausreichendem Maße vorhanden ist. Zu beachten ist auch, dass in den jeweiligen Mietspiegelfeldern ohne weitere Differenzierungen hinsichtlich der Ausstattungsmerkmale nur Wohnungen mit Heizung, Bad und Isolierverglasung erfasst werden, sodass Rückschlüsse auf einen (durchgängig höheren) Ausstattungsstandard von Wohnungen mit Mietpreisen an den oberen Spannenwerten der jeweiligen Mietspiegelfelder nicht möglich sein dürften. Insofern ist auch zu werten, dass für einzelne höherwertige Ausstattungsmerkmale (überdurchschnittliche Sanitär- und Elektroausstattung) nach den Erläuterungen zum Mietspiegel Zuschläge vorgenommen werden können. Die insofern vorgesehenen Abschläge von den Mietspiegelwerten (ua Wohnungen ohne Heizung, ohne Bad, ohne Warmwasser im Bad) sind bei der Festlegung einer angemessenen Miete außer Betracht zu lassen, weil diese Wohnungen nicht den einfachen, sondern den darunter liegenden untersten Standard widerspiegeln (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 29). Zwar hat das LSG dargelegt, dass der Wert von 4,12 Euro/qm in etwa dem Durchschnittswert entspreche, wie er sich aus der Mietpreisspanne von Wohnungen in einfacher Wohnlage (mit je einem Abschlag von 5%) der Baualtersstufe I und der Baualtersstufe II der oberen Preisspanne der normalen Wohnlagen ergebe. Insofern bezieht das LSG in seine Berechnungen aber Wohnungen in einfacher Wohnlage ein, die in Duisburg nach seinen Feststellungen nur in zahlenmäßig eingeschränktem Umfang zur Verfügung stehen und mangels Häufigkeit auch bei der Mietspiegelerstellung als nicht repräsentativ unberücksichtigt gelassen wurden.

29

Weitere tatsächliche Feststellungen sind auch wegen der vorgenommenen Ausklammerung bestimmter Baualtersklassen erforderlich. Zwar hat das LSG festgestellt, dass mehr als 50 % aller Wohnungen in Duisburg den Baualtersklassen I und II angehören. Unter qualitativen Gesichtspunkten können bestimmte Baualtersklassen aber nur ausgeklammert werden, wenn weitergehende Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung erkennen lassen, dass bestimmte Baualtersklassen den einfachen Standard nach Lage, Ausstattung und Bausubstanz nicht mehr nachvollziehbar abbilden, es sich also zB ausschließlich oder schwerpunktmäßig um das höhere oder obere Marktsegment handelt (vgl auch BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26, RdNr 19; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 28). Insofern sind noch ergänzende Feststellungen des LSG zu den - mit bestimmten Baualtersklassen ggf regelmäßig verbundenen - Standards erforderlich.

30

Zudem birgt die Ausklammerung bestimmter Baualtersklassen grundsätzlich das Risiko, dass die Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten doch nicht - wie gefordert - über den gesamten Vergleichsraum, sondern - de facto - nur beschränkt auf bestimmte Stadtteile erfolgt. Bei Heranziehung nur bestimmter Baualterklassen muss daher auch festgestellt werden können, dass diese Baualtersklassen grundsätzlich über alle Stadteile hinweg vorhanden sind (vgl Urteil des Senats vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 29 mit Einbeziehung nur von Wohnungen bis zur Baualtersklasse 1984 vor dem Hintergrund der Feststellungen des SG, dass Neubauwohnungen bis zu einem Alter von ca 20 Jahren nicht einen einfachen und im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad widerspiegeln, und des LSG, dass qualitativ unterschiedliche Wohnlagen in allen Stadteilen vorhanden sind; vgl auch Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25, wonach ein Abstellen auf Baualtersklassen nur möglich ist, soweit hieraus oder anderen Erkenntnisquellen auf den Standard von Wohnungen im Vergleichsraum geschlossen werden kann; sa BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 28).

31

g) Zu den hiernach noch geforderten tatsächlichen Feststellungen weist der Senat zunächst darauf hin, dass der Umfang der vorrangig vom Grundsicherungsträger nachzuholenden Ermittlungen bzw Auswertungen zu dem hinter den Tabellenfeldern liegenden Wohnungsbestand von dem - je nach Art des Mietspiegels - unterschiedlichen Datenmaterial, dem ggf "ausgeklammerten" Anteil von Wohnungen des Vergleichsraums (etwa bestimmter Baualtersklassen, Wohnlagen oder Standards) sowie dem gesamten Wohnungsbestand im Vergleichsraum abhängt.

32

Dabei kann zunächst das Datenmaterial herangezogen werden, das der Erstellung des Mietspiegels zugrunde liegt. Wegen der an den qualifizierten Mietspiegel anknüpfenden Rechtsfolgen muss die Erarbeitung des Mietspiegels grundsätzlich dokumentiert werden (BT-Drucks 14/4553, S 57; vgl Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, S 70; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R- SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 31). Mit der vom LSG in Bezug genommenen Dokumentation zum Duisburger Mietspiegel 2007 hat der Beklagte einen auch in diesem Verfahren auswertbaren Erläuterungsbogen übersandt, aus dem sich die Anzahl der knapp 230 000 frei finanzierten Wohnungen in Duisburg nach Miettabellenfeldern ergibt.

33

Bei der Auswertung der Mietspiegeldaten und ggf weiterem Zahlenmaterial kann sich ergeben, dass die Berücksichtigung von gewichteten Mittelwerten der (ggf nach Ausklammerung bestimmter Baualtersklassen, Wohnungsstandards oder Wohnlagen) herangezogenen Tabellenfelder - wegen der damit berücksichtigten tatsächlichen Häufigkeit - sicherstellt, dass ein ausreichender Bestand an den einbezogenen Wohnungen vorhanden und damit angemessener Wohnraum für den Leistungsberechtigten tatsächlich erreichbar ist; wegen der Besonderheiten von Mietspiegeln erfüllt die Bildung eines arithmetischen Mittelwertes die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept regelmäßig nicht (vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 32). Insofern lässt sich hier bereits dem vom Beklagten übersandten Erläuterungsbogen entnehmen, dass zB eine nicht nach tatsächlicher Häufigkeit gewichtete Einbeziehung des Mietwertes für Wohnungen der Baualtersklasse IV - in unproblematisch zu berücksichtigender normaler Wohnlage - eine nach dem tatsächlichen Wohnungsbestand im Vergleichsraum nicht gerechtfertigte Erhöhung der Angemessenheitsgrenze bewirken würde. Der Senat hat bereits entschieden, dass als Angemessenheitsgrenze der obere Spannenwert zu berücksichtigen ist, wenn - bei entsprechend vorhandenem Datenmaterial - nur die Wohnungen einfachen Standards zugrunde gelegt werden (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30 RdNr 21; so auch BSG Urteil vom 23.8.2011 - B 14 AS 91/10 R , RdNr 24), die vom Duisburger Mietspiegel aber nicht gesondert erfasst sind.

34

6. Weitere Ermittlungen sind auch zu den angemessenen abstrakten Betriebskosten iS des § 556 BGB erforderlich, die der Beklagte und ihm nachfolgend das SG in die Prüfung der angemessenen Bruttokaltmiete einbezogen haben(vgl zu den Ermittlungsschritten auf der Grundlage der Bruttokaltmiete als Vergleichsbasis: BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33f; vgl aber auch Urteil des Senats vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R, BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30 RdNr 23 zur Nettokaltmiete als Vergleichsbasis; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff).

35

7. Schließlich wird das LSG noch die Höhe der getrennt von den Unterkunftskosten auf ihre Angemessenheit zu prüfenden Heizkosten zu bestimmen haben (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; zuletzt BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 18; keine Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 24). Hier sind die Vorinstanzen offenbar von den tatsächlichen Heizkostenvorauszahlungen ausgegangen, für deren Unangemessenheit keine Anhaltspunkte vorliegen. Dieser Betrag ist aber ggf um die Kosten der Warmwasserbereitung zu bereinigen, wenn die Erwärmung des Wassers wie die Heizung über eine Gasetagenheizung erfolgt (vgl hierzu näher BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5). Hierzu fehlen Feststellungen des LSG.

36

Das LSG wird ggf noch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft (KdU) und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006.

2

Die verheirateten Kläger leben seit 24 Jahren in der Gemeinde G (ca 11 000 Einwohner) im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. G grenzt direkt an das Stadtgebiet der Stadt Freiburg im Breisgau (ca 220 000 Einwohner), die den Stadtkreis Freiburg bildet. Die Kläger bewohnen seit 2004 eine knapp 80 qm große, ihrem Sohn gehörende Drei-Zimmer-Wohnung, für die sie eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 572 Euro entrichten. Der Beklagte bewilligte seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen KdU und Heizung (Bescheid vom 27.11.2004), wies die Kläger aber gleichzeitig darauf hin, dass die Wohnung unangemessen teuer sei und die tatsächlichen Unterkunftskosten nur für eine Übergangszeit von längstens sechs Monaten übernommen werden könnten. Ab 1.7.2005 könne nur noch ein Betrag in Höhe von 306,60 Euro entsprechend einem Mietpreis von 5,11 Euro/qm für eine 60 qm große Wohnung in einem Zweipersonenhaushalt als Kaltmiete anerkannt werden. Einen erneuten Hinweis auf die für angemessen erachtete Miete sowie zur Senkung der Unterkunftskosten enthielt der Bescheid des Beklagten vom 29.4.2005, mit dem Leistungen für die Zeit vom 1.6.2005 bis 30.11.2005 bewilligt wurden. Der Antrag der Kläger auf Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006, mit dem der Beklagte für den Bewilligungszeitraum vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro monatlich zuzüglich Nebenkosten bewilligte, war ohne Erfolg (Bescheid vom 3.7.2006; Widerspruchsbescheid vom 27.7.2006). Für den weiteren Bewilligungszeitraum vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 erkannte der Beklagte gleichfalls nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro an (Bescheid vom 24.5.2006; Widerspruchsbescheid vom 3.7.2006).

3

Das SG hat den Beklagten unter Änderung der Bewilligungsbescheide und Aufhebung des Bescheids vom 3.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006 verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 unter Berücksichtigung einer Kaltmiete in Höhe von 572 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom 18.7.2008). Ihnen sei es nicht möglich gewesen, die Wohnkosten auf das tatsächlich angemessene Maß zu senken, weil sie von dem Beklagten nicht zutreffend belehrt worden seien.

4

Das LSG hat den Beklagten unter Abänderung des Urteils des SG verurteilt, den Klägern im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Zugrundelegung von Unterkunftskosten einschließlich kalter Nebenkosten in Höhe von monatlich 446,25 Euro zu gewähren, im Übrigen die Klage abgewiesen sowie die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Eine wirksame Kostensenkungsaufforderung liege vor. Der Beklagte habe in dem vorliegend streitigen Zeitraum aber kein schlüssiges Konzept für die Ermittlung der angemessenen KdU und Heizung. Der von ihm angenommene Quadratmeterpreis beruhe auf Erfahrungen, Bestätigung durch die sozialhilferechtliche Rechtsprechung zum BSHG, Beobachtung des Wohnungsmarktes und der Berücksichtigung des Freiburger Mietspiegels. Für den Vergleichsraum existiere kein Mietspiegel. Für den streitigen Zeitraum von 12/2005 bis 11/2006 könne der Beklagte - auch unter Mithilfe des Gerichts - ein schlüssiges Konzept nicht mehr erarbeiten oder ein bisheriges Konzept durch Verfeinerung bzw Ergänzung der Datenerhebung verändern. Auch das Gericht könne unter Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen und -mittel im Rahmen der Amtsermittlung, insbesondere auch Einholung eines Sachverständigengutachtens, für die inzwischen vier bzw fünf Jahre zurückliegenden Zeiträume weder ein schlüssiges Konzept noch eine entsprechende Datengrundlage ermitteln. Es seien daher grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger, "nach oben" begrenzt durch die Tabellenwerte zu § 8 WoGG (Höchstbetrag der Tabelle), maßgebend, die um einen - hier angemessenen fünfprozentigen - "Sicherheitszuschlag" zu erhöhen seien. Für die Höhe des Zuschlags sei maßgeblich, dass der Ort G einerseits zu einem eher ländlich geprägten Vergleichsraum im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehöre und andererseits die bestehende räumliche und infrastrukturelle Verbindung zur Großstadt Freiburg aufweise. Ein Vergleich mit dem Mietspiegel der Stadt Freiburg ergebe, dass der Zuschlag angemessen sei. Soweit die Aufwendungen der Kläger den angemessenen Mietpreis von 446,25 Euro überstiegen, handele es sich um unangemessene Kosten, die grundsätzlich nicht mehr übernommen würden. Der Senat habe den von den Klägern im Schriftsatz vom 21.6.2010 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 22.6.2010 gestellten Beweisanträgen nicht nachgehen müssen, weil diese unzulässig seien.

5

Mit ihren Revisionen machen die Kläger eine Verletzung von § 22 SGB II, §§ 103, 128 SGG geltend. Der Beklagte habe im streitigen Zeitraum die tatsächliche Nettokaltmiete in Höhe von monatlich 572 Euro zu übernehmen. Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die vom Beklagten festgesetzte Angemessenheitsgrenze fehlerhaft sei. Dies führe zur Unwirksamkeit der Kostensenkungsaufforderung, weil dieser Wert auch dort genannt werde mit der Folge, dass die tatsächlichen Kosten zu übernehmen seien. Wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis komme, dass die fehlerhaft bezifferte Angemessenheitsgrenze "nicht ursächlich" dafür sei, dass sie keine angemessene Wohnung gefunden hätten, weil sie gar nicht versucht hätten, eine andere Wohnung zu finden oder die Kosten zu senken, sei dies schlicht falsch. Sie hätten sich - wie ihre Dokumentation belege - umfangreich um eine günstigere Wohnung bemüht. Das LSG habe es versäumt, sachgerechte Ermittlungen zur Situation auf dem einschlägigen Wohnungsmarkt im streitigen Zeitraum anzustellen, obwohl umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung gestanden habe (Hinweis auf Gutachten zum Mietspiegel 2007 der Stadt Freiburg i.Br., Gemeinderatsdrucksache G-09/024, Untersuchung des Amtes für Statistik der Stadt Freiburg i.Br. aus 2004, Untersuchung des "Runden Tisches" der Stadt Freiburg i.Br. aus 2006 und Studie des Immobilienverbandes Deutschland von 2008). Ein Rückgriff auf § 8 WoGG sei deshalb unzulässig. Bei Auswertung der Erkenntnisquellen hätte das Berufungsgericht festgestellt, dass die tatsächlichen KdU angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II gewesen seien.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Juli 2008 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG im Wesentlichen für zutreffend. Die Stadt Freiburg i.Br. sei als Referenz- und Vergleichsmaßstab für den Flächenlandkreis Breisgau-Hochschwarzwald nicht tauglich.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

10

1. Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom 3.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006, mit dem der Beklagte den Überprüfungsantrag der Kläger in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 betreffend die KdU und Heizung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 abgelehnt hat. Weiterer Verfahrensgegenstand ist der Bewilligungsbescheid vom 24.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.7.2006, wobei auch hier nur höhere Leistungen der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 im Streit sind. Bei den Leistungen der Unterkunft und Heizung handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl zur Nichtberücksichtigung der Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte: BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).

11

2. Ob die Kläger einen Anspruch auf (teilweise) Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 SGB X und damit verbundenen höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 sowie für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 in Abänderung des Bescheides vom 24.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.7.2006 haben, lässt sich aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Zwar sind die Kläger Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014), weil dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des LSG zu entnehmen ist, dass sie im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch das 65. Lebensjahr vollendet haben (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II) waren und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Es fehlen jedoch Feststellungen sowohl zu den KdU als auch zu den Heizkosten.

12

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 14, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

13

Zwar reichen die Feststellungen des LSG zur angemessenen Wohnfläche (3) sowie zum Fehlen eines tragfähigen schlüssigen Konzepts des Beklagten (4) aus, nicht jedoch diejenigen zum Erkenntnisausfall zur Höhe der angemessenen Unterkunftskosten (5). Das LSG ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass die Kostensenkungsaufforderungen des Beklagten nicht bereits zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit der Kostensenkung führen (6). Sollte das LSG - nach weiterer Prüfung - auf die Tabellenwerte nach § 8 WoGG zurückgreifen, ist die Höhe des vom LSG zu den Tabellenwerten erhobenen Zuschlags zu korrigieren (7).

14

3. Das LSG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 60 qm zu berücksichtigen ist. Das Land Baden-Württemberg hat keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Zweipersonenhaushalte von einer Wohnfläche von 60 qm auszugehen. An diese Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen.

15

4. Nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) lag dem von dem Beklagten im streitigen Zeitraum im Vergleichsraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde, das den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG gerecht wird (vgl nur BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18 ff). Die weitere Feststellung des LSG, dass sich für den streitigen Zeitraum eine entsprechende Datengrundlage zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete nicht mehr ermitteln lässt und insofern ein Erkenntnisausfall vorliegt, reicht für eine Überprüfung durch den Senat aber nicht aus.

16

5. Zwar hat der erkennende Senat für den Fall des Ausfalls von lokalen Erkenntnismöglichkeiten aufgrund von fehlenden Ermittlungen des Grundsicherungsträgers eine Begrenzung der Amtsermittlungspflicht der Sozialgerichte für zulässig erachtet und ausdrücklich betont, dass es im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger sei, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu ermitteln (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 23; BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 26; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 21). Insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume (vgl zum Fehlen von Ermittlungsmöglichkeiten etwa durch Zeitablauf BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 27) brauchen deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden. Dies entbindet jedoch nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen muss erkennbar sein, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat.

17

Hieran fehlt es vorliegend. Zwar können die Feststellungen des LSG, dass ein Mietspiegel und weitere Erkenntnismöglichkeiten und -mittel nicht vorhanden seien, insbesondere - hier - auch ein Sachverständigengutachten für die inzwischen mehrere Jahre zurückliegenden Zeiträume nicht mehr eingeholt werden könne, einen Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG rechtfertigen. Den Ausführungen des LSG kann jedoch nicht zweifelsfrei entnommen werden, auf welchen Vergleichsraum sich diese Feststellungen beziehen, inwieweit es im streitigen Zeitraum - also den Jahren 2005 und 2006 - konkret an einer hinreichenden Datengrundlage fehlt und hierauf aufbauend, warum hierdurch wiederum die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts für die hier denkbaren Vergleichsräume ausscheidet. Obgleich hierzu im sozialgerichtlichen Verfahren von den Beteiligten unterschiedliche Auffassungen vertreten worden sind, hat das LSG im Ergebnis offen gelassen, wie sich der Vergleichsraum im konkreten Fall darstellt. Auch wenn davon auszugehen ist, dass jedenfalls die Gemeinde G als Wohnort der Kläger Teil des Vergleichsraums ist, muss das LSG als Tatsacheninstanz anhand der allgemeinen rechtlichen Vorgaben für die Festlegung des Vergleichsraums (vgl hierzu BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 20 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 24) bestimmen, ob hier weitere Umlandgemeinden, Teile von Freiburg bzw das gesamte Stadtgebiet von Freiburg in die Festlegung des Vergleichsraums einzubeziehen sind. Nur vor diesem Hintergrund ist erkennbar, ob die Feststellung des Erkenntnisausfalls auf einem zutreffenden rechtlichen Maßstab zur Bestimmung eines Vergleichsraums erfolgt ist. Das LSG wird mithin im wiedereröffneten Berufungsverfahren zunächst den Vergleichsraum zu bestimmen haben.

18

6. Der Senat folgt dem Berufungsgericht aber darin, dass die Kostensenkungsaufforderung des Beklagten nicht zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit der Kostensenkung führt.

19

Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 2 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der durch die Einführung des neuen S 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706 - ohne inhaltliche Änderung zu S 3 wurde). Die Kläger wurden mit den Bewilligungsbescheiden vom 27.11.2004 und 29.4.2005 durch die Angabe der aus Sicht des Beklagten angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 306,60 Euro sowie über die aus seiner Sicht bestehende Rechtslage hinreichend informiert. Dies ist ausreichend. Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits mehrfach entschieden haben, stellt § 22 Abs 1 S 2 SGB II keine über eine Aufklärungs- und Warnfunktion hinausgehenden Anforderungen(BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 29; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 7, RdNr 20 ff; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 40; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 16). Der Streit darüber, ob die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage zu klären, welche Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II abstrakt angemessen sind(BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, RdNr 34).

20

7. Kommt das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu dem Ergebnis, dass ein schlüssiges Konzept für den festgelegten Vergleichsraum nicht erarbeitet werden kann, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden dann wiederum durch die Tabellenwerte zu § 8 WoGG (bzw für Zeiträume ab 1.1.2009 § 12 WoGG) im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt. Wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten (vgl § 5 Abs 1 WoGG aF bzw nunmehr § 9 Abs 1 WoGG) nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei § 8 WoGG auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27 im Anschluss an BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26, RdNr 21). Der Sicherheitszuschlag ist im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich. Denn es kann beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27).

21

Vor diesem Hintergrund ist das LSG vorliegend von unzutreffenden Kriterien zur Bestimmung des Zuschlags ausgegangen. Die in § 8 WoGG festgeschriebenen Werte erheben nicht den Anspruch, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden. Der Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/ Dietrich/Fröba, WoGG, Loseblatt, 65. Lfg Mai 2011, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die tatsächliche Miete den in § 8 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist.

22

Bei der Bestimmung des Zuschlages ist daher zu beachten, dass es sich nicht um eine einzelfallbezogene Anwendung auf einen konkreten, tatsächlichen Sachverhalt, die dem LSG unter Beachtung der Verhältnisse des regionalen Wohnungsmarktes obliegt, handelt. Vielmehr ist er unter Berücksichtigung genereller, abstrakter Kriterien festzulegen. Ein Rückgriff auf die regionalen Verhältnisse kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil gerade erst der Ausfall der Erkenntnismöglichkeiten im räumlichen Vergleichsgebiet zur Anwendung von § 8 WoGG führt. Bereits durch die jeweiligen im WoGG verankerten Mietenstufen fließen regionale Unterschiede in die Bestimmung der zu übernehmenden KdU ein. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 8 WoGG (rechte Spalte) einen Zuschlag in Höhe von 10 % als angemessen, aber auch ausreichend(vgl BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; ebenfalls 10 % bejahend: LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 24.4.2007 - L 7 AS 494/05; Urteil vom 11.3.2008 - L 7 AS 332/07; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 26.5.2010 - L 12 <20> SO 37/07; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 26.8.2010 - L 5 AS 4/08; Hessisches LSG Urteil vom 20.12.2010 - L 9 AS 239/08; LSG Sachsen Anhalt Urteil vom 3.3.2011 - L 5 AS 181/07; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 30.9.2011 - L 3 AS 17/09; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 8.12.2011 - L 25 AS 1711/07).

23

8. Da es das LSG unterlassen hat, Feststellungen zu den angemessenen Heizkosten zu treffen, kann der Senat die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen für die Heizung nicht überprüfen. Das LSG wird deshalb im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch die getrennt von den Unterkunftskosten auf ihre Angemessenheit zu prüfenden Heizkosten zu bestimmen haben.

24

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung des Klägers in der Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010.

2

Der 1970 geborene Kläger bewohnt eine 55 qm große Wohnung in H. Ab dem 1.8.2009 betrug die monatliche Grundmiete 270 Euro. Die Betriebskostenvorauszahlung belief sich auf 100 Euro monatlich sowie die Heizkostenvorauszahlung auf 53 Euro monatlich. Die Warmwasseraufbereitung erfolgte zentral über die Heizungsanlage.

3

Die Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend: Beklagter) gewährte dem Kläger für die Zeit vom 1.8.2009 bis 31.1.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, ua Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 416,21 Euro (370 Euro Bruttokaltmiete + 53 Euro Heizkostenvorauszahlung abzüglich eines Warmwasserabschlages in Höhe von 6,79 Euro). Mit Schreiben vom 22.7.2009 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass die monatliche Kaltmiete in Höhe von 270 Euro sowie die monatlichen kalten Nebenkosten in Höhe von 100 Euro den von ihm für angemessen erachteten Umfang überstiegen und forderte zur Kostensenkung auf. Der angemessene Höchstbetrag für die Kaltmiete belaufe sich auf 213,75 Euro (45 qm x 4,75 Euro/qm) sowie für die kalten Nebenkosten auf 90 Euro (45 qm x 2 Euro/qm). Er beabsichtige, ab dem 1.2.2010 nur noch die angemessenen Unterkunftskosten zu berücksichtigen.

4

Mit Bescheid vom 13.1.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, wovon mtl 349,96 Euro auf die Kosten der Unterkunft und Heizung (Nettokaltmiete 213,75 Euro + 90 Euro kalte BK + Heizkosten 46,21 Euro) entfielen. Auf den gegen die Höhe der bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung erhobenen Widerspruch des Klägers änderte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 13.1.2010 teilweise ab und gewährte - unter Berücksichtigung monatlicher Heizkosten von 46,53 Euro (Heizkosten 53 Euro abzüglich Warmwasser in Höhe von 6,47 Euro) - nunmehr Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 350,28 Euro. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 1.3.2010).

5

Das SG hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 13.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.3.2010 verurteilt, dem Kläger von Februar bis Juli 2010 Leistungen nach dem SGB II unter Zugrundelegung einer angemessenen Nettokaltmiete in Höhe von 237,50 Euro und angemessenen Betriebskosten in Höhe von 100 Euro zuzüglich angemessener Heizkosten zu bewilligen (Urteil vom 17.11.2010). Das LSG hat die von dem Beklagten erhobene Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird, dem Kläger weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 33,75 Euro monatlich für die Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 zu bewilligen (Urteil vom 16.5.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das SG habe zutreffend eine Grundmiete von 237,50 Euro monatlich als angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II angesehen. Es sei dabei richtigerweise von einer angemessenen Wohnungsgröße von 50 qm für einen Alleinstehenden ausgegangen. Zur Überzeugung des Senats sei die angemessene Wohnfläche im Rahmen der Produkttheorie anhand der im streitigen Bewilligungszeitraum aktuell gültigen Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zur Belegung von gefördertem Wohnraum zu bestimmen. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des BSG, wonach für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze in Ermangelung anderweitiger Erkenntnisquellen grundsätzlich an die anerkannten Wohnraumgrößen für Wohngeldberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau und deshalb an die für die Belegung von gefördertem Wohnraum maßgebenden Vorschriften anzuknüpfen sei. Für die Belegung von gefördertem Wohnraum seien ab dem 1.1.2010 in Nordrhein-Westfalen die in Nr 8.2 der Wohnungsnutzungsbestimmungen (WNB) angesetzten Werte maßgeblich, mithin für einen Ein-Personen-Haushalt 50 qm. Andere Erkenntnisquellen zur Bestimmung der angemessenen Wohnraumgröße im unteren Segment des Wohnungsmarktes seien nicht ersichtlich. Auch das BSG gehe von einer möglichen Dynamisierung der Werte als Folge von Änderungen der maßgeblichen Verwaltungsvorschriften aus. Es habe dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine überragende Bedeutung beigemessen und eine Heranziehung anderweitiger Verwaltungsregelungen zur Bestimmung der Wohnflächen nur dann für vertretbar angesehen, wenn aktuelle Verwaltungsvorschriften zu § 10 WoFG nicht existierten, was vorliegend jedoch nicht der Fall sei. Hierbei habe das BSG an die Rechtsprechung des BVerwG angeknüpft. Durch die Anhebung des Wertes von 45 qm auf 50 qm im Land Nordrhein-Westfalen sei lediglich eine Anpassung an die in anderen Bundesländern übliche Praxis erfolgt. Weiter habe das SG den Vergleichsraum mit dem Stadtgebiet der kreisangehörigen Stadt H. zutreffend festgestellt. Unter Zugrundelegung dessen könne vorliegend als den Wohnungsstandard widerspiegelnder, abstrakt angemessener Quadratmeterpreis ein Betrag von 4,75 Euro/qm angesetzt werden, dessen Angemessenheit zwischen den Beteiligten unstreitig gestellt sei. Die Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 100 Euro monatlich habe der Beklagte in voller Höhe zu übernehmen.

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II. Das LSG habe sich zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche zu Unrecht auf Nr 8.2 der WNB gestützt. Vielmehr sei auch nach Inkrafttreten der WNB weiterhin auf die Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz und mithin auf eine angemessene Wohnfläche für Alleinstehende von 45 qm abzustellen. Dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers. Diesem habe bei Einführung des SGB II zum 1.1.2005 die damalige Situation vor Augen gestanden. Anhaltspunkte für eine sich am Wohnungsbauförderungsrecht orientierende Dynamisierung seien nicht ersichtlich. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die für Hilfebedürftige angemessene Wohnfläche sich mit der Zeit ändern solle, zumal § 22 Abs 1 SGB II und das Wohnraumförderungsrecht unterschiedliche Zwecke verfolgten. Auch Gründe der Rechtssicherheit und Praktikabilität sprächen nicht für die Anwendung der aktuellen WNB. Im Übrigen fehle es für die Anpassung der abstrakt angemessenen Wohnfläche an der Notwendigkeit. Im Gegensatz zu der Höhe der Regelleistung dürfte sich an der Fläche, die ein Mensch für ein menschenwürdiges Dasein benötige, nichts mehr ändern. Soweit in bestimmten Situationen ein erhöhter Wohnflächenbedarf bestehe, habe dies bereits nach altem Recht berücksichtigt werden können.

7

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Aachen vom 17. November 2010 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die Ausführungen der Vorinstanzen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung (§ 170 Abs 2 S 2 SGG)begründet. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, in welcher Höhe dem Kläger in der Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen.

11

1.a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 13.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.3.2010, mit dem der Beklagte dem Kläger im streitigen Zeitraum ua Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 350,28 Euro (213,75 Euro Nettokaltmiete, 90 Euro kalte Betriebskosten, 53 Euro Heizkosten abzüglich 6,47 Euro Warmwasserabschlag) bewilligt hat und gegen den der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) vorgeht. Da sich vorliegend nur der Beklagte mit der Berufung gegen das beide Beteiligte beschwerende Urteil des SG gewandt hat, war ein über die Verurteilung hinausgehender Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung schon nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.

12

b) Der Kläger hat den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Bei diesen handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - RdNr 11 - SozR 4-4200 § 22 Nr 46; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr 11 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

13

2. Unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen hat das BSG jedoch den Anspruch des Klägers auf Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Insoweit mangelt es jedoch an hinreichenden Feststellungen des LSG. Das LSG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass durch das "Unstreitigstellen" bestimmter Teilaspekte des Anspruchs auf Leistungen der Unterkunft und Heizung - hier der abstrakt angemessenen Nettokaltmiete und den abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten - es einer weiteren Darlegung dieser Aspekte nicht bedurfte.

14

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 21; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 20; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung weiter nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 20; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 15, 17; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 14 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

15

Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese - falls vom Leistungsberechtigten entsprechende sachliche Gründe vorgebracht werden - solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 2 SGB II aF, der durch die Einführung des neuen S 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706 - ohne inhaltliche Änderung zu S 3 wurde; vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 29; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 30).

16

Der Senat folgt dem LSG bei der Festlegung der angemessenen Wohnungsgröße und des Vergleichsraums. Diese Feststellungen allein genügen allerdings nicht zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete.

17

3. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße für einen Ein-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 50 qm zu berücksichtigen ist. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist - entsprechend der vom LSG vorgenommenen Auslegung des Landesrechts - in Nordrhein-Westfalen ab dem 1.1.2010 auf die in Nr 8.2 der WNB (MBl NRW 2010, 1) festgesetzten Werte zurückzugreifen. Diese sehen für einen Ein-Personen-Haushalt anstelle von bisher 45 qm eine Wohnfläche von 50 qm vor.

18

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; zuletzt BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 17 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Maßgeblich sind die im streitigen Zeitraum gültigen Bestimmungen (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 14 f; BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 86/09 R - RdNr 18; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr 17). Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtete sich damit grundsätzlich nach den Werten, die die Länder aufgrund von § 10 Wohnraumförderungsgesetz vom 13.9.2001 (BGBl I 2379) (bzw zu der vorherigen Vorschrift des § 5 Abs 2 Wohnungsbindungsgesetz) festgelegt hatten. Maßgeblich für Nordrhein-Westfalen war damit Ziff 5.7.1 der Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG) vom 8.3.2002 in der geänderten Fassung vom 21.9.2006 (Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport, Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8.3.2002, 396, 400; vgl nur BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 - RdNr 16; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr 17). Zum 1.1.2010 ist im Zuge der Föderalismusreform mit dem Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG-NRW) (Art 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen vom 8.12.2009) das WoFG in Nordrhein-Westfalen abgelöst worden. Gleichzeitig sind mit dem Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009 Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB, MBl NRW 2010, 1) zum Vollzug der Teile 4 bis 6 des WFNG NRW erlassen worden und in Kraft getreten. Diese ersetzen die bisherigen VV-WoBindG. Nach Nr 19 S 2 der WNB treten die VV-WoBindG mit Ausnahme der Nr 8 bis 8b.3 und 22 und der Anlage mit Ablauf des 31.12.2009 außer Kraft. Für die Belegung von gefördertem Wohnraum (vgl § 18 WFNG NRW, der Nachfolgevorschrift zu § 27 WoFG - vgl LT-Drucks 14/9394, S 96) sind ab dem 1.1.2010 daher die in Nr 8.2 der WNB angesetzten Werte für Wohnflächen maßgeblich.

19

Dass - wie der Beklagte einwendet - der mit der Angemessenheitsprüfung verbundene Zweck im Rahmen des § 22 SGB II mit den Zwecken des sozialen Wohnungsbaus nicht übereinstimme, wird durch den Rückgriff auf die von den Ländern erlassenen Vorschriften zum sozialen Wohnungsbau ohnehin bewusst in Kauf genommen(vgl bereits BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 15). Insoweit kommt dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine überragende Bedeutung zu. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, ist eine Heranziehung anderweitiger Verwaltungsregelungen zur Bestimmung der Wohnfläche nur dann vertretbar, wenn aktuelle Verwaltungsvorschriften zu § 10 WoFG nicht existieren(vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R). Dies ist auf die Situation in NRW im streitigen Zeitraum zu übertragen. Das WFNG-NRW ist zum 1.1.2010 an die Stelle des WoFG und somit auch des § 10 WoFG getreten. Mit § 18 WFNG-NRW existiert für den Wohnungsberechtigungsschein eine Nachfolgevorschrift zu § 27 WoFG(vgl LT-Drucks 14/9394, 96), der in Abs 4 auf die Bestimmungen der Länder zur maßgeblichen Wohnungsgröße verwies. Welche Wohnungsgröße iS des § 18 Abs 2 WFNG-NRW in der Regel angemessen ist, bestimmt nunmehr Ziffer 8.2 der WNB. Mithin existiert eine aktuelle Bestimmung zur Wohnungsfläche im sozialen Wohnungsbau, die anzuwenden ist.

20

Zudem ist zu berücksichtigen, dass Leistungsberechtigte nach dem SGB II zumindest Teil der Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung sind. Hierauf hat bereits der ebenfalls für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständige 14. Senat des BSG hingewiesen (BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 86/09 R - RdNr 19). Demnach folgt aus § 1 Abs 2 WoFG, dass Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung Haushalte sind, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind; insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen. Hierzu gehören auch Haushalte, deren Mitglieder Leistungen nach dem SGB II beziehen. Nichts anderes ergibt sich aus der im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschrift des § 2 WFNG-NRW.

21

Auch liegt der Schluss nahe, dass - soweit in Nordrhein-Westfalen die Vorschriften über die Wohnflächen gegenüber der bisherigen Regelung erhöht werden - eine entsprechende Anzahl kleinerer Wohnungen für Mieterhaushalte im sozialen Wohnungsbau tatsächlich nicht vorhanden ist. Hieraus folgt, dass solche Wohnungen dann aber auch nicht für Leistungsberechtigte nach dem SGB II zur Verfügung stehen (vgl BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 86/09 R - RdNr 18).

22

Demgegenüber ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 22 SGB II(BT-Drucks 15/1516, S 57) - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht, dass die Ermittlung der angemessenen Wohnfläche keinen Veränderungen unterworfen werden sollte. Es heißt dort lediglich, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung wie in der Sozialhilfe in tatsächlicher, angemessener Höhe berücksichtigt werden, wobei sie den am Maßstab der Sozialhilfepraxis ausgerichteten - angemessenen - Umfang nur dann und solange übersteigen dürfen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder zuzumuten ist, die Aufwendungen für die Unterkunft zu senken. Wie der Beklagte selbst ausführt, entsprach es der sozialhilferechtlichen Praxis, die durch das BVerwG bestätigt wurde (vgl BVerwG Urteil vom 21.1.1993 - 5 C 3/91 - BVerwGE 92, 1, 3; BVerwG Urteil vom 17.11.1994 - 5 C 11/93 - BVerwGE 97, 110, 112 f), dass die Frage nach der sozialhilferechtlich angemessenen Wohnfläche anhand der Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften unter Rückgriff auf die Verwaltungsvorschriften der Länder zu § 5 Abs 2 WoBindG zu beantworten war. Diese Vorschriften wurden sodann zum 1.1.2002 durch das WoFG mit entsprechenden Durchführungsbestimmungen abgelöst, auf die in der Folgezeit grundsätzlich abzustellen war (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, aaO). Nicht anders verhält es sich, wenn durch den Übergang der Gesetzeskompetenz vom Bund auf die Länder landesrechtliche Vorschriften das WoFG abgelöst haben und entsprechende neue Durchführungsvorschriften erlassen worden sind.

23

Auch die Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 26.10.2010 (BT-Drucks 17/3404, S 101) geht grundsätzlich von der Maßgeblichkeit der aktuellen Vorschriften zum sozialen Wohnungsbau aus. Durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) ist zum 1.4.2011 die Möglichkeit des Verordnungsgebers auf Grundlage des § 27 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) eine bundeseinheitliche Bestimmung angemessener Wohnungsgrößen durch Verordnung zu erlassen (vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 18; Urteile vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 16 und - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 14) -, weggefallen. Stattdessen können die Länder, die Kreise und kreisfreien Städte nun durch Gesetz ermächtigt oder verpflichtet werden, durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind (vgl § 22a SGB II). In der Satzung ist auch zu bestimmen, welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt wird (vgl § 22b Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II). Nach der Gesetzesbegründung soll sich die Festlegung angemessener Wohnflächen an den Wohnflächen orientieren, die auf dem örtlichen Markt für Haushalte im Niedrigeinkommensbereich ohne Transferleistungen üblich sind. In Ballungsräumen könne in der Regel davon ausgegangen werden, dass die von Personen im Niedrigeinkommensbereich bewohnten Wohnungen durchschnittlich kleiner seien als die Werte der aktuellen Wohnungsbauförderung. Seien belastbare Daten hierzu nicht verfügbar, könnten der Festsetzung hilfsweise die landesrechtlichen Wohnraumförderbestimmungen zugrunde gelegt werden (vgl dazu BSGE 97, 254 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 3).

24

4. Nach den Feststellungen des LSG ist die Heranziehung des Stadtgebiets der Stadt H. als maßgeblicher Vergleichsraum nicht zu beanstanden. Es handelt sich danach um einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich (zu den Anforderungen an den maßgeblichen Vergleichsraum siehe nur BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR § 22 Nr 19, RdNr 21).

25

5. Der Senat kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG jedoch nicht abschließend beurteilen, ob der von den Vorinstanzen zugrunde gelegte Quadratmeterpreis von 4,75 Euro und mithin eine monatliche Nettokaltmiete von 237,50 Euro abstrakt angemessen sind.

26

Eine rechtliche Einschränkung des Prüfungsumfangs durch das "Unstreitigstellen" bestimmter unselbstständiger Berechnungselemente innerhalb eines einheitlichen Anspruchs auf die abstrakte Rechtsfrage, welche Wohnungsgröße im Rahmen der Anwendung der Produkttheorie zugrunde zu legen ist, ist nicht möglich. Das "Unstreitigstellen" solcher Teilaspekte hat nicht zur Folge, dass das Gericht hieran gebunden ist (vgl BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG Urteil vom 23.8.2011 - B 14 AS 165/10 R - RdNr 16 - SozR 4-4200 § 11 Nr 43). Derartige Erklärungen entbinden das Gericht nicht davon darzulegen, welchen Streitstoff es nach eigener Überzeugungsbildung für maßgebend hält. Durch entsprechende Erklärungen geben die Beteiligten lediglich zum Ausdruck, dass sie von einem bestimmten Sachverhalt ausgehen und die tatsächlichen Grundlagen des Rechtsstreits insoweit aus ihrer Sicht geklärt sind. Dies steuert die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 13; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 68/07 R - BSGE 102, 258 = SozR 4-4225 § 1 Nr 1, RdNr 10). Nur wenn die Annahme naheliegt, dass weitere oder abweichende Tatsachen für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung sind, muss das Gericht in eine weitere Ermittlung des tatsächlichen Streitstoffs einsteigen. Von der Pflicht zur nachvollziehbaren Darlegung einzelner Anspruchselemente entbinden solche Erklärungen jedoch hingegen nicht.

27

Hieran fehlt es vorliegend, denn das LSG hat es unterlassen nachvollziehbar darzulegen, warum der vom Beklagten angesetzte Quadratmeterpreis von 4,75 Euro abstrakt angemessen ist und insofern den vom BSG aufgestellten Anforderungen an ein schlüssiges Konzept (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 26; vgl auch BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 7 und BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42) entspricht. Diese Feststellung ist jedoch - gemeinsam mit Feststellungen zur angemessenen Wohnungsgröße und zum Vergleichsraum - zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 SGB II unerlässlich. Dies wird das LSG im wiederöffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

28

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Mai 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II), insbesondere Leistungen für Unterkunft und Heizung für Juni 2006.

2

Der im Jahr 1965 geborene, alleinstehende Kläger bewohnt eine 55,86 qm große Wohnung in Bernburg (Saale). Im strittigen Zeitraum betrugen pro Monat seine Kaltmiete 285,61 Euro, seine Vorauszahlung für die Betriebskosten 37,10 Euro und für die Heizkosten einschließlich Warmwasserbereitung 54,92 Euro, insgesamt 377,63 Euro. Mit Bescheid vom 24.11.2004 bewilligte die Agentur für Arbeit Bernburg dem Kläger Leistungen für Januar bis Juni 2005 und wies darauf hin, die unangemessenen Kosten der Unterkunft würden für längstens sechs Monate übernommen. Der damalige Landkreis Bernburg, ein zugelassener kommunaler Träger und Rechtsvorgänger des jetzigen Beklagten, der ebenfalls ein zugelassener kommunaler Träger ist (im Weiteren: der Beklagte), führte mit Schreiben vom 5.1.2005 aus, die Größe der Wohnung übersteige die angemessene Wohnfläche von 50 qm, als Kaltmiete seien 4 Euro pro qm, für die Betriebs- und Heizkosten seien 2,10 Euro pro qm angemessen, insgesamt also (50 x 6,1 =) 305 Euro.

3

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 1.7. bis 31.12.2005 letztlich pro Monat eine "Kaltmiete" von 212,98 Euro und für Heiz- und Nebenkosten 92,02 Euro (Bescheid vom 8.7.2005, Änderungsbescheide vom 27.9.2005 und vom 24.11.2005) und für die Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006 dieselben Beträge (Bescheid vom 27.12.2005). Die Widersprüche des Klägers wurden zurückgewiesen (für das Jahr 2005: Widerspruchsbescheid vom 7.3.2006; für das Jahr 2006: Widerspruchsbescheid vom 8.3.2006).

4

Das Sozialgericht hat die Klagen verbunden und abgewiesen (Urteil vom 17.11.2008). Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Kläger ua die Nebenkostenabrechnung seines Vermieters vom 20.12.2005 für das Jahr 2004 vorgelegt, nach der er innerhalb von zwei Wochen 100,67 Euro nachzahlen musste, und das Verfahren ausdrücklich auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Das Landessozialgericht (LSG) hat den Beklagten unter Änderung der genannten Bescheide verurteilt, dem Kläger pro Monat für Juli bis Dezember 2005 und für Februar bis Juli 2006 jeweils weitere 52 Euro und für Januar 2006 weitere 153 Euro als Leistungen für die Unterkunft und Heizung zu zahlen und die Berufung des Klägers im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 9.5.2012). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei Berechtigter iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Als angemessene Wohnfläche für Ein-Personen-Haushalte sei im Land Sachsen-Anhalt von 50 qm aufgrund der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsbaus in Sachsen-Anhalt auszugehen. Ob als örtlicher Vergleichsraum auf den früheren Landkreis Bernburg abzustellen sei, insbesondere im Hinblick auf die Kreisstadt Bernburg (Saale), in der der Kläger lebe, und die kleineren kreisangehörigen Gemeinden, könne dahinstehen.

5

Die Ermittlungen und Vorgaben des Beklagten für den Landkreis Bernburg, einschließlich der Stadt Bernburg (Saale), erfüllten in den strittigen Jahren 2005 und 2006 nicht die Anforderungen an ein "schlüssiges Konzept" nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG): Der herangezogene Mietspiegel stamme aus dem Jahr 1999 und sei kein qualifizierter Mietspiegel nach § 558d Bürgerliches Gesetzbuch, die Daten der befragten Wohnungsanbieter seien unzureichend und ein Vergleich von Werten innerhalb des Konzepts des Beklagten zeige, dass es in sich widersprüchlich sei. Die eigenen Ermittlungen des Senats beim statistischen Landesamt und dem Verband der Wohnungswirtschaft hätten nicht zu einer validen Datengrundlage geführt. Der Beklagte habe die vom Senat gestellten Fragen nicht beantworten können und sei seiner Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht nachgekommen. Aus der Erarbeitung eines schlüssigen Konzepts für das Jahr 2012 durch den Beklagten ergebe sich nichts anderes, weil dieses keine Aussagekraft für das Jahr 2005 habe, da sich der Wohnungsmarkt, die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr, das Vorhandensein von Arbeitsplätzen in kürzerer Zeit verändere.

6

Die Aufwendungen des Klägers für seine Unterkunft seien jedoch nicht unbegrenzt zu übernehmen. Nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29) gebe es eine "Angemessenheitsgrenze nach oben", die aus den Tabellenwerten nach § 8 Wohngeldgesetz in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (WoGG aF) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % abzuleiten sei. Bernburg (Saale) gehöre zur Mietenstufe II, deren Höchstbetrag für Kaltmiete einschließlich kalter Betriebskosten belaufe sich danach für Ein-Personen-Haushalte auf 280 Euro, zuzüglich 10 % ergäben sich 308 Euro pro Monat. Die höheren Aufwendungen des Klägers seien nicht zu übernehmen, insofern sei seine Berufung zurückzuweisen.

7

Die Heizkosten errechneten sich ausgehend von einer Vorauszahlung von 54,92 Euro abzüglich der Kosten für die Warmwasserbereitung von 5,97 Euro mit 48,95 Euro pro Monat, im Juli 2006 jedoch mit 48,70 Euro aufgrund der Erhöhung der Regelleistung. Für den Januar 2006 sei als weiterer Bedarf die Nebenkostenabrechnung des Vermieters in Höhe von 100,67 Euro zu berücksichtigen. Mithin ergebe sich als monatlicher Anspruch des Klägers für Juli bis Dezember 2005 und für Februar bis Juni 2006 insgesamt 356,95 Euro, gerundet 357 Euro, für Juli 2006 356,70 Euro, gerundet 357 Euro, für Januar 2006 457,62 Euro, gerundet 458 Euro. Abzüglich der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung von monatlich 305 Euro verblieben die ausgeurteilten Restansprüche.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte unter Vorlage eines "Schlüssigen Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft im Salzlandkreis" aus dem Jahr 2012 die Verletzung formellen und materiellen Rechts: Das LSG habe § 22 Abs 1 SGB II verletzt, weil es zur Bestimmung der Angemessenheit auf § 8 WoGG aF zurückgegriffen habe, obwohl ein schlüssiges Konzept habe erarbeitet werden können. Es habe seine Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG verletzt, weil es weitere Ermittlungen zum schlüssigen Konzept habe anstellen, das angekündigte schlüssige Konzept des Beklagten aus dem Jahr 2012 abwarten und ggf ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Außerdem habe es die Bestimmung des örtlichen Vergleichsraums unzutreffenderweise dahingestellt sein lassen.

9

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Mai 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Im Rahmen eines Teilvergleichs hat der Beklagte sich verpflichtet, an den Kläger wegen der Nebenkostenabrechnung dessen Vermieters weitere 100,67 Euro für Januar 2006 als Leistungen für die Unterkunft und Heizung zu zahlen, und haben sich die Beteiligten hinsichtlich weiterer Leistungen für die Unterkunft und Heizung für die Monate Juli 2005 bis Mai 2006 sowie Juli 2006 dem Ausgang des Rechtsstreits für den Monat Juni 2006 unterworfen.

Entscheidungsgründe

12

Auf die Revision des Beklagten ist das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 9.5.2012 aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet, weil aufgrund der Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden kann, ob der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Übernahme von weiteren Leistungen für Unterkunft und Heizung hat (§ 170 Abs 1, 2 SGG).

13

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist aufgrund des Teilvergleichs der Beteiligten im Revisionsverfahren nur noch das Begehren des allein revisionsführenden Beklagten, das Urteil des LSG, dem Kläger für Juni 2006 weitere 52 Euro als Leistungen für Unterkunft und Heizung zu zahlen, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

14

2. Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. An der Zulässigkeit eines auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkten Rechtsmittels (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18)hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert (BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

15

3. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten und vom LSG zugesprochenen Anspruch auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung sind § 19 Satz 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 1, § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Die Grundvoraussetzungen für die Leistungsgewährung nach § 7 SGB II erfüllte der im Leistungsbezug nach dem SGB II stehende Kläger, wie sich aus den Feststellungen des LSG ergibt.

16

Zu den im Rahmen des Arbeitslosengeldes II zu erbringenden Leistungen gehören auch solche für die Unterkunft und Heizung, die in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zwischen der Leistung für die Unterkunft und der Leistung für die Heizung ist zu unterscheiden, wie schon dem Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals Leistungen sowie der Rechtsprechung des BSG zu entnehmen ist, sie sind aber keine eigenständigen Streitgegenstände (vgl nur BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 18).

17

4. Die Leistung für die Heizung hat das LSG ausgehend von einer Vorauszahlung von 54,92 Euro abzüglich der Kosten für die Warmwasserbereitung von 5,97 Euro (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) mit 48,95 Euro pro Monat zutreffend bestimmt; von den Beteiligten sind insoweit keine Bedenken erhoben worden.

18

5. Soweit das LSG hinsichtlich der Leistung für die Unterkunft auf die Tabellenwerte nach dem WoGG zurückgegriffen hat, ist das Urteil jedoch mangels ausreichender Feststellungen zum zugrunde gelegten örtlichen Vergleichsraum aufzuheben.

19

Zur Bestimmung der Leistung für die Unterkunft ist zunächst der abstrakt angemessene Bedarf unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln. Liegen die tatsächlichen Aufwendungen der leistungsberechtigten Person über diesem Betrag, ist der konkret angemessene Bedarf zu prüfen, einschließlich der Zumutbarkeit einer Kostensenkung und der Durchführung eines Kostensenkungsverfahrens (vgl ua BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19 ff; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 12 ff; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 20 ff).

20

Bei der Ermittlung des abstrakt angemessenen Bedarfs für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen und unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro qm Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums zu zahlen ist. Zu der so ermittelten Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen (vgl BSG aaO). Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben für die Zeit vor dem 1.1.2009 durch die Tabellenwerte der rechten Spalte zu § 8 WoGG aF plus einem Sicherheitszuschlag von 10 % (vgl nur BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff mwN).

21

Die angemessene Wohnfläche für den Kläger als Alleinstehenden beträgt 50 qm, wie das LSG unter Zugrundelegung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsbaus in Sachsen-Anhalt, RdErl des Ministeriums für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen (MRS) vom 23.2.1993, MBl Sachsen-Anhalt Nr 27/1993, S 1285 sowie RdErl des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr (MWV) vom 10.3.1995, MBl für Sachsen-Anhalt Nr 31/1995, S 1133) zutreffend ausgeführt hat und wogegen von Seiten der Beteiligten keine Einwände erhoben wurden.

22

Dem LSG kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit es einerseits die Bestimmung eines örtlichen Vergleichsraums ausdrücklich dahingestellt gelassen hat sowie andererseits das Vorliegen eines "schlüssigen Konzepts" des Beklagten zur Ermittlung der Nettokaltmiete verneint und auf die Erfolglosigkeit eigener Ermittlungsversuche verwiesen hat. Denn die Entscheidung über ein schlüssiges Konzept oder den Erfolg eigener Ermittlungen setzt die Festlegung eines - örtlichen - Vergleichsraums voraus, auf den sich diese Beurteilung bezieht (ebenso BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17). Insofern mag zwar eine Wahlfeststellung, zB die Wohnortgemeinde, der Bezirk des Beklagten usw, zulässig sein, nicht aber, wie vorliegend, ein völliges Dahingestelltlassen (vgl zu den rechtlichen Vorgaben für die Festlegung eines Vergleichsraums BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 20 ff; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 24; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand der Kommentierung Oktober 2012, K § 22 RdNr 96 ff).

23

Ausgehend von der Bestimmung eines solchen örtlichen Vergleichsraums wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob sich aufgrund der ursprünglichen Ermittlungen und möglicher weiterer Angaben des Beklagten sowie dritter Stellen für die strittige Zeit Juni 2006 ein "schlüssiges Konzept" nach der Rechtsprechung des BSG (vgl insbesondere BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30)ermitteln lässt. Dabei ist zu beachten, dass es im Wesentlichen eine Aufgabe des beklagten Grundsicherungsträgers ist, für seinen Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu ermitteln, und insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume keine unverhältnismäßig aufwändigen Ermittlungen durchgeführt werden müssen. Dies entbindet jedoch das LSG nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten für den maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nicht entwickelt werden kann (vgl nur BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 mwN).

24

Dass ein einfacher und mehrere Jahre zurückliegender Mietspiegel, unzureichende Datenerhebungen bei befragten Wohnungsanbietern und ein in sich widersprüchliches "Konzept" nicht ausreichen, wie vorliegend vom LSG festgestellt und keinem Beteiligten gerügt, entspricht der Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17 mwN). Inwieweit das vom Beklagten im Laufe des Revisionsverfahrens vorgelegte "Schlüssige Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft im Salzlandkreis" aus dem Jahr 2012 verwertbar ist oder nicht, wird das LSG ebenfalls nach Bestimmung des örtlichen Vergleichsraums zu prüfen haben, zumal der Kreis Bernburg nur ein Teil dieses neuen Kreises ist.

25

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Dezember 2011 geändert.

Die Bescheide des Beklagten vom 29. Juli 2008, 17. September 2008, 6. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2009 werden geändert und der Beklagte wird verurteilt, den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 17,50 Euro für Oktober 2008 zu zahlen.

Die Bescheide des Beklagten vom 24. März 2009, 31. März 2009, 6. Juni 2009, 14. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2009 werden geändert und der Beklagte wird verurteilt, den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils 7 Euro monatlich für August und September 2009 zu zahlen.

Hinsichtlich weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung für November 2008 wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Altenburg zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere für Unterkunft und Heizung im Oktober und November 2008 sowie August und September 2009.

2

Die im Jahr 1982 geborene Klägerin zu 1 und ihr am 2002 geborener Sohn, der Kläger zu 2, bei dem ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, H, RF, Gl festgestellt sind, bewohnten in der strittigen Zeit eine 2,5-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 60,99 m² in K Pro Monat betrug die Grundmiete 322 Euro, hinzu kamen Vorauszahlungen für sonstige Nebenkosten von 22 Euro, Kaltwasser von 53 Euro, Heiz- und Warmwasserkosten von 80 Euro, die zum 1.11.2008 für Kaltwasser auf 61 Euro, Heiz- und Warmwasserkosten auf 92 Euro erhöht wurden (monatliche Aufwendungen insgesamt 477 bzw 497 Euro). Seinem Bescheid vom 20.2.2006 hatte das beklagte Jobcenter als Anlage eine Belehrung über "Rechtsfolgen im Falle unangemessener Aufwendungen für Unterkunft und/oder Heizung" beigefügt und mitgeteilt, den Klägern stehe eine Kaltmiete, einschließlich kalter Betriebskosten von 345 Euro plus Heizkosten ohne Warmwasserbereitung von 60 Euro, insgesamt also 405 Euro pro Monat zu. Von Juli bis September 2006 erbrachte der Beklagte die Leistungen nur noch unter Berücksichtigung dieses Betrags. Von Juli 2007 bis Ende April 2008 lebte eine weitere Person - im Folgenden G - ebenfalls in der Wohnung, ohne mit den Klägern eine Bedarfsgemeinschaft zu bilden, und der Leistungsberechnung wurden dadurch die vollen, auf die Anteile der Kläger entfallenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zugrunde gelegt.

3

Für Oktober 2008 bis März 2009 bewilligte der Beklagte monatliche Leistungen von 405 Euro für Unterkunft und Heizung an die Kläger (Bescheid vom 29.7.2008, Änderungsbescheid vom 17.9.2008). Nachdem die Klägerin zu 1 den Anstieg der Vorauszahlung zum 1.11.2008 angezeigt hatte, lehnte der Beklagte mit weiterem Bescheid vom 29.9.2008 eine Übernahme der erhöhten Vorauszahlung ab. Nachdem G zum 1.12.2008 wieder in die Wohnung eingezogen war, berücksichtigte der Beklagte ab diesem Zeitpunkt wieder anteilig die vollen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung der Kläger, für Oktober und November verblieb es bei den bewilligten Beträgen (Änderungsbescheid vom 6.2.2009). Der schon zuvor eingelegte Widerspruch der Kläger wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 25.2.2009).

4

Der Beklagte bewilligte aufgrund wechselnden Einkommens der Klägerin zu 1 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von April bis September 2009 den Klägern zunächst nur vorläufig, dann vorübergehend endgültig und schließlich für Juli bis September 2009 wieder vorläufig, wobei er für August und September monatlich von "Kosten der Unterkunft und Heizung" in Höhe von 405 Euro ausging (Bescheide vom 24.3.2009, 31.3.2009, 6.6.2009, 14.7.2009; Widerspruchsbescheid vom 15.7.2009).

5

Das Sozialgericht (SG) hat die erhobenen Klagen verbunden und die Bescheide vom 29.7.2008, 17.9.2008, 6.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.2.2009 geändert und den Beklagten verurteilt, an die Kläger "weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft" für Oktober 2008 in Höhe von 44,37 Euro und für November 2008 in Höhe von 50,50 Euro zu zahlen, die Bescheide vom 24.3.2009, 31.3.2009, 6.6.2009, 14.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.7.2009 geändert und den Beklagten verurteilt, an die Kläger "weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft" für August und September 2009 in Höhe von 74 Euro monatlich zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 14.12.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin zu 1 erfülle die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, der Kläger zu 2 bilde mit ihr eine Bedarfsgemeinschaft, da er seinen Lebensunterhalt nicht vollständig aus eigenem Einkommen und Vermögen bestreiten könne. Nach den einschlägigen landesrechtlichen Vorschiften sei für einen Haushalt von zwei Personen von einer Wohnfläche von 60 m² auszugehen. Entgegen der Auffassung der Kläger könne zB für Behinderte oder Alleinerziehende keine generelle Erhöhung der angemessenen Wohnfläche auf 75 m² vorgenommen werden. Der Beklagte habe keinerlei Überlegungen zum Vergleichsraum angestellt und weder die Unterkunftsrichtlinie des Saale-Holzland-Kreises noch dessen späteren Bearbeitungsrichtlinien oder die weiter vorgenommenen Modifizierungen genügten den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Aufgrund des Ausfalls lokaler Erkenntnismöglichkeiten seien die tatsächlichen Aufwendungen der Hilfebedürftigen für Unterkunft und Heizung zu übernehmen, begrenzt durch eine aus den Tabellenwerten des Wohngeldgesetzes (WoGG) abgeleitete Angemessenheitsgrenze nach oben. K sei wie der gesamte Saale-Holzland-Kreis nach der ab 1.1.2009 geltenden Wohngeldverordnung der Mietstufe 2 zuzuordnen, nur die Stadt E sei in der Zeit vorher der Stufe 3 zuzuordnen gewesen. Nach der Tabelle zu § 8 WoGG ergebe sich für zwei Haushaltsmitglieder ein Höchstbetrag von 345 Euro einschließlich kalter Betriebskosten. Nach der Tabelle zu § 12 WoGG in der Fassung vom 24.9.2008 (BGBl I 1856), die ab 1.1.2009 gelte, ergebe sich ein Betrag von 380 Euro. Zusammen mit einem angemessenen Zuschlag von 10 % sei in 2008 von 379,50 Euro und im Jahr 2009 von 418 Euro auszugehen.

6

Im Oktober 2008 habe die Bruttokaltmiete 397 Euro betragen, davon habe der Beklagte 345,13 Euro übernommen, die Differenz zum angemessenen Wert von 379,50 Euro seien 34,37 Euro, die der Beklagte noch zu zahlen habe. Im November 2008 habe die Bruttokaltmiete 405 Euro betragen, davon habe der Beklagte 345,13 Euro übernommen, die Differenz zu dem auch in diesem Monat angemessenen Wert von 379,50 Euro seien ebenfalls 34,37 Euro. Im August und September 2009 habe die Bruttokaltmiete ebenfalls jeweils 405 Euro betragen, davon habe der Beklagte wiederum jeweils 345,13 Euro übernommen. Der angemessene Höchstwert von 418 Euro nach dem WoGG plus Zuschlag liege über den tatsächlichen Aufwendungen, sodass pro Monat nur die Differenz zwischen 405 Euro und 345,13 Euro, also 59,87 Euro vom Beklagten noch zu zahlen seien.

7

Hinsichtlich der getrennt zu berechnenden Heizkosten sei, da ein kommunaler Heizspiegel nicht vorliege, vom bundesweiten Heizspiegel auszugehen. Für das Abrechnungsjahr 2008 ergebe sich bei einer Gasheizung und einer Wohnanlage mit insgesamt ca 710 m² zu beheizender Fläche, wie bei den Klägern, als Grenze der angemessenen Kosten 15,20 Euro je Quadratmeter Wohnfläche und Jahr, umgerechnet auf 60 m² pro Monat seien dies 76 Euro (15,20 : 12 x 60). Ausgehend von den festgestellten Heizkostenvorauszahlungen der Kläger für Oktober 2008 von 80 Euro und für November 2008 von 92 Euro verblieben nach der Kürzung um die Kosten der Warmwasserbereitung von 10,13 Euro (6,33 Euro für die Klägerin zu 1 und 3,80 Euro für den Kläger zu 2) für Oktober 2008 Heizkosten von 69,67 Euro und für November 2008 von 81,87 Euro. Nach Abzug der vom Beklagten tatsächlich gezahlten 59,87 Euro ergebe sich für Oktober ein Restanspruch von 10 Euro und für November von 16,13 Euro, weil für diesen Monat nicht auf die Vorauszahlung, sondern die Grenze der angemessenen Heizkosten von 76 Euro abzustellen sei. Für August und September 2009 ergebe sich nach dem bundesweiten Heizspiegel für das Abrechnungsjahr 2009 ein angemessener Betrag von maximal 74 Euro. Die monatliche Heizkostenvorauszahlung der Kläger von 92 Euro liege auch nach Abzug der Kosten der Warmwasserbereitung von 11 Euro über diesem Grenzbetrag, sodass der Beklagte nur die Differenz zwischen seiner tatsächlichen Zahlung von 59,87 Euro und der Angemessenheitsgrenze von 74 Euro zu übernehmen habe, also 14,13 Euro pro Monat. Die Addition der monatlichen Nachzahlbeträge für die Unterkunft und die Heizung ergebe die tenorierten Beträge, im Übrigen sei die Klage abzuweisen.

8

Mit der vom SG zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 22 SGB II und machen insbesondere geltend: Es sei keine ordnungsgemäße Kostensenkungsaufforderung erfolgt, der Beklagte sei von einer unzutreffenden Wohnfläche ausgegangen, da nicht von 60 m², sondern aufgrund von Sonderregelungen für Behinderte und Alleinerziehende in der Thüringer Verwaltungsvorschrift von 75 m² für die Bedarfsgemeinschaft der Kläger auszugehen sei. Hätte das SG diese erhöhte Wohnfläche seiner Entscheidung zugrunde gelegt, hätte es die Aufwendungen der Kläger für Unterkunft und Heizung dem Beklagten in voller Höhe auferlegen müssen. Die Berechnung der Heizkosten sei unzutreffend, weil der Heizkostenspiegel nach Aussage seiner Verfasser kein geeignetes Instrument für die Einzelfallentscheidung nach dem SGB II sei.

9

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Dezember 2011 zu ändern,

1. die Bescheide des Beklagten vom 29. Juli 2008, 17. September 2008, 6. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2009 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 17,50 Euro für Oktober 2008 und in Höhe von 31,37 Euro für November 2008 zu zahlen sowie

2. die Bescheide des Beklagten vom 24. März 2009, 31. März 2009, 6. Juni 2009, 14. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2009 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils 7 Euro monatlich für August und September 2009 zu zahlen.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Sprungrevision der Kläger ist zum Teil begründet und das Urteil des SG vom 14.12.2011 ist zu ändern. Unter Änderung der entsprechenden Bescheide ist der Beklagte zu verurteilen, den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 17,50 Euro für Oktober 2008 (dazu 3.) und von jeweils 7 Euro monatlich für August und September 2009 (dazu 4.) zu zahlen. Hinsichtlich der begehrten weiteren Leistungen für Unterkunft und Heizung für November 2008 ist der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen (dazu 5.).

12

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist neben der Änderung der angefochtenen Vorentscheidungen das Begehren der allein die Revision führenden Kläger auf vollständige Übernahme ihrer tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in den strittigen Monaten.

13

Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Die Beschränkung des Streitgegenstandes in materiell-rechtlicher Hinsicht allein auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung ist zulässig (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18). Hieran hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453; im Folgenden: SGB II nF) zumindest für laufende Verfahren nichts geändert (BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

14

2. Rechtsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung sind § 19 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 1, Abs 3, § 22 Abs 1, § 28 SGB II. Die Grundvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, erfüllte die Klägerin zu 1 in den streitigen Zeiträumen von Oktober bis November 2008 und August bis September 2009 nach den Feststellungen des SG. Anhaltspunkte für einen Ausschlusstatbestand sind nicht zu erkennen (vgl § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4, 5 SGB II). Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2, ihr in ihrem Haushalt lebender 2002 geborener Sohn, der seine Bedarfe nicht aus eigenem Einkommen decken kann, bilden eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 Nr 1, 4 SGB II).

15

Zu den im Rahmen des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes zu erbringenden Leistungen gehören auch solche für die Unterkunft und Heizung, die in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 Satz 3 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706).

16

3. Für den Oktober 2008 ist der Beklagte unter Änderung seiner Bescheide vom 29.7.2008, 17.9.2008, 6.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.2.2009 zu verurteilen, den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 17,50 Euro für Oktober 2008 zu zahlen. Dieser Betrag folgt aus ihren tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung von 477 Euro (Grundmiete 322 Euro, Vorauszahlungen für sonstige Nebenkosten von 22 Euro, Kaltwasser von 53 Euro und Heizkosten 80 Euro), abzüglich den vom Beklagten bewilligten 405 Euro und den vom SG zugesprochenen weiteren 44,37 Euro sowie den Kosten der Warmwasserbereitung von 10,13 Euro (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) (477 - 405 - 44,37 - 10,13 = 17,50).

17

Die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für die Unterkunft und Heizung im Oktober 2008 sind der Berechnung ihrer Leistungen zugrunde zu legen, weil G erst Ende April 2008 - also keine sechs Monate vorher - aus der gemeinsamen und von den Klägern weiterhin bewohnten Wohnung ausgezogen ist; die Höhe der abstrakt oder konkret angemessenen Aufwendungen ist insofern nicht entscheidungserheblich.

18

Die Regelung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II, nach der unangemessene Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung als Bedarf solange - in der Regel jedoch längstens für sechs Monate - zu berücksichtigen sind, wie es nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, die Aufwendungen zu senken, greift auch bei Änderungen in der Bewohnerzahl, wie zB dem Auszug eines Mitbewohners.

19

§ 22 SGB II über die Leistungen für Unterkunft und Heizung knüpft an die einschlägigen sozialhilferechtlichen Vorschriften im Bundesozialhilfegesetz (BSHG) an (BT-Drucks 15/1516 S 57). Diese enthielten ebenfalls eine derartige "Zumutbarkeitsregelung" (so zB BVerwG vom 30.5.1996 - 5 C 14/95 - BVerwGE 101, 194, Juris RdNr 16 ff) zur Übernahme von unangemessenen Kosten der Unterkunft, nicht aber eine Sechs-Monatsgrenze (vgl § 3 Abs 1 DVO zu § 12 BSHG). Die in Rechtsprechung und Literatur vertretene Länge der Frist für die Übernahme unangemessener Kosten schwankte je nach Einzelfall und reichte bis zu neun Monaten (vgl OVG Hamburg vom 13.7.1993 - Bs IV 142/93: 4 Monate nach Auszug des Ehepartners; OVG Lüneburg vom 28.9.1994 - 4 L 5583/93 - info also 1995, 166, Juris RdNr 43: 6 Monate; Hofmann in LPK-BSHG, 5. Aufl 1998, § 12 RdNr 31: 6 Monate; Wenzel in Fichtner, BSHG, 2. Aufl 2003, § 12 RdNr 13 mwN: 6 bis 9 Monate). Die Regelung soll bezwecken, dass eine leistungsberechtigte Person nicht sofort zB bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit gezwungen ist, ihre bisherige Wohnung aufzugeben (so zum BSHG: BVerwG vom 30.5.1996 - 5 C 14/95, aaO; zum SGB II: BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 23). Dieser Zweck greift ebenso, wenn aus einer Haushaltsgemeinschaft eine Person auszieht und der Unterkunftsbedarf für die verbliebene(n) Person(en) unangemessen hoch ist.

20

Wie auch unter dem BSHG ist der Erhalt einer größeren Wohnung mit Hilfe von Leistungen nach dem SGB II zeitlich nicht unbegrenzt schutzwürdig, vielmehr ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut mit der Wendung "in der Regel jedoch längstens für sechs Monate" eine im Regelfall bestehende Grenze. Dementsprechend hat der Senat, wenn der auswärtige Aufenthalt eines Partners im Vorhinein auf unter sechs Monate beschränkt ist, eine Umzugs-Obliegenheit für den verbliebenen Partner der Bedarfsgemeinschaft verneint (BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 23). Auch nach der Literatur zu § 22 SGB II können Änderungen in der Bewohnerzahl die Übernahme von abstrakt unangemessenen Kosten für eine Übergangszeit rechtfertigen, als angemessener Zeitraum zB nach Auszug eines Mitbewohners zur entsprechenden Neuorientierung werden bis zu sechs Monate angesehen(Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 138). Die Sechs-Monatsfrist ist jedoch kein starrer Zeitraum, vielmehr sind Abweichungen nach oben und nach unten zulässig (Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 12/2012, § 22 RdNr 78), wie schon dem Wortlaut der Norm zu entnehmen ist.

21

Gründe für ein Abweichen von dieser Sechs-Monatsfrist sind vorliegend jedoch weder von Amts wegen zu erkennen, noch von einem Beteiligten geltend gemacht worden. Angesichts des Auszugs des G Ende April 2008 lief die Frist erst Ende Oktober 2008 ab und die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für Unterkunft und Heizung für diesen Monat sind zu erbringen.

22

4. Für August und September 2009 ist der Beklagte unter Änderung seiner Bescheide vom 24.3.2009, 31.3.2009, 6.6.2009, 14.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.7.2009 zu verurteilen, den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils 7 Euro monatlich zu zahlen. Dieser Betrag folgt aus ihren tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung pro Monat von 497 Euro (Grundmiete 322 Euro, Vorauszahlungen für sonstige Nebenkosten von 22 Euro, Kaltwasser von 61 Euro und Heizkosten 92 Euro), abzüglich den vom Beklagten bewilligten 405 Euro und den vom SG zugesprochenen weiteren 74 Euro sowie den Kosten der Warmwasserbereitung von 11 Euro (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) (497 - 405 - 74 - 11 = 7).

23

Der Berechnung der Leistungen sind - aus den zuvor aufgezeigten Gründen - die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für die Unterkunft und Heizung im August und September 2009 zugrunde zu legen, weil G nach seinem zwischenzeitlichen Wiedereinzug ab 1.12.2008 zum 1.5.2009 wieder aus der gemeinsamen und von den Klägern weiterhin bewohnten Wohnung ausgezogen ist und die Sechs-Monatsfrist ab diesem Auszug noch lief.

24

5. Für November 2008 mangelt es an ausreichenden Feststellungen des SG zur Beurteilung, ob den Klägern die beantragten weiteren 31,37 Euro Leistungen für Unterkunft (dafür 25,50 Euro) und Heizung (dafür 5,87 Euro) zustehen. Insoweit ist der Rechtsstreit zurückzuverweisen.

25

Zur Bestimmung der Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, die getrennt zu prüfen sind, auch wenn sie keine eigenständigen Streitgegenstände sind, ist zunächst der jeweils abstrakt angemessene Bedarf unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln. Liegen die tatsächlichen Aufwendungen der leistungsberechtigten Person über diesem Betrag, ist der konkret angemessene Bedarf zu prüfen, einschließlich der Zumutbarkeit einer Kostensenkung und der Durchführung eines Kostensenkungsverfahrens seitens des beklagten Jobcenters (vgl ua BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19 ff; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 12 ff; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 20 ff).

26

Ob als Leistung für die Unterkunft weitere 25,50 Euro zuzusprechen sind, weil das SG nur 379,50 Euro berücksichtigt hat und die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für die Bruttokaltmiete 405 Euro betrugen (Grundmiete von 322 Euro, sonstige Nebenkosten von 22 Euro, Kaltwasserkosten von 61 Euro), kann nicht abschließend beurteilt werden. Zwar hat das SG den abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarf der Kläger zu Recht mit 379,50 Euro bestimmt, jedoch hat es keine Feststellungen dazu getroffen, dass dieser Betrag auch konkret angemessen ist.

27

a) Bei der Ermittlung des abstrakt angemessenen Bedarfs für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen und unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro m² Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums zu zahlen ist. Zu der so ermittelten Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen (vgl BSG aaO). Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben für die Zeit vor dem 1.1.2009 durch die Tabellenwerte der rechten Spalte zu § 8 WoGG aF plus einem Sicherheitszuschlag von 10 % (vgl nur BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff mwN).

28

Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für die Kläger beträgt 60 m². Dass die abstrakte angemessene Wohnungsgröße für Zweipersonenhaushalte in der strittigen Zeit in Thüringen 60 m² waren, hat das SG unter Hinweis auf die "Richtlinie für die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus in besonderen Gebietskulissen zur Innenstadtstabilisierung im Freistaat Thüringen für das Programmjahr 2008" vom 1.4.2008 als auch der als landesrechtliche Ausführungsbestimmung des Freistaates Thüringen nach § 10 Wohnungsförderungsgesetz ergangenen "Verwaltungsvorschrift zum Vollzug der Bindungen geförderter Wohnungen"(Thüringer Staatsanzeiger 2004, 1669) in der Fassung der Änderung vom 7.11.2008 (Thüringer Staatsanzeiger 2008, 1901) zutreffend festgestellt.

29

Entgegen dem Vorbringen der Revision ist die abstrakt angemessene Wohnungsgröße weder wegen der Alleinerziehung der Klägerin zu 1 noch wegen der Behinderung des Klägers zu 2 zu erhöhen, wie der Senat in seinem Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 19 ff ausführlich begründet hat. Gründe, von dieser Auffassung abzuweichen, sind im vorliegenden Verfahren nicht vorgebracht worden oder zu erkennen.

30

Aufgrund eines örtlichen Vergleichsraums - ausgehend vom Wohnort der Kläger und dem Saale-Holzland-Kreis als Zuständigkeitsbezirk des Beklagten - hat das SG zu Recht ein schlüssiges Konzept des Beklagten und die Möglichkeit entsprechender Nachermittlungen verneint.

31

Überlegungen zur Bestimmung eines maßgeblichen örtlichen Vergleichsraums hat der Beklagte nach den Feststellungen des SG keine angestellt, obwohl dies die logische Voraussetzung zur Entwicklung eines schlüssigen Konzepts ist. Das SG hat zwar seinerseits ebenfalls keinen Vergleichsraum ausdrücklich festgelegt, es hat die Antwort auf diese Frage aber im Unterschied zu den Vorinstanzen in den Urteilen des 4. Senats des BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17 und des erkennenden Senats vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - nicht dahinstehen lassen, sondern hat seinen weiteren Überlegungen insbesondere bei der Anwendung des WoGG ausgehend vom Wohnort der Kläger den Zuständigkeitsbereich des Beklagten und damit den Saale-Holzland-Kreis zugrunde gelegt. Es hat damit der Anforderung, dass nur ausgehend von einem bestimmten örtlichen Vergleichsraum ein schlüssiges Konzept aufgestellt und überprüft werden sowie bei dessen Nichtvorliegen nur bezogen auf einen bestimmten örtlichen Vergleichsraum eine Entscheidung aufgrund des WoGG erfolgen kann, noch ausreichend Rechnung getragen.

32

Zutreffenderweise hat das SG des Weiteren ein schlüssiges Konzept (vgl dazu insbesondere BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30)des Beklagten zur Bestimmung der Netto-Kaltmiete und die Möglichkeit, ein solches aufgrund von Beweiserhebungen seitens des Gerichts zu ermitteln, verneint. Die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts ist im Wesentlichen eine Aufgabe des beklagten Grundsicherungsträgers, und insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume müssen seitens der Gerichte keine unverhältnismäßig aufwändigen Ermittlungen durchgeführt werden, was sie aber andererseits nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu entbindet, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten für den maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nicht entwickelt werden kann (vgl nur BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 mwN).

33

Das SG hat ausführlich begründet, wieso die vom Beklagten seiner Entscheidung zugrunde gelegten Unterkunftsrichtlinie und Überarbeitungshinweise nicht die Voraussetzungen für ein schlüssiges Konzept erfüllen, dass es den Beklagten erfolglos um ergänzende Angaben gebeten habe und auch eigene Ermittlungen keinen Erfolg gezeigte hätten. Dem sind die Beteiligten im Laufe des Revisionsverfahrens nicht entgegengetreten.

34

Daran anschließend hat das SG den abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarf der Kläger nach § 8 WoGG und einem Sicherheitszuschlag von 10 % entgegen der Auffassung der Revision mit 379,50 Euro zutreffend ermittelt, weil der Wohnort der Kläger K und der gesamte Saale-Holzland-Kreis mit Ausnahme der sehr weit von K wegliegenden Kreisstadt E der Mietstufe 2 zugeordnet sind.

35

Soweit die Revision meint, schon für November 2008 sei auf das WoGG nF, das erst am 1.1.2009 in Kraft getreten ist, abzustellen, ist dafür keine Begründung zu erkennen.

36

b) Hinsichtlich der konkreten Angemessenheit enthält das Urteil des SG keine weitergehenden Ausführungen und keine speziellen Feststellungen, aufgrund deren die konkrete Angemessenheit des abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs von 379,50 Euro bejaht werden kann.

37

Angesichts des Alters des Klägers zu 2 von sechs Jahren im strittigen November 2008 und seiner schweren Behinderung sowie der Alleinerziehung der Klägerin zu 1 sind hierzu jedoch Feststellungen notwendig. Gegen die konkrete Angemessenheit des niedrigeren, abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs und die Zumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen können Gründe sprechen, die auch einem Umzug entgegenstehen wie Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, Rücksichtnahme auf schulpflichtige Kinder, Alleinerziehung (BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 33 ff; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 33; BSG vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 30 f). Solche Gründe sind vorliegend gegeben und müssen im Hinblick auf die konkrete Angemessenheit näher geprüft werden.

38

6. Für das wiedereröffnete Verfahren vor dem SG ist auf Folgendes hinzuweisen:

39

a) Soweit die Revision das Vorliegen einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung in Frage stellt, kann dem nicht gefolgt werden, weil die Revision sich allein auf die zugrunde gelegte Wohnfläche von 60 m² bezieht, die nach dem oben Gesagten nicht zu beanstanden ist.

40

Ob die dem Bescheid vom 20.2.2006 seitens des Beklagten als Anlage beigefügte Belehrung über "Rechtsfolgen im Falle unangemessener Aufwendungen für Unterkunft und/oder Heizung" und die Mitteilung, den Klägern stände eine Kaltmiete einschließlich kalter Betriebskosten von 345 Euro plus Heizkosten und Warmwasserbereitung von 60 Euro, insgesamt also 405 Euro zu, den Anforderungen an eine wirksame Kostensenkungsaufforderung allgemein und für den November 2008 insbesondere genügt, kann mangels weiterer Feststellungen des SG nicht beurteilt werden.

41

Aus dem bloßen Zeitablauf kann wohl nichts hergeleitet werden, weil der Beklagte die Leistungsberechnung für die Kläger ab September 2006 nach dem als angemessen angesehenen Betrag von 405 Euro für Unterkunft und Heizung vorgenommen hat. Der Beklagte hat erkennbar gemacht, dass er an der Kostensenkungsaufforderung festhält. Hinsichtlich der Höhe der mitgeteilten Beträge bestehen keine Bedenken, weil die 345 Euro Bruttokaltmiete dem maßgeblichen Betrag aus der WoGG-Tabelle entsprechen und damit nicht offensichtlich unzureichend sind, um in K und Umgebung eine Wohnung zu finden

42

b) Ob die Kläger Anspruch auf den geltend gemachten weiteren Heizkostenbedarf von 5,87 Euro über den nach Auffassung des SG zu berücksichtigenden Bedarf von 76 Euro hinaus haben, kann ebenfalls nicht abschließend entschieden werden.

43

Zu Recht hat das SG zur Bestimmung des abstrakt angemessenen Heizkostenbedarfs, weil es vorliegend keinen kommunalen Heizspiegel gibt, den bundesweiten von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund und gefördert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit erstellten Heizkostenspiegel und dessen rechte Spalte mit "zu hohen Kosten" zugrunde gelegt (vgl nur BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 23 mwN). Das SG hat den bundesweiten Heizkostenspiegel für den November 2008 auch zutreffend angewandt und für eine abstrakt angemessene Wohlfläche von 60 m², die in einem Gebäude mit einer gasbeheizten Wohnfläche von ca 710 m² liegt, einen Betrag von 76 Euro zutreffend errechnet (äußerst rechte Spalte mit 15,20 Euro je m² und Jahr, dividiert durch 12 multipliziert mit 60).

44

Ähnlich wie bei dem Unterkunftsbedarf sind seinem Urteil jedoch keine Feststellungen zur konkreten Angemessenheit dieses Wertes zu entnehmen, obwohl sie angesichts der festgestellten Besonderheiten angezeigt gewesen wären.

45

Das SG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 2012 aufgehoben und der Rechtstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem SGB II in der Zeit vom 1.3.2008 bis 31.7.2008.

2

Der 1950 geborene Kläger bewohnte eine ca 76 qm große Wohnung, für die ihm aufgrund eines Vertrags mit der S GmbH ab 1.1.2008 Kosten in Höhe von 611,24 Euro monatlich entstanden sind (Grundmiete in Höhe von 432,28 Euro abzgl eines Verzichts der Vermieterin in Höhe von 45,14 Euro, Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 122 Euro, Kabelanschlusskosten in Höhe von 12,10 Euro, monatliche Abschlagszahlungen für Frischwasser, Entwässerung, Heizung und Warmwasser in Höhe von 90 Euro). Er bezog ab 1.8.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Nachdem der Beklagte unter Berücksichtigung eines zunächst bestehenden Untermietverhältnisses die tatsächlich geringeren Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen hatte, teilte er dem Kläger mit Schreiben vom 18.9.2007 mit, dass dieser sich um eine Kostensenkung bemühen müsse, weil seine Wohnung unter Berücksichtigung des örtlichen Mietpreisniveaus die angemessene Mietgrenze von 428,85 Euro (Kaltmiete zzgl Nebenkosten) um 101,57 Euro überschreite. Ab 1.3.2008 würden nur noch die angemessenen Unterkunftskosten anerkannt. Entsprechend wurden für den streitigen Zeitraum nur noch die von dem Beklagten für angemessen gehaltenen KdU in Höhe von 479,28 Euro für eine 45-qm-Wohnung gezahlt (Bescheid vom 13.2.2008; Widerspruchsbescheid vom 28.5.2008).

3

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 19.9.2011). Es hat dahinstehen lassen, ob die Ermittlung des vom Beklagten zugrunde gelegten Quadratmeterpreises für den Vergleichsraum Münster den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept entspreche. Nach eigenen, auf dem Mietspiegel für Münster für das Jahr 2007 beruhenden Berechnungen sei ein qm-Preis von lediglich 7,21 Euro (= 324,45 Euro für 45 qm) angemessen. Zudem ergebe sich die Angemessenheit des Quadratmeterpreises aus einem Vergleich mit den Werten der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung.

4

Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 20.6.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, Streitgegenstand seien lediglich Ansprüche auf KdU, weil der Kläger den Streitstoff zulässig bereits mit der Klage hierauf beschränkt habe. Die von dem Beklagten anstelle der tatsächlichen Kosten als angemessen festgesetzten Aufwendungen in Höhe von 428,85 Euro (Bruttokaltmiete) seien nicht als zu gering zu beanstanden. Der Senat lasse dahinstehen, ob die Ermittlungen des Beklagten den Anforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept genügten. Ebenfalls könne offen bleiben, ob eine eigene Berechnung des SG eine ausreichende Beurteilungsgrundlage bilde, wenn der Leistungsträger dieses Berechnungsmodell nicht als "eigenes schlüssiges Konzept" annehme. Der Kläger habe auch dann keinen Anspruch auf höhere KdU-Leistungen, wenn ein schlüssiges Konzept zu verneinen wäre und dem Beklagten die Nachreichung eines solchen Konzepts im Prozess nicht gelinge. Insofern habe das SG in seinen ergänzenden Überlegungen zutreffend darauf hingewiesen, dass die angemessene Miete in diesen Fällen durch die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes begrenzt werde. Für Zeiträume bis 31.12.2008 sei danach der Höchstbetrag der rechten Spalte in § 8 WoGG aF, ggf durch einen Sicherheitszuschlag maßvoll erhöht, heranzuziehen. Der für den Kläger als alleiniges Haushaltsmitglied bei der für Münster geltenden Mietenstufe IV heranzuziehende Wert in § 8 WoGG betrage 325 Euro und liege bei zusätzlicher Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags von 10 % bei 357,50 Euro. Da die mit 428,85 Euro festgesetzten Beträge der Bruttokaltmiete weit über diesen Grenzen lägen, seien die im streitigen Zeitraum gewährten Leistungen keineswegs zu niedrig.

5

Mit seiner vom BSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, der Beklagte habe kein schlüssiges Konzept für die Bewertung der Angemessenheit der KdU angewandt. Das erstinstanzliche Gericht habe deutlich gemacht, dass das von dem Beklagten herangezogene "Konzept zur Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft in den Leistungskreisen SGB II und SGB XII", Stand Mai 2011, keine Anwendung finden könne, weil die zugrunde liegenden Daten erst nach dem streitigen Bewilligungszeitraum erhoben worden seien. Auch die vom SG durchgeführte Berechnung auf der Grundlage des Mietspiegels aus dem Jahr 2007 erscheine fehlerhaft. Entgegen der Rechtsprechung des BSG habe das LSG weder das von dem Beklagten vorgelegte Konzept noch die Berechnung des erstinstanzlichen Gerichts auf seine Schlüssigkeit überprüft. Vielmehr habe es sich trotz der Möglichkeit der Verschaffung einer zuverlässigen Entscheidungsgrundlage auf den Tabellenwert des WoGG gestützt. Insofern beruhe das Berufungsurteil auf einer Abweichung zu der Rechtsprechung des BSG.

6

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 2012 und des Sozialgerichts Münster vom 19. September 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 13. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2008 zu verurteilen, weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der Differenz zwischen den tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung und den bisher von ihm bewilligten Leistungen zu erbringen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Der Beklagte macht geltend, das SG sei gerade nicht von den "unteren Werten" des Mietspiegels ausgegangen, weil das erstinstanzliche Gericht sowohl den Mietspiegel als auch die Dokumentation zum Mietspiegel herangezogen habe. Aufgrund von eigenen Berechnungen, bei denen bei Ein-Personen-Haushalten auf die Basismiete der Baualtersklasse ab 1992 abgestellt worden sei, errechne sich unter Berücksichtigung des gewichteten arithmetischen Mittels ein angemessener Quadratmeterpreis von 7,21 Euro. Er habe eine höhere Grundmiete berücksichtigt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

10

Streitgegenstand sind höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.3.2008 bis 31.7.2008 als der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 13.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.5.2008 festgelegt hat. Der Kläger hat den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Bei diesen handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids (stRspr seit BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; BSGE 110, 52 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

11

Zwar ist der Kläger Berechtigter iS des § 7 Abs 1 SGB II, weil er im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht hatte(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II) und dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des LSG zu entnehmen ist, dass er erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II) war sowie auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Ob der Kläger in dem streitigen Zeitraum vom 1.3.2008 bis 31.7.2008 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen konnte, kann der Senat schon deshalb nicht abschließend beurteilen, weil tatsächliche Feststellungen des LSG zur Festlegung der angemessenen Unterkunftskosten fehlen (§ 163 SGG).

12

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; vgl zuletzt Urteil des Senats vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 19 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

13

Zwar reichen die Feststellungen des LSG zur angemessenen Wohnfläche im hier streitigen Zeitraum und zum maßgeblichen Vergleichsraum, nicht jedoch diejenigen zum Fehlen eines tragfähigen schlüssigen Konzepts des Beklagten und zum Erkenntnisausfall bei der Ermittlung der Höhe der angemessenen Unterkunftskosten. Nach seinen rechtlichen Ausführungen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass bereits dann auf die Werte des WoGG zurückgegriffen werden kann, wenn der von dem Grundsicherungsträger berücksichtigte Wert für die Grundmiete und die Betriebskosten über den Beträgen nach § 8 WoGG liegt. Von diesem rechtlichen Standpunkt hat das LSG keine eigenen Feststellungen zum schlüssigen Konzept des Beklagten für die Stadt Münster vorgenommen und sich auch nicht - etwa durch Bezugnahme auf die Feststellungen und Wertungen des SG - dessen Überlegungen zu eigen gemacht. Anders als das SG, das die von dem Beklagten als angemessen angesehenen Werte durch eigene Berechnungen für Münster anhand eigener Berechnungen nach dem Mietspiegel verifiziert hat, hat das Berufungsgericht ausdrücklich keine eigene Prüfung vorgenommen. Für eine Überprüfung des Anspruchs durch das BSG fehlt es aus diesem Grund an den notwendig im Berufungsurteil zu treffenden Feststellungen (§ 163 SGG).

14

Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben entschieden, dass ein Rückgriff auf die Werte des WoGG - zur Festlegung ausschließlich der abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft im Sinne einer Obergrenze - nur dann zulässig ist, wenn nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen Erkenntnismöglichkeiten und -mittel zur Festlegung der von dem SGB II-Träger zu tragenden angemessenen Aufwendungen der Unterkunft nach einem schlüssigen Konzept nicht mehr vorhanden sind. Zwar hat der erkennende Senat für den Fall des Ausfalls von lokalen Erkenntnismöglichkeiten aufgrund von fehlenden Ermittlungen des Grundsicherungsträgers eine Begrenzung der Amtsermittlungspflicht der Sozialgerichte für zulässig erachtet und ausdrücklich betont, dass es im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger sei, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu ermitteln (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 23; BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 26; BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 21). Insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume brauchen deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden (zum Fehlen von Ermittlungsmöglichkeiten, etwa durch Zeitablauf BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 27 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16). Dies entbindet jedoch nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht (mehr) entwickelt werden kann (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16; vgl auch Urteile des 14. Senats des BSG vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - RdNr 22 ff und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 67 RdNr 32 f).

15

Erst wenn Feststellungen zu den abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II nicht mehr möglich sind, kann ein Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle erfolgen. Wegen der dann nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei § 8 WoGG auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" von 10 vH einzubeziehen(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27 im Anschluss an BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff). Dieses Vorgehen mit dem Ausschluss eines unmittelbaren Rückgriffs auf die Werte der Wohngeldtabelle berücksichtigt die in § 22 Abs 1 S 1 SGB II festgelegte Verpflichtung des Grundsicherungsträgers, die tatsächlich angemessenen Kosten zu übernehmen und dient der Sicherstellung des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf bedarfsdeckende Leistungen im Bereich des Wohnens. Anders als bei den pauschalierten Regelbedarfen lässt sich der Gesetzgeber bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, dass zur Bestimmung der Leistungshöhe auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen ist. Allerdings sind die Leistungen nicht in beliebiger Höhe zu erbringen, sondern nur insoweit, als die tatsächlichen Aufwendungen für Miete und Heizung angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung (vgl nur Urteil des Senats vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 18 ff mwN zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Zwar spricht hier viel dafür, dass die Miete des Klägers in dem streitigen Zeitraum - insbesondere wegen der Wohnungsgröße - die Schwelle der abstrakten Angemessenheit überschritten hat. Andererseits liegen bereits die von dem Beklagten übernommenen Beträge über denjenigen der Tabellenwerte nach § 8 WoGG zuzüglich des "Sicherheitszuschlags" von 10 vH. Unabhängig von den vorstehenden Grundsätzen bei der Ermittlung der abstrakt angemessenen KdU kann auch aus diesem Grund nicht ausgeschlossen werden, dass sich auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts, falls ein solches noch - in erster Linie von dem Beklagten - erstellt werden kann, höhere, an den Mieten im Vergleichsraum orientierte Werte ergeben.

16

Der Senat folgt dem Berufungsgericht darin, dass nicht bereits die Kostensenkungsaufforderung des Beklagten zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit einer Kostensenkung führt. Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706). Der Beklagte hat den Kläger mit dem Schreiben vom 18.9.2007 durch Angabe der aus seiner Sicht angemessenen Mietobergrenze von 428,85 Euro sowie über die bestehende Rechtslage hinreichend informiert. Dies ist ausreichend. Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits entschieden haben, stellt § 22 Abs 1 S 3 SGB II keine über eine Aufklärungs- und Warnfunktion hinausgehenden Anforderungen(BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 29; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 20 ff; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 40; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Der Streit darüber, ob die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage zu klären, welche Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II abstrakt angemessen sind(BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr 34; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 19). Das LSG hat für den Senat bindend festgestellt, dass die gesundheitlichen Leiden des Klägers einer Kostenminderung, insbesondere durch einen Umzug, in dem hier streitigen Zeitraum nicht entgegenstanden.

17

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Klägerin im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen zustehen.

2

Die alleinstehende Klägerin bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum eine 48 qm große Wohnung in München. Sie hatte eine mietvertragliche Verpflichtung in Höhe von 745 Euro (690 Euro Nettokaltmiete zzgl 55 Euro Betriebskosten) monatlich. Die Vorauszahlung für die Gasversorgung betrug 97 Euro im Monat (lediglich im Februar 2008: 107 Euro wegen einer Nachforderung; Bruttowarmmiete 835,67 Euro).

3

Ende August 2006 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihre Nettokaltmiete die zulässige Höchstgrenze von 397,30 Euro monatlich überschreite. Die Klägerin wurde aufgefordert, sich bis Ende Februar 2007 um eine Minderung der Unterkunftskosten zu bemühen. Ab dem 1.3.2007 werde die Unterkunftsleistung auf die angemessene Höhe abgesenkt.

4

Für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.5.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II, welches Leistungen für KdUH in Höhe von 813 Euro monatlich umfasste (Bescheid vom 29.11.2006 idF des Bescheides vom 19.12.2006). Ab 1.3.2007 senkte er die Leistungen für die Kaltmiete auf die von ihm als angemessen befundene Mietobergrenze herab (Bescheide vom 13.2.2007). Für den Zeitraum bis 31.5.2007 hat das LSG mit dem hier angefochtenen Urteil vom 11.7.2012 diese Entscheidung des Beklagten aufgehoben. Hiergegen sind die Beteiligten nicht in die Revision gegangen.

5

Für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin schlussendlich Leistungen für KdUH in Höhe von 496,45 Euro für ihre brutto-kalten Mietaufwendungen (441,45 Euro Nettokaltmiete + 55 Euro Betriebskosten) und übernahm im Verlaufe des Gerichtsverfahrens ihre Aufwendungen für Gas abzüglich der Warmwasserpauschale in tatsächlicher Höhe (Bescheid vom 23.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 und des Änderungsbescheides vom 14.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008, dieser in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009). Ebenso verfuhr der Beklagte für den Zeitraum vom 1.12.2007 bis zum 31.5.2008 (Bescheid vom 22.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008). Durch Bescheid vom 7.5.2008 (in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009) setzte der Beklagte diese Praxis für den Leistungszeitraum vom 1.6.2008 bis zum 30.11.2008 zunächst fort. Ab dem 1.7.2008 erhöhte er jedoch den Leistungsanteil für die Bruttokaltmiete der Klägerin auf 504,21 Euro (Nettokaltmiete 449,21 Euro + 55 Euro kalte Nebenkosten) und wies unter Einbeziehung dieser Änderung (Bescheid vom 3.7.2008) den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 25.9.2008 zurück (idF der Änderungsbescheide vom 15.12.2008 und 29.4.2009).

6

Das SG hat die miteinander verbundenen Klagen auf Übernahme der tatsächlichen Mietaufwendungen abgewiesen (Urteil vom 26.11.2009). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG geändert. Soweit es den Zeitraum vom 1.3. bis 31.5.2007 betrifft, hat es die Bescheide wie benannt aufgehoben. Zudem hat es den Beklagten unter Abänderung der weiteren Bescheide verurteilt, der Klägerin über die bereits bewilligten Leistungen hinaus KdUH in Höhe von 9,88 Euro für den Monat Februar 2008 - für eine Heizkostennachforderung - und in Höhe von jeweils 0,12 Euro für die Monate Juli bis November 2008 wegen unzutreffender Anwendung der Rundungsregelung zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zwar fehle es dem Beklagten an einem schlüssigen, nachvollziehbaren Konzept zur Ermittlung der angemessenen KdUH iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die vom Beklagten für einen Ein-Personen-Haushalt übernommenen Aufwendungen der Klägerin für die Bruttokaltmiete in Höhe von 496,45 Euro im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.6.2008 und 504,21 Euro im Zeitraum vom 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 seien jedoch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. G K angemessen gewesen. Die für den Mietspiegel 2007 der Stadt München erhobenen und vom Sachverständigen ausgewerteten Daten betreffend Wohnungen "um die 50 qm" - in der Gestalt von gewichteten 243 Wohnungen zwischen 46 und 54 qm - bildeten eine geeignete Grundlage zur Berechnung der angemessenen Aufwendungen für die Bruttokaltmiete iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Erfassung lediglich von Bestandsmieten und die Nichtberücksichtigung preisgebundenen Wohnraums stünden dem nicht entgegen. Zudem beruhe der Mietspiegel 2007 auf dem für den streitgegenständlichen Zeitraum aussagekräftigsten Zahlenmaterial, welches selbst auf einer repräsentativen Stichprobe fuße. Die Auswertung des Datenmaterials durch den Sachverständigen habe unter Anwendung statistisch anerkannter Methoden stattgefunden und ergeben, dass mit den gewährten Mitteln ausreichend angemessener Wohnraum im Stadtgebiet München gefunden werden könne. Es drohe auch keine Konzentration von Leistungsempfängern in bestimmten sozialen Brennpunkten/Stadtbezirken. Ebenso wenig könne unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der Klägerin festgestellt werden, dass eine abstrakt angemessene Wohnung nicht tatsächlich auf dem Wohnungsmarkt hätte angemietet werden können. Zutreffend erfolgt sei auch der Abzug der Warmwasserpauschale aus den vom Beklagten übernommenen monatlichen Abschlägen für die Versorgung der Klägerin mit Erdgas (Urteil vom 11.7.2012).

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe den Begriff der Angemessenheit des § 22 SGB II rechtsfehlerhaft angewandt. Zutreffende Konsequenz aus der Feststellung, der Beklagte verfüge über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Miete, hätte die Annahme einer Unmöglichkeit zur Kostensenkung sowie der Verurteilung zur Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen sein müssen. Die vom Beklagten herangezogene Mietobergrenze sei zu gering. Bei seinen Ermittlungen habe das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht zutreffend umgesetzt. Die erhobenen und ermittelten Daten seien nicht repräsentativ. Zudem käme es bei Übertragung der Daten zu einer "Ghettoisierung". Die Annahme, zur gewährten Mietobergrenze sei 1/5 der Wohnungen in München generell zu diesem Preis verfügbar, sei unzutreffend. Bereits die dem Sachverständigen gestellten Fragen seien teilweise problematisch. Die Beweisanordnung sei schon durch die Bezugnahme auf den Mietspiegel vorbestimmt gewesen. Das LSG habe bei der Fragestellung antizipiert, dass die Rohdaten des Mietspiegels und eine diesbezügliche Konzentration auf 20 % des maßgeblichen Wohnraums geeignet seien, ein zutreffendes Bild des Mietmarkts im streitgegenständlichen Zeitraum zu zeichnen. Die 20 %-Grenze sei willkürlich gezogen. Tatsächlich dürften nicht nur 5,3 % der Gesamtbevölkerung Wohnungen im unteren Marktsegment suchen, sodass ein Verweis auf die vom LSG in die Auswertung nicht einbezogenen Sozialwohnungen problematisch sei. Dies zeige sich bereits daran, dass nicht Ortsansässige auf solche Wohnungen mindestens fünf Jahre warten müssten. Im Gutachten unberücksichtigt geblieben seien auch Aspekte, die zu einer Erhöhung der Quadratmeterpreisberechnung geführt hätten, wie zB ein Zuschlag für eine Küche. Auch bei absoluter Betrachtung sei die Stichprobe viel zu gering, um daraus die Verfügbarkeit von Wohnraum ableiten zu können. Es gäbe auf dem Münchener Mietmarkt nicht etwa 20 % Wohnungen um 50 qm, sondern nur zwischen 1,31 % und 4,8 %. Das LSG habe zudem in entscheidungserheblicher Art und Weise gegen § 103 SGG verstoßen, indem es einem Antrag auf Vernehmung des Haus- und Grundbesitzervereins München und Umgebung eV, gesetzlich vertreten durch Rechtsanwalt S, als Sachverständigen keine Folge geleistet habe. Das LSG habe auch, obwohl die Klägerin nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, keinerlei Hinweis darauf gegeben, dass eine weitere Beweisaufnahme aus seiner Sicht entbehrlich sei.

8

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 und Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 26. November 2009 sowie Änderung der Bescheide des Beklagten vom 23. April 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. August 2007, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2007 und in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 sowie des Änderungsbescheides vom 29. April 2009, des Bescheides vom 22. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008, diese in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. April 2009 und des Bescheides vom 7. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Juli 2008, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15. Dezember 2008 sowie 29. April 2009, zu verurteilen, ihr über die bereits im Urteil des Landessozialgerichts zuerkannten Leistungen hinaus für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis 30. November 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Zugrundelegung der tatsächlichen Mietzahlungsverpflichtung zu gewähren.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Das LSG sei der Rechtsprechung des BSG gefolgt, als es selbst Ermittlungen zur Angemessenheit der Mietobergrenze vorgenommen habe. Die Zugrundelegung einer 20 %-Grenze durch das LSG fülle das durch die Rechtsprechung des BSG vorgegebene "untere Marktsegment" aus. Zudem habe das LSG keine Abschläge bei der Miete berücksichtigt, sondern dies vielmehr für unzulässig erachtet. Die erhobenen Daten seien entgegen der Auffassung der Klägerin auch repräsentativ. Regressionsmietspiegel, wie der für München erstellte, kämen mit einer kleineren Stichprobe als sog Tabellenmietspiegel aus. Die im Mietspiegel erfassten Bestandsmieten seien lediglich solche aus den letzten vier Jahren vor der Stichprobe. Die Daten für den Mietspiegel seien zwar im Auftrag der Stadt München, aber durch ein unabhängiges Marktforschungsinstitut erhoben und ausgewertet worden.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

12

Die Entscheidung des LSG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat der Klägerin schlussendlich im hier streitigen Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe iS des § 22 Abs 1 SGB II erbracht.

13

1. Streitgegenstand sind höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis 30.11.2008, als sie in den Bescheiden des Beklagten für die Zeiträume vom 1.6.2007 bis 30.11.2007, 1.12.2007 bis 31.5.2008 und 1.6.2008 bis 30.11.2008 festgestellt worden sind.

14

Nicht Streitgegenstand ist die Höhe der Leistungen für den vorhergehenden Zeitraum ab dem 1.3.2007. Der erkennende Senat brauchte daher nicht darüber zu befinden, ob sich das LSG zur Begründung seiner Aufhebungsentscheidung zutreffend auf § 45 SGB X gestützt hat oder nicht § 48 SGB X hätte zugrundelegen müssen. Denn es liegt nahe, bei der Umsetzung einer angekündigten Absenkung der Leistungen für Unterkunft von einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse auszugehen. Die Klägerin hat sich jedoch in ihrer Revision nicht gegen die Höhe der Leistungen in diesem Zeitraum gewandt - obwohl sie niedriger waren, als ihre tatsächlichen Aufwendungen - und der unterlegene Beklagte ist nicht in die Revision gegangen. Das Urteil des LSG ist insoweit rechtskräftig geworden.

15

Ebenfalls rechtskräftig geworden ist die Entscheidung des LSG im Hinblick auf die zu Lasten des Beklagten vorgenommene Anwendung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist) und die Verurteilung zur Zahlung eines Betrags von 9,88 Euro für die Gaskostennachforderung im Monat Februar 2008. Der Beklagte ist auch hiergegen nicht in die Revision gegangen.

16

2. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin ihre Anfechtungs- und Leistungsklage auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt hat (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl auch BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11). Hieran hat sich - wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat - durch die Neufassung des § 19 SGB II aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) für laufende Verfahren über vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte - wie es auch hier der Fall ist - nichts geändert (BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 11; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

17

3. An dem Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 22 SGB II an die einkommens- und vermögenslose, alleinstehende Klägerin bestehen nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG keine Zweifel.

18

4. Die der Klägerin von dem Beklagten bewilligten Leistungen für Unterkunft in Höhe von 496,45 Euro für ihre Mietaufwendungen (brutto/kalt) ab dem 1.6.2007 und 504,21 Euro (ebenfalls brutto/kalt) ab dem 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Rechtsgrundlage für die hier umstrittene Höhe der Leistungen sind §§ 19, 22 SGB II. Danach werden im Rahmen des Alg II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als im Hinblick auf den pauschalierten Regelbedarf - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, zur Bestimmung der Leistungshöhe auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die Leistungen nicht in beliebiger Höhe zu erbringen, sondern nur insoweit, als die tatsächlichen Aufwendungen für Miete und Heizung angemessen sind. Die Angemessenheit begrenzt somit die zu erbringenden Leistungen der Höhe nach. Die Begrenzung der Leistungen für KdU - die Aufwendungen der Klägerin für Heizkosten hat der Beklagte schlussendlich in tatsächlicher Höhe abzüglich der Warmwasserpauschale erbracht - ab dem 1.6.2007 auf die vom Beklagten befundene Höhe ist im vorliegenden Fall rechtmäßig.

19

a) Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 12). Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze ist daher auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen (vgl BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 17). Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des BSG zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist.

20

aa) Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße hat das LSG hier zutreffend mit 50 qm bestimmt. Es hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückgegriffen, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 12). Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen festlegen, bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt. Der erkennende Senat sieht diesen Anknüpfungspunkt zwar als problematisch an (vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität ist aber wenigstens solange, wie nicht eine Satzung über die angemessenen KdU iS von §§ 22a ff SGB II vorliegt, in welcher grundsätzlich andere Wohnraumgrößen festgelegt werden können(vgl § 22b Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), an diesem Maßstab festzuhalten. Nach den Bestimmungen des Freistaates Bayern in den Wohnraumförderbestimmungen (Wohnraumförderbestimmungen der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 11.11.2002 und vom 4.12.2007 ) ist auch für die Stadt München eine angemessene Wohnungsgröße von 50 qm für einen Ein-Personen-Haushalt zugrunde zu legen.

21

bb) Das LSG hat auch zutreffend erkannt, dass die für Leistungsberechtigte infrage kommende Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen muss, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 13). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen. Das BSG hat jedoch auch klargestellt, dass die Referenzwohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Standard abbilden, von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand gehören, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung auch der hinter einem qualifizierten Mietspiegel stehenden Daten unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet(BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 29; s auch BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - RdNr 23; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - , RdNr 14). Diesen Voraussetzungen wird die Entscheidung des LSG hier gerecht, wenn das Gericht die hinter dem qualifizierten Mietspiegel für die Stadt München liegenden Daten aus den Jahren 2007 heranzieht. Denn die Daten dieses Mietspiegels umfassen weder Wohnungen in einfacher Wohnlage (Wohnungen in abgelegenen Gebieten mit unzureichender Infrastruktur und/oder Nähe zu größeren Gewerbe- und Industriegebieten, Entsorgungs- oder militärischen Anlagen) noch Wohnungen mit einfachster Ausstattung, deren Toilette, Küche oder Bad von anderen Mietparteien mitbenutzt werden, die nicht über Küche und Toilette verfügen und Wohnungen im Untergeschoss (Mietspiegel München 2007, S 5, 11 und Mietspiegel München 2009, S 4, 5, 11).

22

cc) Auch soweit das LSG die gesamte Stadt München als maßgeblichen Vergleichsraum angesehen hat, sind Rechtsfehler nicht erkennbar. Der Senat hat bereits für Großstädte wie München entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Hiervon kann nach den Feststellungen des LSG bei dem vom Mietspiegel München umfassten Stadtgebiet ausgegangen werden; die Beteiligten haben hiergegen auch keine Revisionsrügen erhoben.

23

dd) Das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze sowie das Ergebnis der Überprüfung sind ebenfalls grundsätzlich nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Überprüfung der vom Beklagten angenommenen Referenzmiete, zur Bestimmung also, wie hoch die angemessenen Aufwendungen für eine Wohnung einfachen Standards einer bestimmten Größe in einem bestimmten Vergleichsraum sind, ist es Ziel, einen Mietpreis hierfür zu ermitteln, um so die angemessenen Aufwendungen bestimmen zu können ("Referenzmiete", vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17).

24

Eine pauschale bundeseinheitliche Grenze (Quadratmeterpreis) scheidet hierbei aus. Es ist auf die konkreten Verhältnisse abzustellen. Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16) auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; vgl auch BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 7). Entscheidend ist jedoch, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zugrunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist.

25

Dabei ist es zuvörderst Angelegenheit der Grundsicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten sind (vgl § 40 Abs 1 SGB II iVm § 20 SGB X). Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit von ihm vorzulegen. Entscheidet der Leistungsträger - wie auch hier - ohne eine hinreichende Datengrundlage, führt dies entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch nicht ohne Weiteres dazu, dass automatisch die Leistungen für KdU in tatsächlich entstehender Höhe zu übernehmen wären. Vielmehr ist die Verwaltung im Rahmen ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1, 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und auf Verlangen des Gerichts eine ggf unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, geht diese Ermittlungspflicht zwar nicht ohne Weiteres auf das SG über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht schlüssig erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind (idS BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, juris RdNr 27; vgl auch BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 34). Andererseits haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate jedoch bereits entschieden, dass dann, wenn Datenmaterial für den Vergleichsraum vorhanden ist, etwa noch auswertbare Daten, die die Grundlage für die Erstellung zumindest eines qualifizierten Mietspiegels geboten haben, diese im Rahmen der Amtsermittlungspflicht der Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Überprüfung der von dem Beklagten gewählten Angemessenheitsgrenze heranzuziehen sind (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

26

Gemessen an diesen Vorgaben ist es nicht zu beanstanden, dass das Tatsachengericht hier die für die Ermittlung der angemessenen KdU erforderlichen Daten vom Grundsicherungsträger eingeholt bzw angefordert und diese anschließend durch einen Sachverständigen hat auswerten lassen. Das LSG durfte sich ebenfalls im Rahmen seiner Ermittlungen hinsichtlich der Anknüpfungstatsachen (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO) an dem Datenbestand orientieren, der für die Erstellung des Mietspiegels für die Stadt München erhoben wurde.

27

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Tatsachenvorgabe auch nicht mit durchgreifenden Zweifeln behaftet. Das BSG vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich die Grundsicherungsträger für die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze (ausschließlich) an dieser Art des Datenbestandes orientieren dürfen. Für das gerichtliche Ermittlungsverfahren gelten keine strengeren Anforderungen (BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 25; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

28

ee) Ebenso genügt das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze von 496,45 Euro vom 1.6.2007 bis 30.6.2008 und ab dem 1.7.2008 von 504,21 Euro brutto kalt sowie das Ergebnis der Überprüfung im konkreten Fall den Vorgaben des BSG. Der erkennende Senat hat entschieden, dass ein Konzept ein planmäßiges Vorgehen iS einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Raum sei (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Von der Schlüssigkeit eines Konzepts ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 20):

-       

Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen,

-       

es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

-       

Angaben über den Beobachtungszeitraum,

-       

Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),

-       

Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

-       

Validität der Datenerhebung,

-       

Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

-       

Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

29

Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Durch den Rückgriff des LSG auf die Daten des Münchner Mietspiegels 2007 wird die Datenerhebung auf ein bestimmtes Gebiet (hier: die Stadt München) begrenzt - der Vergleichsraum ist damit genau eingegrenzt und es werden nicht nur Mieten bestimmter Stadtbezirke in die Auswertung einbezogen, sondern Daten über das gesamte Stadtgebiet erhoben (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Einer Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke, die auf eine nur begrenzte Nutzung des Datenbestandes oder eine nur begrenzte Datenerhebung zurückzuführen sein könnte, ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG auch nicht festzustellen. Abgesehen davon, dass die entgegengesetzte Behauptung der Klägerin eine - der Revision entzogene (vgl § 163 SGG) - Tatsachenbehauptung darstellt, erfolgt hier nach den Feststellungen des LSG keine Begrenzung des Raumes der Datenerhebung auf besonders "heruntergekommene" und daher "billige" Stadtbezirke, sondern die Ermittlung bezieht sich auf das Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw räumlichen Vergleichsraum. Zwar folgt aus dieser Betrachtung nach dem Sachverständigengutachten, dass in einigen Stadtbezirken Münchens Wohnungen mit einer Größe "um 50 qm" und einer Bruttokaltmiete bis zu 450 Euro nicht zu finden sind. Dieses Ergebnis betrifft jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Frage, ob die Datenerhebung über den gesamten Vergleichsraum erfolgt ist. Soweit sie hier die Forderung des BSG nach einer Vermeidung von Ghettoisierung behandelt, hat der Senat im Übrigen Zweifel, ob angesichts des vom LSG festgestellten Vorhandenseins von Wohnungen zu einem Mietzins noch unterhalb der von dem Beklagten als Referenzgröße angenommenen (450 Euro ./. rund 500 Euro) in 18 von 26 Stadtbezirken das Risiko einer Ghettobildung besteht.

30

Nicht zu beanstanden ist auch die Vorgehensweise des LSG auf den Datenbestand des qualifizierten Mietspiegels für München zurückzugreifen, obwohl bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist und Wohnraum nicht berücksichtigt wird, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, weil §§ 558 ff BGB nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung findet. Mit der Entscheidung des BSG, dass die hinter einem Mietspiegel liegenden Daten grundsätzlich geeignet sind, auch die grundsicherungsrechtliche Angemessenheitsgrenze zu bestimmen (s nur BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29), ist die Konsequenz verknüpft, dass alsdann keine Angebotsmieten in die Datenerhebung einfließen müssen (anderes für andere Datenquellen: BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 25 RdNr 20; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 24; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 102 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 22). Die hiervon ausgehenden Wirkungen auf die Mietpreisgrenze werden jedoch dadurch gemindert, dass im Rahmen der Datenauswertung lediglich solche Mieten berücksichtigungsfähig sind, die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart wurden (vgl § 558 Abs 2 BGB; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 3). Dadurch wird erreicht, dass nur aktuell zu zahlende Mieten der Datenerhebung zugrunde gelegt werden. Gewährleistet wird durch den Rückgriff auf die Daten des Mietspiegels zudem, dass Wohnraum, dessen Miete keinen zuverlässigen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten bringen kann, wie es etwa für Wohnraum in Wohnheimen oder Herbergen und Gefälligkeitsmietverhältnissen (zB Vereinbarung von besonders niedrigen Mieten zwischen Verwandten) der Fall ist, nicht berücksichtigt wird.

31

Der Rechtsprechung des BSG folgend hat das LSG auch zutreffend die Bruttokaltmiete als Beobachtungsgegenstand der Datenerhebung gewählt (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23 zur Nettokaltmiete als Vergleichsbasis; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34; BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Dieses Vorgehen gewährleistet für die Leistungsberechtigten die Möglichkeit innerhalb des die Angemessenheit bestimmenden Produkts aus Wohnungsgröße und Ausstattung tatsächlich frei wählen zu können; die Möglichkeiten der Produkttheorie also ausschöpfen zu können. Ebenso wenig ist es hier zu beanstanden, dass durch den Rückgriff auf die Bruttokaltmiete sämtliche kalten Nebenkosten in die Überprüfung der vom Beklagten zugrunde gelegten Angemessenheitsgrenze eingeflossen sind. Denn bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten im Vergleichsraum kommt es nicht darauf an, ob existenzsicherndes Wohnen in (gedachten) Wohnungen möglich ist, in denen der in den Betriebskostenarten, wie zB Kosten für Straßen- und Gehwegreinigung, Hausreinigung, Gartenpflege und Schneebeseitigung durch Dritte, Gemeinschaftsantenne/Kabelanschluss und Aufzug, zum Ausdruck kommende Wohnungsstandard nicht gewährleistet ist. Es geht vielmehr darum "die Wirklichkeit", also die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums, abzubilden (vgl nur BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 21). Dort, wo statistische Daten zur Bestimmung der kalten Nebenkosten gerade im unteren Wohnsegment nicht vorliegen, hat es das BSG daher für zulässig befunden, auf bereits vorliegende Daten zurückzugreifen. Eine weitergehende Gewichtung hat das BSG nicht vorgenommen, weil nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 34 zu Betriebskostenübersichten und die Bildung eines Durchschnittswertes). Aus der Heranziehung von Werten aus allen Mietverhältnissen folgt zwar - weil er den gesamten Mietmarkt erfasst - in der Tendenz ein höherer Bruttokaltmietpreis, als dies bei Auswertung nur des Teilsegments der Fall wäre, auf das Leistungsberechtigte nach dem SGB II zu verweisen sind. Sofern eine entsprechend differenzierte Datenlage aber nicht vorliegt, also eine Auswertung des Teilsegments mit vernünftigem Aufwand ausscheidet, ist eine solche Vergröberung erforderlich, um mit ausreichender Sicherheit zu gewährleisten, dass in jedem Marktsegment - auch in dem in Bezug zu nehmenden unteren Segment - eine genügende Anzahl an Mietverhältnissen zu diesem Preis vorhanden ist. Dies wirkt sich im Übrigen auch nur zugunsten der Leistungsberechtigten aus.

32

Ebenfalls zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG hat das LSG bei der Bestimmung des Beobachtungsgegenstandes eine Größenbeschränkung vorgenommen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris; vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen zur Bestimmung der Wohnungsgröße nach den maßgeblichen Wohnraumfördervorschriften verwiesen. Im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, dass das LSG die Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes durch den Sachverständigen auf Wohnungen "um die 50 qm" gebilligt hat. Eine Beschränkung auf die Wohnungen, die exakt eine Größe von 50 qm aufweisen, würde zu einer zu starken Reduzierung der in die Betrachtung einzubeziehenden Wohnungen führen. Die Gewichtung auf 243 Wohnungen unter Berücksichtigung der aus dem Datenbestand entfernten Wohnungen begegnet ebenfalls keinen Bedenken, da hinter den gelöschten Datensätzen der ursprünglich 331 Wohnungen auch für das schlüssige Konzept nicht heranzuziehende Wohnungen waren.

33

Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das LSG die Begrenzung der Datenerhebung auf die Zeitpunkte 1.7.2007 und 1.7.2008 vorgenommen hat. Das BSG hat es insoweit für die Datenerhebung im Rahmen eines schlüssigen Konzepts für erforderlich gehalten, dass "Angaben über den Beobachtungszeitraum" gemacht werden können (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Auch ist das im Beobachtungszeitraum verwendete Zahlenmaterial nach den Feststellungen des LSG hinreichend aussagekräftig. Die für den Münchner Mietspiegel 2007 verwendeten Daten wurden zwar zum Stichdatum 1.1.2006 erhoben. Der Sachverständige hat die Werte für den hier noch streitgegenständlichen Zeitraum jedoch in vertretbarer Art und Weise nach anerkannter wissenschaftlicher Methodik für die weiteren zugrunde gelegten Stichdaten 1.7.2007 und 1.7.2008 fortgeschrieben. Die Klägerin wurde hierdurch nicht schlechter gestellt, als sich aus den Ausführungen des LSG zu der für den Münchner Mietspiegel 2011 erfolgten Datenerhebung ergibt, da die Stichprobe keinen solchen Preisanstieg ergeben hat, wie nach der Hochrechnung der Ergebnisse des Mietspiegels 2007 erwartet.

34

Soweit das LSG auf die Daten des Mietspiegels für München zurückgegriffen hat, hält dies, wie oben bereits ausgeführt, einer Überprüfung Stand. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" hat das LSG hier eine "Stichprobe" zur Basis seiner Überprüfung der Angemessenheitsgrenze des Beklagten gemacht (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 24). Insoweit gilt, dass eine Anlehnung hinsichtlich des Stichprobenumfangs und der Auswertung etc an den für Mietspiegel geltenden Standard nicht zu beanstanden ist (vgl zum Stichprobenumfang: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 38 f). Im Hinblick auf einen qualifizierten Mietspiegel hat der erkennende Senat bereits darauf hingewiesen, dass bei dessen Erstellung die Repräsentativität der Stichprobe durch die Annahme der Chance gleicher Wahrscheinlichkeit der Abbildung der im Detail unbekannten Realität der Grundgesamtheit des Gesamtwohnungsbestandes fingiert werde (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 24; s auch Gautzsch, Sozialrecht aktuell 2011, S 137, 139) und eine umfassende verfahrensrechtliche Absicherung durch die beteiligten Interessengruppen stattfinde. Daher sei die Repräsentativität und Validität der Datenerhebung für einen Mietspiegel auch im Rahmen des schlüssigen Konzepts regelmäßig als ausreichend anzusehen (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 28). Einwände gegen die Methodik der Erhebung der Daten für den Münchner Mietspiegel 2007 sind nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Allein die Kritik an den gezogenen Schlüssen genügt insoweit nicht, um die statistische Methodik der Datenerhebung in Frage zu stellen.

35

Denn es handelt sich auch bei der für den Raum München gezogenen Stichprobe des Regressionsmietspiegels 2007 um eine repräsentative Stichprobe. Beim Regressionsmietspiegel wird davon ausgegangen, dass die Miete einer Wohnung sich aus der Bewertung ihrer Wohnwertmerkmale durch die Marktpartner ergibt und dieser Zusammenhang mit einer mathematischen Gleichung beschrieben werden kann. Jedes Merkmal leistet dabei einen Beitrag zum Mietpreis der Wohnung (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 40). Daher kommen Regressionsmietspiegel im Vergleich zum Tabellenmietspiegel mit einer kleineren Stichprobe aus. Denn der Regressionsmietspiegel nutzt die Informationen der gesamten Stichprobe und nicht nur von Teilmengen, wie sie hinter den jeweiligen Tabellenfeldern des Tabellenmietspiegels stehen (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 39). Für die Stichprobe gilt, dass sie proportional vorzunehmen ist, also dass in einer solchen Stichprobe alle wesentlichen Teilmengen der Grundgesamtheit in ähnlichen Proportionen auch enthalten sind (Börstinghaus/Clar, Mietspiegel, 1997, RdNr 650; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 35). Das LSG hat im Anschluss an den von ihm ernannten Sachverständigen aus einer Stichprobe von mehr als 3000 Wohnungen im gesamten Münchener Stadtgebiet 331 Wohnungen "um die 50 qm" (bestimmt als gewichteter Wohnungsbestand zwischen 46 und 54 qm) zugrunde gelegt. Dieses Verfahren der Stichprobe entspricht dem aktuellen Stand der Forschung, wie auch das LSG in seinem Urteil ausgeführt hat.

36

Dass die für die Erstellung des Münchener Mietspiegels 2007 erhobenen Daten und für das Urteil des LSG zugrunde gelegten Wohnungen "um die 50 qm" keine qualitativen Merkmale einfachen Standards aufwiesen, steht der Auswertung und Verwendung dieser Daten nicht entgegen, denn offensichtlich weisen diese Wohnungen einen höheren als den unteren Standard auf und bewegen sich dennoch im maßgeblichen Preissektor. Umgekehrt ist anzunehmen, dass Wohnungen, die einen geringeren Standard aufweisen, zu noch günstigeren Konditionen angemietet werden können. Die vom LSG verwendete Datengrundlage ist auf diese Art und Weise zugunsten der Klägerin vergrößert worden. Die vom Sachverständigen vorgenommene und vom LSG akzeptierte Gewichtung der Wohnungen um 50 qm, die dazu beiträgt, dass die Stichprobe letztlich 243 Wohnungen umfasst, führt im Übrigen dazu, dass Wohnungen, die nicht dem Standard entsprechen, der im Rahmen der Überprüfung durch das "schlüssige Konzept" zugrunde zu legen ist, aus der Auswertung von vornherein ausgeschieden worden sind.

37

Dass das LSG von den ermittelten Wohnungen "um die 50 qm" letztlich die unteren 20 % des preislichen Segments zur Grundlage seiner Entscheidung über die Angemessenheit gemacht hat, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Die Grenzziehung nach der Höhe des Mietpreises im Vergleichsraum ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, weil die Stichprobe eine klare Definition des Untersuchungsgegenstandes nach "unten" und nach der Größe beinhaltet - anders als wenn ausschließlich ausgehend vom Mietpreis die Höhe der angemessenen Mietaufwendungen bestimmt wird. Es sind hier bereits bei der Datenerhebung lediglich Wohnungen mit mehr als einfachstem Standard in einer Größe von 46 bis 54 qm zugrunde gelegt worden. In die Erhebung einbezogen werden damit zugleich auch Daten für Wohnungen mittleren, gehobenen und luxuriösen Standards. Um diese bei der Auswertung alsdann wieder auszuscheiden, denn sie sind für Leistungsbezieher im Grundsicherungsrecht nicht angemessen, kann auf die Grenze "20%" zurückgegriffen werden. Dies entspricht einer Orientierung an den unteren 20 % der Einkommensbezieher. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG überschreitet im Vergleichsraum München auch mindestens 1/5 der Wohnungen mit grundsicherungsrechtlich zugrunde zu legendem Standard nicht die festgestellte Mietobergrenze, die der Beklagte gewählt hat, sondern liegt noch unter dieser.

38

Soweit die Klägerin vorbringt, für den vom Beklagten festgesetzten und vom LSG bestätigten Bruttokaltmietpreis sei es tatsächlich nicht möglich, in München eine Wohnung um 50 qm anzumieten, hält diese Behauptung einer Überprüfung unter systematischen Gesichtspunkten nicht Stand. Das BSG hält daran fest, dass dann, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und ihm Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können, davon auszugehen ist, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 36; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 30). Soweit die Klägerin in der Ergänzung ihrer Revisionsbegründung auf die Daten des Münchner Vereins Haus und Grund eV abstellt, rügt sie im Grunde die Auswahl der Datengrundlage, die hier jedoch, wie ausgeführt, nicht zu beanstanden ist.

39

ff) Darin, dass das Berufungsgericht einem schriftsätzlich angekündigten Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Unternehmen "Haus & Grund", vertreten durch Herrn Rechtsanwalt S, nicht gefolgt ist, liegt auch kein Verstoß gegen die Sachermittlungspflicht (vgl § 103 SGG). Das LSG musste sich nicht gedrängt fühlen, dem Beweisantrag der Klägerin nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nachzukommen. Gemäß § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO obliegt es dem Tatsachengericht, dem Sachverständigen den der Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalt - hier den für die Erstellung des Münchner Mietspiegels 2007 erhobenen Datenbestand - vorzugeben. Daraus folgt, dass auch ein anderer als der vom Gericht ernannte Sachverständige seine sachverständigen Schlussfolgerungen aus diesem Datenbestand hätte ableiten müssen. Dass bei Anwendung derselben oder einer anderen mathematisch-statistischen Methode grundlegend andere Ergebnisse gefolgt wären, ist weder von der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich.

40

Dass das LSG eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigte, bedurfte auch keines ausdrücklichen Hinweises an die Klägerin. Eine Hinweispflicht besteht in erster Linie nur dann, wenn ein Beteiligter ausdrücklich um einen entsprechenden Hinweis bittet (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 109 RdNr 9a). Im Übrigen hat sich aus der Ladung des Gerichts zum Termin ergeben, dass eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigt war. Die Tatsacheninstanzen sind zudem nicht verpflichtet, auf das Stellen eines Beweisantrages - wie hier ohnehin schriftsätzlich seitens der Klägerin angekündigt - hinzuwirken (vgl BSG Beschluss vom 5.5.2010 - B 5 R 26/10 B - juris RdNr 10) oder zu einer in Aussicht genommenen Beweiswürdigung Hinweise zu geben (BSG Beschluss vom 31.8.1993 - 2 BU 61/93; BSG Beschluss vom 6.3.2003 - B 11 AL 129/02 B - HVBG-INFO 2003, 1724; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 99). Darauf liefe ein solcher von der Klägerin verlangter Hinweis jedoch hinaus.

41

b) Die Festsetzung der Leistungshöhe unterhalb der tatsächlichen Aufwendungen beruht auch auf einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung (vgl zur Kostensenkungsaufforderung BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 38)iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 mWv 1.8.2006, BGBl I 1706). Danach sind die tatsächlichen Mietaufwendungen - soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen - als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

42

Der Beklagte hat die Klägerin mehrfach, erstmals mit Schreiben vom 29.8.2006, aufgefordert, die KdU zu senken und nach dem Unterlassen jeglicher Kostensenkungsversuche durch die Klägerin eine Absenkung auf die von ihm als angemessen erachtete Höhe der kalten Nettomietaufwendungen in Höhe von 397,30 Euro zum 1.3.2007 angekündigt. Dabei ist es für den hier nur noch streitigen Zeitraum ab dem 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 ohne Bedeutung, dass der Beklagte die "Sechsmonatsfrist" iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II, in der dem Leistungsberechtigten in der Regel die Möglichkeit eingeräumt wird, die nach Auffassung des Beklagten zu hohen Aufwendungen zu senken, zunächst unzutreffend berechnet hatte. Jedenfalls ab dem 1.6.2007 konnte der Beklagte die Unterkunfts- und Heizkosten absenken, denn die Klägerin war über die vom Beklagten als zutreffend befundene Angemessenheitsgrenze hinreichend informiert und ihr war die Kostensenkung auch nicht unmöglich.

43

Der Beklagte hat zwar in seiner Kostensenkungsaufforderung als Referenzmiete eine Nettokaltmiete benannt. Diese Angabe muss in dem hier streitigen Zeitraum jedoch noch als zulässig und ausreichend angesehen werden, um von einer zutreffenden Kostensenkungsaufforderung iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II ausgehen zu können. Noch 2009 hatte der erkennende Senat es offen gelassen, ob die Vergleichsmiete eine Netto- oder eine Bruttokaltmiete sein müsse (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff). Erst 2010 hat der 14. Senat eindeutig bestimmt, dass die Angemessenheitsgrenze durch eine genau zu benennende Bruttokaltmiete zu definieren ist (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; s auch BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34).

44

Unschädlich ist auch, dass der Beklagte die Angemessenheitsgrenze im Verlaufe des Gerichtsverfahrens geändert hat. Denn dies ist einerseits Ergebnis der Auseinandersetzungen der Beteiligten vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und andererseits stellt das Schreiben des Grundsicherungsträgers über die Unangemessenheit der Unterkunftskosten und die Aufforderung zur Kostensenkung lediglich ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion dar. Hält der Leistungsempfänger die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend bzw einschlägig, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche KdU angemessen sind (vgl nur BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 19, unter Hinweis auf BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - juris RdNr 34). Insofern stellt die Kostensenkungsaufforderung seitens des Grundsicherungsträgers lediglich ein "Angebot" dar, in einen Dialog über die angemessenen KdU einzutreten (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40).

45

Gründe, die der Klägerin eine Kostensenkung unzumutbar machen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hat sich nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) auch nicht um eine Kostensenkung bemüht oder anderweitig nachgewiesen, dass es ihr nicht möglich oder zumutbar war, Wohnraum zu der vom Beklagten vorgegebenen Mietobergrenze anzumieten.

46

5. Der Abzug der Kosten für die Warmwasserbereitung von den tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin für die Gaslieferung/Heizung in Höhe von 6,22 Euro für den Monat Juni 2007, 6,26 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2007 bis einschließlich Juni 2008 und 6,33 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2008 bis November 2008 ist nicht zu beanstanden. Höhere Leistungen wegen der Heizkostennachforderung für den Monat Februar 2008 und unter Berücksichtigung der Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II, wie durch das LSG geschehen, stehen der Klägerin nicht zu. Sie hat insoweit auch keine Einwände gegen die Entscheidung des LSG erhoben.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2009 bis 30.6.2010.

2

Der im Jahr 1947 geborene, zunächst selbständige Kläger mietete zum 1.12.2008 eine Wohnung mit einer Größe von 75 qm in A./Landkreis R. an. Hierfür entrichtete er monatlich eine Grundmiete in Höhe von 380 Euro zzgl einer Vorauszahlung auf Betriebskosten in Höhe von 80 Euro.

3

Nach einem Herzinfarkt meldete er sein Gewerbe zum 31.12.2008 ab und beantragte am 8.1.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

4

Der Beklagte, der zum 1.1.2012 Optionskommune nach § 6a Abs 2 SGB II geworden ist, bewilligte dem Kläger ab dem 30.12.2008 Kosten für Unterkunft und Heizung, zunächst bis 31.7.2009 in Höhe von monatlich 470,77 Euro auf Grundlage der tatsächlichen Grundmiete in Höhe von 380 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 66,81 Euro. Ab 1.8.2009 bewilligte er monatlich einen Betrag in Höhe von 335,77 Euro, wobei er unter Beibehaltung der anderen Beträge nur noch eine Grundmiete von 245 Euro anerkannte (Bescheid vom 21.1.2009). Im Zuge der Bewilligung ab 30.12.2008 forderte der Beklagte den Kläger zudem auf, die Unterkunftskosten zu senken. Die Kaltmiete von 380 Euro würde um 135 Euro über den angemessenen Mietkosten liegen. Nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten könne der Beklagte ab 1.8.2009 nur noch die angemessene Kaltmiete von 245 Euro zzgl Nebenkosten anerkennen (Schreiben vom 21.1.2009).

5

Die Leistungsbewilligung wurde mehrfach geändert, zuletzt wurden dem Kläger für Dezember 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer Kaltmiete von 245 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 61,75 Euro bewilligt (Änderungsbescheide vom 7.4.2009, 10.8.2009, 16.11.2009). Für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger Kosten für Unterkunft und Heizung in derselben Höhe (Bescheid vom 10.12.2009).

6

Der Beklagte wies die gegen die Bewilligung für Dezember 2009 und für den Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2010 eingelegten Widersprüche als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 6.4.2010).

7

Während des Verfahrens vor dem SG reduzierte der Beklagte die Bewilligung ab 1.6.2010 um verringerte kalte Nebenkosten und stellte die Leistungen ab 1.7.2010 ein, nachdem der Kläger zu diesem Zeitpunkt aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten verzogen war (Änderungsbescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010).

8

Das SG hat den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 weitere Kosten der Unterkunft bis zu einem Betrag von 338,80 Euro monatlich zzgl Heizkosten zu gewähren. Im Übrigen hat es die auf die Übernahme der tatsächlichen Kosten gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 22.11.2011). Die vom Beklagten zugrunde gelegte Mietobergrenze sei unzutreffend, da der Beklagte nicht über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Mietkosten im Sinne der Rechtsprechung des BSG verfüge. Da es mangels hinreichender Datenbasis nicht mehr möglich sei, die angemessene Kaltmiete für die streitige Zeit zu ermitteln, seien die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen, begrenzt auf die Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) und der Wohngeldverordnung (WoGV) einschließlich eines Zuschlags von 10 %. Dies führe beim Kläger zu einer Referenzmiete von 338,80 Euro.

9

Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 31.5.2010 monatlich weitere 69,84 Euro und für den Monat Juni 2010 weitere 71,64 Euro zu gewähren (Urteil vom 7.11.2012). Der Tenor der angefochtenen Entscheidung sei ohne inhaltliche Änderung lediglich zur Klarstellung neu gefasst worden; das SG habe in seiner Entscheidung die Heizkosten mit monatlich 61,75 Euro berücksichtigt, es habe damit im Ergebnis eine Leistung für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 400,55 Euro zugesprochen. Zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung habe der Beklagte zunächst als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 45 qm zugrunde gelegt. Der Beklagte habe als Vergleichsraum den Bereich der Region W., L. und A. mit ca 75 000 Einwohnern herangezogen. Für diesen sei jedoch in der Anlage zum Mietpreisspiegel keine einheitliche angemessene Mietobergrenze vorgesehen. Ob von dem Erfordernis eines einheitlichen Wertes der angemessenen Miete in Bereichen des ländlichen Raumes abgewichen und Vergleichsräume mit nach Gemeinden differenzierten Mietobergrenzen gebildet werden dürften, könne dahingestellt bleiben, da jedenfalls dem vom Beklagten im streitigen Zeitraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde gelegen habe. Die für einen Mietspiegel erforderliche statistisch aufgearbeitete Zusammenstellung der vorkommenden Mieten läge dem Mietpreisspiegel nicht zugrunde. Grundlage sei das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Feststellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen von den Mietpreisen bei Neuabschlüssen. Von den beteiligten Gemeinden seien keine Erhebungen durchgeführt worden. Der Mietpreisspiegel sei mangels Nachprüfbarkeit nicht ausreichend für die Begründung eines schlüssigen Konzepts. Darüber hinaus sei die Gemeinde A., in welcher der Kläger gewohnt habe, in Tabelle 4 des Mietpreisspiegels 2009, in welcher die jeweiligen Ortszu- bzw -abschläge bezogen auf das Referenzniveau der Stadt W. aufgelistet seien, nicht aufgeführt. Es sei damit nicht nachvollziehbar, wie die Mietobergrenzen für den damaligen Wohnort des Klägers ermittelt worden seien. Dem Senat sei es auch nicht mehr möglich, aufgrund eigener Ermittlungen ein schlüssiges Konzept für den streitigen Zeitraum zu erstellen, es fehle an der erforderlichen Datenbasis. Es seien damit die tatsächlichen Aufwendungen bis zur Angemessenheitsgrenze der Tabellenwerte in § 12 WoGG und ein Zuschlag von 10 % hinzuzurechnen. Es habe auch eine wirksame Kostensenkungsaufforderung vorgelegen.

10

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er folge zwar der Feststellung des LSG, dass er im vorliegenden Fall über kein schlüssiges Konzept verfüge sowie dass die Aufwendungen bis zur Höhe der Tabellenwerte aus § 12 WoGG zu übernehmen seien. Nicht gefolgt werden könne aber der Hinzurechnung eines Zuschlages von 10 %.

11

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Konstanz vom 22. November 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 insoweit aufzuheben, als Leistungen für Unterkunft und Heizung von mehr als 308 Euro monatlich zuzüglich der Heizkosten zu bewilligen sind.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Bei fehlendem schlüssigen Konzept sei sowohl nach § 8 WoGG als auch nach § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" von 10 % gerechtfertigt.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet.

15

Die Vorinstanzen haben den Beklagten zu Recht zu einer weiteren Leistungsgewährung an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 verurteilt. Der Kläger ist grundsätzlich leistungsberechtigt, sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (§§ 7, 22 SGB II).

16

1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 16.11.2009 und 10.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.4.2010, gemäß § 96 SGG in der Gestalt der Bescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010. Im Streit stehen die darin geregelten Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1.12.2009 bis 30.6.2010. Bereits der Kläger hat den Streitgegenstand durch seine Klage zum SG bezüglich der Kosten der Unterkunft und Heizung wirksam beschränkt. Die übrigen abtrennbaren Regelungsinhalte der gegenständlichen Bescheide sind nicht angegriffen worden. Zudem ist nach den Urteilen des SG und des LSG die Verurteilung zu weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 39,04 Euro (Monate Dezember 2009 bis Mai 2010) bzw 40,84 Euro (Monat Juni 2010) rechtskräftig geworden. Der Beklagte wendet sich lediglich gegen die Verurteilung zu einer Leistung von weiteren 30,80 Euro monatlich. Da der Kläger selbst keine Revision eingelegt hat, sind die gegenständlichen Bescheide bestandskräftig geworden, soweit mit diesen die Leistungen ab 1.7.2010 eingestellt sowie höhere Leistungen abgelehnt wurden.

17

Die Leistungen für Unterkunft und Heizung bilden abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert (vgl BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).

18

2. Das SG und LSG haben den Beklagten zu Recht zu einer Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer höheren Bruttokaltmiete als die vom Beklagten in Höhe von monatlich 308 Euro anerkannte verurteilt. Der Kläger erfüllt nach den Feststellungen des LSG die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 SGB II.

19

Sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Diese werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als bei der pauschalierten Regelleistung - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die tatsächlichen Kosten nicht in beliebiger Höhe erstattungsfähig, sondern nur insoweit, als sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung limitiert somit die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist, also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessene Mietobergrenze nicht überschreitet (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 14; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59). Die Angemessenheit für die Kosten der Unterkunft und die für die Kosten der Heizung sind getrennt voneinander festzustellen.

20

Auch wenn der Beklagte im Revisionsverfahren davon ausgeht, über kein schlüssiges Konzept zu verfügen und sich mit der Heranziehung der Tabellenwerte nach § 12 WoGG einverstanden erklärt, entbindet dies die Gerichte nicht davon, zunächst die angemessenen Unterkunftskosten anhand eines vorrangigen schlüssigen Konzeptes zu ermitteln(vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 17; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - RdNr 26).

21

3. Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende wie den Kläger in Baden-Württemberg 45 qm. Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376: "Wohnraumförderungsgesetz") wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen" des jeweiligen Landes. Nach den Feststellungen des LSG hat das Land Baden-Württemberg zwar keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Ein-Personen-Haushalte von einer Wohnfläche von 45 qm auszugehen. An dieser Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 22).

22

4. Die Heranziehung des Vergleichsraums, den der Beklagte zugrunde gelegt hat, ist nicht zu beanstanden. Als örtlicher Vergleichsraum ist in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgebend, ohne dass hierfür der kommunalverfassungsrechtliche Begriff der "Gemeinde" entscheidend sein muss. Bei besonders kleinen Gemeinden, etwa im ländlichen Raum, die über keinen repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen, kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen. Entscheidend ist es, für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 21; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 15). Dies ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hier der Fall. Die Festlegung des Vergleichsraums entspricht den vom Senat hierzu entwickelten Kriterien.

23

5. Dem Leistungsberechtigten muss es möglich sein, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines schlüssigen Konzeptes zu ermitteln (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17 ff). Auf Grundlage des konkreten Vergleichsraums hat das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass der Beklagte über kein eigenständiges schlüssiges Konzept verfügt (§ 163 SGG).

24

Das LSG ist sodann in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass ein schlüssiges Konzept auch nicht mehr entwickelt werden kann und es sich um einen Ausfall von lokalen Erkenntnismöglichkeiten handelt. Der erkennende Senat hat ausdrücklich betont, dass die umfassende Ermittlung der Daten sowie die Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts Angelegenheit des Grundsicherungsträgers ist und bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig ist. Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein schlüssiges Konzept auf Aufforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne ein schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen (vgl BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 21; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 25). Liegen aber keine Ermittlungsergebnisse vor, brauchen insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen nachträglich durchgeführt zu werden. Die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen ist in diesen Fällen begrenzt, sofern nachvollziehbare Darlegungen dazu erfolgen, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Der erkennende Senat hat hierzu betont, dass auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen erkennbar sein muss, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat. Erst wenn solche Feststellungen erfolgt sind, ist ein Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG zu rechtfertigen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 18; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17). Diesen Anforderungen zur Feststellung eines Erkenntnisausfalles ist das LSG gerecht geworden. Schon für die Wohnortgemeinde des Klägers liegen keinerlei nachvollziehbare Daten für die Ermittlung der Mietobergrenze vor. Im Übrigen ist Grundlage des "Mietpreisspiegels" des Beklagten das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Erstellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen.

25

6. Im Falle eines Erkenntnisausfalls zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt(stRspr, vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).

26

a) Für die bis 31.12.2008 geltende Regelung in § 8 WoGG aF ist nach der Rechtsprechung des BSG wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung zur Bestimmung der angemessenen Bruttokaltmiete(vgl § 9 Abs 1 WoGG aF) auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27 im Anschluss an BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21). Zu dem Sicherheitszuschlag hat der Senat ausgeführt, dass er im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich ist, denn beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts kann nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27). Der erkennende Senat hat zudem entschieden, dass dabei ein Zuschlag in Höhe von 10 % zu den Werten der rechten Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG aF angemessen und ausreichend ist(vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).

27

b) Die Einbeziehung eines "Sicherheitszuschlages" hat auch im Falle der Heranziehung von § 12 WoGG zu erfolgen. Die von der Rechtsprechung der zuständigen Senate für die Geltung von § 8 WoGG aF angestellten Erwägungen sind auf § 12 WoGG zu übertragen. Denn trotz der Anhebung der Tabellenwerte in § 12 WoGG im Vergleich zu den Werten aus § 8 WoGG aF hat sich nichts daran geändert, dass es sich bei der Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten anhand des WoGG nur um eine abstrakte, allein der Deckelung der zu übernehmenden Aufwendungen dienende Begrenzung handelt, die unabhängig von den konkreten Umständen im Vergleichsraum erfolgt. Denn über letztere fehlen gerade ausreichende Erkenntnisse. Der Sicherheitszuschlag ist auch im Rahmen von § 12 WoGG erforderlich, da die in § 12 WoGG festgeschriebenen Werte ebenso wenig wie die in § 8 WoGG aF den Anspruch erheben, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden(vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, § 12 RdNr 14, 65. Lfg Mai 2011). Der Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, aaO, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die nach § 11 WoGG zu berücksichtigende Miete den in § 12 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist. Beide Regelungen verfolgen damit verschiedene Ziele; auf die Werte aus § 12 WoGG ist daher nur als Berechnungsgrundlage zur Bemessung der angemessenen Miete abzustellen und dem Sinn und Zweck von § 22 Abs 1 S 1 SGB II nach mittels des "Sicherheitszuschlages" anzupassen. Aufgrund der unterschiedlichen Zweckbestimmung hat es für die Bestimmung des Zuschlages bei § 12 WoGG damit keine Bedeutung, dass mit der Wohngeldreform 2009 die Werte aus § 8 WoGG um 10 % angehoben wurden. Durch die Anhebung sollte dem Zweck des WoGG entsprechend die Anzahl derjenigen Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger verringert werden, deren Miete aufgrund der allgemeinen Mietsteigerungen die Höchstbeträge überschreitet (vgl dazu BT-Drucks 16/8918, S 1, 49). Hinweise darauf, dass die Erhöhung der Werte unter Berücksichtigung der Mietpreissteigerungen in einem Umfang erfolgt wäre, der den Sicherheitszuschlag entbehrlich machen könnte, ergeben sich aus der Gesetzesbegründung nicht.

28

c) Soweit damit feststeht, dass auch im Rahmen von § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen ist, ist weiter dessen Höhe zu bestimmen. Der Senat schließt sich insoweit den Entscheidungen der Tatsacheninstanzen an, dass eine Erhöhung für den streitgegenständlichen Zeitraum um 10 % zu erfolgen hat. Die Höhe des Zuschlages ist ebenso wie die Heranziehung der abstrakten Werte aus § 12 WoGG nach abstrakten Kriterien zu bestimmen. Auf regionale Unterschiede hat der Gesetzgeber bereits durch die Festlegung der Mietenstufen in der WoGV reagiert; bei Änderung der Verhältnisse können diese entsprechend angepasst werden (vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 22). Die Höhe des Zuschlages soll möglichst sicherstellen, dass der Leistungsempfänger mit dem ihm dann im Ergebnis zustehenden Betrag für die Kosten der Unterkunft in die Lage versetzt wird, im örtlichen Vergleichsraum möglichst sicher eine Unterkunft zu finden, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht. Es soll durch die Höhe des Zuschlages eine angemessene Abgrenzung einerseits zu nur einfachstem Standard wie andererseits zu einem bereits gehobenen Standard erfolgen. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 12 WoGG einen Zuschlag in Höhe von 10 % zurzeit als angemessen.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für alle Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2013.

2

Die miteinander verheirateten Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer eines 2003 erworbenen Grundstücks mit selbst bewohntem Wohnhaus von 85 m² Wohnfläche, für dessen Erwerb sie der 1946 geborenen vormaligen Eigentümerin (im Folgenden: Voreigentümerin) und deren 1939 geborenem Ehemann eine Rente auf Lebenszeit in Höhe von monatlich 440 Euro zu entrichten haben. Bei Zahlungsverzug von mehr als drei Monatsraten ist die Voreigentümerin zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, ohne dass ein Ausgleich für die bis dahin empfangenen Zahlungen zu leisten wäre (Ziffern III. 1. und 2. des notariellen Übergabevertrages vom 16.6.2003 mit Nachtrag vom 20.2.2004).

3

Das beklagte Jobcenter bewilligte den Klägern für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2013 Arbeitslosengeld II (Alg II) zunächst in Höhe der Regelbedarfe sowie eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Bescheid vom 16.1.2013). Auf den Widerspruch wegen der Nichtberücksichtigung der Rentenzahlungen an die Voreigentümerin setzte der Beklagte das Alg II wie zuvor in Höhe der Regelbedarfe sowie des Mehrbedarfs fest und anerkannte als Bedarfe für Unterkunft und Heizung je Kläger 107,46 Euro für die Zeit vom 1.2. bis 28.2.2013 und 58,51 Euro bzw 58,50 Euro für die Zeit vom 1.5. bis 31.5.2013 für Betriebskosten (Änderungsbescheide vom 30.1.2013). Den Widerspruch im Übrigen wies er zurück, da die Rente der Tilgung für ein Darlehen zur Finanzierung eines Eigenheims gleich stehe und daher nicht nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II berücksichtigungsfähig sei(Widerspruchsbescheid vom 31.1.2013).

4

Auf Klage - beschränkt auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung - hat das Sozialgericht (SG) den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 16.1.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013 zur Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich je 220 Euro für die Zeit vom 1.2.2013 bis 31.7.2013 verurteilt (Urteil vom 10.5.2013): Aufwendung für Unterkunft sei jede Zahlungsverpflichtung, die eine Wohnraumüberlassung zum Gegenstand habe und deren Nichterfüllung einen Räumungsanspruch des Gläubigers begründen könne. In diesem Sinne sei die monatliche Zahlungspflicht hier ein Leibrentenversprechen, das ähnlich einer Mietzahlung oder eines in Raten zu zahlenden Kaufpreises die Gegenleistung für die Überlassung von Wohnraum sei und bei dem im Falle des Zahlungsverzugs mit mehr als drei Monatsraten ein Rücktrittsrecht und Rückübereignungsanspruch zugunsten der Übergeberin bestehe. Diese Zahlungen seien nicht mit Tilgungsraten zu vergleichen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Immobilieneigentum zu entrichten seien; sie sicherten allein den bereits erlangten Vermögensvorteil und dienten nicht unmittelbar der Vermögensmehrung.

5

Mit der mit Zustimmung der Kläger eingelegten und vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Leibrentenzahlungen seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Tilgungsleistungen keine berücksichtigungsfähigen Aufwendungen iS dieser Vorschrift, denn sie seien Gegenleistung für die Eigentumsübertragung am Hausgrundstück und damit als Ratenzahlungen eines seiner Höhe nach unbestimmten, weil bis zum Tod der Berechtigten zu zahlenden Kaufpreises zu verstehen. Bei vollständiger Erfüllung werde Lastenfreiheit des Grundstücks erreicht. Damit führe die Zahlung zu einer Vermögensbildung.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG entschieden, dass die von den Klägern zu zahlende Rente von 440 Euro monatlich als weiterer Unterkunftsbedarf anzuerkennen ist. Die Rente steht der Tilgung einer ratenweisen Kaufpreisschuld für das Hausgrundstück gleich und ist - da die Tilgung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Lebenserwartung der Voreigentümerin noch nicht bereits weitgehend abgeschlossen war - auch nicht ausnahmsweise als Bedarf für Unterkunft anzuerkennen.

9

1. Gegenstand des Verfahrens sind die den Zeitraum von Februar bis Juli 2013 betreffenden Alg II-Bewilligungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013, wogegen sich die Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 Sozialgerichtsgesetz) wenden. Nicht (mehr) Verfahrensgegenstand ist dagegen der Ausgangsbescheid vom 16.1.2013, nachdem er durch die im laufenden Widerspruchsverfahren ergangenen Änderungsbescheide vom 30.1.2013 vollständig ersetzt worden ist (§ 86 SGG) und sich mangels weitergehender rechtlicher Wirkungen damit erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -).

10

2. In der Sache ist der Streitgegenstand durch den ausschließlich darauf bezogenen Klagantrag wirksam auf die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - und zwar, da nur der Beklagte die Entscheidung des SG mit der Sprungrevision angefochten hat, begrenzt auf die Höhe der ihnen vom SG insoweit zugesprochenen 220 Euro je Kläger - beschränkt; an der prozessual zulässigen Abtrennbarkeit dieser Leistungen (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453; insofern in Kraft getreten zum 1.1.2011, im Folgenden: § 19 Abs 1 SGB II nF) auch für Verfahren über Bewilligungsabschnitte nach dem 1.1.2011 nichts geändert (zu Verfahren über zuvor abgeschlossene Bewilligungsabschnitte vgl nur BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

11

a) Der Rechtslage bis zum 31.12.2010 haben die Grundsicherungssenate des BSG in ständiger Rechtsprechung entnommen, dass die Gewährung höherer oder überhaupt von Leistungen für Unterkunft und Heizung einen abtrennbaren prozessualen Anspruch bildet, soweit sie - wie vorliegend auch - Gegenstand einer abtrennbaren Verfügung (Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X) des betreffenden Bescheids sind. Zwar sind beim Streit um höhere Leistungen auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (stRspr; vgl nur BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54Nr 21, RdNr 32). Hiervon hat das BSG indes eine Ausnahme für Unterkunft und Heizung gemacht, weil die Zuständigkeiten für die Regelleistung (heute: Regelbedarf) einerseits und für die Leistungen für Unterkunft und Heizung andererseits nach der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014) iVm § 19 S 2 bzw 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; seit 1.8.2006: § 19 S 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 , BGBl I 1706; im Folgenden § 19 S 2 bzw 3 SGB II aF)unterschiedlich und die Leistungen inhaltlich voneinander abgrenzbar waren, es sich rechtlich also um zwei eigenständige Leistungen und Verfügungen handelte (stRspr, grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff).

12

b) Eigenständige Leistungen in diesem Sinne bilden die Leistungen für den Regelbedarf einerseits und für Unterkunft und Heizung andererseits auch unter Geltung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Unverändert sind danach die Zuständigkeiten zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern ungeachtet des im Hinblick auf die Weiterentwicklung von § 19 SGB II (dazu unten c) geringfügig unterschiedlichen Wortlauts von § 6 Abs 1 S 1 SGB II alter und neuer Fassung weiter vom Prinzip geteilter Trägerschaft geprägt, wie es seit Einführung des SGB II gilt(vgl BT-Drucks 15/2816, S 10): Sofern nicht eine einheitliche Zuständigkeit eines kommunalen Trägers nach §§ 6a f SGB II besteht, sind für Unterkunft und Heizung ausschließlich zuständig die kommunalen Träger und für das Alg II sowie das Sozialgeld mit Ausnahme der Kosten von Unterkunft und Heizung die Bundesagentur für Arbeit; daran hat sich im Gefolge des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG nichts geändert (ebenso Rixen/Weißenberg in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 6 RdNr 3; Luik, ebenda § 22 RdNr 31). Eher ist die Trennung der Zuständigkeiten nochmals verdeutlicht durch die Neufassung des § 44b Abs 3 S 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 mWv 1.1.2011 , BGBl I 1112), wonach die Verantwortung für die recht- und zweckmäßige Erbringung jeweils "ihrer Leistungen" in der gemeinsamen Einrichtung nach § 44b SGB II(idF des GSiOrgWG) ausdrücklich jedem Träger gesondert obliegt (zum Zweck dieser Verantwortlichkeitszuweisung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 zu § 44 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vgl BR-Drucks 226/10 S 37 sowie Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 44b RdNr 26 ff, Stand 10/2013).

13

c) Nichts anderes folgt aus der partiellen Neufassung von § 19 und § 22 Abs 1 SGB II durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Leistungsrechtlich waren die Kosten für Unterkunft und Heizung schon bis zu dessen Inkrafttreten als Teil des Anspruchs auf Alg II gefasst (vgl § 19 S 1 SGB II idF des GSiFoG: Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung). Sachlich bedeutet es deshalb keinen Unterschied, wenn nunmehr die Leistungen, also Alg II und Sozialgeld, den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung "umfassen" (§ 19 Abs 1 S 3 SGB II nF) und nach Maßgabe von § 22 SGB II bei Unterkunft und Heizung "Bedarfe" in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen "anerkannt" werden(§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG), während zuvor "Leistungen" zu erbringen waren (§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II in der insoweit bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Das verdeutlicht zwar weiter, dass die Leistungsbereiche in dem Sinne aufeinander bezogen sind, als jeweils nach denselben Maßstäben umfassend zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II, insbesondere die der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II, vorliegen(so bereits BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso BT-Drucks 17/3404 S 97 zu § 19). Jedoch trägt dies nicht die Einschätzung, dass hiermit Änderungen substantieller Art verbunden wären (so aber BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22: Leistungen für Unterkunft und Heizung sind nunmehr integraler Bestandteil des Arbeitslosengeldes II, das den Bedarf für Unterkunft und Heizung als nicht mehr abtrennbaren Teil enthält). Das wäre angesichts der fortbestehenden organisationsrechtlichen Aufspaltung der Verantwortlichkeiten auch schwerlich möglich: Solange die Trägerschaft für die Kosten von Unterkunft und Heizung einerseits und den Regelbedarf andererseits getrennt ist, können Alg II und Sozialgeld keine einheitliche "Gesamtleistung" bilden (so schon BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31).

14

d) Ein prozessuales Verbot der abgetrennten Geltendmachung von Leistungen für Unterkunft und Heizung oder den Regelbedarf begründen die Änderungen in § 19 und § 22 Abs 1 SGB II ebenfalls nicht. Zwar stehen dem Gesetzgeber partielle Begrenzungen der grundsätzlich umfassend gewährleisteten Dispositionsmaxime (§ 123 SGG) zu. Dass dies hier geschehen wäre, ist aber nicht hinreichend deutlich. Einerseits ist das in den Materialien zwar angedeutet (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22). Andererseits findet eine solche Begrenzung schon im Gesetzestext keinen hinreichend deutlichen Niederschlag, nachdem - wie dargelegt - die Neufassung von § 19 Abs 1 SGB II nF erhebliche Unterschiede zur vorherigen Rechtslage nicht erkennen lässt. Zudem kommt in den Materialien gegenläufig ebenso das Bestreben zum Ausdruck, in Verfahren nach dem SGB II auch künftig Teilelemente abschichten zu können, auch wenn der dazu in Betracht gezogene Ansatz im geltenden Prozessrecht kaum Grundlagen findet (vgl BT-Drucks 17/3404, S 97 zu § 19: "dass … einzelne, dem angefochtenen Leistungsanspruch zugrunde liegende Tatsachen unstreitig gestellt werden"; vgl aus der stRspr hierzu nur BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - Juris RdNr 26; BSG Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R - BSGE 112, 54 = SozR 4-3500 § 28 Nr 8, RdNr 14; vgl ebenso Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 19 RdNr 82, Stand 1/2012, und Straßfeld, SGb 2011, 436, 442); auch das spricht dagegen, § 19 Abs 1 SGB II als Sperre der isolierten Geltendmachung der Bedarfe von Unterkunft und Heizung zu verstehen(so im Ergebnis auch: Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31 ff; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, Stand 6/2013, § 19 RdNr 30; Lauterbach in Gagel, Online-Ausgabe Stand 2014, § 22 SGB II RdNr 8; Nolte, NZS 2013, 10, 12 ff; Straßfeld, SGb 2011, 436, 442; aA : Berlit in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 9; S. Knickrehm in Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 1; offen gelassen Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 1/2012, K § 19 RdNr 81).

15

3. Anspruch auf weitere jeweils 220 Euro monatlich als Leistung auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II nF haben die Kläger ungeachtet ihrer Hilfebedürftigkeit im Übrigen nicht.

16

a) Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen im Weiteren sind gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II nF Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind, dh die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10).

17

b) Zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in diesem Sinne rechnen nach gefestigter Rechtsprechung des BSG, von der abzurücken kein Anlass besteht, Tilgungsraten grundsätzlich nicht (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 35; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 169 ff, Stand 10/2012; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 61). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (vgl aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; ebenso 4. Senat, BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Im Übrigen ist der Eigentümer grundsätzlich ebenso wenig wie der Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (vgl Entscheidungen des erkennenden Senats, BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 zur Kostensenkungsaufforderung und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10 zum Wohnungswechsel wegen unangemessen hoher Unterkunftskosten).

18

c) Nicht ohne Bedeutung ist hiernach entgegen der Auffassung des SG die "vertragliche Ausgestaltung" der im Streit stehenden Aufwendungen. Maßgebend ist vielmehr, ob die von den Klägern entrichteten Zahlungen an die Voreigentümerin wie die Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder einer Kaufpreisschuld zu werten sind oder ob sie einer (Miet-)Zahlung für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleichen. Das beurteilt sich nach der Rechtsprechung allein danach, wie der zugrunde liegende Vertrag konkret ausgestaltet ist und nicht, wie er auch hätte ausgestaltet sein können (vgl BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 1/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 65 RdNr 21). Entscheidend für die rechtliche Qualifizierung ist bei Grundstückskäufen auf Leibrentenbasis nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wie eng das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Rentenzahlung und Grundstücksgeschäft beschaffen ist. Als Leibrente im eigentlichen Sinne des § 759 BGB erachtet der BGH ein "einheitlich nutzbares Recht …, das dem Berechtigten für die Lebenszeit eines Menschen eingeräumt ist und dessen Erträge aus wiederkehrenden, gleichmäßigen und in gleichen Zeitabständen zu gewährenden Leistungen in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehen"(BGH Urteil vom 16.12.1965 - II ZR 274/63 - BB 1966, 305 - juris RdNr 22). Der Leibrente zugeordnet wird ein Grundstücksüberlassungsvertrag deshalb nur, wenn die Gegenleistung für dessen Überlassung mit der Einräumung des Stammrechts, aus dem die Einzelansprüche erwachsen, formal bereits als vollständig erbracht anzusehen ist und die Rentenzahlungen deshalb im strengen Sinne nicht Gegenleistung für die Grundstücksüberlassung sind, sondern Erfüllung des bereits vorher gewährten Rentenstammrechts. Steht dagegen nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung die Erfüllung (auch) der einzelnen Zahlungsansprüche in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Grundstücksüberlassung - und hat sich der Überlasser deshalb den Rücktritt vom Vertrag vorbehalten für den Fall, dass der Übernehmer mit Zahlungen in Rückstand gerät - dann bilden die "Rentenzahlungen in ihrer Gesamtheit den Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks" (BGH Beschluss vom 25.4.1991 - III ZR 159/90 - WM 1991, 1644, juris RdNr 2 ff, RdNr 5).

19

d) Hiernach könnten Leibrenten der Miete allenfalls gleich zu stellen sein, wenn es sich um Renten im engeren Sinne des § 759 BGB handelt. Muss dagegen eine "Leibrentenzahlung" bei vorbehaltenem Rücktritt - wie hier vertraglich ausbedungen - als Kaufpreisteil gesehen werden, so ist nicht anzunehmen, dass die Zahlungen nicht der Finanzierung des Grunderwerbs dienen. Maßgeblich ist dann nach der Rechtsprechung des BSG, ob es nach den konkreten Umständen "um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist" (vgl erkennender Senat: BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; 4. Senat: BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Davon kann hier indes nicht ausgegangen werden, nachdem die 2005 - dem Jahr des erstmaligen Bezugs von SGB II-Leistungen der Kläger - 59 Jahre alte Voreigentümerin statistisch eine Lebenserwartung von deutlich über 20 Jahren hatte (Statistisches Bundesamt, Periodensterbetafeln für Deutschland, Allgemeine Sterbetafeln, abgekürzte Sterbetafeln und Sterbetafeln, 1871/1881 bis 2008/2010, S 342).

20

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Erstattung von im Zusammenhang mit einem Umzug entstandenen Kosten.

2

Die Klägerin bezieht seit Mai 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von dem Beklagten. Zunächst erbrachte er die tatsächlichen Kosten für die in W gelegene Wohnung der Klägerin. Ende Dezember 2009 mietete die Klägerin zum 1.4.2010 für die Dauer von fünf Jahren ein freistehendes Wohnhaus in A mit einer Wohnfläche von 100 qm. Der monatliche Mietzins betrug bis 30.9.2012 380,00 Euro zuzüglich einer monatlichen Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 123,00 Euro.

3

Einen ersten Antrag auf Erteilung der Zustimmung zum Umzug sowie auf Übernahme der durch den Umzug entstehenden Wohnungsbeschaffungs-, Umzugs-, Renovierungs- und Wiederbeschaffungskosten lehnte der Beklagte im Februar 2010 ab (Bescheid vom 1.2.2010, Widerspruchsbescheid vom 16.3.2010). Zur Begründung führte er aus, dass die Kosten für das angemietete Haus nicht angemessen seien. Im Übrigen scheitere die Übernahme bereits daran, dass eine vorherige Zusicherung nicht erfolgt sei. Einen auf die Erteilung der Zusicherung gerichteten Eilantrag der Klägerin lehnte das SG ab (Beschluss vom 8.3.2010). Am 18.3.2010 beantragte die Klägerin erneut die Zusicherung zur Übernahme der Kosten für den Umzug nach A Zur Begründung führte sie aus, dass das SG in seinem Beschluss einen Betrag von 252,50 Euro als angemessene Unterkunftskosten für eine Person anerkannt habe. Sie habe auf ihrem Grundstück einen Stellplatz für monatlich 130,00 Euro untervermietet und ihre Kaltmiete daher von 380,00 Euro auf 250,00 Euro gesenkt. Die Kosten seien nunmehr angemessen. Der Beklagte lehnte auch diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die Vermietung eines Stellplatzes keine Senkung der Unterkunftskosten darstelle, die Einnahmen seien vielmehr als Einkommen zu werten (Bescheid vom 22.3.2010, Widerspruchsbescheid vom 3.5.2010).

4

Das SG hat die gegen die Entscheidungen des Beklagten erhobenen Klagen nach Verbindung der Verfahren abgewiesen (Urteil vom 14.1.2011). Auch die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben (Beschluss des LSG vom 29.10.2012). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dass nach § 22 Abs 3 S 1 Halbs 1 SGB II eine Zusicherung nur erteilt werden könne, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen seien. Dies sei hier bei monatlichen Kosten in Höhe von 380,00 Euro kalt nicht der Fall. Auch wenn der A er Mietspiegel kein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG darstelle, bilde er dennoch die Größenordnung der Mietpreise auf dem A er Wohnungsmarkt ab. Die Vermietung des Stellplatzes führe nicht zu einer Reduzierung der Unterkunftskosten, sondern verschaffe der Klägerin lediglich zusätzliche Einnahmen. Unterkunftskosten könnten nur durch eine Untervermietung von Wohnraum gesenkt werden.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 22 SGB II. So seien die angemessenen Unterkunftskosten für das Haus in A vom LSG nicht zutreffend bestimmt worden. Der Mietspiegel, der vom LSG selbst nicht als schlüssiges Konzept angesehen werde, stelle keine rechtlich zulässige Grundlage hierfür da. Auch hätte das LSG die Höhe der tatsächlichen Unterkunftskosten unter Berücksichtigung der zu erwartenden 130,00 Euro aus der Untervermietung zugrunde legen müssen. Es habe den Begriff der Unterkunft zu Unrecht auf die eigentlichen Wohnräume verengt.

6

Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14. Januar 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 1. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2010 und den Bescheid vom 22. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2010 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die ihr im Zusammenhang mit dem Umzug von W nach A entstandenen Kosten zu erstatten.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend. Die Aufwendungen für die neue Unterkunft seien unangemessen. Die Bewilligung von Umzugskosten setze keine Ermittlung der konkreten Höhe der angemessenen Kosten voraus.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Beschlusses des LSG und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der ihr anlässlich ihres Umzugs von W nach A entstandenen Kosten hat, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen.

10

1. Streitgegenstand des Verfahrens ist die Erstattung von Kosten, die der Klägerin durch den Umzug von W nach A entstanden sind. Die Abgabe einer Zusicherung zu ihrer Übernahme hat der Beklagte durch die Bescheide vom 1.2.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.3.2010 sowie vom 22.3.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.5.2010 abgelehnt. Da die Klägerin den Umzug zwischenzeitlich durchgeführt hat, ist ihr Begehren nicht mehr auf die Erteilung der Zusicherung, sondern die Übernahme der ihr durch den Umzug entstandenen Kosten gerichtet. Diesen Kostenerstattungsanspruch verfolgt sie zulässig im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG - s zum Kostenerstattungsanspruch ausführlich: BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 79/12 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 5 RdNr 11, 20 f und vom 10.9.2013 - B 4 AS 12/13 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 8 RdNr 16).

11

Zwar setzt die Leistungserbringung nach § 22 Abs 3 S 1 SGB II (in der hier maßgeblichen Fassung des FortentwicklungsG vom 20.7.2006, BGBl I 1706, im Folgenden aF; seit 1.1.2011 § 22 Abs 6 SGB II) eine vorherige Zusicherung voraus. Liegt sie vor, können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger übernommen werden; eine Mietkaution kann bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger übernommen werden. Nach S 2 dieser Regelung (in der hier maßgeblichen Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, im Folgenden aF) soll die Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Die Zusicherung stellt einen der Bewilligung vorgeschalteten Verwaltungsakt iS von §§ 31, 34 SGB X dar(BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - SGb 2011, 325 f, juris RdNr 13; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R, juris RdNr 24). Mit Abgabe der Zusicherung verpflichtet sich der Beklagte, einen Bescheid über die Übernahme der Wohnungsbeschaffungs- und/oder Umzugskosten / Mietkaution in einer bestimmten Höhe zu erteilen. Hat der Leistungsberechtigte den Umzug jedoch bereits durchgeführt und die in § 22 Abs 3 SGB II aF benannten Aufwendungen getätigt, hat er seinen Bedarf insoweit selbst gedeckt und eine vorherige Zusicherung durch den Leistungsträger hat sich überholt. Vergleichbar einem Sachleistungsanspruch, der bereits durch den Leistungsberechtigten befriedigt worden ist, kann sich der Anspruch aus § 22 Abs 3 SGB II auf die Zusicherung dann in einen Kostenerstattungsanspruch umwandeln. Die Erstattung von Kosten bei Selbstbeschaffung unaufschiebbarer Sozialleistungen (also in Eil- und Notfällen) sowie im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht (vgl bereits BSG vom 30.10.2001 - B 3 KR 27/01 R - BSGE 89, 50, 56 f = SozR 3-3300 § 12 Nr 1 S 8, juris RdNr 36; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 36/09 R juris RdNr 21; Grube, Sozialrecht aktuell 2010, 11, 12). Liegen die Voraussetzungen hierfür vor, kann das Begehren auch im Anwendungsbereich des SGB II zulässig auf Erstattung der Aufwendungen in Geld gerichtet werden (vgl BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, juris RdNr 21).

12

Seine gleichwohl gegen die Zulässigkeit der Klage hier bestehenden Bedenken wegen des Fehlens eines sachdienlichen (bestimmten) Klageantrags iS von § 92 SGG und dem hierzu erforderlichen Tatsachenvortrag(vgl zur Bezifferung des Kostenerstattungsantrags: BSG Urteil vom 20.4.2010 - B 1/3 KR 22/08 R - BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, juris RdNr 27; BSG Urteil vom 30.6.2009 - B 1 KR 5/09 R - SozR 4-2500 § 31 Nr 15, juris RdNr 14) stellt der Senat hier zurück. Ein (nachträglicher) Kostenerstattungsanspruch muss zwar stets die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zum Inhalt haben. Es ist daher grundsätzlich ein bezifferter Zahlungsantrag zu stellen und in der Klageschrift darzulegen, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt (vgl BSG Urteil vom 28.1.1999 - B 3 KR 4/98 R - BSGE 83, 254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1 S 10, juris RdNr 27). Dies ist bislang nicht erfolgt, die Klägerin beantragt lediglich "die ihr im Zusammenhang mit dem Umzug von W nach A entstandenen Kosten zu erstatten". Auch die Tatsacheninstanzen haben keinerlei Feststellungen dazu getroffen, ob der Klägerin überhaupt Aufwendungen im Zusammenhang mit ihrem Umzug entstanden sind und wenn, in welcher Art und Höhe. Da es jedoch ihnen obliegt, auf die Konkretisierung des Antrags und die Ergänzung des Tatsachenvortrags hinzuwirken (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2, § 153 Abs 1 SGG), kann dieser Verfahrensmangel nicht zu Lasten der Klägerin zur Unzulässigkeit der Klage führen. Er ist vielmehr im wiedereröffneten Verfahren vor dem LSG zu beheben (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 28.1.1999 - B 3 KR 4/98 R - BSGE 83, 254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1 S 11, juris RdNr 28).

13

2. Sollte der Klageantrag im wiedereröffneten Berufungsverfahren konkretisiert werden und das LSG zu Erkenntnissen darüber gelangen, ob der Klägerin tatsächlich Aufwendungen durch den Umzug entstanden sind, ggf in welcher Art und in welcher Höhe, wird es im Hinblick auf den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch die nachfolgenden Maßgaben zu berücksichtigen haben:

14

a) Das Kostenerstattungsbegehren wegen der mit dem Umzug im Zusammenhang stehenden Aufwendungen kann hier nur dann zum Erfolg führen, wenn der Beklagte die Erteilung einer vorherigen Zusicherung und damit einer Zusage der Leistungsgewährung auf einen vor der Durchführung des Umzugs von der Klägerin gestellten Antrag rechtswidrig durch die Bescheide vom 1.2.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.3.2010 und vom 22.3.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.5.2010 abgelehnt hat. Dann kann dem Leistungsberechtigten - insoweit wird auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II festzustellen sein - die Substitution durch Selbstbeschaffung wegen der Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung nicht entgegengehalten werden(vgl BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 79/12 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 5 RdNr 20; BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 202/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 13 juris RdNr 23; für die Sozialhilfe BSG Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R - SozR 4-3500 § 21 Nr 1 juris RdNr 11; BVerwG vom 30.4.1992 - 5 C 12/87, BVerwGE 90, 154 ff; s zur Substitution durch Darlehensgewährung BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 46/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 45). Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten war ein Antrag auf Zusicherung der Übernahme der in § 22 Abs 3 S 1 SGB II benannten Aufwendungen vor dem Abschluss des Mietvertrags für das Haus nicht erforderlich. Die mit dem Umzug verbundenen Aufwendungen können von dem Leistungsberechtigten im Regelfall erst vor dem unmittelbar bevorstehenden Umzug konkretisiert werden, sodass auch erst dann dem Beklagten eine Entscheidung nach § 22 Abs 3 SGB II im Hinblick auf die Übernahme dem Grunde und der Höhe nach möglich ist(vgl zur Konkretisierung der Unterkunftskosten bei einer Zusicherung nach § 22 Abs 2 SGB II BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - juris RdNr 17). Auch ist die Erteilung einer vorherigen Zusicherung nach § 22 Abs 2 SGB II nicht Voraussetzung für die Übernahme der Aufwendungen iS des § 22 Abs 3 SGB II. Dies folgt aus dem Regelungsgefüge des § 22 Abs 1 bis 3 SGB II sowie dem Tatbestand des § 22 Abs 3 SGB II selbst. § 22 Abs 2 SGB II regelt nur die Zusicherung der Leistungserbringung iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II für die neue Unterkunft durch den Leistungsträger. Damit soll dem Leistungsberechtigen eine Planungssicherheit im Hinblick auf die Erbringung der Unterkunftsaufwendungen durch den Beklagten gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II verschafft und eine auf Dauer angelegte Notlage bei nur teilweiser Anerkennung der Aufwendungen für eine neue Unterkunft als Bedarf vermieden werden(BSG vom 22.11.2011 - B 4 AS 219/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 57 RdNr 19). Die Entscheidung über Leistungen, die mit dem Umzug im Zusammenhang stehen, ist vom Leistungsträger jedoch unabhängig hiervon zu treffen. Sie können nach § 22 Abs 3 S 1 SGB II auch im Falle der abstrakten Unangemessenheit der Kosten der neuen Unterkunft erbracht werden(s unter d). Umgekehrt ist der Leistungsträger nicht verpflichtet, iS des § 22 Abs 3 S 2 SGB II die Wohnungsbeschaffungs- und/oder Umzugskosten sowie die Mietkaution zu übernehmen, wenn die neue Unterkunft abstrakt unangemessen teuer ist(s unter c, aa). Einer der Entscheidung nach § 22 Abs 3 SGB II vorgeschalteten Zusicherung iS des § 22 Abs 2 SGB II bedarf es daher nicht.

15

Nach den Feststellungen des LSG liegt es hier nahe, dass die Klägerin vor dem Umzug in das Haus in A Anträge auf Übernahme der mit dem Umzug im Zusammenhang stehenden Kosten beim Beklagten gestellt hat. Der Umzug ist zum 1.4.2010 erfolgt und beide ablehnenden Bescheide des Beklagten datieren früher. Ob die Ablehnung der Übernahme der durch den Umzug entstandenen Kosten jedoch auch rechtswidrig war, konnte der Senat nach den Feststellungen des LSG nicht beurteilen.

16

b) Eine Übernahme von Aufwendungen, die der Klägerin durch den Umzug entstanden sind, kommt nur in Betracht, wenn es sich bei den Aufwendungen um solche zur Wohnungsbeschaffung, des Umzugs oder um eine Mietkaution handelt.

17

Ob hier überhaupt Aufwendungen für eine Mietkaution angefallen sind, erschließt sich dem Senat auch aus dem Antrag der Klägerin nicht. Dies gilt ebenso für die "Wohnungsbeschaffungskosten". Sollten solche entstanden sein, wird das LSG zu beachten haben, dass der Begriff der "Wohnungsbeschaffungskosten" nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats weit auszulegen ist, begrenzt durch den Wortlaut (vgl nur BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, juris RdNr 13). Wohnungsbeschaffungskosten sind daher nur solche Aufwendungen, die mit dem Finden und Anmieten der Wohnung verbunden sind (BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr 16; BSG vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R - juris RdNr 15). Umzugskosten hat die Klägerin hingegen als Aufwendung im Antrag benannt, wenn sich auch nicht ergibt, ob und ggf in welcher Höhe insoweit tatsächlich Kosten entstanden sind. Übernahmefähige Umzugskosten sind auf die Kosten des Umzugs im engeren Sinn begrenzt. Als Umzugskosten kommen nach der Rechtsprechung des BSG insbesondere die Aufwendungen für Transport, Hilfskräfte, erforderliche Versicherungen, Benzinkosten und Verpackungsmaterial (vgl BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R, juris RdNr 7) sowie Sperrmüllentsorgung in Betracht (BSG vom 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R - BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37 - juris RdNr 19).

18

c) Sollten Aufwendungen der zuvor benannten Art beziffert werden können, wäre der Beklagte jedoch nur dann zu ihrer Erstattung verpflichtet, wenn ein Regelfall des § 22 Abs 3 S 2 SGB II aF gegeben ist. Nur in den zwei dort benannten typischen Fällen ist das Ermessen des Beklagten gebunden und auf Null reduziert.

19

Nach § 22 Abs 3 S 2 SGB II aF soll die Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst (bb) oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann (cc). Als Soll-Vorschrift ist diese Norm Ausdruck eines Regelermessens, dh der Leistungsträger hat die Zusicherung bei Vorliegen der Voraussetzungen zu erteilen (vgl BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R - BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37, juris RdNr 14). Ein Ermessen wird ihm dagegen erst eröffnet, wenn eine vom Regelfall abweichende atypische Fallkonstellation vorliegt. Voraussetzung möglicher gebundener Ansprüche ist insoweit allerdings stets, dass sich die neuen Unterkunftskosten in den Grenzen der abstrakten Angemessenheit halten (vgl BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R - BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37, juris RdNr 14; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, juris RdNr 15) (aa).

20

aa) § 22 Abs 3 S 2 SGB II ist eingebunden in das System des § 22 Abs 1 SGB II. Ohne die Sonderregelung in § 22 Abs 3 S 2 SGB II wären die Kosten eines Umzugs, der auf Veranlassung des Trägers durchgeführt wird oder sonst notwendig ist, bereits als Kosten der Unterkunft von § 22 Abs 1 S 1 SGB II umfasst. Daraus folgt, dass ein Umzug in eine kostenunangemessene Unterkunft weder vom kommunalen Träger veranlasst noch sonst notwendig kann sein. Nach § 22 Abs 1 S 3 SGB II wären zudem, wenn tatsächlich keine kostenangemessene Unterkunft vorhanden ist, weiterhin die tatsächlichen Kosten für die bisherige Unterkunft zu übernehmen. Damit bestünde bereits keine konkrete Veranlassung oder Notwendigkeit zu einem Auszug aus der bisherigen Unterkunft (zum Erfordernis der Angemessenheit der neuen Unterkunftskosten vgl Piepenstock in juris-PK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 22 RdNr 178; Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 164; von diesem Erfordernis geht auch Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 SGB II RdNr 123 aE aus). Auf Grundlage der Feststellungen des LSG vermag der Senat jedoch nicht auf die An- oder Unangemessenheit der Unterkunftsaufwendungen der Klägerin für das zum 1.4.2010 bezogene Haus in A zu erkennen.

21

Das LSG wird insoweit zunächst die tatsächlichen Aufwendungen der neuen Unterkunft zu ermitteln haben. Ausgangspunkt ist dabei die mietvertragliche Vereinbarung der Klägerin vom Dezember 2009. Hier wird das LSG insbesondere festzustellen haben, ob und welche Bestandteile dem Unterkunftsbedarf iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II zuzuordnen sind. Abzustellen ist auf das, was zu Wohnzwecken angemietet wurde oder untrennbarer Gegenstand der Mietvereinbarung ist. Nicht umfasst sind damit etwa Räume zum Zwecke der Ausübung einer Erwerbstätigkeit (vgl BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 32/09 R, juris RdNr 35; BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R - SozR 4-4200 § 16 Nr 1 juris RdNr 15) oder weitere Räume oder Plätze, die gesondert angemietet werden und keinen Wohnzwecken dienen, beispielsweise zusätzlich angemietete Garagen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, juris RdNr 28). In die Berechnung der Kosten der Unterkunft ist die vereinbarte Kaltmiete zzgl der kalten Betriebskosten einzustellen.

22

Ferner sind die abstrakt angemessenen Unterkunftskosten im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnungsstandard aufweist. Eine isoliert betrachtete unangemessene Wohnungsgröße ist dabei unschädlich, es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist, also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessene Mietobergrenze nicht überschreitet (vgl nur BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 4/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 72; BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 73 juris RdNr 19). Die Mietobergrenze ist auf Grundlage eines schlüssigen Konzeptes zu ermitteln (vgl nur BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, juris RdNr 17 ff). Sofern das LSG davon ausgeht, dass der Mietspiegel der Stadt A kein schlüssiges Konzept darstelle (zur Problematik der Eignung von Mietspiegeln zur Bestimmung der Referenzmiete vgl BSG vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42; s auch S. Knickrehm, JM 2014, 337, 341 ff), hat es im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht zunächst den Beklagten aufzufordern, in Ausübung seiner prozessualen Mitwirkungspflicht aus § 103 S 1 Halbs 2 SGG dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und auf Verlangen des Gerichts eine ggf unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen, um eine Erarbeitung eines schlüssigen Konzeptes zu ermöglichen. Erst wenn sich nach weiteren Ermittlungen des Grundsicherungsträgers und ggf des Gerichts erweist, dass sich keine hinreichenden Feststellungen zu den angemessenen Unterkunftskosten mehr treffen lassen, somit ein Ausfall von lokalen Erkenntnismöglichkeiten vorliegt, ist grundsätzlich von den tatsächlichen Aufwendungen auszugehen, die ihrerseits durch die Tabellenwerte zu § 8 bzw § 12 WoGG - jeweils zzgl eines Sicherheitszuschlages in Höhe von 10 %(vgl BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 73 juris RdNr 25 ff) - nach oben begrenzt sind. Die Frage, ob sich anhand vorgelegter Daten ein schlüssiges Konzept entwickeln lässt, kann ebenso wenig wie die Frage, ob ein Ausfall lokaler Erkenntnismöglichkeiten vorliegt, offen bleiben. Dies haben beide für die Grundsicherung zuständigen Senate des BSG wiederholt betont (vgl zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 4/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 72 juris RdNr 14 f; BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 73 juris RdNr 19; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17).

23

Sollte das LSG entgegen seiner bisherigen Beurteilung zu dem Ergebnis gelangen, dass der von der Klägerin für die neue Unterkunft in A zu zahlende Mietzins die abstrakte Angemessenheitsgrenze nicht überschreitet, wird das Vorliegen einer der beiden zuvor erwähnten typischen Fallkonstellationen iS des § 22 Abs 3 S 2 SGB II zu prüfen sein.

24

bb) Vom Regelfall der Veranlassung durch den kommunalen Träger ist auszugehen, wenn der Umzug zur Verminderung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft geboten ist. Es muss sowohl der Auszug aus der bisherigen Unterkunft als auch der Einzug in die konkrete neue Wohnung vom kommunalen Träger veranlasst sein (vgl BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R - BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37, juris RdNr 15). Eine Veranlassung des Auszugs zur Verminderung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft ist etwa im Falle einer Kostensenkungsaufforderung anzunehmen. Dem Senat ist eine abschließende Beurteilung hierzu jedoch nicht möglich, denn aus den Feststellungen des LSG ergibt sich nicht hinreichend, ob die Klägerin einer Kostensenkungsaufforderung des Beklagten ausgesetzt war.

25

cc) Eine Notwendigkeit des Umzugs aus anderen Gründen kann bestehen, wenn der Auszug von anderer Seite als durch den kommunalen Träger veranlasst wurde, wie es etwa bei einer auf die Bundesagentur für Arbeit zurückgehenden Eingliederungsmaßnahme der Fall wäre (vgl hierzu BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R - BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37, juris RdNr 17). Eine Notwendigkeit des Auszuges ist ferner bei einer Kündigung oder Räumungsklage des Vermieters gegeben. Das LSG wird ggf hierzu weitere Feststellungen zu treffen haben.

26

Soweit § 22 Abs 3 S 2 SGB II ferner kumulativ vorsieht, dass ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann, ist dies auf die Zukunft gerichtet und spielt für einen abgelaufenen Zeitraum, wenn sich der Anspruch auf die Zusicherung in einen Kostenerstattungsanspruch gewandelt hat, keine Rolle mehr. Die Zusicherung ist dann insoweit überholt.

27

Liegt ein Regelfall iS des § 22 Abs 3 S 2 SGB II vor und bewegen sich die Aufwendungen für die neue Unterkunft unterhalb der Grenze der abstrakten Angemessenheit, hat die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe der "angemessenen" Kosten für Wohnungsbeschaffung, Umzug und/oder Mietkaution. Wie dargestellt, sind gebundene Ansprüche im Rahmen von § 22 Abs 3 S 2 SGB II aF der Höhe nach - systematisch im Zusammenhang mit § 22 Abs 1 S 1 SGB II - auf die Angemessenheit begrenzt. Im Hinblick auf die Umzugskosten gilt hier zu beachten, dass im Rahmen eines aus Steuermitteln finanzierten Fürsorgesystems der Leistungsberechtigte grundsätzlich gehalten ist, einen Umzug selbst zu organisieren und durchzuführen. Wenn der Leistungsberechtigte den Umzug jedoch etwa wegen Alters, Behinderung, körperlicher Konstitution oder wegen der Betreuung von Kleinstkindern nicht selbst vornehmen oder durchführen kann, so der 14. Senat des BSG, ist auch die Übernahme der Aufwendungen für einen gewerblich organisierten Umzug in Betracht zu ziehen (BSG vom 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R - BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37, juris RdNr 19).

28

d) Sollte das LSG in Anwendung der genannten Maßstäbe zu dem Ergebnis gelangen, dass die Aufwendungen der Klägerin für die neue Unterkunft abstrakt unangemessen sind oder zwar abstrakt angemessen, jedoch keiner der beiden Regelfälle des § 22 Abs 3 S 2 SGB II gegeben ist, wird es zu klären haben, ob die Ablehnung der Zusicherung durch den Beklagten in den angefochtenen Bescheiden unter pflichtgemäßer Ermessensausübung nach § 22 Abs 3 S 1 SGB II aF erfolgt ist. Denn wenn kein Regelfall anzunehmen ist, liegt ein atypischer Fall nach § 22 Abs 3 S 1 SGB II aF vor, welcher vom Beklagten eine Ermessensentscheidung verlangt. Das Gesetz eröffnet den Leistungsträgern durch § 22 Abs 3 S 1 SGB II aF allgemein die Möglichkeit, Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten sowie eine Mietkaution auch dann zu übernehmen, wenn der Umzug nicht vom Leistungsträger veranlasst oder sonst erforderlich ist und/oder die Mietaufwendungen für die neue Unterkunft die abstrakte Angemessenheitsgrenze überschreiten. Der Anspruch der Klägerin ist in diesem Fall auf einen Anspruch auf ordnungsgemäße Ermessensentscheidung gerichtet. Das LSG unterliegt insoweit einem Fehlverständnis der Systematik von § 22 Abs 3 SGB II aF, wenn es annimmt, die Erteilung einer Zusicherung sei in jedem Fall - sowohl nach S 2 als auch nach S 1 - nur bei Umzug in eine kostenangemessene Unterkunft möglich. Der Anwendungsbereich von § 22 Abs 3 S 1 SGB II aF geht darüber hinaus. Dem Leistungsträger wird durch § 22 Abs 3 S 1 SGB II aF sowohl bezüglich des "Ob" als auch des "Wie" der Leistungserbringung Ermessen eingeräumt.

29

Die streitgegenständlichen Bescheide lassen eine Ermessensausübung nicht erkennen, sie sind bereits aufgrund eines Ermessensnichtgebrauchs materiell rechtswidrig und müssten durch das LSG aufgehoben werden (§ 54 Abs 2 SGG; vgl BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R - BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37), es sei denn, das LSG würde im Hinblick auf eine ablehnende Entscheidung zu einer Ermessensreduzierung des Beklagten auf Null gelangen. Dem erkennenden Senat mangelt es jedoch auch hier an ausreichenden Feststellungen des LSG, um die Sach- und Rechtslage abschließend beurteilen zu können.

30

Im Falle der Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide und der Verpflichtung des Beklagten, über den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 131 Abs 2 S 2 iVm Abs 3 SGG), wird dieser bei einer neuen Entscheidung die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen haben. Als Ermessensgesichtspunkte sind hierbei grundsätzlich die Umstände einzubeziehen, die zum Auszug geführt haben, aber auch absehbare zukünftige Entwicklungen, wie zB Kostensenkungsbemühungen des Leistungsberechtigten iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II, die nach erfolgreicher Durchführung die Aufwendungen für die neue Unterkunft zumindest zeitweilig auf ein konkret angemessenes Maß reduzieren. Insoweit wird ggf die von der Klägerin behauptete Untervermietung eines Stellplatzes auf dem von ihr angemieteten Hausgrundstück (vgl hierzu BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, juris RdNr 28; BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 34; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, juris RdNr 19)auf ihre kostensenkende Wirkung bei den Unterkunftskosten zu untersuchen sein.

31

Untervermietungen von Teilen der angemieteten Unterkunft sind als Kostensenkungsmaßnahmen bei der Bedarfsberechnung der Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen. Zahlungen daraus stellen regelmäßig kein Einkommen iS von § 11 SGB II dar. Dies folgt aus Gesetzeswortlaut, Begründung des Gesetzentwurfs, Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung (für eine Berücksichtigung iRd Unterkunftskosten vgl LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 22.2.2008 - L 28 AS 1065/07 - juris; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 SGB II RdNr 18, Stand IV/14; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 35 RdNr 51; Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 24; ders in LPK-SGB XII, 9. Aufl 2014, § 35 RdNr 17; für eine Berücksichtigung als Einkommen vgl SG Potsdam Urteil vom 26.3.2014 - S 38 AS 1542/13 WA - juris; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 50; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 54, Stand X/12; Nguyen in juris-PK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 35 RdNr 100).

32

Gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II(in der hier maßgeblichen Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, im Folgenden aF) werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Nach § 22 Abs 1 S 3 SGB II(in der hier maßgeblichen Fassung des FortentwicklungsG vom 20.7.2006, BGBl I 1706, im Folgenden aF) sind Aufwendungen für die Unterkunft, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Der Wortlaut des § 22 Abs 1 S 3 SGB II aF nennt mithin ausdrücklich das Vermieten als mögliche Maßnahme zur Senkung der Unterkunftsaufwendungen. Aufwendungen sind in diesem Zusammenhang die tatsächlichen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II aF. Hiervon wird auch in der Begründung zum Entwurf des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ausgegangen (vgl BT-Drucks 15/1516 S 57).

33

Dieses Ergebnis wird durch systematische Überlegungen gestützt. Würden Erträge aus Untervermietung als Einkommen iS von § 11 SGB II gewertet, hätte dies zur Folge, dass der Leistungsberechtigte seinem Vermieter gegenüber im vollen Umfang zur Zahlung der vereinbarten Miete verpflichtet bliebe, vom Leistungsträger jedoch nur die angemessenen Kosten der Unterkunft und zugleich einen um die Einnahmen aus der Untervermietung - ggf abzüglich der Versicherungspauschale in Höhe von monatlich 30 Euro(§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-VO) - verminderten Regelbedarf erhielte. Die Differenz zwischen tatsächlichen und angemessenen Unterkunftskosten hätte er damit vollständig und in jedem Fall selbst zu tragen. Dabei handelt es sich wirtschaftlich betrachtet bei dem Zufluss von Zahlungen aus einer Untervermietung für den Leistungsberechtigten letztlich nur um einen "Durchlaufposten", der an den Vermieter weitergeleitet wird, ergänzt um den Differenzbetrag zur Gesamtmiete, den der Träger erbringt (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, juris RdNr 25 f). Insoweit hat der erkennende Senat bereits im Falle eines Mietzuschusses darauf hingewiesen, dass unter der Geltung der Zuflusstheorie zwar grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert dem Begriff des Einkommens iS des § 11 SGB II unterfallen. Anders sei dies aber dann, wenn eine Einnahme im Ergebnis lediglich eine bestimmte Bedarfsposition mindern solle und insoweit wirtschaftlich nicht dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuzurechnen sei (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, juris RdNr 25 f). Sind die tatsächlichen Unterkunftskosten dagegen angemessen, würde umgekehrt die Wertung der Einnahmen als Einkommen zu einer Besserstellung des Leistungsberechtigten führen. Er würde seitens des kommunalen Trägers weiterhin die vollständigen Unterkunftskosten erhalten, könnte im Rahmen der Einkommensanrechnung aber ggf die Versicherungspauschale, sofern nicht bereits aufgrund anderer Einkommen berücksichtigt, geltend machen, was im Ergebnis zu einer monatlich um 30 Euro höheren Leistung führen würde als bei einem unmittelbaren Abzug im Rahmen der Kosten der Unterkunft.

34

Auch die differenzierte Trägerzuständigkeit nach § 6 SGB II legt eine Berücksichtigung der Untervermietungserträge unmittelbar bei den Unterkunftskosten nahe. Eine Anrechnung als Einkommen würde ansonsten nach § 19 S 3 SGB II(in der hier maßgeblichen Fassung des FortentwicklungsG vom 20.7.2006, BGBl I 1706; seit 1.1.2011 § 19 Abs 3 SGB II) - nach Abzug der Versicherungspauschale - zunächst die Geldleistungen der BA und damit den Regelbedarf des Leistungsberechtigten mindern. Die kommunalen Träger - obwohl nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II Erbringer der Unterkunftsleistungen - profitierten nicht von der als Kostensenkungsmaßnahme ausdrücklich im Gesetz vorgesehenen Untervermietung. Dies würde selbst in dem Fall gelten, in dem der kommunale Träger die tatsächlichen, aber grundsicherungsrechtlich unangemessenen Aufwendungen wegen Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit eines Umzugs weiterhin übernehmen muss. Der die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft übersteigende Ertrag aus Untervermietung ist dann folglich jedoch als Einkommen nach § 11 SGB II beim Regelbedarf zu berücksichtigen. Denn dieser Teil des Ertrages dient nicht mehr der Senkung der Unterkunftskosten, sondern der Einkommenserzielung.

35

Zudem ist es Sinn und Zweck der Regelung des § 22 Abs 1 S 1 SGB II, Leistungen für den tatsächlichen Bedarf einer Unterkunft zu gewähren. Der tatsächliche Bedarf entsteht jedoch nur für selbst genutzten Wohnraum. Sofern Teile eines angemieteten Wohnraums von einem Leistungsberechtigten wegen Untervermietung nicht genutzt werden, besteht mithin auch kein Grund, hierfür Leistungen zu erbringen.

36

Die Sonderregelung in § 22 Abs 1 S 4 SGB II(in der hier maßgeblichen Fassung des FortentwicklungsG vom 20.7.2006, BGBl I 1706, im Folgenden aF; seit 1.1.2011 § 22 Abs 3 SGB II) steht der vorgenommenen Wertung nicht entgegen. Danach mindern Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie beziehen, bleiben insoweit außer Betracht. Die Vorschrift wurde auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales in das Gesetz eingefügt und stellt eine Reaktion darauf dar, dass Betriebskostenrückzahlungen bis dato als Einkommen zu werten waren. Man war zu der Auffassung gelangt, dies führe zu nicht sachgerechten Ergebnissen (vgl BT-Drucks 16/1696 S 26 f). Die Rechtsprechung hat daraus für davor liegende Zeiträume abgeleitet, dass Betriebskostenrückzahlungen Einkommen iS von § 11 SGB II sein müssten(vgl BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 37). Dies war angesichts des gesetzgeberischen Willens, wie er zur Einführung von § 22 Abs 1 S 4 SGB II deutlich wurde, zwingend. Mangels Wortlautstützen für eine Berücksichtigung der Betriebskostenrückzahlungen unmittelbar bei den Unterkunftskosten war für diese eine andere Auslegung auch nicht möglich. Bei Erträgen aus Untervermietung verhält es sich jedoch insoweit anders. Die Berücksichtigung unmittelbar bei den Unterkunftskosten findet wie aufgezeigt im Wortlaut ihren Niederschlag und wird ferner vom gesetzgeberischen Willen getragen.

37

4. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. Juli 2010 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Jobcenter die Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1.7.2008 bis zum 31.3.2009 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II).

2

Die im Jahr 1950 geborene Klägerin ist seit 2002 ohne Beschäftigung und bezieht nach Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe seit dem 1.1.2005 Arbeitslosengeld II. Sie bewohnt seit dem Jahr 1985 eine 76,83 qm große Drei-Zimmer-Wohnung in Freiburg. Für die Wohnung bezahlt sie seit dem 1.11.2007 monatlich 497 Euro Kaltmiete, eine Heizkosten- und Warmwasserpauschale von 37,50 Euro sowie Betriebskosten. Der für die Stadt Freiburg erstellte qualifizierte Mietspiegel 2007 weist für die Zeit ab 1.3.2007 für eine 45 qm große Wohnung einen durchschnittlichen "Basismietpreis" von 7,51 Euro je qm aus, der Mietspiegel 2009 von 7,87 Euro. Für bestimmte Ausstattungsvarianten erfolgen prozentuale Zu- und Abschläge von diesem Basismietpreis. Ab 1.1.2005 zahlte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden auch: Beklagter) der Klägerin die vollen Kosten der Unterkunft sowie anteilige Kosten der Heizung, damals insgesamt 570,18 Euro monatlich. Mit Schreiben vom 8.8.2005 wurde der Klägerin vom Beklagten mitgeteilt, ihre Kosten der Unterkunft seien unangemessen hoch, und sie wurde unter anderem aufgefordert, die Kosten zu senken. Angemessen seien maximal 5,62 Euro je qm, für 45 qm also insgesamt 252,90 Euro. Eine ähnliche Aufforderung erging mit Schreiben des Beklagten vom 9.3.2006. Der Beklagte zahlte aber weiterhin die vollen Kosten der Unterkunft. Unter dem 17.7.2007 schlossen die Beteiligten zur Senkung der unangemessenen Miete eine Vereinbarung, in der sich die Klägerin bereit erklärte, ab Oktober 2007 die überhöhten Kosten als Eigenanteil zu übernehmen. Ein Versuch des Beklagten, an die Klägerin eine geringere Leistung für die Unterkunft zu zahlen, führte zu einem Klageverfahren, aufgrund dessen der Beklagte schließlich weiterhin bis zum 31.3.2008 die vollen Kosten der Unterkunft zahlte. Für die Zeit vom 1.4. bis 30.9.2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen in Höhe von 786,64 Euro monatlich, davon Leistungen für Unterkunft und Heizung von 439,64 Euro (Kaltmiete 290,70 Euro plus Nebenkosten 117,97 Euro = 408,67 Euro plus Heizkosten 30,97 Euro; Bescheid vom 25.3.2008) und für die Zeit vom 1.10.2008 bis 31.3.2009 in derselben Höhe (weiterer Bescheid vom 25.3.2008). Mit Bescheiden vom 18.5.2008 änderte der Beklagte diese Bescheide und bewilligte wegen Anhebung der Regelleistung von 347 auf 351 Euro insgesamt Leistungen von 790,64 Euro ab 1.7.2008. Die gegen diese letzten Bescheide erhobenen Widersprüche wurden zurückgewiesen (Widerspruchsbescheide vom 15.7.2008).

3

Die dagegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht (SG) verbunden und nach einem Teilanerkenntnis des Beklagten hinsichtlich einer angemessenen Kaltmiete von 305,10 Euro monatlich für die Zeit vom 1.11.2008 bis 31.3.2009 im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 10.7.2009). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.7.2010) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe die zulässigerweise allein umstrittenen Kosten der Unterkunft zutreffend festgesetzt. Für einen Ein-Personen-Haushalt sei eine Wohnfläche von 45 qm nach dem landesrechtlich geregelten Wohnungsbindungsrecht angemessen. Die Größe der Wohnung der Klägerin von 74 qm überschreite diesen Wert erheblich und ihre tatsächliche Miete liege deutlich über der angemessenen Referenzmiete von 290,70 bzw 305,10 Euro pro Monat aus dem Produkt von Mietpreis und Quadratmeter. Der räumliche Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Durchschnittsmiete sei vorliegend die Stadt Freiburg. Die von dem Beklagten zugrunde gelegte Miethöhe von 6,46 Euro bzw 6,78 Euro und die sich daraus (x 45 qm =) ergebenden Obergrenzen von 290,70 bzw 305,10 Euro entsprächen dem Mietniveau in der Stadt Freiburg im unteren Segment des Wohnungsmarktes für Wohnungen bis 45 qm. Der Mietspiegel der Stadt Freiburg sei als schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (ua Hinweis auf BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - und BSG vom 22.9.2009 - B 14 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30) für die Ermittlung einer Vergleichsmiete geeignet und der Beklagte habe aus ihm die richtigen Schlüsse gezogen. Auszugehen sei von den ermittelten Basismietpreisen von 7,51 Euro im Mietspiegel 2007 und 7,87 Euro in dem Mietspiegel 2009 pro Quadratmeter für eine zwischen 1961 und 1977 errichtete Standardwohnung mit 45 qm in einem Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen pro Hauseingang, normaler Beschaffenheit mit durchschnittlicher Wohnungsausstattung. Von diesen Beträgen seien entsprechend der Systematik des Mietspiegels Abschläge zu machen von 6 % für eine überwiegend einfache Bodenausstattung, 4 % für das Fehlen einer Gegensprechanlage und eines Türöffners sowie 5 % für die Lage an einer Durchgangsstraße. Die Untersuchungen des "Runden Tisches zu den Auswirkungen der Hartz-Gesetze in Freiburg" seien nicht geeignet, diese auf empirischer Grundlage gewonnenen Wertungen und Einschätzungen des örtlichen Wohnungsmarktes in Frage zu stellen.

4

Die Sechs-Monats-Frist des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II sei abgelaufen, der Beklagte habe die Klägerin mit Schreiben vom 8.8.2005 und 9.3.2006 darauf hingewiesen, dass ihre Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien, und die Klägerin habe sich verpflichtet, ab Oktober 2007 den unangemessenen Teil der Kosten der Unterkunft selbst zu tragen. Der Klägerin sei ein Umzug im Vergleichsraum der Stadt Freiburg möglich und zumutbar. Weder sei keine angemessene Wohnung zu finden noch ständen gesundheitliche Gründe einem Umzug entgegen. Dass die Klägerin möglicherweise im Jahr 2013 abschlagsfrei Altersrente in Anspruch nehmen könne, führe zu keiner anderen Beurteilung. Die Heizung und sonstigen Nebenkosten habe der Beklagte abzüglich des Betrages für die Warmwasserbereitung in vollem Umfang übernommen, sodass die Klägerin insofern nicht beschwert sei.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das LSG habe § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht richtig angewandt. Es habe zu Unrecht das Konzept des Beklagten als plausibles Konzept anerkannt. Insbesondere sei ungeklärt, ob Wohnungen wie das LSG sie für angemessen halte, überhaupt existierten. Dagegen spreche ua eine Untersuchung der Stadt Freiburg aus dem Jahr 2004. Die Ablehnung ihres Beweisantrages verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens aus Art 6 Europäische Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), weil ihr eine Beweislast aufgebürdet worden sei, die objektiv nicht zu erbringen gewesen sei. Eine Wohnung von 45 qm sei für sie nicht angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (- 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175), insbesondere im Vergleich mit einem jungen Menschen müsse ihre "Lebensleistung" berücksichtigt werden und, dass sie kurz vor dem Erreichen des Rentenalters stehe. Bei einem Umzug müsse sie ihr soziales Umfeld aufgeben, weil es nicht möglich sei, in dem von ihr bewohnten Stadtteil zu dem von dem Beklagten angegebenen Preis eine Wohnung zu mieten. Nach einem Beschluss des Gemeinderats vom 5.5.2009 sei bei älteren Menschen die Wohnungsdauer - mindestens 15 Jahre - zu berücksichtigen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. Juli 2010 und des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Juli 2009 aufzuheben, die Bescheide des Beklagten vom 18. Mai 2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15. Juli 2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. März 2009 monatlich Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 645,94 Euro zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Auf die Revision der Klägerin ist das Urteil des LSG vom 5.7.2010 aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Denn aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung vom 1.7.2008 bis zum 31.3.2009 hat.

10

Nach dem angefochtenen Urteil des LSG, das die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen hat, hat die Klägerin nach den angefochtenen Bescheiden des Beklagten in der Veränderung durch deren Teilanerkenntnis vor dem SG, monatlich nur Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.7. bis 31.10.2008 in Höhe von 439,64 Euro (Kaltmiete 290,70 Euro plus kalte Nebenkosten 117,97 Euro = 408,67 Euro plus Kosten der Heizung 30,97 Euro) und für die Zeit vom 1.11.2008 bis zum 31.3.2009 von 454,04 Euro (Erhöhung der Kaltmiete um 14,40 Euro auf 305,10 Euro aufgrund des Teilanerkenntnisses). Als Ergebnis des Revisionsverfahrens ist es jedoch möglich, dass die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung hat, weil dem LSG hinsichtlich der Herleitung der einzelnen Beträge nicht gefolgt werden kann.

11

Streitgegenstand des Verfahrens sind allein Ansprüche der Klägerin auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.7.2008 bis zum 31.3.2009 und die letzten diese Ansprüche regelnden Bescheide des Beklagten vom 18.5.2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15.7.2008. An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert.

12

Die Klägerin lebt nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 Sozialgerichtsgesetz) allein in ihrer Wohnung und gehört dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil sie das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, der insofern vom 1.7.2008 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde).

13

Rechtsgrundlage für die vorliegend der Höhe nach umstrittenen Leistungen für Unterkunft und Heizung sind §§ 19, 22 SGB II. Danach werden im Rahmen des Arbeitslosengeldes II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, der insofern vom 1.7.2008 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (stRspr vgl nur BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 12 mwN). Zwischen der Leistung für die Unterkunft (dazu 1.) und der Leistung für die Heizung (dazu 2.) ist zu unterscheiden, wie schon dem Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals "Leistungen" sowie der Rechtsprechung des Senats (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 18) zu entnehmen ist.

14

1. Die Klägerin könnte gegen den Beklagten einen höheren Anspruch auf Leistung für die Unterkunft als die ihr bewilligten 408,67 Euro monatlich für die Zeit vom 1.7. bis zum 31.10.2008 und 423,07 Euro monatlich für die Zeit vom 1.11.2008 bis zum 31.3.2009 haben.

15

Zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft, auf die der dem Grunde nach leistungsberechtigte Hilfebedürftige Anspruch hat, ist in mehreren Schritten vorzugehen: Zunächst ist die angemessene Leistung für die Unterkunft unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren abstrakt zu ermitteln (dazu a). Dann ist - falls insofern vom Hilfebedürftigen Einwände vorgebracht werden - zu prüfen, ob in dem örtlichen Vergleichsraum eine solche abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte angemietet werden können (dazu b). Soweit die Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft, also die von ihm zu zahlende Nettokaltmiete plus kalte Betriebskosten, die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft des Hilfebedürftigen (entsprechend a) übersteigen, sind erstere nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel längstens für sechs Monate(dazu c) (vgl ua BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19 ff; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 12 ff; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27: Mietspiegel als schlüssiges Konzept; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29; zuletzt: BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 20 ff).

16

a) Ob die abstrakt ermittelte, angemessene Leistung für die Unterkunft der Klägerin monatlich nicht höher als die ihr bewilligten 408,67 Euro für die Zeit vom 1.7. bis zum 31.10.2008 und 423,07 Euro für die Zeit vom 1.11.2008 bis zum 31.3.2009 ist, kann nicht festgestellt werden.

17

Die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft ist entsprechend der soeben aufgeführten Rechtsprechung unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln: (1) Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. (2) Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen. (3) Im nächsten Schritt ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraumes zu zahlen ist, um die nach der Produkttheorie angemessene Nettokaltmiete zu ermitteln. (4) Zu der Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen.

18

(1) Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende wie die Klägerin in Baden-Württemberg allgemein und damit auch in Freiburg 45 qm.

19

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376: "Wohnungsförderungsgesetz") wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen" des jeweiligen Landes.

20

Nach den Feststellungen des LSG hat das Land Baden-Württemberg zwar keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Ein-Personen-Haushalte von einer Wohnfläche von 45 qm auszugehen. An dieser Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 22).

21

(2) Als den maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum hat das LSG zu Recht die Stadt Freiburg zugrunde gelegt und insbesondere auf deren Einwohnerzahl von über 200 000 hingewiesen (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 24).

22

(3) Welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards als angemessen auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums Stadt Freiburg für die Zeit vom 1.7.2008 bis zum 31.3.2009 zugrunde zu legen ist, kann aufgrund der Feststellungen des LSG nicht bestimmt werden.

23

Dass von einem einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnungsstandard, der hinsichtlich Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt, auszugehen ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 24; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 25).

24

Zur Ermittlung der diesem einfachen Wohnungsstandard angemessenen Kaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt ist zu überprüfen, ob das LSG seiner Entscheidung ein sogenanntes schlüssiges Konzept zugrunde gelegt hat bzw ein solches der überprüften Entscheidung des SG bzw dem Bescheid des Beklagten zugrunde lag. In Ermangelung eines anderen schlüssigen Konzepts hat das LSG zutreffend zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete auf die Freiburger Mietspiegel 2007 und 2009 zurückgegriffen. Qualifizierte Mietspiegel iS des § 558d Bürgerliches Gesetzbuch - wie diese Mietspiegel - können Grundlage der Bestimmung der angemessenen Miete nach § 22 Abs 1 SGB II sein(vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen RdNr 27 mwN).

25

Dem LSG kann insofern gefolgt werden, als es bei der Anwendung der Mietspiegel nicht besondere Baualtersklassen herausgegriffen, sondern die in den Mietspiegeln angeführte Standardwohnung (errichtet in der Zeit zwischen 1961 und 1977, in einem Mehrfamilienhaus mit mindestens fünf Wohnungen pro Hauseingang, normale Art und Beschaffenheit, mit durchschnittlicher Wohnungsausstattung) zugrunde gelegt hat. Des Weiteren ist es gemäß den Mietspiegeln von einer Kaltmiete pro Quadratmeter von 7,51 Euro im Jahr 2008 und von 7,87 Euro im Jahr 2009 für eine Wohnfläche von 45 qm ausgegangen.

26

Ob das weitere Vorgehen des LSG, von diesen Durchschnittsbeträgen entsprechend der Systematik der Mietspiegel Abschläge zu machen von zB 6 % für eine überwiegend einfache Bodenausstattung, geeignet ist, um dem angemessenen einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnungsstandard Rechnung zu tragen, könnte zweifelhaft sein, weil statistische Nachweise fehlen, denen entnommen werden kann, dass es entsprechende Wohnungen in ausreichender Zahl in Freiburg gibt. Das entsprechende Ermittlungsdefizit liegt auch dem Vorbringen der Klägerin zugrunde, dass für die von Seiten des LSG aus den Mietspiegeln abgeleiteten angemessenen Nettokaltmieten keine Wohnung auf dem Wohnungsmarkt zu bekommen sei, also auf den noch offenen, weiteren Prüfungspunkt b).

27

(4) Die kalten Betriebskosten, die zu der so ermittelten - abstrakt angemessenen - Nettokaltmiete noch hinzuzurechnen sind, müssen, damit zunächst die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft ermittelt wird, ebenfalls abstrakt ermittelt werden. Dazu kann auf Betriebskostenübersichten zurückgegriffen werden, möglichst allerdings auf örtliche Übersichten wegen der regionalen Unterschiede insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen (vgl nur BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 33 f).

28

Dem wird das Urteil des LSG nicht gerecht, weil das LSG einen Betrag von 117,97 Euro monatlich zugrunde gelegt hat. Dies ist der Betrag, den der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden neben der Kaltmiete und der Pauschale für die Heizkosten und Warmwasserbereitung als weitere Betriebskosten berücksichtigt hat. Dass dieser Betrag den abstrakten angemessenen kalten Betriebskosten für eine 45-qm-Wohnung in Freiburg entspricht, ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen.

29

b) Ob im örtlichen Vergleichsraum "Stadt Freiburg" auch eine Wohnung mit einfachem Wohnungsstandard und bis zu 45 qm Wohnfläche ausgehend von den vom LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegten abstrakt ermittelten, angemessenen Leistungen für die Unterkunft für die Zeit vom 1.7. bis zum 31.12.2008 in Höhe von 408,67 Euro monatlich (Kaltmiete für 45 qm x 6,46 Euro/qm = 290,70 Euro plus Betriebskosten in Höhe von 117,97 Euro) und für die Zeit vom 1.1. bis zum 31.3.2009 in Höhe von 423,07 Euro monatlich (Kaltmiete für 45 qm x 6,78 Euro/qm = 305,10 Euro plus Betriebskosten in Höhe von 117,97 Euro) tatsächlich hätte angemietet werden können, kann vom Senat unabhängig von den Ausführungen zu den kalten Betriebskosten (siehe zuvor) aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden.

30

Eine objektive Unmöglichkeit, eine Wohnung zu dem nach dem Mietspiegel angemessenen Quadratmeterpreis zu finden, hat der 4. Senat des BSG schon in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - abgesehen von Ausnahmefällen - grundsätzlich verneint, weil es in Deutschland derzeit keine allgemeine Wohnungsnot gibt und allenfalls in einzelnen Regionen Mangel an ausreichendem Wohnraum besteht (BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 36). Dem schließt sich der erkennende Senat zumindest dann an, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und entweder der Durchschnittswert dieses Mietspiegels angewandt wird oder dem Mietspiegel Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können. Denn dann kann davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft gibt.

31

Das LSG hat seiner Entscheidung aber nicht den Durchschnitts- oder entsprechend der Terminologie des Freiburger Mietspiegels "Basismietpreis" von 7,51 Euro im Mietspiegel 2007 und 7,87 Euro in dem Mietspiegel 2009 für eine zwischen 1961 und 1977 errichtete Standardwohnung mit 45 qm in einem Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen pro Hauseingang, normaler Beschaffenheit mit durchschnittlicher Wohnungsausstattung zugrunde gelegt, sondern eine fiktive Wohnung mit bestimmten Abschlägen, um dem angemessenen einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnungsstandard Rechnung zu tragen. Diese Abschläge führten nach der Berechnung des LSG für das Jahr 2008 zu einer abstrakt angemessenen Kaltmiete pro Quadratmeter von 6,46 Euro und für das Jahr 2009 von 6,78 Euro. Dass es Wohnungen zu diesen abstrakt angemessenen Quadratmeter-Nettokaltmieten im örtlichen Vergleichsraum Freiburg in einer bestimmten Häufigkeit gab, ist vom LSG nicht festgestellt worden.

32

Von daher kann das auf die Anmietbarkeit solcher Wohnungen abzielende Revisionsvorbringen der Klägerin und die Entscheidung, ob durch dieses die obige Tatsachenvermutung (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr 9 ff) erschüttert wird, dahingestellt bleiben, zumal es sich im Wesentlichen um neuen, im Revisionsverfahren unzulässigen Tatsachenvortrag handelt (vgl nur § 163 SGG). Ebenfalls dahingestellt bleiben kann die von der Klägerin in diesem Zusammenhang erhobene Rüge einer Verletzung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens nach Art 6 EMRK, weil sie die Nichtexistenz angemessener Wohnungen habe beweisen sollen. Derartiges wird von der Klägerin nicht verlangt, sondern nur eine Erschütterung des oben dargestellten Anscheinsbeweises (vgl zum Beweis negativer Tatsachen oder Tatbestandsmerkmale: Greger in Zöller, ZPO, 28. Aufl 2010, Vor § 284 RdNr 24 und Laumen in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl 2011, § 286 RdNr 64).

33

c) Gründe, warum die Klägerin über den abgelaufenen Sechs-Monats-Zeitraum des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II hinaus einen höheren Anspruch auf Leistung für die Unterkunft als die nach den obigen Ausführungen abstrakt angemessenen Beträge haben sollte(oben a), wenn eine solche Wohnung auch hätte angemietet werden können (oben b), sind nicht zu erkennen.

34

Soweit die Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft (Nettokaltmiete plus Betriebskosten) die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft übersteigen, sind die Aufwendungen nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

35

Der Ablauf der Sechs-Monats-Frist ergibt sich aus dem Leistungsbezug der Klägerin seit dem 1.1.2005 und dem vorliegend umstrittenen Zeitraum vom 1.7.2008 bis 31.3.2009. Durch Schreiben des Beklagten vom 8.8.2005 und 9.3.2006 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass ihre Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien. Unter dem 17.7.2007 haben die Beteiligten sogar eine Vereinbarung zur Senkung der unangemessenen Miete geschlossen, in der sich die Klägerin bereit erklärte, ab Oktober 2007 die überhöhten Kosten als Eigenanteil zu übernehmen.

36

Gründe, warum der Klägerin eine Kostensenkung durch Umzug, Untervermietung oder auf andere Weise nicht möglich oder nicht zumutbar ist, hat das LSG nicht festgestellt. Es hat vielmehr ausgeführt, der Klägerin sei ein Umzug im Vergleichsraum Stadt Freiburg möglich und zumutbar, insbesondere ständen diesem keine gesundheitlichen Gründe entgegen.

37

Einem Umzug entgegenstehende Gründe, wie eine Behinderung oder die Ausübung des Umgangsrechts mit einem Kind (vgl § 22b Abs 3 Satz 2 SGB II idF des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes - BGBl I 2011, 453; ähnlich schon BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 33 ff; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 33), liegen nach den Feststellungen des LSG bei der Klägerin nicht vor. Der Verweis der Klägerin auf ihr Alter, ihren möglichen baldigen Renteneintritt und ihre "Lebensleistung" beinhaltet keine Gründe, die eine Ausnahme und insbesondere die von der Klägerin begehrte Erhöhung ihrer Wohnfläche um 15 qm zu rechtfertigen vermögen.

38

Soweit die Klägerin ausführt, bei einem Umzug müsse sie ihr soziales Umfeld aufgeben, weil es nicht möglich sei, in dem von ihr bewohnten Stadtteil zu dem von dem Beklagten angegebenen Preis eine Wohnung anzumieten, ist zu bedenken, dass jeder Umzug in gewissem Maße mit einer Veränderung des sozialen Umfeldes einhergeht und dies eine normale Folge ist, die sich aus der gesetzlichen Regelung ergibt. Das "Aufrechterhalten des sozialen Umfeldes", eine "affektive Bindung" an einen bestimmten Stadtteil oder ein Alter von zB 56 Jahren stehen einem Umzug nicht entgegen (BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 33).

39

Die Ausführungen der Klägerin zu einem angeblichen Gemeinderatsbeschluss hinsichtlich der Berücksichtigung der Wohnungsdauer bei älteren Menschen sind neuer, im Revisionsverfahren unzulässiger Tatsachenvortrag (vgl nur § 163 SGG).

40

Aus der in dieses Verfahren eingeführten Begründung in dem noch anhängigen Revisionsverfahren B 14 AS 107/10 R und die Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (- 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175) folgt nichts Anderes, weil es keinen festgestellten individuellen Grund in der Person der Klägerin gibt, aus dem eine andere Bemessung der Leistung für die Unterkunft folgt oder der einer Kostensenkung nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II entgegensteht.

41

2. Die Klägerin hat Anspruch auf eine Leistung für die Heizung im streitigen Zeitraum von 31,17 Euro monatlich (Heizkosten und Warmwasserpauschale von 37,50 Euro abzüglich einer Pauschale für die Warmwasserbereitung von 6,33 Euro).

42

Die Prüfung der Angemessenheit der Leistung für die Heizung hat nicht nur getrennt von der für die Unterkunft zu erfolgen, sondern auch nach eigenen Regeln: Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung ist - mangels anderer Zahlen - so lange zu bejahen, wie die Kosten unter dem Grenzbetrag eines bundesweiten oder kommunalen Heizspiegels liegen (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 25; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 23 ff). Abzuziehen ist jedoch bei einer Warmwasserbereitung über die Heizung der Anteil, der für die Warmwasserbereitung im Rahmen der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist (vgl nur BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5).

43

Als von der Klägerin tatsächlich zu zahlende Heizkosten- und Warmwasserpauschale hat das LSG 37,50 Euro monatlich festgestellt. Deren Angemessenheit ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, weil der Jahresbetrag dieser Pauschale inklusiv der Kosten der Warmwasserbereitung (37,50 x 12 = 450) unter dem jeweils niedrigsten Grenzbetrag der bundesweiten Heizspiegel für die Abrechnungsjahre 2008 (14,60 Euro/qm x 45 qm = 657 Euro) und 2009 (12,10 Euro/qm x 45 qm = 544,50 Euro) liegt.

44

Von diesen 37,50 Euro sind 6,33 Euro für die Warmwasserbereitung abzuziehen und nicht 6,63 Euro, wie das LSG ebenso wie der Beklagte ohne Herleitung dieses Betrags angenommen haben. In dem schon genannten Urteil des BSG vom 27.2.2008, auf das sich das LSG bezieht, wird kein anzurechnender Betrag für die Warmwasserbereitung bei einer Regelleistung von 351 Euro genannt, wie sie vorliegend an die Klägerin gezahlt wurde. Nach der Berechnung in dem Urteil des BSG ist bei einer Regelleistung von 347 Euro eine Pauschale von 6,26 Euro zugrunde zu legen (vgl die Tabelle in RdNr 25). Zum hier maßgeblichen Zeitraum ab 1.7.2008 war die Regelleistung von 347 Euro auf 351 Euro erhöht worden, also um ca 1,15 %. Übertragen auf die Pauschale von 6,26 Euro sind 1,15 % 7,2 Cent, sodass die für die Warmwasserbereitung von der Regelleistung abzuziehende Pauschale mit (6,26 plus 0,07 =) 6,33 Euro zu errechnen ist (ebenso Brehm/Schifferdecker, SGb 2010, 331, 335).

45

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision des Beklagten wird als unzulässig verworfen.

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2012 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13. Oktober 2011 sowie der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2010 geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 31. August 2010 monatlich weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 59,07 Euro zu zahlen.

Wegen der Ansprüche auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. September 2010 bis zum 30. November 2010 wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von Juni 2010 bis November 2010 streitig.

2

Die 1970 geborene, erwerbsfähige und alleinstehende Klägerin bezog im streitigen Zeitraum Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Sie bewohnte seit 2004 in H eine Mietwohnung mit einer Wohnfläche von 48 qm in einem 1900 errichteten Haus mit einer Gesamtwohnfläche von etwa 300 qm, die mit einem Gasetagenheizofen beheizt wurde. Die Zubereitung des Warmwassers erfolgte nicht über diese Heizung. Sie zahlte an die Vermieterin eine Bruttokaltmiete in Höhe von 203,64 Euro monatlich und an das Energieversorgungsunternehmen eine Vorauszahlung für die Belieferung mit Gas in Höhe von 127 Euro monatlich (insgesamt 330,64 Euro monatlich), die das beklagte Jobcenter als Leistungen für Unterkunft und Heizung zunächst vollständig bewilligte.

3

Mit Schreiben vom 29.1.2009 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die Prüfung der Heizkosten habe ergeben, dass diese mit einem Jahresverbrauch in Höhe von 399,7 kWh pro qm unangemessen hoch seien, und wies sie darauf hin, dass - sollte sie sich nicht bemühen, die Heizkosten zu senken - ab dem 1.6.2009 nur noch die als angemessenen angesehenen Kosten für einen jährlichen Verbrauch von 148 kWh pro qm übernommen werden würden. Tatsächlich senkte er die Leistungen nach Juni 2009 zunächst nicht ab.

4

Im Anschluss an die Vorlage der Jahresabrechnung 2009, aus der sich ein nur wenig niedrigerer Verbrauch (etwa 395 kWh pro qm und Jahr) ergab, teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 17.2.2010 mit, die Kosten seien nach wie vor unangemessen hoch, worauf sie - die Klägerin - bereits mit Schreiben vom 29.1.2009 hingewiesen worden sei. Zur Prüfung, ob die Heizkosten - wie von ihr vorgetragen - baubedingt so hoch seien, werde der Bedarfsermittlungsdienst die Wohnung in Augenschein nehmen. Bei dieser Besichtigung im März 2010 stellte der Bedarfsermittlungsdienst des Beklagten fest, es handele sich um eine unterkellerte Wohnung im Erdgeschoss, die Außenwände seien nicht gedämmt und die Fenster nur teilweise isolierverglast.

5

Für die Zeit vom 1.6.2010 bis zum 30.11.2010 bewilligte der Beklagte neben der Regelleistung Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 252,18 Euro monatlich, nämlich neben der Bruttokaltmiete in Höhe von 203,64 Euro lediglich noch 48,54 Euro für Heizkosten (Bescheid vom 21.4.2010; Widerspruchsbescheid vom 10.5.2010).

6

Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben, wonach in der innegehabten Wohnung nach dem "Bundesweiten Heizspiegel" ein jährlicher Wärmeverbrauch von 10 032 kWh und nach der Richtlinie 2067 des Vereins Deutscher Ingenieure ein jährlicher Wärmeverbrauch von 12 921 kWh zu erwarten sei. Das SG hat daraufhin den Beklagten verurteilt, "der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 21.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2010 Leistungen für Heizkosten in der Zeit vom 1.6.2010 bis zum 30.11.2010 in Höhe von monatlich 67,93 Euro unter Beachtung der bereits hierfür bewilligten Leistungen zu gewähren" (Urteil vom 13.10.2011). Es sei von einem angemessenen jährlichen Verbrauch von 10 032 kWh im Jahr (= 209 kWh im Jahr je qm) auszugehen, sodass sich unter Orientierung an den Preisen des bisherigen Energieversorgungsunternehmens der tenorierte Betrag (<209 kWh/12 Monate x 6,62 Cent/kWh> / 100 x 48 qm zuzüglich 12,59 Euro Grundkosten pro Monat) ergebe.

7

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, "dass der Beklagte verurteilt wird, (…) Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.6.2010 bis 30.11.2010 in Höhe von monatlich 271,57 Euro zu bewilligen" (Urteil vom 14.5.2012). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Soweit das SG lediglich über die Höhe der Heizkosten entschieden habe, sei dies unzulässig und der Tenor entsprechend zu ändern gewesen. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu als das SG zugesprochen habe. Ihr Anspruch belaufe sich auf monatlich 203,64 Euro Kosten der Unterkunft und 67,50 Euro Heizkosten. Aufgrund des Verbots der reformatio in peius verbleibe es aber - ausgehend von dem vom SG errechneten Heizkostenbetrag in Höhe von monatlich 67,93 Euro - bei zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung von insgesamt 271,57 Euro. Wegen der Bestimmung der angemessenen Heizkosten sei mangels kommunalem Heizspiegel der "Bundesweite Heizspiegel" heranzuziehen und zwar aus Gründen der Rechtssicherheit der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlichte Heizspiegel 2010. Etwaige Nachforderungen bei zu niedrig bemessenen Werten des bisherigen Heizspiegels könne der Leistungsberechtigte bei dem Leistungsträger gesondert geltend machen. Weil die Wohnung der Klägerin mit einer Etagenheizung beheizt werde, sei es gerechtfertigt, den Wert für eine Gebäudefläche von 100 bis 250 qm zugrunde zu legen. Daher ergäben sich monatlich angemessene Heizkosten in Höhe von 67,50 Euro (= 50 qm vervielfältigt mit 16,20 Euro/qm geteilt durch 12 Monate). Die von der Klägerin begehrte Übernahme der tatsächlichen - unangemessen hohen - Heizkostenvorauszahlungen scheide demgegenüber aus. Eine Übernahme komme insbesondere nicht aufgrund des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II in Betracht, weil der Beklagte die Klägerin wirksam zur Senkung der Heizkosten aufgefordert habe.

8

Hiergegen haben die Klägerin und der Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

9

Die Klägerin rügt die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II und macht geltend, unter Zugrundelegung des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens sei ein Wärmeverbrauch von 13 000 kWh je Jahr angemessen und der Berechnung zugrunde zu legen. Im Übrigen habe das LSG zu Unrecht den Heizspiegel 2010 herangezogen. Es hätte vielmehr den Heizspiegel 2011, der die Werte des Abrechnungsjahres 2010 enthalte, zugrunde legen müssen, der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bereits bekannt gewesen sei.

10

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2012 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13. Oktober 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung von monatlich 59,07 Euro für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2010 zu zahlen sowie die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

11

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2012 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13. Oktober 2011 abzuändern, soweit er verurteilt wurde, der Klägerin Leistungen für Unterkunft und Heizung monatlich von 271,57 Euro für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2010 zu bewilligen, und die Klage auch insofern abzuweisen
sowie die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

12

Er rügt ebenfalls die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II und macht geltend, das LSG habe bei der Berechnung zu Unrecht eine Wohnfläche von 50 qm und nicht die tatsächliche Wohnfläche zugrunde gelegt. Richtigerweise ergäben sich Kosten der Unterkunft und Heizung lediglich in Höhe von 268,44 Euro (203,64 Euro Bruttokaltmiete und 64,80 Euro Heizkosten). Er - der Beklagte - sei durch das Urteil des LSG auch beschwert, weil die Leistungsverpflichtung durch das zweitinstanzliche Urteil zu seinen Lasten erweitert worden sei.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Beklagten ist unzulässig und daher zu verwerfen (§ 169 Sozialgerichtsgesetz). Für die Zeit ab dem 1.9.2010 ist die zulässige Revision der Klägerin im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Es fehlen ausreichende Feststellungen um beurteilen zu können, ob der Klägerin angesichts der offensichtlich überhöhten Energiekosten die Kostensenkung insbesondere durch einen Umzug in eine insgesamt kostengünstigere Wohnung möglich und zuzumuten war. Für den vorangehenden Zeitraum vom 1.6.2010 bis 31.8.2010 besteht ein Anspruch auf weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 59,07 Euro monatlich schon deshalb, weil der Beklagte nach Aufforderung zur Kostensenkung mit Schreiben vom 17.2.2010 jedenfalls vor dem 1.9.2010 zur entsprechenden Absenkung der Leistungen nicht berechtigt war. Insoweit kann der Senat in der Sache entscheiden (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG).

14

1. Die Revision des Beklagten ist unzulässig. Die aufgrund der Zulassung durch das LSG statthafte Revision kann wie jedes Rechtsmittel zulässig nur in dem Umfang eingelegt werden, in dem der jeweilige Rechtsmittelführer durch die angegriffene Entscheidung beschwert ist. Maßgebend für die Beschwer ist der Inhalt der Entscheidung, soweit er der Rechtskraft fähig ist, also der Tenor, zu dessen Auslegung die Entscheidungsgründe heranzuziehen sind (vgl BSGE 43, 1, 3 = SozR 1500 § 131 Nr 4).

15

An einer solchen Beschwer durch das Urteil des LSG fehlt es hier für den Beklagten. Das LSG hat den Tenor des SG zwar geändert und den Beklagten zu einer einheitlichen Leistung für Kosten der Unterkunft und Heizung verurteilt, weil es sich nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts ( vgl nur Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f) bei den Leistungen für Unterkunft und Heizung um einen einheitlichen Streitgegenstand handele. Eine Erweiterung der Leistungsverpflichtung gegenüber der Entscheidung des SG durch das Urteil des LSG liegt in der Korrektur des Tenors aber nicht. Da bereits das SG zu Leistungen verurteilt hat, die insgesamt 19,39 Euro monatlich höher sind als die von dem Beklagten ursprünglich bewilligten, hat das LSG den der Rechtskraft fähigen Inhalt der Entscheidung nicht zu dessen Lasten erweitert. Soweit der Beklagte schließlich mit seiner Revision einwendet, dass der Klägerin lediglich ein geringerer Gesamtbetrag zustünde, ist das Urteil des SG insoweit bereits in Rechtskraft erwachsen und bindet die Beteiligten (vgl § 141 Abs 1 Nr 1 SGG). Der Beklagte hat trotz des teilweisen Unterliegens vor dem SG nicht selbst Berufung eingelegt, sondern lediglich beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

16

2. Die zulässige Revision der Klägerin hat den Bescheid des Beklagten vom 21.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.5.2010 zum Gegenstand, mit dem der Beklagte der Klägerin im streitigen Zeitraum ua Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von lediglich monatlich 252,18 Euro (203,64 Euro Bruttokaltmiete und 48,54 Euro Heizkosten) bewilligt hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) und macht höhere Leistungen geltend. Sie hat den Streitgegenstand dabei zulässigerweise auf die Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Nachdem der Beklagte das Urteil des SG nicht mit der Berufung angegriffen hat, sind nur noch die über 271,57 Euro (monatlich) hinausgehenden Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 59,07 Euro im Streit.

17

3. Die Klägerin, die nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) im streitigen Zeitraum zum leistungsberechtigten Personenkreis iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(in der ab dem 1.1.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007, BGBl I 554) gehört, hat nach § 19 Satz 1 SGB II(in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706) iVm § 22 Abs 1 SGB II(in der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008, BGBl I 2917) Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II).Die auch für Heizkosten vorgesehene Prüfung ihrer Angemessenheit hat nach Wortlaut und Systematik der Norm, wie der Senat bereits im Einzelnen dargelegt hat(stRspr seit BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23), grundsätzlich getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen.

18

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist zu überprüfen, ob die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft dem entsprechen, was für eine nach abstrakten Kriterien als angemessen geltende Wohnung auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzubringen ist (abstrakte Angemessenheitsprüfung). Übersteigen die tatsächlich aufzubringenden Wohnkosten die abstrakt ermittelte Referenzmiete, ist zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Mietmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar ist, es ihm also konkret möglich ist, die Kosten für die Unterkunft auf das abstrakt angemessene Maß zu senken (konkrete Angemessenheit). Wegen der Aufwendungen der Unterkunft sind vorliegend alle berücksichtigungsfähigen Kosten der Klägerin, nämlich die Miete einschließlich der kalten Betriebskosten als "tatsächliche Aufwendungen" vom Beklagten in voller Höhe von 203,64 Euro erbracht worden. Anhaltspunkte dafür, dass diese unangemessen hoch wären, ergeben sich nicht.

19

b) Auch der Anspruch auf Leistungen für Heizung als Teil der Gesamtleistung besteht grundsätzlich in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie angemessen sind (vgl nur BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23).

20

aa) Als berücksichtigungsfähige Kosten insoweit macht die Klägerin die monatlichen Abschlagszahlungen gegenüber ihrem Energieversorgungsunternehmen in Höhe von 127 Euro geltend. Weitere berücksichtigungsfähige Bedarfe sind nicht ersichtlich. Im streitigen Zeitraum gehörten entsprechend den normativen Vorgaben in § 20 Abs 1, § 22 Abs 1 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung) die Kosten für die Erzeugung von Warmwasser nicht zu den Kosten der Unterkunft und Heizung.

21

bb) Eine getrennte Prüfung der Angemessenheit von Aufwendungen für Heizung von denen der Unterkunft folgt neben den dargelegten rechtlichen Überlegungen zumindest derzeit aus praktischen Gründen, die einer einheitlichen Beurteilung der Angemessenheit von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung und also der Bildung einer abstrakten Gesamtangemessenheitsgrenze entgegenstehen. Ein abstrakt angemessener Heizkostenpreis pro Quadratmeter für eine "einfache" Wohnung (gestaffelt nach abstrakt angemessenen Wohnungsgrößen) im unteren Segment des Wohnungsmarktes müsste ausgehend von einem als angemessen anzusehenden Heizverhalten des Einzelnen noch klimatische Bedingungen, wechselnde Energiepreise, die "typischen" Energieträger, vor allem aber den im entsprechenden Mietsegment "typischen" Gebäudestandard und den technischen Stand einer als "typisch" anzusehenden Heizungsanlage erfassen. Entsprechend differenzierte Daten, die einen solchen Rückschluss auf einen abstrakt angemessenen, dh für alle Wohnungen im Vergleichsraum geltenden Heizkostenwert zuließen, liegen für den maßgeblichen Wohnungsmarkt am Wohnort der Klägerin nicht vor, wie sich aus den Feststellungen des LSG und dem Vorbringen des Beklagten ergibt.Der Rückgriff auf einen weniger ausdifferenzierten Wert als Quadratmeterhöchstgrenze, wie ihn der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden mit den Kosten für einen Energieverbrauch von 148 kWh pro Jahr und Quadratmeter Wohnfläche beschrieben hat, würde eine unzulässige Pauschalierung von Heizkosten bedeuten (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 19; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - Juris RdNr 19). Solche Schätzungen eines pauschalen Wertes "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage sind bei Bestimmung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nicht zulässig (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua, BVerfGE 125, 175 RdNr 171); dies gilt für Regelbedarfe und Bedarfe für Unterkunft und Heizung gleichermaßen.

22

cc) Da gleichwohl auch hinsichtlich der Aufwendungen für Heizung unangemessen hohe Kosten vom Träger der Grundsicherung nicht gezahlt werden müssen, eine abstrakte Festlegung dieser "angemessenen Aufwendungen" aber nicht möglich erscheint, hat eine Prüfung der Heizkosten auf ihre Angemessenheit hin allein orientiert an den Verhältnissen des Einzelfalles zu erfolgen. Der Senat hat dabei ausgeführt, dass regelmäßig dann von unangemessen hohen Heizkosten auszugehen ist, wenn bestimmte, von den Vorinstanzen in Bezug genommenen Grenzwerte überschritten werden, die der Senat den von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegeln" bzw dem "Bundesweiten Heizspiegel" entnimmt ( BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 21). Dem hat sich der 4. Senat angeschlossen (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - Juris RdNr 19). Trotz der Kritik insbesondere der Herausgeber des Heizspiegels an der von der Rechtsprechung aus diesen Werten abgeleiteten Funktion für das SGB II (vgl die Stellungnahme der co2online gGmbH vom 12.10.2012 unter http://www.heizspiegel.de/heizspiegelkampagne/hartz-iv/index.html), hält der Senat an dieser Rechtsprechung fest. Solange der jeweils örtlich zuständige Träger der Grundsicherung keine im dargestellten Sinne differenzierte Datenermittlung für den konkreten Vergleichsraum durchgeführt hat, die zuverlässige Schlüsse auf einen Wert für grundsicherungsrechtlich angemessene Heizkosten in seinem Zuständigkeitsbereich zulassen, ist die Heranziehung eines Grenzwertes aus Gründen der Praktikabilität geboten; dementsprechend ist die Rechtsprechung des BSG in der Folge vom Gesetzgeber nicht korrigiert worden. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass der hohe Grenzwert der energiepolitischen Zielsetzung eines Heizspiegels zuwiderläuft. Solche Zielsetzungen sind im Anwendungsbereich des SGB II aber nach den gesetzgeberischen Vorgaben unbeachtlich.

23

Dem Grenzwert aus einem (bundesweiten oder kommunalen) Heizkostenspiegel kommt aber - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - nicht die Funktion einer Quadratmeterhöchstgrenze zu mit der Folge, dass bei unangemessen hohen Heizkosten die Aufwendungen für Heizung bis zu dieser Höhe, aber nur diese übernommen werden müssten. Auch diesem Wert liegt nämlich keine Auswertung von Daten zugrunde, die den Schluss zuließe, es handele sich insoweit um angemessene Kosten. Soweit der Senat (Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 22) formuliert hat, der Grundsicherungsempfänger könne "im Regelfall die tatsächlichen Heizkosten nur bis zur Obergrenze aus dem Produkt des Wertes für extrem hohe Heizkosten mit der angemessenen Wohnfläche (in Quadratmetern) geltend machen", folgt hieraus nichts anderes. Wie sich bereits aus dieser Entscheidung des Senats ergibt, markiert der Grenzwert nicht angemessene Heizkosten, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass von unangemessenen Heizkosten auszugehen ist; das Überschreiten des Grenzwertes kann lediglich als Indiz für die fehlende Angemessenheit angesehen werden ("im Regelfall"). Dies hat im Streitfall zur Folge, dass es dem hilfebedürftigen Leistungsempfänger obliegt vorzutragen, warum seine Aufwendungen gleichwohl als angemessen anzusehen sind (aaO RdNr 23). Insofern führt das Überschreiten des Grenzwertes zu einem Anscheinsbeweis zu Lasten des hilfebedürftigen Leistungsempfängers dahin, dass von unangemessen hohen Kosten auszugehen ist. Lässt sich nicht feststellen, dass im Einzelfall höhere Aufwendungen gleichwohl angemessen sind, treffen ihn die Folgen im Sinne der materiellen Beweislast.

24

Gegen die Heranziehung des Heizspiegels zur Bestimmung des Grenzwertes kann vorliegend nicht eingewandt werden, dass Wohnungen, die nicht durch eine zentrale Heizungsanlage, sondern durch Heizöfen beheizt werden, vom Heizspiegel nicht erfasst werden (so aber Cottmann/Hillebrand, info also 2011, 28). Mit dem Grenzwert soll nur ermittelt werden, ob von einem Heizkostenverbrauch ausgegangen werden muss, der vom Verbraucher üblicherweise als überhöht angesehen wird (vgl bereits BSG aaO RdNr 23). Dabei können als "Standardverhältnisse" durchaus die Werte für die drei am weitesten verbreiteten Energieträger bei einer zentralen Beheizung herangezogen werden.

25

dd) Im vorliegenden Fall ist der maßgebliche Grenzwert überschritten. Dieser Grenzwert errechnet sich - wie der Senat bereits entschieden hat - aus der abstrakt angemessenen Wohnfläche (dagegen nicht aus der Wohnfläche der konkret innegehabten Wohnung, vgl im Einzelnen BSG aaO RdNr 20) und - weil vorliegend ein kommunaler Heizspiegel nicht existiert - den entsprechenden Werten der Spalte "zu hoch" für Erdgas des "Bundesweiten Heizspiegels", der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlicht war (hier der Heizspiegel 2010). Da eine Absenkung auch bei Überschreiten des Grenzwertes nur aufgrund einer Angemessenheitsprüfung im Einzelfall erfolgen kann und sich die in Folge dieser Einzelfallprüfung zu zahlenden Heizkosten ohnehin nicht aus dem Heizspiegel (im Sinne eines abstrakt angemessenen Quadratmeterhöchstwerts) ergeben, kommt den Werten des Heizkostenspiegels aus späteren Jahren keine Bedeutung zu. Ohne dass dies vorliegend abschließend entschieden werden muss, neigt der Senat wie das LSG dazu, bei Wohnungen, die mit einer Etagenheizung beheizt werden, zugunsten der Hilfebedürftigen den Wert für eine Gebäudefläche von 100 bis 250 qm zugrunde zu legen, weil diese den Verbrauchswerten einer Einzelheizanlage am nächsten kommen. Schließlich liegt nahe, für Energieträger, die im Heizspiegel nicht gesondert aufgeführt sind (Strom, Holz, Solarenergie oä), den jeweils kostenaufwändigsten Energieträger des Heizspiegels vergleichend zugrunde zu legen. Auch dies ist abschließend aber nicht zu entscheiden. Der Grenzwert bei der Beheizung einer Wohnung mit Gas (215 kWh pro qm x 50 = 10750 kWh) ist vorliegend - bei einem Gesamtverbrauch der Klägerin von nahezu 19 000 kWh pro Jahr und Kosten von etwa 1500 Euro im Jahr - in jedem Fall überschritten.

26

ee) Das Überschreiten des Grenzwertes hat zunächst zur Folge, dass die Klägerin die Gründe dafür vorbringen muss, dass ihre Aufwendungen im Einzelfall gleichwohl als angemessen anzusehen sind. Personenbedingte Gründe (zB Bettlägerigkeit eines Angehörigen der Haushaltsgemeinschaft, Zugehörigkeit kleiner Kinder zur Bedarfsgemeinschaft oä), die die Rechtsprechung bislang in erster Linie als erheblich angesehen hat (BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23 RdNr 25; vgl auch BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 28), sind vorliegend nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar.

27

Der ungünstige energetische Standard einer Wohnung, den die Klägerin geltend macht und den die innegehabte Wohnung hier nach den Feststellungen des Gutachters (auch) ausweist, ist für sich genommen kein Grund im Einzelfall, der den Träger der Grundsicherung zur dauerhaften Übernahme von hohen Heizkosten als "angemessene" Aufwendungen verpflichtet. Soweit der Senat ein "unwirtschaftliches Heizverhalten" als Anknüpfungspunkt für eine Pflicht zur Kostensenkung angesehen hat, ist dies nicht dahin zu verstehen, dass nur "unvernünftiges", objektiv nicht begründbares Verhalten des hilfebedürftigen Leistungsempfängers eine Pflicht zur Kostensenkung nach sich zieht. Auch unangemessen hohe (und damit unwirtschaftliche) Kosten, die der hilfebedürftige Leistungsempfänger nicht beeinflussen kann, berechtigten den Träger der Grundsicherung im Grundsatz nicht anders als bei überhöhten Unterkunftskosten Kostensenkungsmaßnahmen einzufordern.

28

c) Stellen sich die tatsächlich wegen der Heizung anfallenden Aufwendungen damit auch unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände der Klägerin im Einzelfall als unangemessen hoch dar, ist in einem abschließenden Schritt zu prüfen, ob daraus eine Pflicht zur Senkung der Kosten folgt (vgl zur Kostensenkungsobliegenheit grundlegend BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 29 und im Anschluss etwa Urteil des Senats vom 7.5.2009 - B 14 AS 14/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 28; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 14; BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 78/09 R - BSGE 106, 155 = SozR 4-4200 § 22 Nr 36, RdNr 14). Dies ergibt sich - auch wegen der bis zum 31.12.2010 nicht ausdrücklich genannten Aufwendungen für die Heizung (vgl Urteil des Senats vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - FEVS 60, 490 = Juris RdNr 22 und BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45 RdNr 18) - aus § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II, wonach die Aufwendungen für die Unterkunft, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen so lange zu berücksichtigen sind, wie es ihm nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

29

aa) Wenn in einem Abrechnungszeitraum trotz eines vorangegangenen Hinweises (hier vom 29.1.2009) eine maßgebliche Kostensenkung durch Energieeinsparung nicht erzielt wird, kommt bei unangemessen hohen Aufwendungen für Heizung - wie bei überhöhten Kosten der Unterkunft auch - vor allem der in § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II ausdrücklich genannte Wohnungswechsel als Maßnahme zur Kostensenkung in Betracht. Denn eine Kostensenkung durch Energieeinsparung ist dann entweder vom hilfebedürftigen Leistungsberechtigten nicht ernsthaft gewollt (und kann aber vom Träger der Grundsicherung nicht im Einzelfall "kontrolliert" und durchgesetzt werden) oder ist in der Wohnung aufgrund gebäude- und/oder wohnungsspezifischer Faktoren objektiv nicht zu erreichen oder macht Investitionen vor allem des Vermieters notwendig, die der hilfebedürftige Leistungsberechtigte als Mieter nicht erzwingen kann (und die überdies zu einer Erhöhung der Miete führen können).

30

Der Wohnungswechsel als Kostensenkungsmaßnahme wegen überhöhter Heizkosten ist aber nur zumutbar, wenn in einer alternativ zu beziehenden Wohnung insgesamt keine höheren Kosten als bisher anfallen. Nur ein Wohnungswechsel, mit dem dieses Ziel erreicht werden kann, ist das von dem hilfebedürftigen Leistungsempfänger geforderte "wirtschaftliche Verhalten". Ein Wohnungswechsel, der zwar zu niedrigeren Heizkosten, nicht aber zu niedrigeren Gesamtkosten führt, wäre seinerseits unwirtschaftlich und deshalb nicht zumutbar. Gegenüber dem grundsätzlich schützenswerten individuellen Interesse des hilfebedürftigen Leistungsempfängers am Verbleib in seiner Wohnung überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an deren Aufgabe nur für den Fall eines wirtschaftlich sinnvollen Umzuges. Stehen auf dem in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarkt keine Wohnungen zur Verfügung, in denen von dem Träger der Grundsicherung insgesamt niedrigere Kosten aufzubringen sind, bleibt es der Entscheidung des Einzelnen überlassen, ob er weiterhin in einer Wohnung, die entsprechende Nachteile eines ungünstigen energetischen Standards mit sich bringt, aus anderen Gründen (etwa wegen ihrer Lage oder ihres Zuschnitts) verbleiben will. Ein ungünstiger energetischer Standard der Wohnung bleibt insofern bei Prüfung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht unbeachtlich.

31

In diesem Ergebnis sieht sich der Senat durch die Neuregelung in § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II zum 1.1.2011 (mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 ) bestätigt. Danach muss eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Auch wenn im Gesetzgebungsverfahren andere Beispielsfälle zur Diskussion standen (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98), bestätigt Satz 4 in der neuen Fassung die Möglichkeit eines zusammenfassenden Wirtschaftlichkeitsvergleichs hinsichtlich der gesamten Bruttowarmkosten (so auch Berlit in Münder, SGB II, 4. Aufl 2011, § 22 RdNr 92; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Oktober 2012, § 22 RdNr 166), ohne dass über die Einzelheiten der Regelung, die vorliegend unmittelbar noch nicht zur Anwendung kommt, zu entscheiden wäre.

32

Im vorliegenden Fall wird das LSG nach Zurückverweisung also zu prüfen haben, welche Vergleichskosten für Unterkunft und Heizung sich auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt ergeben, die der Beklagte nach einem Wohnungswechsel als angemessen zu zahlen hätte. Neben dem (gerichtlich voll zu überprüfenden) Wert, der sich für die Kosten der Unterkunft einer alleinstehenden Person als abstrakt angemessen ergibt, kann wegen der Kosten der Heizung im Ausgangspunkt auf die vom Beklagten in seiner Verwaltungspraxis als angemessen angesehenen (durchschnittlichen) Heizkosten zurückgegriffen werden. Jedenfalls vorliegend erscheinen diese mit rund 1 Euro pro qm und Monat insbesondere im Vergleich mit Durchschnittskosten aus den Betriebskostenübersichten des Deutschen Mieterbundes (0,84 Euro Kosten für Heizung im Bundesdurchschnitt für das der streitigen Kostensenkung vorangegangene Abrechnungsjahr 2009) nicht unrealistisch niedrig. Die Werte des Heizspiegels, die nicht das tatsächliche Preisniveau auf dem Wohnungsmarkt widerspiegeln, sind bei dieser Prüfung nicht heranzuziehen.

33

Ergibt sich - was vorliegend angesichts der recht geringen Bruttokaltmiete möglich ist -, dass die tatsächlichen Gesamtaufwendungen der Klägerin diese Vergleichskosten nicht übersteigen, sind der Klägerin Kostensenkungsmaßnahmen iS des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II nicht zumutbar. Die tatsächlich anfallenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind dann weiterhin zu übernehmen. Übersteigen die tatsächlichen Gesamtkosten die genannten Vergleichswerte für Unterkunft und Heizung, ist eine Kostensenkung durch Wohnungswechsel im Grundsatz abzuverlangen, wenn im maßgeblichen Vergleichsraum Wohnungen zu diesem Gesamtpreis zur Verfügung stehen, wofür der Beklagte die materielle Beweislast trägt. Bei zutreffender Ermittlung eines abstrakt angemessenen Wertes für die Unterkunftskosten kann zwar davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu dieser abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete im örtlichen Vergleichsraum gibt (vgl BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46). Solange aber ein Umzug wegen der Höhe der Kosten der Heizung notwendig wird und die vom Beklagten als angemessen angesehenen Heizkosten (mangels entsprechend differenzierter Datenerhebung) einen abstrakt angemessenen Wert nicht wiedergeben, kann diese Vermutung nicht gelten. Es bleibt (ähnlich wie dies § 22a SGB II in der seit dem 1.4.2011 geltenden Fassung vorgibt) dem kommunalen Träger überlassen, eine Datenermittlung zur Bestimmung eines differenzierten abstrakt angemessenen Wertes der Heizkosten im in Bezug zu nehmenden Wohnsegment durchzuführen oder entsprechende Wohnungen nachzuweisen.

34

bb) Für die Zeit bis zum 31.8.2010 besteht ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe (mithin in Höhe von weiteren 59,07 Euro monatlich), sodass die Revision der Klägerin insoweit in der Sache erfolgreich war. Erst mit dem 1.9.2010 war das einer Kostensenkung durch den Träger der Grundsicherung vorausgehende Kostensenkungsverfahren abgeschlossen; während der sechs vorangegangenen Monate war der Klägerin die Möglichkeit einzuräumen, die Kosten entsprechend den Vorgaben im Schreiben vom 29.1.2009 und vom 17.2.2010 zu senken. In dieser Zeit waren die tatsächlichen Kosten zu zahlen; erst danach kann der Beklagte - das Vorliegen der übrigen, oben dargelegten Voraussetzungen unterstellt - die Kosten rechtmäßig auf die angemessene Höhe senken.

35

Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II, aus dem nach der Rechtsprechung beider Senate (über den Wortlaut hinaus) neben der Obliegenheit zur Kostensenkung auch folgt, dass die Absenkung auf die nach Ansicht des Grundsicherungsträgers angemessenen Kosten ein Kostensenkungsverfahren voraussetzt, das den Hilfebedürftigen in die Lage versetzt, diesen Kostensenkungsobliegenheiten - regelmäßig innerhalb von sechs Monaten - nachzukommen(vgl insbesondere zur Kostensenkungsaufforderung wegen der Aufwendungen für Heizung BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - FEVS 60, 490 - Juris RdNr 22 und BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45 RdNr 18 mwN ).

36

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen genügte die am 29.1.2009 ausgesprochene Aufforderung zur Senkung der Kosten für die vorliegend streitige Absenkung ab dem 1.6.2010 nicht. Dies liegt schon deshalb nahe, weil eine Kostensenkung vorrangig durch Energieeinsparungen bei jährlicher Abrechnung der entsprechenden Kosten durch ein Energieversorgungsunternehmen nicht innerhalb von sechs Monaten realisierbar ist und es angezeigt erscheinen könnte, wegen der Kostensenkung durch Einsparung von Energie (die wegen der Regelung in § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF§ 22 abs 3 sgb ii> jedenfalls dem Träger der Grundsicherung zugutekommt) regelmäßig einen längeren Zeitraum zur Änderung des Verbrauchsverhaltens zuzubilligen. Eine abschließende Entscheidung braucht hierüber aber nicht zu erfolgen, denn jedenfalls hat der Beklagte die zum 1.6.2009 angekündigte Absenkung von Kosten der Heizung nicht durchgeführt. Da auf die erste Kostensenkungsaufforderung hin über längere Zeit hinweg gleichwohl die Kosten der Unterkunft und Heizung vollständig übernommen worden sind, durfte allein auf Grundlage dieser Kostensenkungsaufforderung eine Absenkung nicht mehr erfolgen (vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 219/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 57 RdNr 21).

37

Erst mit der Kostensenkungsaufforderung vom 17.2.2010 ist damit das für den vorliegend streitigen Zeitraum maßgebliche Kostensenkungsverfahren eingeleitet worden. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte inhaltlich auf die Anforderungen zur Kostensenkung im Schreiben vom 29.1.2009 Bezug genommen hat und das Schreiben vom 17.2.2010 weitergehende Hinweise nicht enthält. Es brauchten die weiteren Möglichkeiten zur Kostensenkung - insbesondere auch eine ggf bestehende Verpflichtung zum Wohnungswechsel - nicht im Einzelnen aufgezeigt werden. Der Klägerin war zuzumuten, die notwendigen Entscheidungen auf der Grundlage der bis dahin erteilten Hinweise zu treffen und verbliebende Zweifel durch entsprechende Rückfragen zu klären (vgl bereits BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 RdNr 15).

38

Die Kostensenkungsaufforderung vom 17.2.2010 setzte damit eine Frist zur Senkung von Kosten innerhalb der folgenden sechs Monate in Gang. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, weshalb die mit der erneuten Kostensenkungsaufforderung ausgelöste Frist vorliegend nur verkürzt gelten sollte. Da eine Kostensenkung durch Energieeinsparung sich entgegen den Erwartungen des Beklagten nicht hatte realisieren lassen, musste der Klägerin - wollte sie einer Absenkung von Leistungen entgehen - andere Möglichkeiten der Kosteneinsparung prüfen. Insbesondere ein von ihr ggf zu erwartender Wohnungswechsel bedarf aber eines erneuten zeitlichen Vorlaufs, für den sechs Monate ohne Weiteres notwendig erscheinen.

39

4. Das LSG wird abschließend ggf über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revisionen des Antragstellers und des Antragsgegners wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. August 2012 geändert.

In der Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) werden in der Überschrift die Wörter "und Zwölften" und § 6 Abs 2 Buchstabe d für unwirksam erklärt.

Es wird festgestellt, dass die Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) für Leistungsempfänger nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch nicht gilt.

Im Übrigen werden die Revisionen des Antragstellers und des Antragsgegners zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt zwei Drittel der Kosten des Antragstellers.

Tatbestand

1

Gegenstand der Normenkontrolle ist die vom Senat des Landes Berlin erlassene "Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" (Wohnaufwendungenverordnung - WAV, hier in der Fassung vom 3.4.2012, GVBl 2012, 99).

2

1. Mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453) räumte der (Bundes-)Gesetzgeber den Ländern bei materiell ansonsten im Wesentlichen unveränderter Rechtslage zur Übernahme von Unterkunftskosten die Befugnis ein, die Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS von § 22 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zum Gegenstand kommunaler Rechtsetzung zu machen. Demgemäß können die Länder die Kreise und kreisfreien Städte nach § 22a Abs 1 Satz 1 SGB II durch Gesetz ermächtigen oder verpflichten, durch "Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind". Entsprechendes gilt für die Länder Berlin und Hamburg, die (durch Landesgesetz) bestimmen, "welche Form der Rechtsetzung an die Stelle einer nach Satz 1 vorgesehenen Satzung tritt" (§ 22a Abs 1 Satz 3 SGB II). Genügen hierauf beruhende untergesetzliche Normen weiteren Anforderungen, so bindet das nach Maßgabe der ebenfalls mit dem RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführten Regelung des § 35a Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) auch die Träger der Sozialhilfe. Danach gilt: "Hat ein Kreis oder eine kreisfreie Stadt eine Satzung nach den §§ 22a bis 22c des Zweiten Buches erlassen, so gilt sie für Leistungen für die Unterkunft nach § 35 Absatz 1 und 2 des zuständigen Trägers der Sozialhilfe entsprechend, sofern darin nach § 22b Absatz 3 des Zweiten Buches Sonderregelungen für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung getroffen werden und dabei zusätzlich auch die Bedarfe älterer Menschen berücksichtigt werden".

3

2. Gestützt auf eine diese Befugnisse wahrnehmende Rechtsverordnungsermächtigung in § 8 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch des Landes Berlin(hier idF des Gesetzes vom 13.7.2011, GVBl 344) ist vom Senat des Landes Berlin mit Wirkung zum 1.5.2012 die im Streit stehende WAV mit Regelungen zu besonderen Bedarfen für Unterkunft und Heizung auszugsweise wie folgt erlassen worden:

        

"§ 6

Besondere Bedarfe für Unterkunft und Heizung

zur Bestimmung der individuellen Angemessenheit

        

(1) Sofern die tatsächlichen Aufwendungen der Leistungsberechtigten den Richtwert gemäß § 4 überschreiten, gelten wegen besonderer Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22b Absatz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zur individuellen Bestimmung der Angemessenheit abweichend von den Richtwerten nach § 4 die in den Absätzen 2 bis 9 getroffenen Sonderregelungen.

        

(2) In besonders begründeten Einzelfällen können die Richtwerte nach § 4 aus sozialen Gründen und in Härtefällen um bis zu Zehn vom Hundert überschritten werden, insbesondere bei

        

a) Alleinerziehenden,

b) Längerer Wohndauer (mindestens 15 Jahre),

c) wesentlichen sozialen Bezügen (z. B. Schulweg von Kindern, Betreuungseinrichtungen, Kindertagesstätten),

d) über 60-jährigen Hilfeempfangenden,

e) Schwangeren,

f) Personen, die in absehbarer Zeit kostendeckende Einkünfte haben."

4

3. Der 1957 geborene, im Land Berlin - dem Antragsgegner - lebende Antragsteller bezieht eine ab dem 1.1.2009 laufend zahlbare Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne zeitliche Begrenzung in Höhe von anfänglich ca 150 Euro (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 17.11.2009) sowie seit dem 1.1.2010 laufende Leistungen nach dem SGB XII (Bescheid des Bezirksamts Treptow-Köpenick von Berlin vom 9.12.2009). Der Antragsteller ist alleinstehend und bewohnt eine Zwei-Zimmer-Wohnung von 49 qm Größe. Hierfür gewährte ihm der Antragsgegner nach zwischenzeitlicher Ankündigung von Leistungsabsenkungen und Hinweisen auf das Inkrafttreten der WAV - nach der für einen 1-Personenhaushalt von einem Bruttowarm-Richtwert von maximal 408 Euro auszugehen war - jedenfalls bis zum 31.12.2012 Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von seinen Angaben zufolge zuletzt 444 Euro monatlich einschließlich Heiz- und Betriebskostenvorauszahlungen.

5

Mit seinem am 6.5.2012 gestellten Normenkontrollantrag begehrte der Antragsteller, die WAV für unwirksam zu erklären. Sämtliche Mietbestandteile seien nicht zutreffend in die WAV eingestellt worden. Der Berliner Wohnungsmarkt befinde sich in einer Phase stetig steigender Mietpreise, weshalb die Angebote insbesondere in zentralen Bereichen deutlich über dem Betrag lägen, der von Leistungsbeziehern, deren Ansprüche nach der WAV bestimmt würden, aufgewandt werden könnte.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat den Antrag als unzulässig verworfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt (Urteil vom 7.8.2012): Der Antragsteller sei nicht antragsbefugt. Die Antragsbefugnis setze die schon im Rahmen der Zulässigkeit abschließend zu treffende Feststellung voraus, dass die zur Überprüfung gestellte Norm ein subjektiv-öffentliches Recht des Antragstellers betreffe. Daran fehle es, da die Voraussetzungen einer Geltungserstreckung für die von dem Antragsteller beanspruchten Leistungen nach dem SGB XII nicht vorlägen und er deshalb in den Geltungsbereich der WAV nicht einbezogen sei. Die Härtefallregelungen des § 6 Abs 2 WAV trügen dem besonderen Bedarf älterer Menschen nicht Rechnung und genügten deshalb den Anforderungen des § 35a SGB XII nicht.

7

4. Der Antragsteller hat - ebenso wie der Antragsgegner - die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und macht geltend: Das LSG überdehne die Anforderungen an die Zulässigkeit eines Normenkontrollverfahrens nach § 55a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Entgegen dessen Auffassung komme es nur darauf an, ob - entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) - subjektive Rechte eines Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein könnten. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Er sei in seinen Rechten betroffen, weil die WAV nach der Intention des Verordnungsgebers und der Verwaltungspraxis auf ihn angewendet werden solle und werde. In der Sache halte er daran fest, dass die WAV den gesetzlichen Vorgaben der §§ 35, 35a SGB XII und der §§ 22a bis 22c SGB II nicht genüge. Insbesondere sei die Datenbasis mangelhaft, auch sei Wohnraum zu derartigen Preisen im Gebiet des Antragsgegners nicht verfügbar. Dessen Revision sei mangels Beschwer durch das Urteil des LSG unzulässig.

8

Der Antragsteller beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. August 2012 aufzuheben und die Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) für unwirksam zu erklären,
hilfsweise,
die Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) für unwirksam zu erklären, soweit sie sich auch Geltung gegenüber Leistungsberechtigten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch beimisst,
sowie die Revision des Antragsgegners zurückzuweisen.

9

Der Antragsgegner sieht in der Verwerfung des Normenkontrollantrags ebenfalls einen Verstoß gegen § 35a SGB XII und beantragt unter Verteidigung der WAV auch im Übrigen,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. August 2012 aufzuheben und den Normenkontrollantrag des Antragstellers abzulehnen,
hilfsweise,
die Revision des Antragstellers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Antragstellers hat teilweise Erfolg, die des Antragsgegners bleibt ohne Erfolg. In der Sache zu Recht hat das LSG entschieden, dass § 6 Abs 2 Buchst d der WAV unwirksam ist und diese deshalb auf Leistungsberechtigte nach dem SGB XII keine Anwendung findet; insoweit war die WAV für unwirksam zu erklären und auszusprechen, dass sie für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII nicht gilt (dazu unten 4. bis 8.). Das feststellen zu lassen, ist der Antragsteller auch antragsbefugt (dazu unten 3. b). Für eine weitergehende Überprüfung der WAV bestand hingegen kein Rechtsschutzbedürfnis.

11

1. Zuständig zur Entscheidung des Rechtsstreits ist der erkennende 14. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) als Spruchkörper für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Streitigkeiten über die Gültigkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm nach § 22a Abs 1 SGB II im Normenkontrollverfahren gemäß § 55a SGG bilden eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende iS von § 51 Abs 1 Nr 4a SGG auch dann, wenn sie wie hier von einem Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII unter Berufung auf nachteilige Auswirkungen der angegriffenen Norm auf seine Ansprüche nach § 35 SGB XII geführt werden.

12

a) Nach der gesetzlichen Konzeption ergehen untergesetzliche Rechtsnormen nach § 22a Abs 1 SGB II auch dann als Vorschriften auf der Grundlage nur des SGB II, wenn sie iS von § 35a Satz 1 Halbs 2 SGB XII nach § 22b Abs 3 SGB II "Sonderregelungen für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung enthalten" und dabei die "Bedarfe älterer Menschen berücksichtigt werden" und sie infolgedessen Geltungswirkung für die Leistungen nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII entfalten. Schon nach dem Wortlaut von § 35a Satz 1 Halbs 2 SGB XII liegt die Rechtsgrundlage für die (auch) die Bindungswirkung nach dem SGB XII auslösenden Festsetzungen von Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II ausschließlich in § 22b Abs 3 SGB II und nicht in einer eigenständigen Anordnung des SGB XII. Auch ansonsten enthält das SGB XII keine Regelung vergleichbar der des § 22a Abs 1 SGB II, die als selbstständige Befugnis zur Einführung einer untergesetzlichen Normgebung für die Unterkunftsleistungen nach dem SGB XII anzusehen sein könnte. Wie die Materialien erweisen, folgte das der bewussten Entscheidung, den Sozialhilfeträgern insoweit keine eigene Satzungsermächtigung zu erteilen (BT-Drucks 17/3404 S 126).

13

Ob damit etwaigen verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf die Bindung von Sozialhilfeträgern durch die nach § 22a Abs 1 SGB II zur Normsetzung berufenen Körperschaften ausreichend Rechnung getragen ist, mag offen bleiben(daran eher Zweifel hegend Stölting in jurisPK-SGB XII, § 35a RdNr 8). Jedenfalls der Gesetzgeber ist ersichtlich davon ausgegangen, dass die rechtliche Grundlage auch von Sonderregelungen mit Wirkung für Ansprüche nach § 35 SGB XII allein in den §§ 22a bis 22c SGB II zu sehen ist. Folgerichtig wird vertreten, dass der SGB II-Normgeber die Bindungswirkungen für das SGB XII weder ausdrücklich anzuordnen habe noch sie ausschließen könne; vermeidbar seien sie nur über den Verzicht auf die sie auslösenden Regelungsgehalte (vgl Berlit in Bieritz-Harder/Conradis/Thie, SGB XII, 9. Aufl 2012, § 35a RdNr 7).

14

Systematisch im Einklang damit ist die Normenkontrolle nach § 55a SGG nur eröffnet für die Gültigkeit von Satzungen oder anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, "die nach § 22a Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden sind". Auch das lässt sich nur dahin verstehen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers untergesetzliche Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II ungeachtet ihrer Bindungswirkungen für das SGB XII in formaler Hinsicht ausschließlich dem Rechtskreis des SGB II zuzuordnen sind.

15

b) Diese Zuordnung begründet die Zuständigkeit der Senate für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch dann, wenn über einen auf die mögliche Rechtsbetroffenheit über § 35a SGB XII gestützten Normenkontrollantrag nach § 55a SGG zu befinden ist. Welchem der in § 51 Abs 1 SGG enumerativ aufgeführten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten der Rechtsstreit zuzuordnen ist, richtet sich danach, ob das Rechtsverhältnis, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, seiner Natur nach einem dieser Rechtsgebiete zuzuordnen ist. Entscheidend ist dabei, welche Rechtssätze für das jeweilige Begehren prägend sind (vgl zum Ganzen GmSOGB Beschluss vom 4.6.1974 - GmS-OGB 2/73 - BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2, Beschluss vom 10.4.1986 - GmS-OGB 1/85 - SozR 1500 § 51 Nr 39 = BGHZ 97, 312 und Beschluss vom 10.7.1989 - GmS-OGB 1/88 - SozR 1500 § 51 Nr 53 = BGHZ 108, 284; vgl auch BSG Beschluss vom 6.9.2007 - B 3 SF 1/07 R - SozR 4-1720 § 17a Nr 3 RdNr 9 sowie Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 51 RdNr 4 f und Ulmer in Hennig, SGG, § 51 RdNr 3, Stand: Oktober 2013). Demgemäß liegt eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende dann vor, wenn das klägerische Begehren durch Rechtsvorschriften des SGB II geprägt wird (vgl BSG Beschluss vom 1.4.2009 - B 14 SF 1/08 R - SozR 4-1500 § 51 Nr 6 RdNr 15; zu weiteren Fallkonstellationen s auch Groß in Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 51 RdNr 11). Das ist nach der dargelegten gesetzlichen Konzeption im Verhältnis zwischen den §§ 22a bis 22c SGB II einerseits und § 35a SGB XII andererseits auch dann der Fall, wenn die Überprüfung einer untergesetzlichen Norm iS von § 22a Abs 1 SGB II wegen ihrer Auswirkungen auf die Leistungen für die Unterkunft nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII begehrt wird.

16

c) Bestätigt wird dies weiter durch die Ausgestaltung des Normenkontrollverfahrens nach § 55a SGG im Übrigen, wie es durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführt worden ist(zu den Motiven insoweit vgl BT-Drucks 17/3404 S 131). Zu entscheiden über Anträge nach § 55a SGG ist danach von den LSG - im ersten Rechtszug(§ 29 Abs 2 Nr 4 SGG) - in jeweils zu bildenden eigenen Senaten (§ 31 Abs 2 SGG idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG). Für deren Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern ist in den Materialien verwiesen auf die Besetzung der Kammern für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BT-Drucks 17/3404 S 131 mit Verweis auf § 12 Abs 5 Satz 1 SGG in der bis zum 24.10.2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444). Auch das belegt zum einen, dass sich die Spruchkörperzuständigkeit in Verfahren nach § 55a SGG allein nach dem Angriffsgegenstand richtet, maßgeblich also nur ist, ob es sich um eine "nach § 22a Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und dem dazu ergangenen Landesgesetz" erlassene Norm handelt oder nicht. Zum anderen erweisen die Vorstellungen über die Besetzung der hierfür zu bildenden Senate, dass Antragsverfahren nach § 55a SGG als Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch dann anzusehen sind, wenn die Antragsteller im Leistungsbezug nach dem SGB XII stehen.

17

2. Streitgegenstand ist die WAV in der Fassung, wie sie der mündlichen Verhandlung des LSG am 7.8.2012 zugrunde gelegen hat. Als Norm des Landesrechts obliegen die Feststellung ihres Inhalts und ihre Auslegung, von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich allein dem LSG (§§ 162, 202 SGG iVm § 560 Zivilprozessordnung, vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 34 RdNr 16 mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 28 RdNr 27). Beim BSG angefallen ist das Verfahren demzufolge ausschließlich mit dem Rechtsstand, wie er Gegenstand der Entscheidung des LSG war, also in der vom Senat des Landes Berlin beschlossenen Fassung der WAV vom 3.4.2012 (GVBl 2012, 99). Nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist die Norm demnach hingegen in der Fassung ihrer am 1.8.2013 in Kraft getretenen Fortschreibung durch die Erste Verordnung zur Fortschreibung der Wohnaufwendungenverordnung (WAV-Fortschreibungsverordnung 2013) vom 16.7.2013 (GVBl 2013, 348) mit den Änderungen in den Anlagen 1 und 2.

18

3. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht.

19

a) Insbesondere ist zunächst neben der Revision des durch das Urteil des LSG formell beschwerten Antragstellers auch die Revision des Antragsgegners zulässig. Zwar hat dieser vor dem LSG formell obsiegt und muss wegen der Bindungswirkung der Entscheidung auch nicht besorgen, vom Antragsteller gegenwärtig erneut mit einem Normenkontrollantrag überzogen zu werden (zur Beschwer bei Prozess- statt Sachurteilen ansonsten vgl BSG Urteil vom 26.10.1989 - 4 RA 90/88 - RdNr 9, HV-INFO 1990, 102 unter Hinweis auf BSGE 24, 134, 135 = SozR Nr 7 zu § 85 SGG; vgl hierzu auch BVerwG Urteil vom 12.1.2012 - 7 C 5/11 - BVerwGE 141, 311, 323 f); dem stünde der Mangel der Antragsbefugnis bei unveränderter Fassung der WAV auch weiterhin entgegen.

20

Auf diese Sperrwirkung beschränken sich die Folgen des angegriffenen Urteils indes nicht. Nach dessen tragenden Gründen kann sich vielmehr der Antragsteller in der Sache dem Antragsgegner gegenüber darauf berufen, dass § 6 WAV in der zur Überprüfung gestellten Fassung keine Regelung zur Berücksichtigung der Bedarfe älterer Menschen iS von § 35a Satz 1 SGB XII trifft und die WAV deshalb - anders als dieser meint - auf ihn keine Anwendung findet. Diese Wirkung kommt der einen Normenkontrollantrag gegen eine Satzung ablehnenden Entscheidung nicht nur in einem erneuten Normenkontrollverfahren, sondern in jedem Verfahren zwischen den Beteiligten zu, bei dem es auf die Gültigkeit dieser Satzung ankommt (vgl zu § 47 Verwaltungsgerichtsordnung: BVerwG Beschluss vom 2.9.1983 - 4 N 1/83 - BVerwGE 68, 12, 15 unter Hinweis auf BGH Urteil vom 8.5.1980 - III ZR 27/77 - BGHZ 77, 338; vgl auch BVerwG Beschluss vom 10.5.1995 - 8 B 32/95 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr 71). Ungeachtet der Erfolglosigkeit des Normenkontrollantrags des Antragstellers muss der Antragsgegner deshalb nach dem Urteil des LSG besorgen, dass ihm in der Sache jedenfalls im Verhältnis zum Antragsteller bei Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des LSG (§ 141 Abs 1 Nr 1 SGG) in nachfolgenden Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren über von ihm zu gewährende Leistungen nach § 35 SGB XII die Berufung auf die WAV versagt ist. Das begründet eine die Zulässigkeit seiner Revision rechtfertigende Beschwer.

21

b) Zu Unrecht hat das LSG angenommen, dass dem Antragsteller die Antragsbefugnis für den Normenkontrollantrag fehlt und der Antrag deshalb als unzulässig zu verwerfen ist; dem ist nicht zu folgen.

22

Antragsbefugt für Normenkontrollanträge nach § 55a SGG ist gemäß dessen Abs 2 Satz 1 jede natürliche Person, "die geltend macht, durch die Anwendung der Rechtsvorschrift in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden". Diese Voraussetzungen sind im Wesentlichen wörtlich (zu Unterschieden Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 55a RdNr 7)den entsprechenden Anforderungen in § 47 Abs 2 Satz 1 VwGO für das verwaltungsgerichtliche Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO entnommen, das im Gesamten Vorbild für § 55a SGG war(vgl BT-Drucks 17/3404 S 132; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 147 f; Luik in Hennig, SGG, § 55a RdNr 3, Stand der Einzelkommentierung Mai 2013). Diese Übereinstimmung auch der Zulässigkeitsvoraussetzungen schließt es aus, dass der Gesetzgeber den Zugang zum Normenkontrollverfahren nach § 55a SGG an andere und insbesondere strengere Anforderungen hat binden wollen als sie für die Normenkontrolle nach § 47 VwGO gelten. Maßgebend auch für die Auslegung von § 55a Abs 2 Satz 1 SGG ist damit, dass die Zugangsvoraussetzungen für das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO den Anforderungen an die Klagebefugnis nach § 42 Abs 2 VwGO nachgebildet sind(vgl BT-Drucks 13/3993 S 10) und deshalb ständiger Rechtsprechung des BVerwG zufolge an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs 2 Satz 1 VwGO keine höheren Anforderungen zu stellen sind als nach § 42 Abs 2 VwGO(stRspr; vgl zuletzt nur BVerwG Urteil vom 18.4.2013 - 5 CN 1/12 - BVerwGE 146, 217 RdNr 16 mwN). Auch im Antragsverfahren nach § 55a SGG fehlt es an der Antragsbefugnis daher nur dann, wenn unter Zugrundelegung des Antragsvorbringens Rechte des Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können(zu § 47 Abs 2 Satz 1 VwGO stRspr; vgl nur BVerwG, aaO, mwN; ebenso für § 55a Abs 2 Satz 1 SGG Luik in Hennig, SGG, § 55a RdNr 23, Stand der Einzelkommentierung Mai 2013; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 55a RdNr 7; Hintz in Hintz/Lowe, SGG, 2012, § 55a RdNr 12 ff).

23

Eröffnet ist ein Antragsverfahren nach § 55a SGG demgemäß stets dann, wenn das Antragsvorbringen es zumindest als möglich erscheinen lässt, dass die in der zur Prüfung gestellten Norm getroffenen Festsetzungen hinter den gegenwärtig bereits aufgebrachten oder absehbar aufzubringenden tatsächlichen Aufwendungen des Antragstellers für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II) zurückbleiben und ihr deshalb bestimmende Wirkung für einen Anspruch des Antragstellers auf existenzsichernde Leistungen zukommen kann. Das gilt auch, soweit wie hier Ansprüche nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII in Rede stehen.

24

Nicht auszuschließen ist zwar, dass die Geltungserstreckungsvoraussetzungen nach § 35a Satz 1 SGB XII nach dem Inhalt der angegriffenen Norm nicht vorliegen und diese deshalb keine Geltungswirkung für den Leistungsbezug nach dem SGB XII entfaltet. Indes ist für die Antragsbefugnis ohne Bedeutung, ob die Norm die in ihr angelegten Wirkungen tatsächlich hat und der Antragsteller deshalb des Schutzes im Normenkontrollverfahren bedarf. Das Antragsverfahren nach § 55a SGG dient nicht nur dem Individualrechtsschutz, sondern zugleich der objektiven Rechtskontrolle(zu § 47 VwGO BVerwG Beschluss vom 18.7.1989 - 4 N 3/87 - BVerwGE 82, 225, 230; BVerwG Urteil vom 9.4.2008 - 4 CN 1/07 - BVerwGE 131, 100, RdNr 13, jeweils mwN; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl 2010, § 47 RdNr 31 ff; Gerhardt/Bier in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juli 2005, § 47 RdNr 3). Daher setzt die Erklärung einer Rechtsvorschrift für unwirksam im Normenkontrollverfahren nach § 55a SGG eine Verletzung eigener Rechte des Antragstellers nicht voraus(zu § 47 VwGO BVerwG Urteil vom 9.4.2008, aaO, RdNr 13). Diese Ausgestaltung der Normenkontrolle als auch der objektiven Rechtskontrolle dienendes Verfahren wäre konterkariert, wenn die tatsächliche Betroffenheit in eigenen Rechten im Gewand der Antragsbefugnis zur Voraussetzung für die Einleitung des Normenkontrollverfahrens erhoben würde. Erscheint wie vorliegend schon nach der Bezeichnung ("Verordnung … nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch") und dem Regelungsinhalt (§ 6 Abs 2 Buchst d WAV) der zur Prüfung gestellten Norm sowie mehrfachen Aufforderungen zur Absenkung der Aufwendungen für die Unterkunft ihre Geltungserstreckung auf Ansprüche nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII jedenfalls nicht offenkundig ausgeschlossen, überspannt es die Zulässigkeitsanforderungen des § 55a Abs 2 Satz 1 SGG, wenn der Normenkontrollantrag gleichwohl als unzulässig verworfen wird.

25

c) Sachentscheidungshindernisse sind schließlich ebenfalls nicht durch die Fortschreibung der WAV zum 1.8.2013 durch die WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 entstanden; dadurch ist das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an der Unwirksamkeitserklärung nicht entfallen. Zum einen lässt die Fortschreibung der Angemessenheitsgrenzen der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den Bestand der übrigen Regelungen ohnehin unberührt, hier also den des § 6 Abs 2 Buchst d WAV. Zum anderen sind die durch die Neufassung verdrängten Werte nicht förmlich aufgehoben und gelten deshalb für den Zeitraum seit Inkrafttreten der WAV ab 1.5.2012 bis zum 31.7.2013 auch weiterhin. Jedenfalls solange eine Rechtsvorschrift solche Wirkungen zu äußern vermag, kann sie Gegenstand einer Normenkontrolle sein (vgl zu § 47 VwGO BVerwG Beschluss vom 5.6.2003 - 4 BN 19/03 - RdNr 1 unter Hinweis auf BVerwG Beschluss vom 2.9.1983 - 4 N 1/83 - BVerwGE 68, 12).

26

4. In der Sache ist die WAV mit der für die Geltungserstreckung nach § 35a SGB XII notwendigen Regelung zu den besonderen Wohnbedarfen älterer Menschen in § 6 Abs 2 Buchst d unwirksam, weil sie den Anforderungen an die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II, die wie bei der Konkretisierung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch die Verwaltung eine realitätsgerechte Erfassung des Unterkunftsbedarfs erfordern(dazu sogleich unter 5.) und die für Sonderregelungen für besondere Bedarfe nach § 22b Abs 3 SGB II ebenso gelten(dazu unter 6.), nicht genügt (dazu unter 7.). Insoweit ist die WAV deshalb für unwirksam zu erklären und auszusprechen, dass sie für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII nicht gilt; weitergehende Prüfungen sind dagegen hier nicht veranlasst (dazu unter 8.).

27

5. Die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II erfordert die realitätsgerechte Erfassung des Unterkunftsbedarfs in gleicher Weise, wie es der Verwaltung bei der Bestimmung des abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegeben ist.

28

a) Mit den durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführten §§ 22a bis 22c SGB II hat der Gesetzgeber die Grundlage dafür geschaffen, die abstrakt angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung anstatt durch die ansonsten dazu berufene Verwaltung auch im Wege untergesetzlicher Normsetzung bestimmen zu können. Leitend dafür war die Überzeugung, dass die Konkretisierung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung in der Praxis noch immer Schwierigkeiten aufwerfe und eine bundeseinheitliche Regelung durch Verordnung nach § 27 Nr 1 SGB II(zuletzt idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) nicht zweckmäßig erscheine; demgegenüber biete die Normsetzungslösung die beste Gewähr dafür, die regionalen Besonderheiten des Wohnungsmarktes transparent und zugleich rechtssicher abbilden zu können (vgl BT-Drucks 17/3404 S 44). Eine entsprechende landesrechtliche Ermächtigung vorausgesetzt, können demgemäß seither alle der abstrakten Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zuzurechnenden Bestimmungen durch untergesetzliche Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II vorgenommen werden, sofern diese 1. mindestens die Mindestinhalte nach § 22b Abs 1 Satz 1 SGB II enthalten und 2. bei ihrem Erlass die in den §§ 22a bis 22c SGB II im Weiteren bezeichneten Verfahrensvorgaben eingehalten sind. Inhaltlich getroffen werden müssen danach mindestens Bestimmungen darüber, (1.) welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt wird und (2.) in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterkunft als angemessen anerkannt werden (§ 22b Abs 1 Satz 1 SGB II). Abgebildet werden sollen hierdurch jedenfalls die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt (§ 22a Abs 3 Satz 1 SGB II) und zwar nach Möglichkeit unter Berücksichtigung insbesondere von Mietspiegeln, qualifizierten Mietspiegeln und Mietdatenbanken und/oder von geeigneten eigenen statistischen Datenerhebungen und -auswertungen der Normgeber oder Erhebungen Dritter (§ 22c Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB II).

29

b) Bezugspunkt der damit eröffneten untergesetzlichen Normsetzungsbefugnis ist die durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG inhaltlich unverändert gebliebene (zu Einzelheiten vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 5) Regelung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, wonach Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind. Die hiernach erforderliche Konkretisierung der Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, auf die in der Gesetzesbegründung verwiesen ist, erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung der Grundsicherungssenate des BSG in einem mehrstufigen Verfahren: Zunächst ist zu überprüfen, ob die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft dem entsprechen, was für eine nach abstrakten Kriterien als angemessen geltende Wohnung auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzubringen ist (abstrakte Angemessenheitsprüfung). Übersteigen die tatsächlich aufzubringenden Wohnkosten die abstrakt ermittelte Referenzmiete, ist entsprechend der Vorgaben in § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II(hier idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Mietmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar ist, es ihm also möglich ist, die Kosten für die Unterkunft auf das abstrakt angemessene Maß zu senken (konkrete Angemessenheit) (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19 ff; zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 18).

30

c) Gegenstand auch der untergesetzlichen Normgebung nach § 22a Abs 1 SGB II ist damit die Konkretisierung des durch § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegebenen Begriffs der "Angemessenheit" der Bedarfe für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II). Dieser Begriff unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff uneingeschränkter richterlicher Kontrolle (stRspr seit BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 21, 24; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 20; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 19 f). Zu seiner Ausfüllung ist jedenfalls der abstrakt als angemessen anzuerkennende Mietpreis unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten konkret zu ermitteln (sog Referenzmiete; stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 17; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 44; zur abstrakt angemessenen Wohnungsgröße vgl dagegen BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 12). Erforderlich dazu sind im Einzelnen überprüfbare Erhebungen und Auswertungen, die eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergeben (so genanntes schlüssiges Konzept, vgl grundlegend insbesondere BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18 ff; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - FEVS 60, 145, 149, juris RdNr 16; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 44). Unzureichend zur Erfassung der sozialen Wirklichkeit sind hingegen Schätzungen pauschaler Werte "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage; das würde den Anforderungen zur Ermittlung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nicht gerecht (zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171). Das verbietet sich bei der Bestimmung des Unterkunftsbedarfs genauso (vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21).

31

d) Diese Maßgaben gelten für die untergesetzliche Normsetzung nach §§ 22a bis 22c SGB II nicht anders. Schon der Gesetzeswortlaut bietet keinen Anhalt dafür, dass den Normgebern insoweit andere und von den Gerichten nur in reduziertem Maß gerichtlich zu kontrollierende Spielräume zustehen könnten als der Verwaltung. Im Gegenteil sind die Vorgaben zum Vergleichsmaßstab (§ 22a Abs 3 Satz 1 SGB II), zu den Norminhalten (§ 22b Abs 1 SGB II), zur Datengrundlage (§ 22c Abs 1 SGB II) und den Begründungsanforderungen (§ 22b Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II) im Einzelnen in so enger Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gefasst, dass unterschiedliche Konkretisierungsaufträge und/oder Entscheidungsspielräume im Verhältnis zwischen untergesetzlicher Normsetzung einerseits und verwaltungsmäßigem Vollzug andererseits durch den Gesetzeswortlaut nicht zu belegen sind(ebenso Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 146). Soweit demgegenüber nach den Materialien die Zielvorgabe des § 22a Abs 3 Satz 1 SGB II nur als ein für die objektive Rechtmäßigkeit der Normsetzung unbeachtlicher Programmsatz anzusehen sein soll(vgl BT-Drucks 17/3404 S 100; dem folgend auch Piepenstock in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 22a RdNr 36), hat dies jedenfalls im Normtext selbst keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (gegen diese Qualifizierung auch Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, §§ 22a-22c SGB II RdNr 9; Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22a RdNr 26; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22a RdNr 11). Das lässt sich auch nicht darauf stützen, dass der untergesetzlichen Normsetzung durch § 22a Abs 3 Satz 2 SGB II die Berücksichtigung von Folgewirkungen aufgegeben ist, die sich uU als Maßstab der Angemessenheitsbestimmung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht notwendig alle wiederfinden. Auch wenn über die Bedeutung dessen hier nicht im Einzelnen zu befinden ist, trägt das jedenfalls nicht den Schluss, dass die nach § 22a Abs 3 Satz 1 SGB II für die Normgebung maßgeblichen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes durch wertende Entscheidung der Normgeber ersetzt werden könnten.

32

Die Normsetzungsermächtigung der untergesetzlichen Normgeber durch § 22a Abs 1 SGB II eröffnet solche Spielräume gleichfalls nicht(so aber wohl Groth in Groth/Luik/Siebel-Hufmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 1. Aufl 2011, RdNr 367). In der Wahrnehmung dieser Ermächtigung konkretisieren die Normgeber in gleicher Weise wie die Verwaltung die die Unterkunft als Teil des physischen Existenzminimums umfassende verfassungsrechtliche Garantie des menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz (, vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 223 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 131 mwN) und haben deshalb die dafür maßgebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Nach der Kompetenzordnung des GG sind demgemäß die Wertentscheidungen über die Leistungshöhe mit Blick auf den Entwicklungsstand des Gemeinwesens und die bestehenden Lebensbedingungen allein dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten (vgl BVerfG, aaO, S 222 ff bzw RdNr 133 ff). Soweit dazu von Verfassungs wegen die soziale Wirklichkeit zu erfassen ist, unterliegt schon er strikten Anforderungen (vgl BVerfG, aaO, S 224 ff bzw RdNr 138 ff). Um so weniger können von diesen Anforderungen die freigestellt werden, von denen die gesetzgeberischen Vorgaben administrativ umzusetzen sind. Das können auch die untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II nicht für sich beanspruchen. Sie sind zwar in besonderer Weise mit den Verhältnissen vor Ort vertraut und können deshalb bessere Kenntnis von den Gegebenheiten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt haben als dies aus der Bundesperspektive möglich wäre (vgl BT-Drucks 17/3404 S 100). Zu eigenen wertenden Entscheidungen sachlich-politischer Art über den zur Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu deckenden Unterkunftsbedarf reicht indes ihre demokratische Legitimation nicht. Wertsetzungen solcher Art sind ausschließlich dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst vorbehalten (vgl BVerfG, aaO, S 224 ff bzw RdNr 138).

33

In keinem geringeren Maß als es der Verwaltung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegeben ist, haben demgemäß auch die untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II die soziale Wirklichkeit im Hinblick auf den Unterkunftsbedarf zeit- und realitätsgerecht zu erfassen und dazu auf Verfahren zurückzugreifen, die zu dessen Bemessung im Grundsatz tauglich sind(ebenso Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22a RdNr 9 ff; Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22a RdNr 6 f; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 146). Unzulässig auch für die Normsetzung nach den §§ 22a bis 22c SGB II dagegen sind Schätzungen pauschaler Werte "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage; sie laufen dem verfassungsrechtlichen Auftrag zu realitätsgerechter Ermittlung zuwider (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171).

34

6. Die aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums abzuleitenden Verfahrensanforderungen an die Konkretisierung des abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs durch untergesetzliche Normsetzung gelten auch für Sonderregelungen für besondere Bedarfe nach § 22b Abs 3 SGB II.

35

a) Nach § 22b Abs 3 SGB II sollen in den Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II Sonderregelungen getroffen werden für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung, und zwar insbesondere für Personen, die einen erhöhten Raumbedarf haben wegen (1.) einer Behinderung oder (2.) der Ausübung ihres Umgangsrechts. Nach den Materialien soll dies gelten für Personen mit einem typischerweise besonders abgesenkten oder erhöhten Bedarf für Unterkunft und Heizung, einerseits etwa bei Bestehen einer Behinderung oder andererseits während der Berufsfindungsphase (BT-Drucks 13/3404 S 101 f). Ob sich solche Umstände in Normen nach § 22a Abs 1 SGB II und damit notwendigerweise abstrakt fassen lassen, ist von den Grundsicherungssenaten des BSG und auch in der Literatur bisher skeptisch beurteilt worden(BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 23; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - NZS 2013, 389, juris RdNr 15; ebenso in diese Richtung zur Sozialhilfe BSG Urteil vom 14.4.2011 - B 8 SO 19/09 R - SozR 4-3500 § 29 Nr 2 RdNr 17; in der Literatur: Groth in Groth/Luik/Siebel-Hufmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 1. Aufl 2011, RdNr 372; Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, §§ 22a-22c SGB II RdNr 13). Zweifelhaft erscheinen mag auch, ob ohne ausdrückliche Entscheidung des Bundesgesetzgebers abstrakte, nicht wohnungsmarktbezogene Bedarfsabsenkungen zulässig sein könnten (vgl Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22b RdNr 40; Knickrehm aaO; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22b RdNr 11). Sind aber Regelungen iS von § 22b Abs 3 SGB II getroffen, müssen sie auf hinreichend realitätsgerechte und nachvollziehbare Erhebungen zum typischen Wohnbedarf der jeweils betroffenen Gruppen von Personen mit besonderen Bedarfen für Unterkunft (und ggf Heizung) gestützt sein und kenntlich machen, von welchem Sonderbedarf der Normgeber dabei ausgegangen ist.

36

b) Der Funktion nach ist mit dem Auftrag zur Schaffung von Regelungen auch für besondere Bedarfslagen für Unterkunft und Heizung im Rahmen der untergesetzlichen Normgebung iS von § 22a Abs 1 SGB II das Ziel verfolgt, die Berücksichtigung solcher Bedarfe nach Möglichkeit partiell von der Ebene der konkreten auf die der abstrakten Angemessenheit (vor) zu verlagern. Nach dem auch insoweit unverändert gebliebenen Regelungskonzept des § 22 SGB II sind durch persönliche Lebensumstände von Leistungsberechtigten bedingte besondere Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Rahmen der konkreten Angemessenheit nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II(bis zur Änderung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706: § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II) zu berücksichtigen (eingehend hierzu zuletzt vgl etwa BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 29 ff). Diese Maßgabe gilt ohne Einschränkung auch im Verhältnis zu normativ bestimmten Angemessenheitswerten nach § 22b Abs 1 SGB II. Schon Wortlaut und Materialien bieten keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass der Regelung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II insoweit nur noch Teilgeltung zukommen könnte. Jedenfalls wäre ein solches Verständnis systematisch nicht vertretbar, nachdem Öffnungsklauseln für atypische Sonderlagen schon verfassungsrechtlich zwingend geboten sind (zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 252 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 204 ff) und Regelungen nach § 22b Abs 3 SGB II weder zum unverzichtbaren ("In der Satzung soll") noch zum abschließenden ("Dies gilt insbesondere") Inhalt untergesetzlicher Normen nach § 22a Abs 1 SGB II erhoben worden sind. Bereits daraus wird deutlich, dass die Verpflichtung zur Berücksichtigung besonderer Unterkunftsbedarfe nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II durch die Rechtsetzungsbefugnis nach § 22b Abs 3 SGB II nicht ersetzt worden ist. Ungeachtet dessen wäre der Bundesgesetzgeber zu einer solchen Verlagerung auf den untergesetzlichen Normgeber von Verfassungs wegen auch nicht befugt gewesen, weil die Entscheidung über die Schaffung und Ausgestaltung von Öffnungsklauseln zur Deckung atypischer Bedarfe im Bereich des Existenzminimums nach der Kompetenzordnung des GG allein ihm vorbehalten und eine Delegation dieser Kompetenz auf hierzu nicht legitimierte Körperschaften unzulässig ist (zur Kompetenzordnung des GG und zu Legitimationsgrenzen grundlegend BVerfG Beschluss vom 5.12.2002 - 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98 - BVerfGE 107, 59 ).

37

c) Anlass und Raum für eigenständige Regelungen zugunsten von Personengruppen mit besonderen Bedarfen für Unterkunft und Heizung im Rahmen der untergesetzlichen Normgebung nach §§ 22a bis 22c SGB II bleibt danach nur, soweit bei ihnen typischerweise besondere Anforderungen etwa in Bezug auf Raumgröße, Wohnstandard oder -lage bestehen und wegen ihrer Schutzwürdigkeit die Berücksichtigung dessen bereits auf der Ebene der abstrakten Angemessenheitsbestimmung angezeigt erscheint. Auch darin sind die Regelungen - wie die Normsetzung nach § 22a Abs 1 SGB II überhaupt - indes beschränkt auf die Berücksichtigung (typischer) tatsächlicher Lebens- und Wohnverhältnisse vor Ort. Das ergibt schon das systematische Zusammenspiel von § 22b Abs 3 SGB II einerseits und § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II andererseits. Da die Normsetzungsbefugnis nach § 22b Abs 3 SGB II dem Zweck nach an die Verpflichtung zur Berücksichtigung von Besonderheiten gemäß § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II anknüpft und Personen mit typischerweise besonderen Unterkunftsbedarfen von den (wenngleich eingeschränkten) Nachweislasten im Verfahren nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II(vgl etwa BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 29 ff und RdNr 33) freistellen soll, spricht bereits das dagegen, dass nach § 22b Abs 3 SGB II weitere Umstände berücksichtigt werden könnten als nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II beachtlich wären, also nicht den tatsächlichen Lebens- und Wohnverhältnissen vor Ort zuzurechnen sind. Dagegen stehen im Weiteren auch die dargelegten kompetenzrechtlichen Schranken der Normsetzung nach den §§ 22a bis 22c SGB II; auch in Bezug auf § 22b Abs 3 SGB II konnte der Bundesgesetzgeber den untergesetzlichen Normgebern Befugnisse nur zur Berücksichtigung besonderer Gegebenheiten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt einräumen, nicht aber zu wertenden Entscheidungen etwa im Hinblick auf den mit Rücksicht auf die Lebensbedingungen in Deutschland als im Allgemeinen angemessen anzusehenden Unterkunftsbedarf Alleinerziehender(vgl zu Fragen in diesem Zusammenhang auch Stölting, SGb 2013, 543, 545 in Besprechung von BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 = SGb 2013, 539).

38

d) Dem Regelungsauftrag und den aus der Kompetenzordnung des GG sich ergebenden Regelungsschranken genügen Normgeber demgemäß mit Sonderregelungen iS von § 22b Abs 3 SGB II nur, wenn sie dazu den jeweils in den Blick genommenen Sonderbedarf nach den Verhältnissen des jeweils örtlich maßgebenden Wohnungsmarktes in Bezug insbesondere auf Größe, Ausstattung oder Lage des benötigten Wohnraums zeit- und realitätsgerecht typisierend erfassen und dazu wie auch im Übrigen auf Verfahren zurückgreifen, die zu dieser Bemessung im Grundsatz tauglich sind(vgl zu dieser Anforderung im Allgemeinen oben 5.c). Sind diese Anforderungen nicht gewahrt, berührt das nicht nur die objektive Rechtmäßigkeit entsprechender Festsetzungen. Damit ist aus der Perspektive betroffener Normadressaten nicht nur der Schutzzweck des § 22b Abs 3 SGB II selbst verfehlt, im Interesse von Personengruppen typisierbare Sonderbedarfe regelmäßig(vgl Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22b RdNr 38) bereits auf der Ebene der abstrakten Angemessenheitsbestimmung aufzugreifen und dadurch die angemessene Bedarfsdeckung ohne Rückgriff auf § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zu erleichtern. Die Bedarfsdeckung kann durch empirisch unzureichend gestützte untergesetzliche Angemessenheitsgrenzen vielmehr sogar erschwert sein, weil auf der Grundlage eines hinreichend geeigneten Verfahrens abstrakt bestimmte Angemessenheitsgrenzen grundsätzlich die Vermutung der Richtigkeit in sich tragen und Leistungsberechtigte deshalb erhöhten Darlegungslasten ausgesetzt sein können, wollen sie diesen Wert erschüttern; zumindest müssen sie im Prozess dann dartun, inwieweit sich die normativ bestimmten Werte nach § 22b Abs 3 SGB II nicht auf zutreffende Ermittlungen zur abstrakt angemessenen Referenzmiete stützen können(vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 36; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 30, 32; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 38).

39

7. Den so umschriebenen Maßstäben wird die WAV mit ihrer für die Geltungserstreckung nach § 35a SGB XII notwendigen Regelung zu den besonderen Wohnbedarfen älterer Menschen in § 6 Abs 2 Buchst d in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.

40

a) Soweit nach § 6 Abs 2 Buchst d iVm mit § 6 Abs 1 WAV bei "über 60-jährigen Hilfeempfangenden", deren tatsächlichen Aufwendungen die "Richtwerte" nach § 4 WAV und damit die abstrakt angemessenen Kosten von Unterkunft und Heizung nach dieser Vorschrift überschreiten, diese Richtwerte in "besonders begründeten Einzelfällen … aus sozialen Gründen und in Härtefällen um bis zu Zehn vom Hundert" überschritten werden "können", verstößt das bei wortgetreuer Auslegung gegen die aufgezeigte bundesrechtliche Rechtslage schon deshalb, weil die Überschreitung der abstrakten Angemessenheitswerte danach als auf höchstens 10 % beschränkt anzusehen und deshalb für weitergehende atypische Fälle kein Raum sein könnte.

41

Sollte das im Lichte insbesondere der bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben anders zu verstehen sein, fehlt es jedenfalls an einer eigenständigen Sonder"Regelung" iS des § 22b Abs 3 SGB II; darauf hat bereits das LSG zutreffend hingewiesen. Normative Wirkung im Sinne des Regelungsauftrags nach § 22b Abs 3 SGB II kann der Bestimmung abstrakt angemessener Bedarfe für Personengruppen mit typischerweise(vgl BT-Drucks 17/3404 S 101) besonderen Bedarfen für Unterkunft und Heizung nur zukommen, wenn für sie nach im Einzelnen erfassbaren tatbestandlichen Voraussetzungen und Grenzen abstrakt bestimmte und für alle Normadressaten deshalb unmittelbar nachvollziehbare Werte vorgegeben sind. Daran fehlt es hier in doppelter Hinsicht.

42

Zum einen sind schon die Voraussetzungen für die Erhöhung der allgemeinen Richtwerte nach § 4 WAV nicht umrissen, sondern es ist auf die Umstände des Einzelfalls verwiesen ("in besonders begründeten Einzelfällen"). Wenn nicht angenommen werden soll, dass schlechthin alle über 60-jährigen Leistungsberechtigten Anspruch auf erhöhte Leistungen für Unterkunft und Heizung haben sollen, trifft die Norm somit schon nach dem Tatbestand gerade selbst keine Sonderregelung iS von § 22b Abs 3 SGB II, sondern sie überweist dies der Beurteilung der Verwaltung im Einzelfall. Das gilt zum anderen auch deshalb, weil auch unbedingte Rechtsfolgen anzuerkennender Sonderbedarfe nicht in der Norm selbst angeordnet sind, sondern die Entscheidung im Einzelfall dem Ermessen der Verwaltung überantwortet ist ("können die Richtwerte … überschritten werden"). § 6 Abs 2 WAV trifft damit nicht selbst eigene Bestimmungen iS von § 22b Abs 3 SGB II, sondern delegiert die Entscheidung über die hiernach zu berücksichtigenden besonderen Bedarfe in jedem Einzelfall auf die Verwaltung. Abgesehen davon, dass diese dazu nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II ohnehin berufen ist und sich im Hinblick hierauf sonach die Frage nach der Rechtswirkung der 10 %-Grenze stellt, verfehlt die Norm schon damit den umrissenen Schutzauftrag des § 22b Abs 3 SGB II, die Angehörigen von Personengruppen mit typischerweise besonderen Wohnbedarfen nach Möglichkeit bereits durch abstrakt-generell wirkende Typisierungen von den Anforderungen des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II freizustellen.

43

b) Verfehlt ist dieser Auftrag weiter deshalb, weil - in der Konsequenz der Ausgestaltung liegend - die "Sonderregelungen" des § 6 Abs 2 WAV ersichtlich in keiner Weise auf Erhebungen gestützt sind, die im dargelegten Sinne zeit- und realitätsgerecht eine typisierende Erfassung der umfassten Sonderbedarfe nach den Verhältnissen des Berliner Wohnungsmarktes in Bezug insbesondere auf Größe, Ausstattung oder Lage des benötigten Wohnraums erlauben könnten. Solche Erhebungen weisen schon die Materialien nach § 22b Abs 2 Satz 1 SGB II nicht nach(vgl GVBl 2012, 103 ff), jedenfalls steht hiergegen der Umstand, dass für schlechthin jede der in § 6 Abs 2 WAV im Einzelnen aufgeführten und sehr verschiedenen Personengruppen eine Erhöhungsmöglichkeit um bis zu 10 % vorgesehen ist, obwohl ihnen zum Teil tatbestandlich fassbare Sonderbedarfe schon gar nicht zugrunde liegen können. In besonderer Weise augenfällig ist das für die Gruppe der "Personen, die in absehbarer Zeit kostendeckende Einkünfte haben" (§ 6 Abs 2 Buchst f WAV), gilt aber auch für die sonstigen Gruppen. Sollte nicht anzunehmen sein, dass die Werte danach auf - im Wege der untergesetzlichen Normsetzung unzulässigen - politischen Setzungen beruhen, können sie jedenfalls allenfalls "Schätzungen ins Blaue" sein, was zur Konkretisierung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II schlechterdings unzureichend und deshalb auch im Rahmen untergesetzlicher Normgebung unzulässig ist(zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171; zu § 22 Abs 1 SGB II vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21).

44

8. Erfolg hat hiernach die Revision des Antragstellers, soweit die WAV - bezogen auf sein Interesse, nicht gemäß § 35a SGB XII in deren Geltungsbereich einbezogen zu werden - in Bezug auf die Sonderbedarfsregelung für die "über 60-jährigen Hilfeempfangenden" in § 6 Abs 2 Buchst d wegen Verstoßes gegen § 22b Abs 3 SGB II nach § 55a Abs 5 Satz 2 Halbs 1 SGG für unwirksam zu erklären ist; in diesem Umfang ist zugleich die Revision des Antragsgegners zurückzuweisen.

45

Ohne Erfolg ist der Antragsteller hingegen mit dem weitergehenden Begehren geblieben, die WAV auch im Übrigen für unwirksam zu erklären. Hierfür fehlt es nach dem Ausspruch zu § 6 Abs 2 Buchst d WAV offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise an einem anzuerkennenden Rechtsschutzinteresse, denn wegen der Ungültigkeit jedenfalls dieses Normteils fehlt es an jeder möglichen Anknüpfungsgrundlage für eine Geltungserstreckung der WAV auf den dauerhaft aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschiedenen Antragsteller nach Maßgabe von § 35a SGB XII; insoweit verfolgt er mit seinem weitergehenden Begehren Interessen, die zur Verbesserung seiner Rechtsstellung offenkundig nicht beitragen können und über die danach im hier anhängigen Normenkontrollverfahren (zu weiteren anhängigen Revisionsverfahren zur WAV vgl B 4 AS 34/13 R, B 4 AS 52/13 R sowie B 14 AS 53/13 R) nicht entschieden zu werden braucht.

46

Zur Vermeidung weiterer Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten über die Geltungswirkung der WAV für Ansprüche des Antragstellers hat der Senat deshalb jedoch den Ausspruch zu § 6 Abs 2 Buchst d WAV zum einen mit der Feststellung verbunden, dass die WAV für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII nicht gilt und dies zum anderen dadurch verdeutlicht, dass er die Worte "und Zwölften" in der Überschrift der WAV für unwirksam erklärt hat.

47

9. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Die Revision des Antragsgegners gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. September 2013 - L 36 AS 1987/13 NK - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die vom Senat des Landes Berlin, dem Antragsgegner, erlassene "Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" (Wohnaufwendungenverordnung - WAV, hier in der Fassung vom 3.4.2012, GVBl 99).

2

Mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453) räumte der (Bundes-)Gesetzgeber den Ländern bei materiell ansonsten im Wesentlichen unveränderter Rechtslage zur Übernahme von Unterkunfts- und Heizkosten die Befugnis ein, die Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS von § 22 Abs 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zum Gegenstand kommunaler Rechtsetzung zu machen. Demgemäß können die Länder die Kreise und kreisfreien Städte nach § 22a Abs 1 Satz 1 SGB II durch Gesetz ermächtigen oder verpflichten, "durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind". Entsprechendes gilt für die Länder Berlin und Hamburg, die (durch Landesgesetz) bestimmen, "welche Form der Rechtsetzung an die Stelle einer nach Satz 1 vorgesehenen Satzung tritt" (§ 22a Abs 1 Satz 3 SGB II).

3

Gestützt auf eine diese Befugnisse wahrnehmende Rechtsverordnungsermächtigung in § 8 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: AG-SGB II) des Landes Berlin(hier idF des Gesetzes vom 13.7.2011, GVBl 344) ist vom Senat des Landes Berlin am 3.4.2012 mit Wirkung vom 1.5.2012 die im Streit stehende WAV erlassen worden, die auszugsweise wie folgt lautet:

4

"§ 1

Anwendungsbereich

Diese Verordnung regelt, in welcher Höhe im Land Berlin Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen im Sinne des § 22 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch sind. Die Regelungen erfolgen auf der Grundlage der §§ 22a bis 22c des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch.

        

§ 2

Begriffsbestimmungen

(1) Zu den tatsächlichen Aufwendungen im Sinne des § 22 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für Mietwohnungen gehören die Nettokaltmiete, die kalten Betriebskosten gemäß der Betriebskostenverordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2346) in der jeweils geltenden Fassung, die Heizkosten, die Warmwasserbereitungskosten, die nicht aufgrund dezentraler Warmwassererzeugung im Sinne des § 21 Absatz 7 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch entstehen, und sonstige mietvertraglich geschuldete Leistungen (Bruttowarmmiete). Ebenso gehören dazu auch einmalig anfallende Nachzahlungen, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind.

(…)     

        

§ 3

Datengrundlagen

(1) Die Bestimmung der angemessenen Wohnfläche gemäß § 22b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch erfolgt auf der Grundlage der anerkannten Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau und ergänzend der Wohnungsbauförderungsbestimmungen.

(2) Die Bestimmung der angemessenen Höhe der Aufwendungen für die Unterkunft gemäß § 22b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch erfolgt gemäß § 22c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch auf der Grundlage des jeweils gültigen Berliner Mietspiegels als qualifiziertem Mietspiegel gemäß § 558d BGB und der jeweils mit dem Berliner Mietspiegel veröffentlichten Betriebskostenübersicht.

(3) Die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für die Heizung gemäß § 22b Absatz 1 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch erfolgt auf der Grundlage des von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten bundesweiten Heizspiegels in der jeweils geltenden Fassung. Zur Ermittlung der Erhöhung der Richtwerte für Wohnungen mit nicht dezentraler Warmwassererzeugung im Sinne des § 21 Absatz 7 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch werden ebenfalls die Werte des bundesweiten Heizspiegels zu Grunde gelegt.

(4) Die als angemessen anerkannte Wohnfläche und die Höhe der als angemessen anerkannten Aufwendungen für die Unterkunft sind der Tabelle A der Anlage 1 zu dieser Verordnung zu entnehmen. Die Höhe der als angemessen anerkannten Heizkosten sind der Tabelle B der Anlage 1 zu dieser Verordnung zu entnehmen.

        

§ 4

Gesamtangemessenheitsgrenze

Auf der Grundlage des Konzepts zu dieser Verordnung wird gemäß § 22b Absatz 1 Satz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch eine Gesamtangemessenheitsgrenze gebildet. Die Richtwerte für angemessene monatliche Bruttowarmmieten und für angemessene monatliche Aufwendungen bei selbst bewohntem Wohneigentum sind der Tabelle A der Anlage 2 zu dieser Verordnung zu entnehmen. Wird der Wohnraum mit anderen als in der Tabelle A der Anlage 2 zu dieser Verordnung genannten Heizenergieträgern beheizt, sind die nach Bedarfsgemeinschaftsgröße und Gebäudefläche höchsten maßgeblichen Richtwerte zu Grunde zu legen. Erfolgt die Warmwassererzeugung nicht dezentral im Sinne des § 21 Absatz 7 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, ist der Richtwert nach der Tabelle A der Anlage 2 zu dieser Verordnung um den entsprechenden Zuschlag nach der Tabelle B der Anlage 2 zu dieser Verordnung zu erhöhen.

(…)     

        

§ 6

Besondere Bedarfe für Unterkunft und Heizung

zur Bestimmung der individuellen Angemessenheit

(1) Sofern die tatsächlichen Aufwendungen der Leistungsberechtigten den Richtwert gemäß § 4 überschreiten, gelten wegen besonderer Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22b Absatz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zur individuellen Bestimmung der Angemessenheit abweichend von den Richtwerten nach § 4 die in den Absätzen 2 bis 9 getroffenen Sonderregelungen.

(…)"   

5

Nach dem mit der WAV als Begründung gemäß § 22b Abs 2 SGB II veröffentlichten Konzept zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung(GVBl 2012, 103 ff) wird als Grundlage für die Beurteilung der Angemessenheit von Heizkosten der von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellte bundesweite Heizspiegel herangezogen. Für den jeweils in den Richtwert als Bruttowarmmiete einfließenden Grenzwert werden nach diesem Konzept die Werte aus der Spalte "zu hoch" des bundesweiten Heizspiegels zugrunde gelegt.

6

Am 1.8.2013 trat die Erste Verordnung zur Fortschreibung der Wohnaufwendungenverordnung (WAV-Fortschreibungsverordnung 2013) vom 16.7.2013 (GVBl 348) in Kraft, durch die die Anlagen 1 und 2 zur WAV vom 3.4.2012 neu gefasst wurden, diese im Übrigen aber unverändert blieb. Am 1.3.2014 trat die Zweite Verordnung zur Fortschreibung der Wohnaufwendungenverordnung (WAV-Fortschreibungsverordnung 2014) vom 11.2.2014 (GVBl 63) in Kraft, durch die die Tabelle B der Anlage 1 und die Anlage 2 zur WAV vom 3.4.2012 in der durch die WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 geänderten Fassung neu gefasst wurden; im Übrigen blieb die WAV unverändert. Jeweils ist in der den Fortschreibungsverordnungen beigegebenen Begründung nach § 22b Abs 2 SGB II ausgeführt, dass das mit der WAV veröffentlichte Konzept zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung weiter gilt.

7

Die miteinander verheirateten, im Land Berlin - dem Antragsgegner - lebenden Antragsteller beziehen seit dem 2.5.2011 Arbeitslosengeld II nach dem SGB II. Sie bewohnen seit dem 16.5.2011 - inzwischen zusammen mit ihrer 2012 geborenen, Sozialgeld nach dem SGB II beziehenden Tochter - eine angemietete ca 68 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung, die über eine mit Erdgas betriebene Etagenheizung verfügt. Die Warmwasserbereitung erfolgt über einen Gas-Durchlauferhitzer. Für die Wohnung war bis zum 31.12.2012 eine Bruttokaltmiete iHv monatlich 546,08 Euro zu zahlen (Nettokaltmiete 443,69 Euro und Vorauszahlung für kalte Betriebskosten 102,39 Euro). An den Gasversorger waren Abschläge zunächst iHv monatlich 69 Euro und ab August 2012 iHv monatlich 79 Euro zu zahlen, sodass die Bruttowarmmiete zunächst 615,08 Euro und ab August 2012 625,08 Euro im Monat betrug. Nach einer Kostensenkungsaufforderung vom 19.8.2011 anerkannte das für die Antragsteller zuständige Jobcenter ab 1.3.2012 mit Rücksicht auf die bevorstehende Geburt der Tochter einen Gesamtbedarf für Unterkunft und Heizung iHv monatlich 542 Euro, der dem Richtwert für eine angemessene Bruttowarmmiete für einen Drei-Personen-Haushalt nach den Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII des Landes Berlin vom 10.2.2009 entsprach. Gegen die Bewilligungsentscheidungen für die Zeit ab 1.5.2012 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 30.10.2012 erhoben die Antragsteller Klage vor dem Sozialgericht Berlin, die dort unter dem Aktenzeichen S 169 AS 30680/12 noch anhängig ist. Durch Änderungsbescheid vom 21.5.2013 erhöhte das Jobcenter den anerkannten Gesamtbedarf der Antragsteller (und ab 2.8.2012 ihrer Tochter) für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.5.2012 bis 31.10.2012 auf monatlich 579 Euro unter Hinweis auf den "Richtwert Bruttowarm" für eine aus drei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft bei einer Gebäudefläche von 100 bis 250 qm und einer Beheizung mit Erdgas nach der Anlage 2 (zu § 4), Tabelle A (zu § 4 Satz 2 bis 4) der WAV vom 3.4.2012. Mit ihrem bereits am 14.6.2012 gestellten Normenkontrollantrag vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) begehren die Antragsteller, die WAV für unwirksam zu erklären, weil sie nicht den Voraussetzungen der §§ 22a bis 22c SGB II entspreche.

8

Das LSG hat im vorliegenden Normenkontrollverfahren entschieden, dass die WAV vom 3.4.2012 unwirksam ist und dass diese Feststellung für den Zeitraum vom 1.5.2012 bis 31.7.2013 getroffen wird (Urteil vom 4.9.2013). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der in vollem Umfang zulässige Normenkontrollantrag sei begründet, weil die formell rechtmäßige WAV eine unzulängliche Regelung einer Gesamtangemessenheitsgrenze auf der Grundlage eines Bruttowarmmietenkonzepts getroffen habe, die zur Unwirksamkeit der WAV führe. Zwar habe sich der Verordnungsgeber für ein Bruttowarmmietenkonzept entscheiden dürfen. Die Bildung der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 Satz 1 iVm § 3 WAV entspreche indes nicht der Ermächtigung, denn sie folge - jedenfalls für die Heizkosten - nicht in ausreichendem Maße den Anforderungen aus § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II an die Bestimmung abstrakt angemessener Bedarfe auf belastbarer Datengrundlage. Wenn aber nur ein Wert (Bedarf für Bruttokaltmiete) dem gebotenen Modus der Herleitung und Ermittlung folge, der andere ergebnisrelevante Wert (Bedarf für Heizung) hingegen nicht, könne die Summe regelmäßig die abstrakt angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nicht ermächtigungskonform darstellen.

9

Der Verordnungsgeber habe in § 3 Abs 3 WAV für die Heizkosten auf die Werte des bundesweiten Heizspiegels zurückgegriffen, die als Grenzwerte indes die individuelle Prüfung tatsächlich anfallender Heizkosten auslösen, als Unwirtschaftlichkeitsgrenze aber nicht der Bestimmung der abstrakt angemessenen Heizkosten dienen würden. Dies schließe es aus, die Grenzwerte unter Wahrung der § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zu entnehmenden Grundsätze zur Bestimmung abstrakt angemessener Bedarfe, die allein Gegenstand der Verordnungsermächtigung seien, und im Weiteren dann zur Bildung der Richtwerte (Gesamtangemessenheitsgrenze) heranzuziehen. Eine Gesamtangemessenheitsgrenze, die Austauscheffekte zwischen unangemessen hohen Bedarfen für Unterkunft oder Heizung zulasse, sei nur hinnehmbar, wenn alle Elemente eines zusammengesetzten Bedarfs realitätsnah bestimmt seien. Daran fehle es hier. Die Heranziehung eines Grenzwerts zu hoher Heizkosten zur Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze eröffne regelhaft ein Aufstockungspotenzial für Bruttokaltmieten, die über den abstrakt angemessenen Werten lägen. In diesem Sinne "infiziere" der Verzicht auf die Bildung einer abstrakten Angemessenheitsgrenze für Heizkosten die Angemessenheitsbestimmung für die Bruttokaltmiete und verzerre deren Ergebnisse, sodass die Leistungen, die sich aus der Gesamtbedarfsbestimmung der WAV ergäben, im Einzelfall nicht mehr den nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II maßgebenden Bedarfen entsprächen.

10

Die Auswirkungen dieser dem § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht entsprechenden Bildung der Richtwerte seien nicht zu vernachlässigen und deshalb insgesamt zu beanstanden. Denn der Betrag des Grenzwerts nach dem Heizspiegel, der "in die Bruttokaltmiete fließe", wenn diese "zu hoch" und der Heizkostenbedarf durchschnittlich sei, sei als substanzielle Verschiebung der im Rahmen des schlüssigen Konzepts gewonnenen Angemessenheitswerte zu bewerten, der jede filigrane Überlegung zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten ad absurdum führe.

11

Dass die Gesamtangemessenheitsgrenze keinen Bestand habe, führe insgesamt zur Unwirksamkeit der WAV in ihrer ursprünglichen Fassung vom 3.4.2012. Dies sei eindeutig für die Regelungen, die auf der Gesamtangemessenheitsgrenze aufbauen oder sie ergänzen würden. Doch auch für die anderen Regelungen lägen die Voraussetzungen einer Abtrennbarkeit nicht vor. Es könne insbesondere nicht festgestellt werden, dass der Verordnungsgeber zumindest die Bruttokaltmiete so wie geschehen festgelegt haben würde, wenn die Unwirksamkeit der ausgehend von diesen Werten im Weiteren in der WAV bestimmten Gesamtangemessenheitsgrenzen bekannt gewesen sein würde. Zum einen würde der Verordnungsgeber von seinen Gestaltungsmöglichkeiten anders Gebrauch gemacht haben können. Zum anderen sei die Festlegung der Bruttokaltmiete im Rahmen eines schlüssigen Konzepts kein reiner Erkenntnisakt, an dessen Ende nur ein bestimmtes Ergebnis stehen könne, vielmehr könne die zutreffende Beachtung normativer und das Erkenntnisverfahren betreffender Vorgaben zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

12

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Antragsgegner, dass die materiell-rechtlichen Erwägungen des LSG zu den bundesrechtlichen Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II einer Überprüfung nicht standhalten. Die Bestimmung der angemessenen Heizkosten sei auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfolgt (Hinweis auf Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23). Auch deren Einbeziehung in die Gesamtangemessenheitsgrenze stehe mit Bundesrecht in Einklang. Denn nach der Rechtsprechung des BSG handele es sich beim Grenzwert des bundesweiten Heizspiegels nicht nur um einen die Unwirtschaftlichkeit indizierenden Grenzwert, sondern um den Wert, bis zu dem die Heizkosten als angemessen gelten sollten, sofern hierzu keine konkreteren regionalen Daten vorlägen. Eine grundsicherungsrechtlich schlüssige Ermittlung eines Durchschnittwerts bei Heizkosten scheide indes aus. Durch die Einbeziehung der so bestimmten Heizkosten in die nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II zulässige Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze (Bruttowarmmiete) könne die existenzsichernde Bedarfsdeckung in allen Einzelfällen erreicht werden. Eine andere Lösung sei für die Bestimmung angemessener Heizkosten gemäß den vom BSG aufgestellten Grundsätzen nicht ersichtlich.

13

Der Antragsgegner beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. September 2013 - L 36 AS 1987/13 NK - aufzuheben und den Normenkontrollantrag der Antragsteller abzulehnen.

14

Die Antragsteller beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass die WAV vom 3.4.2012 unwirksam ist (dazu unten 3. bis 7.). Zu Recht hat das LSG diese Feststellung nur für den Zeitraum vom 1.5.2012 bis 31.7.2013 getroffen (dazu unten 1. und 2.).

16

1. Streitgegenstand ist die WAV in der Fassung vom 3.4.2012, die das LSG für die Zeit vom 1.5.2012 bis 31.7.2013 für unwirksam erklärt hat. Beim BSG angefallen ist das Normenkontrollverfahren demnach mit dem Rechtsstand, wie er Gegenstand der Entscheidung des LSG war, also in der vom Senat des Landes Berlin beschlossenen Fassung der WAV vom 3.4.2012 (GVBl 99). Nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist dagegen die WAV in der Fassung ihrer am 1.8.2013 in Kraft getretenen Fortschreibung durch die WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 vom 16.7.2013 (GVBl 348) mit den Änderungen in den Anlagen 1 und 2 und ihrer am 1.3.2014 in Kraft getretenen Fortschreibung durch die WAV-Fortschreibungsverordnung 2014 vom 11.2.2014 (GVBl 63) mit den Änderungen in den Anlagen 1 und 2.

17

Denn als Norm des Landesrechts obliegen die Feststellung ihres Inhalts und ihre Auslegung, von Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich allein dem LSG (§§ 162, 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz iVm § 560 Zivilprozessordnung). Das LSG hat, ohne dass dies dem Senat Anlass zu Beanstandungen bietet, insoweit ausgeführt, dass durch den Erlass der WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 ein zeitlich abgegrenzter Regelungskomplex entstanden sei, der durch die Geltung anderer Mietwerte gekennzeichnet sei, und dass die WAV in ihrer ursprünglichen Fassung partiell am 1.8.2013 außer Kraft getreten sei. Die WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 bilde eine Zäsur, durch die für die Zukunft eine inhaltlich abweichende Regelung geschaffen worden sei. Diese Ausführungen des LSG beanspruchen Geltung der Sache nach auch für die WAV-Fortschreibungsverordnung 2014, die im Zeitpunkt der Entscheidung des LSG noch nicht in Kraft getreten war.

18

Aufgrund des Urteils des Senats vom 17.10.2013 (B 14 AS 70/12 R - SozR 4-4200 § 22a Nr 1) gilt die WAV nicht (mehr) für Leistungsempfänger nach dem SGB XII. Durch das Urteil wurden in der Überschrift der WAV die Wörter "und Zwölften" und § 6 Abs 2 Buchst d WAV für unwirksam erklärt. Insoweit ist die WAV nicht mehr Gegenstand des Normenkontrollverfahrens.

19

2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Der statthafte Normenkontrollantrag nach § 55a Abs 1 SGG der Antragsteller, denen unter Hinweis auf die Regelungen der WAV Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen erbracht worden sind, ist vollen Umfangs zulässig, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat.

20

Die Antragsteller sind insbesondere für ihr Begehren, die WAV vom 3.4.2012 für unwirksam zu erklären, antragsbefugt (vgl zu den Anforderungen an die Antragsbefugnis für Normenkontrollanträge nach § 55a SGG näher Urteil des Senats vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - SozR 4-4200 § 22a Nr 1 RdNr 22 bis 24 mwN). Weder ihrer Antragsbefugnis noch ihrem Rechtsschutzbedürfnis steht entgegen, dass ihr vor dem LSG gestellter Normenkontrollantrag allein die WAV in ihrer ursprünglichen Fassung mit den bis zum 31.7.2013 geltenden Anlagen 1 und 2 betraf. Insoweit hat der Senat bereits entschieden (Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R, aaO, RdNr 25 mwN), dass zum einen die Fortschreibung der Angemessenheitsgrenzen der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den Bestand der übrigen Regelungen der WAV ohnehin unberührt lässt und zum anderen die durch die Neufassung verdrängten Werte nicht förmlich aufgehoben sind und deshalb für den Zeitraum seit Inkrafttreten der WAV ab 1.5.2012 bis zum 31.7.2013 weiterhin gelten. Solange Rechtsvorschriften solche Wirkungen zu äußern vermögen, können sie Gegenstand einer Normenkontrolle sein.

21

3. Die WAV ist zwar nach bundesrechtlichen wie nach landesrechtlichen Maßstäben formell rechtmäßig. Das LSG hat die formelle Rechtmäßigkeit nach landesrechtlichen Maßstäben geprüft und bejaht, ohne dass dies dem Senat Anlass zu Beanstandungen bietet.

22

Die WAV ist indes materiell rechtswidrig und vom LSG zu Recht für unwirksam erklärt worden. Denn die Anforderungen an die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II, die nach Bundesrecht wie bei der Konkretisierung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch die Verwaltung eine realitätsgerechte Erfassung der Bedarfe für Unterkunft und ggf Heizung erfordern(dazu unter 4.) und die für die Bestimmung der angemessenen Heizkosten nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II im Rahmen einer Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II ebenso gelten(dazu unter 5.), werden nicht erfüllt (dazu unter 6.). Die Verfehlung dieser höherrangigen bundesrechtlichen Anforderungen betrifft die WAV in ihrem Kern. Sie ist deshalb insgesamt unwirksam; eine nur teilweise Unwirksamkeit kommt nicht in Betracht (dazu unter 7.).

23

4. Die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II erfordert die realitätsgerechte Erfassung der Bedarfe für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II) in gleicher Weise, wie es der Verwaltung bei der Konkretisierung der abstrakt angemessenen Bedarfe nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegeben ist(vgl zu den Anforderungen an die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II näher Urteil des Senats vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R, aaO, RdNr 27 bis 33 mwN).

24

a) Mit den durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführten §§ 22a bis 22c SGB II hat der Gesetzgeber die Grundlage dafür geschaffen, die abstrakt angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung anstatt durch die ansonsten dazu berufene Verwaltung auch im Wege untergesetzlicher Normsetzung bestimmen zu können. Eine entsprechende landesrechtliche Ermächtigung vorausgesetzt, können demgemäß seither alle der abstrakten Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zuzurechnenden Bestimmungen durch untergesetzliche Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II getroffen werden. Inhaltlich getroffen werden müssen mindestens Bestimmungen darüber, (1.) welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt wird und (2.) in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterkunft als angemessen anerkannt werden (§ 22b Abs 1 Satz 1 SGB II). Abgebildet werden sollen hierdurch die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt (§ 22a Abs 3 Satz 1 SGB II) und zwar nach Möglichkeit unter Berücksichtigung insbesondere von Mietspiegeln, qualifizierten Mietspiegeln und Mietdatenbanken und/oder von geeigneten eigenen statistischen Datenerhebungen und -auswertungen der Normgeber oder Erhebungen Dritter (§ 22c Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB II).

25

b) Bezugspunkt der damit eröffneten untergesetzlichen Normsetzungsbefugnis ist die durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG inhaltlich unverändert gebliebene Regelung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 f; zu Einzelheiten vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 5, Stand: X/2012), wonach Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind.

26

c) Gegenstand auch der untergesetzlichen Normgebung nach § 22a Abs 1 SGB II ist damit die Konkretisierung des durch § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegebenen Begriffs der "Angemessenheit" der Bedarfe für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II). Dieser Begriff unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff uneingeschränkter richterlicher Kontrolle (stRspr, zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 19 f). Zu seiner Ausfüllung ist jedenfalls der abstrakt als angemessen anzuerkennende Mietpreis unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten konkret zu ermitteln (so genannte Referenzmiete; stRspr, zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R, aaO, RdNr 44). Erforderlich dazu sind im Einzelnen überprüfbare Erhebungen und Auswertungen, die eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergeben (so genanntes schlüssiges Konzept, grundlegend BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18 ff; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R, aaO, RdNr 44). Unzureichend zur Erfassung der sozialen Wirklichkeit sind hingegen Schätzungen pauschaler Werte "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage; das würde den Anforderungen zur Ermittlung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nicht gerecht (zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171). Das verbietet sich bei der Bestimmung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung gleichermaßen wie bei der Bestimmung der Regelbedarfe (vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21).

27

d) Diese Maßgaben gelten für die untergesetzliche Normsetzung nach §§ 22a bis 22c SGB II nicht anders. Schon der Gesetzeswortlaut bietet keinen Anhalt dafür, dass den Normgebern insoweit andere und von den Gerichten nur in reduziertem Maß gerichtlich zu kontrollierende Spielräume zustehen könnten als der Verwaltung. Im Gegenteil sind die Vorgaben zum Vergleichsmaßstab (§ 22a Abs 3 Satz 1 SGB II), zu den Norminhalten (§ 22b Abs 1 SGB II), zur Datengrundlage (§ 22c Abs 1 SGB II) und den Begründungsanforderungen (§ 22b Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II) im Einzelnen in so enger Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gefasst, dass unterschiedliche Konkretisierungsaufträge und/oder Entscheidungsspielräume im Verhältnis zwischen untergesetzlicher Normsetzung einerseits und verwaltungsmäßigem Vollzug andererseits durch den Gesetzeswortlaut nicht zu belegen sind(ebenso Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 146). Soweit demgegenüber nach den Gesetzesmaterialien die Zielvorgabe des § 22a Abs 3 Satz 1 SGB II nur als ein für die objektive Rechtmäßigkeit der Normsetzung unbeachtlicher Programmsatz anzusehen sein soll(vgl BT-Drucks 17/3404 S 100; dem folgend auch Piepenstock in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 22a RdNr 36), hat dies jedenfalls im Normtext selbst keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (gegen diese Qualifizierung auch Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22a RdNr 26; Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, §§ 22a-22c SGB II RdNr 9; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22a RdNr 11, 24). Das lässt sich auch nicht darauf stützen, dass der untergesetzlichen Normsetzung durch § 22a Abs 3 Satz 2 SGB II die Berücksichtigung von Folgewirkungen aufgegeben ist, die sich uU als Maßstab der Angemessenheitsbestimmung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht notwendig alle wiederfinden. Denn dies trägt jedenfalls nicht den Schluss, dass die nach § 22a Abs 3 Satz 1 SGB II für die Normsetzung maßgeblichen Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt durch wertende Entscheidung der Normgeber ersetzt werden könnten. Dagegen spricht auch, dass in § 22b Abs 1 Satz 4 SGB II den untergesetzlichen Normgebern die Unterteilung ihrer Gebiete ermöglicht wird, "um die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt realitätsgerecht abzubilden", und dadurch die Maßgeblichkeit dieser Verhältnisse für die Normsetzung erneut betont wird, ohne Abweichungen zuzulassen.

28

Die Normsetzungsermächtigung der untergesetzlichen Normgeber durch § 22a Abs 1 SGB II eröffnet solche Spielräume gleichfalls nicht(so aber wohl Groth in Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 1. Aufl 2011, RdNr 367: "Ausübung normativen Ermessens"; skeptisch zum Bestehen eines normativen Gestaltungsspielraums dagegen Axer, SGb 2013, 669, 671; ablehnend Wettlaufer, VSSR 2013, 221, 250). In der Wahrnehmung dieser Ermächtigung konkretisieren die Normgeber in gleicher Weise wie die Verwaltung die die Unterkunft als Teil des physischen Existenzminimums umfassende verfassungsrechtliche Garantie des menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz (, vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 223 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 131 mwN) und haben deshalb die dafür maßgebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Nach der Kompetenzordnung des GG sind demgemäß die Wertentscheidungen über die Leistungshöhe mit Blick auf den Entwicklungsstand des Gemeinwesens und die bestehenden Lebensbedingungen allein dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten (vgl BVerfG, aaO, S 222 ff bzw RdNr 133 ff). Soweit dazu von Verfassungs wegen die soziale Wirklichkeit zu erfassen ist, unterliegt schon er strikten Anforderungen (vgl BVerfG, aaO, S 224 ff bzw RdNr 138 ff). Um so weniger können von diesen Anforderungen die freigestellt werden, von denen die gesetzgeberischen Vorgaben administrativ umzusetzen sind. Das können auch die untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II nicht für sich beanspruchen. Sie sind zwar in besonderer Weise mit den Verhältnissen vor Ort vertraut und können deshalb bessere Kenntnis von den Gegebenheiten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt haben als dies aus der Bundesperspektive möglich wäre (vgl BT-Drucks 17/3404 S 100). Zu eigenen wertenden Entscheidungen sachlich-politischer Art über den zur Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu deckenden Bedarf für Unterkunft und Heizung reicht indes ihre demokratische Legitimation nicht. Wertsetzungen solcher Art sind ausschließlich dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst vorbehalten (vgl BVerfG, aaO, S 224 ff bzw RdNr 138 ff).

29

In keinem geringeren Maß als es der Verwaltung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegeben ist, haben demgemäß auch die untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II die soziale Wirklichkeit im Hinblick auf den Bedarf für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II) zeit- und realitätsgerecht zu erfassen und dazu auf Verfahren zurückzugreifen, die zu dessen Bemessung im Grundsatz tauglich sind (ebenso Berlit in Münder, aaO, § 22a RdNr 6 ff; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 146; Luik in Eicher, aaO, § 22a RdNr 9 ff, § 22b RdNr 2).

30

5. Diese aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums abzuleitenden Verfahrensanforderungen an die Konkretisierung abstrakt angemessener Bedarfe durch untergesetzliche Normsetzung gelten uneingeschränkt für die Bestimmung der angemessenen Heizkosten nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II und die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II.

31

a) Nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II kann durch den untergesetzlichen Normgeber - neben den Mindestbestimmungen des § 22b Abs 1 Satz 1 SGB II - auch die Höhe des als angemessen anerkannten Verbrauchswertes oder der als angemessen anerkannten Aufwendungen für die Heizung bestimmt werden. Bei einer solchen Bestimmung kann nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II sowohl eine Quadratmeterhöchstmiete als auch eine Gesamtangemessenheitsgrenze unter Berücksichtigung der in § 22b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II genannten Werte gebildet werden.

32

Ob sich ein angemessener Bedarf für Heizung in Normen nach § 22a Abs 1 SGB II und damit notwendigerweise abstrakt fassen lässt, ist in der Rechtsprechung des BSG und auch in der Literatur zumindest derzeit aus praktischen Gründen skeptisch bis ablehnend beurteilt worden(vgl zuletzt BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 21; Berlit in Münder, aaO, § 22b RdNr 14: "Problem der bedarfsgerechten Abgeltung des Heizungsbedarfs"; Luik in Eicher, aaO, § 22b RdNr 5: nur, "wenn hierfür valide Daten vorliegen"). Wegen ihrer Abhängigkeit vom individuellen Verbrauch, von der Wohnungsbeschaffenheit sowie den Witterungsverhältnissen hielt auch der Gesetzgeber die Heizkosten für dynamischer als die Unterkunftskosten und daher schwerer schematisch zu erfassen; deshalb sieht § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II die Festlegung von Angemessenheitswerten für die Heizung nur optional ("kann") vor(BT-Drucks 17/3404 S 101).

33

Werden aber Regelungen iS von § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II und hieran anknüpfend im Rahmen eines Bruttowarmmietenkonzepts nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II getroffen, müssen sie auf hinreichend realitätsgerechte und nachvollziehbare Erhebungen zum abstrakt angemessenen Bedarf für Heizung im maßgeblichen Vergleichsraum gestützt sein(vgl auch die "Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen", hrsg vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2013, S 25 f, 28, 38 f, 48 f: Bestimmung abstrakter Angemessenheitsgrenzen für die Heizkosten möglichst auf Basis lokaler Daten aus dem Geltungsbereich der Satzung).

34

b) Die auch für Heizkosten vorgesehene Prüfung ihrer Angemessenheit hat nach Wortlaut und Systematik des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, wie der Senat bereits im Einzelnen dargelegt hat(stRspr, zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 17), grundsätzlich getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen. Dieser Trennung entspricht die Regelung des § 22b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II, die für eine untergesetzliche Normsetzung Bestimmungen zur angemessenen Höhe der Aufwendungen für die Unterkunft als Mindestinhalt vorschreibt(Satz 1 Nr 2), nicht aber für die Höhe der angemessenen Aufwendungen für die Heizung (Satz 2).

35

Auch der Anspruch auf Leistungen für Heizung als Teil der Gesamtleistung besteht grundsätzlich in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie angemessen sind (stRspr, zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 19). Eine Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Heizung begegnet indes praktischen Schwierigkeiten: Ein abstrakt angemessener Heizkostenpreis pro Quadratmeter für eine "einfache" Wohnung (gestaffelt nach abstrakt angemessenen Wohnungsgrößen) im unteren Segment des konkreten Wohnungsmarktes, dh für alle entsprechenden Wohnungen im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum, müsste auf der Grundlage differenzierter Daten ausgehend von einem als angemessen anzusehenden Heizverhalten des Einzelnen noch klimatische Bedingungen, wechselnde Energiepreise, die "typischen" Energieträger, vor allem aber den im entsprechenden Mietsegment "typischen" Gebäudestandard und den technischen Stand einer als "typisch" anzusehenden Heizungsanlage erfassen. Der Rückgriff auf einen weniger ausdifferenzierten Wert als Quadratmeterhöchstgrenze würde eine unzulässige Pauschalierung von Heizkosten bedeuten (stRspr, zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 21).

36

Da gleichwohl auch hinsichtlich der Aufwendungen für Heizung unangemessen hohe Kosten vom Träger der Grundsicherung nicht gezahlt werden müssen, eine abstrakte Festlegung aus den genannten Gründen aber schwierig ist, hat im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II eine Prüfung der Heizkosten auf ihre Angemessenheit hin orientiert an den Verhältnissen des Einzelfalles zu erfolgen. Dabei ist regelmäßig dann von unangemessen hohen Heizkosten auszugehen, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden, die der Senat den von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten "Kommunalen Heizspiegeln" bzw dem "Bundesweiten Heizspiegel" entnimmt (stRspr, zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 22). An der Heranziehung eines solchen Grenzwertes ist aus Gründen der Praktikabilität festzuhalten, solange der jeweils örtlich zuständige Träger der Grundsicherung keine im dargestellten Sinne differenzierte Datenermittlung für den konkreten Vergleichsraum durchgeführt hat, die zuverlässige Schlüsse auf einen Wert für grundsicherungsrechtlich angemessene Heizkosten in seinem Zuständigkeitsbereich zulässt (BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 22).

37

Die aus den dargestellten praktischen Schwierigkeiten abgeleitete Notwendigkeit, den Grenzwert des Heizspiegels im Einzelfall heranzuziehen, erhellt, dass die Werte des bundesweiten (oder kommunalen) Heizspiegels etwas anderes als die Bestimmung abstrakt angemessener Heizkosten sind. Der Grenzwert markiert nicht angemessene Heizkosten, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass im Einzelfall von unangemessenen Heizkosten auszugehen ist; das Überschreiten des Grenzwertes kann lediglich als Indiz für die fehlende Angemessenheit angesehen werden. Eine Absenkung der zu zahlenden Heizkosten kann auch bei Überschreiten des Grenzwertes nur aufgrund einer Angemessenheitsprüfung im Einzelfall erfolgen und die in Folge dieser Einzelfallprüfung zu zahlenden Heizkosten ergeben sich ohnehin nicht aus dem Heizspiegel. Die Werte des Heizspiegels geben nicht das tatsächliche Preisniveau auf dem Wohnungsmarkt wieder und sind deshalb nicht im Sinne eines abstrakt angemessenen Quadratmeterhöchstwerts für Heizkosten zu verstehen (BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 23, 25, 32).

38

Der Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II hat demnach, bezieht er auch die Aufwendungen für die Heizung nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II in seine Regelungen ein, eine Datenermittlung zur Bestimmung eines differenzierten abstrakt angemessenen Wertes der Heizkosten im in Bezug zu nehmenden Wohnsegment durchzuführen(vgl bereits BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 33).

39

c) Diese Anforderungen an die Bestimmung abstrakt angemessener Aufwendungen für die Heizung nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II schlagen auf die Anforderungen an die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze iS des § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II durch. Für die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze bedarf es nicht nur der realitätsgerechten Bestimmung, in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterkunft als abstrakt angemessen anerkannt werden, sondern auch der realitätsgerechten Bestimmung der als abstrakt angemessen anerkannten Aufwendungen für die Heizung (ebenso Berlit in Münder, aaO, § 22b RdNr 25 f). Nur beides zusammen kann eine rechtmäßige normative Bestimmung der Gesamtangemessenheitsgrenze im Rahmen eines Bruttowarmmietenkonzepts leisten, innerhalb dessen abweichend von der zu § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II ergangenen Rechtsprechung die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht getrennt, sondern ohne Rücksicht auf ihre jeweilige Angemessenheit bis zur einheitlich bestimmten Obergrenze als angemessen anzuerkennen sind(vgl BT-Drucks 17/3404 S 101).

40

Dass die beschriebenen praktischen Schwierigkeiten einer auf einer hinreichend differenzierten, methodisch akzeptablen Datengrundlage beruhenden Bestimmung abstrakt angemessener Aufwendungen für die Heizung auch auf die Möglichkeit der Bildung einer abstrakten Gesamtangemessenheitsgrenze durchschlagen, hat der Senat zuletzt in seinem Urteil vom 12.6.2013 deutlich gemacht (B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 21). Schon zuvor hat der Senat in seinem Urteil vom 2.7.2009 (B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 19), auf das sich der Antragsgegner bezieht, für die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze das Erfordernis der Festlegung eines verlässlich ermittelten abstrakt angemessenen Heizkostenpreises pro Quadratmeter für eine "einfache" Wohnung im unteren Segment des Wohnungsmarktes formuliert. Hieran ist festzuhalten.

41

Der Gesetzgeber hat in Kenntnis dieser Rechtsprechung durch § 22b Abs 1 Satz 2 und 3 SGB II zum Ausdruck gebracht, die Bestimmung abstrakt angemessener Aufwendungen für die Heizung und die Bildung einer abstrakten Gesamtangemessenheitsgrenze durch untergesetzliche Normen für möglich zu halten. Die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze für Unterkunfts- und Heizkosten ist nach dem Gesetz zulässig und für ihre Umsetzung durch untergesetzliche Normgeber sind durch die Rechtsprechung keine unerfüllbaren Anforderungen zu formulieren. Doch da der Gesetzgeber des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG zugleich an § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II festgehalten hat(vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 f), bewirkt die Ermächtigung, § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch untergesetzliche Normen zu konkretisieren, keine Lockerung der Verfahrensanforderungen, die aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit in § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II folgen. Aus diesen Anforderungen ergibt sich, dass dem Grenzwert aus einem bundesweiten (oder kommunalen) Heizkostenspiegel nicht die Funktion eines Quadratmeterhöchstwerts für angemessene Aufwendungen für Heizung im Sinne des SGB II zukommt (BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, Leitsatz 1). Er scheidet daher auch als in die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze einfließender Wert aus (vgl zu diesem Grundproblem der Ermittlung einer Gesamtangemessenheitsgrenze bereits die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. zur Ausführung einer Satzungsermächtigung bei den Kosten der Unterkunft und Heizung im SGB II und XII, NDV 2011, 349, 351).

42

6. Diesen Maßstäben wird die WAV mit ihren Regelungen zur angemessenen Höhe der Aufwendungen für die Heizung und zur Gesamtangemessenheitsgrenze nicht gerecht.

43

a) Mit der WAV ist nach ihrer Überschrift und ihrem § 1 Satz 1 von der untergesetzlichen Normsetzungsermächtigung in der Weise Gebrauch gemacht worden, dass in ihr nicht nur die nach § 22b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II erforderlichen Bestimmungen zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft getroffen sind, sondern auch die durch § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II ermöglichten Bestimmungen zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Heizung Aufnahme in die Verordnung gefunden haben. Zur Regelung auch der angemessenen Aufwendungen für Heizung war der Antragsgegner bundesrechtlich nicht verpflichtet. Da er sich aber für die Aufnahme auch von Bestimmungen zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Heizung entschieden hat, müssen diese den beschriebenen Anforderungen entsprechen, die an die Bestimmung abstrakt angemessener Bedarfe für Unterkunft und Heizung auf belastbarer Datengrundlage zu stellen sind.

44

Diesen Anforderungen werden die Bestimmungen der WAV zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Heizung nicht gerecht, weil sie nicht auf einer hinreichend differenzierten Datengrundlage beruhen. Nach § 3 Abs 3 Satz 1 WAV erfolgt die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für die Heizung gemäß § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II auf der Grundlage des von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten bundesweiten Heizspiegels in der jeweils geltenden Fassung. Ausweislich der Begründung zur WAV gemäß § 22b Abs 2 SGB II(GVBl 2012, 103 ff) werden als Grundlage für die Beurteilung der Angemessenheit von Heizkosten die Werte aus der Spalte "zu hoch" des bundesweiten Heizspiegels von 2011 zugrunde gelegt.

45

Der Rückgriff auf diesen bundesweiten Grenzwert ist indes etwas anderes als die Ermittlung eines abstrakt angemessenen Bedarfs auf der Grundlage erhobener oder ausgewerteter lokaler Daten. In der Begründung zur WAV ist zwar zutreffend ausgeführt, dass der Grenzwert unangemessenes Heizen indiziert. Unzutreffend ist aber der dort formulierte und statt für eine Einzelfallprüfung für eine normative Bestimmung gezogene Schluss, die Angemessenheit der Heizkosten sei solange zu bejahen, wie diese unter dem Grenzwert lägen. Dies entspricht entgegen den Ausführungen in der Begründung zur WAV - wie unter 5. dargestellt - nicht höchstrichterlicher Rechtsprechung. Denn während die Rechtsprechung des BSG zur Heranziehung des sich aus dem Heizspiegel ergebenden Grenzwerts die konkret-individuelle Angemessenheitsprüfung der Heizkosten zum Gegenstand hat, ist Gegenstand der WAV die abstrakt-generelle Bestimmung angemessener Heizkosten für das Land Berlin. Die Werte aus der Spalte "zu hoch" des bundesweiten Heizspiegels repräsentieren aber nicht die Höhe der abstrakt angemessenen Aufwendungen für Heizung im Land Berlin. Sie sind als Datengrundlage für die normative Bestimmung der Höhe der als angemessen anerkannten Aufwendungen für die Heizung auf der Ermächtigungsgrundlage des § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II von vornherein ungeeignet. Ob anderes bei einer Berücksichtigung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung abweichend von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch eine monatliche Pauschale gelten könnte, bedarf hier keiner Entscheidung; der Antragsgegner hat von der Ermächtigung zur Pauschalierung in § 22a Abs 2 SGB II keinen Gebrauch gemacht.

46

Damit stellt die WAV für die Bestimmung angemessener Aufwendungen für Heizung auf einen bundesweiten Wert ab, der unangemessen hohe Heizkosten im Einzelfall indiziert und deshalb rechtswidrig zu hoch ist, um als Grundlage für die abstrakte Angemessenheitsbestimmung im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum dienen zu können, für die allein das Bundesrecht die Länder und Kommunen in § 22a Abs 1 iVm § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II zur untergesetzlichen Normsetzung ermächtigt. Durch die so genannte Satzungslösung in § 22a Abs 1 SGB II ist zu einer Normsetzung für die Bestimmung regional angemessener Unterkunfts- und ggf auch Heizkosten ermächtigt worden(vgl BT-Drucks 17/3404 S 99). Werden auch Aufwendungen für die Heizung in diese untergesetzliche Normsetzung einbezogen, wozu das Bundesrecht nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II nicht verpflichtet, müssen sie deshalb auf der Grundlage von Daten des örtlichen Vergleichsraums als angemessen bestimmt werden.

47

b) Mit der WAV wird nach § 2 Abs 1 Satz 1 und § 4 ein Bruttowarmmietenkonzept verfolgt. Auf dessen Grundlage wird gemäß § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II eine Gesamtangemessenheitsgrenze gebildet. In deren Bildung fließen die nach § 3 Abs 3 WAV auf der Grundlage des bundesweiten Heizspiegels bestimmten Aufwendungen für Heizung ein.

48

Die durch den Antragsgegner rechtswidrig bestimmte Höhe der Aufwendungen für Heizung führt zur Rechtswidrigkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV. Denn nur die Zusammenfassung je für sich - unter Beachtung der Verfahrensanforderungen an eine realitätsgerechte Bedarfsbemessung - rechtmäßig bestimmter Höhen der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und für Heizung ergibt eine ermächtigungskonforme untergesetzliche abstrakte Gesamtangemessenheitsgrenze. Entspricht auch nur einer der beiden Werte für die Aufwendungen - Bruttokaltmiete und Heizkosten - nicht den rechtlichen Anforderungen, bewirkt dies die Rechtswidrigkeit der ermittelten Richtwerte für angemessene Bruttowarmmieten insgesamt, die die Gesamtangemessenheitsgrenze nach der WAV bilden.

49

Nach der Begründung zur WAV (GVBl 2012, 103 ff) werden für den jeweils in den Richtwert als Bruttowarmmiete einfließenden Grenzwert für Heizkosten die Werte aus der Spalte "zu hoch" des bundesweiten Heizspiegels zugrunde gelegt. Die Richtwerte zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheit von Bruttowarmmieten werden nach der Begründung sodann auf dieser Grundlage aus dem Produkt von abstrakt angemessener Wohnungsgröße und dem jeweiligen angemessenen qm-Preis für eine Bruttowarmmiete ermittelt. Soweit in der Begründung ausgeführt ist (unter Ziffer 2 am Ende), dass die Angemessenheitsprüfung sich allein auf das Ergebnis des Produkts (Richtwert), nicht jedoch auf die einzelnen Faktoren des Produkts beziehe (so genannte Produkttheorie), stimmt dies insoweit mit der Rechtsprechung des BSG überein - nach der für die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft abzustellen ist auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche einerseits und Ausstattung bzw Standard andererseits, die sich in der Wohnungsmiete niederschlagen, weshalb nicht alle berücksichtigungsfähigen Faktoren jeweils im Bereich der Angemessenheit liegen müssen (stRspr, zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R, aaO, RdNr 31) -, als es nicht jeweils auf die angemessene Wohnfläche und auf angemessene Kosten je Quadratmeter ankommt, sondern die Angemessenheit des Produkts aus Wohnungsgröße und Preis genügt. Damit sollen interne Ausgleiche im Einzelfall ermöglicht werden: Eine Wohnung kann größer sein, wenn ihr qm-Preis günstiger ist; ihr qm-Preis kann teurer sein, wenn sie kleiner ist.

50

Diese Ausrichtung der Produkttheorie ändert aber nichts daran, dass das, was an Bemessungsfaktoren in den jeweiligen angemessenen qm-Preis für die Unterkunft und für die Heizung Eingang gefunden hat, abstrakt angemessen sein muss. Interne Ausgleiche derart, dass die tatsächliche Bruttokaltmiete höher sein kann, wenn die tatsächlichen Heizkosten geringer sind und umgekehrt, sind auch im Konzept einer angemessenen Bruttowarmmiete angelegt. Diese Wirkungen bei der Anwendung einer Gesamtangemessenheitsgrenze im Rahmen der Angemessenheitsprüfung im Einzelfall rechtfertigen es indes nicht, bereits bei der Bildung dieser abstrakten Grenze Faktoren zu berücksichtigen, die ihrerseits nicht den Verfahrensanforderungen an die realitätsgerechte Bemessung abstrakt angemessener Bedarfe genügen. Nur bis zu einer abstrakten Gesamtangemessenheitsgrenze, die gebildet ist aus dem Produkt von abstrakt angemessener Wohnungsgröße und abstrakt angemessenen qm-Preis, der seinerseits aus der Summe von abstrakt angemessener Bruttokaltmiete und abstrakt angemessenen Heizkosten zusammen gesetzt ist, sind bei der Prüfung der Angemessenheit geltend gemachter Bedarfe für Unterkunft und Heizung interne Ausgleiche im Einzelfall möglich. Diese für Leistungen nach dem SGB II beanspruchende Personen begünstigenden Wirkungen der Produkttheorie bewirken mithin nicht ihrerseits eine Absenkung der Verfahrensanforderungen bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, auch nicht für den untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II.

51

7. Die WAV vom 3.4.2012 ist insgesamt rechtswidrig und ist zutreffend vom LSG nach § 55a Abs 5 Satz 2 Halbs 1 SGG insgesamt für unwirksam erklärt worden. Sie enthält keine abtrennbaren Regelungen, die für sich isoliert betrachtet eigenständig und rechtmäßig sind und deshalb unter Berücksichtigung der Ziele des Normgebers als Teilregelungen bestehen bleiben könnten (vgl zur Abteilbarkeit von Normen eines Normgefüges bei der objektiven Prüfung im Normenkontrollverfahren nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung, an das sich das Verfahren nach § 55a SGG anlehnt, Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom 18.7.1989 - 4 N 3/87 - BVerwGE 82, 225 = juris RdNr 22, 26 bis 28; BVerwG Beschluss vom 4.6.1991 - 4 NB 35/89 - BVerwGE 88, 268 = juris RdNr 15 bis 16, 24 bis 31; BVerwG Urteil vom 19.9.2002 - 4 CN 1/02 - BVerwGE 117, 58 = juris RdNr 12 bis 13; BVerwG Urteil vom 17.2.2005 - 7 CN 6/04, juris RdNr 15; BVerwG Urteil vom 9.4.2008 - 4 CN 1/07 - BVerwGE 131, 100 = juris RdNr 13). Hierfür streitet auch der der Rechtsprechung des BVerwG zu entnehmende Grundsatz, dass die Teilunwirksamkeit zur Gesamtunwirksamkeit eine von besonderen Umständen abhängende Ausnahme darstellt (vgl BVerwG Beschluss vom 24.4.2013 - 4 BN 22/13 - juris RdNr 3 mwN). Eine solche Ausnahme kommt hier nicht in Betracht, weil mit der Rechtswidrigkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV auf der Grundlage des durch den Antragsgegner verfolgten Bruttowarmmietenkonzepts die WAV in ihrem Kern betroffen ist. Diese steht und fällt mit der Gesamtangemessenheitsgrenze, auf die die weiteren Verordnungsregelungen bezogen sind.

52

a) Insbesondere ist die Bestimmung der angemessenen Höhe der Bruttokaltmiete nach § 3 Abs 2 WAV durch die rechtswidrige Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für die Heizung nach § 3 Abs 3 WAV sowie der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV "infiziert". Zutreffend hat das LSG insoweit - auch unter Hinweis auf die aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen ersichtliche Entstehungsgeschichte der WAV - ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der Verordnungsgeber zumindest die Referenzmiete bruttokalt nach § 3 Abs 2 WAV so wie geschehen festgelegt haben würde, wenn die Unwirksamkeit der ausgehend hiervon im Weiteren in der WAV bestimmten Gesamtangemessenheitsgrenzen bekannt gewesen sein würde. Denn aus der Entstehungsgeschichte der WAV ergibt sich, dass das Bruttowarmmietenkonzept vom Antragsgegner verfolgt worden ist, um Kostensenkungsverfahren, die durch die festgelegten Bruttokaltmieten erforderlich werden könnten, weitgehend zu vermeiden. Die Bruttokaltmiete ist ersichtlich in Kenntnis des Aufstockungspotentials eines hohen Werts für Heizkosten im Rahmen einer Gesamtangemessenheitsgrenze festgelegt worden und danach so eng mit dieser Grenze verflochten, dass ihre Abtrennbarkeit unter Berücksichtigung der Ziele des Normgebers ausscheidet.

53

Es ist die Folge des vom Antragsgegner zugrunde gelegten Bruttowarmmietenkonzepts, dass die Gesamtangemessenheitsgrenze insgesamt rechtswidrig und unwirksam ist, wenn nur einer der zu ihrer Bildung herangezogenen Werte rechtswidrig ist. Mit der Unwirksamkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV geht einher, dass auch die anderen zu ihrer Bildung nach § 3 WAV herangezogenen Werte, einschließlich der als angemessen anerkannten Wohnfläche nach § 3 Abs 1 WAV, diese Unwirksamkeit teilen, selbst wenn sie für sich isoliert betrachtet rechtmäßig ermittelt sein sollten, weil sie mangels Abtrennbarkeit als Teilregelungen bei Unwirksamkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze keinen Bestand haben können. Mit der Unwirksamkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV ist die Regelung zu ihren Datengrundlagen in § 3 WAV insgesamt unwirksam.

54

Damit aber weist die WAV keinen wirksamen Mindestinhalt nach § 22b Abs 1 Satz 1 SGB II mehr auf, den eine auf die §§ 22a bis 22c SGB II gestützte untergesetzliche Norm nach Bundesrecht aufzuweisen hat. Die Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit von §§ 3 und 4 WAV führen schon deshalb zur Unwirksamkeit der übrigen Regelungen der WAV, die aber auch ohnehin alle auf die den Kern der WAV bildenden Regelungen in §§ 3 und 4 WAV bezogen und neben diesen nicht eigenständig lebensfähig sind.

55

Dies gilt auch für die Sonderregelung des § 6 WAV zu die Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV überschreitenden besonderen Bedarfe für Unterkunft und Heizung, die an das Überschreiten des rechtswidrig bestimmten Richtwerts nach § 4 WAV anknüpft. Mangels Abtrennbarkeit dieser Regelung kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich darauf an, ob - was das LSG geprüft und bejaht hat - § 6 WAV auch deshalb unwirksam ist, weil er seinerseits keine allein ermächtigungskonforme Bestimmung abstrakt angemessener besonderer Bedarfe enthält. Doch weicht die Prüfung des LSG nicht von den bundesrechtlichen Anforderungen an Sonderregelungen für besondere Bedarfe nach § 22b Abs 3 SGB II ab, die der Senat in seinem Urteil vom 17.10.2013 formuliert hat (B 14 AS 70/12 R, aaO, RdNr 34 bis 38).

56

b) Der Gesamtunwirksamkeit der WAV steht nicht entgegen, dass diese mit ihrer Anknüpfung an zu hohe Werte für Heizkosten im Rahmen einer Gesamtangemessenheitsgrenze für Leistungen nach dem SGB II beanspruchende Personen potentiell begünstigend wirkt. Auch ist nicht dem Argument des Antragsgegners in seiner Revision zu folgen, die Bestimmung angemessener Heizkosten als Bestandteil der Gesamtangemessenheitsgrenze auf der Grundlage des bundesweiten Heizspiegels führe zur Bedarfsdeckung in allen Einzelfällen und die Einbeziehung offensichtlich hoher Werte zu einer grundsicherungsrechtlich sicheren Lösung. Denn angemessen sind weder zu niedrig noch zu hoch bemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Vielmehr werden diese nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II allenfalls in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Der Korridor angemessener Aufwendungen wird nach oben durch die tatsächlichen Aufwendungen und nach unten durch eine mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum unvereinbare Bedarfsanerkennung begrenzt. In diesem Korridor gibt es einerseits keine feststehende Obergrenze der Angemessenheit, andererseits nicht die Möglichkeit, höhere als nach den maßgeblichen Verhältnissen des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt angemessene Aufwendungen anzuerkennen, denn diese Verhältnisse sind realitätsgerecht abzubilden. Von dieser Vorgabe der Angemessenheit befreit auch nicht die Ermächtigung zu untergesetzlicher Normsetzung in § 22a Abs 1 SGB II(vgl § 22a Abs 3 Satz 1, § 22b Abs 1 Satz 4 SGB II).

57

In einem - wie hier - zulässig angestrengten Normenkontrollverfahren nach § 55a SGG als neben dem Individualrechtsschutz der objektiven Rechtskontrolle dienenden Verfahren kommt es entscheidend ohnehin nicht auf die Wirkungen der zur Überprüfung gestellten Normen, auf ihre Vorteile oder Nachteile im Einzelfall, sondern auf ihre Übereinstimmung mit dem höherrangigen Recht an, denn es ist nach § 55a Abs 1 SGG über ihre Gültigkeit und nicht über eine individuelle Rechtsverletzung zu entscheiden. Es kann deshalb die untergesetzliche normative Bestimmung angemessener Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht dadurch in dem objektiven Rechtsbeanstandungsverfahren nach § 55a SGG vor rechtlicher Kritik geschützt werden, dass sie weitergehende als die durch das höherrangige Gesetzesrecht in § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegebenen angemessenen Bedarfe berücksichtigt(vgl zum Normenkontrollverfahren als objektivem Rechtsbeanstandungsverfahren Axer, SGb 2013, 669, 672; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 55a RdNr 2, 19, 22; Luik, ZFSH/SGB 2013, 683, insbes 687 f; Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 55a RdNr 2, 18).

58

c) Auch unangemessen zu hoch bemessene Bedarfe können zudem auf längere Sicht nachteilige Wirkungen haben, weil sie geeignet sind, die Marktverhältnisse zu verzerren und auf dem örtlichen Wohnungsmarkt preissteigernd zu wirken (zu den Wirkungszusammenhängen zwischen Kosten der Unterkunft und lokalen Wohnungsmärkten vgl Forschungen Heft 142: "Kosten der Unterkunft und die Wohnungsmärkte. Auswirkungen der Regelungen zur Übernahme der Kosten der Unterkunft auf Transferleistungsempfänger und Kommunen", hrsg vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, 2009).

59

Schließlich können unangemessen zu hoch bemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung, für die der Antragsgegner die Finanzierungslast nicht allein trägt, auch bewirken, dass die zweckgebundene Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 46 Abs 5 SGB II zu hoch ausfällt(vgl zur Möglichkeit von Schadenersatzansprüchen des Bundes BSG Urteil vom 15.12.2009 - B 1 AS 1/08 KL - BSGE 105, 100 = SozR 4-1100 Art 104a Nr 1).

60

8. Da die WAV vom 3.4.2012 insgesamt unwirksam ist, besteht für den Senat kein Anlass, sich auf "Fehlersuche" zu begeben (vgl dazu BVerwG Urteil vom 17.4.2002 - 9 CN 1/01 - BVerwGE 116, 188 = juris RdNr 42 bis 44), ob die WAV oder einzelne ihrer Regelungen auch aus anderen rechtlichen Gründen rechtswidrig sein könnten, und auch keine Veranlassung zur Prüfung, ob nicht abtrennbare Teilregelungen der WAV mit höherrangigem Recht bei isolierter Betrachtung vereinbar sein könnten (noch enger Axer, SGb 2013, 669, 672: "keine Kompetenz zu allgemeinen rechtsgutachtlichen Ausführungen"; weniger streng BVerwG Beschluss vom 11.12.2002 - 4 BN 16/02 - BVerwGE 117, 239 = juris RdNr 8: Weiterprüfung als "nobile officium"). Insbesondere besteht kein Anlass zur revisionsgerichtlichen Prüfung, ob die Bestimmung der angemessenen Höhe der Aufwendungen für die Unterkunft nach § 3 Abs 2 WAV rechtlicher Kontrolle standhält. Vielmehr ist es dem Antragsgegner überlassen, ob und in welcher Weise durch eine erneute Ausübung der Normsetzungsermächtigung in §§ 22a bis 22c SGB II iVm § 8 AG-SGB II der Weg zur Bestimmung der Höhe angemessener Aufwendungen für Unterkunft und ggf Heizung im Land Berlin durch Erlass einer neuen Verordnung beschritten wird.

61

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Juni 2013 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr Rechtsanwalt K beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des Landessozialgerichts ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Sozialgerichtsgesetz). Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Beschwerde keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Abweichung oder Verfahrensmangel) gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG schlüssig dargelegt oder bezeichnet.

2

Die Klägerin stützt ihre Beschwerde auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 60). Des Weiteren ist die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit darzutun (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 63 ff).

3

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin hat die Frage formuliert "Verstößt die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 22 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sog. 'schlüssigen Konzept' gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09) näher bestimmt worden ist?"

4

Die Klägerin hat jedoch die Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage in ihrem Rechtsstreit und die Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfrage für ihren Rechtsstreit nicht dargelegt. Nach ihren Angaben in der Beschwerdebegründung hatte die Klägerin, bevor sie zum 01.10.2006 in ihre jetzige Wohnung im Bezirk des beklagten Jobcenters Freiburg Stadt zog, im Landkreis Emmendigen gewohnt und eine niedrigere Miete als in Freiburg zu zahlen; zudem hatte sie keine Zusicherung nach dem damaligen § 22 Abs 2 SGB II in der Fassung des Art 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954 (SGB II aF) vor dem Umzug eingeholt. Nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706), der zum 1.8.2006 in Kraft getreten ist, wird jedoch nur der bisherige Bedarf anerkannt, wenn sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen. Dass der Umzug der Klägerin nach Freiburg erforderlich war und die vom Beklagten zu übernehmenden Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung nicht von vornherein nach der zuletzt genannten Vorschrift begrenzt waren, wird in der Beschwerdebegründung nicht ausgeführt. Wenn die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung aber auf die für die frühere Wohnung begrenzt waren, stellt sich die von der Klägerin aufgeworfene Frage nach der Angemessenheit der Aufwendungen für ihre neue Wohnung in Freiburg nicht mehr.

5

Da schon keine ausreichenden Darlegungen zur ersten Frage gemacht wurden, ist ein Eingehen auf die zweite von der Klägerin formulierte Frage nicht notwendig, weil diese nur für den Fall formuliert wurde, dass die erste Frage mit ja beantwortet werde.

6

Prozesskostenhilfe (PKH) gemäß § 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) ist der Klägerin nicht zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes (§ 73a SGG iVm § 121 ZPO) ist abzulehnen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf PKH hat.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Beklagten wird als unzulässig verworfen.

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2012 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13. Oktober 2011 sowie der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2010 geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 31. August 2010 monatlich weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 59,07 Euro zu zahlen.

Wegen der Ansprüche auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. September 2010 bis zum 30. November 2010 wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von Juni 2010 bis November 2010 streitig.

2

Die 1970 geborene, erwerbsfähige und alleinstehende Klägerin bezog im streitigen Zeitraum Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Sie bewohnte seit 2004 in H eine Mietwohnung mit einer Wohnfläche von 48 qm in einem 1900 errichteten Haus mit einer Gesamtwohnfläche von etwa 300 qm, die mit einem Gasetagenheizofen beheizt wurde. Die Zubereitung des Warmwassers erfolgte nicht über diese Heizung. Sie zahlte an die Vermieterin eine Bruttokaltmiete in Höhe von 203,64 Euro monatlich und an das Energieversorgungsunternehmen eine Vorauszahlung für die Belieferung mit Gas in Höhe von 127 Euro monatlich (insgesamt 330,64 Euro monatlich), die das beklagte Jobcenter als Leistungen für Unterkunft und Heizung zunächst vollständig bewilligte.

3

Mit Schreiben vom 29.1.2009 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die Prüfung der Heizkosten habe ergeben, dass diese mit einem Jahresverbrauch in Höhe von 399,7 kWh pro qm unangemessen hoch seien, und wies sie darauf hin, dass - sollte sie sich nicht bemühen, die Heizkosten zu senken - ab dem 1.6.2009 nur noch die als angemessenen angesehenen Kosten für einen jährlichen Verbrauch von 148 kWh pro qm übernommen werden würden. Tatsächlich senkte er die Leistungen nach Juni 2009 zunächst nicht ab.

4

Im Anschluss an die Vorlage der Jahresabrechnung 2009, aus der sich ein nur wenig niedrigerer Verbrauch (etwa 395 kWh pro qm und Jahr) ergab, teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 17.2.2010 mit, die Kosten seien nach wie vor unangemessen hoch, worauf sie - die Klägerin - bereits mit Schreiben vom 29.1.2009 hingewiesen worden sei. Zur Prüfung, ob die Heizkosten - wie von ihr vorgetragen - baubedingt so hoch seien, werde der Bedarfsermittlungsdienst die Wohnung in Augenschein nehmen. Bei dieser Besichtigung im März 2010 stellte der Bedarfsermittlungsdienst des Beklagten fest, es handele sich um eine unterkellerte Wohnung im Erdgeschoss, die Außenwände seien nicht gedämmt und die Fenster nur teilweise isolierverglast.

5

Für die Zeit vom 1.6.2010 bis zum 30.11.2010 bewilligte der Beklagte neben der Regelleistung Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 252,18 Euro monatlich, nämlich neben der Bruttokaltmiete in Höhe von 203,64 Euro lediglich noch 48,54 Euro für Heizkosten (Bescheid vom 21.4.2010; Widerspruchsbescheid vom 10.5.2010).

6

Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben, wonach in der innegehabten Wohnung nach dem "Bundesweiten Heizspiegel" ein jährlicher Wärmeverbrauch von 10 032 kWh und nach der Richtlinie 2067 des Vereins Deutscher Ingenieure ein jährlicher Wärmeverbrauch von 12 921 kWh zu erwarten sei. Das SG hat daraufhin den Beklagten verurteilt, "der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 21.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2010 Leistungen für Heizkosten in der Zeit vom 1.6.2010 bis zum 30.11.2010 in Höhe von monatlich 67,93 Euro unter Beachtung der bereits hierfür bewilligten Leistungen zu gewähren" (Urteil vom 13.10.2011). Es sei von einem angemessenen jährlichen Verbrauch von 10 032 kWh im Jahr (= 209 kWh im Jahr je qm) auszugehen, sodass sich unter Orientierung an den Preisen des bisherigen Energieversorgungsunternehmens der tenorierte Betrag (<209 kWh/12 Monate x 6,62 Cent/kWh> / 100 x 48 qm zuzüglich 12,59 Euro Grundkosten pro Monat) ergebe.

7

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, "dass der Beklagte verurteilt wird, (…) Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.6.2010 bis 30.11.2010 in Höhe von monatlich 271,57 Euro zu bewilligen" (Urteil vom 14.5.2012). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Soweit das SG lediglich über die Höhe der Heizkosten entschieden habe, sei dies unzulässig und der Tenor entsprechend zu ändern gewesen. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu als das SG zugesprochen habe. Ihr Anspruch belaufe sich auf monatlich 203,64 Euro Kosten der Unterkunft und 67,50 Euro Heizkosten. Aufgrund des Verbots der reformatio in peius verbleibe es aber - ausgehend von dem vom SG errechneten Heizkostenbetrag in Höhe von monatlich 67,93 Euro - bei zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung von insgesamt 271,57 Euro. Wegen der Bestimmung der angemessenen Heizkosten sei mangels kommunalem Heizspiegel der "Bundesweite Heizspiegel" heranzuziehen und zwar aus Gründen der Rechtssicherheit der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlichte Heizspiegel 2010. Etwaige Nachforderungen bei zu niedrig bemessenen Werten des bisherigen Heizspiegels könne der Leistungsberechtigte bei dem Leistungsträger gesondert geltend machen. Weil die Wohnung der Klägerin mit einer Etagenheizung beheizt werde, sei es gerechtfertigt, den Wert für eine Gebäudefläche von 100 bis 250 qm zugrunde zu legen. Daher ergäben sich monatlich angemessene Heizkosten in Höhe von 67,50 Euro (= 50 qm vervielfältigt mit 16,20 Euro/qm geteilt durch 12 Monate). Die von der Klägerin begehrte Übernahme der tatsächlichen - unangemessen hohen - Heizkostenvorauszahlungen scheide demgegenüber aus. Eine Übernahme komme insbesondere nicht aufgrund des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II in Betracht, weil der Beklagte die Klägerin wirksam zur Senkung der Heizkosten aufgefordert habe.

8

Hiergegen haben die Klägerin und der Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

9

Die Klägerin rügt die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II und macht geltend, unter Zugrundelegung des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens sei ein Wärmeverbrauch von 13 000 kWh je Jahr angemessen und der Berechnung zugrunde zu legen. Im Übrigen habe das LSG zu Unrecht den Heizspiegel 2010 herangezogen. Es hätte vielmehr den Heizspiegel 2011, der die Werte des Abrechnungsjahres 2010 enthalte, zugrunde legen müssen, der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bereits bekannt gewesen sei.

10

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2012 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13. Oktober 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung von monatlich 59,07 Euro für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2010 zu zahlen sowie die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

11

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2012 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13. Oktober 2011 abzuändern, soweit er verurteilt wurde, der Klägerin Leistungen für Unterkunft und Heizung monatlich von 271,57 Euro für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2010 zu bewilligen, und die Klage auch insofern abzuweisen
sowie die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

12

Er rügt ebenfalls die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II und macht geltend, das LSG habe bei der Berechnung zu Unrecht eine Wohnfläche von 50 qm und nicht die tatsächliche Wohnfläche zugrunde gelegt. Richtigerweise ergäben sich Kosten der Unterkunft und Heizung lediglich in Höhe von 268,44 Euro (203,64 Euro Bruttokaltmiete und 64,80 Euro Heizkosten). Er - der Beklagte - sei durch das Urteil des LSG auch beschwert, weil die Leistungsverpflichtung durch das zweitinstanzliche Urteil zu seinen Lasten erweitert worden sei.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Beklagten ist unzulässig und daher zu verwerfen (§ 169 Sozialgerichtsgesetz). Für die Zeit ab dem 1.9.2010 ist die zulässige Revision der Klägerin im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Es fehlen ausreichende Feststellungen um beurteilen zu können, ob der Klägerin angesichts der offensichtlich überhöhten Energiekosten die Kostensenkung insbesondere durch einen Umzug in eine insgesamt kostengünstigere Wohnung möglich und zuzumuten war. Für den vorangehenden Zeitraum vom 1.6.2010 bis 31.8.2010 besteht ein Anspruch auf weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 59,07 Euro monatlich schon deshalb, weil der Beklagte nach Aufforderung zur Kostensenkung mit Schreiben vom 17.2.2010 jedenfalls vor dem 1.9.2010 zur entsprechenden Absenkung der Leistungen nicht berechtigt war. Insoweit kann der Senat in der Sache entscheiden (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG).

14

1. Die Revision des Beklagten ist unzulässig. Die aufgrund der Zulassung durch das LSG statthafte Revision kann wie jedes Rechtsmittel zulässig nur in dem Umfang eingelegt werden, in dem der jeweilige Rechtsmittelführer durch die angegriffene Entscheidung beschwert ist. Maßgebend für die Beschwer ist der Inhalt der Entscheidung, soweit er der Rechtskraft fähig ist, also der Tenor, zu dessen Auslegung die Entscheidungsgründe heranzuziehen sind (vgl BSGE 43, 1, 3 = SozR 1500 § 131 Nr 4).

15

An einer solchen Beschwer durch das Urteil des LSG fehlt es hier für den Beklagten. Das LSG hat den Tenor des SG zwar geändert und den Beklagten zu einer einheitlichen Leistung für Kosten der Unterkunft und Heizung verurteilt, weil es sich nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts ( vgl nur Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f) bei den Leistungen für Unterkunft und Heizung um einen einheitlichen Streitgegenstand handele. Eine Erweiterung der Leistungsverpflichtung gegenüber der Entscheidung des SG durch das Urteil des LSG liegt in der Korrektur des Tenors aber nicht. Da bereits das SG zu Leistungen verurteilt hat, die insgesamt 19,39 Euro monatlich höher sind als die von dem Beklagten ursprünglich bewilligten, hat das LSG den der Rechtskraft fähigen Inhalt der Entscheidung nicht zu dessen Lasten erweitert. Soweit der Beklagte schließlich mit seiner Revision einwendet, dass der Klägerin lediglich ein geringerer Gesamtbetrag zustünde, ist das Urteil des SG insoweit bereits in Rechtskraft erwachsen und bindet die Beteiligten (vgl § 141 Abs 1 Nr 1 SGG). Der Beklagte hat trotz des teilweisen Unterliegens vor dem SG nicht selbst Berufung eingelegt, sondern lediglich beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

16

2. Die zulässige Revision der Klägerin hat den Bescheid des Beklagten vom 21.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.5.2010 zum Gegenstand, mit dem der Beklagte der Klägerin im streitigen Zeitraum ua Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von lediglich monatlich 252,18 Euro (203,64 Euro Bruttokaltmiete und 48,54 Euro Heizkosten) bewilligt hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) und macht höhere Leistungen geltend. Sie hat den Streitgegenstand dabei zulässigerweise auf die Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Nachdem der Beklagte das Urteil des SG nicht mit der Berufung angegriffen hat, sind nur noch die über 271,57 Euro (monatlich) hinausgehenden Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 59,07 Euro im Streit.

17

3. Die Klägerin, die nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) im streitigen Zeitraum zum leistungsberechtigten Personenkreis iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(in der ab dem 1.1.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007, BGBl I 554) gehört, hat nach § 19 Satz 1 SGB II(in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706) iVm § 22 Abs 1 SGB II(in der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008, BGBl I 2917) Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II).Die auch für Heizkosten vorgesehene Prüfung ihrer Angemessenheit hat nach Wortlaut und Systematik der Norm, wie der Senat bereits im Einzelnen dargelegt hat(stRspr seit BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23), grundsätzlich getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen.

18

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist zu überprüfen, ob die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft dem entsprechen, was für eine nach abstrakten Kriterien als angemessen geltende Wohnung auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzubringen ist (abstrakte Angemessenheitsprüfung). Übersteigen die tatsächlich aufzubringenden Wohnkosten die abstrakt ermittelte Referenzmiete, ist zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Mietmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar ist, es ihm also konkret möglich ist, die Kosten für die Unterkunft auf das abstrakt angemessene Maß zu senken (konkrete Angemessenheit). Wegen der Aufwendungen der Unterkunft sind vorliegend alle berücksichtigungsfähigen Kosten der Klägerin, nämlich die Miete einschließlich der kalten Betriebskosten als "tatsächliche Aufwendungen" vom Beklagten in voller Höhe von 203,64 Euro erbracht worden. Anhaltspunkte dafür, dass diese unangemessen hoch wären, ergeben sich nicht.

19

b) Auch der Anspruch auf Leistungen für Heizung als Teil der Gesamtleistung besteht grundsätzlich in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie angemessen sind (vgl nur BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23).

20

aa) Als berücksichtigungsfähige Kosten insoweit macht die Klägerin die monatlichen Abschlagszahlungen gegenüber ihrem Energieversorgungsunternehmen in Höhe von 127 Euro geltend. Weitere berücksichtigungsfähige Bedarfe sind nicht ersichtlich. Im streitigen Zeitraum gehörten entsprechend den normativen Vorgaben in § 20 Abs 1, § 22 Abs 1 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung) die Kosten für die Erzeugung von Warmwasser nicht zu den Kosten der Unterkunft und Heizung.

21

bb) Eine getrennte Prüfung der Angemessenheit von Aufwendungen für Heizung von denen der Unterkunft folgt neben den dargelegten rechtlichen Überlegungen zumindest derzeit aus praktischen Gründen, die einer einheitlichen Beurteilung der Angemessenheit von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung und also der Bildung einer abstrakten Gesamtangemessenheitsgrenze entgegenstehen. Ein abstrakt angemessener Heizkostenpreis pro Quadratmeter für eine "einfache" Wohnung (gestaffelt nach abstrakt angemessenen Wohnungsgrößen) im unteren Segment des Wohnungsmarktes müsste ausgehend von einem als angemessen anzusehenden Heizverhalten des Einzelnen noch klimatische Bedingungen, wechselnde Energiepreise, die "typischen" Energieträger, vor allem aber den im entsprechenden Mietsegment "typischen" Gebäudestandard und den technischen Stand einer als "typisch" anzusehenden Heizungsanlage erfassen. Entsprechend differenzierte Daten, die einen solchen Rückschluss auf einen abstrakt angemessenen, dh für alle Wohnungen im Vergleichsraum geltenden Heizkostenwert zuließen, liegen für den maßgeblichen Wohnungsmarkt am Wohnort der Klägerin nicht vor, wie sich aus den Feststellungen des LSG und dem Vorbringen des Beklagten ergibt.Der Rückgriff auf einen weniger ausdifferenzierten Wert als Quadratmeterhöchstgrenze, wie ihn der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden mit den Kosten für einen Energieverbrauch von 148 kWh pro Jahr und Quadratmeter Wohnfläche beschrieben hat, würde eine unzulässige Pauschalierung von Heizkosten bedeuten (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 19; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - Juris RdNr 19). Solche Schätzungen eines pauschalen Wertes "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage sind bei Bestimmung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nicht zulässig (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua, BVerfGE 125, 175 RdNr 171); dies gilt für Regelbedarfe und Bedarfe für Unterkunft und Heizung gleichermaßen.

22

cc) Da gleichwohl auch hinsichtlich der Aufwendungen für Heizung unangemessen hohe Kosten vom Träger der Grundsicherung nicht gezahlt werden müssen, eine abstrakte Festlegung dieser "angemessenen Aufwendungen" aber nicht möglich erscheint, hat eine Prüfung der Heizkosten auf ihre Angemessenheit hin allein orientiert an den Verhältnissen des Einzelfalles zu erfolgen. Der Senat hat dabei ausgeführt, dass regelmäßig dann von unangemessen hohen Heizkosten auszugehen ist, wenn bestimmte, von den Vorinstanzen in Bezug genommenen Grenzwerte überschritten werden, die der Senat den von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegeln" bzw dem "Bundesweiten Heizspiegel" entnimmt ( BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 21). Dem hat sich der 4. Senat angeschlossen (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - Juris RdNr 19). Trotz der Kritik insbesondere der Herausgeber des Heizspiegels an der von der Rechtsprechung aus diesen Werten abgeleiteten Funktion für das SGB II (vgl die Stellungnahme der co2online gGmbH vom 12.10.2012 unter http://www.heizspiegel.de/heizspiegelkampagne/hartz-iv/index.html), hält der Senat an dieser Rechtsprechung fest. Solange der jeweils örtlich zuständige Träger der Grundsicherung keine im dargestellten Sinne differenzierte Datenermittlung für den konkreten Vergleichsraum durchgeführt hat, die zuverlässige Schlüsse auf einen Wert für grundsicherungsrechtlich angemessene Heizkosten in seinem Zuständigkeitsbereich zulassen, ist die Heranziehung eines Grenzwertes aus Gründen der Praktikabilität geboten; dementsprechend ist die Rechtsprechung des BSG in der Folge vom Gesetzgeber nicht korrigiert worden. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass der hohe Grenzwert der energiepolitischen Zielsetzung eines Heizspiegels zuwiderläuft. Solche Zielsetzungen sind im Anwendungsbereich des SGB II aber nach den gesetzgeberischen Vorgaben unbeachtlich.

23

Dem Grenzwert aus einem (bundesweiten oder kommunalen) Heizkostenspiegel kommt aber - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - nicht die Funktion einer Quadratmeterhöchstgrenze zu mit der Folge, dass bei unangemessen hohen Heizkosten die Aufwendungen für Heizung bis zu dieser Höhe, aber nur diese übernommen werden müssten. Auch diesem Wert liegt nämlich keine Auswertung von Daten zugrunde, die den Schluss zuließe, es handele sich insoweit um angemessene Kosten. Soweit der Senat (Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 22) formuliert hat, der Grundsicherungsempfänger könne "im Regelfall die tatsächlichen Heizkosten nur bis zur Obergrenze aus dem Produkt des Wertes für extrem hohe Heizkosten mit der angemessenen Wohnfläche (in Quadratmetern) geltend machen", folgt hieraus nichts anderes. Wie sich bereits aus dieser Entscheidung des Senats ergibt, markiert der Grenzwert nicht angemessene Heizkosten, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass von unangemessenen Heizkosten auszugehen ist; das Überschreiten des Grenzwertes kann lediglich als Indiz für die fehlende Angemessenheit angesehen werden ("im Regelfall"). Dies hat im Streitfall zur Folge, dass es dem hilfebedürftigen Leistungsempfänger obliegt vorzutragen, warum seine Aufwendungen gleichwohl als angemessen anzusehen sind (aaO RdNr 23). Insofern führt das Überschreiten des Grenzwertes zu einem Anscheinsbeweis zu Lasten des hilfebedürftigen Leistungsempfängers dahin, dass von unangemessen hohen Kosten auszugehen ist. Lässt sich nicht feststellen, dass im Einzelfall höhere Aufwendungen gleichwohl angemessen sind, treffen ihn die Folgen im Sinne der materiellen Beweislast.

24

Gegen die Heranziehung des Heizspiegels zur Bestimmung des Grenzwertes kann vorliegend nicht eingewandt werden, dass Wohnungen, die nicht durch eine zentrale Heizungsanlage, sondern durch Heizöfen beheizt werden, vom Heizspiegel nicht erfasst werden (so aber Cottmann/Hillebrand, info also 2011, 28). Mit dem Grenzwert soll nur ermittelt werden, ob von einem Heizkostenverbrauch ausgegangen werden muss, der vom Verbraucher üblicherweise als überhöht angesehen wird (vgl bereits BSG aaO RdNr 23). Dabei können als "Standardverhältnisse" durchaus die Werte für die drei am weitesten verbreiteten Energieträger bei einer zentralen Beheizung herangezogen werden.

25

dd) Im vorliegenden Fall ist der maßgebliche Grenzwert überschritten. Dieser Grenzwert errechnet sich - wie der Senat bereits entschieden hat - aus der abstrakt angemessenen Wohnfläche (dagegen nicht aus der Wohnfläche der konkret innegehabten Wohnung, vgl im Einzelnen BSG aaO RdNr 20) und - weil vorliegend ein kommunaler Heizspiegel nicht existiert - den entsprechenden Werten der Spalte "zu hoch" für Erdgas des "Bundesweiten Heizspiegels", der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlicht war (hier der Heizspiegel 2010). Da eine Absenkung auch bei Überschreiten des Grenzwertes nur aufgrund einer Angemessenheitsprüfung im Einzelfall erfolgen kann und sich die in Folge dieser Einzelfallprüfung zu zahlenden Heizkosten ohnehin nicht aus dem Heizspiegel (im Sinne eines abstrakt angemessenen Quadratmeterhöchstwerts) ergeben, kommt den Werten des Heizkostenspiegels aus späteren Jahren keine Bedeutung zu. Ohne dass dies vorliegend abschließend entschieden werden muss, neigt der Senat wie das LSG dazu, bei Wohnungen, die mit einer Etagenheizung beheizt werden, zugunsten der Hilfebedürftigen den Wert für eine Gebäudefläche von 100 bis 250 qm zugrunde zu legen, weil diese den Verbrauchswerten einer Einzelheizanlage am nächsten kommen. Schließlich liegt nahe, für Energieträger, die im Heizspiegel nicht gesondert aufgeführt sind (Strom, Holz, Solarenergie oä), den jeweils kostenaufwändigsten Energieträger des Heizspiegels vergleichend zugrunde zu legen. Auch dies ist abschließend aber nicht zu entscheiden. Der Grenzwert bei der Beheizung einer Wohnung mit Gas (215 kWh pro qm x 50 = 10750 kWh) ist vorliegend - bei einem Gesamtverbrauch der Klägerin von nahezu 19 000 kWh pro Jahr und Kosten von etwa 1500 Euro im Jahr - in jedem Fall überschritten.

26

ee) Das Überschreiten des Grenzwertes hat zunächst zur Folge, dass die Klägerin die Gründe dafür vorbringen muss, dass ihre Aufwendungen im Einzelfall gleichwohl als angemessen anzusehen sind. Personenbedingte Gründe (zB Bettlägerigkeit eines Angehörigen der Haushaltsgemeinschaft, Zugehörigkeit kleiner Kinder zur Bedarfsgemeinschaft oä), die die Rechtsprechung bislang in erster Linie als erheblich angesehen hat (BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23 RdNr 25; vgl auch BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 28), sind vorliegend nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar.

27

Der ungünstige energetische Standard einer Wohnung, den die Klägerin geltend macht und den die innegehabte Wohnung hier nach den Feststellungen des Gutachters (auch) ausweist, ist für sich genommen kein Grund im Einzelfall, der den Träger der Grundsicherung zur dauerhaften Übernahme von hohen Heizkosten als "angemessene" Aufwendungen verpflichtet. Soweit der Senat ein "unwirtschaftliches Heizverhalten" als Anknüpfungspunkt für eine Pflicht zur Kostensenkung angesehen hat, ist dies nicht dahin zu verstehen, dass nur "unvernünftiges", objektiv nicht begründbares Verhalten des hilfebedürftigen Leistungsempfängers eine Pflicht zur Kostensenkung nach sich zieht. Auch unangemessen hohe (und damit unwirtschaftliche) Kosten, die der hilfebedürftige Leistungsempfänger nicht beeinflussen kann, berechtigten den Träger der Grundsicherung im Grundsatz nicht anders als bei überhöhten Unterkunftskosten Kostensenkungsmaßnahmen einzufordern.

28

c) Stellen sich die tatsächlich wegen der Heizung anfallenden Aufwendungen damit auch unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände der Klägerin im Einzelfall als unangemessen hoch dar, ist in einem abschließenden Schritt zu prüfen, ob daraus eine Pflicht zur Senkung der Kosten folgt (vgl zur Kostensenkungsobliegenheit grundlegend BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 29 und im Anschluss etwa Urteil des Senats vom 7.5.2009 - B 14 AS 14/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 28; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 14; BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 78/09 R - BSGE 106, 155 = SozR 4-4200 § 22 Nr 36, RdNr 14). Dies ergibt sich - auch wegen der bis zum 31.12.2010 nicht ausdrücklich genannten Aufwendungen für die Heizung (vgl Urteil des Senats vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - FEVS 60, 490 = Juris RdNr 22 und BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45 RdNr 18) - aus § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II, wonach die Aufwendungen für die Unterkunft, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen so lange zu berücksichtigen sind, wie es ihm nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

29

aa) Wenn in einem Abrechnungszeitraum trotz eines vorangegangenen Hinweises (hier vom 29.1.2009) eine maßgebliche Kostensenkung durch Energieeinsparung nicht erzielt wird, kommt bei unangemessen hohen Aufwendungen für Heizung - wie bei überhöhten Kosten der Unterkunft auch - vor allem der in § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II ausdrücklich genannte Wohnungswechsel als Maßnahme zur Kostensenkung in Betracht. Denn eine Kostensenkung durch Energieeinsparung ist dann entweder vom hilfebedürftigen Leistungsberechtigten nicht ernsthaft gewollt (und kann aber vom Träger der Grundsicherung nicht im Einzelfall "kontrolliert" und durchgesetzt werden) oder ist in der Wohnung aufgrund gebäude- und/oder wohnungsspezifischer Faktoren objektiv nicht zu erreichen oder macht Investitionen vor allem des Vermieters notwendig, die der hilfebedürftige Leistungsberechtigte als Mieter nicht erzwingen kann (und die überdies zu einer Erhöhung der Miete führen können).

30

Der Wohnungswechsel als Kostensenkungsmaßnahme wegen überhöhter Heizkosten ist aber nur zumutbar, wenn in einer alternativ zu beziehenden Wohnung insgesamt keine höheren Kosten als bisher anfallen. Nur ein Wohnungswechsel, mit dem dieses Ziel erreicht werden kann, ist das von dem hilfebedürftigen Leistungsempfänger geforderte "wirtschaftliche Verhalten". Ein Wohnungswechsel, der zwar zu niedrigeren Heizkosten, nicht aber zu niedrigeren Gesamtkosten führt, wäre seinerseits unwirtschaftlich und deshalb nicht zumutbar. Gegenüber dem grundsätzlich schützenswerten individuellen Interesse des hilfebedürftigen Leistungsempfängers am Verbleib in seiner Wohnung überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an deren Aufgabe nur für den Fall eines wirtschaftlich sinnvollen Umzuges. Stehen auf dem in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarkt keine Wohnungen zur Verfügung, in denen von dem Träger der Grundsicherung insgesamt niedrigere Kosten aufzubringen sind, bleibt es der Entscheidung des Einzelnen überlassen, ob er weiterhin in einer Wohnung, die entsprechende Nachteile eines ungünstigen energetischen Standards mit sich bringt, aus anderen Gründen (etwa wegen ihrer Lage oder ihres Zuschnitts) verbleiben will. Ein ungünstiger energetischer Standard der Wohnung bleibt insofern bei Prüfung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht unbeachtlich.

31

In diesem Ergebnis sieht sich der Senat durch die Neuregelung in § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II zum 1.1.2011 (mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 ) bestätigt. Danach muss eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Auch wenn im Gesetzgebungsverfahren andere Beispielsfälle zur Diskussion standen (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98), bestätigt Satz 4 in der neuen Fassung die Möglichkeit eines zusammenfassenden Wirtschaftlichkeitsvergleichs hinsichtlich der gesamten Bruttowarmkosten (so auch Berlit in Münder, SGB II, 4. Aufl 2011, § 22 RdNr 92; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Oktober 2012, § 22 RdNr 166), ohne dass über die Einzelheiten der Regelung, die vorliegend unmittelbar noch nicht zur Anwendung kommt, zu entscheiden wäre.

32

Im vorliegenden Fall wird das LSG nach Zurückverweisung also zu prüfen haben, welche Vergleichskosten für Unterkunft und Heizung sich auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt ergeben, die der Beklagte nach einem Wohnungswechsel als angemessen zu zahlen hätte. Neben dem (gerichtlich voll zu überprüfenden) Wert, der sich für die Kosten der Unterkunft einer alleinstehenden Person als abstrakt angemessen ergibt, kann wegen der Kosten der Heizung im Ausgangspunkt auf die vom Beklagten in seiner Verwaltungspraxis als angemessen angesehenen (durchschnittlichen) Heizkosten zurückgegriffen werden. Jedenfalls vorliegend erscheinen diese mit rund 1 Euro pro qm und Monat insbesondere im Vergleich mit Durchschnittskosten aus den Betriebskostenübersichten des Deutschen Mieterbundes (0,84 Euro Kosten für Heizung im Bundesdurchschnitt für das der streitigen Kostensenkung vorangegangene Abrechnungsjahr 2009) nicht unrealistisch niedrig. Die Werte des Heizspiegels, die nicht das tatsächliche Preisniveau auf dem Wohnungsmarkt widerspiegeln, sind bei dieser Prüfung nicht heranzuziehen.

33

Ergibt sich - was vorliegend angesichts der recht geringen Bruttokaltmiete möglich ist -, dass die tatsächlichen Gesamtaufwendungen der Klägerin diese Vergleichskosten nicht übersteigen, sind der Klägerin Kostensenkungsmaßnahmen iS des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II nicht zumutbar. Die tatsächlich anfallenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind dann weiterhin zu übernehmen. Übersteigen die tatsächlichen Gesamtkosten die genannten Vergleichswerte für Unterkunft und Heizung, ist eine Kostensenkung durch Wohnungswechsel im Grundsatz abzuverlangen, wenn im maßgeblichen Vergleichsraum Wohnungen zu diesem Gesamtpreis zur Verfügung stehen, wofür der Beklagte die materielle Beweislast trägt. Bei zutreffender Ermittlung eines abstrakt angemessenen Wertes für die Unterkunftskosten kann zwar davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu dieser abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete im örtlichen Vergleichsraum gibt (vgl BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46). Solange aber ein Umzug wegen der Höhe der Kosten der Heizung notwendig wird und die vom Beklagten als angemessen angesehenen Heizkosten (mangels entsprechend differenzierter Datenerhebung) einen abstrakt angemessenen Wert nicht wiedergeben, kann diese Vermutung nicht gelten. Es bleibt (ähnlich wie dies § 22a SGB II in der seit dem 1.4.2011 geltenden Fassung vorgibt) dem kommunalen Träger überlassen, eine Datenermittlung zur Bestimmung eines differenzierten abstrakt angemessenen Wertes der Heizkosten im in Bezug zu nehmenden Wohnsegment durchzuführen oder entsprechende Wohnungen nachzuweisen.

34

bb) Für die Zeit bis zum 31.8.2010 besteht ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe (mithin in Höhe von weiteren 59,07 Euro monatlich), sodass die Revision der Klägerin insoweit in der Sache erfolgreich war. Erst mit dem 1.9.2010 war das einer Kostensenkung durch den Träger der Grundsicherung vorausgehende Kostensenkungsverfahren abgeschlossen; während der sechs vorangegangenen Monate war der Klägerin die Möglichkeit einzuräumen, die Kosten entsprechend den Vorgaben im Schreiben vom 29.1.2009 und vom 17.2.2010 zu senken. In dieser Zeit waren die tatsächlichen Kosten zu zahlen; erst danach kann der Beklagte - das Vorliegen der übrigen, oben dargelegten Voraussetzungen unterstellt - die Kosten rechtmäßig auf die angemessene Höhe senken.

35

Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II, aus dem nach der Rechtsprechung beider Senate (über den Wortlaut hinaus) neben der Obliegenheit zur Kostensenkung auch folgt, dass die Absenkung auf die nach Ansicht des Grundsicherungsträgers angemessenen Kosten ein Kostensenkungsverfahren voraussetzt, das den Hilfebedürftigen in die Lage versetzt, diesen Kostensenkungsobliegenheiten - regelmäßig innerhalb von sechs Monaten - nachzukommen(vgl insbesondere zur Kostensenkungsaufforderung wegen der Aufwendungen für Heizung BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - FEVS 60, 490 - Juris RdNr 22 und BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45 RdNr 18 mwN ).

36

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen genügte die am 29.1.2009 ausgesprochene Aufforderung zur Senkung der Kosten für die vorliegend streitige Absenkung ab dem 1.6.2010 nicht. Dies liegt schon deshalb nahe, weil eine Kostensenkung vorrangig durch Energieeinsparungen bei jährlicher Abrechnung der entsprechenden Kosten durch ein Energieversorgungsunternehmen nicht innerhalb von sechs Monaten realisierbar ist und es angezeigt erscheinen könnte, wegen der Kostensenkung durch Einsparung von Energie (die wegen der Regelung in § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF§ 22 abs 3 sgb ii> jedenfalls dem Träger der Grundsicherung zugutekommt) regelmäßig einen längeren Zeitraum zur Änderung des Verbrauchsverhaltens zuzubilligen. Eine abschließende Entscheidung braucht hierüber aber nicht zu erfolgen, denn jedenfalls hat der Beklagte die zum 1.6.2009 angekündigte Absenkung von Kosten der Heizung nicht durchgeführt. Da auf die erste Kostensenkungsaufforderung hin über längere Zeit hinweg gleichwohl die Kosten der Unterkunft und Heizung vollständig übernommen worden sind, durfte allein auf Grundlage dieser Kostensenkungsaufforderung eine Absenkung nicht mehr erfolgen (vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 219/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 57 RdNr 21).

37

Erst mit der Kostensenkungsaufforderung vom 17.2.2010 ist damit das für den vorliegend streitigen Zeitraum maßgebliche Kostensenkungsverfahren eingeleitet worden. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte inhaltlich auf die Anforderungen zur Kostensenkung im Schreiben vom 29.1.2009 Bezug genommen hat und das Schreiben vom 17.2.2010 weitergehende Hinweise nicht enthält. Es brauchten die weiteren Möglichkeiten zur Kostensenkung - insbesondere auch eine ggf bestehende Verpflichtung zum Wohnungswechsel - nicht im Einzelnen aufgezeigt werden. Der Klägerin war zuzumuten, die notwendigen Entscheidungen auf der Grundlage der bis dahin erteilten Hinweise zu treffen und verbliebende Zweifel durch entsprechende Rückfragen zu klären (vgl bereits BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 RdNr 15).

38

Die Kostensenkungsaufforderung vom 17.2.2010 setzte damit eine Frist zur Senkung von Kosten innerhalb der folgenden sechs Monate in Gang. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, weshalb die mit der erneuten Kostensenkungsaufforderung ausgelöste Frist vorliegend nur verkürzt gelten sollte. Da eine Kostensenkung durch Energieeinsparung sich entgegen den Erwartungen des Beklagten nicht hatte realisieren lassen, musste der Klägerin - wollte sie einer Absenkung von Leistungen entgehen - andere Möglichkeiten der Kosteneinsparung prüfen. Insbesondere ein von ihr ggf zu erwartender Wohnungswechsel bedarf aber eines erneuten zeitlichen Vorlaufs, für den sechs Monate ohne Weiteres notwendig erscheinen.

39

4. Das LSG wird abschließend ggf über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revisionen des Antragstellers und des Antragsgegners wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. August 2012 geändert.

In der Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) werden in der Überschrift die Wörter "und Zwölften" und § 6 Abs 2 Buchstabe d für unwirksam erklärt.

Es wird festgestellt, dass die Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) für Leistungsempfänger nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch nicht gilt.

Im Übrigen werden die Revisionen des Antragstellers und des Antragsgegners zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt zwei Drittel der Kosten des Antragstellers.

Tatbestand

1

Gegenstand der Normenkontrolle ist die vom Senat des Landes Berlin erlassene "Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" (Wohnaufwendungenverordnung - WAV, hier in der Fassung vom 3.4.2012, GVBl 2012, 99).

2

1. Mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453) räumte der (Bundes-)Gesetzgeber den Ländern bei materiell ansonsten im Wesentlichen unveränderter Rechtslage zur Übernahme von Unterkunftskosten die Befugnis ein, die Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS von § 22 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zum Gegenstand kommunaler Rechtsetzung zu machen. Demgemäß können die Länder die Kreise und kreisfreien Städte nach § 22a Abs 1 Satz 1 SGB II durch Gesetz ermächtigen oder verpflichten, durch "Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind". Entsprechendes gilt für die Länder Berlin und Hamburg, die (durch Landesgesetz) bestimmen, "welche Form der Rechtsetzung an die Stelle einer nach Satz 1 vorgesehenen Satzung tritt" (§ 22a Abs 1 Satz 3 SGB II). Genügen hierauf beruhende untergesetzliche Normen weiteren Anforderungen, so bindet das nach Maßgabe der ebenfalls mit dem RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführten Regelung des § 35a Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) auch die Träger der Sozialhilfe. Danach gilt: "Hat ein Kreis oder eine kreisfreie Stadt eine Satzung nach den §§ 22a bis 22c des Zweiten Buches erlassen, so gilt sie für Leistungen für die Unterkunft nach § 35 Absatz 1 und 2 des zuständigen Trägers der Sozialhilfe entsprechend, sofern darin nach § 22b Absatz 3 des Zweiten Buches Sonderregelungen für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung getroffen werden und dabei zusätzlich auch die Bedarfe älterer Menschen berücksichtigt werden".

3

2. Gestützt auf eine diese Befugnisse wahrnehmende Rechtsverordnungsermächtigung in § 8 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch des Landes Berlin(hier idF des Gesetzes vom 13.7.2011, GVBl 344) ist vom Senat des Landes Berlin mit Wirkung zum 1.5.2012 die im Streit stehende WAV mit Regelungen zu besonderen Bedarfen für Unterkunft und Heizung auszugsweise wie folgt erlassen worden:

        

"§ 6

Besondere Bedarfe für Unterkunft und Heizung

zur Bestimmung der individuellen Angemessenheit

        

(1) Sofern die tatsächlichen Aufwendungen der Leistungsberechtigten den Richtwert gemäß § 4 überschreiten, gelten wegen besonderer Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22b Absatz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zur individuellen Bestimmung der Angemessenheit abweichend von den Richtwerten nach § 4 die in den Absätzen 2 bis 9 getroffenen Sonderregelungen.

        

(2) In besonders begründeten Einzelfällen können die Richtwerte nach § 4 aus sozialen Gründen und in Härtefällen um bis zu Zehn vom Hundert überschritten werden, insbesondere bei

        

a) Alleinerziehenden,

b) Längerer Wohndauer (mindestens 15 Jahre),

c) wesentlichen sozialen Bezügen (z. B. Schulweg von Kindern, Betreuungseinrichtungen, Kindertagesstätten),

d) über 60-jährigen Hilfeempfangenden,

e) Schwangeren,

f) Personen, die in absehbarer Zeit kostendeckende Einkünfte haben."

4

3. Der 1957 geborene, im Land Berlin - dem Antragsgegner - lebende Antragsteller bezieht eine ab dem 1.1.2009 laufend zahlbare Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne zeitliche Begrenzung in Höhe von anfänglich ca 150 Euro (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 17.11.2009) sowie seit dem 1.1.2010 laufende Leistungen nach dem SGB XII (Bescheid des Bezirksamts Treptow-Köpenick von Berlin vom 9.12.2009). Der Antragsteller ist alleinstehend und bewohnt eine Zwei-Zimmer-Wohnung von 49 qm Größe. Hierfür gewährte ihm der Antragsgegner nach zwischenzeitlicher Ankündigung von Leistungsabsenkungen und Hinweisen auf das Inkrafttreten der WAV - nach der für einen 1-Personenhaushalt von einem Bruttowarm-Richtwert von maximal 408 Euro auszugehen war - jedenfalls bis zum 31.12.2012 Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von seinen Angaben zufolge zuletzt 444 Euro monatlich einschließlich Heiz- und Betriebskostenvorauszahlungen.

5

Mit seinem am 6.5.2012 gestellten Normenkontrollantrag begehrte der Antragsteller, die WAV für unwirksam zu erklären. Sämtliche Mietbestandteile seien nicht zutreffend in die WAV eingestellt worden. Der Berliner Wohnungsmarkt befinde sich in einer Phase stetig steigender Mietpreise, weshalb die Angebote insbesondere in zentralen Bereichen deutlich über dem Betrag lägen, der von Leistungsbeziehern, deren Ansprüche nach der WAV bestimmt würden, aufgewandt werden könnte.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat den Antrag als unzulässig verworfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt (Urteil vom 7.8.2012): Der Antragsteller sei nicht antragsbefugt. Die Antragsbefugnis setze die schon im Rahmen der Zulässigkeit abschließend zu treffende Feststellung voraus, dass die zur Überprüfung gestellte Norm ein subjektiv-öffentliches Recht des Antragstellers betreffe. Daran fehle es, da die Voraussetzungen einer Geltungserstreckung für die von dem Antragsteller beanspruchten Leistungen nach dem SGB XII nicht vorlägen und er deshalb in den Geltungsbereich der WAV nicht einbezogen sei. Die Härtefallregelungen des § 6 Abs 2 WAV trügen dem besonderen Bedarf älterer Menschen nicht Rechnung und genügten deshalb den Anforderungen des § 35a SGB XII nicht.

7

4. Der Antragsteller hat - ebenso wie der Antragsgegner - die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und macht geltend: Das LSG überdehne die Anforderungen an die Zulässigkeit eines Normenkontrollverfahrens nach § 55a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Entgegen dessen Auffassung komme es nur darauf an, ob - entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) - subjektive Rechte eines Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein könnten. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Er sei in seinen Rechten betroffen, weil die WAV nach der Intention des Verordnungsgebers und der Verwaltungspraxis auf ihn angewendet werden solle und werde. In der Sache halte er daran fest, dass die WAV den gesetzlichen Vorgaben der §§ 35, 35a SGB XII und der §§ 22a bis 22c SGB II nicht genüge. Insbesondere sei die Datenbasis mangelhaft, auch sei Wohnraum zu derartigen Preisen im Gebiet des Antragsgegners nicht verfügbar. Dessen Revision sei mangels Beschwer durch das Urteil des LSG unzulässig.

8

Der Antragsteller beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. August 2012 aufzuheben und die Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) für unwirksam zu erklären,
hilfsweise,
die Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) für unwirksam zu erklären, soweit sie sich auch Geltung gegenüber Leistungsberechtigten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch beimisst,
sowie die Revision des Antragsgegners zurückzuweisen.

9

Der Antragsgegner sieht in der Verwerfung des Normenkontrollantrags ebenfalls einen Verstoß gegen § 35a SGB XII und beantragt unter Verteidigung der WAV auch im Übrigen,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. August 2012 aufzuheben und den Normenkontrollantrag des Antragstellers abzulehnen,
hilfsweise,
die Revision des Antragstellers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Antragstellers hat teilweise Erfolg, die des Antragsgegners bleibt ohne Erfolg. In der Sache zu Recht hat das LSG entschieden, dass § 6 Abs 2 Buchst d der WAV unwirksam ist und diese deshalb auf Leistungsberechtigte nach dem SGB XII keine Anwendung findet; insoweit war die WAV für unwirksam zu erklären und auszusprechen, dass sie für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII nicht gilt (dazu unten 4. bis 8.). Das feststellen zu lassen, ist der Antragsteller auch antragsbefugt (dazu unten 3. b). Für eine weitergehende Überprüfung der WAV bestand hingegen kein Rechtsschutzbedürfnis.

11

1. Zuständig zur Entscheidung des Rechtsstreits ist der erkennende 14. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) als Spruchkörper für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Streitigkeiten über die Gültigkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm nach § 22a Abs 1 SGB II im Normenkontrollverfahren gemäß § 55a SGG bilden eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende iS von § 51 Abs 1 Nr 4a SGG auch dann, wenn sie wie hier von einem Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII unter Berufung auf nachteilige Auswirkungen der angegriffenen Norm auf seine Ansprüche nach § 35 SGB XII geführt werden.

12

a) Nach der gesetzlichen Konzeption ergehen untergesetzliche Rechtsnormen nach § 22a Abs 1 SGB II auch dann als Vorschriften auf der Grundlage nur des SGB II, wenn sie iS von § 35a Satz 1 Halbs 2 SGB XII nach § 22b Abs 3 SGB II "Sonderregelungen für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung enthalten" und dabei die "Bedarfe älterer Menschen berücksichtigt werden" und sie infolgedessen Geltungswirkung für die Leistungen nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII entfalten. Schon nach dem Wortlaut von § 35a Satz 1 Halbs 2 SGB XII liegt die Rechtsgrundlage für die (auch) die Bindungswirkung nach dem SGB XII auslösenden Festsetzungen von Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II ausschließlich in § 22b Abs 3 SGB II und nicht in einer eigenständigen Anordnung des SGB XII. Auch ansonsten enthält das SGB XII keine Regelung vergleichbar der des § 22a Abs 1 SGB II, die als selbstständige Befugnis zur Einführung einer untergesetzlichen Normgebung für die Unterkunftsleistungen nach dem SGB XII anzusehen sein könnte. Wie die Materialien erweisen, folgte das der bewussten Entscheidung, den Sozialhilfeträgern insoweit keine eigene Satzungsermächtigung zu erteilen (BT-Drucks 17/3404 S 126).

13

Ob damit etwaigen verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf die Bindung von Sozialhilfeträgern durch die nach § 22a Abs 1 SGB II zur Normsetzung berufenen Körperschaften ausreichend Rechnung getragen ist, mag offen bleiben(daran eher Zweifel hegend Stölting in jurisPK-SGB XII, § 35a RdNr 8). Jedenfalls der Gesetzgeber ist ersichtlich davon ausgegangen, dass die rechtliche Grundlage auch von Sonderregelungen mit Wirkung für Ansprüche nach § 35 SGB XII allein in den §§ 22a bis 22c SGB II zu sehen ist. Folgerichtig wird vertreten, dass der SGB II-Normgeber die Bindungswirkungen für das SGB XII weder ausdrücklich anzuordnen habe noch sie ausschließen könne; vermeidbar seien sie nur über den Verzicht auf die sie auslösenden Regelungsgehalte (vgl Berlit in Bieritz-Harder/Conradis/Thie, SGB XII, 9. Aufl 2012, § 35a RdNr 7).

14

Systematisch im Einklang damit ist die Normenkontrolle nach § 55a SGG nur eröffnet für die Gültigkeit von Satzungen oder anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, "die nach § 22a Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden sind". Auch das lässt sich nur dahin verstehen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers untergesetzliche Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II ungeachtet ihrer Bindungswirkungen für das SGB XII in formaler Hinsicht ausschließlich dem Rechtskreis des SGB II zuzuordnen sind.

15

b) Diese Zuordnung begründet die Zuständigkeit der Senate für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch dann, wenn über einen auf die mögliche Rechtsbetroffenheit über § 35a SGB XII gestützten Normenkontrollantrag nach § 55a SGG zu befinden ist. Welchem der in § 51 Abs 1 SGG enumerativ aufgeführten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten der Rechtsstreit zuzuordnen ist, richtet sich danach, ob das Rechtsverhältnis, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, seiner Natur nach einem dieser Rechtsgebiete zuzuordnen ist. Entscheidend ist dabei, welche Rechtssätze für das jeweilige Begehren prägend sind (vgl zum Ganzen GmSOGB Beschluss vom 4.6.1974 - GmS-OGB 2/73 - BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2, Beschluss vom 10.4.1986 - GmS-OGB 1/85 - SozR 1500 § 51 Nr 39 = BGHZ 97, 312 und Beschluss vom 10.7.1989 - GmS-OGB 1/88 - SozR 1500 § 51 Nr 53 = BGHZ 108, 284; vgl auch BSG Beschluss vom 6.9.2007 - B 3 SF 1/07 R - SozR 4-1720 § 17a Nr 3 RdNr 9 sowie Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 51 RdNr 4 f und Ulmer in Hennig, SGG, § 51 RdNr 3, Stand: Oktober 2013). Demgemäß liegt eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende dann vor, wenn das klägerische Begehren durch Rechtsvorschriften des SGB II geprägt wird (vgl BSG Beschluss vom 1.4.2009 - B 14 SF 1/08 R - SozR 4-1500 § 51 Nr 6 RdNr 15; zu weiteren Fallkonstellationen s auch Groß in Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 51 RdNr 11). Das ist nach der dargelegten gesetzlichen Konzeption im Verhältnis zwischen den §§ 22a bis 22c SGB II einerseits und § 35a SGB XII andererseits auch dann der Fall, wenn die Überprüfung einer untergesetzlichen Norm iS von § 22a Abs 1 SGB II wegen ihrer Auswirkungen auf die Leistungen für die Unterkunft nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII begehrt wird.

16

c) Bestätigt wird dies weiter durch die Ausgestaltung des Normenkontrollverfahrens nach § 55a SGG im Übrigen, wie es durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführt worden ist(zu den Motiven insoweit vgl BT-Drucks 17/3404 S 131). Zu entscheiden über Anträge nach § 55a SGG ist danach von den LSG - im ersten Rechtszug(§ 29 Abs 2 Nr 4 SGG) - in jeweils zu bildenden eigenen Senaten (§ 31 Abs 2 SGG idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG). Für deren Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern ist in den Materialien verwiesen auf die Besetzung der Kammern für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BT-Drucks 17/3404 S 131 mit Verweis auf § 12 Abs 5 Satz 1 SGG in der bis zum 24.10.2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444). Auch das belegt zum einen, dass sich die Spruchkörperzuständigkeit in Verfahren nach § 55a SGG allein nach dem Angriffsgegenstand richtet, maßgeblich also nur ist, ob es sich um eine "nach § 22a Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und dem dazu ergangenen Landesgesetz" erlassene Norm handelt oder nicht. Zum anderen erweisen die Vorstellungen über die Besetzung der hierfür zu bildenden Senate, dass Antragsverfahren nach § 55a SGG als Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch dann anzusehen sind, wenn die Antragsteller im Leistungsbezug nach dem SGB XII stehen.

17

2. Streitgegenstand ist die WAV in der Fassung, wie sie der mündlichen Verhandlung des LSG am 7.8.2012 zugrunde gelegen hat. Als Norm des Landesrechts obliegen die Feststellung ihres Inhalts und ihre Auslegung, von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich allein dem LSG (§§ 162, 202 SGG iVm § 560 Zivilprozessordnung, vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 34 RdNr 16 mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 28 RdNr 27). Beim BSG angefallen ist das Verfahren demzufolge ausschließlich mit dem Rechtsstand, wie er Gegenstand der Entscheidung des LSG war, also in der vom Senat des Landes Berlin beschlossenen Fassung der WAV vom 3.4.2012 (GVBl 2012, 99). Nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist die Norm demnach hingegen in der Fassung ihrer am 1.8.2013 in Kraft getretenen Fortschreibung durch die Erste Verordnung zur Fortschreibung der Wohnaufwendungenverordnung (WAV-Fortschreibungsverordnung 2013) vom 16.7.2013 (GVBl 2013, 348) mit den Änderungen in den Anlagen 1 und 2.

18

3. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht.

19

a) Insbesondere ist zunächst neben der Revision des durch das Urteil des LSG formell beschwerten Antragstellers auch die Revision des Antragsgegners zulässig. Zwar hat dieser vor dem LSG formell obsiegt und muss wegen der Bindungswirkung der Entscheidung auch nicht besorgen, vom Antragsteller gegenwärtig erneut mit einem Normenkontrollantrag überzogen zu werden (zur Beschwer bei Prozess- statt Sachurteilen ansonsten vgl BSG Urteil vom 26.10.1989 - 4 RA 90/88 - RdNr 9, HV-INFO 1990, 102 unter Hinweis auf BSGE 24, 134, 135 = SozR Nr 7 zu § 85 SGG; vgl hierzu auch BVerwG Urteil vom 12.1.2012 - 7 C 5/11 - BVerwGE 141, 311, 323 f); dem stünde der Mangel der Antragsbefugnis bei unveränderter Fassung der WAV auch weiterhin entgegen.

20

Auf diese Sperrwirkung beschränken sich die Folgen des angegriffenen Urteils indes nicht. Nach dessen tragenden Gründen kann sich vielmehr der Antragsteller in der Sache dem Antragsgegner gegenüber darauf berufen, dass § 6 WAV in der zur Überprüfung gestellten Fassung keine Regelung zur Berücksichtigung der Bedarfe älterer Menschen iS von § 35a Satz 1 SGB XII trifft und die WAV deshalb - anders als dieser meint - auf ihn keine Anwendung findet. Diese Wirkung kommt der einen Normenkontrollantrag gegen eine Satzung ablehnenden Entscheidung nicht nur in einem erneuten Normenkontrollverfahren, sondern in jedem Verfahren zwischen den Beteiligten zu, bei dem es auf die Gültigkeit dieser Satzung ankommt (vgl zu § 47 Verwaltungsgerichtsordnung: BVerwG Beschluss vom 2.9.1983 - 4 N 1/83 - BVerwGE 68, 12, 15 unter Hinweis auf BGH Urteil vom 8.5.1980 - III ZR 27/77 - BGHZ 77, 338; vgl auch BVerwG Beschluss vom 10.5.1995 - 8 B 32/95 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr 71). Ungeachtet der Erfolglosigkeit des Normenkontrollantrags des Antragstellers muss der Antragsgegner deshalb nach dem Urteil des LSG besorgen, dass ihm in der Sache jedenfalls im Verhältnis zum Antragsteller bei Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des LSG (§ 141 Abs 1 Nr 1 SGG) in nachfolgenden Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren über von ihm zu gewährende Leistungen nach § 35 SGB XII die Berufung auf die WAV versagt ist. Das begründet eine die Zulässigkeit seiner Revision rechtfertigende Beschwer.

21

b) Zu Unrecht hat das LSG angenommen, dass dem Antragsteller die Antragsbefugnis für den Normenkontrollantrag fehlt und der Antrag deshalb als unzulässig zu verwerfen ist; dem ist nicht zu folgen.

22

Antragsbefugt für Normenkontrollanträge nach § 55a SGG ist gemäß dessen Abs 2 Satz 1 jede natürliche Person, "die geltend macht, durch die Anwendung der Rechtsvorschrift in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden". Diese Voraussetzungen sind im Wesentlichen wörtlich (zu Unterschieden Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 55a RdNr 7)den entsprechenden Anforderungen in § 47 Abs 2 Satz 1 VwGO für das verwaltungsgerichtliche Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO entnommen, das im Gesamten Vorbild für § 55a SGG war(vgl BT-Drucks 17/3404 S 132; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 147 f; Luik in Hennig, SGG, § 55a RdNr 3, Stand der Einzelkommentierung Mai 2013). Diese Übereinstimmung auch der Zulässigkeitsvoraussetzungen schließt es aus, dass der Gesetzgeber den Zugang zum Normenkontrollverfahren nach § 55a SGG an andere und insbesondere strengere Anforderungen hat binden wollen als sie für die Normenkontrolle nach § 47 VwGO gelten. Maßgebend auch für die Auslegung von § 55a Abs 2 Satz 1 SGG ist damit, dass die Zugangsvoraussetzungen für das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO den Anforderungen an die Klagebefugnis nach § 42 Abs 2 VwGO nachgebildet sind(vgl BT-Drucks 13/3993 S 10) und deshalb ständiger Rechtsprechung des BVerwG zufolge an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs 2 Satz 1 VwGO keine höheren Anforderungen zu stellen sind als nach § 42 Abs 2 VwGO(stRspr; vgl zuletzt nur BVerwG Urteil vom 18.4.2013 - 5 CN 1/12 - BVerwGE 146, 217 RdNr 16 mwN). Auch im Antragsverfahren nach § 55a SGG fehlt es an der Antragsbefugnis daher nur dann, wenn unter Zugrundelegung des Antragsvorbringens Rechte des Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können(zu § 47 Abs 2 Satz 1 VwGO stRspr; vgl nur BVerwG, aaO, mwN; ebenso für § 55a Abs 2 Satz 1 SGG Luik in Hennig, SGG, § 55a RdNr 23, Stand der Einzelkommentierung Mai 2013; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 55a RdNr 7; Hintz in Hintz/Lowe, SGG, 2012, § 55a RdNr 12 ff).

23

Eröffnet ist ein Antragsverfahren nach § 55a SGG demgemäß stets dann, wenn das Antragsvorbringen es zumindest als möglich erscheinen lässt, dass die in der zur Prüfung gestellten Norm getroffenen Festsetzungen hinter den gegenwärtig bereits aufgebrachten oder absehbar aufzubringenden tatsächlichen Aufwendungen des Antragstellers für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II) zurückbleiben und ihr deshalb bestimmende Wirkung für einen Anspruch des Antragstellers auf existenzsichernde Leistungen zukommen kann. Das gilt auch, soweit wie hier Ansprüche nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII in Rede stehen.

24

Nicht auszuschließen ist zwar, dass die Geltungserstreckungsvoraussetzungen nach § 35a Satz 1 SGB XII nach dem Inhalt der angegriffenen Norm nicht vorliegen und diese deshalb keine Geltungswirkung für den Leistungsbezug nach dem SGB XII entfaltet. Indes ist für die Antragsbefugnis ohne Bedeutung, ob die Norm die in ihr angelegten Wirkungen tatsächlich hat und der Antragsteller deshalb des Schutzes im Normenkontrollverfahren bedarf. Das Antragsverfahren nach § 55a SGG dient nicht nur dem Individualrechtsschutz, sondern zugleich der objektiven Rechtskontrolle(zu § 47 VwGO BVerwG Beschluss vom 18.7.1989 - 4 N 3/87 - BVerwGE 82, 225, 230; BVerwG Urteil vom 9.4.2008 - 4 CN 1/07 - BVerwGE 131, 100, RdNr 13, jeweils mwN; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl 2010, § 47 RdNr 31 ff; Gerhardt/Bier in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juli 2005, § 47 RdNr 3). Daher setzt die Erklärung einer Rechtsvorschrift für unwirksam im Normenkontrollverfahren nach § 55a SGG eine Verletzung eigener Rechte des Antragstellers nicht voraus(zu § 47 VwGO BVerwG Urteil vom 9.4.2008, aaO, RdNr 13). Diese Ausgestaltung der Normenkontrolle als auch der objektiven Rechtskontrolle dienendes Verfahren wäre konterkariert, wenn die tatsächliche Betroffenheit in eigenen Rechten im Gewand der Antragsbefugnis zur Voraussetzung für die Einleitung des Normenkontrollverfahrens erhoben würde. Erscheint wie vorliegend schon nach der Bezeichnung ("Verordnung … nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch") und dem Regelungsinhalt (§ 6 Abs 2 Buchst d WAV) der zur Prüfung gestellten Norm sowie mehrfachen Aufforderungen zur Absenkung der Aufwendungen für die Unterkunft ihre Geltungserstreckung auf Ansprüche nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII jedenfalls nicht offenkundig ausgeschlossen, überspannt es die Zulässigkeitsanforderungen des § 55a Abs 2 Satz 1 SGG, wenn der Normenkontrollantrag gleichwohl als unzulässig verworfen wird.

25

c) Sachentscheidungshindernisse sind schließlich ebenfalls nicht durch die Fortschreibung der WAV zum 1.8.2013 durch die WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 entstanden; dadurch ist das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an der Unwirksamkeitserklärung nicht entfallen. Zum einen lässt die Fortschreibung der Angemessenheitsgrenzen der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den Bestand der übrigen Regelungen ohnehin unberührt, hier also den des § 6 Abs 2 Buchst d WAV. Zum anderen sind die durch die Neufassung verdrängten Werte nicht förmlich aufgehoben und gelten deshalb für den Zeitraum seit Inkrafttreten der WAV ab 1.5.2012 bis zum 31.7.2013 auch weiterhin. Jedenfalls solange eine Rechtsvorschrift solche Wirkungen zu äußern vermag, kann sie Gegenstand einer Normenkontrolle sein (vgl zu § 47 VwGO BVerwG Beschluss vom 5.6.2003 - 4 BN 19/03 - RdNr 1 unter Hinweis auf BVerwG Beschluss vom 2.9.1983 - 4 N 1/83 - BVerwGE 68, 12).

26

4. In der Sache ist die WAV mit der für die Geltungserstreckung nach § 35a SGB XII notwendigen Regelung zu den besonderen Wohnbedarfen älterer Menschen in § 6 Abs 2 Buchst d unwirksam, weil sie den Anforderungen an die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II, die wie bei der Konkretisierung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch die Verwaltung eine realitätsgerechte Erfassung des Unterkunftsbedarfs erfordern(dazu sogleich unter 5.) und die für Sonderregelungen für besondere Bedarfe nach § 22b Abs 3 SGB II ebenso gelten(dazu unter 6.), nicht genügt (dazu unter 7.). Insoweit ist die WAV deshalb für unwirksam zu erklären und auszusprechen, dass sie für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII nicht gilt; weitergehende Prüfungen sind dagegen hier nicht veranlasst (dazu unter 8.).

27

5. Die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II erfordert die realitätsgerechte Erfassung des Unterkunftsbedarfs in gleicher Weise, wie es der Verwaltung bei der Bestimmung des abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegeben ist.

28

a) Mit den durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführten §§ 22a bis 22c SGB II hat der Gesetzgeber die Grundlage dafür geschaffen, die abstrakt angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung anstatt durch die ansonsten dazu berufene Verwaltung auch im Wege untergesetzlicher Normsetzung bestimmen zu können. Leitend dafür war die Überzeugung, dass die Konkretisierung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung in der Praxis noch immer Schwierigkeiten aufwerfe und eine bundeseinheitliche Regelung durch Verordnung nach § 27 Nr 1 SGB II(zuletzt idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) nicht zweckmäßig erscheine; demgegenüber biete die Normsetzungslösung die beste Gewähr dafür, die regionalen Besonderheiten des Wohnungsmarktes transparent und zugleich rechtssicher abbilden zu können (vgl BT-Drucks 17/3404 S 44). Eine entsprechende landesrechtliche Ermächtigung vorausgesetzt, können demgemäß seither alle der abstrakten Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zuzurechnenden Bestimmungen durch untergesetzliche Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II vorgenommen werden, sofern diese 1. mindestens die Mindestinhalte nach § 22b Abs 1 Satz 1 SGB II enthalten und 2. bei ihrem Erlass die in den §§ 22a bis 22c SGB II im Weiteren bezeichneten Verfahrensvorgaben eingehalten sind. Inhaltlich getroffen werden müssen danach mindestens Bestimmungen darüber, (1.) welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt wird und (2.) in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterkunft als angemessen anerkannt werden (§ 22b Abs 1 Satz 1 SGB II). Abgebildet werden sollen hierdurch jedenfalls die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt (§ 22a Abs 3 Satz 1 SGB II) und zwar nach Möglichkeit unter Berücksichtigung insbesondere von Mietspiegeln, qualifizierten Mietspiegeln und Mietdatenbanken und/oder von geeigneten eigenen statistischen Datenerhebungen und -auswertungen der Normgeber oder Erhebungen Dritter (§ 22c Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB II).

29

b) Bezugspunkt der damit eröffneten untergesetzlichen Normsetzungsbefugnis ist die durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG inhaltlich unverändert gebliebene (zu Einzelheiten vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 5) Regelung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, wonach Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind. Die hiernach erforderliche Konkretisierung der Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, auf die in der Gesetzesbegründung verwiesen ist, erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung der Grundsicherungssenate des BSG in einem mehrstufigen Verfahren: Zunächst ist zu überprüfen, ob die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft dem entsprechen, was für eine nach abstrakten Kriterien als angemessen geltende Wohnung auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzubringen ist (abstrakte Angemessenheitsprüfung). Übersteigen die tatsächlich aufzubringenden Wohnkosten die abstrakt ermittelte Referenzmiete, ist entsprechend der Vorgaben in § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II(hier idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Mietmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar ist, es ihm also möglich ist, die Kosten für die Unterkunft auf das abstrakt angemessene Maß zu senken (konkrete Angemessenheit) (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19 ff; zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 18).

30

c) Gegenstand auch der untergesetzlichen Normgebung nach § 22a Abs 1 SGB II ist damit die Konkretisierung des durch § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegebenen Begriffs der "Angemessenheit" der Bedarfe für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II). Dieser Begriff unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff uneingeschränkter richterlicher Kontrolle (stRspr seit BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 21, 24; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 20; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 19 f). Zu seiner Ausfüllung ist jedenfalls der abstrakt als angemessen anzuerkennende Mietpreis unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten konkret zu ermitteln (sog Referenzmiete; stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 17; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 44; zur abstrakt angemessenen Wohnungsgröße vgl dagegen BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 12). Erforderlich dazu sind im Einzelnen überprüfbare Erhebungen und Auswertungen, die eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergeben (so genanntes schlüssiges Konzept, vgl grundlegend insbesondere BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18 ff; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - FEVS 60, 145, 149, juris RdNr 16; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 44). Unzureichend zur Erfassung der sozialen Wirklichkeit sind hingegen Schätzungen pauschaler Werte "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage; das würde den Anforderungen zur Ermittlung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nicht gerecht (zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171). Das verbietet sich bei der Bestimmung des Unterkunftsbedarfs genauso (vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21).

31

d) Diese Maßgaben gelten für die untergesetzliche Normsetzung nach §§ 22a bis 22c SGB II nicht anders. Schon der Gesetzeswortlaut bietet keinen Anhalt dafür, dass den Normgebern insoweit andere und von den Gerichten nur in reduziertem Maß gerichtlich zu kontrollierende Spielräume zustehen könnten als der Verwaltung. Im Gegenteil sind die Vorgaben zum Vergleichsmaßstab (§ 22a Abs 3 Satz 1 SGB II), zu den Norminhalten (§ 22b Abs 1 SGB II), zur Datengrundlage (§ 22c Abs 1 SGB II) und den Begründungsanforderungen (§ 22b Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II) im Einzelnen in so enger Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gefasst, dass unterschiedliche Konkretisierungsaufträge und/oder Entscheidungsspielräume im Verhältnis zwischen untergesetzlicher Normsetzung einerseits und verwaltungsmäßigem Vollzug andererseits durch den Gesetzeswortlaut nicht zu belegen sind(ebenso Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 146). Soweit demgegenüber nach den Materialien die Zielvorgabe des § 22a Abs 3 Satz 1 SGB II nur als ein für die objektive Rechtmäßigkeit der Normsetzung unbeachtlicher Programmsatz anzusehen sein soll(vgl BT-Drucks 17/3404 S 100; dem folgend auch Piepenstock in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 22a RdNr 36), hat dies jedenfalls im Normtext selbst keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (gegen diese Qualifizierung auch Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, §§ 22a-22c SGB II RdNr 9; Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22a RdNr 26; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22a RdNr 11). Das lässt sich auch nicht darauf stützen, dass der untergesetzlichen Normsetzung durch § 22a Abs 3 Satz 2 SGB II die Berücksichtigung von Folgewirkungen aufgegeben ist, die sich uU als Maßstab der Angemessenheitsbestimmung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht notwendig alle wiederfinden. Auch wenn über die Bedeutung dessen hier nicht im Einzelnen zu befinden ist, trägt das jedenfalls nicht den Schluss, dass die nach § 22a Abs 3 Satz 1 SGB II für die Normgebung maßgeblichen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes durch wertende Entscheidung der Normgeber ersetzt werden könnten.

32

Die Normsetzungsermächtigung der untergesetzlichen Normgeber durch § 22a Abs 1 SGB II eröffnet solche Spielräume gleichfalls nicht(so aber wohl Groth in Groth/Luik/Siebel-Hufmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 1. Aufl 2011, RdNr 367). In der Wahrnehmung dieser Ermächtigung konkretisieren die Normgeber in gleicher Weise wie die Verwaltung die die Unterkunft als Teil des physischen Existenzminimums umfassende verfassungsrechtliche Garantie des menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz (, vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 223 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 131 mwN) und haben deshalb die dafür maßgebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Nach der Kompetenzordnung des GG sind demgemäß die Wertentscheidungen über die Leistungshöhe mit Blick auf den Entwicklungsstand des Gemeinwesens und die bestehenden Lebensbedingungen allein dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten (vgl BVerfG, aaO, S 222 ff bzw RdNr 133 ff). Soweit dazu von Verfassungs wegen die soziale Wirklichkeit zu erfassen ist, unterliegt schon er strikten Anforderungen (vgl BVerfG, aaO, S 224 ff bzw RdNr 138 ff). Um so weniger können von diesen Anforderungen die freigestellt werden, von denen die gesetzgeberischen Vorgaben administrativ umzusetzen sind. Das können auch die untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II nicht für sich beanspruchen. Sie sind zwar in besonderer Weise mit den Verhältnissen vor Ort vertraut und können deshalb bessere Kenntnis von den Gegebenheiten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt haben als dies aus der Bundesperspektive möglich wäre (vgl BT-Drucks 17/3404 S 100). Zu eigenen wertenden Entscheidungen sachlich-politischer Art über den zur Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu deckenden Unterkunftsbedarf reicht indes ihre demokratische Legitimation nicht. Wertsetzungen solcher Art sind ausschließlich dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst vorbehalten (vgl BVerfG, aaO, S 224 ff bzw RdNr 138).

33

In keinem geringeren Maß als es der Verwaltung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegeben ist, haben demgemäß auch die untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II die soziale Wirklichkeit im Hinblick auf den Unterkunftsbedarf zeit- und realitätsgerecht zu erfassen und dazu auf Verfahren zurückzugreifen, die zu dessen Bemessung im Grundsatz tauglich sind(ebenso Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22a RdNr 9 ff; Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22a RdNr 6 f; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 146). Unzulässig auch für die Normsetzung nach den §§ 22a bis 22c SGB II dagegen sind Schätzungen pauschaler Werte "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage; sie laufen dem verfassungsrechtlichen Auftrag zu realitätsgerechter Ermittlung zuwider (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171).

34

6. Die aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums abzuleitenden Verfahrensanforderungen an die Konkretisierung des abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs durch untergesetzliche Normsetzung gelten auch für Sonderregelungen für besondere Bedarfe nach § 22b Abs 3 SGB II.

35

a) Nach § 22b Abs 3 SGB II sollen in den Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II Sonderregelungen getroffen werden für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung, und zwar insbesondere für Personen, die einen erhöhten Raumbedarf haben wegen (1.) einer Behinderung oder (2.) der Ausübung ihres Umgangsrechts. Nach den Materialien soll dies gelten für Personen mit einem typischerweise besonders abgesenkten oder erhöhten Bedarf für Unterkunft und Heizung, einerseits etwa bei Bestehen einer Behinderung oder andererseits während der Berufsfindungsphase (BT-Drucks 13/3404 S 101 f). Ob sich solche Umstände in Normen nach § 22a Abs 1 SGB II und damit notwendigerweise abstrakt fassen lassen, ist von den Grundsicherungssenaten des BSG und auch in der Literatur bisher skeptisch beurteilt worden(BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 23; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - NZS 2013, 389, juris RdNr 15; ebenso in diese Richtung zur Sozialhilfe BSG Urteil vom 14.4.2011 - B 8 SO 19/09 R - SozR 4-3500 § 29 Nr 2 RdNr 17; in der Literatur: Groth in Groth/Luik/Siebel-Hufmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 1. Aufl 2011, RdNr 372; Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, §§ 22a-22c SGB II RdNr 13). Zweifelhaft erscheinen mag auch, ob ohne ausdrückliche Entscheidung des Bundesgesetzgebers abstrakte, nicht wohnungsmarktbezogene Bedarfsabsenkungen zulässig sein könnten (vgl Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22b RdNr 40; Knickrehm aaO; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22b RdNr 11). Sind aber Regelungen iS von § 22b Abs 3 SGB II getroffen, müssen sie auf hinreichend realitätsgerechte und nachvollziehbare Erhebungen zum typischen Wohnbedarf der jeweils betroffenen Gruppen von Personen mit besonderen Bedarfen für Unterkunft (und ggf Heizung) gestützt sein und kenntlich machen, von welchem Sonderbedarf der Normgeber dabei ausgegangen ist.

36

b) Der Funktion nach ist mit dem Auftrag zur Schaffung von Regelungen auch für besondere Bedarfslagen für Unterkunft und Heizung im Rahmen der untergesetzlichen Normgebung iS von § 22a Abs 1 SGB II das Ziel verfolgt, die Berücksichtigung solcher Bedarfe nach Möglichkeit partiell von der Ebene der konkreten auf die der abstrakten Angemessenheit (vor) zu verlagern. Nach dem auch insoweit unverändert gebliebenen Regelungskonzept des § 22 SGB II sind durch persönliche Lebensumstände von Leistungsberechtigten bedingte besondere Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Rahmen der konkreten Angemessenheit nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II(bis zur Änderung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706: § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II) zu berücksichtigen (eingehend hierzu zuletzt vgl etwa BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 29 ff). Diese Maßgabe gilt ohne Einschränkung auch im Verhältnis zu normativ bestimmten Angemessenheitswerten nach § 22b Abs 1 SGB II. Schon Wortlaut und Materialien bieten keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass der Regelung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II insoweit nur noch Teilgeltung zukommen könnte. Jedenfalls wäre ein solches Verständnis systematisch nicht vertretbar, nachdem Öffnungsklauseln für atypische Sonderlagen schon verfassungsrechtlich zwingend geboten sind (zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 252 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 204 ff) und Regelungen nach § 22b Abs 3 SGB II weder zum unverzichtbaren ("In der Satzung soll") noch zum abschließenden ("Dies gilt insbesondere") Inhalt untergesetzlicher Normen nach § 22a Abs 1 SGB II erhoben worden sind. Bereits daraus wird deutlich, dass die Verpflichtung zur Berücksichtigung besonderer Unterkunftsbedarfe nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II durch die Rechtsetzungsbefugnis nach § 22b Abs 3 SGB II nicht ersetzt worden ist. Ungeachtet dessen wäre der Bundesgesetzgeber zu einer solchen Verlagerung auf den untergesetzlichen Normgeber von Verfassungs wegen auch nicht befugt gewesen, weil die Entscheidung über die Schaffung und Ausgestaltung von Öffnungsklauseln zur Deckung atypischer Bedarfe im Bereich des Existenzminimums nach der Kompetenzordnung des GG allein ihm vorbehalten und eine Delegation dieser Kompetenz auf hierzu nicht legitimierte Körperschaften unzulässig ist (zur Kompetenzordnung des GG und zu Legitimationsgrenzen grundlegend BVerfG Beschluss vom 5.12.2002 - 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98 - BVerfGE 107, 59 ).

37

c) Anlass und Raum für eigenständige Regelungen zugunsten von Personengruppen mit besonderen Bedarfen für Unterkunft und Heizung im Rahmen der untergesetzlichen Normgebung nach §§ 22a bis 22c SGB II bleibt danach nur, soweit bei ihnen typischerweise besondere Anforderungen etwa in Bezug auf Raumgröße, Wohnstandard oder -lage bestehen und wegen ihrer Schutzwürdigkeit die Berücksichtigung dessen bereits auf der Ebene der abstrakten Angemessenheitsbestimmung angezeigt erscheint. Auch darin sind die Regelungen - wie die Normsetzung nach § 22a Abs 1 SGB II überhaupt - indes beschränkt auf die Berücksichtigung (typischer) tatsächlicher Lebens- und Wohnverhältnisse vor Ort. Das ergibt schon das systematische Zusammenspiel von § 22b Abs 3 SGB II einerseits und § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II andererseits. Da die Normsetzungsbefugnis nach § 22b Abs 3 SGB II dem Zweck nach an die Verpflichtung zur Berücksichtigung von Besonderheiten gemäß § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II anknüpft und Personen mit typischerweise besonderen Unterkunftsbedarfen von den (wenngleich eingeschränkten) Nachweislasten im Verfahren nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II(vgl etwa BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 29 ff und RdNr 33) freistellen soll, spricht bereits das dagegen, dass nach § 22b Abs 3 SGB II weitere Umstände berücksichtigt werden könnten als nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II beachtlich wären, also nicht den tatsächlichen Lebens- und Wohnverhältnissen vor Ort zuzurechnen sind. Dagegen stehen im Weiteren auch die dargelegten kompetenzrechtlichen Schranken der Normsetzung nach den §§ 22a bis 22c SGB II; auch in Bezug auf § 22b Abs 3 SGB II konnte der Bundesgesetzgeber den untergesetzlichen Normgebern Befugnisse nur zur Berücksichtigung besonderer Gegebenheiten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt einräumen, nicht aber zu wertenden Entscheidungen etwa im Hinblick auf den mit Rücksicht auf die Lebensbedingungen in Deutschland als im Allgemeinen angemessen anzusehenden Unterkunftsbedarf Alleinerziehender(vgl zu Fragen in diesem Zusammenhang auch Stölting, SGb 2013, 543, 545 in Besprechung von BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 = SGb 2013, 539).

38

d) Dem Regelungsauftrag und den aus der Kompetenzordnung des GG sich ergebenden Regelungsschranken genügen Normgeber demgemäß mit Sonderregelungen iS von § 22b Abs 3 SGB II nur, wenn sie dazu den jeweils in den Blick genommenen Sonderbedarf nach den Verhältnissen des jeweils örtlich maßgebenden Wohnungsmarktes in Bezug insbesondere auf Größe, Ausstattung oder Lage des benötigten Wohnraums zeit- und realitätsgerecht typisierend erfassen und dazu wie auch im Übrigen auf Verfahren zurückgreifen, die zu dieser Bemessung im Grundsatz tauglich sind(vgl zu dieser Anforderung im Allgemeinen oben 5.c). Sind diese Anforderungen nicht gewahrt, berührt das nicht nur die objektive Rechtmäßigkeit entsprechender Festsetzungen. Damit ist aus der Perspektive betroffener Normadressaten nicht nur der Schutzzweck des § 22b Abs 3 SGB II selbst verfehlt, im Interesse von Personengruppen typisierbare Sonderbedarfe regelmäßig(vgl Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22b RdNr 38) bereits auf der Ebene der abstrakten Angemessenheitsbestimmung aufzugreifen und dadurch die angemessene Bedarfsdeckung ohne Rückgriff auf § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zu erleichtern. Die Bedarfsdeckung kann durch empirisch unzureichend gestützte untergesetzliche Angemessenheitsgrenzen vielmehr sogar erschwert sein, weil auf der Grundlage eines hinreichend geeigneten Verfahrens abstrakt bestimmte Angemessenheitsgrenzen grundsätzlich die Vermutung der Richtigkeit in sich tragen und Leistungsberechtigte deshalb erhöhten Darlegungslasten ausgesetzt sein können, wollen sie diesen Wert erschüttern; zumindest müssen sie im Prozess dann dartun, inwieweit sich die normativ bestimmten Werte nach § 22b Abs 3 SGB II nicht auf zutreffende Ermittlungen zur abstrakt angemessenen Referenzmiete stützen können(vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 36; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 30, 32; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 38).

39

7. Den so umschriebenen Maßstäben wird die WAV mit ihrer für die Geltungserstreckung nach § 35a SGB XII notwendigen Regelung zu den besonderen Wohnbedarfen älterer Menschen in § 6 Abs 2 Buchst d in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.

40

a) Soweit nach § 6 Abs 2 Buchst d iVm mit § 6 Abs 1 WAV bei "über 60-jährigen Hilfeempfangenden", deren tatsächlichen Aufwendungen die "Richtwerte" nach § 4 WAV und damit die abstrakt angemessenen Kosten von Unterkunft und Heizung nach dieser Vorschrift überschreiten, diese Richtwerte in "besonders begründeten Einzelfällen … aus sozialen Gründen und in Härtefällen um bis zu Zehn vom Hundert" überschritten werden "können", verstößt das bei wortgetreuer Auslegung gegen die aufgezeigte bundesrechtliche Rechtslage schon deshalb, weil die Überschreitung der abstrakten Angemessenheitswerte danach als auf höchstens 10 % beschränkt anzusehen und deshalb für weitergehende atypische Fälle kein Raum sein könnte.

41

Sollte das im Lichte insbesondere der bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben anders zu verstehen sein, fehlt es jedenfalls an einer eigenständigen Sonder"Regelung" iS des § 22b Abs 3 SGB II; darauf hat bereits das LSG zutreffend hingewiesen. Normative Wirkung im Sinne des Regelungsauftrags nach § 22b Abs 3 SGB II kann der Bestimmung abstrakt angemessener Bedarfe für Personengruppen mit typischerweise(vgl BT-Drucks 17/3404 S 101) besonderen Bedarfen für Unterkunft und Heizung nur zukommen, wenn für sie nach im Einzelnen erfassbaren tatbestandlichen Voraussetzungen und Grenzen abstrakt bestimmte und für alle Normadressaten deshalb unmittelbar nachvollziehbare Werte vorgegeben sind. Daran fehlt es hier in doppelter Hinsicht.

42

Zum einen sind schon die Voraussetzungen für die Erhöhung der allgemeinen Richtwerte nach § 4 WAV nicht umrissen, sondern es ist auf die Umstände des Einzelfalls verwiesen ("in besonders begründeten Einzelfällen"). Wenn nicht angenommen werden soll, dass schlechthin alle über 60-jährigen Leistungsberechtigten Anspruch auf erhöhte Leistungen für Unterkunft und Heizung haben sollen, trifft die Norm somit schon nach dem Tatbestand gerade selbst keine Sonderregelung iS von § 22b Abs 3 SGB II, sondern sie überweist dies der Beurteilung der Verwaltung im Einzelfall. Das gilt zum anderen auch deshalb, weil auch unbedingte Rechtsfolgen anzuerkennender Sonderbedarfe nicht in der Norm selbst angeordnet sind, sondern die Entscheidung im Einzelfall dem Ermessen der Verwaltung überantwortet ist ("können die Richtwerte … überschritten werden"). § 6 Abs 2 WAV trifft damit nicht selbst eigene Bestimmungen iS von § 22b Abs 3 SGB II, sondern delegiert die Entscheidung über die hiernach zu berücksichtigenden besonderen Bedarfe in jedem Einzelfall auf die Verwaltung. Abgesehen davon, dass diese dazu nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II ohnehin berufen ist und sich im Hinblick hierauf sonach die Frage nach der Rechtswirkung der 10 %-Grenze stellt, verfehlt die Norm schon damit den umrissenen Schutzauftrag des § 22b Abs 3 SGB II, die Angehörigen von Personengruppen mit typischerweise besonderen Wohnbedarfen nach Möglichkeit bereits durch abstrakt-generell wirkende Typisierungen von den Anforderungen des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II freizustellen.

43

b) Verfehlt ist dieser Auftrag weiter deshalb, weil - in der Konsequenz der Ausgestaltung liegend - die "Sonderregelungen" des § 6 Abs 2 WAV ersichtlich in keiner Weise auf Erhebungen gestützt sind, die im dargelegten Sinne zeit- und realitätsgerecht eine typisierende Erfassung der umfassten Sonderbedarfe nach den Verhältnissen des Berliner Wohnungsmarktes in Bezug insbesondere auf Größe, Ausstattung oder Lage des benötigten Wohnraums erlauben könnten. Solche Erhebungen weisen schon die Materialien nach § 22b Abs 2 Satz 1 SGB II nicht nach(vgl GVBl 2012, 103 ff), jedenfalls steht hiergegen der Umstand, dass für schlechthin jede der in § 6 Abs 2 WAV im Einzelnen aufgeführten und sehr verschiedenen Personengruppen eine Erhöhungsmöglichkeit um bis zu 10 % vorgesehen ist, obwohl ihnen zum Teil tatbestandlich fassbare Sonderbedarfe schon gar nicht zugrunde liegen können. In besonderer Weise augenfällig ist das für die Gruppe der "Personen, die in absehbarer Zeit kostendeckende Einkünfte haben" (§ 6 Abs 2 Buchst f WAV), gilt aber auch für die sonstigen Gruppen. Sollte nicht anzunehmen sein, dass die Werte danach auf - im Wege der untergesetzlichen Normsetzung unzulässigen - politischen Setzungen beruhen, können sie jedenfalls allenfalls "Schätzungen ins Blaue" sein, was zur Konkretisierung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II schlechterdings unzureichend und deshalb auch im Rahmen untergesetzlicher Normgebung unzulässig ist(zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171; zu § 22 Abs 1 SGB II vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21).

44

8. Erfolg hat hiernach die Revision des Antragstellers, soweit die WAV - bezogen auf sein Interesse, nicht gemäß § 35a SGB XII in deren Geltungsbereich einbezogen zu werden - in Bezug auf die Sonderbedarfsregelung für die "über 60-jährigen Hilfeempfangenden" in § 6 Abs 2 Buchst d wegen Verstoßes gegen § 22b Abs 3 SGB II nach § 55a Abs 5 Satz 2 Halbs 1 SGG für unwirksam zu erklären ist; in diesem Umfang ist zugleich die Revision des Antragsgegners zurückzuweisen.

45

Ohne Erfolg ist der Antragsteller hingegen mit dem weitergehenden Begehren geblieben, die WAV auch im Übrigen für unwirksam zu erklären. Hierfür fehlt es nach dem Ausspruch zu § 6 Abs 2 Buchst d WAV offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise an einem anzuerkennenden Rechtsschutzinteresse, denn wegen der Ungültigkeit jedenfalls dieses Normteils fehlt es an jeder möglichen Anknüpfungsgrundlage für eine Geltungserstreckung der WAV auf den dauerhaft aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschiedenen Antragsteller nach Maßgabe von § 35a SGB XII; insoweit verfolgt er mit seinem weitergehenden Begehren Interessen, die zur Verbesserung seiner Rechtsstellung offenkundig nicht beitragen können und über die danach im hier anhängigen Normenkontrollverfahren (zu weiteren anhängigen Revisionsverfahren zur WAV vgl B 4 AS 34/13 R, B 4 AS 52/13 R sowie B 14 AS 53/13 R) nicht entschieden zu werden braucht.

46

Zur Vermeidung weiterer Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten über die Geltungswirkung der WAV für Ansprüche des Antragstellers hat der Senat deshalb jedoch den Ausspruch zu § 6 Abs 2 Buchst d WAV zum einen mit der Feststellung verbunden, dass die WAV für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII nicht gilt und dies zum anderen dadurch verdeutlicht, dass er die Worte "und Zwölften" in der Überschrift der WAV für unwirksam erklärt hat.

47

9. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revisionen des Antragstellers und des Antragsgegners wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. August 2012 geändert.

In der Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) werden in der Überschrift die Wörter "und Zwölften" und § 6 Abs 2 Buchstabe d für unwirksam erklärt.

Es wird festgestellt, dass die Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) für Leistungsempfänger nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch nicht gilt.

Im Übrigen werden die Revisionen des Antragstellers und des Antragsgegners zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt zwei Drittel der Kosten des Antragstellers.

Tatbestand

1

Gegenstand der Normenkontrolle ist die vom Senat des Landes Berlin erlassene "Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" (Wohnaufwendungenverordnung - WAV, hier in der Fassung vom 3.4.2012, GVBl 2012, 99).

2

1. Mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453) räumte der (Bundes-)Gesetzgeber den Ländern bei materiell ansonsten im Wesentlichen unveränderter Rechtslage zur Übernahme von Unterkunftskosten die Befugnis ein, die Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS von § 22 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zum Gegenstand kommunaler Rechtsetzung zu machen. Demgemäß können die Länder die Kreise und kreisfreien Städte nach § 22a Abs 1 Satz 1 SGB II durch Gesetz ermächtigen oder verpflichten, durch "Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind". Entsprechendes gilt für die Länder Berlin und Hamburg, die (durch Landesgesetz) bestimmen, "welche Form der Rechtsetzung an die Stelle einer nach Satz 1 vorgesehenen Satzung tritt" (§ 22a Abs 1 Satz 3 SGB II). Genügen hierauf beruhende untergesetzliche Normen weiteren Anforderungen, so bindet das nach Maßgabe der ebenfalls mit dem RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführten Regelung des § 35a Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) auch die Träger der Sozialhilfe. Danach gilt: "Hat ein Kreis oder eine kreisfreie Stadt eine Satzung nach den §§ 22a bis 22c des Zweiten Buches erlassen, so gilt sie für Leistungen für die Unterkunft nach § 35 Absatz 1 und 2 des zuständigen Trägers der Sozialhilfe entsprechend, sofern darin nach § 22b Absatz 3 des Zweiten Buches Sonderregelungen für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung getroffen werden und dabei zusätzlich auch die Bedarfe älterer Menschen berücksichtigt werden".

3

2. Gestützt auf eine diese Befugnisse wahrnehmende Rechtsverordnungsermächtigung in § 8 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch des Landes Berlin(hier idF des Gesetzes vom 13.7.2011, GVBl 344) ist vom Senat des Landes Berlin mit Wirkung zum 1.5.2012 die im Streit stehende WAV mit Regelungen zu besonderen Bedarfen für Unterkunft und Heizung auszugsweise wie folgt erlassen worden:

        

"§ 6

Besondere Bedarfe für Unterkunft und Heizung

zur Bestimmung der individuellen Angemessenheit

        

(1) Sofern die tatsächlichen Aufwendungen der Leistungsberechtigten den Richtwert gemäß § 4 überschreiten, gelten wegen besonderer Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22b Absatz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zur individuellen Bestimmung der Angemessenheit abweichend von den Richtwerten nach § 4 die in den Absätzen 2 bis 9 getroffenen Sonderregelungen.

        

(2) In besonders begründeten Einzelfällen können die Richtwerte nach § 4 aus sozialen Gründen und in Härtefällen um bis zu Zehn vom Hundert überschritten werden, insbesondere bei

        

a) Alleinerziehenden,

b) Längerer Wohndauer (mindestens 15 Jahre),

c) wesentlichen sozialen Bezügen (z. B. Schulweg von Kindern, Betreuungseinrichtungen, Kindertagesstätten),

d) über 60-jährigen Hilfeempfangenden,

e) Schwangeren,

f) Personen, die in absehbarer Zeit kostendeckende Einkünfte haben."

4

3. Der 1957 geborene, im Land Berlin - dem Antragsgegner - lebende Antragsteller bezieht eine ab dem 1.1.2009 laufend zahlbare Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne zeitliche Begrenzung in Höhe von anfänglich ca 150 Euro (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 17.11.2009) sowie seit dem 1.1.2010 laufende Leistungen nach dem SGB XII (Bescheid des Bezirksamts Treptow-Köpenick von Berlin vom 9.12.2009). Der Antragsteller ist alleinstehend und bewohnt eine Zwei-Zimmer-Wohnung von 49 qm Größe. Hierfür gewährte ihm der Antragsgegner nach zwischenzeitlicher Ankündigung von Leistungsabsenkungen und Hinweisen auf das Inkrafttreten der WAV - nach der für einen 1-Personenhaushalt von einem Bruttowarm-Richtwert von maximal 408 Euro auszugehen war - jedenfalls bis zum 31.12.2012 Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von seinen Angaben zufolge zuletzt 444 Euro monatlich einschließlich Heiz- und Betriebskostenvorauszahlungen.

5

Mit seinem am 6.5.2012 gestellten Normenkontrollantrag begehrte der Antragsteller, die WAV für unwirksam zu erklären. Sämtliche Mietbestandteile seien nicht zutreffend in die WAV eingestellt worden. Der Berliner Wohnungsmarkt befinde sich in einer Phase stetig steigender Mietpreise, weshalb die Angebote insbesondere in zentralen Bereichen deutlich über dem Betrag lägen, der von Leistungsbeziehern, deren Ansprüche nach der WAV bestimmt würden, aufgewandt werden könnte.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat den Antrag als unzulässig verworfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt (Urteil vom 7.8.2012): Der Antragsteller sei nicht antragsbefugt. Die Antragsbefugnis setze die schon im Rahmen der Zulässigkeit abschließend zu treffende Feststellung voraus, dass die zur Überprüfung gestellte Norm ein subjektiv-öffentliches Recht des Antragstellers betreffe. Daran fehle es, da die Voraussetzungen einer Geltungserstreckung für die von dem Antragsteller beanspruchten Leistungen nach dem SGB XII nicht vorlägen und er deshalb in den Geltungsbereich der WAV nicht einbezogen sei. Die Härtefallregelungen des § 6 Abs 2 WAV trügen dem besonderen Bedarf älterer Menschen nicht Rechnung und genügten deshalb den Anforderungen des § 35a SGB XII nicht.

7

4. Der Antragsteller hat - ebenso wie der Antragsgegner - die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und macht geltend: Das LSG überdehne die Anforderungen an die Zulässigkeit eines Normenkontrollverfahrens nach § 55a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Entgegen dessen Auffassung komme es nur darauf an, ob - entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) - subjektive Rechte eines Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein könnten. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Er sei in seinen Rechten betroffen, weil die WAV nach der Intention des Verordnungsgebers und der Verwaltungspraxis auf ihn angewendet werden solle und werde. In der Sache halte er daran fest, dass die WAV den gesetzlichen Vorgaben der §§ 35, 35a SGB XII und der §§ 22a bis 22c SGB II nicht genüge. Insbesondere sei die Datenbasis mangelhaft, auch sei Wohnraum zu derartigen Preisen im Gebiet des Antragsgegners nicht verfügbar. Dessen Revision sei mangels Beschwer durch das Urteil des LSG unzulässig.

8

Der Antragsteller beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. August 2012 aufzuheben und die Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) für unwirksam zu erklären,
hilfsweise,
die Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) für unwirksam zu erklären, soweit sie sich auch Geltung gegenüber Leistungsberechtigten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch beimisst,
sowie die Revision des Antragsgegners zurückzuweisen.

9

Der Antragsgegner sieht in der Verwerfung des Normenkontrollantrags ebenfalls einen Verstoß gegen § 35a SGB XII und beantragt unter Verteidigung der WAV auch im Übrigen,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. August 2012 aufzuheben und den Normenkontrollantrag des Antragstellers abzulehnen,
hilfsweise,
die Revision des Antragstellers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Antragstellers hat teilweise Erfolg, die des Antragsgegners bleibt ohne Erfolg. In der Sache zu Recht hat das LSG entschieden, dass § 6 Abs 2 Buchst d der WAV unwirksam ist und diese deshalb auf Leistungsberechtigte nach dem SGB XII keine Anwendung findet; insoweit war die WAV für unwirksam zu erklären und auszusprechen, dass sie für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII nicht gilt (dazu unten 4. bis 8.). Das feststellen zu lassen, ist der Antragsteller auch antragsbefugt (dazu unten 3. b). Für eine weitergehende Überprüfung der WAV bestand hingegen kein Rechtsschutzbedürfnis.

11

1. Zuständig zur Entscheidung des Rechtsstreits ist der erkennende 14. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) als Spruchkörper für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Streitigkeiten über die Gültigkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm nach § 22a Abs 1 SGB II im Normenkontrollverfahren gemäß § 55a SGG bilden eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende iS von § 51 Abs 1 Nr 4a SGG auch dann, wenn sie wie hier von einem Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII unter Berufung auf nachteilige Auswirkungen der angegriffenen Norm auf seine Ansprüche nach § 35 SGB XII geführt werden.

12

a) Nach der gesetzlichen Konzeption ergehen untergesetzliche Rechtsnormen nach § 22a Abs 1 SGB II auch dann als Vorschriften auf der Grundlage nur des SGB II, wenn sie iS von § 35a Satz 1 Halbs 2 SGB XII nach § 22b Abs 3 SGB II "Sonderregelungen für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung enthalten" und dabei die "Bedarfe älterer Menschen berücksichtigt werden" und sie infolgedessen Geltungswirkung für die Leistungen nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII entfalten. Schon nach dem Wortlaut von § 35a Satz 1 Halbs 2 SGB XII liegt die Rechtsgrundlage für die (auch) die Bindungswirkung nach dem SGB XII auslösenden Festsetzungen von Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II ausschließlich in § 22b Abs 3 SGB II und nicht in einer eigenständigen Anordnung des SGB XII. Auch ansonsten enthält das SGB XII keine Regelung vergleichbar der des § 22a Abs 1 SGB II, die als selbstständige Befugnis zur Einführung einer untergesetzlichen Normgebung für die Unterkunftsleistungen nach dem SGB XII anzusehen sein könnte. Wie die Materialien erweisen, folgte das der bewussten Entscheidung, den Sozialhilfeträgern insoweit keine eigene Satzungsermächtigung zu erteilen (BT-Drucks 17/3404 S 126).

13

Ob damit etwaigen verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf die Bindung von Sozialhilfeträgern durch die nach § 22a Abs 1 SGB II zur Normsetzung berufenen Körperschaften ausreichend Rechnung getragen ist, mag offen bleiben(daran eher Zweifel hegend Stölting in jurisPK-SGB XII, § 35a RdNr 8). Jedenfalls der Gesetzgeber ist ersichtlich davon ausgegangen, dass die rechtliche Grundlage auch von Sonderregelungen mit Wirkung für Ansprüche nach § 35 SGB XII allein in den §§ 22a bis 22c SGB II zu sehen ist. Folgerichtig wird vertreten, dass der SGB II-Normgeber die Bindungswirkungen für das SGB XII weder ausdrücklich anzuordnen habe noch sie ausschließen könne; vermeidbar seien sie nur über den Verzicht auf die sie auslösenden Regelungsgehalte (vgl Berlit in Bieritz-Harder/Conradis/Thie, SGB XII, 9. Aufl 2012, § 35a RdNr 7).

14

Systematisch im Einklang damit ist die Normenkontrolle nach § 55a SGG nur eröffnet für die Gültigkeit von Satzungen oder anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, "die nach § 22a Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden sind". Auch das lässt sich nur dahin verstehen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers untergesetzliche Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II ungeachtet ihrer Bindungswirkungen für das SGB XII in formaler Hinsicht ausschließlich dem Rechtskreis des SGB II zuzuordnen sind.

15

b) Diese Zuordnung begründet die Zuständigkeit der Senate für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch dann, wenn über einen auf die mögliche Rechtsbetroffenheit über § 35a SGB XII gestützten Normenkontrollantrag nach § 55a SGG zu befinden ist. Welchem der in § 51 Abs 1 SGG enumerativ aufgeführten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten der Rechtsstreit zuzuordnen ist, richtet sich danach, ob das Rechtsverhältnis, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, seiner Natur nach einem dieser Rechtsgebiete zuzuordnen ist. Entscheidend ist dabei, welche Rechtssätze für das jeweilige Begehren prägend sind (vgl zum Ganzen GmSOGB Beschluss vom 4.6.1974 - GmS-OGB 2/73 - BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2, Beschluss vom 10.4.1986 - GmS-OGB 1/85 - SozR 1500 § 51 Nr 39 = BGHZ 97, 312 und Beschluss vom 10.7.1989 - GmS-OGB 1/88 - SozR 1500 § 51 Nr 53 = BGHZ 108, 284; vgl auch BSG Beschluss vom 6.9.2007 - B 3 SF 1/07 R - SozR 4-1720 § 17a Nr 3 RdNr 9 sowie Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 51 RdNr 4 f und Ulmer in Hennig, SGG, § 51 RdNr 3, Stand: Oktober 2013). Demgemäß liegt eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende dann vor, wenn das klägerische Begehren durch Rechtsvorschriften des SGB II geprägt wird (vgl BSG Beschluss vom 1.4.2009 - B 14 SF 1/08 R - SozR 4-1500 § 51 Nr 6 RdNr 15; zu weiteren Fallkonstellationen s auch Groß in Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 51 RdNr 11). Das ist nach der dargelegten gesetzlichen Konzeption im Verhältnis zwischen den §§ 22a bis 22c SGB II einerseits und § 35a SGB XII andererseits auch dann der Fall, wenn die Überprüfung einer untergesetzlichen Norm iS von § 22a Abs 1 SGB II wegen ihrer Auswirkungen auf die Leistungen für die Unterkunft nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII begehrt wird.

16

c) Bestätigt wird dies weiter durch die Ausgestaltung des Normenkontrollverfahrens nach § 55a SGG im Übrigen, wie es durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführt worden ist(zu den Motiven insoweit vgl BT-Drucks 17/3404 S 131). Zu entscheiden über Anträge nach § 55a SGG ist danach von den LSG - im ersten Rechtszug(§ 29 Abs 2 Nr 4 SGG) - in jeweils zu bildenden eigenen Senaten (§ 31 Abs 2 SGG idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG). Für deren Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern ist in den Materialien verwiesen auf die Besetzung der Kammern für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BT-Drucks 17/3404 S 131 mit Verweis auf § 12 Abs 5 Satz 1 SGG in der bis zum 24.10.2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444). Auch das belegt zum einen, dass sich die Spruchkörperzuständigkeit in Verfahren nach § 55a SGG allein nach dem Angriffsgegenstand richtet, maßgeblich also nur ist, ob es sich um eine "nach § 22a Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und dem dazu ergangenen Landesgesetz" erlassene Norm handelt oder nicht. Zum anderen erweisen die Vorstellungen über die Besetzung der hierfür zu bildenden Senate, dass Antragsverfahren nach § 55a SGG als Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch dann anzusehen sind, wenn die Antragsteller im Leistungsbezug nach dem SGB XII stehen.

17

2. Streitgegenstand ist die WAV in der Fassung, wie sie der mündlichen Verhandlung des LSG am 7.8.2012 zugrunde gelegen hat. Als Norm des Landesrechts obliegen die Feststellung ihres Inhalts und ihre Auslegung, von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich allein dem LSG (§§ 162, 202 SGG iVm § 560 Zivilprozessordnung, vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 34 RdNr 16 mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 28 RdNr 27). Beim BSG angefallen ist das Verfahren demzufolge ausschließlich mit dem Rechtsstand, wie er Gegenstand der Entscheidung des LSG war, also in der vom Senat des Landes Berlin beschlossenen Fassung der WAV vom 3.4.2012 (GVBl 2012, 99). Nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist die Norm demnach hingegen in der Fassung ihrer am 1.8.2013 in Kraft getretenen Fortschreibung durch die Erste Verordnung zur Fortschreibung der Wohnaufwendungenverordnung (WAV-Fortschreibungsverordnung 2013) vom 16.7.2013 (GVBl 2013, 348) mit den Änderungen in den Anlagen 1 und 2.

18

3. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht.

19

a) Insbesondere ist zunächst neben der Revision des durch das Urteil des LSG formell beschwerten Antragstellers auch die Revision des Antragsgegners zulässig. Zwar hat dieser vor dem LSG formell obsiegt und muss wegen der Bindungswirkung der Entscheidung auch nicht besorgen, vom Antragsteller gegenwärtig erneut mit einem Normenkontrollantrag überzogen zu werden (zur Beschwer bei Prozess- statt Sachurteilen ansonsten vgl BSG Urteil vom 26.10.1989 - 4 RA 90/88 - RdNr 9, HV-INFO 1990, 102 unter Hinweis auf BSGE 24, 134, 135 = SozR Nr 7 zu § 85 SGG; vgl hierzu auch BVerwG Urteil vom 12.1.2012 - 7 C 5/11 - BVerwGE 141, 311, 323 f); dem stünde der Mangel der Antragsbefugnis bei unveränderter Fassung der WAV auch weiterhin entgegen.

20

Auf diese Sperrwirkung beschränken sich die Folgen des angegriffenen Urteils indes nicht. Nach dessen tragenden Gründen kann sich vielmehr der Antragsteller in der Sache dem Antragsgegner gegenüber darauf berufen, dass § 6 WAV in der zur Überprüfung gestellten Fassung keine Regelung zur Berücksichtigung der Bedarfe älterer Menschen iS von § 35a Satz 1 SGB XII trifft und die WAV deshalb - anders als dieser meint - auf ihn keine Anwendung findet. Diese Wirkung kommt der einen Normenkontrollantrag gegen eine Satzung ablehnenden Entscheidung nicht nur in einem erneuten Normenkontrollverfahren, sondern in jedem Verfahren zwischen den Beteiligten zu, bei dem es auf die Gültigkeit dieser Satzung ankommt (vgl zu § 47 Verwaltungsgerichtsordnung: BVerwG Beschluss vom 2.9.1983 - 4 N 1/83 - BVerwGE 68, 12, 15 unter Hinweis auf BGH Urteil vom 8.5.1980 - III ZR 27/77 - BGHZ 77, 338; vgl auch BVerwG Beschluss vom 10.5.1995 - 8 B 32/95 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr 71). Ungeachtet der Erfolglosigkeit des Normenkontrollantrags des Antragstellers muss der Antragsgegner deshalb nach dem Urteil des LSG besorgen, dass ihm in der Sache jedenfalls im Verhältnis zum Antragsteller bei Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des LSG (§ 141 Abs 1 Nr 1 SGG) in nachfolgenden Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren über von ihm zu gewährende Leistungen nach § 35 SGB XII die Berufung auf die WAV versagt ist. Das begründet eine die Zulässigkeit seiner Revision rechtfertigende Beschwer.

21

b) Zu Unrecht hat das LSG angenommen, dass dem Antragsteller die Antragsbefugnis für den Normenkontrollantrag fehlt und der Antrag deshalb als unzulässig zu verwerfen ist; dem ist nicht zu folgen.

22

Antragsbefugt für Normenkontrollanträge nach § 55a SGG ist gemäß dessen Abs 2 Satz 1 jede natürliche Person, "die geltend macht, durch die Anwendung der Rechtsvorschrift in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden". Diese Voraussetzungen sind im Wesentlichen wörtlich (zu Unterschieden Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 55a RdNr 7)den entsprechenden Anforderungen in § 47 Abs 2 Satz 1 VwGO für das verwaltungsgerichtliche Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO entnommen, das im Gesamten Vorbild für § 55a SGG war(vgl BT-Drucks 17/3404 S 132; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 147 f; Luik in Hennig, SGG, § 55a RdNr 3, Stand der Einzelkommentierung Mai 2013). Diese Übereinstimmung auch der Zulässigkeitsvoraussetzungen schließt es aus, dass der Gesetzgeber den Zugang zum Normenkontrollverfahren nach § 55a SGG an andere und insbesondere strengere Anforderungen hat binden wollen als sie für die Normenkontrolle nach § 47 VwGO gelten. Maßgebend auch für die Auslegung von § 55a Abs 2 Satz 1 SGG ist damit, dass die Zugangsvoraussetzungen für das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO den Anforderungen an die Klagebefugnis nach § 42 Abs 2 VwGO nachgebildet sind(vgl BT-Drucks 13/3993 S 10) und deshalb ständiger Rechtsprechung des BVerwG zufolge an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs 2 Satz 1 VwGO keine höheren Anforderungen zu stellen sind als nach § 42 Abs 2 VwGO(stRspr; vgl zuletzt nur BVerwG Urteil vom 18.4.2013 - 5 CN 1/12 - BVerwGE 146, 217 RdNr 16 mwN). Auch im Antragsverfahren nach § 55a SGG fehlt es an der Antragsbefugnis daher nur dann, wenn unter Zugrundelegung des Antragsvorbringens Rechte des Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können(zu § 47 Abs 2 Satz 1 VwGO stRspr; vgl nur BVerwG, aaO, mwN; ebenso für § 55a Abs 2 Satz 1 SGG Luik in Hennig, SGG, § 55a RdNr 23, Stand der Einzelkommentierung Mai 2013; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 55a RdNr 7; Hintz in Hintz/Lowe, SGG, 2012, § 55a RdNr 12 ff).

23

Eröffnet ist ein Antragsverfahren nach § 55a SGG demgemäß stets dann, wenn das Antragsvorbringen es zumindest als möglich erscheinen lässt, dass die in der zur Prüfung gestellten Norm getroffenen Festsetzungen hinter den gegenwärtig bereits aufgebrachten oder absehbar aufzubringenden tatsächlichen Aufwendungen des Antragstellers für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II) zurückbleiben und ihr deshalb bestimmende Wirkung für einen Anspruch des Antragstellers auf existenzsichernde Leistungen zukommen kann. Das gilt auch, soweit wie hier Ansprüche nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII in Rede stehen.

24

Nicht auszuschließen ist zwar, dass die Geltungserstreckungsvoraussetzungen nach § 35a Satz 1 SGB XII nach dem Inhalt der angegriffenen Norm nicht vorliegen und diese deshalb keine Geltungswirkung für den Leistungsbezug nach dem SGB XII entfaltet. Indes ist für die Antragsbefugnis ohne Bedeutung, ob die Norm die in ihr angelegten Wirkungen tatsächlich hat und der Antragsteller deshalb des Schutzes im Normenkontrollverfahren bedarf. Das Antragsverfahren nach § 55a SGG dient nicht nur dem Individualrechtsschutz, sondern zugleich der objektiven Rechtskontrolle(zu § 47 VwGO BVerwG Beschluss vom 18.7.1989 - 4 N 3/87 - BVerwGE 82, 225, 230; BVerwG Urteil vom 9.4.2008 - 4 CN 1/07 - BVerwGE 131, 100, RdNr 13, jeweils mwN; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl 2010, § 47 RdNr 31 ff; Gerhardt/Bier in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juli 2005, § 47 RdNr 3). Daher setzt die Erklärung einer Rechtsvorschrift für unwirksam im Normenkontrollverfahren nach § 55a SGG eine Verletzung eigener Rechte des Antragstellers nicht voraus(zu § 47 VwGO BVerwG Urteil vom 9.4.2008, aaO, RdNr 13). Diese Ausgestaltung der Normenkontrolle als auch der objektiven Rechtskontrolle dienendes Verfahren wäre konterkariert, wenn die tatsächliche Betroffenheit in eigenen Rechten im Gewand der Antragsbefugnis zur Voraussetzung für die Einleitung des Normenkontrollverfahrens erhoben würde. Erscheint wie vorliegend schon nach der Bezeichnung ("Verordnung … nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch") und dem Regelungsinhalt (§ 6 Abs 2 Buchst d WAV) der zur Prüfung gestellten Norm sowie mehrfachen Aufforderungen zur Absenkung der Aufwendungen für die Unterkunft ihre Geltungserstreckung auf Ansprüche nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII jedenfalls nicht offenkundig ausgeschlossen, überspannt es die Zulässigkeitsanforderungen des § 55a Abs 2 Satz 1 SGG, wenn der Normenkontrollantrag gleichwohl als unzulässig verworfen wird.

25

c) Sachentscheidungshindernisse sind schließlich ebenfalls nicht durch die Fortschreibung der WAV zum 1.8.2013 durch die WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 entstanden; dadurch ist das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an der Unwirksamkeitserklärung nicht entfallen. Zum einen lässt die Fortschreibung der Angemessenheitsgrenzen der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den Bestand der übrigen Regelungen ohnehin unberührt, hier also den des § 6 Abs 2 Buchst d WAV. Zum anderen sind die durch die Neufassung verdrängten Werte nicht förmlich aufgehoben und gelten deshalb für den Zeitraum seit Inkrafttreten der WAV ab 1.5.2012 bis zum 31.7.2013 auch weiterhin. Jedenfalls solange eine Rechtsvorschrift solche Wirkungen zu äußern vermag, kann sie Gegenstand einer Normenkontrolle sein (vgl zu § 47 VwGO BVerwG Beschluss vom 5.6.2003 - 4 BN 19/03 - RdNr 1 unter Hinweis auf BVerwG Beschluss vom 2.9.1983 - 4 N 1/83 - BVerwGE 68, 12).

26

4. In der Sache ist die WAV mit der für die Geltungserstreckung nach § 35a SGB XII notwendigen Regelung zu den besonderen Wohnbedarfen älterer Menschen in § 6 Abs 2 Buchst d unwirksam, weil sie den Anforderungen an die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II, die wie bei der Konkretisierung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch die Verwaltung eine realitätsgerechte Erfassung des Unterkunftsbedarfs erfordern(dazu sogleich unter 5.) und die für Sonderregelungen für besondere Bedarfe nach § 22b Abs 3 SGB II ebenso gelten(dazu unter 6.), nicht genügt (dazu unter 7.). Insoweit ist die WAV deshalb für unwirksam zu erklären und auszusprechen, dass sie für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII nicht gilt; weitergehende Prüfungen sind dagegen hier nicht veranlasst (dazu unter 8.).

27

5. Die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II erfordert die realitätsgerechte Erfassung des Unterkunftsbedarfs in gleicher Weise, wie es der Verwaltung bei der Bestimmung des abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegeben ist.

28

a) Mit den durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführten §§ 22a bis 22c SGB II hat der Gesetzgeber die Grundlage dafür geschaffen, die abstrakt angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung anstatt durch die ansonsten dazu berufene Verwaltung auch im Wege untergesetzlicher Normsetzung bestimmen zu können. Leitend dafür war die Überzeugung, dass die Konkretisierung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung in der Praxis noch immer Schwierigkeiten aufwerfe und eine bundeseinheitliche Regelung durch Verordnung nach § 27 Nr 1 SGB II(zuletzt idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) nicht zweckmäßig erscheine; demgegenüber biete die Normsetzungslösung die beste Gewähr dafür, die regionalen Besonderheiten des Wohnungsmarktes transparent und zugleich rechtssicher abbilden zu können (vgl BT-Drucks 17/3404 S 44). Eine entsprechende landesrechtliche Ermächtigung vorausgesetzt, können demgemäß seither alle der abstrakten Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zuzurechnenden Bestimmungen durch untergesetzliche Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II vorgenommen werden, sofern diese 1. mindestens die Mindestinhalte nach § 22b Abs 1 Satz 1 SGB II enthalten und 2. bei ihrem Erlass die in den §§ 22a bis 22c SGB II im Weiteren bezeichneten Verfahrensvorgaben eingehalten sind. Inhaltlich getroffen werden müssen danach mindestens Bestimmungen darüber, (1.) welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt wird und (2.) in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterkunft als angemessen anerkannt werden (§ 22b Abs 1 Satz 1 SGB II). Abgebildet werden sollen hierdurch jedenfalls die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt (§ 22a Abs 3 Satz 1 SGB II) und zwar nach Möglichkeit unter Berücksichtigung insbesondere von Mietspiegeln, qualifizierten Mietspiegeln und Mietdatenbanken und/oder von geeigneten eigenen statistischen Datenerhebungen und -auswertungen der Normgeber oder Erhebungen Dritter (§ 22c Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB II).

29

b) Bezugspunkt der damit eröffneten untergesetzlichen Normsetzungsbefugnis ist die durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG inhaltlich unverändert gebliebene (zu Einzelheiten vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 5) Regelung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, wonach Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind. Die hiernach erforderliche Konkretisierung der Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, auf die in der Gesetzesbegründung verwiesen ist, erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung der Grundsicherungssenate des BSG in einem mehrstufigen Verfahren: Zunächst ist zu überprüfen, ob die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft dem entsprechen, was für eine nach abstrakten Kriterien als angemessen geltende Wohnung auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzubringen ist (abstrakte Angemessenheitsprüfung). Übersteigen die tatsächlich aufzubringenden Wohnkosten die abstrakt ermittelte Referenzmiete, ist entsprechend der Vorgaben in § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II(hier idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Mietmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar ist, es ihm also möglich ist, die Kosten für die Unterkunft auf das abstrakt angemessene Maß zu senken (konkrete Angemessenheit) (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19 ff; zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 18).

30

c) Gegenstand auch der untergesetzlichen Normgebung nach § 22a Abs 1 SGB II ist damit die Konkretisierung des durch § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegebenen Begriffs der "Angemessenheit" der Bedarfe für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II). Dieser Begriff unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff uneingeschränkter richterlicher Kontrolle (stRspr seit BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 21, 24; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 20; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 19 f). Zu seiner Ausfüllung ist jedenfalls der abstrakt als angemessen anzuerkennende Mietpreis unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten konkret zu ermitteln (sog Referenzmiete; stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 17; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 44; zur abstrakt angemessenen Wohnungsgröße vgl dagegen BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 12). Erforderlich dazu sind im Einzelnen überprüfbare Erhebungen und Auswertungen, die eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergeben (so genanntes schlüssiges Konzept, vgl grundlegend insbesondere BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18 ff; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - FEVS 60, 145, 149, juris RdNr 16; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 44). Unzureichend zur Erfassung der sozialen Wirklichkeit sind hingegen Schätzungen pauschaler Werte "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage; das würde den Anforderungen zur Ermittlung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nicht gerecht (zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171). Das verbietet sich bei der Bestimmung des Unterkunftsbedarfs genauso (vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21).

31

d) Diese Maßgaben gelten für die untergesetzliche Normsetzung nach §§ 22a bis 22c SGB II nicht anders. Schon der Gesetzeswortlaut bietet keinen Anhalt dafür, dass den Normgebern insoweit andere und von den Gerichten nur in reduziertem Maß gerichtlich zu kontrollierende Spielräume zustehen könnten als der Verwaltung. Im Gegenteil sind die Vorgaben zum Vergleichsmaßstab (§ 22a Abs 3 Satz 1 SGB II), zu den Norminhalten (§ 22b Abs 1 SGB II), zur Datengrundlage (§ 22c Abs 1 SGB II) und den Begründungsanforderungen (§ 22b Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II) im Einzelnen in so enger Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gefasst, dass unterschiedliche Konkretisierungsaufträge und/oder Entscheidungsspielräume im Verhältnis zwischen untergesetzlicher Normsetzung einerseits und verwaltungsmäßigem Vollzug andererseits durch den Gesetzeswortlaut nicht zu belegen sind(ebenso Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 146). Soweit demgegenüber nach den Materialien die Zielvorgabe des § 22a Abs 3 Satz 1 SGB II nur als ein für die objektive Rechtmäßigkeit der Normsetzung unbeachtlicher Programmsatz anzusehen sein soll(vgl BT-Drucks 17/3404 S 100; dem folgend auch Piepenstock in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 22a RdNr 36), hat dies jedenfalls im Normtext selbst keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (gegen diese Qualifizierung auch Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, §§ 22a-22c SGB II RdNr 9; Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22a RdNr 26; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22a RdNr 11). Das lässt sich auch nicht darauf stützen, dass der untergesetzlichen Normsetzung durch § 22a Abs 3 Satz 2 SGB II die Berücksichtigung von Folgewirkungen aufgegeben ist, die sich uU als Maßstab der Angemessenheitsbestimmung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht notwendig alle wiederfinden. Auch wenn über die Bedeutung dessen hier nicht im Einzelnen zu befinden ist, trägt das jedenfalls nicht den Schluss, dass die nach § 22a Abs 3 Satz 1 SGB II für die Normgebung maßgeblichen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes durch wertende Entscheidung der Normgeber ersetzt werden könnten.

32

Die Normsetzungsermächtigung der untergesetzlichen Normgeber durch § 22a Abs 1 SGB II eröffnet solche Spielräume gleichfalls nicht(so aber wohl Groth in Groth/Luik/Siebel-Hufmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 1. Aufl 2011, RdNr 367). In der Wahrnehmung dieser Ermächtigung konkretisieren die Normgeber in gleicher Weise wie die Verwaltung die die Unterkunft als Teil des physischen Existenzminimums umfassende verfassungsrechtliche Garantie des menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz (, vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 223 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 131 mwN) und haben deshalb die dafür maßgebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Nach der Kompetenzordnung des GG sind demgemäß die Wertentscheidungen über die Leistungshöhe mit Blick auf den Entwicklungsstand des Gemeinwesens und die bestehenden Lebensbedingungen allein dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten (vgl BVerfG, aaO, S 222 ff bzw RdNr 133 ff). Soweit dazu von Verfassungs wegen die soziale Wirklichkeit zu erfassen ist, unterliegt schon er strikten Anforderungen (vgl BVerfG, aaO, S 224 ff bzw RdNr 138 ff). Um so weniger können von diesen Anforderungen die freigestellt werden, von denen die gesetzgeberischen Vorgaben administrativ umzusetzen sind. Das können auch die untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II nicht für sich beanspruchen. Sie sind zwar in besonderer Weise mit den Verhältnissen vor Ort vertraut und können deshalb bessere Kenntnis von den Gegebenheiten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt haben als dies aus der Bundesperspektive möglich wäre (vgl BT-Drucks 17/3404 S 100). Zu eigenen wertenden Entscheidungen sachlich-politischer Art über den zur Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu deckenden Unterkunftsbedarf reicht indes ihre demokratische Legitimation nicht. Wertsetzungen solcher Art sind ausschließlich dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst vorbehalten (vgl BVerfG, aaO, S 224 ff bzw RdNr 138).

33

In keinem geringeren Maß als es der Verwaltung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegeben ist, haben demgemäß auch die untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II die soziale Wirklichkeit im Hinblick auf den Unterkunftsbedarf zeit- und realitätsgerecht zu erfassen und dazu auf Verfahren zurückzugreifen, die zu dessen Bemessung im Grundsatz tauglich sind(ebenso Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22a RdNr 9 ff; Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22a RdNr 6 f; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 146). Unzulässig auch für die Normsetzung nach den §§ 22a bis 22c SGB II dagegen sind Schätzungen pauschaler Werte "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage; sie laufen dem verfassungsrechtlichen Auftrag zu realitätsgerechter Ermittlung zuwider (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171).

34

6. Die aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums abzuleitenden Verfahrensanforderungen an die Konkretisierung des abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs durch untergesetzliche Normsetzung gelten auch für Sonderregelungen für besondere Bedarfe nach § 22b Abs 3 SGB II.

35

a) Nach § 22b Abs 3 SGB II sollen in den Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II Sonderregelungen getroffen werden für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung, und zwar insbesondere für Personen, die einen erhöhten Raumbedarf haben wegen (1.) einer Behinderung oder (2.) der Ausübung ihres Umgangsrechts. Nach den Materialien soll dies gelten für Personen mit einem typischerweise besonders abgesenkten oder erhöhten Bedarf für Unterkunft und Heizung, einerseits etwa bei Bestehen einer Behinderung oder andererseits während der Berufsfindungsphase (BT-Drucks 13/3404 S 101 f). Ob sich solche Umstände in Normen nach § 22a Abs 1 SGB II und damit notwendigerweise abstrakt fassen lassen, ist von den Grundsicherungssenaten des BSG und auch in der Literatur bisher skeptisch beurteilt worden(BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 23; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - NZS 2013, 389, juris RdNr 15; ebenso in diese Richtung zur Sozialhilfe BSG Urteil vom 14.4.2011 - B 8 SO 19/09 R - SozR 4-3500 § 29 Nr 2 RdNr 17; in der Literatur: Groth in Groth/Luik/Siebel-Hufmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 1. Aufl 2011, RdNr 372; Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, §§ 22a-22c SGB II RdNr 13). Zweifelhaft erscheinen mag auch, ob ohne ausdrückliche Entscheidung des Bundesgesetzgebers abstrakte, nicht wohnungsmarktbezogene Bedarfsabsenkungen zulässig sein könnten (vgl Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22b RdNr 40; Knickrehm aaO; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22b RdNr 11). Sind aber Regelungen iS von § 22b Abs 3 SGB II getroffen, müssen sie auf hinreichend realitätsgerechte und nachvollziehbare Erhebungen zum typischen Wohnbedarf der jeweils betroffenen Gruppen von Personen mit besonderen Bedarfen für Unterkunft (und ggf Heizung) gestützt sein und kenntlich machen, von welchem Sonderbedarf der Normgeber dabei ausgegangen ist.

36

b) Der Funktion nach ist mit dem Auftrag zur Schaffung von Regelungen auch für besondere Bedarfslagen für Unterkunft und Heizung im Rahmen der untergesetzlichen Normgebung iS von § 22a Abs 1 SGB II das Ziel verfolgt, die Berücksichtigung solcher Bedarfe nach Möglichkeit partiell von der Ebene der konkreten auf die der abstrakten Angemessenheit (vor) zu verlagern. Nach dem auch insoweit unverändert gebliebenen Regelungskonzept des § 22 SGB II sind durch persönliche Lebensumstände von Leistungsberechtigten bedingte besondere Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Rahmen der konkreten Angemessenheit nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II(bis zur Änderung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706: § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II) zu berücksichtigen (eingehend hierzu zuletzt vgl etwa BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 29 ff). Diese Maßgabe gilt ohne Einschränkung auch im Verhältnis zu normativ bestimmten Angemessenheitswerten nach § 22b Abs 1 SGB II. Schon Wortlaut und Materialien bieten keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass der Regelung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II insoweit nur noch Teilgeltung zukommen könnte. Jedenfalls wäre ein solches Verständnis systematisch nicht vertretbar, nachdem Öffnungsklauseln für atypische Sonderlagen schon verfassungsrechtlich zwingend geboten sind (zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 252 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 204 ff) und Regelungen nach § 22b Abs 3 SGB II weder zum unverzichtbaren ("In der Satzung soll") noch zum abschließenden ("Dies gilt insbesondere") Inhalt untergesetzlicher Normen nach § 22a Abs 1 SGB II erhoben worden sind. Bereits daraus wird deutlich, dass die Verpflichtung zur Berücksichtigung besonderer Unterkunftsbedarfe nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II durch die Rechtsetzungsbefugnis nach § 22b Abs 3 SGB II nicht ersetzt worden ist. Ungeachtet dessen wäre der Bundesgesetzgeber zu einer solchen Verlagerung auf den untergesetzlichen Normgeber von Verfassungs wegen auch nicht befugt gewesen, weil die Entscheidung über die Schaffung und Ausgestaltung von Öffnungsklauseln zur Deckung atypischer Bedarfe im Bereich des Existenzminimums nach der Kompetenzordnung des GG allein ihm vorbehalten und eine Delegation dieser Kompetenz auf hierzu nicht legitimierte Körperschaften unzulässig ist (zur Kompetenzordnung des GG und zu Legitimationsgrenzen grundlegend BVerfG Beschluss vom 5.12.2002 - 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98 - BVerfGE 107, 59 ).

37

c) Anlass und Raum für eigenständige Regelungen zugunsten von Personengruppen mit besonderen Bedarfen für Unterkunft und Heizung im Rahmen der untergesetzlichen Normgebung nach §§ 22a bis 22c SGB II bleibt danach nur, soweit bei ihnen typischerweise besondere Anforderungen etwa in Bezug auf Raumgröße, Wohnstandard oder -lage bestehen und wegen ihrer Schutzwürdigkeit die Berücksichtigung dessen bereits auf der Ebene der abstrakten Angemessenheitsbestimmung angezeigt erscheint. Auch darin sind die Regelungen - wie die Normsetzung nach § 22a Abs 1 SGB II überhaupt - indes beschränkt auf die Berücksichtigung (typischer) tatsächlicher Lebens- und Wohnverhältnisse vor Ort. Das ergibt schon das systematische Zusammenspiel von § 22b Abs 3 SGB II einerseits und § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II andererseits. Da die Normsetzungsbefugnis nach § 22b Abs 3 SGB II dem Zweck nach an die Verpflichtung zur Berücksichtigung von Besonderheiten gemäß § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II anknüpft und Personen mit typischerweise besonderen Unterkunftsbedarfen von den (wenngleich eingeschränkten) Nachweislasten im Verfahren nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II(vgl etwa BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 29 ff und RdNr 33) freistellen soll, spricht bereits das dagegen, dass nach § 22b Abs 3 SGB II weitere Umstände berücksichtigt werden könnten als nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II beachtlich wären, also nicht den tatsächlichen Lebens- und Wohnverhältnissen vor Ort zuzurechnen sind. Dagegen stehen im Weiteren auch die dargelegten kompetenzrechtlichen Schranken der Normsetzung nach den §§ 22a bis 22c SGB II; auch in Bezug auf § 22b Abs 3 SGB II konnte der Bundesgesetzgeber den untergesetzlichen Normgebern Befugnisse nur zur Berücksichtigung besonderer Gegebenheiten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt einräumen, nicht aber zu wertenden Entscheidungen etwa im Hinblick auf den mit Rücksicht auf die Lebensbedingungen in Deutschland als im Allgemeinen angemessen anzusehenden Unterkunftsbedarf Alleinerziehender(vgl zu Fragen in diesem Zusammenhang auch Stölting, SGb 2013, 543, 545 in Besprechung von BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 = SGb 2013, 539).

38

d) Dem Regelungsauftrag und den aus der Kompetenzordnung des GG sich ergebenden Regelungsschranken genügen Normgeber demgemäß mit Sonderregelungen iS von § 22b Abs 3 SGB II nur, wenn sie dazu den jeweils in den Blick genommenen Sonderbedarf nach den Verhältnissen des jeweils örtlich maßgebenden Wohnungsmarktes in Bezug insbesondere auf Größe, Ausstattung oder Lage des benötigten Wohnraums zeit- und realitätsgerecht typisierend erfassen und dazu wie auch im Übrigen auf Verfahren zurückgreifen, die zu dieser Bemessung im Grundsatz tauglich sind(vgl zu dieser Anforderung im Allgemeinen oben 5.c). Sind diese Anforderungen nicht gewahrt, berührt das nicht nur die objektive Rechtmäßigkeit entsprechender Festsetzungen. Damit ist aus der Perspektive betroffener Normadressaten nicht nur der Schutzzweck des § 22b Abs 3 SGB II selbst verfehlt, im Interesse von Personengruppen typisierbare Sonderbedarfe regelmäßig(vgl Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22b RdNr 38) bereits auf der Ebene der abstrakten Angemessenheitsbestimmung aufzugreifen und dadurch die angemessene Bedarfsdeckung ohne Rückgriff auf § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zu erleichtern. Die Bedarfsdeckung kann durch empirisch unzureichend gestützte untergesetzliche Angemessenheitsgrenzen vielmehr sogar erschwert sein, weil auf der Grundlage eines hinreichend geeigneten Verfahrens abstrakt bestimmte Angemessenheitsgrenzen grundsätzlich die Vermutung der Richtigkeit in sich tragen und Leistungsberechtigte deshalb erhöhten Darlegungslasten ausgesetzt sein können, wollen sie diesen Wert erschüttern; zumindest müssen sie im Prozess dann dartun, inwieweit sich die normativ bestimmten Werte nach § 22b Abs 3 SGB II nicht auf zutreffende Ermittlungen zur abstrakt angemessenen Referenzmiete stützen können(vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 36; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 30, 32; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 38).

39

7. Den so umschriebenen Maßstäben wird die WAV mit ihrer für die Geltungserstreckung nach § 35a SGB XII notwendigen Regelung zu den besonderen Wohnbedarfen älterer Menschen in § 6 Abs 2 Buchst d in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.

40

a) Soweit nach § 6 Abs 2 Buchst d iVm mit § 6 Abs 1 WAV bei "über 60-jährigen Hilfeempfangenden", deren tatsächlichen Aufwendungen die "Richtwerte" nach § 4 WAV und damit die abstrakt angemessenen Kosten von Unterkunft und Heizung nach dieser Vorschrift überschreiten, diese Richtwerte in "besonders begründeten Einzelfällen … aus sozialen Gründen und in Härtefällen um bis zu Zehn vom Hundert" überschritten werden "können", verstößt das bei wortgetreuer Auslegung gegen die aufgezeigte bundesrechtliche Rechtslage schon deshalb, weil die Überschreitung der abstrakten Angemessenheitswerte danach als auf höchstens 10 % beschränkt anzusehen und deshalb für weitergehende atypische Fälle kein Raum sein könnte.

41

Sollte das im Lichte insbesondere der bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben anders zu verstehen sein, fehlt es jedenfalls an einer eigenständigen Sonder"Regelung" iS des § 22b Abs 3 SGB II; darauf hat bereits das LSG zutreffend hingewiesen. Normative Wirkung im Sinne des Regelungsauftrags nach § 22b Abs 3 SGB II kann der Bestimmung abstrakt angemessener Bedarfe für Personengruppen mit typischerweise(vgl BT-Drucks 17/3404 S 101) besonderen Bedarfen für Unterkunft und Heizung nur zukommen, wenn für sie nach im Einzelnen erfassbaren tatbestandlichen Voraussetzungen und Grenzen abstrakt bestimmte und für alle Normadressaten deshalb unmittelbar nachvollziehbare Werte vorgegeben sind. Daran fehlt es hier in doppelter Hinsicht.

42

Zum einen sind schon die Voraussetzungen für die Erhöhung der allgemeinen Richtwerte nach § 4 WAV nicht umrissen, sondern es ist auf die Umstände des Einzelfalls verwiesen ("in besonders begründeten Einzelfällen"). Wenn nicht angenommen werden soll, dass schlechthin alle über 60-jährigen Leistungsberechtigten Anspruch auf erhöhte Leistungen für Unterkunft und Heizung haben sollen, trifft die Norm somit schon nach dem Tatbestand gerade selbst keine Sonderregelung iS von § 22b Abs 3 SGB II, sondern sie überweist dies der Beurteilung der Verwaltung im Einzelfall. Das gilt zum anderen auch deshalb, weil auch unbedingte Rechtsfolgen anzuerkennender Sonderbedarfe nicht in der Norm selbst angeordnet sind, sondern die Entscheidung im Einzelfall dem Ermessen der Verwaltung überantwortet ist ("können die Richtwerte … überschritten werden"). § 6 Abs 2 WAV trifft damit nicht selbst eigene Bestimmungen iS von § 22b Abs 3 SGB II, sondern delegiert die Entscheidung über die hiernach zu berücksichtigenden besonderen Bedarfe in jedem Einzelfall auf die Verwaltung. Abgesehen davon, dass diese dazu nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II ohnehin berufen ist und sich im Hinblick hierauf sonach die Frage nach der Rechtswirkung der 10 %-Grenze stellt, verfehlt die Norm schon damit den umrissenen Schutzauftrag des § 22b Abs 3 SGB II, die Angehörigen von Personengruppen mit typischerweise besonderen Wohnbedarfen nach Möglichkeit bereits durch abstrakt-generell wirkende Typisierungen von den Anforderungen des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II freizustellen.

43

b) Verfehlt ist dieser Auftrag weiter deshalb, weil - in der Konsequenz der Ausgestaltung liegend - die "Sonderregelungen" des § 6 Abs 2 WAV ersichtlich in keiner Weise auf Erhebungen gestützt sind, die im dargelegten Sinne zeit- und realitätsgerecht eine typisierende Erfassung der umfassten Sonderbedarfe nach den Verhältnissen des Berliner Wohnungsmarktes in Bezug insbesondere auf Größe, Ausstattung oder Lage des benötigten Wohnraums erlauben könnten. Solche Erhebungen weisen schon die Materialien nach § 22b Abs 2 Satz 1 SGB II nicht nach(vgl GVBl 2012, 103 ff), jedenfalls steht hiergegen der Umstand, dass für schlechthin jede der in § 6 Abs 2 WAV im Einzelnen aufgeführten und sehr verschiedenen Personengruppen eine Erhöhungsmöglichkeit um bis zu 10 % vorgesehen ist, obwohl ihnen zum Teil tatbestandlich fassbare Sonderbedarfe schon gar nicht zugrunde liegen können. In besonderer Weise augenfällig ist das für die Gruppe der "Personen, die in absehbarer Zeit kostendeckende Einkünfte haben" (§ 6 Abs 2 Buchst f WAV), gilt aber auch für die sonstigen Gruppen. Sollte nicht anzunehmen sein, dass die Werte danach auf - im Wege der untergesetzlichen Normsetzung unzulässigen - politischen Setzungen beruhen, können sie jedenfalls allenfalls "Schätzungen ins Blaue" sein, was zur Konkretisierung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II schlechterdings unzureichend und deshalb auch im Rahmen untergesetzlicher Normgebung unzulässig ist(zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171; zu § 22 Abs 1 SGB II vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21).

44

8. Erfolg hat hiernach die Revision des Antragstellers, soweit die WAV - bezogen auf sein Interesse, nicht gemäß § 35a SGB XII in deren Geltungsbereich einbezogen zu werden - in Bezug auf die Sonderbedarfsregelung für die "über 60-jährigen Hilfeempfangenden" in § 6 Abs 2 Buchst d wegen Verstoßes gegen § 22b Abs 3 SGB II nach § 55a Abs 5 Satz 2 Halbs 1 SGG für unwirksam zu erklären ist; in diesem Umfang ist zugleich die Revision des Antragsgegners zurückzuweisen.

45

Ohne Erfolg ist der Antragsteller hingegen mit dem weitergehenden Begehren geblieben, die WAV auch im Übrigen für unwirksam zu erklären. Hierfür fehlt es nach dem Ausspruch zu § 6 Abs 2 Buchst d WAV offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise an einem anzuerkennenden Rechtsschutzinteresse, denn wegen der Ungültigkeit jedenfalls dieses Normteils fehlt es an jeder möglichen Anknüpfungsgrundlage für eine Geltungserstreckung der WAV auf den dauerhaft aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschiedenen Antragsteller nach Maßgabe von § 35a SGB XII; insoweit verfolgt er mit seinem weitergehenden Begehren Interessen, die zur Verbesserung seiner Rechtsstellung offenkundig nicht beitragen können und über die danach im hier anhängigen Normenkontrollverfahren (zu weiteren anhängigen Revisionsverfahren zur WAV vgl B 4 AS 34/13 R, B 4 AS 52/13 R sowie B 14 AS 53/13 R) nicht entschieden zu werden braucht.

46

Zur Vermeidung weiterer Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten über die Geltungswirkung der WAV für Ansprüche des Antragstellers hat der Senat deshalb jedoch den Ausspruch zu § 6 Abs 2 Buchst d WAV zum einen mit der Feststellung verbunden, dass die WAV für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII nicht gilt und dies zum anderen dadurch verdeutlicht, dass er die Worte "und Zwölften" in der Überschrift der WAV für unwirksam erklärt hat.

47

9. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Die Revision des Antragsgegners gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. September 2013 - L 36 AS 1987/13 NK - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die vom Senat des Landes Berlin, dem Antragsgegner, erlassene "Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" (Wohnaufwendungenverordnung - WAV, hier in der Fassung vom 3.4.2012, GVBl 99).

2

Mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453) räumte der (Bundes-)Gesetzgeber den Ländern bei materiell ansonsten im Wesentlichen unveränderter Rechtslage zur Übernahme von Unterkunfts- und Heizkosten die Befugnis ein, die Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS von § 22 Abs 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zum Gegenstand kommunaler Rechtsetzung zu machen. Demgemäß können die Länder die Kreise und kreisfreien Städte nach § 22a Abs 1 Satz 1 SGB II durch Gesetz ermächtigen oder verpflichten, "durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind". Entsprechendes gilt für die Länder Berlin und Hamburg, die (durch Landesgesetz) bestimmen, "welche Form der Rechtsetzung an die Stelle einer nach Satz 1 vorgesehenen Satzung tritt" (§ 22a Abs 1 Satz 3 SGB II).

3

Gestützt auf eine diese Befugnisse wahrnehmende Rechtsverordnungsermächtigung in § 8 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: AG-SGB II) des Landes Berlin(hier idF des Gesetzes vom 13.7.2011, GVBl 344) ist vom Senat des Landes Berlin am 3.4.2012 mit Wirkung vom 1.5.2012 die im Streit stehende WAV erlassen worden, die auszugsweise wie folgt lautet:

4

"§ 1

Anwendungsbereich

Diese Verordnung regelt, in welcher Höhe im Land Berlin Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen im Sinne des § 22 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch sind. Die Regelungen erfolgen auf der Grundlage der §§ 22a bis 22c des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch.

        

§ 2

Begriffsbestimmungen

(1) Zu den tatsächlichen Aufwendungen im Sinne des § 22 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für Mietwohnungen gehören die Nettokaltmiete, die kalten Betriebskosten gemäß der Betriebskostenverordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2346) in der jeweils geltenden Fassung, die Heizkosten, die Warmwasserbereitungskosten, die nicht aufgrund dezentraler Warmwassererzeugung im Sinne des § 21 Absatz 7 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch entstehen, und sonstige mietvertraglich geschuldete Leistungen (Bruttowarmmiete). Ebenso gehören dazu auch einmalig anfallende Nachzahlungen, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind.

(…)     

        

§ 3

Datengrundlagen

(1) Die Bestimmung der angemessenen Wohnfläche gemäß § 22b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch erfolgt auf der Grundlage der anerkannten Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau und ergänzend der Wohnungsbauförderungsbestimmungen.

(2) Die Bestimmung der angemessenen Höhe der Aufwendungen für die Unterkunft gemäß § 22b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch erfolgt gemäß § 22c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch auf der Grundlage des jeweils gültigen Berliner Mietspiegels als qualifiziertem Mietspiegel gemäß § 558d BGB und der jeweils mit dem Berliner Mietspiegel veröffentlichten Betriebskostenübersicht.

(3) Die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für die Heizung gemäß § 22b Absatz 1 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch erfolgt auf der Grundlage des von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten bundesweiten Heizspiegels in der jeweils geltenden Fassung. Zur Ermittlung der Erhöhung der Richtwerte für Wohnungen mit nicht dezentraler Warmwassererzeugung im Sinne des § 21 Absatz 7 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch werden ebenfalls die Werte des bundesweiten Heizspiegels zu Grunde gelegt.

(4) Die als angemessen anerkannte Wohnfläche und die Höhe der als angemessen anerkannten Aufwendungen für die Unterkunft sind der Tabelle A der Anlage 1 zu dieser Verordnung zu entnehmen. Die Höhe der als angemessen anerkannten Heizkosten sind der Tabelle B der Anlage 1 zu dieser Verordnung zu entnehmen.

        

§ 4

Gesamtangemessenheitsgrenze

Auf der Grundlage des Konzepts zu dieser Verordnung wird gemäß § 22b Absatz 1 Satz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch eine Gesamtangemessenheitsgrenze gebildet. Die Richtwerte für angemessene monatliche Bruttowarmmieten und für angemessene monatliche Aufwendungen bei selbst bewohntem Wohneigentum sind der Tabelle A der Anlage 2 zu dieser Verordnung zu entnehmen. Wird der Wohnraum mit anderen als in der Tabelle A der Anlage 2 zu dieser Verordnung genannten Heizenergieträgern beheizt, sind die nach Bedarfsgemeinschaftsgröße und Gebäudefläche höchsten maßgeblichen Richtwerte zu Grunde zu legen. Erfolgt die Warmwassererzeugung nicht dezentral im Sinne des § 21 Absatz 7 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, ist der Richtwert nach der Tabelle A der Anlage 2 zu dieser Verordnung um den entsprechenden Zuschlag nach der Tabelle B der Anlage 2 zu dieser Verordnung zu erhöhen.

(…)     

        

§ 6

Besondere Bedarfe für Unterkunft und Heizung

zur Bestimmung der individuellen Angemessenheit

(1) Sofern die tatsächlichen Aufwendungen der Leistungsberechtigten den Richtwert gemäß § 4 überschreiten, gelten wegen besonderer Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22b Absatz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zur individuellen Bestimmung der Angemessenheit abweichend von den Richtwerten nach § 4 die in den Absätzen 2 bis 9 getroffenen Sonderregelungen.

(…)"   

5

Nach dem mit der WAV als Begründung gemäß § 22b Abs 2 SGB II veröffentlichten Konzept zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung(GVBl 2012, 103 ff) wird als Grundlage für die Beurteilung der Angemessenheit von Heizkosten der von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellte bundesweite Heizspiegel herangezogen. Für den jeweils in den Richtwert als Bruttowarmmiete einfließenden Grenzwert werden nach diesem Konzept die Werte aus der Spalte "zu hoch" des bundesweiten Heizspiegels zugrunde gelegt.

6

Am 1.8.2013 trat die Erste Verordnung zur Fortschreibung der Wohnaufwendungenverordnung (WAV-Fortschreibungsverordnung 2013) vom 16.7.2013 (GVBl 348) in Kraft, durch die die Anlagen 1 und 2 zur WAV vom 3.4.2012 neu gefasst wurden, diese im Übrigen aber unverändert blieb. Am 1.3.2014 trat die Zweite Verordnung zur Fortschreibung der Wohnaufwendungenverordnung (WAV-Fortschreibungsverordnung 2014) vom 11.2.2014 (GVBl 63) in Kraft, durch die die Tabelle B der Anlage 1 und die Anlage 2 zur WAV vom 3.4.2012 in der durch die WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 geänderten Fassung neu gefasst wurden; im Übrigen blieb die WAV unverändert. Jeweils ist in der den Fortschreibungsverordnungen beigegebenen Begründung nach § 22b Abs 2 SGB II ausgeführt, dass das mit der WAV veröffentlichte Konzept zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung weiter gilt.

7

Die miteinander verheirateten, im Land Berlin - dem Antragsgegner - lebenden Antragsteller beziehen seit dem 2.5.2011 Arbeitslosengeld II nach dem SGB II. Sie bewohnen seit dem 16.5.2011 - inzwischen zusammen mit ihrer 2012 geborenen, Sozialgeld nach dem SGB II beziehenden Tochter - eine angemietete ca 68 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung, die über eine mit Erdgas betriebene Etagenheizung verfügt. Die Warmwasserbereitung erfolgt über einen Gas-Durchlauferhitzer. Für die Wohnung war bis zum 31.12.2012 eine Bruttokaltmiete iHv monatlich 546,08 Euro zu zahlen (Nettokaltmiete 443,69 Euro und Vorauszahlung für kalte Betriebskosten 102,39 Euro). An den Gasversorger waren Abschläge zunächst iHv monatlich 69 Euro und ab August 2012 iHv monatlich 79 Euro zu zahlen, sodass die Bruttowarmmiete zunächst 615,08 Euro und ab August 2012 625,08 Euro im Monat betrug. Nach einer Kostensenkungsaufforderung vom 19.8.2011 anerkannte das für die Antragsteller zuständige Jobcenter ab 1.3.2012 mit Rücksicht auf die bevorstehende Geburt der Tochter einen Gesamtbedarf für Unterkunft und Heizung iHv monatlich 542 Euro, der dem Richtwert für eine angemessene Bruttowarmmiete für einen Drei-Personen-Haushalt nach den Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII des Landes Berlin vom 10.2.2009 entsprach. Gegen die Bewilligungsentscheidungen für die Zeit ab 1.5.2012 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 30.10.2012 erhoben die Antragsteller Klage vor dem Sozialgericht Berlin, die dort unter dem Aktenzeichen S 169 AS 30680/12 noch anhängig ist. Durch Änderungsbescheid vom 21.5.2013 erhöhte das Jobcenter den anerkannten Gesamtbedarf der Antragsteller (und ab 2.8.2012 ihrer Tochter) für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.5.2012 bis 31.10.2012 auf monatlich 579 Euro unter Hinweis auf den "Richtwert Bruttowarm" für eine aus drei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft bei einer Gebäudefläche von 100 bis 250 qm und einer Beheizung mit Erdgas nach der Anlage 2 (zu § 4), Tabelle A (zu § 4 Satz 2 bis 4) der WAV vom 3.4.2012. Mit ihrem bereits am 14.6.2012 gestellten Normenkontrollantrag vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) begehren die Antragsteller, die WAV für unwirksam zu erklären, weil sie nicht den Voraussetzungen der §§ 22a bis 22c SGB II entspreche.

8

Das LSG hat im vorliegenden Normenkontrollverfahren entschieden, dass die WAV vom 3.4.2012 unwirksam ist und dass diese Feststellung für den Zeitraum vom 1.5.2012 bis 31.7.2013 getroffen wird (Urteil vom 4.9.2013). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der in vollem Umfang zulässige Normenkontrollantrag sei begründet, weil die formell rechtmäßige WAV eine unzulängliche Regelung einer Gesamtangemessenheitsgrenze auf der Grundlage eines Bruttowarmmietenkonzepts getroffen habe, die zur Unwirksamkeit der WAV führe. Zwar habe sich der Verordnungsgeber für ein Bruttowarmmietenkonzept entscheiden dürfen. Die Bildung der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 Satz 1 iVm § 3 WAV entspreche indes nicht der Ermächtigung, denn sie folge - jedenfalls für die Heizkosten - nicht in ausreichendem Maße den Anforderungen aus § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II an die Bestimmung abstrakt angemessener Bedarfe auf belastbarer Datengrundlage. Wenn aber nur ein Wert (Bedarf für Bruttokaltmiete) dem gebotenen Modus der Herleitung und Ermittlung folge, der andere ergebnisrelevante Wert (Bedarf für Heizung) hingegen nicht, könne die Summe regelmäßig die abstrakt angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nicht ermächtigungskonform darstellen.

9

Der Verordnungsgeber habe in § 3 Abs 3 WAV für die Heizkosten auf die Werte des bundesweiten Heizspiegels zurückgegriffen, die als Grenzwerte indes die individuelle Prüfung tatsächlich anfallender Heizkosten auslösen, als Unwirtschaftlichkeitsgrenze aber nicht der Bestimmung der abstrakt angemessenen Heizkosten dienen würden. Dies schließe es aus, die Grenzwerte unter Wahrung der § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zu entnehmenden Grundsätze zur Bestimmung abstrakt angemessener Bedarfe, die allein Gegenstand der Verordnungsermächtigung seien, und im Weiteren dann zur Bildung der Richtwerte (Gesamtangemessenheitsgrenze) heranzuziehen. Eine Gesamtangemessenheitsgrenze, die Austauscheffekte zwischen unangemessen hohen Bedarfen für Unterkunft oder Heizung zulasse, sei nur hinnehmbar, wenn alle Elemente eines zusammengesetzten Bedarfs realitätsnah bestimmt seien. Daran fehle es hier. Die Heranziehung eines Grenzwerts zu hoher Heizkosten zur Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze eröffne regelhaft ein Aufstockungspotenzial für Bruttokaltmieten, die über den abstrakt angemessenen Werten lägen. In diesem Sinne "infiziere" der Verzicht auf die Bildung einer abstrakten Angemessenheitsgrenze für Heizkosten die Angemessenheitsbestimmung für die Bruttokaltmiete und verzerre deren Ergebnisse, sodass die Leistungen, die sich aus der Gesamtbedarfsbestimmung der WAV ergäben, im Einzelfall nicht mehr den nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II maßgebenden Bedarfen entsprächen.

10

Die Auswirkungen dieser dem § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht entsprechenden Bildung der Richtwerte seien nicht zu vernachlässigen und deshalb insgesamt zu beanstanden. Denn der Betrag des Grenzwerts nach dem Heizspiegel, der "in die Bruttokaltmiete fließe", wenn diese "zu hoch" und der Heizkostenbedarf durchschnittlich sei, sei als substanzielle Verschiebung der im Rahmen des schlüssigen Konzepts gewonnenen Angemessenheitswerte zu bewerten, der jede filigrane Überlegung zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten ad absurdum führe.

11

Dass die Gesamtangemessenheitsgrenze keinen Bestand habe, führe insgesamt zur Unwirksamkeit der WAV in ihrer ursprünglichen Fassung vom 3.4.2012. Dies sei eindeutig für die Regelungen, die auf der Gesamtangemessenheitsgrenze aufbauen oder sie ergänzen würden. Doch auch für die anderen Regelungen lägen die Voraussetzungen einer Abtrennbarkeit nicht vor. Es könne insbesondere nicht festgestellt werden, dass der Verordnungsgeber zumindest die Bruttokaltmiete so wie geschehen festgelegt haben würde, wenn die Unwirksamkeit der ausgehend von diesen Werten im Weiteren in der WAV bestimmten Gesamtangemessenheitsgrenzen bekannt gewesen sein würde. Zum einen würde der Verordnungsgeber von seinen Gestaltungsmöglichkeiten anders Gebrauch gemacht haben können. Zum anderen sei die Festlegung der Bruttokaltmiete im Rahmen eines schlüssigen Konzepts kein reiner Erkenntnisakt, an dessen Ende nur ein bestimmtes Ergebnis stehen könne, vielmehr könne die zutreffende Beachtung normativer und das Erkenntnisverfahren betreffender Vorgaben zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

12

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Antragsgegner, dass die materiell-rechtlichen Erwägungen des LSG zu den bundesrechtlichen Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II einer Überprüfung nicht standhalten. Die Bestimmung der angemessenen Heizkosten sei auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfolgt (Hinweis auf Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23). Auch deren Einbeziehung in die Gesamtangemessenheitsgrenze stehe mit Bundesrecht in Einklang. Denn nach der Rechtsprechung des BSG handele es sich beim Grenzwert des bundesweiten Heizspiegels nicht nur um einen die Unwirtschaftlichkeit indizierenden Grenzwert, sondern um den Wert, bis zu dem die Heizkosten als angemessen gelten sollten, sofern hierzu keine konkreteren regionalen Daten vorlägen. Eine grundsicherungsrechtlich schlüssige Ermittlung eines Durchschnittwerts bei Heizkosten scheide indes aus. Durch die Einbeziehung der so bestimmten Heizkosten in die nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II zulässige Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze (Bruttowarmmiete) könne die existenzsichernde Bedarfsdeckung in allen Einzelfällen erreicht werden. Eine andere Lösung sei für die Bestimmung angemessener Heizkosten gemäß den vom BSG aufgestellten Grundsätzen nicht ersichtlich.

13

Der Antragsgegner beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. September 2013 - L 36 AS 1987/13 NK - aufzuheben und den Normenkontrollantrag der Antragsteller abzulehnen.

14

Die Antragsteller beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass die WAV vom 3.4.2012 unwirksam ist (dazu unten 3. bis 7.). Zu Recht hat das LSG diese Feststellung nur für den Zeitraum vom 1.5.2012 bis 31.7.2013 getroffen (dazu unten 1. und 2.).

16

1. Streitgegenstand ist die WAV in der Fassung vom 3.4.2012, die das LSG für die Zeit vom 1.5.2012 bis 31.7.2013 für unwirksam erklärt hat. Beim BSG angefallen ist das Normenkontrollverfahren demnach mit dem Rechtsstand, wie er Gegenstand der Entscheidung des LSG war, also in der vom Senat des Landes Berlin beschlossenen Fassung der WAV vom 3.4.2012 (GVBl 99). Nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist dagegen die WAV in der Fassung ihrer am 1.8.2013 in Kraft getretenen Fortschreibung durch die WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 vom 16.7.2013 (GVBl 348) mit den Änderungen in den Anlagen 1 und 2 und ihrer am 1.3.2014 in Kraft getretenen Fortschreibung durch die WAV-Fortschreibungsverordnung 2014 vom 11.2.2014 (GVBl 63) mit den Änderungen in den Anlagen 1 und 2.

17

Denn als Norm des Landesrechts obliegen die Feststellung ihres Inhalts und ihre Auslegung, von Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich allein dem LSG (§§ 162, 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz iVm § 560 Zivilprozessordnung). Das LSG hat, ohne dass dies dem Senat Anlass zu Beanstandungen bietet, insoweit ausgeführt, dass durch den Erlass der WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 ein zeitlich abgegrenzter Regelungskomplex entstanden sei, der durch die Geltung anderer Mietwerte gekennzeichnet sei, und dass die WAV in ihrer ursprünglichen Fassung partiell am 1.8.2013 außer Kraft getreten sei. Die WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 bilde eine Zäsur, durch die für die Zukunft eine inhaltlich abweichende Regelung geschaffen worden sei. Diese Ausführungen des LSG beanspruchen Geltung der Sache nach auch für die WAV-Fortschreibungsverordnung 2014, die im Zeitpunkt der Entscheidung des LSG noch nicht in Kraft getreten war.

18

Aufgrund des Urteils des Senats vom 17.10.2013 (B 14 AS 70/12 R - SozR 4-4200 § 22a Nr 1) gilt die WAV nicht (mehr) für Leistungsempfänger nach dem SGB XII. Durch das Urteil wurden in der Überschrift der WAV die Wörter "und Zwölften" und § 6 Abs 2 Buchst d WAV für unwirksam erklärt. Insoweit ist die WAV nicht mehr Gegenstand des Normenkontrollverfahrens.

19

2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Der statthafte Normenkontrollantrag nach § 55a Abs 1 SGG der Antragsteller, denen unter Hinweis auf die Regelungen der WAV Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen erbracht worden sind, ist vollen Umfangs zulässig, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat.

20

Die Antragsteller sind insbesondere für ihr Begehren, die WAV vom 3.4.2012 für unwirksam zu erklären, antragsbefugt (vgl zu den Anforderungen an die Antragsbefugnis für Normenkontrollanträge nach § 55a SGG näher Urteil des Senats vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - SozR 4-4200 § 22a Nr 1 RdNr 22 bis 24 mwN). Weder ihrer Antragsbefugnis noch ihrem Rechtsschutzbedürfnis steht entgegen, dass ihr vor dem LSG gestellter Normenkontrollantrag allein die WAV in ihrer ursprünglichen Fassung mit den bis zum 31.7.2013 geltenden Anlagen 1 und 2 betraf. Insoweit hat der Senat bereits entschieden (Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R, aaO, RdNr 25 mwN), dass zum einen die Fortschreibung der Angemessenheitsgrenzen der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den Bestand der übrigen Regelungen der WAV ohnehin unberührt lässt und zum anderen die durch die Neufassung verdrängten Werte nicht förmlich aufgehoben sind und deshalb für den Zeitraum seit Inkrafttreten der WAV ab 1.5.2012 bis zum 31.7.2013 weiterhin gelten. Solange Rechtsvorschriften solche Wirkungen zu äußern vermögen, können sie Gegenstand einer Normenkontrolle sein.

21

3. Die WAV ist zwar nach bundesrechtlichen wie nach landesrechtlichen Maßstäben formell rechtmäßig. Das LSG hat die formelle Rechtmäßigkeit nach landesrechtlichen Maßstäben geprüft und bejaht, ohne dass dies dem Senat Anlass zu Beanstandungen bietet.

22

Die WAV ist indes materiell rechtswidrig und vom LSG zu Recht für unwirksam erklärt worden. Denn die Anforderungen an die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II, die nach Bundesrecht wie bei der Konkretisierung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch die Verwaltung eine realitätsgerechte Erfassung der Bedarfe für Unterkunft und ggf Heizung erfordern(dazu unter 4.) und die für die Bestimmung der angemessenen Heizkosten nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II im Rahmen einer Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II ebenso gelten(dazu unter 5.), werden nicht erfüllt (dazu unter 6.). Die Verfehlung dieser höherrangigen bundesrechtlichen Anforderungen betrifft die WAV in ihrem Kern. Sie ist deshalb insgesamt unwirksam; eine nur teilweise Unwirksamkeit kommt nicht in Betracht (dazu unter 7.).

23

4. Die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II erfordert die realitätsgerechte Erfassung der Bedarfe für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II) in gleicher Weise, wie es der Verwaltung bei der Konkretisierung der abstrakt angemessenen Bedarfe nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegeben ist(vgl zu den Anforderungen an die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II näher Urteil des Senats vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R, aaO, RdNr 27 bis 33 mwN).

24

a) Mit den durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführten §§ 22a bis 22c SGB II hat der Gesetzgeber die Grundlage dafür geschaffen, die abstrakt angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung anstatt durch die ansonsten dazu berufene Verwaltung auch im Wege untergesetzlicher Normsetzung bestimmen zu können. Eine entsprechende landesrechtliche Ermächtigung vorausgesetzt, können demgemäß seither alle der abstrakten Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zuzurechnenden Bestimmungen durch untergesetzliche Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II getroffen werden. Inhaltlich getroffen werden müssen mindestens Bestimmungen darüber, (1.) welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt wird und (2.) in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterkunft als angemessen anerkannt werden (§ 22b Abs 1 Satz 1 SGB II). Abgebildet werden sollen hierdurch die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt (§ 22a Abs 3 Satz 1 SGB II) und zwar nach Möglichkeit unter Berücksichtigung insbesondere von Mietspiegeln, qualifizierten Mietspiegeln und Mietdatenbanken und/oder von geeigneten eigenen statistischen Datenerhebungen und -auswertungen der Normgeber oder Erhebungen Dritter (§ 22c Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB II).

25

b) Bezugspunkt der damit eröffneten untergesetzlichen Normsetzungsbefugnis ist die durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG inhaltlich unverändert gebliebene Regelung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 f; zu Einzelheiten vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 5, Stand: X/2012), wonach Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind.

26

c) Gegenstand auch der untergesetzlichen Normgebung nach § 22a Abs 1 SGB II ist damit die Konkretisierung des durch § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegebenen Begriffs der "Angemessenheit" der Bedarfe für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II). Dieser Begriff unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff uneingeschränkter richterlicher Kontrolle (stRspr, zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 19 f). Zu seiner Ausfüllung ist jedenfalls der abstrakt als angemessen anzuerkennende Mietpreis unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten konkret zu ermitteln (so genannte Referenzmiete; stRspr, zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R, aaO, RdNr 44). Erforderlich dazu sind im Einzelnen überprüfbare Erhebungen und Auswertungen, die eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergeben (so genanntes schlüssiges Konzept, grundlegend BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18 ff; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R, aaO, RdNr 44). Unzureichend zur Erfassung der sozialen Wirklichkeit sind hingegen Schätzungen pauschaler Werte "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage; das würde den Anforderungen zur Ermittlung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nicht gerecht (zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171). Das verbietet sich bei der Bestimmung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung gleichermaßen wie bei der Bestimmung der Regelbedarfe (vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21).

27

d) Diese Maßgaben gelten für die untergesetzliche Normsetzung nach §§ 22a bis 22c SGB II nicht anders. Schon der Gesetzeswortlaut bietet keinen Anhalt dafür, dass den Normgebern insoweit andere und von den Gerichten nur in reduziertem Maß gerichtlich zu kontrollierende Spielräume zustehen könnten als der Verwaltung. Im Gegenteil sind die Vorgaben zum Vergleichsmaßstab (§ 22a Abs 3 Satz 1 SGB II), zu den Norminhalten (§ 22b Abs 1 SGB II), zur Datengrundlage (§ 22c Abs 1 SGB II) und den Begründungsanforderungen (§ 22b Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II) im Einzelnen in so enger Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gefasst, dass unterschiedliche Konkretisierungsaufträge und/oder Entscheidungsspielräume im Verhältnis zwischen untergesetzlicher Normsetzung einerseits und verwaltungsmäßigem Vollzug andererseits durch den Gesetzeswortlaut nicht zu belegen sind(ebenso Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 146). Soweit demgegenüber nach den Gesetzesmaterialien die Zielvorgabe des § 22a Abs 3 Satz 1 SGB II nur als ein für die objektive Rechtmäßigkeit der Normsetzung unbeachtlicher Programmsatz anzusehen sein soll(vgl BT-Drucks 17/3404 S 100; dem folgend auch Piepenstock in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 22a RdNr 36), hat dies jedenfalls im Normtext selbst keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (gegen diese Qualifizierung auch Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22a RdNr 26; Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, §§ 22a-22c SGB II RdNr 9; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22a RdNr 11, 24). Das lässt sich auch nicht darauf stützen, dass der untergesetzlichen Normsetzung durch § 22a Abs 3 Satz 2 SGB II die Berücksichtigung von Folgewirkungen aufgegeben ist, die sich uU als Maßstab der Angemessenheitsbestimmung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht notwendig alle wiederfinden. Denn dies trägt jedenfalls nicht den Schluss, dass die nach § 22a Abs 3 Satz 1 SGB II für die Normsetzung maßgeblichen Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt durch wertende Entscheidung der Normgeber ersetzt werden könnten. Dagegen spricht auch, dass in § 22b Abs 1 Satz 4 SGB II den untergesetzlichen Normgebern die Unterteilung ihrer Gebiete ermöglicht wird, "um die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt realitätsgerecht abzubilden", und dadurch die Maßgeblichkeit dieser Verhältnisse für die Normsetzung erneut betont wird, ohne Abweichungen zuzulassen.

28

Die Normsetzungsermächtigung der untergesetzlichen Normgeber durch § 22a Abs 1 SGB II eröffnet solche Spielräume gleichfalls nicht(so aber wohl Groth in Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 1. Aufl 2011, RdNr 367: "Ausübung normativen Ermessens"; skeptisch zum Bestehen eines normativen Gestaltungsspielraums dagegen Axer, SGb 2013, 669, 671; ablehnend Wettlaufer, VSSR 2013, 221, 250). In der Wahrnehmung dieser Ermächtigung konkretisieren die Normgeber in gleicher Weise wie die Verwaltung die die Unterkunft als Teil des physischen Existenzminimums umfassende verfassungsrechtliche Garantie des menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz (, vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 223 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 131 mwN) und haben deshalb die dafür maßgebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Nach der Kompetenzordnung des GG sind demgemäß die Wertentscheidungen über die Leistungshöhe mit Blick auf den Entwicklungsstand des Gemeinwesens und die bestehenden Lebensbedingungen allein dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten (vgl BVerfG, aaO, S 222 ff bzw RdNr 133 ff). Soweit dazu von Verfassungs wegen die soziale Wirklichkeit zu erfassen ist, unterliegt schon er strikten Anforderungen (vgl BVerfG, aaO, S 224 ff bzw RdNr 138 ff). Um so weniger können von diesen Anforderungen die freigestellt werden, von denen die gesetzgeberischen Vorgaben administrativ umzusetzen sind. Das können auch die untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II nicht für sich beanspruchen. Sie sind zwar in besonderer Weise mit den Verhältnissen vor Ort vertraut und können deshalb bessere Kenntnis von den Gegebenheiten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt haben als dies aus der Bundesperspektive möglich wäre (vgl BT-Drucks 17/3404 S 100). Zu eigenen wertenden Entscheidungen sachlich-politischer Art über den zur Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu deckenden Bedarf für Unterkunft und Heizung reicht indes ihre demokratische Legitimation nicht. Wertsetzungen solcher Art sind ausschließlich dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst vorbehalten (vgl BVerfG, aaO, S 224 ff bzw RdNr 138 ff).

29

In keinem geringeren Maß als es der Verwaltung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegeben ist, haben demgemäß auch die untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II die soziale Wirklichkeit im Hinblick auf den Bedarf für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II) zeit- und realitätsgerecht zu erfassen und dazu auf Verfahren zurückzugreifen, die zu dessen Bemessung im Grundsatz tauglich sind (ebenso Berlit in Münder, aaO, § 22a RdNr 6 ff; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 146; Luik in Eicher, aaO, § 22a RdNr 9 ff, § 22b RdNr 2).

30

5. Diese aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums abzuleitenden Verfahrensanforderungen an die Konkretisierung abstrakt angemessener Bedarfe durch untergesetzliche Normsetzung gelten uneingeschränkt für die Bestimmung der angemessenen Heizkosten nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II und die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II.

31

a) Nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II kann durch den untergesetzlichen Normgeber - neben den Mindestbestimmungen des § 22b Abs 1 Satz 1 SGB II - auch die Höhe des als angemessen anerkannten Verbrauchswertes oder der als angemessen anerkannten Aufwendungen für die Heizung bestimmt werden. Bei einer solchen Bestimmung kann nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II sowohl eine Quadratmeterhöchstmiete als auch eine Gesamtangemessenheitsgrenze unter Berücksichtigung der in § 22b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II genannten Werte gebildet werden.

32

Ob sich ein angemessener Bedarf für Heizung in Normen nach § 22a Abs 1 SGB II und damit notwendigerweise abstrakt fassen lässt, ist in der Rechtsprechung des BSG und auch in der Literatur zumindest derzeit aus praktischen Gründen skeptisch bis ablehnend beurteilt worden(vgl zuletzt BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 21; Berlit in Münder, aaO, § 22b RdNr 14: "Problem der bedarfsgerechten Abgeltung des Heizungsbedarfs"; Luik in Eicher, aaO, § 22b RdNr 5: nur, "wenn hierfür valide Daten vorliegen"). Wegen ihrer Abhängigkeit vom individuellen Verbrauch, von der Wohnungsbeschaffenheit sowie den Witterungsverhältnissen hielt auch der Gesetzgeber die Heizkosten für dynamischer als die Unterkunftskosten und daher schwerer schematisch zu erfassen; deshalb sieht § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II die Festlegung von Angemessenheitswerten für die Heizung nur optional ("kann") vor(BT-Drucks 17/3404 S 101).

33

Werden aber Regelungen iS von § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II und hieran anknüpfend im Rahmen eines Bruttowarmmietenkonzepts nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II getroffen, müssen sie auf hinreichend realitätsgerechte und nachvollziehbare Erhebungen zum abstrakt angemessenen Bedarf für Heizung im maßgeblichen Vergleichsraum gestützt sein(vgl auch die "Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen", hrsg vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2013, S 25 f, 28, 38 f, 48 f: Bestimmung abstrakter Angemessenheitsgrenzen für die Heizkosten möglichst auf Basis lokaler Daten aus dem Geltungsbereich der Satzung).

34

b) Die auch für Heizkosten vorgesehene Prüfung ihrer Angemessenheit hat nach Wortlaut und Systematik des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, wie der Senat bereits im Einzelnen dargelegt hat(stRspr, zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 17), grundsätzlich getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen. Dieser Trennung entspricht die Regelung des § 22b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II, die für eine untergesetzliche Normsetzung Bestimmungen zur angemessenen Höhe der Aufwendungen für die Unterkunft als Mindestinhalt vorschreibt(Satz 1 Nr 2), nicht aber für die Höhe der angemessenen Aufwendungen für die Heizung (Satz 2).

35

Auch der Anspruch auf Leistungen für Heizung als Teil der Gesamtleistung besteht grundsätzlich in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie angemessen sind (stRspr, zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 19). Eine Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Heizung begegnet indes praktischen Schwierigkeiten: Ein abstrakt angemessener Heizkostenpreis pro Quadratmeter für eine "einfache" Wohnung (gestaffelt nach abstrakt angemessenen Wohnungsgrößen) im unteren Segment des konkreten Wohnungsmarktes, dh für alle entsprechenden Wohnungen im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum, müsste auf der Grundlage differenzierter Daten ausgehend von einem als angemessen anzusehenden Heizverhalten des Einzelnen noch klimatische Bedingungen, wechselnde Energiepreise, die "typischen" Energieträger, vor allem aber den im entsprechenden Mietsegment "typischen" Gebäudestandard und den technischen Stand einer als "typisch" anzusehenden Heizungsanlage erfassen. Der Rückgriff auf einen weniger ausdifferenzierten Wert als Quadratmeterhöchstgrenze würde eine unzulässige Pauschalierung von Heizkosten bedeuten (stRspr, zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 21).

36

Da gleichwohl auch hinsichtlich der Aufwendungen für Heizung unangemessen hohe Kosten vom Träger der Grundsicherung nicht gezahlt werden müssen, eine abstrakte Festlegung aus den genannten Gründen aber schwierig ist, hat im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II eine Prüfung der Heizkosten auf ihre Angemessenheit hin orientiert an den Verhältnissen des Einzelfalles zu erfolgen. Dabei ist regelmäßig dann von unangemessen hohen Heizkosten auszugehen, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden, die der Senat den von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten "Kommunalen Heizspiegeln" bzw dem "Bundesweiten Heizspiegel" entnimmt (stRspr, zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 22). An der Heranziehung eines solchen Grenzwertes ist aus Gründen der Praktikabilität festzuhalten, solange der jeweils örtlich zuständige Träger der Grundsicherung keine im dargestellten Sinne differenzierte Datenermittlung für den konkreten Vergleichsraum durchgeführt hat, die zuverlässige Schlüsse auf einen Wert für grundsicherungsrechtlich angemessene Heizkosten in seinem Zuständigkeitsbereich zulässt (BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 22).

37

Die aus den dargestellten praktischen Schwierigkeiten abgeleitete Notwendigkeit, den Grenzwert des Heizspiegels im Einzelfall heranzuziehen, erhellt, dass die Werte des bundesweiten (oder kommunalen) Heizspiegels etwas anderes als die Bestimmung abstrakt angemessener Heizkosten sind. Der Grenzwert markiert nicht angemessene Heizkosten, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass im Einzelfall von unangemessenen Heizkosten auszugehen ist; das Überschreiten des Grenzwertes kann lediglich als Indiz für die fehlende Angemessenheit angesehen werden. Eine Absenkung der zu zahlenden Heizkosten kann auch bei Überschreiten des Grenzwertes nur aufgrund einer Angemessenheitsprüfung im Einzelfall erfolgen und die in Folge dieser Einzelfallprüfung zu zahlenden Heizkosten ergeben sich ohnehin nicht aus dem Heizspiegel. Die Werte des Heizspiegels geben nicht das tatsächliche Preisniveau auf dem Wohnungsmarkt wieder und sind deshalb nicht im Sinne eines abstrakt angemessenen Quadratmeterhöchstwerts für Heizkosten zu verstehen (BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 23, 25, 32).

38

Der Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II hat demnach, bezieht er auch die Aufwendungen für die Heizung nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II in seine Regelungen ein, eine Datenermittlung zur Bestimmung eines differenzierten abstrakt angemessenen Wertes der Heizkosten im in Bezug zu nehmenden Wohnsegment durchzuführen(vgl bereits BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 33).

39

c) Diese Anforderungen an die Bestimmung abstrakt angemessener Aufwendungen für die Heizung nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II schlagen auf die Anforderungen an die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze iS des § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II durch. Für die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze bedarf es nicht nur der realitätsgerechten Bestimmung, in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterkunft als abstrakt angemessen anerkannt werden, sondern auch der realitätsgerechten Bestimmung der als abstrakt angemessen anerkannten Aufwendungen für die Heizung (ebenso Berlit in Münder, aaO, § 22b RdNr 25 f). Nur beides zusammen kann eine rechtmäßige normative Bestimmung der Gesamtangemessenheitsgrenze im Rahmen eines Bruttowarmmietenkonzepts leisten, innerhalb dessen abweichend von der zu § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II ergangenen Rechtsprechung die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht getrennt, sondern ohne Rücksicht auf ihre jeweilige Angemessenheit bis zur einheitlich bestimmten Obergrenze als angemessen anzuerkennen sind(vgl BT-Drucks 17/3404 S 101).

40

Dass die beschriebenen praktischen Schwierigkeiten einer auf einer hinreichend differenzierten, methodisch akzeptablen Datengrundlage beruhenden Bestimmung abstrakt angemessener Aufwendungen für die Heizung auch auf die Möglichkeit der Bildung einer abstrakten Gesamtangemessenheitsgrenze durchschlagen, hat der Senat zuletzt in seinem Urteil vom 12.6.2013 deutlich gemacht (B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 21). Schon zuvor hat der Senat in seinem Urteil vom 2.7.2009 (B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 19), auf das sich der Antragsgegner bezieht, für die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze das Erfordernis der Festlegung eines verlässlich ermittelten abstrakt angemessenen Heizkostenpreises pro Quadratmeter für eine "einfache" Wohnung im unteren Segment des Wohnungsmarktes formuliert. Hieran ist festzuhalten.

41

Der Gesetzgeber hat in Kenntnis dieser Rechtsprechung durch § 22b Abs 1 Satz 2 und 3 SGB II zum Ausdruck gebracht, die Bestimmung abstrakt angemessener Aufwendungen für die Heizung und die Bildung einer abstrakten Gesamtangemessenheitsgrenze durch untergesetzliche Normen für möglich zu halten. Die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze für Unterkunfts- und Heizkosten ist nach dem Gesetz zulässig und für ihre Umsetzung durch untergesetzliche Normgeber sind durch die Rechtsprechung keine unerfüllbaren Anforderungen zu formulieren. Doch da der Gesetzgeber des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG zugleich an § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II festgehalten hat(vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 f), bewirkt die Ermächtigung, § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch untergesetzliche Normen zu konkretisieren, keine Lockerung der Verfahrensanforderungen, die aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit in § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II folgen. Aus diesen Anforderungen ergibt sich, dass dem Grenzwert aus einem bundesweiten (oder kommunalen) Heizkostenspiegel nicht die Funktion eines Quadratmeterhöchstwerts für angemessene Aufwendungen für Heizung im Sinne des SGB II zukommt (BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, Leitsatz 1). Er scheidet daher auch als in die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze einfließender Wert aus (vgl zu diesem Grundproblem der Ermittlung einer Gesamtangemessenheitsgrenze bereits die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. zur Ausführung einer Satzungsermächtigung bei den Kosten der Unterkunft und Heizung im SGB II und XII, NDV 2011, 349, 351).

42

6. Diesen Maßstäben wird die WAV mit ihren Regelungen zur angemessenen Höhe der Aufwendungen für die Heizung und zur Gesamtangemessenheitsgrenze nicht gerecht.

43

a) Mit der WAV ist nach ihrer Überschrift und ihrem § 1 Satz 1 von der untergesetzlichen Normsetzungsermächtigung in der Weise Gebrauch gemacht worden, dass in ihr nicht nur die nach § 22b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II erforderlichen Bestimmungen zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft getroffen sind, sondern auch die durch § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II ermöglichten Bestimmungen zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Heizung Aufnahme in die Verordnung gefunden haben. Zur Regelung auch der angemessenen Aufwendungen für Heizung war der Antragsgegner bundesrechtlich nicht verpflichtet. Da er sich aber für die Aufnahme auch von Bestimmungen zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Heizung entschieden hat, müssen diese den beschriebenen Anforderungen entsprechen, die an die Bestimmung abstrakt angemessener Bedarfe für Unterkunft und Heizung auf belastbarer Datengrundlage zu stellen sind.

44

Diesen Anforderungen werden die Bestimmungen der WAV zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Heizung nicht gerecht, weil sie nicht auf einer hinreichend differenzierten Datengrundlage beruhen. Nach § 3 Abs 3 Satz 1 WAV erfolgt die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für die Heizung gemäß § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II auf der Grundlage des von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten bundesweiten Heizspiegels in der jeweils geltenden Fassung. Ausweislich der Begründung zur WAV gemäß § 22b Abs 2 SGB II(GVBl 2012, 103 ff) werden als Grundlage für die Beurteilung der Angemessenheit von Heizkosten die Werte aus der Spalte "zu hoch" des bundesweiten Heizspiegels von 2011 zugrunde gelegt.

45

Der Rückgriff auf diesen bundesweiten Grenzwert ist indes etwas anderes als die Ermittlung eines abstrakt angemessenen Bedarfs auf der Grundlage erhobener oder ausgewerteter lokaler Daten. In der Begründung zur WAV ist zwar zutreffend ausgeführt, dass der Grenzwert unangemessenes Heizen indiziert. Unzutreffend ist aber der dort formulierte und statt für eine Einzelfallprüfung für eine normative Bestimmung gezogene Schluss, die Angemessenheit der Heizkosten sei solange zu bejahen, wie diese unter dem Grenzwert lägen. Dies entspricht entgegen den Ausführungen in der Begründung zur WAV - wie unter 5. dargestellt - nicht höchstrichterlicher Rechtsprechung. Denn während die Rechtsprechung des BSG zur Heranziehung des sich aus dem Heizspiegel ergebenden Grenzwerts die konkret-individuelle Angemessenheitsprüfung der Heizkosten zum Gegenstand hat, ist Gegenstand der WAV die abstrakt-generelle Bestimmung angemessener Heizkosten für das Land Berlin. Die Werte aus der Spalte "zu hoch" des bundesweiten Heizspiegels repräsentieren aber nicht die Höhe der abstrakt angemessenen Aufwendungen für Heizung im Land Berlin. Sie sind als Datengrundlage für die normative Bestimmung der Höhe der als angemessen anerkannten Aufwendungen für die Heizung auf der Ermächtigungsgrundlage des § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II von vornherein ungeeignet. Ob anderes bei einer Berücksichtigung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung abweichend von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch eine monatliche Pauschale gelten könnte, bedarf hier keiner Entscheidung; der Antragsgegner hat von der Ermächtigung zur Pauschalierung in § 22a Abs 2 SGB II keinen Gebrauch gemacht.

46

Damit stellt die WAV für die Bestimmung angemessener Aufwendungen für Heizung auf einen bundesweiten Wert ab, der unangemessen hohe Heizkosten im Einzelfall indiziert und deshalb rechtswidrig zu hoch ist, um als Grundlage für die abstrakte Angemessenheitsbestimmung im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum dienen zu können, für die allein das Bundesrecht die Länder und Kommunen in § 22a Abs 1 iVm § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II zur untergesetzlichen Normsetzung ermächtigt. Durch die so genannte Satzungslösung in § 22a Abs 1 SGB II ist zu einer Normsetzung für die Bestimmung regional angemessener Unterkunfts- und ggf auch Heizkosten ermächtigt worden(vgl BT-Drucks 17/3404 S 99). Werden auch Aufwendungen für die Heizung in diese untergesetzliche Normsetzung einbezogen, wozu das Bundesrecht nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II nicht verpflichtet, müssen sie deshalb auf der Grundlage von Daten des örtlichen Vergleichsraums als angemessen bestimmt werden.

47

b) Mit der WAV wird nach § 2 Abs 1 Satz 1 und § 4 ein Bruttowarmmietenkonzept verfolgt. Auf dessen Grundlage wird gemäß § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II eine Gesamtangemessenheitsgrenze gebildet. In deren Bildung fließen die nach § 3 Abs 3 WAV auf der Grundlage des bundesweiten Heizspiegels bestimmten Aufwendungen für Heizung ein.

48

Die durch den Antragsgegner rechtswidrig bestimmte Höhe der Aufwendungen für Heizung führt zur Rechtswidrigkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV. Denn nur die Zusammenfassung je für sich - unter Beachtung der Verfahrensanforderungen an eine realitätsgerechte Bedarfsbemessung - rechtmäßig bestimmter Höhen der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und für Heizung ergibt eine ermächtigungskonforme untergesetzliche abstrakte Gesamtangemessenheitsgrenze. Entspricht auch nur einer der beiden Werte für die Aufwendungen - Bruttokaltmiete und Heizkosten - nicht den rechtlichen Anforderungen, bewirkt dies die Rechtswidrigkeit der ermittelten Richtwerte für angemessene Bruttowarmmieten insgesamt, die die Gesamtangemessenheitsgrenze nach der WAV bilden.

49

Nach der Begründung zur WAV (GVBl 2012, 103 ff) werden für den jeweils in den Richtwert als Bruttowarmmiete einfließenden Grenzwert für Heizkosten die Werte aus der Spalte "zu hoch" des bundesweiten Heizspiegels zugrunde gelegt. Die Richtwerte zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheit von Bruttowarmmieten werden nach der Begründung sodann auf dieser Grundlage aus dem Produkt von abstrakt angemessener Wohnungsgröße und dem jeweiligen angemessenen qm-Preis für eine Bruttowarmmiete ermittelt. Soweit in der Begründung ausgeführt ist (unter Ziffer 2 am Ende), dass die Angemessenheitsprüfung sich allein auf das Ergebnis des Produkts (Richtwert), nicht jedoch auf die einzelnen Faktoren des Produkts beziehe (so genannte Produkttheorie), stimmt dies insoweit mit der Rechtsprechung des BSG überein - nach der für die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft abzustellen ist auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche einerseits und Ausstattung bzw Standard andererseits, die sich in der Wohnungsmiete niederschlagen, weshalb nicht alle berücksichtigungsfähigen Faktoren jeweils im Bereich der Angemessenheit liegen müssen (stRspr, zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R, aaO, RdNr 31) -, als es nicht jeweils auf die angemessene Wohnfläche und auf angemessene Kosten je Quadratmeter ankommt, sondern die Angemessenheit des Produkts aus Wohnungsgröße und Preis genügt. Damit sollen interne Ausgleiche im Einzelfall ermöglicht werden: Eine Wohnung kann größer sein, wenn ihr qm-Preis günstiger ist; ihr qm-Preis kann teurer sein, wenn sie kleiner ist.

50

Diese Ausrichtung der Produkttheorie ändert aber nichts daran, dass das, was an Bemessungsfaktoren in den jeweiligen angemessenen qm-Preis für die Unterkunft und für die Heizung Eingang gefunden hat, abstrakt angemessen sein muss. Interne Ausgleiche derart, dass die tatsächliche Bruttokaltmiete höher sein kann, wenn die tatsächlichen Heizkosten geringer sind und umgekehrt, sind auch im Konzept einer angemessenen Bruttowarmmiete angelegt. Diese Wirkungen bei der Anwendung einer Gesamtangemessenheitsgrenze im Rahmen der Angemessenheitsprüfung im Einzelfall rechtfertigen es indes nicht, bereits bei der Bildung dieser abstrakten Grenze Faktoren zu berücksichtigen, die ihrerseits nicht den Verfahrensanforderungen an die realitätsgerechte Bemessung abstrakt angemessener Bedarfe genügen. Nur bis zu einer abstrakten Gesamtangemessenheitsgrenze, die gebildet ist aus dem Produkt von abstrakt angemessener Wohnungsgröße und abstrakt angemessenen qm-Preis, der seinerseits aus der Summe von abstrakt angemessener Bruttokaltmiete und abstrakt angemessenen Heizkosten zusammen gesetzt ist, sind bei der Prüfung der Angemessenheit geltend gemachter Bedarfe für Unterkunft und Heizung interne Ausgleiche im Einzelfall möglich. Diese für Leistungen nach dem SGB II beanspruchende Personen begünstigenden Wirkungen der Produkttheorie bewirken mithin nicht ihrerseits eine Absenkung der Verfahrensanforderungen bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, auch nicht für den untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II.

51

7. Die WAV vom 3.4.2012 ist insgesamt rechtswidrig und ist zutreffend vom LSG nach § 55a Abs 5 Satz 2 Halbs 1 SGG insgesamt für unwirksam erklärt worden. Sie enthält keine abtrennbaren Regelungen, die für sich isoliert betrachtet eigenständig und rechtmäßig sind und deshalb unter Berücksichtigung der Ziele des Normgebers als Teilregelungen bestehen bleiben könnten (vgl zur Abteilbarkeit von Normen eines Normgefüges bei der objektiven Prüfung im Normenkontrollverfahren nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung, an das sich das Verfahren nach § 55a SGG anlehnt, Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom 18.7.1989 - 4 N 3/87 - BVerwGE 82, 225 = juris RdNr 22, 26 bis 28; BVerwG Beschluss vom 4.6.1991 - 4 NB 35/89 - BVerwGE 88, 268 = juris RdNr 15 bis 16, 24 bis 31; BVerwG Urteil vom 19.9.2002 - 4 CN 1/02 - BVerwGE 117, 58 = juris RdNr 12 bis 13; BVerwG Urteil vom 17.2.2005 - 7 CN 6/04, juris RdNr 15; BVerwG Urteil vom 9.4.2008 - 4 CN 1/07 - BVerwGE 131, 100 = juris RdNr 13). Hierfür streitet auch der der Rechtsprechung des BVerwG zu entnehmende Grundsatz, dass die Teilunwirksamkeit zur Gesamtunwirksamkeit eine von besonderen Umständen abhängende Ausnahme darstellt (vgl BVerwG Beschluss vom 24.4.2013 - 4 BN 22/13 - juris RdNr 3 mwN). Eine solche Ausnahme kommt hier nicht in Betracht, weil mit der Rechtswidrigkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV auf der Grundlage des durch den Antragsgegner verfolgten Bruttowarmmietenkonzepts die WAV in ihrem Kern betroffen ist. Diese steht und fällt mit der Gesamtangemessenheitsgrenze, auf die die weiteren Verordnungsregelungen bezogen sind.

52

a) Insbesondere ist die Bestimmung der angemessenen Höhe der Bruttokaltmiete nach § 3 Abs 2 WAV durch die rechtswidrige Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für die Heizung nach § 3 Abs 3 WAV sowie der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV "infiziert". Zutreffend hat das LSG insoweit - auch unter Hinweis auf die aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen ersichtliche Entstehungsgeschichte der WAV - ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der Verordnungsgeber zumindest die Referenzmiete bruttokalt nach § 3 Abs 2 WAV so wie geschehen festgelegt haben würde, wenn die Unwirksamkeit der ausgehend hiervon im Weiteren in der WAV bestimmten Gesamtangemessenheitsgrenzen bekannt gewesen sein würde. Denn aus der Entstehungsgeschichte der WAV ergibt sich, dass das Bruttowarmmietenkonzept vom Antragsgegner verfolgt worden ist, um Kostensenkungsverfahren, die durch die festgelegten Bruttokaltmieten erforderlich werden könnten, weitgehend zu vermeiden. Die Bruttokaltmiete ist ersichtlich in Kenntnis des Aufstockungspotentials eines hohen Werts für Heizkosten im Rahmen einer Gesamtangemessenheitsgrenze festgelegt worden und danach so eng mit dieser Grenze verflochten, dass ihre Abtrennbarkeit unter Berücksichtigung der Ziele des Normgebers ausscheidet.

53

Es ist die Folge des vom Antragsgegner zugrunde gelegten Bruttowarmmietenkonzepts, dass die Gesamtangemessenheitsgrenze insgesamt rechtswidrig und unwirksam ist, wenn nur einer der zu ihrer Bildung herangezogenen Werte rechtswidrig ist. Mit der Unwirksamkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV geht einher, dass auch die anderen zu ihrer Bildung nach § 3 WAV herangezogenen Werte, einschließlich der als angemessen anerkannten Wohnfläche nach § 3 Abs 1 WAV, diese Unwirksamkeit teilen, selbst wenn sie für sich isoliert betrachtet rechtmäßig ermittelt sein sollten, weil sie mangels Abtrennbarkeit als Teilregelungen bei Unwirksamkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze keinen Bestand haben können. Mit der Unwirksamkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV ist die Regelung zu ihren Datengrundlagen in § 3 WAV insgesamt unwirksam.

54

Damit aber weist die WAV keinen wirksamen Mindestinhalt nach § 22b Abs 1 Satz 1 SGB II mehr auf, den eine auf die §§ 22a bis 22c SGB II gestützte untergesetzliche Norm nach Bundesrecht aufzuweisen hat. Die Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit von §§ 3 und 4 WAV führen schon deshalb zur Unwirksamkeit der übrigen Regelungen der WAV, die aber auch ohnehin alle auf die den Kern der WAV bildenden Regelungen in §§ 3 und 4 WAV bezogen und neben diesen nicht eigenständig lebensfähig sind.

55

Dies gilt auch für die Sonderregelung des § 6 WAV zu die Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV überschreitenden besonderen Bedarfe für Unterkunft und Heizung, die an das Überschreiten des rechtswidrig bestimmten Richtwerts nach § 4 WAV anknüpft. Mangels Abtrennbarkeit dieser Regelung kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich darauf an, ob - was das LSG geprüft und bejaht hat - § 6 WAV auch deshalb unwirksam ist, weil er seinerseits keine allein ermächtigungskonforme Bestimmung abstrakt angemessener besonderer Bedarfe enthält. Doch weicht die Prüfung des LSG nicht von den bundesrechtlichen Anforderungen an Sonderregelungen für besondere Bedarfe nach § 22b Abs 3 SGB II ab, die der Senat in seinem Urteil vom 17.10.2013 formuliert hat (B 14 AS 70/12 R, aaO, RdNr 34 bis 38).

56

b) Der Gesamtunwirksamkeit der WAV steht nicht entgegen, dass diese mit ihrer Anknüpfung an zu hohe Werte für Heizkosten im Rahmen einer Gesamtangemessenheitsgrenze für Leistungen nach dem SGB II beanspruchende Personen potentiell begünstigend wirkt. Auch ist nicht dem Argument des Antragsgegners in seiner Revision zu folgen, die Bestimmung angemessener Heizkosten als Bestandteil der Gesamtangemessenheitsgrenze auf der Grundlage des bundesweiten Heizspiegels führe zur Bedarfsdeckung in allen Einzelfällen und die Einbeziehung offensichtlich hoher Werte zu einer grundsicherungsrechtlich sicheren Lösung. Denn angemessen sind weder zu niedrig noch zu hoch bemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Vielmehr werden diese nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II allenfalls in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Der Korridor angemessener Aufwendungen wird nach oben durch die tatsächlichen Aufwendungen und nach unten durch eine mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum unvereinbare Bedarfsanerkennung begrenzt. In diesem Korridor gibt es einerseits keine feststehende Obergrenze der Angemessenheit, andererseits nicht die Möglichkeit, höhere als nach den maßgeblichen Verhältnissen des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt angemessene Aufwendungen anzuerkennen, denn diese Verhältnisse sind realitätsgerecht abzubilden. Von dieser Vorgabe der Angemessenheit befreit auch nicht die Ermächtigung zu untergesetzlicher Normsetzung in § 22a Abs 1 SGB II(vgl § 22a Abs 3 Satz 1, § 22b Abs 1 Satz 4 SGB II).

57

In einem - wie hier - zulässig angestrengten Normenkontrollverfahren nach § 55a SGG als neben dem Individualrechtsschutz der objektiven Rechtskontrolle dienenden Verfahren kommt es entscheidend ohnehin nicht auf die Wirkungen der zur Überprüfung gestellten Normen, auf ihre Vorteile oder Nachteile im Einzelfall, sondern auf ihre Übereinstimmung mit dem höherrangigen Recht an, denn es ist nach § 55a Abs 1 SGG über ihre Gültigkeit und nicht über eine individuelle Rechtsverletzung zu entscheiden. Es kann deshalb die untergesetzliche normative Bestimmung angemessener Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht dadurch in dem objektiven Rechtsbeanstandungsverfahren nach § 55a SGG vor rechtlicher Kritik geschützt werden, dass sie weitergehende als die durch das höherrangige Gesetzesrecht in § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegebenen angemessenen Bedarfe berücksichtigt(vgl zum Normenkontrollverfahren als objektivem Rechtsbeanstandungsverfahren Axer, SGb 2013, 669, 672; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 55a RdNr 2, 19, 22; Luik, ZFSH/SGB 2013, 683, insbes 687 f; Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 55a RdNr 2, 18).

58

c) Auch unangemessen zu hoch bemessene Bedarfe können zudem auf längere Sicht nachteilige Wirkungen haben, weil sie geeignet sind, die Marktverhältnisse zu verzerren und auf dem örtlichen Wohnungsmarkt preissteigernd zu wirken (zu den Wirkungszusammenhängen zwischen Kosten der Unterkunft und lokalen Wohnungsmärkten vgl Forschungen Heft 142: "Kosten der Unterkunft und die Wohnungsmärkte. Auswirkungen der Regelungen zur Übernahme der Kosten der Unterkunft auf Transferleistungsempfänger und Kommunen", hrsg vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, 2009).

59

Schließlich können unangemessen zu hoch bemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung, für die der Antragsgegner die Finanzierungslast nicht allein trägt, auch bewirken, dass die zweckgebundene Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 46 Abs 5 SGB II zu hoch ausfällt(vgl zur Möglichkeit von Schadenersatzansprüchen des Bundes BSG Urteil vom 15.12.2009 - B 1 AS 1/08 KL - BSGE 105, 100 = SozR 4-1100 Art 104a Nr 1).

60

8. Da die WAV vom 3.4.2012 insgesamt unwirksam ist, besteht für den Senat kein Anlass, sich auf "Fehlersuche" zu begeben (vgl dazu BVerwG Urteil vom 17.4.2002 - 9 CN 1/01 - BVerwGE 116, 188 = juris RdNr 42 bis 44), ob die WAV oder einzelne ihrer Regelungen auch aus anderen rechtlichen Gründen rechtswidrig sein könnten, und auch keine Veranlassung zur Prüfung, ob nicht abtrennbare Teilregelungen der WAV mit höherrangigem Recht bei isolierter Betrachtung vereinbar sein könnten (noch enger Axer, SGb 2013, 669, 672: "keine Kompetenz zu allgemeinen rechtsgutachtlichen Ausführungen"; weniger streng BVerwG Beschluss vom 11.12.2002 - 4 BN 16/02 - BVerwGE 117, 239 = juris RdNr 8: Weiterprüfung als "nobile officium"). Insbesondere besteht kein Anlass zur revisionsgerichtlichen Prüfung, ob die Bestimmung der angemessenen Höhe der Aufwendungen für die Unterkunft nach § 3 Abs 2 WAV rechtlicher Kontrolle standhält. Vielmehr ist es dem Antragsgegner überlassen, ob und in welcher Weise durch eine erneute Ausübung der Normsetzungsermächtigung in §§ 22a bis 22c SGB II iVm § 8 AG-SGB II der Weg zur Bestimmung der Höhe angemessener Aufwendungen für Unterkunft und ggf Heizung im Land Berlin durch Erlass einer neuen Verordnung beschritten wird.

61

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Tatbestand

1

Im Streit sind höhere Leistungen (60 Euro monatlich) für Unterkunfts- und Heizkosten im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.1.2005 bis 30.6.2006.

2

Die 1928 geborene Klägerin bewohnt mit ihrem 1940 geborenen Ehemann seit 1994 eine 66 qm große Drei-Zimmer-Erdgeschosswohnung im Haus ihrer - ebenfalls dort wohnenden - Tochter. Die Klägerin hatte nach den Ausführungen des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) 365 Euro monatlich und einen Betrag in Höhe von 40 Euro für Nebenkosten (ohne Heizung) an die Tochter zu zahlen. Der Beklagte bewilligte nach Ablauf eines früheren Bewilligungszeitraums (nur) der Klägerin - das zu berücksichtigende Einkommen des Ehemannes überstieg seinen sozialhilferechtlichen Bedarf - im Rahmen der Grundsicherungsleistung Unterkunftskosten (Miete und Nebenkosten) unter Berücksichtigung von nur 345 Euro monatlich als angemessener Kosten der Unterkunft statt von 405 Euro und unter Anrechnung des den Bedarf des Ehemannes übersteigenden Einkommens des Ehemannes (Bescheid vom 12.12.2004; Widerspruchsbescheid vom 27.4.2005). Auf die Klage hiergegen hat das Sozialgericht (SG) Würzburg den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet, weil zur Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin und ihres Ehemannes für Unterkunft und Heizung weiterer Ermittlungsbedarf bestehe (Urteil vom 2.11.2005 - S 15 SO 44/05 -). Nach Auswertung von Inseraten und Wohnungsangeboten gewährte der Beklagte Grundsicherungsleistungen - zunächst unverändert in Höhe von 181,70 Euro monatlich bis 30.6.2005 danach in Höhe von 185,75 Euro - unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten von wiederum lediglich 345 Euro monatlich, weil nur ein solcher Betrag (unter Einrechnung der Nebenkosten) angemessen sei (Bescheid vom 30.1.2006; Widerspruchsbescheid vom 29.3.2006).

3

Die Klage hiergegen blieb erst- und zweitinstanzlich - insoweit hatte sich auch der Ehemann der Klägerin noch gegen den Bescheid gewehrt - erfolglos (Urteil des SG vom 8.8.2007; Urteil des LSG vom 29.1.2008). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Entscheidung des Beklagten über die Angemessenheit der Unterkunftskosten habe sich durch die Auswertung von Inseraten, durch Angaben des Wohnungsamtes sowie von Maklern als richtig erwiesen. Weder das Alter noch die gesundheitliche Verfassung der Klägerin ließen einen Umzug unzumutbar erscheinen. Auf die im Gesetz vorgesehene sechsmonatige Schonfrist könne sich die Klägerin nicht berufen, weil ihr die Unangemessenheit der Unterkunftskosten bereits seit längerem (2002) bekannt gewesen sei.

4

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie ist der Ansicht, ein Umzug sei ihr insbesondere im Hinblick auf ihr Alter und den Umstand unzumutbar, dass sie ein lebenslanges Wohnrecht besitze und den familiären Bindungen zu ihrer Tochter ein besonderes Gewicht beizumessen sei.

5

Die Klägerin beantragt, nachdem ihr Ehemann seine Klage zurückgenommen hat,

die Urteile des LSG und des SG aufzuheben, soweit über ihre Klage entschieden worden sei, und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 30.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.3.2006 zu verurteilen, weitere 60 Euro monatlich an Unterkunfts- und Heizkosten für die Zeit vom 1.1.2005 bis 30.6.2006 an sie zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Der Senat kann mangels ausreichender Tatsachenfeststellung des LSG (§ 163 SGG) nicht abschließend entscheiden, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für den streitigen Zeitraum 60 Euro monatlich mehr zu zahlen.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 30.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.3.2006 (§ 95 SGG), gegen den sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG) wehrt, soweit ihr darin höhere Leistungen (60 Euro monatlich) abgelehnt worden sind. In der Sache hat die Klägerin ihr Begehren in zulässiger Weise auf Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beschränkt; eine weitergehende Beschränkung des Streitgegenstands auf die Höhe nur der Aufwendungen für die Unterkunft ohne Heizkosten ist dagegen nicht statthaft (BSGE 97, 217 ff RdNr 18 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1; BSGE 104, 41 ff RdNr 13). Dass die Klägerin, nachdem ihr Ehemann, der zunächst ebenfalls im vorliegenden Verfahren Klage erhoben hatte und diese erst im Revisionsverfahren zurückgenommen hat, ihren Klageantrag erstmals in der Revisionsinstanz ausdrücklich auf (zusätzliche) 60 Euro monatlich beziffert, beinhaltet keine nach § 168 Satz 1 SGG unzulässige Klageänderung. Ihre erst- und zweitinstanzlichen Anträge waren vernünftigerweise (vgl zu diesem Kriterium nur: Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl 2008, Vor § 60 RdNr 11a mwN) so zu verstehen, dass an sie 30 Euro, hilfsweise für den Fall, dass dem Ehemann ein geringerer Anspruch als 30 Euro oder kein Anspruch zustehe, an sie entsprechend mehr zu zahlen sein sollten. Insoweit handelt es sich um eine zulässige innerprozessuale Bedingung (vgl dazu nur Keller, aaO, RdNr 11 mwN).

10

Der Beklagte ist nach § 70 Nr 1 SGG mangels landesrechtlicher Regelung iS des § 70 Nr 3 SGG (Behördenprinzip) der richtige Beklagte und nach § 97 Abs 1 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) iVm Art 80 Abs 1 des (Bayerischen) Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze vom 8.12.2006 (Gesetz- und Verordnungsblatt 942) als örtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 98 Abs 1 Satz 2 SGB XII) zuständig für die Erbringung der beantragten Leistung.

11

Deren Rechtsgrundlage ist § 19 Abs 2(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialrechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) iVm §§ 41, 42 und 29 SGB XII. Nach § 29 Abs 1 Satz 1 SGB XII, auf den § 42 SGB XII für den Leistungsumfang bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 41 SGB XII verweist, werden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Übersteigen diese Aufwendungen den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie insoweit als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 19 Abs 1 SGB XII zu berücksichtigen sind, (nur) anzuerkennen, solange es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate(§ 29 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB XII). Auch Leistungen für die Heizung werden grundsätzlich in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit sie angemessen sind (§ 29 Abs 3 Satz 1 SGB XII); nur unter bestimmten im Gesetz näher bezeichneten Voraussetzungen (Abs 2 und 3) ist eine Pauschalierung der Leistungen für Unterkunft und Heizung zulässig. Eine Pauschalierung hat der Beklagte indes nicht vorgenommen.

12

Die Revision ist nicht bereits deshalb begründet, weil der Beklagte durch das rechtskräftige Urteil des SG vom 2.11.2005 verurteilt worden ist und der angefochtene Bescheid nicht inhaltlich den Vorgaben des SG-Urteils entspricht. Das SG hat den Beklagten vielmehr nur verpflichtet, die Klägerin neu zu bescheiden; die im Urteil vorgegebenen weiteren Kriterien hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid beachtet.

13

Für eine abschließende Entscheidung des Senats notwendige tatsächliche Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) fehlen - abgesehen davon, dass es überhaupt an Feststellungen zum Einkommen und Vermögen, auch des Ehemannes der Klägerin mangelt - bereits dazu, was die Klägerin tatsächlich an Unterkunft und Nebenkosten an ihre Tochter gezahlt hat; das LSG hat in seiner Entscheidung lediglich ausgeführt, was die Klägerin und ihr Ehemann "zu zahlen hatten", also nach Ansicht des LSG zahlen mussten. Selbst insoweit fehlen die für diesen rechtlichen Schluss erforderlichen Tatsachenfeststellungen zum Inhalt (ernsthafter) schriftlicher oder mündlicher Abmachungen. Gerade wegen der engen familiären Beziehungen (Mutter und Tochter) ist es naheliegend, dass die Tochter der Klägerin im Hinblick auf die Entscheidung des Beklagten, nur geringere Kosten der Unterkunft zu übernehmen, nicht die gesamte geschuldete Miete verlangt hat und endgültig hierauf, nicht nur vorläufig im Hinblick auf künftige Zahlungen des Beklagten, verzichtet hat (vgl dazu etwa: BSG, Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R -, BSGE 104, 213 ff RdNr 18 mwN = SozR 4-1300 § 44 Nr 20); zur Höhe der Heizkosten fehlen ohnehin jegliche tatsächliche Feststellungen des LSG. Ob die zwischen den Mietvertragsparteien geschlossenen Vereinbarungen über die Miete und die Nebenkosten rechtmäßig sind, bedarf allerdings bei tatsächlicher Zahlung regelmäßig keiner näheren Prüfung; andererseits ist in diesem Fall eine genauere Untersuchung erforderlich, ob die auf einer rechtswidrigen Vereinbarung beruhenden Verpflichtungen nicht - wie später noch ausgeführt wird - durch Absprache mit dem Vermieter oder durch eine gerichtliche Klärung und damit auf das rechtmäßige (konkret angemessene) Maß gesenkt werden können (BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R -, BSGE 104, 179 ff RdNr 15 ff und 21 ff).

14

Nicht nachprüfbar ist aber vor allem die Angemessenheit der Unterkunftskosten und der Heizkosten nach Maßgabe der allgemeinen Angemessenheitsprüfung; wie bereits ausgeführt, fehlen zu letzteren sogar überhaupt Aussagen des LSG. Diese Angemessenheit der Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft ist nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - ) zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der erkennende Senat wegen der gleichen Rechtslage im SGB XII anschließt - auch bei Mietverhältnissen zwischen Verwandten (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 15; Urteil vom 7.5.2009 - B 14 AS 31/07 R - RdNr 17 ff) - in mehreren Schritten zu prüfen (vgl dazu zusammenfassend: Knickrehm in Spellbrink, Das SGB II in der Praxis der Sozialgerichte - Bilanz und Perspektiven, 2010, S 79 ff mit umfangreichen Nachweisen zur Rspr des BSG; dieselbe in Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II, 2009, S 11 ff mwN).

15

Erster Prüfungsschritt ist die angemessene Größe der Wohnung, wobei die Bemessung nach den landesrechtlichen Durchführungsvorschriften zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376) iVm den landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen, hier denen für die Wohnraumförderung 2003 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 11.11.2002 (Allgemeines Ministerialblatt Nr 14/2002, 971 unter Nr 81) erfolgt. Darin ist für zwei Personen eine Mietwohnungsgröße von 65 qm vorgesehen, die die Wohnung der Klägerin um einen Quadratmeter überschreitet. Ob insoweit eine generelle Toleranz anzunehmen ist, bedarf noch keiner Entscheidung, weil sich die Angemessenheit der Kosten ohnedies nach der Produkttheorie richtet. Die Angemessenheit einer Wohnung ist damit nicht nur durch deren Größe bestimmt, sondern auch durch Ausstattung, Lage und Bausubstanz, die nur einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen müssen und keinen gehobenen Lebensstandard aufweisen dürfen; die Angemessenheit bestimmt sich dann aus dem Produkt von Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt (vgl nur zusammenfassend Knickrehm in Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, aaO, S 11, 17 mwN zur Rechtsprechung).

16

Der insoweit angemessene Quadratmeterpreis einer Wohnung ist mittels eines schlüssigen Konzepts für einen homogenen Lebensraum zu ermitteln (vgl zuletzt: BSG, Urteile vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - RdNr 18 ff und - B 4 AS 50/09 R - RdNr 17 ff; Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R; im Einzelnen: Knickrehm in Spellbrink, aaO, S 79 ff, 89 f). Dies gilt sowohl für die Miete selbst als auch für die Mietnebenkosten (Knickrehm in Spellbrink, aaO, S 107). Nicht erforderlich dürfte es sein, beide Kosten getrennt zu ermitteln; vielmehr dürfte auch denkbar sein, ein Schlüssigkeitskonzept zu entwickeln und anzuwenden, das beide Kostenbestandteile integriert. Eine endgültige Entscheidung des Senats hierüber ist jedoch noch nicht erforderlich.

17

Vorliegend jedenfalls genügen die vom LSG festgestellten Tatsachen nicht den von der Rechtsprechung des BSG später entwickelten Schlüssigkeitsanforderungen (vgl zu diesen: BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R -, BSGE 104, 192 ff RdNr 19; Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - RdNr 23; zusammenfassend auch Knickrehm in Spellbrink, aaO, S 89 f). Die von dem Beklagten durchgeführten Maßnahmen (Auswertung von Inseraten, Einholung von Auskünften der auf dem freien Wohnungsmarkt tätigen Makler im Rahmen der Zeitungsberichterstattung über sinkende Preise im Jahre 2005 und 2006 unter Berücksichtigung der Tatsache des Abzugs der US-Streitkräfte und des dadurch frei werdenden Wohnraums) sind dafür keinesfalls ausreichend. Das LSG wird deshalb die entsprechende Prüfung unter Beachtung der dazu ergangenen Rechtsprechung nachzuholen haben. Dabei wird es im Regelfall auf die Mitarbeit des Beklagten angewiesen sein, der im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG gehalten ist, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen(vgl dazu: BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - RdNr 22; Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - RdNr 22 ff; Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R; vgl auch Knickrehm in Spellbrink, aaO, S 92 f). Inwieweit für den Fall, dass hinreichende Erkenntnismöglichkeiten fehlen, auf die Tabellenwerte zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) bzw § 12 WoGG einschließlich eines Sicherheitszuschlags zurückgegriffen werden darf(vgl dazu: BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - RdNr 23; Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - RdNr 27; vgl auch Knickrehm in Spellbrink, aaO, S 93), kann vorliegend noch offen bleiben. Ohnedies dürfte dieser Rückgriff nur für die Mietkosten selbst möglich sein, nicht jedoch für die Mietnebenkosten.

18

Steht auf diese Weise generell-abstrakt die Unangemessenheit fest, ist weiter zu prüfen, ob die Klägerin auf dem für sie maßgeblichen Wohnungsmarkt tatsächlich eine Wohnung (konkret) anmieten kann (BSGE 97, 231 ff RdNr 25 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2; BSGE 97, 254 ff RdNr 22 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3). Dahinstehen kann dabei, ob, wie dies der 14. Senat des BSG annimmt, die Prüfung nach dem Vorhandensein entsprechender Wohnungen eine solche der Angemessenheit iS des § 29 Abs 1 Satz 1 SGB XII oder der Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit iS des § 29 Abs 1 Satz 2 SGB XII darstellt, wie dies der 4. Senat des BSG annimmt (vgl zu dieser Diskrepanz zwischen dem 14. und 4. Senat des BSG: Knickrehm in Spellbrink, aaO, S 94 f). Es ist nicht erkennbar, dass vorliegend der Streit hierüber für den Ausgang des Verfahrens von Bedeutung sein kann.

19

Sollte der Klägerin bei konkreter Betrachtung eine angemessene Wohnung zur Verfügung stehen, bliebe immer noch zu prüfen, ob ihr ein Umzug überhaupt zumutbar wäre oder ob nicht einem zu respektierenden Recht der Klägerin auf Verbleib in ihrem sozialen Umfeld Rechnung zu tragen ist (vgl BSGE 97, 231 ff RdNr 29 f = SozR 4-4200 § 22 Nr 2; BSGE 102, 263 ff RdNr 32 ff; vgl auch Knickrehm in Spellbrink, aaO, S 94 f und 99). Dabei ist das Alter der Klägerin von 77/78 Jahren im Bezugszeitraum von wesentlicher Bedeutung; bereits unabhängig von sonstigen gesundheitlichen Einschränkungen (vgl dazu: Knickrehm in Spellbrink, aaO, S 99 f) ist nämlich der Klägerin im Hinblick hierauf ein Umzug (allein) wegen (evtl) unangemessener Mehrkosten in Höhe von insgesamt 60 Euro im Monat subjektiv nicht zumutbar.

20

Denn der Aktivitätsradius älterer Menschen verringert sich erfahrungsgemäß, sodass Wohnung und Wohnumgebung für das körperliche und psychische Wohl des alten Menschen immer mehr an Bedeutung gewinnen (Zweiter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland: Wohnen im Alter, 1998, BT-Drucks 13/9750, S 17 ). Da der Alterungsprozess mit einer Abnahme der Anpassungsfähigkeit und einer Zunahme der Anfälligkeit für Erkrankungen einhergeht, sind ältere Menschen typisierend immobiler als der Durchschnitt der Bevölkerung (Bundesaltenbericht 1998, S 93 und 198). Diesen soziologischen Erkenntnissen muss auch die Prüfung der (subjektiven) Zumutbarkeit eines Umzugs in eine andere Wohnung (grundsätzlich) gerecht werden; allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt und ohne Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Vorliegend sind jedenfalls keine Umstände erkennbar, die die Forderung nach einem Umzug bei unangemessenen Mehrkosten von bis zu 60 Euro monatlich rechtfertigen. Im Gegenteil: Die Klägerin wohnte bereits über zehn Jahre in der Wohnung und war dadurch in besonderer Weise in das soziale Umfeld integriert, dass die Eigentümerin dieses Hauses, ihre Tochter, in demselben Haus wohnt und der Klägerin vertraglich ein lebenslanges Wohnrecht zugesichert worden war, das auf von der Klägerin und ihrem Ehemann erbrachten Eigenleistungen (Renovierungsarbeiten bei Einzug in die Wohnung) zurückzuführen ist. Auf die von der Klägerin zur Begründung der Revision herangezogene Vorschrift des § 574 Bürgerliches Gesetzbuch, die allerdings nur eine Vorschrift zur Interessenabwägung zwischen Vermieter und Mieter, nicht zwischen der Solidargemeinschaft der Steuerzahler und dem Sozialhilfeempfänger, darstellt, muss deshalb nicht zurückgegriffen werden, könnte es wegen der unterschiedlichen Zielsetzung auch nicht.

21

Ein besonderes Augenmerk wird das LSG ggf bei seiner erneuten Entscheidung darauf zu richten haben, ob die Aufwendungen der Klägerin nicht auf andere Weise gesenkt werden können (§ 29 Abs 1 Satz 3 SGB XII). Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die vertraglichen Abmachungen zwischen ihr und ihrer Tochter rechtswidrig (vgl zu dieser Konstellation: BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R -, BSGE 104, 179 ff RdNr 21 ff; vgl auch Knickrehm in Spellbrink, aaO, S 97) und damit als konkret unangemessen zwischen den Vertragsparteien zu korrigieren sind, sondern ggf auch für den Fall einer rechtmäßigen Vereinbarung. Auch dann nämlich ist der Klägerin zuzumuten, bei ihrer Tochter um eine Senkung des Mietpreises bzw der Nebenkosten nachzusuchen und eine nach dem Vergleich mit anderen Wohnungen den Anforderungen für angemessene Kosten entsprechende Vereinbarung herbeizuführen. Gerade zwischen Eltern und Kindern besteht eine besondere sittliche Verantwortung bei der Vereinbarung der Miete auf deren allgemeine Angemessenheit zu achten, wenn der Mieter bedürftig im Sinne des SGB XII ist. Es dürfte regelmäßig auszuschließen sein, dass Kinder ihren langjährig bei ihnen zur Miete wohnenden Eltern das Mietverhältnis nur deshalb kündigen, weil statt einer rechtmäßig vereinbarten Miete nur eine solche in etwas geringerer Höhe gezahlt wird und werden kann, die den allgemeinen Angemessenheitskriterien des SGB XII entspricht.

22

Ob vorliegend eine Senkung der Aufwendungen durch Untervermietung möglich ist, erscheint zweifelhaft, kann jedoch letztlich vom Senat nicht abschließend entschieden werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedarf es auch keiner Entscheidung darüber, ob der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt, wonach eine Kostensenkung auf andere Weise auch durch sog frei verfügbare Mittel verlangt werden kann (vgl dazu: Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 29 SGB XII RdNr 33 mwN).

23

Allerdings setzt der Vorwurf, die Klägerin habe ihre Obliegenheit, Kostensenkungsbemühungen vorzunehmen, verletzt, eine Kostensenkungsaufforderung voraus (vgl dazu zusammenfassend: Knickrehm in Spellbrink, aaO, S 96 f mwN). Soweit es um die Kostensenkungsvariante eines Umzugs geht, sind deren Voraussetzungen vorliegend schon weit vor dem streitigen Zeitraum erfüllt, weil die Klägerin bereits mehr als sechs Monate vor Beginn des streitigen Bezugszeitraums (vgl zur Sechs-Monats-Frist § 29 Abs 1 Satz 3 SGB XII) auf die Unangemessenheit der Unterkunftskosten hingewiesen worden ist. Dies genügt nach der Rechtsprechung des BSG regelmäßig. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn es um die Kostensenkungsvariante "auf andere Weise" geht, insbesondere dann, wenn dem Hilfebedürftigen vorgehalten werden soll, nicht durch Absprachen mit dem Vermieter eine Kostensenkung versucht zu haben (s dazu BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R -, BSGE 104, 179 ff RdNr 23; Knickrehm in Spellbrink, aaO, S 97 f). Hier müsste die Kostensenkungsaufforderung weitere Angaben enthalten, die die Klägerin hätten erkennen lassen können, welche Kostensenkungsobliegenheiten man von ihr erwartet; allerdings fehlen entsprechende Feststellungen des LSG dazu. Selbst bei entsprechender Kenntnis oder Belehrung wäre eine Übernahme der unangemessenen Kosten zumindest für sechs Monate gerechtfertigt, weil der Klägerin regelmäßig sechs Monate Zeit für Kostensenkungsbemühungen zur Verfügung stehen (vgl dazu BSGE 102, 263 ff RdNr 32; Knickrehm in Spellbrink, aaO, S 98 f mwN).

24

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Kuntz wird abgelehnt.

Gründe

 
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 26. Februar 2013 ist zulässig (vgl. § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), sie ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
I.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt.
Im Streit steht hier ein Anspruch des Klägers auf Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form der Übernahme der Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende -SGB II für die Zeit vom 01. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011. Statt des vom Beklagten gewährten Betrages in Höhe von 408,- EUR monatlich möchte der Kläger monatlich 471,47 EUR bekommen, was dem tatsächlich von ihm zu zahlenden Betrag entsprechen würde. Insgesamt sind mithin 380,82 EUR im Streit, so dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt.
II.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des LSG, Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Keine dieser Voraussetzungen liegt vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch weicht das Urteil des SG vom 26. Februar 2013 von Entscheidungen des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG ab, noch liegt ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
III.
1.
Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine oder mehrere Rechtsfragen aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse einer Klärung durch das Berufungsgericht bedürftig und fähig sind. Der Beschwerdeführer müssen daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung, gegebenenfalls sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist, und dass das angestrebte Berufungsverfahren eine Klärung erwarten lässt (s. hierzu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 144 Rdnr. 28 u. § 160 Rdnr. 6; s. u.a. BSG, SozR 1500 § 160a Nr. 60 und SozR 3-1500 § 160 a Nr. 16). Geht es um bereits geklärte Rechtsfragen, so ist darzulegen, aus welchen erheblichen Gründen sich die Notwendigkeit einer Überprüfung der bereits vorliegenden Rechtsprechung ergibt; dies ist etwa dann der Fall, wenn dieser Rechtsprechung in nicht nur geringfügigen Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (BSG, SozR 1500 § 160a Nr. 13). Der Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung).
10 
Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinne wirft die Streitsache jedoch nicht auf. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht, wenn die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist. Gleiches gilt, wenn zwar eine ausdrückliche höchstrichterliche Auseinandersetzung mit der Frage bislang fehlt, die Beantwortung der Frage aber so gut wie unbestritten ist bzw. die Antwort von vornherein praktisch außer Zweifel steht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 144 Rdnr. 28 u. § 160 Rdnr. 8f). Ein solcher Fall liegt hier vor.
11 
Der Kläger beruft sich zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde darauf, die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Angemessenheit im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II verstoße gegen die Verfassung bzw. die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, juris) aufgestellten Anforderungen. Den Grund hierfür benennt er nicht, sondern beruft sich zur Begründung u.a. auf die Urteile des SG Mainz vom 8. Juni 2012 (S 17 AS 1452/09, juris) und des SG Leipzig vom 15. Februar 2013 (S 20 AS 2707/12, juris). Diskutiert wird dort die Frage, ob die Begrenzung der zu übernehmenden Kosten der Unterkunft anhand des Rechtsbegriffs der Angemessenheit dem Parlamentsvorbehalt genügt oder ob insoweit eine konkretere Ausgestaltung unmittelbar durch den Gesetzgeber notwendig gewesen wäre (so das SG Leipzig). Das SG Mainz konkretisiert dies weiter dahingehend, für die vom Bundessozialgericht vorgenommene Auslegung der Norm, bei der zur Bestimmung der Grenze der Angemessenheit eine Orientierung am einfachen Wohnstandard erfolgt, fehle es an einer den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügenden und hinreichend bestimmten parlamentsgesetzlichen Grundlage (SG Mainz aaO Rdnr. 50).
12 
Indes hat das Bundessozialgericht (BSG) zu diesen Fragen - wenn auch nicht ausdrücklich - bereits Stellung genommen. Das BSG hat bereits im Urteil vom 7. November 2006 (B 7b AS 10/06 R, juris Rdnrn. 24 u. 28) ausgeführt, § 22 Abs. 1 SGB II gestehe „nur eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt“ sowie einen „einfachen und im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad“ zu. Diese Rechtsprechung wurde fortan fortgeführt (vgl. nur BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R - juris Rdnr. 20), so dass davon ausgegangen werden muss, dass die Vereinbarkeit des unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit mit verfassungsrechtlichen Anforderungen bereits geprüft wurde. Dass das BSG in einer zukünftigen Entscheidung hiervon abweichen wird, ist aus derzeitiger Sicht nicht zu erwarten, zumal auch das SG Mainz (aaO.) in seiner Entscheidung weiter mit dem Begriff der Angemessenheit agiert, diesen bzw. die Grenze der Unangemessenheit lediglich anders definiert als das BSG. Insoweit beruhen die Bedenken dann allerdings nicht auf einem Widerspruch zum Parlamentsvorbehalt, sondern moniert wird die konkrete Auslegung des Begriffs der Angemessenheit, die aus Sicht des SG Mainz inhaltlich verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge. Eine Änderung der Rechtsprechung lässt dies nicht erwarten. Darüber hinaus lassen sich der vom SG Mainz zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus Sicht des Senats die angeführten Zweifel auch nicht entnehmen.
13 
Dies ergibt sich zum einen daraus, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 darstellt, mit welchen Leistungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch „der Gesetzgeber entsprechend den materiellen Vorgaben des Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein subsidiäres System sozialer Sicherung des Existenzminimums geschaffen hat“ (BVerfG, aaO., juris Rdnr. 147). Bei der Darstellung der verschiedenen Leistungsarten verweist es unmittelbar anschließend auch darauf, „§ 22 Abs. 1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG, aaO., juris Rdnr. 148). Damit bezieht es die in § 22 Abs. 1 SGB II getroffene Regelung in den Kreis der Leistungen ein, die der Gesetzgeber in der Verfassung entsprechender Weise durch die Normen des SGB II gewährt.
14 
Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2011 zur inhaltlichen Ausfüllung des Begriffs der „Angemessenheit“ im § 22 Abs. 1 SGB II durch das Bundessozialgericht Stellung bezogen, auf die aus seiner Sicht bereits zu dieser Zeit gefestigte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen und dessen dreischrittige Prüfung dargestellt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 27. September 2011 - 1 BvR 232/11 - juris Rdnr. 23ff). In diesem Zusammenhang wird an keiner Stelle darauf hingewiesen, es könnte Zweifel an dem normierten unbestimmten Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ geben, woraus nur geschlossen werden kann, dass das Gericht schon damals von der Verfassungsgemäßheit der Regelung ausging (vgl. hierzu Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. § 22 Rdnr. 72).
15 
Eine Änderung der Rechtsprechung durch das Bundessozialgericht steht damit nach derzeitigem Stand praktisch außer Zweifel, so dass die aufgeworfene Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung hat.
2.
16 
Eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt ebenfalls nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt. Dies ist nicht der Fall und wird vom Prozessbevollmächtigten des Klägers auch nicht geltend gemacht.
3.
17 
Zuletzt liegt auch kein Verfahrensmangel vor. Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG muss geltend gemacht werden und die Entscheidung muss auf ihm beruhen können. Der Verfahrensmangel muss außerdem der Beurteilung des LSG unterliegen, das bedeutet, das LSG muss ihn prüfen können. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren (nicht das Widerspruchsverfahren und nicht das Verwaltungsverfahren) regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt, es geht insoweit nicht um die Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Wege zum Urteil oder die Zulässigkeit des Urteils (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 Rdnr. 32 m. w. N.). Mängel dieser Art sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
18 
Die Beschwerde des Klägers war daher zurückzuweisen.
IV.
19 
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.
20 
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war daher mangels Erfolgsaussichten nicht zu gewähren (§ 73a SGG i.V.m. §§ 114 Satz 1, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
21 
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
22 
Das angefochtene Urteil des SG vom 26. Februar 2013 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Kuntz wird abgelehnt.

Gründe

 
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 26. Februar 2013 ist zulässig (vgl. § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), sie ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
I.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt.
Im Streit steht hier ein Anspruch des Klägers auf Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form der Übernahme der Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende -SGB II für die Zeit vom 01. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011. Statt des vom Beklagten gewährten Betrages in Höhe von 408,- EUR monatlich möchte der Kläger monatlich 471,47 EUR bekommen, was dem tatsächlich von ihm zu zahlenden Betrag entsprechen würde. Insgesamt sind mithin 380,82 EUR im Streit, so dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt.
II.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des LSG, Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Keine dieser Voraussetzungen liegt vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch weicht das Urteil des SG vom 26. Februar 2013 von Entscheidungen des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG ab, noch liegt ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
III.
1.
Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine oder mehrere Rechtsfragen aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse einer Klärung durch das Berufungsgericht bedürftig und fähig sind. Der Beschwerdeführer müssen daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung, gegebenenfalls sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist, und dass das angestrebte Berufungsverfahren eine Klärung erwarten lässt (s. hierzu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 144 Rdnr. 28 u. § 160 Rdnr. 6; s. u.a. BSG, SozR 1500 § 160a Nr. 60 und SozR 3-1500 § 160 a Nr. 16). Geht es um bereits geklärte Rechtsfragen, so ist darzulegen, aus welchen erheblichen Gründen sich die Notwendigkeit einer Überprüfung der bereits vorliegenden Rechtsprechung ergibt; dies ist etwa dann der Fall, wenn dieser Rechtsprechung in nicht nur geringfügigen Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (BSG, SozR 1500 § 160a Nr. 13). Der Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung).
10 
Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinne wirft die Streitsache jedoch nicht auf. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht, wenn die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist. Gleiches gilt, wenn zwar eine ausdrückliche höchstrichterliche Auseinandersetzung mit der Frage bislang fehlt, die Beantwortung der Frage aber so gut wie unbestritten ist bzw. die Antwort von vornherein praktisch außer Zweifel steht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 144 Rdnr. 28 u. § 160 Rdnr. 8f). Ein solcher Fall liegt hier vor.
11 
Der Kläger beruft sich zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde darauf, die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Angemessenheit im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II verstoße gegen die Verfassung bzw. die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, juris) aufgestellten Anforderungen. Den Grund hierfür benennt er nicht, sondern beruft sich zur Begründung u.a. auf die Urteile des SG Mainz vom 8. Juni 2012 (S 17 AS 1452/09, juris) und des SG Leipzig vom 15. Februar 2013 (S 20 AS 2707/12, juris). Diskutiert wird dort die Frage, ob die Begrenzung der zu übernehmenden Kosten der Unterkunft anhand des Rechtsbegriffs der Angemessenheit dem Parlamentsvorbehalt genügt oder ob insoweit eine konkretere Ausgestaltung unmittelbar durch den Gesetzgeber notwendig gewesen wäre (so das SG Leipzig). Das SG Mainz konkretisiert dies weiter dahingehend, für die vom Bundessozialgericht vorgenommene Auslegung der Norm, bei der zur Bestimmung der Grenze der Angemessenheit eine Orientierung am einfachen Wohnstandard erfolgt, fehle es an einer den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügenden und hinreichend bestimmten parlamentsgesetzlichen Grundlage (SG Mainz aaO Rdnr. 50).
12 
Indes hat das Bundessozialgericht (BSG) zu diesen Fragen - wenn auch nicht ausdrücklich - bereits Stellung genommen. Das BSG hat bereits im Urteil vom 7. November 2006 (B 7b AS 10/06 R, juris Rdnrn. 24 u. 28) ausgeführt, § 22 Abs. 1 SGB II gestehe „nur eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt“ sowie einen „einfachen und im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad“ zu. Diese Rechtsprechung wurde fortan fortgeführt (vgl. nur BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R - juris Rdnr. 20), so dass davon ausgegangen werden muss, dass die Vereinbarkeit des unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit mit verfassungsrechtlichen Anforderungen bereits geprüft wurde. Dass das BSG in einer zukünftigen Entscheidung hiervon abweichen wird, ist aus derzeitiger Sicht nicht zu erwarten, zumal auch das SG Mainz (aaO.) in seiner Entscheidung weiter mit dem Begriff der Angemessenheit agiert, diesen bzw. die Grenze der Unangemessenheit lediglich anders definiert als das BSG. Insoweit beruhen die Bedenken dann allerdings nicht auf einem Widerspruch zum Parlamentsvorbehalt, sondern moniert wird die konkrete Auslegung des Begriffs der Angemessenheit, die aus Sicht des SG Mainz inhaltlich verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge. Eine Änderung der Rechtsprechung lässt dies nicht erwarten. Darüber hinaus lassen sich der vom SG Mainz zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus Sicht des Senats die angeführten Zweifel auch nicht entnehmen.
13 
Dies ergibt sich zum einen daraus, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 darstellt, mit welchen Leistungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch „der Gesetzgeber entsprechend den materiellen Vorgaben des Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein subsidiäres System sozialer Sicherung des Existenzminimums geschaffen hat“ (BVerfG, aaO., juris Rdnr. 147). Bei der Darstellung der verschiedenen Leistungsarten verweist es unmittelbar anschließend auch darauf, „§ 22 Abs. 1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG, aaO., juris Rdnr. 148). Damit bezieht es die in § 22 Abs. 1 SGB II getroffene Regelung in den Kreis der Leistungen ein, die der Gesetzgeber in der Verfassung entsprechender Weise durch die Normen des SGB II gewährt.
14 
Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2011 zur inhaltlichen Ausfüllung des Begriffs der „Angemessenheit“ im § 22 Abs. 1 SGB II durch das Bundessozialgericht Stellung bezogen, auf die aus seiner Sicht bereits zu dieser Zeit gefestigte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen und dessen dreischrittige Prüfung dargestellt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 27. September 2011 - 1 BvR 232/11 - juris Rdnr. 23ff). In diesem Zusammenhang wird an keiner Stelle darauf hingewiesen, es könnte Zweifel an dem normierten unbestimmten Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ geben, woraus nur geschlossen werden kann, dass das Gericht schon damals von der Verfassungsgemäßheit der Regelung ausging (vgl. hierzu Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. § 22 Rdnr. 72).
15 
Eine Änderung der Rechtsprechung durch das Bundessozialgericht steht damit nach derzeitigem Stand praktisch außer Zweifel, so dass die aufgeworfene Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung hat.
2.
16 
Eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt ebenfalls nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt. Dies ist nicht der Fall und wird vom Prozessbevollmächtigten des Klägers auch nicht geltend gemacht.
3.
17 
Zuletzt liegt auch kein Verfahrensmangel vor. Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG muss geltend gemacht werden und die Entscheidung muss auf ihm beruhen können. Der Verfahrensmangel muss außerdem der Beurteilung des LSG unterliegen, das bedeutet, das LSG muss ihn prüfen können. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren (nicht das Widerspruchsverfahren und nicht das Verwaltungsverfahren) regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt, es geht insoweit nicht um die Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Wege zum Urteil oder die Zulässigkeit des Urteils (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 Rdnr. 32 m. w. N.). Mängel dieser Art sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
18 
Die Beschwerde des Klägers war daher zurückzuweisen.
IV.
19 
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.
20 
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war daher mangels Erfolgsaussichten nicht zu gewähren (§ 73a SGG i.V.m. §§ 114 Satz 1, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
21 
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
22 
Das angefochtene Urteil des SG vom 26. Februar 2013 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).

Tenor

Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts F. vom 8. August 2011 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig sind höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hier in der Zeit vom 01.10.2009. bis 31.03.2010.
Die geb. Klägerin zu 1. ist die Ehefrau des 1982 geborenen M. A., der als Student Leistungen nach dem BAföG bezieht. Die Eheleute leben gemeinsam mit dem am 14.12.2007 geborenen Sohn I., dem Kläger zu 2., und der am 03.07.2009 geborenen Tochter M., der Klägerin zu 3. Die Kläger zu 1. bis 3. erhalten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II; der Ehemann ist als Student vom Leistungsbezug ausgeschlossen.
Bis Mitte April 2009 wohnten die Kläger in 79114 F. und bezogen Leistungen von der ARGE F.. Wegen der Schwangerschaft der Klägerin zu 1. wurde die dortige Wohnung zu klein. Die ARGE F. bestätigte die Notwendigkeit des Auszugs. Nachdem die Familie keine passende Wohnung in F. gefunden hatte, wurde der Umzug in das ca. 10 km entfernt liegende M. (ca 8.700 Einwohner) erwogen. Die ARGE F. beteiligte den Beklagten hinsichtlich einer Zusicherung zum Umzug. Diese wurde nicht erteilt, weil die Wohnung nicht angemessen sei (E-Mail vom 25.02.2009, Bl. 2 f VA). Am 15.04.2009 zog die Familie dennoch in die W., 7. M. um. Bei der Wohnung handelt es sich um eine 4-Zimmer-Wohnung mit 85,75 m2 , Baujahr 1984. Die Kaltmiete beträgt 680 EUR, hinzu kommen Kosten in Höhe von 20 EUR für einen Stellplatz und Nebenkosten in Höhe von 210 EUR, worin die Kosten für Heizung und Warmwasser [Sammelheizung mit Strom] sowie Kosten in Höhe von 5 EUR für den Betrieb der Gemeinschaftsantenne/Satellitenanlage enthalten sind. Kosten für einen Kabelanschluss sind in der Miete nicht enthalten, ein Kabelanschluss besteht nicht (Bl. 135 VA). Die Gesamtmiete warm beträgt demnach 910 EUR.
Für den vorhergehenden Zeitraum vom 15.04. bis 30.09.2009 bewilligte der Beklagte für die Antragsteller Arbeitslosengeld (Alg) II und Sozialgeld mit Bescheid vom 08.04.2009 und mehreren Änderungsbescheiden (vom 19.08.2009, 12.01.2010 und 25.05.2011) Für die nach dem Kopfteilsprinzip anteilig gewährten KdU und Heizung ging er - nachdem er vorher noch von einer Kabelgebühr und einer geringeren Mietobergrenze ausgegangen war - letztlich von angemessenen Wohnkosten in Höhe von insgesamt 713,38 EUR aus, die sich aus der Mietobergrenze nach dem ab 01.05.2009 in Kraft getretenen neuen Konzept von 519,30 EUR, pauschalen Heizkosten von 86 EUR abzüglich einer Warmwasserpauschale von 15,92 EUR sowie kalten Nebenkosten von 124 EUR zusammensetzten. Der Widerspruch, mit dem die tatsächlichen Kosten in Höhe von 910 EUR begehrt wurden, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04.02.2010). Die dagegen vor dem Sozialgericht F. (SG) geführte Klage blieb ebenfalls erfolglos (Urteil vom 08.08.2011 - S 7 AS 1218/10). Die Berufung ist im Senat unter dem Az. L 2 AS 3878/11 anhängig (Parallelrechtsstreit wegen vorherigem Zeitraum).
Am 14.09.2009 beantragten die Kläger unter nicht geänderten Bedingungen hinsichtlich der Wohnkosten die Fortzahlung des Alg II (Bl. 97 VA). Mit Bescheid vom 23.09.2009 bewilligte der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.03.2010 weiter. Hinsichtlich der KdU und Heizung bewilligte er 175,95 EUR für die Klägerin zu 1. und für die Kläger zu 2. und 3. je 175,96 EUR monatlich. Hierbei ging der Beklagte zunächst noch davon aus, dass eine nicht zu berücksichtigende Kabelanschlussgebühr in Höhe von 5,11 EUR im Mietpreis enthalten sei. Gegenüber dem vorhergehenden Zeitraum wurde eine auf 20,36 EUR erhöhte Warmwasserpauschale von den pauschalierten Heizkosten in Höhe von 86 EUR in Abzug gebracht (Heizkosten 65,64 EUR vgl. Bl. 103 VA). Mit dem Widerspruch dagegen wendeten sich die Kläger gegen den pauschalen Abzug für Kabelanschluss und begehrten im Übrigen die Anerkennung ihrer vollen Kosten für KdU und Heizung. Mit Änderungsbescheid vom 12.01.2010 (Bl. 182 VA) wurden KdU und Heizung ohne Abzug von Kabelgebühren in Höhe von monatlich 177,22 EUR bzw. 177,24 EUR für die Kläger bewilligt.
Im Übrigen wurde der Widerspruch mit dem Widerspruchsbescheid vom 04.02.2010 (der auch noch den Widerspruch gegen den geänderten Bewilligungsbescheid vom 08.04.2009 für den vorhergehenden Zeitraum betraf) zurückgewiesen. In der Widerspruchsbegründung verteidigte der Beklagte im Wesentlichen sein neues Konzept zur Ermittlung der angemessenen Kaltmiete. Im Rahmen der Erstellung seien 3.226 Datenbestände, die den Ist-Bestand aus den Bereichen des SGB II, SGB XII und AsylbLG mit Stand Oktober 2008 unter dem Gesichtspunkt tatsächliche Kaltmiete und Wohnungsgröße ausgewertet worden, die das untere Preissegment abbildeten. Als räumlicher Vergleichsmaßstab seien 7 Raumschaften gebildet worden. Die den Vergleichsraum für die Kläger bildende Raumschaft „Umland F.“ umfasse die Gemeinden G., G., G., H., M., M. und U.. Auf der Grundlage der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als angemessen betrachteten Wohnungsgröße - 30 bis 45 m² für 1-Personen Haushalte, 45 bis 60 m² für 2-Personen-Haushalte etc. seien die tatsächlichen durchschnittlichen Miet-Quadratmeterpreise für diese Wohnungsgrößen je Raumschaft ermittelt worden. So sei mit einer größtmöglichen Datenmenge eine hinreichende Datengrundlage zur Ermittlung durchschnittlicher Quadratmeterpreise im unteren Segment des Wohnungsmarktes in der jeweiligen Raumschaft erreicht worden. Für den Wohnort der Kläger sei ein durchschnittlicher Quadratmeterpreis von 5,77 EUR im unteren Preissegment für eine 90 m² -Wohnung ermittelt worden. Deshalb betrage die Mietobergrenze 519,30 EUR (vgl. Bl. 186 VA). Der weitere Änderungsbescheid vom 19.01.2010 diesen Zeitraum betreffend hat die Leistungen für KdU und Heizung nicht betroffen (Bl. 196 VA). Den anteilig bewilligten KdU und Heizung hat der Beklagte damit im streitigen Zeitraum vom 01.10.2009. bis 31.03.2010 für angemessen gehaltene Wohnkosten in Höhe von gesamt 708,94 EUR (Mietobergrenze 519,30 EUR, pauschale Heizkosten 86 EUR abzüglich Warmwasserpauschale 20,36 EUR, kalte Nebenkosten 124 EUR) zu Grunde gelegt.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 04.02.2010 den hier streitigen Zeitraum vom 01.10.2009 bis 31.03.2010 betreffend haben die Kläger ebenfalls am 08.03.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) F. (S 7 AS 1219/10) erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass der Beklagte die Datenbasis, auf Grund derer er die Zahlen ermittelt habe, nicht offen lege. Deshalb könne eine Überprüfung des Konzepts nicht erfolgen. Ggf. sei das SG verpflichtet sachgerechte Ermittlungen anzustellen.
Der Beklagte hat im Parallelrechtsstreit S 7 AS 1218/10 die Daten von 166 Bestandswohnungen mit mindestens 60,01 m² der Leistungsbezieher nach dem SGB II, SGB XII und AsylbLG in der Raumschaft „Umland F.“, zu der die Gemeinde M. zähle, mitgeteilt und sein Konzept - Durchschnittswert der Wohnungen von Leistungsbeziehern - erläutert. Ausgehend von den tatsächlichen Kaltmietpreisen dieser Wohnungen seien die tatsächlichen Quadratmeterpreise durch Division ermittelt worden. Wohnungen mit einem Quadratmeterpreis von 8,- EUR und mehr (Kappungsgrenze) seien nicht in die Berechnung eingeflossen, vorliegend 1 Wohnung. Anschließend seien die sich so ergebenden Quadratmeterpreise aller 166 Wohnungen addiert und durch die Anzahl der Wohnungen dividiert worden. Aus dem Produkt des sich auf diese Weise ergebenden Quadratmeterpreises von 5,77 EUR und der maximal angemessenen Wohnungsgröße von 90 m² habe sich die Mietobergrenze von 519,30 EUR ergeben. Zur Nachprüfung und Plausibilisierung sei eine Ergebniskontrolle durch Auswertung der Wohnungsangebote in den unentgeltlichen Anzeigenblättern Schnapp und Zypresse in den Monaten Oktober bis Dezember 2008 erfolgt (die Unterlagen hierzu wurden im Verfahren S 7 AS 1219/10 vorgelegt), die fortgeschrieben werde. So sei festgestellt worden, dass auch tatsächlich Wohnraum in ausreichendem Maße zu den errechneten Mietobergrenzen angeboten werde.
Mit Schriftsatz vom 10.05.2011 hat der Beklagte die Auffassung vertreten, dass mit den erhobenen Daten nicht nur Wohnungen des unteren Preissegments erhoben worden seien, weil sich auch Leistungsempfänger als Erstantragsteller darunter befänden, die erstmalig mit der Tatsache ihrer geänderten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse konfrontiert würden.
10 
Mit Urteil vom 08.08.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass das Konzept des Beklagten den Vorgaben der Rechtsprechung des BSG entspreche. Sowohl die angenommene Wohnungsgröße von 90 m² für einen 4-Personen-Haushalt als auch der gewählte Vergleichsraum sei im Falle einer Kleingemeinde zutreffend gewählt worden. Auch habe der Beklagte mit den 166 Wohnungen im „Umland F.“ einen vergleichbaren Datenbestand ermittelt, nachdem von den Wohnungen mit Warmmieten 1,50 EUR/m² abgezogen worden sei. Ausreichend sei vorliegend, dass ein klar und eindeutig abgrenzbarer Teil des Konzeptes, welcher allein maßgebend für die Entscheidung eines konkreten Falles sei, den Anforderungen eines schlüssigen Konzeptes genüge. Das sei für die Raumschaft „Umland F.“ für einen 4-Personenhaushalt der Fall. Das Konzept weise den vorliegenden Fall betreffend keine durchgreifenden methodischen Fehler auf. Auch wenn nur Wohnungen von Leistungsbeziehern nach dem SGB II, SGB XII und AsylbLG erfasst seien, seien darin auch solche erfasst, die von Personen bewohnt werden, die erstmals Leistungen beantragt haben oder denen ein Umzug nicht zumutbar sei. Deshalb seien auch Wohnungen gehobenen Standards darin zu finden, was die Ermittlung eines Durchschnittswerts rechtfertige. Wohnungen zu dem Preis stünden nach den einschlägigen Anzeigenblättern auch zur Verfügung. Die Kappung bei 8 EUR pro Quadratmeter begegne keinen Bedenken, da es sich nur um 1 Wohnung handele. Zudem seien die Kaltmieten auch bei Warmmietpreisen durch Herausrechnen der Heizkosten zutreffend ermittelt worden. Die Datenmenge sei angesichts einer Einwohnerzahl von weniger als 300.000 ausreichend. Die Gefahr einer Spirale nach unten ergebe sich durch die Bildung eines Durchschnittswerts nicht, weil auch wieder Neu-Leistungsbezieher mit teureren Wohnungen vor dem Durchlaufen eines Kostensenkungsverfahrens mit hinzu kämen und im Übrigen durch eine stetige Überprüfung der Anzeigenblätter vermieden werde.
11 
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger gegen Empfangsbekenntnis am 12.08.2011 zugestellte Urteil hat er am 07.09.2011 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und sein Begehren weiterverfolgt. Das Konzept des Beklagten entspreche nicht der Rechtsprechung des BSG, wie die Cuxhaven-Entscheidung (BSG, Urteil vom 23.08.2011 - B 14 AS 91/10 R) zeige. Bei der Betrachtung des unteren Segments des Wohnungsmarktes müsse der sog. Spann- und Oberwert herangezogen werden, was vorliegend einen Quadratmeterpreis von 8 EUR ergebe. Damit seien die darunter liegenden tatsächlichen Kosten zu übernehmen. Ergänzend haben sich die Kläger auf die vom SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09) vertretene Auffassung der Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II berufen
12 
Die Kläger beantragen,
13 
das Urteil des Sozialgerichts F. vom 8. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2009 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Februar 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 höhere Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II anteilig unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Wohnungskosten in Höhe von 910 EUR monatlich zu gewähren,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
17 
Mit Schreiben vom 10.01.2013 hat der Senat die Kläger aufgefordert hinsichtlich der Nebenkosten die Abrechnungen für die Jahre 2009, 2010 und 2011 vorzulegen. Eine Reaktion hierauf ist nicht erfolgt.
18 
Der Senat hat das Konzept des Beklagten als nicht schlüssig im Sinne der Rechtsprechung des BSG eingeschätzt und versucht, dieses im Parallelrechtstreit L 2 AS 3878/11 schlüssig zu machen. Hierzu hat der Senat dem Beklagten vorgegebenen, zu den bereits erhobenen Daten noch die Daten von Wohnungen der Wohnungsgeldbezieher hinzuzunehmen, Ausreißermieten ausgehend vom arithmetischen Mittelwert zu eliminieren und den dann ermittelten Spannenoberwert zu benennen (vgl. Bl. 35 LSG-Akte). Der Beklagte hat daraufhin noch die Wohnungen von Wohngeldbeziehern ermittelt, dann aber nach Ermittlung von Korridoren von plus und minus 20 % aus den verbleibenden Datensätzen wiederum Durchschnittswerte gebildet. So hat er für einen 4-Personen-Haushalt in M. eine Kaltmietobergrenze von 512,40 EUR ermittelt. Eine weitere Nachberechnung unter Zugrundelegung des Spannenoberwerts lehnt der Beklagte ab, ebenso die Vorlage seiner Daten (Schreiben vom 17.12.2013, Bl. 76 LSG-Akte). Während dessen hat das vorliegende Verfahren geruht (Ruhensbeschluss vom 09.04.2013). Das Verfahren ist vom Klägervertreter mit Schreiben vom 07.01.2014 wieder angerufen worden und unter dem Az. L 2 AS 104/14 fortgeführt worden.
19 
Mit Fax vom 18.03.2014 hat der Senat den Bevollmächtigten der Kläger nochmals an den Nachweis der tatsächlichen Heiz- und Nebenkosten erinnert. Der Klägervertreter hat daraufhin mitgeteilt, dass die Klägerin die entsprechenden Unterlagen nicht aufbewahrt habe. Sie werde nach Urlaubsrückkehr des Vermieters am 01.04.2013 nochmals bei diesem nachfragen.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten (2 Band) sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
22 
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf (weitere) höhere KdU und Heizung im streitigen Zeitraum vom 01.10.2009 bis 31.03.2010. Das SG hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
23 
Streitgegenstand sind der Bescheid vom 23.09.2009 in der Form des Änderungsbescheides vom 12.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2010 ausschließlich bezüglich der gewährten KdU und Heizung. Mit den streitgegenständlichen Bescheiden hat der Beklagte den Klägern ausgehend von angemessenen KdU und Heizung für die gesamte Wohnung in Höhe von monatlich 708,94 EUR (519,30 EUR Kaltmiete, 86 EUR pauschalierte Heizkosten abzüglich 20,36 EUR Warmwasserpauschale, 124 EUR sonstige Nebenkosten) kopfanteilig KdU und Heizung im Zeitraum vom 01.10.2009. bis 31.03.2010 gewährt. Die Kläger begehren höhere KdU und haben den Streitgegenstand zulässig hierauf begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R –, juris Rn. 10). Eine weitere Aufspaltung in einzelne Elemente des Bedarfs - etwa in die hier allein streitige Höhe der angemessenen Kaltmiete - ist nicht zulässig (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, juris Rn. 20 m.w.N.).
24 
Die erwerbsfähige und hilfebedürftige Klägerin zu 1. ist Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II, weil sie im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I, 1706) hat sie Anspruch auf Alg II in Form von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind. Die unter 15-jährigen Kinder der Klägerin zu 1., die Kläger zu 2. und 3., die mit ihr zusammenleben, haben als nichterwerbsfähige Leitungsberechtigte (vgl. § 7 Abs. Abs. 1 S. 1 SGB II) Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 02.03.2009, BGBl. I, 416). Danach umfasst das Sozialgeld die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen; mithin sind auch der hilfebedürftige Kläger zu 2. und - ab ihrer Geburt am 03.07.2009 - die hilfebedürftige Klägerin zu 3. Berechtigte für KdU und Heizung. Der Ehemann und Vater der Kläger ist als Studierender gem. § 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen, gleichwohl die KdU und Heizung nach dem Kopfteilsprinzip aufzuteilen.
25 
Leistungen für KdU und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R –, juris mit Hinweis auf: BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; vgl zuletzt Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 19 ff).
26 
Für die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft ist zunächst die angemessene Größe festzulegen. Diese beträgt in Anlehnung an das landesrechtlich geregelte Wohnungsbindungsrecht für 4-Personenhaushalte 90 m² Wohnfläche in Baden-Württemberg (Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums B.-W. zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV-SozWo vom 12.02.2002 [GABl S. 240] i.d.F. der VwV vom 22.01.2004 [GABl S. 248]). Diesen Rahmen übersteigt die Wohnung in der W.str. mit 85,75 m² nicht.
27 
Als maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum hält es der Senat vorliegend für sachgerecht, die Raumschaft „Umland F.“ mit der Gemeinde M. und den weiteren Gemeinden G., G., G., H., M. und U. zu wählen. Das BSG hat entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R; juris Rn. 21; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, juris). Die Gemeinde M. mit 8681 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2012) befindet sich im ländlichen Raum ca. 10 km von F. entfernt und ist zu klein, um einen eigenen Mietwohnungsmarkt abbilden zu können. Von daher begegnet es keinen Bedenken, wenn der Beklagte in seinem Flächenlandkreis mit 1.378,33 km² und vielen Klein- und Kleinstgemeinden, in dem Mietspiegel nicht vorliegen, in sog. Raumschaften Gemeinden im Umkreis von 10 bis 20 km im ländlichen Raum zusammengefasst hat. So umfasst die Raumschaft „Umland F.“ durch ein öffentliches Verkehrsnetz gut angebundene Gemeinden um die Stadt F. herum.
28 
Zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards innerhalb des Vergleichsraums (Referenzmiete) ist ein sog. schlüssiges Konzept zugrunde zu legen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris Rn.16; BSG, Urteil vom 19.03.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 7 Rn. 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris Rn. 7). Entscheidend ist jedoch, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zugrunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R –, juris Rn 24 mwN).
29 
Diesen Anforderungen wird das seit 01.05.2009 offiziell in Kraft getretene Konzept des Beklagten (auch in der auf Veranlassung des Senats nachgebesserten Form) zumindest in einem wesentlichen Punkt nicht gerecht. Der Beklagte hat mit seinem ab Ende 2008 entwickelten Konzept auf Bestandsmieten von Leistungsempfängern nach dem SGB II, SGB XII, AsylbLG in seinem Bezirk zurückgegriffen. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden und stellt eine zulässige Vorgehensweise zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts dar (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, , juris Rn. 24). Die so erfassten 3.226 Datensätze für alle Raumschaften beruhen auf dem Stand Oktober 2008 und bilden nach der früher vertretenen Auffassung des Beklagten das untere Preissegment ab. Für die Raumschaft „Umland F.“ haben sich nach vorheriger Kappung aller Wohnungen über 8 EUR/m² (1 Wohnung im Umland F.) 166 Mietwohnungen ergeben, die mindestens eine Wohnfläche von 60,01 m² Wohnfläche aufweisen. Durch Division der vorher teils rechnerisch ermittelten Kaltmiete durch die tatsächliche Quadratmeterzahl wurde der tatsächliche Quadratmeterpreis der Wohnungen ermittelt. Anschließend wurden die sich so ergebenden tatsächlichen Quadratmeterpreise aller 166 Wohnungen addiert und durch die Anzahl der Wohnungen dividiert und hierdurch ein Quadratmeterpreis von 5,77 EUR ermittelt. Es wurde also ein Durchschnittswert ermittelt. Multipliziert mit der maximal angemessenen Wohnungsgröße von 90 m² ergibt sich die Mietobergrenze von 519,30 EUR. Eine Ergebniskontrolle sei durch die Auswertung einschlägiger Anzeigenblätter erfolgt.
30 
Die Bildung eines Durchschnittswertes bei Wohnungen des unteren Preissegments ist aber rechtlich nicht zulässig, wenn -wie hier - nur die Wohnungen von Leistungsempfängern als Datengrundlage herangezogen werden. So errechnet sich ein Angemessenheitswert, der unter dem Wert liegt, der für einen Teil der Leistungsempfänger als angemessen akzeptiert wird (Spirale nach unten). Um diesen Zirkelschluss zu vermeiden, kann ein Leistungsträger entweder auf alle Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand abstellen, also neben Wohnungen einfachen Standards auch auf solche mittleren und gehobenen Standards, und dann aus den so gewonnenen Mietpreisen einen angemessenen Wert ermitteln. Oder der Leistungsträger kann auch - wie vorliegend - bei der Datenerhebung nur die Wohnungen einfachen Standards zugrunde legen, muss als Angemessenheitsgrenze dann aber die obere Preisgrenze dieses Segments wählen (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, , juris Rn. 24). Das vom Beklagten mit Wirkung zum 01.05.2009 eingeführte Konzept erweist sich damit als nicht schlüssig.
31 
Entgegen der Auffassung des SG und nun auch des Beklagten, dass in dem abgebildeten Wohnsegment von Leistungsbeziehern auch Wohnungen über dem einfachen Standard abgebildet sind, weil Leistungsempfänger noch kein Kostensenkungsverfahren durchlaufen haben und daher noch in einer nicht angemessenen Wohnung leben, geht das BSG davon aus, dass Wohnungen von Leistungsempfängern nach dem SGB II bzw. SGB XII grundsätzlich Wohnungen einfachen Standards sind. Nur in der Rubrik der Wohngeldempfänger könnten Wohnungen enthalten sein, die auch teurer sind als eine nach SGB II oder SGB XII angemessene Wohnung. Für die vom Beklagten aufgestellte These, dass in den Datensätzen auch teurere, für Leistungsbezieher nicht angemessene Wohnungen enthalten sind, ergeben sich keine nachprüfbaren Anhaltspunkte, noch ist etwas über deren Anzahl ausgesagt. Damit handelt es sich um bloße Mutmaßungen, die das Konzept nicht schlüssig werden lassen.
32 
Der Senat hat erfolglos im Parallelrechtsstreit L 2 AS 3787/11 versucht, das Konzept vom Beklagten schlüssig machen zu lassen. Er hat sich, nachdem im Mietrecht ständig „ortsübliche Vergleichsmieten“ zu ermitteln und Vergleiche mit dem bestimmten Mietobjekt anzustellen sind, am im Mietrecht beachteten Gesichtspunkten orientiert und etwa die „Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln“ (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen) sowie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.02.2012 - (VIII ZR 346/10, juris, zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete) herangezogen. Sodann wurde dem Beklagten u.a. aufgegeben, die Datenmenge durch Einbeziehung der Daten von Wohngeldempfängern im Monat Oktober 2008 zu vergrößern (Repräsentativität, vgl. BSG Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, juris Rn. 19; Identität, BSG, Urt. v. 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris, Rn. 17), die Neuauswertung ausreichend zu dokumentieren (Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, 2. Teil I. 10. S. 30), die verwendeten Daten transparent zu machen, den Mietbegriff (Kalt- oder Warmmiete) festzulegen und zu vereinheitlichen (vgl. Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, 2. Teil I. 3. S. 23 f.; BSG Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R , juris Rn. 23). Sodann sollten als „Ausreißermieten“ die Datensätze eliminiert werden, die 20% und mehr über und unter dem arithmetischen Mittel liegen (II. 4. S.41 f der Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, BGH, aaO., juris Rn. 19 unter Hinweis auf Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht). Sodann sollte der Spannenoberwert, dh der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne bzw. die obere Preisgrenze dieses Segments zu Grunde gelegt werden.
33 
Der Vorgabe entsprechend hat der Beklagte die bereits erhobenen Daten um die Daten von Wohngeldbeziehern ergänzt, sodass nun 4.269 Datensätze erfasst sind. Auch wenn sich die Datenmenge für den gesamten Landkreis dadurch um ca. 1000 vergrößert hat, dürfte es sich hierbei angesichts des Bestands von Wohnungen und Räumen im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald von zusammen 119.358 (Bestand an Wohnungen und Räumen in den Stadt und Landkreisen Baden-Württembergs am 31.12.2012, vgl. www.statistik.baden-wuerttemberg.de/veroeffentl/ Statistische_Berichte/3734_12001.pdf) dennoch nicht um eine ausreichend große Datenmenge handeln. Die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes können wiedergegeben sein, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R –, juris Rn. 16). Dies ist bei vorliegend 3,58 % nicht der Fall, auch wenn berücksichtigt wird, dass nicht nach selbstgenutzten Eigentums- und Mietwohnungen unterschieden ist.
34 
Davon unabhängig ist die Berechnung des Beklagten wiederum nicht zulässig, weil er erneut einen Durchschnittswert bildet. Für die Raumschaft Umland F. wurden 53 Datensätze für Wohnungen von Leistungsbeziehern mit einer Größe von 60 bis 75 m² und 78 Datensätze für Wohnungen von 75 bis 90 m² bzw. 90 bis 105 m² vorgelegt. Entsprechend den oben beschriebenen Raumschaften und Wohnflächen je Haushaltsgröße hat der Beklagte wie vom Senat vorgegeben Durchschnittswerte (arithmetisches Mittel) für die Miete je Quadratmeter ermittelt. Ausgehend davon wurden Korridore von plus bzw. minus 20 % von diesem Wert bestimmt. Aus den sich danach (Kaltmiete pro Quadratmeter größer oder gleich dem unteren Korridorwert und zugleich kleiner oder gleich dem oberen Korridorwert) ergebenden Datensätzen wurden jedoch wiederum Durchschnittswerte (arithmetisches Mittel) für die Kaltmiete pro Quadratmeter ermittelt. Danach ergab sich für Wohnungen im Umland F. mit einer Größe über 75 m² ein Durchschnitt innerhalb des Korridors von 5,66 pro Quadratmeter und von 5,70 EUR/m² für Wohnungen mit 60 bis 75 m², damit Werte, die geringfügig unter den bisherigen liegen. Insgesamt errechnete der Beklagte bezogen auf die Wohnsituation der Kläger eine angemessene Kaltmietobergrenze von 512,40 EUR. Diese Berechnung fußt jedoch auf einer erneuten Bildung eines Durchschnittswertes aus Wohnungen von Leistungsbeziehern die mangels nachprüfbarer Erkenntnisse dem unteren Preissegment zugeordnet werden müssen, was der Senat für unzulässig hält. Sie ist nicht mit der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des BSG vereinbar. Es hätte vielmehr zur Vermeidung eines Zirkelschlusses vom Spannenoberwert ausgegangen werden müssen. Eine weitere diesbezügliche Berechnung lehnt der Beklagte ab und auch die angeforderte Dokumentation der einzelnen Schritte der Auswertung stellt er nicht zur Verfügung. Der Senat stellt deshalb fest, dass ein schlüssiges Konzept nicht mehr erstellt werden kann und von einem Erkenntnisausfall bei der Ermittlung der Höhe der angemessenen Unterkunftskosten auszugehen ist.
35 
Der Senat kann auch nicht den als Durchschnittswert plus 20% ermittelten und mitgeteilten Quadratmeterpreis für die Ermittlung der abstrakt angemessenen KdU zu Grunde legen, weil eine vergleichbare Datenbasis nicht vorliegt. Als weiteres Manko des nachgebesserten Konzepts konnte hinsichtlich der Wohnungen von Wohngeldempfängern nicht nach Brutto- und Nettokaltmieten unterschieden werden, während hinsichtlich der übrigen Wohnungen der Beklagte von einer zumindest errechneten Nettokaltmiete ausgegangen ist. Insofern fehlt es bereits an einem einheitlichen Mietbegriff, so dass die Auswertung zu Verzerrungen führen kann. Dies belegt im Übrigen auch ein Vergleich der ermittelten Durchschnittswerte plus 20 %, die als Spannenoberwert angesehen werden könnten, mit den Werten des qualifizierten Mietspiegels der Großstadt F., die für den im allgemeinen als preiswerter einzustufenden ländlichen Raum wider die Erwartung zum Teil erheblich darüber liegen, so z.B. der Wert für eine 30 bis 45 m² große Wohnung im Umland F. mit 8,06 EUR/m² gegenüber dem der Mietspiegel 2009 der Stadt F. für eine Standardwohnung mit 45 m² lediglich eine Basismiete von 7,87 EUR ausweist.
36 
Auf Grund des Ausfalls von weiteren lokalen Erkenntnismöglichkeiten für die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts im räumlichen Vergleichsgebiet erachtet der Senat den Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle als zulässig (BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R, Rn. 16). Die Tabellenwerte des hier maßgeblichen § 12 WoGG (gültig ab 01.01.2009) deckeln die dann grundsätzlich zu übernehmenden tatsächlichen Aufwendungen im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze (BSG aaO Rn. 20). In ihnen sind die - ansonsten ebenfalls abstrakt zu ermittelnden - kalten Betriebskosten enthalten (§ 9 Abs. 1 WoGG). Es ist auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" von 10 % einzubeziehen (BSG, aaO, Rn. 22; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R, bisher nur als Terminbericht vorhanden). Für die Wohnung der Kläger (4 Personen) ergibt sich hieraus für den Wohnort M., der nach der Anlage zu § 1 Abs. 3 der Wohngeldverordnung (WoGV, BGBl. I 2008, 2487-2519 ab 01.01.2009) dem Kreis Breisgau- Hochschwarzwald zugehörig der Mietenstufe III zugeordnet ist, ein Betrag von 556 EUR. Zuzüglich 10 % beträgt die abstrakt angemessene Kaltmiete inklusive Nebenkosten mithin 661 EUR.
37 
Hinzu kommen die angemessenen Heizkosten. Die Prüfung der Angemessenheit der Leistung für die Heizung hat nicht nur getrennt von der für die Unterkunft zu erfolgen, sondern auch nach eigenen Regeln: Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung ist - mangels anderer Zahlen - so lange zu bejahen, wie die Kosten unter dem Grenzbetrag eines bundesweiten oder kommunalen Heizspiegels liegen (BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 25; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 Rn. 23 ff). Grundsätzlich ist bei einer Warmwasserbereitung über die Heizung - wie vorliegend - der Anteil, der für die Warmwasserbereitung im Rahmen der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist, abzuziehen (BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - ; BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R –, juris; BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 16/11 R –, juris).
38 
Die Höhe der Heizkosten der Kläger im streitigen Zeitraum ist unbekannt. Mietvertraglich sind kalte und warme Nebenkosten nur in einer pauschalen Summe von 210 EUR monatlich vereinbart. Die tatsächlichen Kosten lassen sich damit erst durch eine nachträgliche Verbrauchsabrechnung ermitteln, was auch angeblich geschehen ist. Die Nebenkostenabrechnung für den streitigen Zeitraum hatte der Beklagte nicht angefordert, ist von den Klägern auf die Aufforderung des Senats vom 10.01.2013 nicht vorgelegt worden und kann nach Mahnung nun mangels Aufbewahrung nicht mehr vorgelegt werden. Die tatsächlichen Heizkosten sind damit nicht bestimmbar und es ist nicht nachgewiesen, dass diese tatsächlich höher waren, als vom Beklagten pauschal mit 86 EUR (86 m² x 1 EUR) zu Grunde gelegt. Die Beweislast trifft insoweit die Kläger, die einen höheren Anspruch geltend machen. Im Rahmen eines Rechtsstreits über die KdU und Heizung ist es eine Obliegenheit der Kläger, die entsprechenden Unterlagen aufzubewahren und ggf. Nachweis zu erbringen. Dazu sind die Kläger im vorliegenden Verfahren bereits seit dem Widerspruchsverfahren von einem in diesem Rechtsgebiet sehr häufig auftretenden Rechtsanwalt vertreten, der genauestens mit der rechtlichen Materie vertraut ist. Nachdem die Kläger bereits vor über einem Jahr, nämlich im Januar 2013 vom Senat zur Vorlage der Unterlagen aufgefordert worden sind, ist mehr als genügend Zeit vergangen, sich die Nachweise eventuell beim Vermieter wiederzubeschaffen. Die jetzige Urlaubsabwesenheit des Vermieters vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung geht zu Lasten der Kläger. Es besteht auch für den Senat keine Veranlassung, die Entscheidung über den Rechtsstreit zu verschieben und selbst beim Vermieter noch nachzuforschen. Hierbei handelt es sich um Ermittlungen ins Blaue hinein, zu denen keine Verpflichtung besteht. Es ist weder behauptet worden, dass die Heizkosten höher waren, noch steht fest, dass der Vermieter die Unterlagen aufbewahrt hat und diese durch Nachfrage dort beschafft werden könnten.
39 
Aus diesem Grunde greift der Senat auch nicht - was denkbar wäre - ersatzweise auf den niedrigsten Grenzbetrag (BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R, juris Rn. 43) des bundesweiten Heizkostenspiegels von 2011 (Abrechnungsjahr 2010) zurück, obwohl die maximalen abstrakt angemessenen Heizkosten für eine 90 m² Wohnung sich danach in Höhe von 125,25 EUR monatlich errechnen (16,70 EUR x 90 m² für Heizöl) und ein weiterer Abzug für die Warmwasserbereitung nicht gerechtfertigt sein dürfte, da sich die Vergleichswerte in den Tabellen ausschließlich auf die reine Raumwärme beziehen. Auch wenn der bundesweite Heizkostenspiegel gegebenenfalls höhere tatsächliche Kosten deckelt und als Obergrenze angesehen werden kann, besteht hierzu auch deshalb kein Anlass, da die Heizkosten im Bereich des Beklagten - wie dem Senat aus anderen Rechtsstreitigkeiten bekannt ist - zum Teil auch unter den pauschal vom Beklagten erstatteten Heizkosten liegen. „Sicherheitshalber“ sind den Klägern bei Verlust des Nachweises über die tatsächlichen Heizkosten keine höheren als die bereits erstatteten Heizkosten zu gewähren.
40 
Allerdings hat der Beklagte im streitigen Zeitraum den Abzug der Warmwasserpauschale nicht korrekt vorgenommen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R und Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R). Die Werte betragen für zwei Erwachsene in einem Haushalt je 5,82 EUR (= 11,64 EUR) und für die Kinder je 3,88 EUR (= 7,76). Für die Warmwasserbereitung sind daher nur 19,40 EUR statt 20,36 EUR abzuziehen, so dass die Heizkosten nach Abzug noch 66,60 EUR ausmachen.
41 
Zusammenfassend betragen die abstrakt angemessenen KdU und die Heizkosten damit 678,20 EUR.
42 
Die tatsächlichen KdU und Heizung mit insgesamt 910 EUR sind daher - unabhängig davon, ob die Kosten in Höhe von 20 EUR für einen Stellplatz zu übernehmen wären - nicht angemessen. Eine temporäre Übernahme der tatsächlichen Kosten kommt nicht in Betracht, nachdem die Kläger keine Zusicherung für den Umzug erhalten haben und über die Unangemessenheit der Kosten informiert waren.
43 
Auch unter Berücksichtigung der Argumentation in der Entscheidung des SG Mainz (vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09) haben die Kläger keinen Anspruch auf höhere KdU und Heizung. Der Senat hat bereits entschieden, dass er - wie auch schon der 1. und 13. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (vgl. Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - juris; Urteil vom 25.02.2014 - L 13 AS 3088/12 ZVW; ebenso Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 22 Rn. 72) - der Auffassung des SG Mainz nicht folgt. Die vom Sozialgericht Mainz in seiner Entscheidung vom 08.06.2012 geäußerte Auffassung, dass der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verwendete Begriff der „Angemessenheit“ den im Urteil des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 09.02.2010 aufgestellten Anforderungen nicht genüge, ist falsch. Das BVerfG hat in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sog. „schlüssigen Konzept“ die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bereits gebilligt und ausgerechnet in dem vom Sozialgericht Mainz als Beleg für seine irrige Auffassung angeführten Urteil folgendes ausgeführt: „§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 12 Rdnr 148). Damit ist die Entscheidung des Sozialgericht Mainz schon im Ansatz unrichtig, wenn sie aaO Rdnr 62, 68 der Meinung ist, es fehle für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ an einer hinreichenden parlamentsgesetzlichen Grundlage und der Bundesgesetzgeber stehe „demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein entsprechender Rechtsanspruch besteht“. Das ist, wie das Bundesverfassungsgericht klar gestellt hat, bereits in ausreichendem Maße geschehen. Auch in seiner Entscheidung vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11 = info also 2012, 28 = juris Rn. 24 f.) hat das BVerfG das schlüssige Konzept des BSG ersichtlich für geeignet erachtet, den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit auszufüllen. Diese Entscheidung scheint dem Sozialgericht Mainz nicht bekannt gewesen zu sein.
44 
Der Beklagte hat den Klägern anteilige Leistungen für KdU und Heizung ausgehend von angemessenen Kosten in Höhe von insgesamt 708,94 EUR statt abstrakt angemessener in Höhe von 678,20 EUR gewährt. Die Kläger haben somit höhere Leistungen für KdU und Heizung erhalten. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
46 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

Gründe

 
21 
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
22 
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf (weitere) höhere KdU und Heizung im streitigen Zeitraum vom 01.10.2009 bis 31.03.2010. Das SG hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
23 
Streitgegenstand sind der Bescheid vom 23.09.2009 in der Form des Änderungsbescheides vom 12.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2010 ausschließlich bezüglich der gewährten KdU und Heizung. Mit den streitgegenständlichen Bescheiden hat der Beklagte den Klägern ausgehend von angemessenen KdU und Heizung für die gesamte Wohnung in Höhe von monatlich 708,94 EUR (519,30 EUR Kaltmiete, 86 EUR pauschalierte Heizkosten abzüglich 20,36 EUR Warmwasserpauschale, 124 EUR sonstige Nebenkosten) kopfanteilig KdU und Heizung im Zeitraum vom 01.10.2009. bis 31.03.2010 gewährt. Die Kläger begehren höhere KdU und haben den Streitgegenstand zulässig hierauf begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R –, juris Rn. 10). Eine weitere Aufspaltung in einzelne Elemente des Bedarfs - etwa in die hier allein streitige Höhe der angemessenen Kaltmiete - ist nicht zulässig (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, juris Rn. 20 m.w.N.).
24 
Die erwerbsfähige und hilfebedürftige Klägerin zu 1. ist Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II, weil sie im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I, 1706) hat sie Anspruch auf Alg II in Form von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind. Die unter 15-jährigen Kinder der Klägerin zu 1., die Kläger zu 2. und 3., die mit ihr zusammenleben, haben als nichterwerbsfähige Leitungsberechtigte (vgl. § 7 Abs. Abs. 1 S. 1 SGB II) Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 02.03.2009, BGBl. I, 416). Danach umfasst das Sozialgeld die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen; mithin sind auch der hilfebedürftige Kläger zu 2. und - ab ihrer Geburt am 03.07.2009 - die hilfebedürftige Klägerin zu 3. Berechtigte für KdU und Heizung. Der Ehemann und Vater der Kläger ist als Studierender gem. § 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen, gleichwohl die KdU und Heizung nach dem Kopfteilsprinzip aufzuteilen.
25 
Leistungen für KdU und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R –, juris mit Hinweis auf: BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; vgl zuletzt Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 19 ff).
26 
Für die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft ist zunächst die angemessene Größe festzulegen. Diese beträgt in Anlehnung an das landesrechtlich geregelte Wohnungsbindungsrecht für 4-Personenhaushalte 90 m² Wohnfläche in Baden-Württemberg (Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums B.-W. zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV-SozWo vom 12.02.2002 [GABl S. 240] i.d.F. der VwV vom 22.01.2004 [GABl S. 248]). Diesen Rahmen übersteigt die Wohnung in der W.str. mit 85,75 m² nicht.
27 
Als maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum hält es der Senat vorliegend für sachgerecht, die Raumschaft „Umland F.“ mit der Gemeinde M. und den weiteren Gemeinden G., G., G., H., M. und U. zu wählen. Das BSG hat entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R; juris Rn. 21; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, juris). Die Gemeinde M. mit 8681 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2012) befindet sich im ländlichen Raum ca. 10 km von F. entfernt und ist zu klein, um einen eigenen Mietwohnungsmarkt abbilden zu können. Von daher begegnet es keinen Bedenken, wenn der Beklagte in seinem Flächenlandkreis mit 1.378,33 km² und vielen Klein- und Kleinstgemeinden, in dem Mietspiegel nicht vorliegen, in sog. Raumschaften Gemeinden im Umkreis von 10 bis 20 km im ländlichen Raum zusammengefasst hat. So umfasst die Raumschaft „Umland F.“ durch ein öffentliches Verkehrsnetz gut angebundene Gemeinden um die Stadt F. herum.
28 
Zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards innerhalb des Vergleichsraums (Referenzmiete) ist ein sog. schlüssiges Konzept zugrunde zu legen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris Rn.16; BSG, Urteil vom 19.03.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 7 Rn. 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris Rn. 7). Entscheidend ist jedoch, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zugrunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R –, juris Rn 24 mwN).
29 
Diesen Anforderungen wird das seit 01.05.2009 offiziell in Kraft getretene Konzept des Beklagten (auch in der auf Veranlassung des Senats nachgebesserten Form) zumindest in einem wesentlichen Punkt nicht gerecht. Der Beklagte hat mit seinem ab Ende 2008 entwickelten Konzept auf Bestandsmieten von Leistungsempfängern nach dem SGB II, SGB XII, AsylbLG in seinem Bezirk zurückgegriffen. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden und stellt eine zulässige Vorgehensweise zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts dar (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, , juris Rn. 24). Die so erfassten 3.226 Datensätze für alle Raumschaften beruhen auf dem Stand Oktober 2008 und bilden nach der früher vertretenen Auffassung des Beklagten das untere Preissegment ab. Für die Raumschaft „Umland F.“ haben sich nach vorheriger Kappung aller Wohnungen über 8 EUR/m² (1 Wohnung im Umland F.) 166 Mietwohnungen ergeben, die mindestens eine Wohnfläche von 60,01 m² Wohnfläche aufweisen. Durch Division der vorher teils rechnerisch ermittelten Kaltmiete durch die tatsächliche Quadratmeterzahl wurde der tatsächliche Quadratmeterpreis der Wohnungen ermittelt. Anschließend wurden die sich so ergebenden tatsächlichen Quadratmeterpreise aller 166 Wohnungen addiert und durch die Anzahl der Wohnungen dividiert und hierdurch ein Quadratmeterpreis von 5,77 EUR ermittelt. Es wurde also ein Durchschnittswert ermittelt. Multipliziert mit der maximal angemessenen Wohnungsgröße von 90 m² ergibt sich die Mietobergrenze von 519,30 EUR. Eine Ergebniskontrolle sei durch die Auswertung einschlägiger Anzeigenblätter erfolgt.
30 
Die Bildung eines Durchschnittswertes bei Wohnungen des unteren Preissegments ist aber rechtlich nicht zulässig, wenn -wie hier - nur die Wohnungen von Leistungsempfängern als Datengrundlage herangezogen werden. So errechnet sich ein Angemessenheitswert, der unter dem Wert liegt, der für einen Teil der Leistungsempfänger als angemessen akzeptiert wird (Spirale nach unten). Um diesen Zirkelschluss zu vermeiden, kann ein Leistungsträger entweder auf alle Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand abstellen, also neben Wohnungen einfachen Standards auch auf solche mittleren und gehobenen Standards, und dann aus den so gewonnenen Mietpreisen einen angemessenen Wert ermitteln. Oder der Leistungsträger kann auch - wie vorliegend - bei der Datenerhebung nur die Wohnungen einfachen Standards zugrunde legen, muss als Angemessenheitsgrenze dann aber die obere Preisgrenze dieses Segments wählen (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, , juris Rn. 24). Das vom Beklagten mit Wirkung zum 01.05.2009 eingeführte Konzept erweist sich damit als nicht schlüssig.
31 
Entgegen der Auffassung des SG und nun auch des Beklagten, dass in dem abgebildeten Wohnsegment von Leistungsbeziehern auch Wohnungen über dem einfachen Standard abgebildet sind, weil Leistungsempfänger noch kein Kostensenkungsverfahren durchlaufen haben und daher noch in einer nicht angemessenen Wohnung leben, geht das BSG davon aus, dass Wohnungen von Leistungsempfängern nach dem SGB II bzw. SGB XII grundsätzlich Wohnungen einfachen Standards sind. Nur in der Rubrik der Wohngeldempfänger könnten Wohnungen enthalten sein, die auch teurer sind als eine nach SGB II oder SGB XII angemessene Wohnung. Für die vom Beklagten aufgestellte These, dass in den Datensätzen auch teurere, für Leistungsbezieher nicht angemessene Wohnungen enthalten sind, ergeben sich keine nachprüfbaren Anhaltspunkte, noch ist etwas über deren Anzahl ausgesagt. Damit handelt es sich um bloße Mutmaßungen, die das Konzept nicht schlüssig werden lassen.
32 
Der Senat hat erfolglos im Parallelrechtsstreit L 2 AS 3787/11 versucht, das Konzept vom Beklagten schlüssig machen zu lassen. Er hat sich, nachdem im Mietrecht ständig „ortsübliche Vergleichsmieten“ zu ermitteln und Vergleiche mit dem bestimmten Mietobjekt anzustellen sind, am im Mietrecht beachteten Gesichtspunkten orientiert und etwa die „Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln“ (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen) sowie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.02.2012 - (VIII ZR 346/10, juris, zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete) herangezogen. Sodann wurde dem Beklagten u.a. aufgegeben, die Datenmenge durch Einbeziehung der Daten von Wohngeldempfängern im Monat Oktober 2008 zu vergrößern (Repräsentativität, vgl. BSG Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, juris Rn. 19; Identität, BSG, Urt. v. 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris, Rn. 17), die Neuauswertung ausreichend zu dokumentieren (Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, 2. Teil I. 10. S. 30), die verwendeten Daten transparent zu machen, den Mietbegriff (Kalt- oder Warmmiete) festzulegen und zu vereinheitlichen (vgl. Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, 2. Teil I. 3. S. 23 f.; BSG Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R , juris Rn. 23). Sodann sollten als „Ausreißermieten“ die Datensätze eliminiert werden, die 20% und mehr über und unter dem arithmetischen Mittel liegen (II. 4. S.41 f der Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, BGH, aaO., juris Rn. 19 unter Hinweis auf Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht). Sodann sollte der Spannenoberwert, dh der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne bzw. die obere Preisgrenze dieses Segments zu Grunde gelegt werden.
33 
Der Vorgabe entsprechend hat der Beklagte die bereits erhobenen Daten um die Daten von Wohngeldbeziehern ergänzt, sodass nun 4.269 Datensätze erfasst sind. Auch wenn sich die Datenmenge für den gesamten Landkreis dadurch um ca. 1000 vergrößert hat, dürfte es sich hierbei angesichts des Bestands von Wohnungen und Räumen im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald von zusammen 119.358 (Bestand an Wohnungen und Räumen in den Stadt und Landkreisen Baden-Württembergs am 31.12.2012, vgl. www.statistik.baden-wuerttemberg.de/veroeffentl/ Statistische_Berichte/3734_12001.pdf) dennoch nicht um eine ausreichend große Datenmenge handeln. Die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes können wiedergegeben sein, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R –, juris Rn. 16). Dies ist bei vorliegend 3,58 % nicht der Fall, auch wenn berücksichtigt wird, dass nicht nach selbstgenutzten Eigentums- und Mietwohnungen unterschieden ist.
34 
Davon unabhängig ist die Berechnung des Beklagten wiederum nicht zulässig, weil er erneut einen Durchschnittswert bildet. Für die Raumschaft Umland F. wurden 53 Datensätze für Wohnungen von Leistungsbeziehern mit einer Größe von 60 bis 75 m² und 78 Datensätze für Wohnungen von 75 bis 90 m² bzw. 90 bis 105 m² vorgelegt. Entsprechend den oben beschriebenen Raumschaften und Wohnflächen je Haushaltsgröße hat der Beklagte wie vom Senat vorgegeben Durchschnittswerte (arithmetisches Mittel) für die Miete je Quadratmeter ermittelt. Ausgehend davon wurden Korridore von plus bzw. minus 20 % von diesem Wert bestimmt. Aus den sich danach (Kaltmiete pro Quadratmeter größer oder gleich dem unteren Korridorwert und zugleich kleiner oder gleich dem oberen Korridorwert) ergebenden Datensätzen wurden jedoch wiederum Durchschnittswerte (arithmetisches Mittel) für die Kaltmiete pro Quadratmeter ermittelt. Danach ergab sich für Wohnungen im Umland F. mit einer Größe über 75 m² ein Durchschnitt innerhalb des Korridors von 5,66 pro Quadratmeter und von 5,70 EUR/m² für Wohnungen mit 60 bis 75 m², damit Werte, die geringfügig unter den bisherigen liegen. Insgesamt errechnete der Beklagte bezogen auf die Wohnsituation der Kläger eine angemessene Kaltmietobergrenze von 512,40 EUR. Diese Berechnung fußt jedoch auf einer erneuten Bildung eines Durchschnittswertes aus Wohnungen von Leistungsbeziehern die mangels nachprüfbarer Erkenntnisse dem unteren Preissegment zugeordnet werden müssen, was der Senat für unzulässig hält. Sie ist nicht mit der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des BSG vereinbar. Es hätte vielmehr zur Vermeidung eines Zirkelschlusses vom Spannenoberwert ausgegangen werden müssen. Eine weitere diesbezügliche Berechnung lehnt der Beklagte ab und auch die angeforderte Dokumentation der einzelnen Schritte der Auswertung stellt er nicht zur Verfügung. Der Senat stellt deshalb fest, dass ein schlüssiges Konzept nicht mehr erstellt werden kann und von einem Erkenntnisausfall bei der Ermittlung der Höhe der angemessenen Unterkunftskosten auszugehen ist.
35 
Der Senat kann auch nicht den als Durchschnittswert plus 20% ermittelten und mitgeteilten Quadratmeterpreis für die Ermittlung der abstrakt angemessenen KdU zu Grunde legen, weil eine vergleichbare Datenbasis nicht vorliegt. Als weiteres Manko des nachgebesserten Konzepts konnte hinsichtlich der Wohnungen von Wohngeldempfängern nicht nach Brutto- und Nettokaltmieten unterschieden werden, während hinsichtlich der übrigen Wohnungen der Beklagte von einer zumindest errechneten Nettokaltmiete ausgegangen ist. Insofern fehlt es bereits an einem einheitlichen Mietbegriff, so dass die Auswertung zu Verzerrungen führen kann. Dies belegt im Übrigen auch ein Vergleich der ermittelten Durchschnittswerte plus 20 %, die als Spannenoberwert angesehen werden könnten, mit den Werten des qualifizierten Mietspiegels der Großstadt F., die für den im allgemeinen als preiswerter einzustufenden ländlichen Raum wider die Erwartung zum Teil erheblich darüber liegen, so z.B. der Wert für eine 30 bis 45 m² große Wohnung im Umland F. mit 8,06 EUR/m² gegenüber dem der Mietspiegel 2009 der Stadt F. für eine Standardwohnung mit 45 m² lediglich eine Basismiete von 7,87 EUR ausweist.
36 
Auf Grund des Ausfalls von weiteren lokalen Erkenntnismöglichkeiten für die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts im räumlichen Vergleichsgebiet erachtet der Senat den Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle als zulässig (BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R, Rn. 16). Die Tabellenwerte des hier maßgeblichen § 12 WoGG (gültig ab 01.01.2009) deckeln die dann grundsätzlich zu übernehmenden tatsächlichen Aufwendungen im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze (BSG aaO Rn. 20). In ihnen sind die - ansonsten ebenfalls abstrakt zu ermittelnden - kalten Betriebskosten enthalten (§ 9 Abs. 1 WoGG). Es ist auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" von 10 % einzubeziehen (BSG, aaO, Rn. 22; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R, bisher nur als Terminbericht vorhanden). Für die Wohnung der Kläger (4 Personen) ergibt sich hieraus für den Wohnort M., der nach der Anlage zu § 1 Abs. 3 der Wohngeldverordnung (WoGV, BGBl. I 2008, 2487-2519 ab 01.01.2009) dem Kreis Breisgau- Hochschwarzwald zugehörig der Mietenstufe III zugeordnet ist, ein Betrag von 556 EUR. Zuzüglich 10 % beträgt die abstrakt angemessene Kaltmiete inklusive Nebenkosten mithin 661 EUR.
37 
Hinzu kommen die angemessenen Heizkosten. Die Prüfung der Angemessenheit der Leistung für die Heizung hat nicht nur getrennt von der für die Unterkunft zu erfolgen, sondern auch nach eigenen Regeln: Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung ist - mangels anderer Zahlen - so lange zu bejahen, wie die Kosten unter dem Grenzbetrag eines bundesweiten oder kommunalen Heizspiegels liegen (BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 25; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 Rn. 23 ff). Grundsätzlich ist bei einer Warmwasserbereitung über die Heizung - wie vorliegend - der Anteil, der für die Warmwasserbereitung im Rahmen der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist, abzuziehen (BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - ; BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R –, juris; BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 16/11 R –, juris).
38 
Die Höhe der Heizkosten der Kläger im streitigen Zeitraum ist unbekannt. Mietvertraglich sind kalte und warme Nebenkosten nur in einer pauschalen Summe von 210 EUR monatlich vereinbart. Die tatsächlichen Kosten lassen sich damit erst durch eine nachträgliche Verbrauchsabrechnung ermitteln, was auch angeblich geschehen ist. Die Nebenkostenabrechnung für den streitigen Zeitraum hatte der Beklagte nicht angefordert, ist von den Klägern auf die Aufforderung des Senats vom 10.01.2013 nicht vorgelegt worden und kann nach Mahnung nun mangels Aufbewahrung nicht mehr vorgelegt werden. Die tatsächlichen Heizkosten sind damit nicht bestimmbar und es ist nicht nachgewiesen, dass diese tatsächlich höher waren, als vom Beklagten pauschal mit 86 EUR (86 m² x 1 EUR) zu Grunde gelegt. Die Beweislast trifft insoweit die Kläger, die einen höheren Anspruch geltend machen. Im Rahmen eines Rechtsstreits über die KdU und Heizung ist es eine Obliegenheit der Kläger, die entsprechenden Unterlagen aufzubewahren und ggf. Nachweis zu erbringen. Dazu sind die Kläger im vorliegenden Verfahren bereits seit dem Widerspruchsverfahren von einem in diesem Rechtsgebiet sehr häufig auftretenden Rechtsanwalt vertreten, der genauestens mit der rechtlichen Materie vertraut ist. Nachdem die Kläger bereits vor über einem Jahr, nämlich im Januar 2013 vom Senat zur Vorlage der Unterlagen aufgefordert worden sind, ist mehr als genügend Zeit vergangen, sich die Nachweise eventuell beim Vermieter wiederzubeschaffen. Die jetzige Urlaubsabwesenheit des Vermieters vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung geht zu Lasten der Kläger. Es besteht auch für den Senat keine Veranlassung, die Entscheidung über den Rechtsstreit zu verschieben und selbst beim Vermieter noch nachzuforschen. Hierbei handelt es sich um Ermittlungen ins Blaue hinein, zu denen keine Verpflichtung besteht. Es ist weder behauptet worden, dass die Heizkosten höher waren, noch steht fest, dass der Vermieter die Unterlagen aufbewahrt hat und diese durch Nachfrage dort beschafft werden könnten.
39 
Aus diesem Grunde greift der Senat auch nicht - was denkbar wäre - ersatzweise auf den niedrigsten Grenzbetrag (BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R, juris Rn. 43) des bundesweiten Heizkostenspiegels von 2011 (Abrechnungsjahr 2010) zurück, obwohl die maximalen abstrakt angemessenen Heizkosten für eine 90 m² Wohnung sich danach in Höhe von 125,25 EUR monatlich errechnen (16,70 EUR x 90 m² für Heizöl) und ein weiterer Abzug für die Warmwasserbereitung nicht gerechtfertigt sein dürfte, da sich die Vergleichswerte in den Tabellen ausschließlich auf die reine Raumwärme beziehen. Auch wenn der bundesweite Heizkostenspiegel gegebenenfalls höhere tatsächliche Kosten deckelt und als Obergrenze angesehen werden kann, besteht hierzu auch deshalb kein Anlass, da die Heizkosten im Bereich des Beklagten - wie dem Senat aus anderen Rechtsstreitigkeiten bekannt ist - zum Teil auch unter den pauschal vom Beklagten erstatteten Heizkosten liegen. „Sicherheitshalber“ sind den Klägern bei Verlust des Nachweises über die tatsächlichen Heizkosten keine höheren als die bereits erstatteten Heizkosten zu gewähren.
40 
Allerdings hat der Beklagte im streitigen Zeitraum den Abzug der Warmwasserpauschale nicht korrekt vorgenommen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R und Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R). Die Werte betragen für zwei Erwachsene in einem Haushalt je 5,82 EUR (= 11,64 EUR) und für die Kinder je 3,88 EUR (= 7,76). Für die Warmwasserbereitung sind daher nur 19,40 EUR statt 20,36 EUR abzuziehen, so dass die Heizkosten nach Abzug noch 66,60 EUR ausmachen.
41 
Zusammenfassend betragen die abstrakt angemessenen KdU und die Heizkosten damit 678,20 EUR.
42 
Die tatsächlichen KdU und Heizung mit insgesamt 910 EUR sind daher - unabhängig davon, ob die Kosten in Höhe von 20 EUR für einen Stellplatz zu übernehmen wären - nicht angemessen. Eine temporäre Übernahme der tatsächlichen Kosten kommt nicht in Betracht, nachdem die Kläger keine Zusicherung für den Umzug erhalten haben und über die Unangemessenheit der Kosten informiert waren.
43 
Auch unter Berücksichtigung der Argumentation in der Entscheidung des SG Mainz (vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09) haben die Kläger keinen Anspruch auf höhere KdU und Heizung. Der Senat hat bereits entschieden, dass er - wie auch schon der 1. und 13. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (vgl. Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - juris; Urteil vom 25.02.2014 - L 13 AS 3088/12 ZVW; ebenso Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 22 Rn. 72) - der Auffassung des SG Mainz nicht folgt. Die vom Sozialgericht Mainz in seiner Entscheidung vom 08.06.2012 geäußerte Auffassung, dass der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verwendete Begriff der „Angemessenheit“ den im Urteil des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 09.02.2010 aufgestellten Anforderungen nicht genüge, ist falsch. Das BVerfG hat in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sog. „schlüssigen Konzept“ die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bereits gebilligt und ausgerechnet in dem vom Sozialgericht Mainz als Beleg für seine irrige Auffassung angeführten Urteil folgendes ausgeführt: „§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 12 Rdnr 148). Damit ist die Entscheidung des Sozialgericht Mainz schon im Ansatz unrichtig, wenn sie aaO Rdnr 62, 68 der Meinung ist, es fehle für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ an einer hinreichenden parlamentsgesetzlichen Grundlage und der Bundesgesetzgeber stehe „demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein entsprechender Rechtsanspruch besteht“. Das ist, wie das Bundesverfassungsgericht klar gestellt hat, bereits in ausreichendem Maße geschehen. Auch in seiner Entscheidung vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11 = info also 2012, 28 = juris Rn. 24 f.) hat das BVerfG das schlüssige Konzept des BSG ersichtlich für geeignet erachtet, den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit auszufüllen. Diese Entscheidung scheint dem Sozialgericht Mainz nicht bekannt gewesen zu sein.
44 
Der Beklagte hat den Klägern anteilige Leistungen für KdU und Heizung ausgehend von angemessenen Kosten in Höhe von insgesamt 708,94 EUR statt abstrakt angemessener in Höhe von 678,20 EUR gewährt. Die Kläger haben somit höhere Leistungen für KdU und Heizung erhalten. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
46 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Leistungsberechtigte nach § 1 erhalten Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf).

(2) Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes wird der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gedeckt. Kann Kleidung nicht geleistet werden, so kann sie in Form von Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen gewährt werden. Gebrauchsgüter des Haushalts können leihweise zur Verfügung gestellt werden. Der notwendige persönliche Bedarf soll durch Sachleistungen gedeckt werden, soweit dies mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Sind Sachleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden.

(3) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes sind vorbehaltlich des Satzes 3 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu gewähren. Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie wird, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Absatz 2 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Der notwendige persönliche Bedarf ist vorbehaltlich des Satzes 6 durch Geldleistungen zu decken. In Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 53 des Asylgesetzes kann der notwendige persönliche Bedarf soweit wie möglich auch durch Sachleistungen gedeckt werden.

(4) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben den Leistungen nach den Absätzen 1 bis 3 entsprechend den §§ 34, 34a und 34b des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gesondert berücksichtigt. Die Regelung des § 141 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(5) Leistungen in Geld oder Geldeswert sollen der oder dem Leistungsberechtigten oder einem volljährigen berechtigten Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht; dabei wird der Monat mit 30 Tagen berechnet. Geldleistungen dürfen längstens einen Monat im Voraus erbracht werden. Von Satz 3 kann nicht durch Landesrecht abgewichen werden.

(6) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Die Beteiligten können vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Rentenberater im Umfang ihrer Befugnisse nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit Satz 2, des Rechtsdienstleistungsgesetzes,
4.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten nach den §§ 28h und 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch,
5.
selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
6.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
7.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
8.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
9.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 bis 8 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter. § 157 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen. Satz 3 gilt nicht für Beschäftigte eines Sozialleistungsträgers oder eines Spitzenverbandes der Sozialversicherung.

(4) Vor dem Bundessozialgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer den in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen nur die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Organisationen zugelassen. Diese müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des Satzes 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten; Satz 3 bleibt unberührt.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Bei Ehegatten oder Lebenspartnern und Verwandten in gerader Linie kann unterstellt werden, dass sie bevollmächtigt sind. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten. Im Übrigen gelten die §§ 81, 83 bis 86 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für alle Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2013.

2

Die miteinander verheirateten Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer eines 2003 erworbenen Grundstücks mit selbst bewohntem Wohnhaus von 85 m² Wohnfläche, für dessen Erwerb sie der 1946 geborenen vormaligen Eigentümerin (im Folgenden: Voreigentümerin) und deren 1939 geborenem Ehemann eine Rente auf Lebenszeit in Höhe von monatlich 440 Euro zu entrichten haben. Bei Zahlungsverzug von mehr als drei Monatsraten ist die Voreigentümerin zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, ohne dass ein Ausgleich für die bis dahin empfangenen Zahlungen zu leisten wäre (Ziffern III. 1. und 2. des notariellen Übergabevertrages vom 16.6.2003 mit Nachtrag vom 20.2.2004).

3

Das beklagte Jobcenter bewilligte den Klägern für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2013 Arbeitslosengeld II (Alg II) zunächst in Höhe der Regelbedarfe sowie eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Bescheid vom 16.1.2013). Auf den Widerspruch wegen der Nichtberücksichtigung der Rentenzahlungen an die Voreigentümerin setzte der Beklagte das Alg II wie zuvor in Höhe der Regelbedarfe sowie des Mehrbedarfs fest und anerkannte als Bedarfe für Unterkunft und Heizung je Kläger 107,46 Euro für die Zeit vom 1.2. bis 28.2.2013 und 58,51 Euro bzw 58,50 Euro für die Zeit vom 1.5. bis 31.5.2013 für Betriebskosten (Änderungsbescheide vom 30.1.2013). Den Widerspruch im Übrigen wies er zurück, da die Rente der Tilgung für ein Darlehen zur Finanzierung eines Eigenheims gleich stehe und daher nicht nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II berücksichtigungsfähig sei(Widerspruchsbescheid vom 31.1.2013).

4

Auf Klage - beschränkt auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung - hat das Sozialgericht (SG) den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 16.1.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013 zur Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich je 220 Euro für die Zeit vom 1.2.2013 bis 31.7.2013 verurteilt (Urteil vom 10.5.2013): Aufwendung für Unterkunft sei jede Zahlungsverpflichtung, die eine Wohnraumüberlassung zum Gegenstand habe und deren Nichterfüllung einen Räumungsanspruch des Gläubigers begründen könne. In diesem Sinne sei die monatliche Zahlungspflicht hier ein Leibrentenversprechen, das ähnlich einer Mietzahlung oder eines in Raten zu zahlenden Kaufpreises die Gegenleistung für die Überlassung von Wohnraum sei und bei dem im Falle des Zahlungsverzugs mit mehr als drei Monatsraten ein Rücktrittsrecht und Rückübereignungsanspruch zugunsten der Übergeberin bestehe. Diese Zahlungen seien nicht mit Tilgungsraten zu vergleichen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Immobilieneigentum zu entrichten seien; sie sicherten allein den bereits erlangten Vermögensvorteil und dienten nicht unmittelbar der Vermögensmehrung.

5

Mit der mit Zustimmung der Kläger eingelegten und vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Leibrentenzahlungen seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Tilgungsleistungen keine berücksichtigungsfähigen Aufwendungen iS dieser Vorschrift, denn sie seien Gegenleistung für die Eigentumsübertragung am Hausgrundstück und damit als Ratenzahlungen eines seiner Höhe nach unbestimmten, weil bis zum Tod der Berechtigten zu zahlenden Kaufpreises zu verstehen. Bei vollständiger Erfüllung werde Lastenfreiheit des Grundstücks erreicht. Damit führe die Zahlung zu einer Vermögensbildung.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG entschieden, dass die von den Klägern zu zahlende Rente von 440 Euro monatlich als weiterer Unterkunftsbedarf anzuerkennen ist. Die Rente steht der Tilgung einer ratenweisen Kaufpreisschuld für das Hausgrundstück gleich und ist - da die Tilgung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Lebenserwartung der Voreigentümerin noch nicht bereits weitgehend abgeschlossen war - auch nicht ausnahmsweise als Bedarf für Unterkunft anzuerkennen.

9

1. Gegenstand des Verfahrens sind die den Zeitraum von Februar bis Juli 2013 betreffenden Alg II-Bewilligungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013, wogegen sich die Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 Sozialgerichtsgesetz) wenden. Nicht (mehr) Verfahrensgegenstand ist dagegen der Ausgangsbescheid vom 16.1.2013, nachdem er durch die im laufenden Widerspruchsverfahren ergangenen Änderungsbescheide vom 30.1.2013 vollständig ersetzt worden ist (§ 86 SGG) und sich mangels weitergehender rechtlicher Wirkungen damit erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -).

10

2. In der Sache ist der Streitgegenstand durch den ausschließlich darauf bezogenen Klagantrag wirksam auf die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - und zwar, da nur der Beklagte die Entscheidung des SG mit der Sprungrevision angefochten hat, begrenzt auf die Höhe der ihnen vom SG insoweit zugesprochenen 220 Euro je Kläger - beschränkt; an der prozessual zulässigen Abtrennbarkeit dieser Leistungen (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453; insofern in Kraft getreten zum 1.1.2011, im Folgenden: § 19 Abs 1 SGB II nF) auch für Verfahren über Bewilligungsabschnitte nach dem 1.1.2011 nichts geändert (zu Verfahren über zuvor abgeschlossene Bewilligungsabschnitte vgl nur BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

11

a) Der Rechtslage bis zum 31.12.2010 haben die Grundsicherungssenate des BSG in ständiger Rechtsprechung entnommen, dass die Gewährung höherer oder überhaupt von Leistungen für Unterkunft und Heizung einen abtrennbaren prozessualen Anspruch bildet, soweit sie - wie vorliegend auch - Gegenstand einer abtrennbaren Verfügung (Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X) des betreffenden Bescheids sind. Zwar sind beim Streit um höhere Leistungen auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (stRspr; vgl nur BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54Nr 21, RdNr 32). Hiervon hat das BSG indes eine Ausnahme für Unterkunft und Heizung gemacht, weil die Zuständigkeiten für die Regelleistung (heute: Regelbedarf) einerseits und für die Leistungen für Unterkunft und Heizung andererseits nach der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014) iVm § 19 S 2 bzw 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; seit 1.8.2006: § 19 S 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 , BGBl I 1706; im Folgenden § 19 S 2 bzw 3 SGB II aF)unterschiedlich und die Leistungen inhaltlich voneinander abgrenzbar waren, es sich rechtlich also um zwei eigenständige Leistungen und Verfügungen handelte (stRspr, grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff).

12

b) Eigenständige Leistungen in diesem Sinne bilden die Leistungen für den Regelbedarf einerseits und für Unterkunft und Heizung andererseits auch unter Geltung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Unverändert sind danach die Zuständigkeiten zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern ungeachtet des im Hinblick auf die Weiterentwicklung von § 19 SGB II (dazu unten c) geringfügig unterschiedlichen Wortlauts von § 6 Abs 1 S 1 SGB II alter und neuer Fassung weiter vom Prinzip geteilter Trägerschaft geprägt, wie es seit Einführung des SGB II gilt(vgl BT-Drucks 15/2816, S 10): Sofern nicht eine einheitliche Zuständigkeit eines kommunalen Trägers nach §§ 6a f SGB II besteht, sind für Unterkunft und Heizung ausschließlich zuständig die kommunalen Träger und für das Alg II sowie das Sozialgeld mit Ausnahme der Kosten von Unterkunft und Heizung die Bundesagentur für Arbeit; daran hat sich im Gefolge des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG nichts geändert (ebenso Rixen/Weißenberg in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 6 RdNr 3; Luik, ebenda § 22 RdNr 31). Eher ist die Trennung der Zuständigkeiten nochmals verdeutlicht durch die Neufassung des § 44b Abs 3 S 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 mWv 1.1.2011 , BGBl I 1112), wonach die Verantwortung für die recht- und zweckmäßige Erbringung jeweils "ihrer Leistungen" in der gemeinsamen Einrichtung nach § 44b SGB II(idF des GSiOrgWG) ausdrücklich jedem Träger gesondert obliegt (zum Zweck dieser Verantwortlichkeitszuweisung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 zu § 44 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vgl BR-Drucks 226/10 S 37 sowie Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 44b RdNr 26 ff, Stand 10/2013).

13

c) Nichts anderes folgt aus der partiellen Neufassung von § 19 und § 22 Abs 1 SGB II durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Leistungsrechtlich waren die Kosten für Unterkunft und Heizung schon bis zu dessen Inkrafttreten als Teil des Anspruchs auf Alg II gefasst (vgl § 19 S 1 SGB II idF des GSiFoG: Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung). Sachlich bedeutet es deshalb keinen Unterschied, wenn nunmehr die Leistungen, also Alg II und Sozialgeld, den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung "umfassen" (§ 19 Abs 1 S 3 SGB II nF) und nach Maßgabe von § 22 SGB II bei Unterkunft und Heizung "Bedarfe" in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen "anerkannt" werden(§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG), während zuvor "Leistungen" zu erbringen waren (§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II in der insoweit bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Das verdeutlicht zwar weiter, dass die Leistungsbereiche in dem Sinne aufeinander bezogen sind, als jeweils nach denselben Maßstäben umfassend zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II, insbesondere die der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II, vorliegen(so bereits BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso BT-Drucks 17/3404 S 97 zu § 19). Jedoch trägt dies nicht die Einschätzung, dass hiermit Änderungen substantieller Art verbunden wären (so aber BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22: Leistungen für Unterkunft und Heizung sind nunmehr integraler Bestandteil des Arbeitslosengeldes II, das den Bedarf für Unterkunft und Heizung als nicht mehr abtrennbaren Teil enthält). Das wäre angesichts der fortbestehenden organisationsrechtlichen Aufspaltung der Verantwortlichkeiten auch schwerlich möglich: Solange die Trägerschaft für die Kosten von Unterkunft und Heizung einerseits und den Regelbedarf andererseits getrennt ist, können Alg II und Sozialgeld keine einheitliche "Gesamtleistung" bilden (so schon BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31).

14

d) Ein prozessuales Verbot der abgetrennten Geltendmachung von Leistungen für Unterkunft und Heizung oder den Regelbedarf begründen die Änderungen in § 19 und § 22 Abs 1 SGB II ebenfalls nicht. Zwar stehen dem Gesetzgeber partielle Begrenzungen der grundsätzlich umfassend gewährleisteten Dispositionsmaxime (§ 123 SGG) zu. Dass dies hier geschehen wäre, ist aber nicht hinreichend deutlich. Einerseits ist das in den Materialien zwar angedeutet (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22). Andererseits findet eine solche Begrenzung schon im Gesetzestext keinen hinreichend deutlichen Niederschlag, nachdem - wie dargelegt - die Neufassung von § 19 Abs 1 SGB II nF erhebliche Unterschiede zur vorherigen Rechtslage nicht erkennen lässt. Zudem kommt in den Materialien gegenläufig ebenso das Bestreben zum Ausdruck, in Verfahren nach dem SGB II auch künftig Teilelemente abschichten zu können, auch wenn der dazu in Betracht gezogene Ansatz im geltenden Prozessrecht kaum Grundlagen findet (vgl BT-Drucks 17/3404, S 97 zu § 19: "dass … einzelne, dem angefochtenen Leistungsanspruch zugrunde liegende Tatsachen unstreitig gestellt werden"; vgl aus der stRspr hierzu nur BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - Juris RdNr 26; BSG Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R - BSGE 112, 54 = SozR 4-3500 § 28 Nr 8, RdNr 14; vgl ebenso Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 19 RdNr 82, Stand 1/2012, und Straßfeld, SGb 2011, 436, 442); auch das spricht dagegen, § 19 Abs 1 SGB II als Sperre der isolierten Geltendmachung der Bedarfe von Unterkunft und Heizung zu verstehen(so im Ergebnis auch: Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31 ff; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, Stand 6/2013, § 19 RdNr 30; Lauterbach in Gagel, Online-Ausgabe Stand 2014, § 22 SGB II RdNr 8; Nolte, NZS 2013, 10, 12 ff; Straßfeld, SGb 2011, 436, 442; aA : Berlit in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 9; S. Knickrehm in Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 1; offen gelassen Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 1/2012, K § 19 RdNr 81).

15

3. Anspruch auf weitere jeweils 220 Euro monatlich als Leistung auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II nF haben die Kläger ungeachtet ihrer Hilfebedürftigkeit im Übrigen nicht.

16

a) Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen im Weiteren sind gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II nF Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind, dh die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10).

17

b) Zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in diesem Sinne rechnen nach gefestigter Rechtsprechung des BSG, von der abzurücken kein Anlass besteht, Tilgungsraten grundsätzlich nicht (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 35; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 169 ff, Stand 10/2012; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 61). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (vgl aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; ebenso 4. Senat, BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Im Übrigen ist der Eigentümer grundsätzlich ebenso wenig wie der Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (vgl Entscheidungen des erkennenden Senats, BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 zur Kostensenkungsaufforderung und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10 zum Wohnungswechsel wegen unangemessen hoher Unterkunftskosten).

18

c) Nicht ohne Bedeutung ist hiernach entgegen der Auffassung des SG die "vertragliche Ausgestaltung" der im Streit stehenden Aufwendungen. Maßgebend ist vielmehr, ob die von den Klägern entrichteten Zahlungen an die Voreigentümerin wie die Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder einer Kaufpreisschuld zu werten sind oder ob sie einer (Miet-)Zahlung für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleichen. Das beurteilt sich nach der Rechtsprechung allein danach, wie der zugrunde liegende Vertrag konkret ausgestaltet ist und nicht, wie er auch hätte ausgestaltet sein können (vgl BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 1/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 65 RdNr 21). Entscheidend für die rechtliche Qualifizierung ist bei Grundstückskäufen auf Leibrentenbasis nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wie eng das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Rentenzahlung und Grundstücksgeschäft beschaffen ist. Als Leibrente im eigentlichen Sinne des § 759 BGB erachtet der BGH ein "einheitlich nutzbares Recht …, das dem Berechtigten für die Lebenszeit eines Menschen eingeräumt ist und dessen Erträge aus wiederkehrenden, gleichmäßigen und in gleichen Zeitabständen zu gewährenden Leistungen in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehen"(BGH Urteil vom 16.12.1965 - II ZR 274/63 - BB 1966, 305 - juris RdNr 22). Der Leibrente zugeordnet wird ein Grundstücksüberlassungsvertrag deshalb nur, wenn die Gegenleistung für dessen Überlassung mit der Einräumung des Stammrechts, aus dem die Einzelansprüche erwachsen, formal bereits als vollständig erbracht anzusehen ist und die Rentenzahlungen deshalb im strengen Sinne nicht Gegenleistung für die Grundstücksüberlassung sind, sondern Erfüllung des bereits vorher gewährten Rentenstammrechts. Steht dagegen nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung die Erfüllung (auch) der einzelnen Zahlungsansprüche in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Grundstücksüberlassung - und hat sich der Überlasser deshalb den Rücktritt vom Vertrag vorbehalten für den Fall, dass der Übernehmer mit Zahlungen in Rückstand gerät - dann bilden die "Rentenzahlungen in ihrer Gesamtheit den Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks" (BGH Beschluss vom 25.4.1991 - III ZR 159/90 - WM 1991, 1644, juris RdNr 2 ff, RdNr 5).

19

d) Hiernach könnten Leibrenten der Miete allenfalls gleich zu stellen sein, wenn es sich um Renten im engeren Sinne des § 759 BGB handelt. Muss dagegen eine "Leibrentenzahlung" bei vorbehaltenem Rücktritt - wie hier vertraglich ausbedungen - als Kaufpreisteil gesehen werden, so ist nicht anzunehmen, dass die Zahlungen nicht der Finanzierung des Grunderwerbs dienen. Maßgeblich ist dann nach der Rechtsprechung des BSG, ob es nach den konkreten Umständen "um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist" (vgl erkennender Senat: BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; 4. Senat: BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Davon kann hier indes nicht ausgegangen werden, nachdem die 2005 - dem Jahr des erstmaligen Bezugs von SGB II-Leistungen der Kläger - 59 Jahre alte Voreigentümerin statistisch eine Lebenserwartung von deutlich über 20 Jahren hatte (Statistisches Bundesamt, Periodensterbetafeln für Deutschland, Allgemeine Sterbetafeln, abgekürzte Sterbetafeln und Sterbetafeln, 1871/1881 bis 2008/2010, S 342).

20

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Im Sinne von Absatz 1 können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen, ist ausreichend.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die

1.
vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2.
berufsunfähig
sind.

(2) Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Im Sinne von Absatz 1 können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen, ist ausreichend.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) höhere Kosten der Unterkunft ab 1.1.2005.

2

Der 1948 geborene Kläger bewohnt in Oldenburg ein eigenes Haus, welches mit Erdgas beheizt wird. Er bezog bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 20.1.2005 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1.1. bis 30.4.2005 und mit Bescheid vom 12.4.2005 für die Zeit vom 1.5. bis 31.10.2005 Arbeitslosengeld II in Höhe von 439,63 Euro monatlich, bestehend aus der Regelleistung (345 Euro) und den Kosten für Unterkunft und Heizung (94,63 Euro).

3

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger mit seiner Klage zum Sozialgericht (SG) geltend gemacht, die Nebenkosten für ein Eigenheim müssten in gleicher Höhe anerkannt werden, wie dies bei einer Mietwohnung der Fall sei. Dies bedeute, dass eine Rücklagenpauschale für Erhaltungsaufwand, die Stromkosten für die Heizungspumpe und die Stromkosten für Gartenpflege und Außenbeleuchtung sowie eine Gebäudehaftpflichtversicherung leistungserhöhend zu berücksichtigen seien. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.4.2006 abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem zurückweisenden Beschluss vom 27.4.2009 ausgeführt, höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.10.2005 stünden dem Kläger nicht zu, weil der Beklagte bereits alle belegten Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe anerkannt habe. Weitere Aufwendungen seien nicht nachgewiesen worden. Eine monatliche Erhaltungsaufwandspauschale sei im Übrigen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht zulässig. Ebenso wenig könne der Kläger neben der anerkannten Wohngebäudeversicherung eine weitere Versicherungsprämie für eine Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherung verlangen, da diese Versicherung beitragsfrei in der privaten Haftpflichtversicherung enthalten sei. Schließlich könne der Kläger auch keine zusätzlichen Stromkosten für die Heizungspumpe, die Gartenpflege und die Außenbeleuchtung verlangen. Diese Aufwendungen seien aus der Regelleistung zu bestreiten, im Übrigen würden diese Kosten bei dem Kläger auch anfallen, wenn er nicht Eigentümer, sondern Mieter des Hauses wäre.

4

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner vom BSG zugelassenen Revision. Er rügt eine Verletzung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, da nach dieser Vorschrift Leistungen für Unterkunft und Heizung bis zur Angemessenheitsgrenze zu erstatten seien, ohne Differenzierung danach, ob der Wohnbedarf durch Eigentum oder Miete gedeckt werde. Daher seien unter analoger Berücksichtigung der bei Mietern anfallenden und zu berücksichtigenden Nebenkosten auch die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf die Gebäudehaftpflichtversicherung sowie die Stromkosten für die Heizungspumpe, für Gartenpflege und für die Außenbeleuchtung anzuerkennen. Lediglich die Erhaltungsaufwandspauschale könne nach der Rechtsprechung des BSG nicht bedarfserhöhend berücksichtigt werden. Die übrigen geltend gemachten Kosten zählten jedoch zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke, da hierzu alle notwendigen Ausgaben zu zählen seien, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen seien.

5

Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. April 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 11. April 2006 aufzuheben sowie die Bescheide des Beklagten vom 20. Januar 2005 und 12. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2005 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2005 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der Stromkosten für die Heizungspumpe, für die Gartenpflege und die Außenbeleuchtung sowie die Kosten einer Gebäudehaftpflichtversicherung zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Der Beklagte hält die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es kann aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entschieden werden, ob dem Kläger ein Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) zusteht.

9

1. Auf Beklagtenseite ist das Jobcenter gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II ebenfalls idF des Gesetzes vom 3.8.2010), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes entstanden ist (vgl Luik, jurisPR-SozR 24/2010 Anm 1). Die gemeinsame Einrichtung tritt im laufenden gerichtlichen Verfahren als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (; vgl § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II). Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen (vgl dazu insgesamt BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5).

10

2. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) sind die Bescheide des Beklagten vom 20.1. und vom 12.4.2005, über die gemeinsam mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 27.9.2005 entschieden wurde. Zutreffend hat das LSG daher den Streitzeitraum auf die Zeit vom 1.1. bis 31.10.2005 bestimmt. Dem steht nicht entgegen, dass das SG (unzutreffend) über einen unbegrenzten Zeitraum und damit über Leistungen für mehr als ein Jahr entschieden hat, dies war lediglich für die Zulässigkeit der Berufung iS von § 144 Abs 1 Satz 2 SGG von Bedeutung. Nachdem der Kläger im Revisionsverfahren aufgrund der Rechtsprechung des BSG, wonach eine Erhaltungsaufwandspauschale für zukünftige Instandhaltungsarbeiten nicht bedarfserhöhend bei den Unterkunftskosten berücksichtigt werden kann (grundlegend BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17) eine derartige Pauschale nicht mehr geltend macht, ist nur noch umstritten, ob Stromkosten für Außenbeleuchtung und Gartenpflege (dazu unter 3a), für die Heizungspumpe (dazu unter 3b) und für eine Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherung (dazu unter 3c) im Rahmen der Kosten der Unterkunft bedarfserhöhend verlangt werden können.

11

3. Für die Frage, ob dem Kläger höhere Kosten der Unterkunft und Heizung zustehen, fehlt es bereits an grundlegenden Feststellungen des LSG. So ist schon nicht überprüfbar, ob der Kläger überhaupt hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II ist. Zwar kann grundsätzlich bei einem Rechtsstreit über die Höhe von SGB II-Leistungen der Streitgegenstand allein auf die Kosten für Unterkunft und Heizung begrenzt werden (stRspr, vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Allerdings ist Hilfebedürftigkeit als Grundlage aller SGB II-Leistungen explizit festzustellen. Dies drängt sich hier vor allem deshalb auf, weil der Kläger über Wohneigentum verfügt, dessen Berücksichtigung als Vermögen in Betracht kommt. Das LSG hätte deshalb Feststellungen über die Größe, Lage und Ausstattung des vom Kläger bewohnten Eigenheims treffen müssen, aus denen hervor geht, dass es unter die Schutzvorschrift des § 12 Abs 3 Nr 4 SGB II fällt.

12

Handelt es sich um ein Hausgrundstück von angemessener Größe, so sind bei Hilfebedürftigkeit im Übrigen vom Beklagten nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind (vgl im Einzelnen BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10). Der angemessenen Nettokaltmiete sind die angemessenen Nebenkosten sowie die angemessenen Heizkosten hinzuzufügen. Bis zur Summe dieser angemessenen Kosten sind die tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen. Zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke zählen dabei alle notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (vgl Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 26). § 7 Abs 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch(Juris-Abkürzung: BSHG§76DV § 7) findet insoweit entsprechende Anwendung (vgl Urteile des Senats vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, und vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R -), als er Anhaltspunkte dafür liefert, welche Kosten im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen sind(vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Auf dieser Basis wurden als berücksichtigungsfähige Kosten 94,63 Euro in die Bedarfsberechnung einbezogen. Angesichts dieses Betrages konnte auf die genaue Ermittlung der im örtlichen Vergleichsraum abstrakt angemessenen Mietkosten und einen Vergleich mit den vom Kläger für die Nutzung seines Eigenheims geltend gemachten Kosten (vgl dazu Urteil vom 24.2.2011, aaO, RdNr 20) verzichtet werden.

13

a) Weitere Nebenkosten in Form von Stromkosten für die Außenbeleuchtung und die Gartenpflege sind dagegen im Rahmen der Unterkunftskosten nicht berücksichtigungsfähig. Zwar sind neben der Nettokaltmiete grundsätzlich auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 Bürgerliches Gesetzbuch - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt der angemessenen Unterkunftskosten mit einzubeziehen(vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R -). Eine Einbeziehung der hier geltend gemachten Stromkosten in den Bedarf für die Kosten der Unterkunft scheitert aber schon daran, dass bereits unter Geltung des § 20 Abs 1 SGB II aF die Regelleistung für einen Hilfeempfänger auch die Kosten für die Haushaltsenergie umfasst(vgl grundlegend BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18). Ebenso wie die Kosten für die Warmwasserbereitung Bestandteil der Regelleistung sind bzw waren, müssen auch die Kosten für Strom, sofern er nicht zur Erzeugung von Heizenergie benutzt wird, aus der maßgeblichen Regelleistung gedeckt werden, weshalb der Kläger keinen Anspruch auf Erhöhung der Leistungen zur Unterkunft um seine Aufwendungen für Haushaltsstrom hat (vgl BSG, aaO RdNr 27-28).

14

Demgegenüber greift der Einwand des Klägers nicht durch, er sei als Hauseigentümer im Vergleich zu einem SGB II-Leistungsempfänger, der eine Mietwohnung bewohnt, benachteiligt. Zwar trifft es zu, dass bei Mietwohnungen über die Betriebskostenabrechnung uU auch Nebenkosten für die Außenbeleuchtung (§ 2 Nr 11 Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003) oder Kosten der Gartenpflege (§ 2 Nr 10 BetrKV) anfallen können. Dabei handelt es sich aber um Kosten, die die Mietergemeinschaft betreffen und nicht individualisierbar sind. Die Außenbeleuchtung an einem Einfamilienhaus ist - im Gegensatz zu der Beleuchtung von Zugängen von Fluren in einem (Miets-)Haus - dem einzelnen Haushalt unmittelbar zuzuordnen. Ein Unterschied zwischen Mietern und Eigentümern ergibt sich nicht, denn wenn ein Mieter den Balkon seiner Mietwohnung mit einer Beleuchtung versähe, würde auch diese als zum Haushalt gehörig gelten, die entsprechenden Stromkosten wären vom Regelsatz umfasst. Gleiches gilt auch für die geltend gemachten Stromkosten für Gartenpflege. Ungeachtet der Frage, ob solche Stromkosten überhaupt unter § 2 Nr 10 BetrKV fallen würden, der die Pflege gärtnerisch angelegter Flächen einschließlich der Erneuerung von Pflanzen und die Pflege von Plätzen, Zugängen und Zufahrten betrifft, sind derartige Stromkosten aber nach den genannten Maßstäben als zum Haushalt gehörige individualisierbare Kosten und damit zum Regelsatz gehörig einzustufen. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass weder die Stromkosten für die Außenbeleuchtung noch für die Gartenpflege konkret beziffert worden sind, sondern in einem geschätzten Gesamtbetrag aufgehen, der seinerseits nicht nachvollziehbar belegt und festgestellt ist.

15

b) Anders verhält es sich dagegen bei den geltend gemachten Stromkosten für die Heizungspumpe. Die angemessenen Heizkosten sind neben der angemessenen Nettokaltmiete und den angemessenen Nebenkosten selbstständig zu ermitteln. Hier ist im Hinblick auf die Gleichbehandlung zwischen einem Eigentümer eines selbst genutzten Hausgrundstücks und einem hilfebedürftigen Mieter zu berücksichtigen, dass bei den Vorauszahlungen, die an den Vermieter für die Beheizung der Unterkunft zu leisten sind, Kosten des Betriebs einer zentralen Heizungsanlage enthalten sind. Dazu gehören gemäß § 2 Nr 4 Buchst a BetrKV auch die Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage. Die grundsätzliche Berücksichtigung dieser Kosten im Rahmen der Heizkosten für eine Eigentumswohnung oder ein selbst genutztes Einfamilienhaus ist auch deshalb geboten, weil der Betrieb der Heizungspumpe untrennbar mit dem Betrieb der Heizung als solcher verbunden ist, sodass die Übernahme entsprechender Kosten grundsätzlich in die Berechnung der angemessenen Heizkosten einzustellen ist (bezüglich der Berücksichtigung von Kosten der Öltank- sowie der Kessel- und Brennerreinigung vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R -; vgl auch Beschluss vom 26.5.2010 - B 4 AS 7/10 B - RdNr 8).

16

Allerdings sind immer nur tatsächliche und belegte Aufwendungen berücksichtigungsfähig, nicht dagegen allgemeine Pauschalen (vgl zur "Erhaltungsaufwandspauschale" BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17; zur Pauschale für Reparaturkosten, Pflege und Wartung eines Wohnmobils BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 79/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 39). Es finden sich vorliegend keinerlei Feststellungen des LSG darüber, in welcher Höhe die Stromkosten für den Betrieb der Heizungspumpe anzusetzen wären. Sollte für den Heizungsstrom kein separater Zähler bzw Zwischenzähler existieren, sodass die Stromkosten nicht konkret ausgewiesen werden können, käme auch eine Schätzung in Betracht (vgl BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr 27: Schätzung des Heizkostenanteils ggf unter Berücksichtigung der Nebenkostenabrechnungen der Vorjahre nach § 202 SGG iVm § 287 Abs 2 Zivilprozessordnung; Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 20.2.2008 - VIII ZR 27/07 - WuM 2008, 285). Allerdings sind vom LSG weitere Ermittlungen anzustellen, um einen Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteils, der auf die Heizung entfällt, zu finden (vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 zur Schätzung des Energieanteils, der für das Kochen in der Regelleistung enthalten sein soll, sog "Kochgaspauschale"). Bei der Berechnung wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bisher der zur Regelleistung gehörende Energieanteil für die Bereitung von Warmwasser in Höhe von 6,22 Euro noch nicht von den Heizkosten abgezogen wurde (grundlegend: Urteil des Senats vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5; anders nach neuer Rechtslage vgl § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II in der seit 1.1.2011 gültigen Fassung).

17

c) Ob zu den im Rahmen der Berechnung der Unterkunftskosten bei Haus- und Wohnungseigentum zu berücksichtigenden Kosten für eine Gebäudeversicherung (die hier in Höhe von 89,39 Euro belegt wurden) zusätzlich Kosten für eine Gebäudehaftpflichtversicherung zu übernehmen sind, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn man von einer grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit einer Gebäudehaftpflichtversicherung (zur Möglichkeit des Abzugs einer solchen Versicherung vom Einkommen vgl BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 59/0AS 59/06 R - RdNr 20) auch unter dem Aspekt ausgeht, dass Kosten für eine Haftpflichtversicherung für das Gebäude nach § 2 Nr 13 BetrKV in einem Mietverhältnis neben den Kosten für die Gebäudeversicherung umlagefähig sind, so fehlt es vorliegend aber an einem konkreten Kostenanfall für den streitigen Leistungszeitraum. Insofern hat das LSG bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass die Gebäudehaftpflichtversicherung kostenfrei in der privaten Haftpflichtversicherung des Klägers enthalten ist. Kosten für eine private Haftpflichtversicherung wiederum können nicht im Rahmen der Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden, sondern lediglich gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II von zu berücksichtigendem Einkommen abgesetzt werden.

18

Schließlich wird das LSG noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) höhere Kosten der Unterkunft ab 1.1.2005.

2

Der 1948 geborene Kläger bewohnt in Oldenburg ein eigenes Haus, welches mit Erdgas beheizt wird. Er bezog bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 20.1.2005 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1.1. bis 30.4.2005 und mit Bescheid vom 12.4.2005 für die Zeit vom 1.5. bis 31.10.2005 Arbeitslosengeld II in Höhe von 439,63 Euro monatlich, bestehend aus der Regelleistung (345 Euro) und den Kosten für Unterkunft und Heizung (94,63 Euro).

3

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger mit seiner Klage zum Sozialgericht (SG) geltend gemacht, die Nebenkosten für ein Eigenheim müssten in gleicher Höhe anerkannt werden, wie dies bei einer Mietwohnung der Fall sei. Dies bedeute, dass eine Rücklagenpauschale für Erhaltungsaufwand, die Stromkosten für die Heizungspumpe und die Stromkosten für Gartenpflege und Außenbeleuchtung sowie eine Gebäudehaftpflichtversicherung leistungserhöhend zu berücksichtigen seien. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.4.2006 abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem zurückweisenden Beschluss vom 27.4.2009 ausgeführt, höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.10.2005 stünden dem Kläger nicht zu, weil der Beklagte bereits alle belegten Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe anerkannt habe. Weitere Aufwendungen seien nicht nachgewiesen worden. Eine monatliche Erhaltungsaufwandspauschale sei im Übrigen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht zulässig. Ebenso wenig könne der Kläger neben der anerkannten Wohngebäudeversicherung eine weitere Versicherungsprämie für eine Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherung verlangen, da diese Versicherung beitragsfrei in der privaten Haftpflichtversicherung enthalten sei. Schließlich könne der Kläger auch keine zusätzlichen Stromkosten für die Heizungspumpe, die Gartenpflege und die Außenbeleuchtung verlangen. Diese Aufwendungen seien aus der Regelleistung zu bestreiten, im Übrigen würden diese Kosten bei dem Kläger auch anfallen, wenn er nicht Eigentümer, sondern Mieter des Hauses wäre.

4

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner vom BSG zugelassenen Revision. Er rügt eine Verletzung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, da nach dieser Vorschrift Leistungen für Unterkunft und Heizung bis zur Angemessenheitsgrenze zu erstatten seien, ohne Differenzierung danach, ob der Wohnbedarf durch Eigentum oder Miete gedeckt werde. Daher seien unter analoger Berücksichtigung der bei Mietern anfallenden und zu berücksichtigenden Nebenkosten auch die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf die Gebäudehaftpflichtversicherung sowie die Stromkosten für die Heizungspumpe, für Gartenpflege und für die Außenbeleuchtung anzuerkennen. Lediglich die Erhaltungsaufwandspauschale könne nach der Rechtsprechung des BSG nicht bedarfserhöhend berücksichtigt werden. Die übrigen geltend gemachten Kosten zählten jedoch zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke, da hierzu alle notwendigen Ausgaben zu zählen seien, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen seien.

5

Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. April 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 11. April 2006 aufzuheben sowie die Bescheide des Beklagten vom 20. Januar 2005 und 12. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2005 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2005 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der Stromkosten für die Heizungspumpe, für die Gartenpflege und die Außenbeleuchtung sowie die Kosten einer Gebäudehaftpflichtversicherung zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Der Beklagte hält die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es kann aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entschieden werden, ob dem Kläger ein Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) zusteht.

9

1. Auf Beklagtenseite ist das Jobcenter gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II ebenfalls idF des Gesetzes vom 3.8.2010), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes entstanden ist (vgl Luik, jurisPR-SozR 24/2010 Anm 1). Die gemeinsame Einrichtung tritt im laufenden gerichtlichen Verfahren als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (; vgl § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II). Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen (vgl dazu insgesamt BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5).

10

2. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) sind die Bescheide des Beklagten vom 20.1. und vom 12.4.2005, über die gemeinsam mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 27.9.2005 entschieden wurde. Zutreffend hat das LSG daher den Streitzeitraum auf die Zeit vom 1.1. bis 31.10.2005 bestimmt. Dem steht nicht entgegen, dass das SG (unzutreffend) über einen unbegrenzten Zeitraum und damit über Leistungen für mehr als ein Jahr entschieden hat, dies war lediglich für die Zulässigkeit der Berufung iS von § 144 Abs 1 Satz 2 SGG von Bedeutung. Nachdem der Kläger im Revisionsverfahren aufgrund der Rechtsprechung des BSG, wonach eine Erhaltungsaufwandspauschale für zukünftige Instandhaltungsarbeiten nicht bedarfserhöhend bei den Unterkunftskosten berücksichtigt werden kann (grundlegend BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17) eine derartige Pauschale nicht mehr geltend macht, ist nur noch umstritten, ob Stromkosten für Außenbeleuchtung und Gartenpflege (dazu unter 3a), für die Heizungspumpe (dazu unter 3b) und für eine Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherung (dazu unter 3c) im Rahmen der Kosten der Unterkunft bedarfserhöhend verlangt werden können.

11

3. Für die Frage, ob dem Kläger höhere Kosten der Unterkunft und Heizung zustehen, fehlt es bereits an grundlegenden Feststellungen des LSG. So ist schon nicht überprüfbar, ob der Kläger überhaupt hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II ist. Zwar kann grundsätzlich bei einem Rechtsstreit über die Höhe von SGB II-Leistungen der Streitgegenstand allein auf die Kosten für Unterkunft und Heizung begrenzt werden (stRspr, vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Allerdings ist Hilfebedürftigkeit als Grundlage aller SGB II-Leistungen explizit festzustellen. Dies drängt sich hier vor allem deshalb auf, weil der Kläger über Wohneigentum verfügt, dessen Berücksichtigung als Vermögen in Betracht kommt. Das LSG hätte deshalb Feststellungen über die Größe, Lage und Ausstattung des vom Kläger bewohnten Eigenheims treffen müssen, aus denen hervor geht, dass es unter die Schutzvorschrift des § 12 Abs 3 Nr 4 SGB II fällt.

12

Handelt es sich um ein Hausgrundstück von angemessener Größe, so sind bei Hilfebedürftigkeit im Übrigen vom Beklagten nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind (vgl im Einzelnen BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10). Der angemessenen Nettokaltmiete sind die angemessenen Nebenkosten sowie die angemessenen Heizkosten hinzuzufügen. Bis zur Summe dieser angemessenen Kosten sind die tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen. Zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke zählen dabei alle notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (vgl Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 26). § 7 Abs 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch(Juris-Abkürzung: BSHG§76DV § 7) findet insoweit entsprechende Anwendung (vgl Urteile des Senats vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, und vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R -), als er Anhaltspunkte dafür liefert, welche Kosten im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen sind(vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Auf dieser Basis wurden als berücksichtigungsfähige Kosten 94,63 Euro in die Bedarfsberechnung einbezogen. Angesichts dieses Betrages konnte auf die genaue Ermittlung der im örtlichen Vergleichsraum abstrakt angemessenen Mietkosten und einen Vergleich mit den vom Kläger für die Nutzung seines Eigenheims geltend gemachten Kosten (vgl dazu Urteil vom 24.2.2011, aaO, RdNr 20) verzichtet werden.

13

a) Weitere Nebenkosten in Form von Stromkosten für die Außenbeleuchtung und die Gartenpflege sind dagegen im Rahmen der Unterkunftskosten nicht berücksichtigungsfähig. Zwar sind neben der Nettokaltmiete grundsätzlich auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 Bürgerliches Gesetzbuch - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt der angemessenen Unterkunftskosten mit einzubeziehen(vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R -). Eine Einbeziehung der hier geltend gemachten Stromkosten in den Bedarf für die Kosten der Unterkunft scheitert aber schon daran, dass bereits unter Geltung des § 20 Abs 1 SGB II aF die Regelleistung für einen Hilfeempfänger auch die Kosten für die Haushaltsenergie umfasst(vgl grundlegend BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18). Ebenso wie die Kosten für die Warmwasserbereitung Bestandteil der Regelleistung sind bzw waren, müssen auch die Kosten für Strom, sofern er nicht zur Erzeugung von Heizenergie benutzt wird, aus der maßgeblichen Regelleistung gedeckt werden, weshalb der Kläger keinen Anspruch auf Erhöhung der Leistungen zur Unterkunft um seine Aufwendungen für Haushaltsstrom hat (vgl BSG, aaO RdNr 27-28).

14

Demgegenüber greift der Einwand des Klägers nicht durch, er sei als Hauseigentümer im Vergleich zu einem SGB II-Leistungsempfänger, der eine Mietwohnung bewohnt, benachteiligt. Zwar trifft es zu, dass bei Mietwohnungen über die Betriebskostenabrechnung uU auch Nebenkosten für die Außenbeleuchtung (§ 2 Nr 11 Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003) oder Kosten der Gartenpflege (§ 2 Nr 10 BetrKV) anfallen können. Dabei handelt es sich aber um Kosten, die die Mietergemeinschaft betreffen und nicht individualisierbar sind. Die Außenbeleuchtung an einem Einfamilienhaus ist - im Gegensatz zu der Beleuchtung von Zugängen von Fluren in einem (Miets-)Haus - dem einzelnen Haushalt unmittelbar zuzuordnen. Ein Unterschied zwischen Mietern und Eigentümern ergibt sich nicht, denn wenn ein Mieter den Balkon seiner Mietwohnung mit einer Beleuchtung versähe, würde auch diese als zum Haushalt gehörig gelten, die entsprechenden Stromkosten wären vom Regelsatz umfasst. Gleiches gilt auch für die geltend gemachten Stromkosten für Gartenpflege. Ungeachtet der Frage, ob solche Stromkosten überhaupt unter § 2 Nr 10 BetrKV fallen würden, der die Pflege gärtnerisch angelegter Flächen einschließlich der Erneuerung von Pflanzen und die Pflege von Plätzen, Zugängen und Zufahrten betrifft, sind derartige Stromkosten aber nach den genannten Maßstäben als zum Haushalt gehörige individualisierbare Kosten und damit zum Regelsatz gehörig einzustufen. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass weder die Stromkosten für die Außenbeleuchtung noch für die Gartenpflege konkret beziffert worden sind, sondern in einem geschätzten Gesamtbetrag aufgehen, der seinerseits nicht nachvollziehbar belegt und festgestellt ist.

15

b) Anders verhält es sich dagegen bei den geltend gemachten Stromkosten für die Heizungspumpe. Die angemessenen Heizkosten sind neben der angemessenen Nettokaltmiete und den angemessenen Nebenkosten selbstständig zu ermitteln. Hier ist im Hinblick auf die Gleichbehandlung zwischen einem Eigentümer eines selbst genutzten Hausgrundstücks und einem hilfebedürftigen Mieter zu berücksichtigen, dass bei den Vorauszahlungen, die an den Vermieter für die Beheizung der Unterkunft zu leisten sind, Kosten des Betriebs einer zentralen Heizungsanlage enthalten sind. Dazu gehören gemäß § 2 Nr 4 Buchst a BetrKV auch die Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage. Die grundsätzliche Berücksichtigung dieser Kosten im Rahmen der Heizkosten für eine Eigentumswohnung oder ein selbst genutztes Einfamilienhaus ist auch deshalb geboten, weil der Betrieb der Heizungspumpe untrennbar mit dem Betrieb der Heizung als solcher verbunden ist, sodass die Übernahme entsprechender Kosten grundsätzlich in die Berechnung der angemessenen Heizkosten einzustellen ist (bezüglich der Berücksichtigung von Kosten der Öltank- sowie der Kessel- und Brennerreinigung vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R -; vgl auch Beschluss vom 26.5.2010 - B 4 AS 7/10 B - RdNr 8).

16

Allerdings sind immer nur tatsächliche und belegte Aufwendungen berücksichtigungsfähig, nicht dagegen allgemeine Pauschalen (vgl zur "Erhaltungsaufwandspauschale" BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17; zur Pauschale für Reparaturkosten, Pflege und Wartung eines Wohnmobils BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 79/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 39). Es finden sich vorliegend keinerlei Feststellungen des LSG darüber, in welcher Höhe die Stromkosten für den Betrieb der Heizungspumpe anzusetzen wären. Sollte für den Heizungsstrom kein separater Zähler bzw Zwischenzähler existieren, sodass die Stromkosten nicht konkret ausgewiesen werden können, käme auch eine Schätzung in Betracht (vgl BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr 27: Schätzung des Heizkostenanteils ggf unter Berücksichtigung der Nebenkostenabrechnungen der Vorjahre nach § 202 SGG iVm § 287 Abs 2 Zivilprozessordnung; Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 20.2.2008 - VIII ZR 27/07 - WuM 2008, 285). Allerdings sind vom LSG weitere Ermittlungen anzustellen, um einen Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteils, der auf die Heizung entfällt, zu finden (vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 zur Schätzung des Energieanteils, der für das Kochen in der Regelleistung enthalten sein soll, sog "Kochgaspauschale"). Bei der Berechnung wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bisher der zur Regelleistung gehörende Energieanteil für die Bereitung von Warmwasser in Höhe von 6,22 Euro noch nicht von den Heizkosten abgezogen wurde (grundlegend: Urteil des Senats vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5; anders nach neuer Rechtslage vgl § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II in der seit 1.1.2011 gültigen Fassung).

17

c) Ob zu den im Rahmen der Berechnung der Unterkunftskosten bei Haus- und Wohnungseigentum zu berücksichtigenden Kosten für eine Gebäudeversicherung (die hier in Höhe von 89,39 Euro belegt wurden) zusätzlich Kosten für eine Gebäudehaftpflichtversicherung zu übernehmen sind, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn man von einer grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit einer Gebäudehaftpflichtversicherung (zur Möglichkeit des Abzugs einer solchen Versicherung vom Einkommen vgl BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 59/0AS 59/06 R - RdNr 20) auch unter dem Aspekt ausgeht, dass Kosten für eine Haftpflichtversicherung für das Gebäude nach § 2 Nr 13 BetrKV in einem Mietverhältnis neben den Kosten für die Gebäudeversicherung umlagefähig sind, so fehlt es vorliegend aber an einem konkreten Kostenanfall für den streitigen Leistungszeitraum. Insofern hat das LSG bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass die Gebäudehaftpflichtversicherung kostenfrei in der privaten Haftpflichtversicherung des Klägers enthalten ist. Kosten für eine private Haftpflichtversicherung wiederum können nicht im Rahmen der Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden, sondern lediglich gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II von zu berücksichtigendem Einkommen abgesetzt werden.

18

Schließlich wird das LSG noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. August 2012 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. März 2012 sowie der Bescheid des Beklagten vom 12. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2011 aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts monatlich von August bis Dezember 2011 an die Klägerin zu 1) 132,31 Euro und den Kläger zu 2) 132,30 Euro und für Januar 2012 an die Klägerin zu 1) 141,41 Euro und den Kläger zu 2) 141,40 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen drei Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1.8.2011 bis 31.1.2012.

2

Die im Jahr 1970 geborene, erwerbsfähige Klägerin zu 1, ihre Kinder R (geboren am 5.2.2006) und L (geboren am 10.9.2008) sowie der mit ihnen in einer gemeinsamen Wohnung lebende, im Jahr 1966 geborene, erwerbsfähige Kläger zu 2, mit dem sie seit September 2011 verheiratet ist, bezogen seit Mitte des Jahres 2005 laufend Leistungen nach dem SGB II. Durch Beschluss des Amtsgerichts (AG) Düsseldorf vom 18.1.2007 (513 IK 4/07) wurde über das Vermögen der Klägerin zu 1 ein Insolvenzverfahren eröffnet und mit Beschluss vom 31.8.2007 die Restschuldbefreiung gemäß § 291 Insolvenzordnung (InsO) angekündigt. Am 18.11.2010 verstarb der Vater der Klägerin zu 1 und diese wurde Erbin (Erbschein AG Neuss - 132 VI 1/11). Die Klägerin zu 1 teilte der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) mit, dass sie die Erbschaft annehmen wolle, diese aber nach Aussage ihres Treuhänders zur Hälfte in die Insolvenzmasse falle. Für die Zeit vom 1.3. bis zum 31.7.2011 bewilligte der Beklagte den Klägern und den Kindern letztlich Leistungen von monatlich 1389 Euro, die zumindest im Juli 2011 im Voraus gezahlt wurden.

3

Am 15.7.2011 wurden die Konten des Vaters aufgelöst und die Klägerin zu 1 erhielt 15 286,35 Euro, von denen sie die Hälfte (7643,17 Euro) unmittelbar auf ein Konto des gerichtlich bestellten Treuhänders überwies. Im Rahmen ihres Weiterbewilligungsantrags gab die Klägerin zu 1 an, monatlich betrage die Grundmiete für die Wohnung 404 Euro, die Heizkostenvorauszahlung 110 Euro, die übrige Nebenkostenvorauszahlung 165 Euro, die Miete für eine Garage 39,25 Euro, das Einkommen des Klägers zu 2 110 Euro, das Kindergeld 368 Euro, die Beiträge für die Kfz-Haftpflichtversicherung 40 Euro, die Hausratversicherung 16,36 Euro, die Haftpflichtversicherung 7,20 Euro. Der Beklagte lehnte Leistungen nach dem SGB II für die Klägerin zu 1 und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen, den Kläger zu 2 und die Kinder, ab, weil die Klägerin zu 1 am 15.7.2011 ein Einkommen von 15 286,35 Euro erhalten habe, das auf sechs Monate aufzuteilen sei und zu einer monatlichen Anrechnung von 2547,73 Euro führe (Bescheid vom 12.8.2011, Widerspruchsbescheid vom 9.11.2011). Ab dem 1.2.2012 haben die Kläger wieder Leistungen nach dem SGB II erhalten, zuvor zahlten sie monatliche Beiträge für ihre Krankenversicherung von 150 Euro.

4

Das Sozialgericht (SG) hat die der anwaltlich vertretenen, nur von den Klägern, nicht aber den Kindern erhobene und auf die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II unter Anrechnung nur der Hälfte der Erbschaft als Einkommen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.3.2012). Das Landessozialgericht (LSG) hat ihre Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 6.8.2012) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II vom 1.8.2011 bis zum 31.1.2012 gehabt, weil sie nicht hilfebedürftig gewesen seien. Obwohl der Erbfall am 18.11.2010 eingetreten sei, seien die 15 286,35 Euro bei der Klägerin zu 1 und den mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen erst mit dem Zufluss am 15.7.2011 als bereite Mittel und damit als Einkommen zu berücksichtigen und auf die folgenden sechs Monate zu verteilen. Es sei der gesamte Betrag zu berücksichtigen und nicht nur die Hälfte, auch wenn die Klägerin zu 1 eine Hälfte an den Treuhänder im Rahmen ihres Insolvenzverfahrens überwiesen habe. Die Klägerin zu 1 habe den gesamten Betrag erlangt und dann erst die eine Hälfte an den Treuhänder überwiesen und damit private Schulden getilgt. Aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge folge, dass diese erst eingreife, wenn die hilfebedürftige Person die ihr zur Verfügung stehenden Mittel verbraucht habe. Aus insolvenzrechtlichen Regelungen folge nichts anderes, zumal die Klägerin zu 1 - insofern unschädlich - die Erbschaft auch habe ausschlagen können. Der Verteilzeitraum folge aus § 11 Abs 3 SGB II, der monatliche Bedarf der Kläger und der Kinder habe von August bis Dezember 2011 ausgehend von den jeweiligen Regelbedarfen zuzüglich der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung unter Einbeziehung der Garagenmiete und des Krankenversicherungsbeitrags maximal 1954,25 Euro und für Januar 2012 aufgrund der Erhöhung der Regelbedarfe 1992,25 Euro betragen. Dem stehe ein zu berücksichtigendes monatliches Einkommen der Bedarfsgemeinschaft von 2880,72 Euro gegenüber.

5

Mit ihren - vom LSG zugelassenen - Revisionen rügen die Kläger die Verletzung des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II. Die von der Klägerin zu 1 aufgrund ihrer Obliegenheit nach § 295 Abs 1 Nr 2 InsO an den Treuhänder überwiesene eine Hälfte des Erbteils stelle kein Einkommen dar, das als bereite Mittel der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung gestanden habe und deshalb die Hilfebedürftigkeit in der umstrittenen Zeit gänzlich entfallen lasse. Nach § 287 InsO habe die Klägerin eine Pflicht zur privaten Schuldentilgung, die das LSG nicht ausreichend berücksichtigt habe. Sowohl Treuhänder als auch Beklagter hätten auf die Verpflichtung zum - jeweiligen - Einsatz der Erbschaft hingewiesen.

6

Die Kläger beantragen
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. August 2012 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. März 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 1. August 2011 bis zum 31. Januar 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung nur der Hälfte des Erbes als Einkommen zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Auf die zulässigen Revisionen der Kläger sind die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 6.8.2012 und des SG Düsseldorf vom 26.3.2012 sowie der Bescheid des Beklagten vom 12.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.11.2011 aufzuheben und ist der Beklagte zu verurteilen, als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts monatlich von August bis Dezember 2011 an die Klägerin zu 1 132,31 Euro und den Kläger zu 2 132,30 Euro und für Januar 2012 an die Klägerin zu 1 141,41 Euro und den Kläger zu 2 141,40 Euro zu zahlen.

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind neben der Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen und der Bescheide des Beklagten die Begehren der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2, den Beklagten zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an sie vom 1.8.2011 bis zum 31.1.2012 zu verurteilen. Leistungen für die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder R und L sind von Anfang an nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens gewesen, wie bereits die Klage der damals schon anwaltlich vertretenen Kläger zeigt.

10

2. Rechtsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten und von dem Beklagten sowie von SG und LSG verneinten Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sind § 19 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II in der für die strittige Zeit geltenden Bekanntmachung der Neufassung vom 13.5.2011 (BGBl I 850), denn für Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

11

Die Grundvoraussetzungen bestimmtes Alter, Erwerbsfähigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland, um die genannten Leistungen zu erhalten, nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllten die Kläger, es lag auch kein Ausschlusstatbestand vor(vgl § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4, 5 SGB II), wie es sich aus den nicht umstrittenen Feststellungen des LSG ergibt. Entgegen der Beurteilung des LSG waren die Kläger in der strittigen Zeit auch hilfebedürftig und hatten die oben zugesprochenen Ansprüche gegen den Beklagten.

12

Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebende Partnerin oder lebenden Partner zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 SGB II außer Betracht(§ 9 Abs 1, 2 Satz 1 bis 3 SGB II).

13

Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2, die in der strittigen Zeit zunächst als Partner zusammenlebten und dann im September 2011 heirateten, bildeten zusammen mit den Kindern R und L eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 SGB II).

14

Die monatlichen Ansprüche der Klägerin zu 1 von 132,31 Euro und des Klägers zu 2 von 132,30 Euro für die Monate August bis Dezember 2011 folgen aus einem Bedarf der Klägerin zu 1 von 507,57 Euro und des Klägers zu 2 von 507,56 Euro (dazu 3.) und einem jeweils auf den Bedarf anzurechnenden Einkommen von (nur) 375,26 Euro (dazu 4.).

15

3. Der Bedarf belief sich in den Monaten August bis Dezember 2011 für die Klägerin zu 1 auf 507,57 Euro und für den Kläger zu 2 auf 507,56 Euro und setzt sich aus dem Regelbedarf von 328 Euro (§ 20 Abs 4 SGB II)und den Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung der Klägerin zu 1 von 179,57 Euro und des Klägers zu 2 von 179,56 Euro (§ 22 Abs 1 SGB II) zusammen.

16

Die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung ergeben sich aus den tatsächlichen, nach den von keinem Beteiligten gerügten Feststellungen des LSG angemessenen Aufwendungen für die Wohnung der Kläger von monatlich (Grundmiete 404 Euro + Heizkostenvorauszahlung 110 Euro + Nebenkostenvorauszahlung 165 Euro + Garagenmiete 39,25 Euro =) 718,25 Euro, aufgeteilt auf die vier Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind es für drei Personen 179,56 Euro und für eine 179,57 Euro. Die Miete für die Garage ist als Teil der Aufwendungen für die Unterkunft zu berücksichtigen, weil nach dem Mietvertrag der Kläger mit der Anmietung der Wohnung die Anmietung der Garage zwingend verbunden ist (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 28).

17

Die Voraussetzungen für weitere Bedarfe der Kläger, insbesondere nach § 21 SGB II, sind vom LSG nicht festgestellt und von keinem Beteiligten sind insofern Rügen erhoben worden. Die Beiträge für die Krankenversicherung sind nicht als Bedarf nach § 26 SGB II zu berücksichtigen.

18

4. Als Einkommen sind auf diesen Bedarf der Kläger in den Monaten August bis Dezember 2011 jeweils nur 375,26 Euro zu berücksichtigen; zu berücksichtigendes Vermögen (vgl § 12 SGB II)ist keins vorhanden.

19

Das zu berücksichtigende Einkommen errechnet sich ausgehend von dem Erbe der Klägerin zu 1 (dazu a) und dem Erwerbseinkommen des Klägers zu 2 (dazu b) - unter Berücksichtigung der vorzunehmenden Absetzbeträgen - sowie der Verteilung des Einkommens innerhalb der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs 2 SGB II(dazu c).

20

a) Von dem Erbe der Klägerin zu 1 sind, da nur von der verbliebenen Hälfte auszugehen ist, insgesamt nur 1053,86 Euro pro Monat als Einkommen zu berücksichtigen.

21

(1) Das LSG ist ebenso wie die Beteiligten zu Recht davon ausgegangen, dass das Erbe der Klägerin zu 1 aufgrund des Todes ihres Vaters am 18.11.2010 als Einkommen nach § 11 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen ist, weil sie seit Mitte des Jahres 2005 bis Ende Juli 2011 und damit auch zu diesem Zeitpunkt im Leistungsbezug nach dem SGB II stand(stRspr des Bundessozialgerichts vgl nur Urteil vom 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 47 RdNr 19 f mwN). Ebenfalls zutreffend ist die Beurteilung des LSG, dass dieses Erbe erst mit der Auskehrung des Auseinandersetzungsguthabens in Höhe von 15 286,35 Euro am 15.7.2011 als bereite Mittel zur Verfügung stand und damit erst ab diesem Zeitpunkt als Einkommen berücksichtigt werden kann (BSG aaO RdNr 22 f).

22

(2) Nicht gefolgt werden kann jedoch den Vorinstanzen und dem Beklagten, soweit das gesamte Erbe von 15 286,35 Euro als Einkommen berücksichtigt und auf die folgenden sechs Monate von August 2011 bis Januar 2012 verteilt wurde. Vielmehr ist entsprechend dem Begehren der Kläger nur die Hälfte des Erbes zu berücksichtigen.

23

Ob für eine volle Berücksichtigung des Erbes im Rahmen des SGB II als Einkommen - wie das LSG durchaus überzeugend ausgeführt hat - die Subsidiarität der staatlichen Fürsorge gegenüber der Obliegenheit des Schuldners zur Tilgung von privaten Schulden im Rahmen des Insolvenzrechts und zB aus dessen § 295 Abs 1 Nr 2 InsO spricht(so auch Urteil des Senats vom 16.10.2012 - B 14 AS 188/11 R), kann dahinstehen.

24

Entscheidend ist vielmehr, dass der Klägerin zu 1 als bereite Mittel zu Beginn des maßgeblichen Bewilligungsabschnitts am 1.8.2011 nur noch 7643,18 Euro zur Verfügung standen, weil sie nach den nicht bestrittenen Feststellungen des LSG unmittelbar, nachdem sie den Gesamtbetrag von 15 286,35 Euro erhalten hat, davon 7643,17 Euro an den Treuhänder aufgrund ihres Insolvenzverfahrens überwiesen hat. Die Berücksichtigung einer Einnahme als Einkommen setzt voraus, dass das zugeflossene Einkommen als "bereites Mittel" geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken. Dies gilt auch bei Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme über einen Verteilzeitraum hinweg. Zwar muss der Hilfebedürftige sein Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage für sich verwenden, wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen (BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25). Dementsprechend ist er bei Zufluss einer einmaligen Einnahme gehalten, das Geld nicht zur Schuldendeckung zu verwenden, sondern über den Verteilzeitraum hinweg zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen. Wenn die einmalige Einnahme, deren Berücksichtigung als Einkommen in Rede steht, tatsächlich aber nicht (mehr) uneingeschränkt zur Verfügung steht, ist ein Leistungsanspruch nicht ausgeschlossen. Die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund einer unwiderleglichen Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit bei bestimmtem wirtschaftlichen Verhalten - hier dem Verbrauch der einmaligen Einnahme in bestimmten monatlichen Teilbeträgen - (teilweise) abzuwenden gewesen wäre, ist mit Art 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 20 GG nicht vereinbar (vgl zuletzt nur BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 13 f für eine Steuerrückerstattung, die die Kläger zur Schuldentilgung verwandt hatten).

25

In dieser Entscheidung (BSG aaO RdNr 17) wird auch darauf hingewiesen, dass ein solches Verhalten einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II auslösen kann, wobei jedoch die Kenntnisse der leistungsberechtigten Person, das Verhalten des Beklagten usw, vorliegend wohl auch das des Treuhänders, der nach Angaben der Klägerin zu 1 "mit Vehemenz" die Hälfte der Erbschaft verlangte, zu beachten sind.

26

(3) Die Verteilung dieses, am 15.7.2011 und nach der Zahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für diesen Monat zugeflossenen Einkommens von 7643,18 Euro auf die folgenden sechs Monate nach § 11 Abs 2 SGB II, weil der Leistungsanspruch für zumindest einen Monat entfiele, führt zu einem Monatsbetrag von 1273,86 Euro.

27

(4) Abzusetzen von diesem zu berücksichtigenden monatlichen Einkommen der Klägerin zu 1 sind noch Beiträge für Versicherungen, die gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind (§ 11b Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II), insgesamt 220 Euro aufgrund der Versicherungspauschale von 30 Euro (§ 6 Abs 1 Nr 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung), der in ihr nicht enthaltenen Kfz-Haftpflichtversicherung von 40 Euro sowie der aufgrund des durch die Leistungsablehnung des Beklagten andernfalls fehlenden Krankenversicherungsschutzes notwendigen Krankenversicherungsbeitrag von 150 Euro.

28

b) Von dem Erwerbseinkommen des Klägers zu 2 von 110 Euro im Monat sind nach Abzug des Absetzbetrages nach § 11b Abs 2 Satz 1 SGB II von 100 Euro sowie eines weiteren Betrages nach § 11b Abs 3 Satz 1 SGB II von 2 Euro nur 8 Euro zu berücksichtigen.

29

c) Die Verteilung dieses dem Bedarf gegenüberzustellenden Einkommens von (1053,86 + 8 =) 1061,86 Euro auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs 2 SGB II führt zu dem bei den Klägern jeweils pro Monat zu berücksichtigenden Betrag von 375,26 Euro.

30

Der Bedarf in den Monaten August bis Dezember 2011 beträgt, wie festgestellt, für die Klägerin zu 1 auf 507,57 Euro und für den Kläger zu 2 auf 507,56 Euro. Der Bedarf der Kinder R und L errechnet sich ausgehend von einem Regelbedarf von 215 Euro (§ 23 Nr 1 SGB II) zuzüglich der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung von 179,56 Euro mit 394,56 Euro. Davon ist das für sie gezahlte Kindergeld abzuziehen, weil dieses als ihr Einkommen gilt (§ 11 Abs 1 Satz 4, 3 SGB II)und nur das Einkommen der Eltern bzw deren Partner beim Bedarf der Kinder nach § 9 Abs 2 Satz 2, 3 zu berücksichtigen ist und nicht umgekehrt, sodass sich ein verbleibender Bedarf von R und L von jeweils 210,56 Euro ergibt. Diese Bedarfe sind in Relation zum Gesamtbedarf von 1436,25 Euro zu setzen, und das innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zu verteilende Einkommen ist nach diesen Prozentsätzen den einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zuzuordnen (für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 ausgehend von 35,43 % jeweils 375, 26 Euro, für R und L ausgehend von 14,66 % jeweils 155,67 Euro.

31

5. Für Januar 2012 ergibt sich aufgrund der Erhöhung der Regelbedarfe zum 1.1.2012 durch die Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2012 vom 17.10.2011 (BGBl I 2090) und einer entsprechenden Berechnung für die Klägerin zu 1 ein Anspruch von 141,41 Euro und für den Kläger zu 2 von 141,40 Euro.

32

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt, dass die Kläger von Anfang an mit der Anrechnung der Hälfte des Erbes als Einkommen einverstanden waren.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Höhe der dem Kläger vom beklagten Jobcenter zu zahlenden Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit von November 2006 bis April 2007.

2

Der im Jahr 1950 geborene, erwerbsfähige Kläger ist promovierter Politikwissenschaftler und konnte im streitgegenständlichen Zeitraum seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften und Mitteln sichern. Er wohnt seit dem Jahr 1959 zunächst als Kind in der Familie, inzwischen allein in einer "2 2/2-Zimmerwohnung" mit einer Wohnfläche von knapp 75 qm, für die er eine Bruttowarmmiete von 515,87 Euro monatlich im strittigen Zeitraum zu zahlen hatte. Leistungen nach dem SGB II erhielt er ab dem 21.4.2005. Mit Schreiben vom 26.4.2006 teilte der Beklagte dem Kläger mit, die Kosten der Unterkunft seien nicht angemessen. Er sei längstens für sechs Monate bereit die tatsächlichen Kosten so lange zu übernehmen, wie es dem Kläger nicht möglich sei, durch einen Wohnungswechsel, Untervermietung oder Erwirkung einer Mietminderung die Kosten der Unterkunft zu senken. Der Kläger wies auf seine lange Wohndauer in der Wohnung hin. Er bewahre in ihr ein umfassendes Archiv insbesondere zu den Themen Sport, Ministerium für Staatssicherheit und Fußball auf, in denen er als wissenschaftlicher Experte international anerkannt sei. Bei einem Umzug in eine kleinere Wohnung müsse er sich von diesen Beständen trennen, womit ihm eine weitere wissenschaftliche Tätigkeit und eine geplante Buchveröffentlichung verwehrt seien, hierauf würden aber seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt beruhen. Für die Zeit von November 2006 bis April 2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe von 396 Euro monatlich und legte dabei den Grundwert für Einpersonenhaushalte von 360 Euro für die Bruttowarmmiete nach den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (ABl 3743), zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschrift vom 30.5.2006 (ABl 2062) zuzüglich eines Zuschlags von 10 % wegen längerer Wohndauer zugrunde (Bescheid vom 12.10.2006, Widerspruchsbescheid vom 23.2.2007).

3

Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger Leistungen unter Zugrundelegung der vollen Kosten der Unterkunft in Höhe von 515,87 Euro monatlich von November 2006 bis April 2007 zu bewilligen (Urteil vom 21.5.2007). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG geändert und den Beklagten verurteilt, dem Kläger Leistungen für Unterkunft und Heizung von November 2006 bis April 2007 in Höhe von 416,28 Euro monatlich zu gewähren und im Übrigen die Klage und die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 24.4.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 SGB II seien nicht anhand der AV-Wohnen zu bestimmen. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Angemessenheit" obliege vielmehr den Gerichten und es sei eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (Hinweis ua auf das Urteil des BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2). Nach den Wohnungsbauförderungsbestimmungen des Landes Berlin erscheine eine Wohnung von bis zu 50 qm für eine Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft als angemessen. Als Wohnungsstandard sei von einem einfachen und im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad der Wohnung auszugehen. Zur Bestimmung des nach der Produkttheorie angemessenen Quadratmeterpreises sei vom qualifizierten Mietspiegel des Landes Berlin vom 11.7.2007 (ABl 1797) auszugehen, da ein besseres Erkenntnismittel nicht zur Verfügung stehe und dessen Stichtag 1.10.2006 vor dem umstrittenen Bewilligungszeitraum liege. Bei Anwendung des Mietspiegels sei der günstigste Spannenhöchstbetrag innerhalb der verschiedenen Baujahresklassen für Wohnungen mit Bad und WC zugrunde zu legen. Ebenfalls mit einzubeziehen seien die kalten und warmen Betriebskosten. Hinsichtlich deren Ermittlung seien - mangels "besserer Zahlen" - die Werte des Anhangs I zum Mietspiegel heranzuziehen und der 4/5 Spannenoberwert zugrunde zu legen. Konkret seien nach dem Mietspiegel pro Quadratmeter ein Wert von 4,71 Euro (Baujahre 1965 bis 1972, einfache Wohnlage, 40 bis unter 60 qm) plus 2,59 Euro kalte Betriebskosten sowie 1,15 Euro Heizkosten (= 8,45 Euro x 50 qm =) und damit insgesamt 422,50 Euro anzusetzen. Davon seien noch 6,22 Euro für die Warmwasserbereitung abzuziehen (Hinweis auf BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5), sodass 416,28 Euro monatlich für Leistungen der Unterkunft und Heizung zu zahlen seien. Eine solche Wohnung sei auch im bisherigen Umfeld des Klägers Berlin-Schöneberg anmietbar. Das Alter des Klägers und seine lange Wohndauer seien - auch in Kombination - keine Kriterien, aus denen eine Unzumutbarkeit hergeleitet werden könne, für die gebotene Senkung der Kosten der Unterkunft zu sorgen, ggf auch durch einen Umzug. Der Kläger könne sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, in der Wohnung sein Archiv unterbringen zu müssen. Die Unterlagen könnten außerhalb der Wohnung, zB in einem Keller oder bei einer öffentlichen oder privaten Stelle, aufbewahrt werden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Umzugskosten außer Verhältnis zu den ersparten Kosten der Unterkunft stehen könnten.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 22 SGB II. Die Entscheidung des LSG werde der vom Bundessozialgericht (BSG) geforderten Einzelfallentscheidung nicht gerecht. Seine enge Verbundenheit mit seiner Wohnung und dem sozialen Umfeld werde nicht ausreichend gewürdigt. Aufgrund der Wohndauer von fast 50 Jahren sei er nicht weniger schutzwürdig, als ein Eigentümer in einer selbst genutzten Wohneinheit. Es liege ein Verstoß gegen Art 1 Abs 1, Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1, Art 5 Abs 3 Grundgesetz (GG) vor.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Mai 2007 zurückzuweisen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er bezieht sich auf die AV-Wohnen. Im Übrigen lasse die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Angemessenheit" durch das LSG keinen Fehler erkennen, auch wenn die Argumente des LSG nicht in jedem Punkt überzeugten.

Entscheidungsgründe

8

Auf die Revision des Klägers ist das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Die zulässige Revision des Klägers ist begründet, weil das LSG die abstrakt angemessenen Leistungen für Unterkunft des Klägers und dessen angemessene Leistungen für Heizung nicht zutreffend ermittelt hat. Mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen kann der Senat nicht beurteilen, ob die Entscheidung des LSG aus anderen Gründen richtig ist, oder in der Sache selbst entscheiden (§ 170 Abs 1, 2 Sozialgerichtsgesetz).

9

Streitgegenstand des Verfahrens sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von November 2006 bis April 2007 und der diese Ansprüche regelnde Bescheid des beklagten Jobcenters vom 12.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.2.2007. An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert.

10

Der Kläger lebt nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) allein in seiner Wohnung und gehört dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, das insofern von November 2006 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde).

11

Rechtsgrundlage für die vorliegend der Höhe nach umstrittenen Leistungen für Unterkunft und Heizung sind §§ 19, 22 SGB II. Danach werden im Rahmen des Arbeitslosengeldes II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, das insofern von November 2006 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (stRspr vgl nur BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 12 mwN).

12

Zwischen der Leistung für die Unterkunft (dazu 1.) und der Leistung für die Heizung (dazu 2.) ist zu unterscheiden, wie schon dem Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals "Leistungen" sowie der Rechtsprechung des Senats (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; zuletzt: BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 18) zu entnehmen ist. Welche Aufwendungen für die Unterkunft und welche für die Heizung vorliegend tatsächlich angefallen sind, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Das LSG hat nur eine Bruttowarmmiete von 515,87 Euro monatlich festgestellt, die das SG dem Kläger auch zugesprochen hat, die dann als angemessen von dem Beklagten zu zahlen sein könnte, wenn dieser Betrag unter der Summe der angemessenen Leistungen für die Unterkunft und für die Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II liegen würde. Das LSG hat jedoch nur einen Betrag von insgesamt 416,28 Euro monatlich als angemessen angesehen und die weitergehende Klage abgewiesen.

13

1. Zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft, auf die der dem Grunde nach Hilfebedürftige Anspruch hat, ist in mehreren Schritten vorzugehen: Zunächst ist die angemessene Leistung für die Unterkunft unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren abstrakt zu ermitteln (dazu a). Anschließend ist - falls insofern Einwände vorgebracht werden - zu prüfen, ob in dem örtlichen Vergleichsraum eine Wohnung zu dieser abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft auch tatsächlich angemietet werden kann (dazu b). Soweit die Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft, also die von ihm zu zahlende Nettokaltmiete plus kalte Betriebskosten, die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft des Hilfebedürftigen (entsprechend a) übersteigen, sind erstere nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel längstens für sechs Monate(dazu c) (vgl zu diesen Voraussetzungen ua BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19 ff; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 12 ff; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27: Mietspiegel als schlüssiges Konzept; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 20 ff).

14

a) Der vom LSG ermittelte Betrag für die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft des Klägers hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, sodass er einer Entscheidung des Senats nicht zugrunde gelegt werden kann.

15

Die angemessene Leistung für die Unterkunft ist entsprechend der soeben aufgeführten Rechtsprechung unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln: (1) Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. (2) Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen. (3) Im nächsten Schritt ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums zu zahlen ist, um die nach der Produkttheorie angemessene Nettokaltmiete zu ermitteln. (4) Zu der Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen.

16

(1) Das LSG hat die für den Kläger als Alleinlebenden angemessene Wohnungsgröße mit maximal 50 qm in Berlin zutreffend bestimmt.

17

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376: "Wohnungsförderungsgesetz" im Folgenden: WoFG) wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen" des jeweiligen Landes.

18

Das Land Berlin hat zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 27 WoFG liegen nur unveröffentlichte Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen. Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (ABl 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm überlassen werden. Auf diese Regelungen ist für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II zurückzugreifen(vgl BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14; zuletzt BSG vom 19.10.2010, aaO, speziell zu Berlin).

19

(2) Zutreffend hat das LSG, wenn auch nicht unter Verwendung dieses Begriffs, die Stadt Berlin als maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum zugrunde gelegt (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 24).

20

(3) Soweit das LSG einen Betrag von 4,71 Euro als angemessene Nettokaltmiete pro Quadratmeter zugrunde gelegt hat, kann dessen Ermittlung aufgrund der Feststellungen des LSG nicht nachvollzogen werden.

21

(aa) Als Wohnungsstandard hat das LSG zu Recht einen einfachen, im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad der Wohnung angenommen (vgl BSG vom 19.10.2010, aaO, RdNr 25).

22

(bb) Zur Bemessung der angemessenen Leistung für die Unterkunft kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht von den AV-Wohnen ausgegangen werden, weil ihnen kein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG zugrunde liegt (vgl nur BSG vom 19.10.2010, aaO, RdNr 26 mwN).

23

(cc) In Ermangelung eines von dem Beklagten vorgelegten schlüssigen Konzepts hat das LSG zutreffend zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete auf den Berliner Mietspiegel vom 11.7.2007 (ABl 1797) zurückgegriffen. Qualifizierte Mietspiegel iS des § 558d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wie der Berliner Mietspiegel können Grundlage zur Bestimmung der abstrakt angemessenen Miete sein(vgl bereits BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 25; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27; zuletzt: BSG vom 19.10.2010, aaO, RdNr 27 mwN für Berlin).

24

Sollen aus einem qualifizierten Mietspiegel grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf bestimmte "Baujahresklassen" - so das LSG - bzw "Baualtersklassen" (im Mietrecht werden die Begriffe synonym verwandt) - so der Senat im Urteil vom 19.10.2010 zum Berliner Mietspiegel - ohne weitere Begründung grundsätzlich nicht zulässig (vgl bereits BSG vom 19.2.2009, aaO, RdNr 25; zuletzt: BSG vom 19.10.2010, aaO, RdNr 28 auch zum Folgenden). Denn aus einem Mietspiegel allein lässt sich nicht ohne Weiteres ersehen, inwieweit Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, der den Rückschluss zulässt, im Vergleichsraum sei eine angemessene Wohnung tatsächlich anmietbar. Dies ist nur möglich, wenn aufgrund statistisch valider Unterlagen eine Aussage darüber möglich ist, dass die in Bezug genommene Baualtersklasse in gewissem Umfang tatsächlich im Vergleichsraum vorhanden ist. Dies muss bei einem derart ausdifferenzierten Mietspiegel wie dem Berliner nicht der Fall sein.

25

Dem hat das LSG vorliegend nicht Rechnung getragen, als es zur Bestimmung der angemessenen Kaltmiete pro Quadratmeter von der Baualtersklasse mit dem niedrigsten Spannenoberwert für eine Wohnfläche von 40 qm bis unter 60 qm ausging und deren Spannenoberwert von 4,71 Euro zugrunde legte. Gründe, warum es, abgesehen von der Überlegung die Baualtersklasse mit dem niedrigsten Spannenoberwert zu nehmen, gerade von dieser Baualtersklasse ausgegangen ist, hat das LSG nicht angeführt.

26

Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG zunächst zu prüfen haben, ob die von ihm zugrunde gelegte Baualtersklasse von 1965 bis 1972 mit einem einfachen Ausstattungsstandard und einer Wohnfläche von 40 qm bis unter 60 qm statistisch nachvollziehbar über den örtlichen Vergleichsraum hinweg so häufig vorhanden ist, dass allein auf diese Baualtersklasse zurückgegriffen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Durchschnittswert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen dieser Größe und dieses Ausstattungsstandards in den jeweiligen Baualtersklassen zu bilden (vgl dazu BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 32 mit weiterer Begründung).

27

Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

28

(4) Neben der Nettokaltmiete sind auch die angemessenen (kalten) Betriebskosten iS des § 556 BGB abstrakt zu bestimmen und als Faktor in die Berechnung der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft mit einzubeziehen. Dazu kann auf Betriebskostenübersichten zurückgegriffen werden, möglichst allerdings auf örtliche wegen der regionalen Unterschiede insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen (vgl nur BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 33 f). Dem wird das Urteil des LSG nicht gerecht, weil es ohne weitergehende Begründung die Werte des Anhangs I zum Berliner Mietspiegel 2007 herangezogen und den oberen Wert einer 4/5-Spanne zur Berechnung der Kaltbetriebskosten zugrunde gelegt hat, was zu einem Betrag von 2,59 Euro pro Monat und Quadratmeter führt (siehe die Tabelle auf Seite 18 des Berliner Mietspiegels 2007).

29

b) Zur Prüfung, ob in dem örtlichen Vergleichsraum eine Wohnung zu dieser abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft auch tatsächlich angemietet werden kann, ist darauf hinzuweisen, dass beim Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels mit entsprechend wissenschaftlich gesicherten Feststellungen zum Wohnungsbestand davon ausgegangen werden kann, dass es eine Wohnung zu dem nach dem Mietspiegel angemessenen Quadratmeterpreis gibt. Diese Tatsachenvermutung kann aber erschüttert werden (vgl Parallelentscheidung vom heutigen 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R).

30

c) Gründe, warum der Kläger über den abgelaufenen Sechs-Monats-Zeitraum des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II hinaus einen höheren Anspruch auf Leistung für die Unterkunft als die nach den obigen Ausführungen abstrakt angemessenen Beträge haben sollte(oben a), wenn eine solche Wohnung auch hätte angemietet werden können (oben b), sind nicht zu erkennen.

31

Soweit die Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft (Nettokaltmiete plus Betriebskosten) die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft übersteigen, sind die Aufwendungen nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

32

Der Ablauf der Sechs-Monats-Frist ergibt sich aus dem Leistungsbezug des Klägers seit 21.4.2005 und dem vorliegenden strittigen Zeitraum ab November 2006. Durch das Schreiben des Beklagten vom 26.4.2006 wurde der Kläger auch darauf hingewiesen, dass seine Kosten der Unterkunft nicht angemessen seien.

33

Gründe, warum dem Kläger eine Kostensenkung durch Umzug, Untervermietung oder auf andere Weise nicht möglich oder nicht zumutbar ist, hat das LSG nicht festgestellt. Es hat vielmehr ausgeführt, das Alter des Klägers und seine lange Wohndauer seien - auch in Kombination - keine Gründe, die gegen einen Umzug sprechen würden. Hinsichtlich des vom Kläger angeführten Gesichtspunkts "soziales Umfeld" ist zu bedenken, dass jeder Umzug in gewissem Maße mit einer Veränderung des sozialen Umfelds einhergeht und dies eine normale Folge ist, die sich aus der gesetzlichen Regelung ergibt (vgl schon BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 32 ff; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 33 ff).

34

Einem Umzug entgegenstehende Gründe, wie eine Behinderung oder die Ausübung des Umgangsrechts mit einem Kind (vgl § 22b Abs 3 Satz 2 SGB II idF des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes, BGBl I 2011, 453; ähnlich schon BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 33 ff; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 33), hat das LSG beim Kläger nicht festgestellt, der Kläger hat insofern keine Aufklärungsrügen erhoben.

35

Das Gleiche gilt für die wissenschaftlichen Forschungen des Klägers und sein Archiv sowie dem in der Revisionsbegründung angeführten Art 5 Abs 3 GG. Das BSG hat bereits entschieden, dass § 22 SGB II keine Rechtsgrundlage zur Übernahme von Kosten für beruflich genutzte Räume ist(BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R - SozR 4-4200 § 16 Nr 1 RdNr 15). Zudem ist nicht zu erkennen, wieso die Wissenschaftsfreiheit des Klägers durch die Höhe der Leistungen für seine Unterkunft beeinträchtigt werden soll, zumal er insofern nichts Konkretes vorgetragen hat und als erwachsener Hilfebedürftiger dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen muss (vgl nur § 9 Abs 1 Nr 1, § 10 SGB II). Ebenso fehlt es an Feststellungen des LSG zum Fehlen anderweitiger Unterbringungsmöglichkeiten für das Archiv und seitens des Klägers wurden insofern keine Rügen erhoben. Auch aus den weiteren vom Kläger in der Revisionsbegründung angeführten Art 1 Abs 1, Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1 GG kann nichts hergeleitet werden, zumal es an näheren Ausführungen seitens des Klägers mangelt und es ein gewichtiger Unterschied ist, ob jemand zur Miete wohnt oder in einer in seinem Eigentum stehenden Wohnung.

36

2. Auch der vom LSG ermittelte Betrag für die Leistung für die Heizung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

37

Als Leistung für die Heizung hat das LSG einen Betrag von (1,15 Euro/qm x 50 qm =) 57,50 Euro pro Monat als angemessen angesehen. Den Ausgangswert von 1,15 Euro pro Quadratmeter hat es dem Anhang I des Berliner Mietspiegels entnommen. Zu den vom Kläger an den Vermieter bzw Versorger tatsächlich gezahlten Leistungen bzw Vorauszahlungen hat das LSG keine Feststellung getroffen.

38

Dem kann nicht gefolgt werden. Die Prüfung der Angemessenheit der Leistung für die Heizung hat nicht nur getrennt von der Leistung für die Unterkunft zu erfolgen, sondern nach eigenen Regeln. Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung ist - mangels für den Einzelfall aussagekräftiger anderer Werte - solange zu bejahen, wie diese Aufwendungen unter dem Grenzbetrag eines bundesweiten oder kommunalen Heizspiegels liegen (vgl BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 25; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 23 ff). Daher müssen zunächst die Aufwendungen des Klägers für die Heizung ermittelt werden und diese dann anhand eines kommunal oder bundesweiten Heizspiegels überprüft werden.

39

Erfolgt die Warmwasserbereitung über die Heizung ist der Anteil, der für die Warmwasserbereitung im Rahmen der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist, von den Aufwendungen für die Heizung abzuziehen (vgl nur BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5). Wird aber ein Heizspiegel oder wie vorliegend der Anhang I zum Mietspiegel zugrunde gelegt, der zwischen Leistungen für die Heizung mit und ohne Warmwasserbereitung differenziert, so kann nicht der Durchschnittsbetrag der Leistung für Heizung ohne Warmwasser berücksichtigt werden (hier 1,15 Euro pro Quadratmeter) und anschließend noch die Pauschale für die Warmwasserbereitung abgezogen werden.

40

Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerinnen wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. März 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen begehren von dem Beklagten die Gewährung höherer Kosten für Unterkunft (KdU) und Heizung für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 31.3.2008.

2

Die 1965 geborene, alleinerziehende Klägerin zu 1 und ihre am 2005 geborene Tochter, die Klägerin zu 2, beziehen von dem beklagten Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende seit dem 1.1.2005 (die Klägerin zu 2 seit ihrer Geburt) durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bewohnen eine 91 qm große Zweizimmerwohnung in Berlin-Friedrichshain. Für diese Wohnung zahlte die Klägerin zu 1 im streitigen Zeitraum eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 620 Euro.

3

Der Beklagte gewährte den Klägerinnen bis einschließlich März 2007 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 620 Euro. Mit Schreiben vom 8.6.2006 und ergänzend mit Bescheid vom 30.6.2006 teilte er den Klägerinnen mit, die KdU seien nicht angemessen. Für Zweipersonenhaushalte gelte insoweit ein Richtwert für die Bruttowarmmiete von 444 Euro. Mit Schreiben vom 21.6.2006 und vom 2.3.2007 legte die Klägerin zu 1 dar, sie sei seit März 2006 wieder arbeitsuchend und wolle im März 2007 wieder voll in den Beruf einsteigen. In ihrer Wohnumgebung habe sie ein Netzwerk an Bezugs- und Betreuungspersonen für ihre Tochter aufgebaut, das ihr ermögliche, ihre bisherige berufliche Tätigkeit wieder aufzunehmen. Von einer Absenkung der Mietkosten müsse daher abgesehen werden, da eine Kombination zweier atypischer Fälle vorliege.

4

Für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 30.9.2007 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 7.3.2007 monatliche Leistungen in Höhe von 855 Euro und legte dabei KdU in Höhe von 444 Euro zugrunde. Widerspruch und Klage gerichtet auf die Übernahme der KdU in Höhe von 620 Euro blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12.7.2007; Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3.4.2008).

5

Für die Zeit vom 1.10.2007 bis zum 31.3.2008 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 12.9.2007 monatliche Leistungen in Höhe von 859 Euro und legte dabei weiterhin Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 444 Euro zugrunde. Widerspruch und Klage hiergegen blieben ebenfalls ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 29.11.2007; Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 23.4.2008).

6

Das gegen beide Entscheidungen angerufene Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat die Berufungen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 31.3.2009 zurückgewiesen. Für die Klägerin zu 1, die im streitigen Zeitraum Berechtigte im Sinne des § 7 Abs 1 SGB II(in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004, BGBl I 2014) gewesen sei und ihre Tochter, die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebe und deshalb nach § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II Leistungsberechtigte sei, ergäben sich Ansprüche auf weitergehende KdU als von dem Beklagten bewilligt nach Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten nach der sog Produkttheorie nicht.

7

Hinsichtlich der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße sei die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zugrunde zu legen. Nach Maßgabe der in Berlin geltenden Regelungen sei eine Wohnungsgröße von bis zu 60 qm für die Klägerinnen angemessen. Für die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließe, die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Hierfür seien die sich aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) ergebenden durchschnittlichen Mittelwerte für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten zugrunde zu legen. Für eine Wohnfläche von sechzig und mehr Quadratmetern in einfacher Lage ergebe sich eine Nettokaltmiete von gerundet 4,55 Euro pro qm (Summe aus sämtlichen Mittelwerten geteilt durch 11), und also eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von insgesamt 273 Euro. Zu der Nettokaltmiete seien die angemessenen kalten Betriebskosten, die regelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten seien, unter Zugrundelegung der vom Deutschen Mieterbund (DMB) mit dem "Betriebskostenspiegel 2007" veröffentlichten Angaben (www.mieterbund.de) zu bestimmen, die sich auf 1,75 Euro pro qm (einschließlich Steuern und Abgaben) monatlich beliefen. Zuzüglich einer angemessenen Bruttokaltmiete von insgesamt 378 Euro seien Heizkosten in Höhe von 0,85 Euro pro qm (ebenfalls unter Rückgriff auf den Betriebskostenspiegel 2007) als angemessen anzusehen, sodass sich bei einer Wohnungsgröße von 60 qm eine angemessene monatliche Bruttowarmmiete in Höhe von insgesamt 429 Euro (378 Euro + 51 Euro) ergebe.

8

Es sei davon auszugehen, dass eine konkrete Unterkunftsalternative zu dem von dem Beklagten zugrunde gelegten Mietzins tatsächlich anmietbar sei. Die von den Klägerinnen vorgetragenen Gründe seien nicht geeignet, im Einzelfall einen höheren Mietzins als angemessen anzusehen. Die Betreuungssituation der Klägerin zu 2 könne auch bei Umzug in eine preisgünstigere Wohnung im Grundsatz aufrechterhalten werden. Solche Wohnungen seien nach den Recherchen des Senats im Internet im selben Bezirk wenige Straßen weiter und auch im nahegelegenen Berlin-Neukölln verfügbar. Die vorgetragene mindestens halbstündige Betreuung durch weitere Hausbewohner verbessere die Betreuungssituation nicht so maßgeblich, dass hierauf Rücksicht genommen werden müsse. Es sei auch nicht dargetan, weshalb die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Klägerin zu 1 nur in der jetzt bewohnten Wohnung stattfinden könne. Versuche der Klägerinnen, eine preisgünstigere Wohnung anzumieten (etwa über eine Wohnungsbaugenossenschaft), seien schließlich nicht erkennbar geworden; es sei aber nicht Aufgabe des Beklagten oder des LSG, den Klägerinnen entsprechende Wohnmöglichkeiten nachzuweisen.

9

Hiergegen richten sich die Klägerinnen mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie rügen eine Verletzung des § 22 Abs 1 SGB II. Das LSG habe den räumlichen Vergleichsraum unzutreffend bestimmt. Maßgeblich sei der bewohnte Bezirk (hier Friedrichshain-Kreuzberg), denn die Bezirke unterschieden sich in ihren Lebensverhältnissen und dabei insbesondere im Mietniveau erheblich. Der Mietspiegel sei damit kein geeigneter Ausgangspunkt für die Bestimmung der Referenzmiete, denn es werde nicht ersichtlich, welche Miethöhe für einfache Wohnungen im Bezirk anzusetzen seien. Für den maßgeblichen Vergleichsraum Friedrichshain-Kreuzberg ergebe sich für einfache Wohnlagen eine durchschnittliche Nettokaltmiete in Höhe von 5,90 Euro bzw 6,20 Euro pro Quadratmeter, wie sich aus Quellen eines weltweit tätigen Finanz-, Dienstleistungs- und Beratungsunternehmens im Immobilienbereich ergebe. Zuzüglich der vom LSG zugrunde gelegten kalten und warmen Betriebskosten ergebe sich ein Bruttowarm-Quadratmeterpreis von 8,50 Euro bzw 8,80 Euro und damit eine angemessene Vergleichsmiete von 510 Euro monatlich für das Jahr 2007 und 528 Euro monatlich für das Jahr 2008.

10

Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. März 2009, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. April 2008 und den Bescheid des Beklagten vom 7. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2007 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2008 und den Bescheid des Beklagten vom 12. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägerinnen für den Zeitraum 1. April 2007 bis 31. Dezember 2007 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 510 Euro monatlich sowie für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. März 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 528 Euro monatlich zu bewilligen.

11

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Er ist der Revision entgegengetreten und hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Klägerinnen ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob sie höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen können, als sie der Beklagte bewilligt hat.

14

1. Streitgegenstand sind allein Ansprüche der Klägerinnen auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von April 2007 bis März 2008. Die Klägerinnen haben den Streitstoff in der Sache schon mit Klageerhebung auf die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18). Nach zulässiger Verbindung der beiden Verfahren durch das Berufungsgericht (vgl § 113 Abs 1 SGG)ist vorliegend der Zeitraum vom 1.4.2007 bis zum 31.3.2008 zu überprüfen. Dabei sind Gegenstand des Verfahrens der Bescheid des Beklagten vom 7.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2007 sowie der Bescheid vom 12.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2007.

15

2. Die Klägerin zu 1 gehört nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil sie das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Sie lebt mit ihrer minderjährigen, nicht erwerbsfähigen Tochter, der Klägerin zu 2, in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 SGB II), sodass der Klägerin zu 2 Ansprüche auf Sozialgeld (§ 7 Abs 2 iVm § 28 SGB II) zustehen. Neben der Regelleistung (ggf unter Einschluss eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung) haben die Klägerinnen damit Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung.

16

3. KdU werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Welche Aufwendungen für die Unterkunft vorliegend tatsächlich angefallen sind, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht abschließend entnehmen, denn das LSG hat die Gesamtaufwendungen für Unterkunft nicht von denen der Heizung getrennt ausgewiesen. Das LSG wird dies nach Zurückverweisung des Rechtsstreits im Einzelnen nachzuholen und die Prüfung der Unterkunftskosten getrennt von den Kosten der Heizung durchzuführen haben (vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23).

17

4. Die Angemessenheit von KdU ist unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder die Beklagte noch das LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.

18

a) Zutreffend hat das LSG eine Wohnungsgröße von 60 qm als angemessen für einen Zweipersonenhaushalt zugrunde gelegt. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) vom 13.9.2001 (BGBI I 2376) iVm § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (nF) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG(als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm und an Zwei-Personen-Haushalte Wohnraum von bis zu 60 qm überlassen werden (vgl bereits BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 22 mwN).

19

b) Zutreffend hat das LSG ferner bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen (vgl BSG aaO RdNr 24). Auch ein Arbeitnehmer mit vergleichbar geringem Einkommen wird eine Ersatzwohnung innerhalb des gesamten Stadtgebiets für den Fall suchen, dass er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln eine innegehabte Wohnung nicht (mehr) finanzieren kann. Den besonderen Belangen und der konkreten Situation des jeweiligen Hilfebedürftigen (zB von Alleinerziehenden oder von Familien mit minderjährigen schulpflichtigen Kindern) ist nicht bereits bei der (abstrakt-generell vorzunehmenden) Festlegung der Vergleichsräume, sondern erst im Rahmen der Zumutbarkeitsregelung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II Rechnung zu tragen( vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 23, dazu unter 6.).

20

c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zugrunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln ( vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - FEVS 60, 145 ).

21

aa) Wie der Senat bereits dargelegt hat und wovon auch das LSG ausgegangen ist, sind die Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen), zur Entscheidung über die Angemessenheit von Unterkunftskosten ungeeignet (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 26).

22

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) bestimmt. Qualifizierte Mietspiegel iS des § 558d Bürgerlichen Gesetzbuches ( wie der Berliner Mietspiegel) können Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs 1 SGB II sein(vgl im Einzelnen für den Berliner Mietspiegel BSG aaO RdNr 27 mwN). Wenn der Träger der Grundsicherung - wie in Berlin - keine Daten und/oder Auswertungen vorlegt, muss das Gericht auf solche bereits vorhandene Datengrundlagen (soweit sie geeignet erscheinen) bei der Bestimmung eines angemessenen Referenzwertes zurückgreifen, bevor es seine Amtsermittlungspflicht auf die Feststellung der "Obergrenze" nach den Tabellenwerten des § 8 Wohngeldgesetz aF (jetzt § 12; ggf erhöht um einen Zuschlag) reduziert (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 23).

23

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Baualtersklassen grundsätzlich nicht zulässig (vgl bereits BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Dies gilt - wie der Senat ebenfalls bereits dargelegt hat (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 29) - allerdings nicht für die im Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 noch gesondert abgebildeten Baualtersklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad), unabhängig davon, mit welcher Häufigkeit solche Wohnungen noch verfügbar sind. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden.

24

cc) Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Baualtersklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokaltvergleichsmiete, wie ihn das LSG vorgenommen hat, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht.

25

Zum einen ist nicht nachvollziehbar, weshalb das LSG den aus seiner Sicht relevanten Mittelwert aus den Werten der Wohnungen mit einer Wohnungsgröße 60 qm und größer gebildet hat, wenn es selbst (zutreffend) davon ausgeht, dass 60 qm die Obergrenze für das in Bezug zu nehmende Segment darstellen. Eine Differenzierung nach Wohnungsgrößen ist bei Rückgriff auf einen qualifizierten Mietspiegel deshalb geboten, weil nach den Besonderheiten des jeweils maßgebenden örtlichen Wohnungsmarktes, insbesondere aus Gründen der Bevölkerungs- und Sozialstruktur und wegen städtebaulicher Entwicklungen sowohl das Angebot als auch die Nachfrage hinsichtlich kleinerer und größerer Wohnungen erheblich differieren können. Insbesondere kleinere Wohnungen weisen oftmals einen höheren Quadratmeterpreis auf (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 18). Es sind dann aber Rückschlüsse aus den Werten des Mietspiegels zu ziehen, die die Wohnungsgrößen abbilden, in denen ggf eine Ersatzwohnung in erster Linie zu suchen ist. Das ist im vorliegenden Falle das Marktsegment der Wohnungen von 40 bis unter 60 qm. Die Wohnungen, die exakt 60 qm groß sind, werden davon statistisch zwar nicht erfasst. Diese Ungenauigkeit ist aber hinzunehmen, wenn diese Wohnungen für eine abstrakt angemessene Vergleichswohnung die Obergrenze bilden und sämtliche übrigen Wohnungen bis unter 90 qm wegen ihrer Größe nicht das maßgebliche Marktsegment darstellen.

26

Die Bildung eines arithmetischen Mittelwertes bietet zum anderen bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment abbildet (im Einzelnen bereits BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 30). Weil die Werte der einzelnen Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird.

27

Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen (zur grundsätzlichen Eignung der Grundlagendaten für diese Prüfung bereits BSG aaO RdNr 31). Für solche notwendig erscheinenden Auswertungen ist in erster Linie der kommunale Träger im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin mit der AV-Wohnen der Fall ist.

28

Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Baualtersklassen zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.

29

d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 Abs 1 und 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufstellung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen( vom 25.11.2003, BGBl I 2346 ) - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte (vgl im Einzelnen BSG aaO RdNr 33 f). Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe sind bislang nicht ersichtlich.

30

5. Das LSG wird abschließend die Heizkosten getrennt von den Unterkunftskosten zu bestimmen haben (dazu nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23). Anhaltspunkte dafür, dass die tatsächlich gezahlten Kosten sich danach als unangemessen erweisen, ergeben sich bislang nicht.

31

6. Sollten sich die Aufwendungen der Klägerinnen für Unterkunft und Heizung als unangemessen erweisen, könnten ihnen höhere Leistungen allenfalls nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zustehen. Soweit danach die Aufwendungen für die Unterkunft den die Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder in sonstiger Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Bislang ist allerdings nicht erkennbar, dass das LSG diese Prüfung auf Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung rechtsfehlerhaft vorgenommen hat. Alleinerziehung (insbesondere von schulpflichtigen Kindern) kann zwar zu einer eingeschränkten Zumutbarkeit eines Wohnungswechsels führen (vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 35), wovon auch das LSG ausgegangen ist. Die tatrichterliche Würdigung, dass ein Wechsel der unmittelbaren Betreuungspersonen (insbesondere der Tagesmutter) bei einem Umzug in eine günstigere (und dabei in erster Linie kleinere) Wohnung in der Umgebung nicht notwendig gewesen wäre, ist von den Klägerinnen im Revisionsverfahren nicht mehr angegriffen worden. Sie haben bislang nichts vorgetragen, was gegen die Annahme des LSG sprechen könnte, dass ein Umzug in entferntere Ortsteile nicht erforderlich ist, um eine kostenangemessene Wohnung anzumieten. Ein Umzug über nahegelegene Bezirksgrenzen hinweg ist für sich genommen jedenfalls kein Grund für dessen Unzumutbarkeit; auch das nähere soziale Umfeld geht damit nicht notwendigerweise verloren.

32

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2009 bis 30.6.2010.

2

Der im Jahr 1947 geborene, zunächst selbständige Kläger mietete zum 1.12.2008 eine Wohnung mit einer Größe von 75 qm in A./Landkreis R. an. Hierfür entrichtete er monatlich eine Grundmiete in Höhe von 380 Euro zzgl einer Vorauszahlung auf Betriebskosten in Höhe von 80 Euro.

3

Nach einem Herzinfarkt meldete er sein Gewerbe zum 31.12.2008 ab und beantragte am 8.1.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

4

Der Beklagte, der zum 1.1.2012 Optionskommune nach § 6a Abs 2 SGB II geworden ist, bewilligte dem Kläger ab dem 30.12.2008 Kosten für Unterkunft und Heizung, zunächst bis 31.7.2009 in Höhe von monatlich 470,77 Euro auf Grundlage der tatsächlichen Grundmiete in Höhe von 380 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 66,81 Euro. Ab 1.8.2009 bewilligte er monatlich einen Betrag in Höhe von 335,77 Euro, wobei er unter Beibehaltung der anderen Beträge nur noch eine Grundmiete von 245 Euro anerkannte (Bescheid vom 21.1.2009). Im Zuge der Bewilligung ab 30.12.2008 forderte der Beklagte den Kläger zudem auf, die Unterkunftskosten zu senken. Die Kaltmiete von 380 Euro würde um 135 Euro über den angemessenen Mietkosten liegen. Nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten könne der Beklagte ab 1.8.2009 nur noch die angemessene Kaltmiete von 245 Euro zzgl Nebenkosten anerkennen (Schreiben vom 21.1.2009).

5

Die Leistungsbewilligung wurde mehrfach geändert, zuletzt wurden dem Kläger für Dezember 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer Kaltmiete von 245 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 61,75 Euro bewilligt (Änderungsbescheide vom 7.4.2009, 10.8.2009, 16.11.2009). Für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger Kosten für Unterkunft und Heizung in derselben Höhe (Bescheid vom 10.12.2009).

6

Der Beklagte wies die gegen die Bewilligung für Dezember 2009 und für den Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2010 eingelegten Widersprüche als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 6.4.2010).

7

Während des Verfahrens vor dem SG reduzierte der Beklagte die Bewilligung ab 1.6.2010 um verringerte kalte Nebenkosten und stellte die Leistungen ab 1.7.2010 ein, nachdem der Kläger zu diesem Zeitpunkt aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten verzogen war (Änderungsbescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010).

8

Das SG hat den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 weitere Kosten der Unterkunft bis zu einem Betrag von 338,80 Euro monatlich zzgl Heizkosten zu gewähren. Im Übrigen hat es die auf die Übernahme der tatsächlichen Kosten gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 22.11.2011). Die vom Beklagten zugrunde gelegte Mietobergrenze sei unzutreffend, da der Beklagte nicht über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Mietkosten im Sinne der Rechtsprechung des BSG verfüge. Da es mangels hinreichender Datenbasis nicht mehr möglich sei, die angemessene Kaltmiete für die streitige Zeit zu ermitteln, seien die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen, begrenzt auf die Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) und der Wohngeldverordnung (WoGV) einschließlich eines Zuschlags von 10 %. Dies führe beim Kläger zu einer Referenzmiete von 338,80 Euro.

9

Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 31.5.2010 monatlich weitere 69,84 Euro und für den Monat Juni 2010 weitere 71,64 Euro zu gewähren (Urteil vom 7.11.2012). Der Tenor der angefochtenen Entscheidung sei ohne inhaltliche Änderung lediglich zur Klarstellung neu gefasst worden; das SG habe in seiner Entscheidung die Heizkosten mit monatlich 61,75 Euro berücksichtigt, es habe damit im Ergebnis eine Leistung für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 400,55 Euro zugesprochen. Zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung habe der Beklagte zunächst als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 45 qm zugrunde gelegt. Der Beklagte habe als Vergleichsraum den Bereich der Region W., L. und A. mit ca 75 000 Einwohnern herangezogen. Für diesen sei jedoch in der Anlage zum Mietpreisspiegel keine einheitliche angemessene Mietobergrenze vorgesehen. Ob von dem Erfordernis eines einheitlichen Wertes der angemessenen Miete in Bereichen des ländlichen Raumes abgewichen und Vergleichsräume mit nach Gemeinden differenzierten Mietobergrenzen gebildet werden dürften, könne dahingestellt bleiben, da jedenfalls dem vom Beklagten im streitigen Zeitraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde gelegen habe. Die für einen Mietspiegel erforderliche statistisch aufgearbeitete Zusammenstellung der vorkommenden Mieten läge dem Mietpreisspiegel nicht zugrunde. Grundlage sei das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Feststellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen von den Mietpreisen bei Neuabschlüssen. Von den beteiligten Gemeinden seien keine Erhebungen durchgeführt worden. Der Mietpreisspiegel sei mangels Nachprüfbarkeit nicht ausreichend für die Begründung eines schlüssigen Konzepts. Darüber hinaus sei die Gemeinde A., in welcher der Kläger gewohnt habe, in Tabelle 4 des Mietpreisspiegels 2009, in welcher die jeweiligen Ortszu- bzw -abschläge bezogen auf das Referenzniveau der Stadt W. aufgelistet seien, nicht aufgeführt. Es sei damit nicht nachvollziehbar, wie die Mietobergrenzen für den damaligen Wohnort des Klägers ermittelt worden seien. Dem Senat sei es auch nicht mehr möglich, aufgrund eigener Ermittlungen ein schlüssiges Konzept für den streitigen Zeitraum zu erstellen, es fehle an der erforderlichen Datenbasis. Es seien damit die tatsächlichen Aufwendungen bis zur Angemessenheitsgrenze der Tabellenwerte in § 12 WoGG und ein Zuschlag von 10 % hinzuzurechnen. Es habe auch eine wirksame Kostensenkungsaufforderung vorgelegen.

10

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er folge zwar der Feststellung des LSG, dass er im vorliegenden Fall über kein schlüssiges Konzept verfüge sowie dass die Aufwendungen bis zur Höhe der Tabellenwerte aus § 12 WoGG zu übernehmen seien. Nicht gefolgt werden könne aber der Hinzurechnung eines Zuschlages von 10 %.

11

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Konstanz vom 22. November 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 insoweit aufzuheben, als Leistungen für Unterkunft und Heizung von mehr als 308 Euro monatlich zuzüglich der Heizkosten zu bewilligen sind.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Bei fehlendem schlüssigen Konzept sei sowohl nach § 8 WoGG als auch nach § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" von 10 % gerechtfertigt.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet.

15

Die Vorinstanzen haben den Beklagten zu Recht zu einer weiteren Leistungsgewährung an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 verurteilt. Der Kläger ist grundsätzlich leistungsberechtigt, sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (§§ 7, 22 SGB II).

16

1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 16.11.2009 und 10.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.4.2010, gemäß § 96 SGG in der Gestalt der Bescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010. Im Streit stehen die darin geregelten Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1.12.2009 bis 30.6.2010. Bereits der Kläger hat den Streitgegenstand durch seine Klage zum SG bezüglich der Kosten der Unterkunft und Heizung wirksam beschränkt. Die übrigen abtrennbaren Regelungsinhalte der gegenständlichen Bescheide sind nicht angegriffen worden. Zudem ist nach den Urteilen des SG und des LSG die Verurteilung zu weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 39,04 Euro (Monate Dezember 2009 bis Mai 2010) bzw 40,84 Euro (Monat Juni 2010) rechtskräftig geworden. Der Beklagte wendet sich lediglich gegen die Verurteilung zu einer Leistung von weiteren 30,80 Euro monatlich. Da der Kläger selbst keine Revision eingelegt hat, sind die gegenständlichen Bescheide bestandskräftig geworden, soweit mit diesen die Leistungen ab 1.7.2010 eingestellt sowie höhere Leistungen abgelehnt wurden.

17

Die Leistungen für Unterkunft und Heizung bilden abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert (vgl BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).

18

2. Das SG und LSG haben den Beklagten zu Recht zu einer Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer höheren Bruttokaltmiete als die vom Beklagten in Höhe von monatlich 308 Euro anerkannte verurteilt. Der Kläger erfüllt nach den Feststellungen des LSG die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 SGB II.

19

Sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Diese werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als bei der pauschalierten Regelleistung - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die tatsächlichen Kosten nicht in beliebiger Höhe erstattungsfähig, sondern nur insoweit, als sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung limitiert somit die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist, also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessene Mietobergrenze nicht überschreitet (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 14; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59). Die Angemessenheit für die Kosten der Unterkunft und die für die Kosten der Heizung sind getrennt voneinander festzustellen.

20

Auch wenn der Beklagte im Revisionsverfahren davon ausgeht, über kein schlüssiges Konzept zu verfügen und sich mit der Heranziehung der Tabellenwerte nach § 12 WoGG einverstanden erklärt, entbindet dies die Gerichte nicht davon, zunächst die angemessenen Unterkunftskosten anhand eines vorrangigen schlüssigen Konzeptes zu ermitteln(vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 17; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - RdNr 26).

21

3. Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende wie den Kläger in Baden-Württemberg 45 qm. Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376: "Wohnraumförderungsgesetz") wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen" des jeweiligen Landes. Nach den Feststellungen des LSG hat das Land Baden-Württemberg zwar keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Ein-Personen-Haushalte von einer Wohnfläche von 45 qm auszugehen. An dieser Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 22).

22

4. Die Heranziehung des Vergleichsraums, den der Beklagte zugrunde gelegt hat, ist nicht zu beanstanden. Als örtlicher Vergleichsraum ist in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgebend, ohne dass hierfür der kommunalverfassungsrechtliche Begriff der "Gemeinde" entscheidend sein muss. Bei besonders kleinen Gemeinden, etwa im ländlichen Raum, die über keinen repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen, kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen. Entscheidend ist es, für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 21; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 15). Dies ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hier der Fall. Die Festlegung des Vergleichsraums entspricht den vom Senat hierzu entwickelten Kriterien.

23

5. Dem Leistungsberechtigten muss es möglich sein, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines schlüssigen Konzeptes zu ermitteln (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17 ff). Auf Grundlage des konkreten Vergleichsraums hat das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass der Beklagte über kein eigenständiges schlüssiges Konzept verfügt (§ 163 SGG).

24

Das LSG ist sodann in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass ein schlüssiges Konzept auch nicht mehr entwickelt werden kann und es sich um einen Ausfall von lokalen Erkenntnismöglichkeiten handelt. Der erkennende Senat hat ausdrücklich betont, dass die umfassende Ermittlung der Daten sowie die Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts Angelegenheit des Grundsicherungsträgers ist und bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig ist. Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein schlüssiges Konzept auf Aufforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne ein schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen (vgl BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 21; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 25). Liegen aber keine Ermittlungsergebnisse vor, brauchen insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen nachträglich durchgeführt zu werden. Die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen ist in diesen Fällen begrenzt, sofern nachvollziehbare Darlegungen dazu erfolgen, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Der erkennende Senat hat hierzu betont, dass auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen erkennbar sein muss, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat. Erst wenn solche Feststellungen erfolgt sind, ist ein Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG zu rechtfertigen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 18; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17). Diesen Anforderungen zur Feststellung eines Erkenntnisausfalles ist das LSG gerecht geworden. Schon für die Wohnortgemeinde des Klägers liegen keinerlei nachvollziehbare Daten für die Ermittlung der Mietobergrenze vor. Im Übrigen ist Grundlage des "Mietpreisspiegels" des Beklagten das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Erstellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen.

25

6. Im Falle eines Erkenntnisausfalls zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt(stRspr, vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).

26

a) Für die bis 31.12.2008 geltende Regelung in § 8 WoGG aF ist nach der Rechtsprechung des BSG wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung zur Bestimmung der angemessenen Bruttokaltmiete(vgl § 9 Abs 1 WoGG aF) auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27 im Anschluss an BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21). Zu dem Sicherheitszuschlag hat der Senat ausgeführt, dass er im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich ist, denn beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts kann nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27). Der erkennende Senat hat zudem entschieden, dass dabei ein Zuschlag in Höhe von 10 % zu den Werten der rechten Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG aF angemessen und ausreichend ist(vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).

27

b) Die Einbeziehung eines "Sicherheitszuschlages" hat auch im Falle der Heranziehung von § 12 WoGG zu erfolgen. Die von der Rechtsprechung der zuständigen Senate für die Geltung von § 8 WoGG aF angestellten Erwägungen sind auf § 12 WoGG zu übertragen. Denn trotz der Anhebung der Tabellenwerte in § 12 WoGG im Vergleich zu den Werten aus § 8 WoGG aF hat sich nichts daran geändert, dass es sich bei der Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten anhand des WoGG nur um eine abstrakte, allein der Deckelung der zu übernehmenden Aufwendungen dienende Begrenzung handelt, die unabhängig von den konkreten Umständen im Vergleichsraum erfolgt. Denn über letztere fehlen gerade ausreichende Erkenntnisse. Der Sicherheitszuschlag ist auch im Rahmen von § 12 WoGG erforderlich, da die in § 12 WoGG festgeschriebenen Werte ebenso wenig wie die in § 8 WoGG aF den Anspruch erheben, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden(vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, § 12 RdNr 14, 65. Lfg Mai 2011). Der Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, aaO, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die nach § 11 WoGG zu berücksichtigende Miete den in § 12 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist. Beide Regelungen verfolgen damit verschiedene Ziele; auf die Werte aus § 12 WoGG ist daher nur als Berechnungsgrundlage zur Bemessung der angemessenen Miete abzustellen und dem Sinn und Zweck von § 22 Abs 1 S 1 SGB II nach mittels des "Sicherheitszuschlages" anzupassen. Aufgrund der unterschiedlichen Zweckbestimmung hat es für die Bestimmung des Zuschlages bei § 12 WoGG damit keine Bedeutung, dass mit der Wohngeldreform 2009 die Werte aus § 8 WoGG um 10 % angehoben wurden. Durch die Anhebung sollte dem Zweck des WoGG entsprechend die Anzahl derjenigen Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger verringert werden, deren Miete aufgrund der allgemeinen Mietsteigerungen die Höchstbeträge überschreitet (vgl dazu BT-Drucks 16/8918, S 1, 49). Hinweise darauf, dass die Erhöhung der Werte unter Berücksichtigung der Mietpreissteigerungen in einem Umfang erfolgt wäre, der den Sicherheitszuschlag entbehrlich machen könnte, ergeben sich aus der Gesetzesbegründung nicht.

28

c) Soweit damit feststeht, dass auch im Rahmen von § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen ist, ist weiter dessen Höhe zu bestimmen. Der Senat schließt sich insoweit den Entscheidungen der Tatsacheninstanzen an, dass eine Erhöhung für den streitgegenständlichen Zeitraum um 10 % zu erfolgen hat. Die Höhe des Zuschlages ist ebenso wie die Heranziehung der abstrakten Werte aus § 12 WoGG nach abstrakten Kriterien zu bestimmen. Auf regionale Unterschiede hat der Gesetzgeber bereits durch die Festlegung der Mietenstufen in der WoGV reagiert; bei Änderung der Verhältnisse können diese entsprechend angepasst werden (vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 22). Die Höhe des Zuschlages soll möglichst sicherstellen, dass der Leistungsempfänger mit dem ihm dann im Ergebnis zustehenden Betrag für die Kosten der Unterkunft in die Lage versetzt wird, im örtlichen Vergleichsraum möglichst sicher eine Unterkunft zu finden, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht. Es soll durch die Höhe des Zuschlages eine angemessene Abgrenzung einerseits zu nur einfachstem Standard wie andererseits zu einem bereits gehobenen Standard erfolgen. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 12 WoGG einen Zuschlag in Höhe von 10 % zurzeit als angemessen.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Gründe

A.

1

Das Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob § 54 Abs. 6 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997, welcher die zeitliche Anwendbarkeit der durch § 8 Abs. 4 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 verschärften Verlustabzugsbeschränkung bei Körperschaften wegen Verlustes der wirtschaftlichen Identität regelte, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

I.

2

1. Nach § 8 Abs. 1 KStG bestimmen sich das körperschaftsteuerliche Einkommen und die Einkommensermittlung - unbeschadet körperschaftsteuerrechtlicher Sondervorschriften - nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes. Die im Rahmen der Einkommensermittlung zu bildende Summe der Einkünfte (vgl. § 2 Abs. 3 EStG) setzt eine Saldierung der positiven und negativen Einkünfte innerhalb des Veranlagungszeitraums voraus (periodeninterner Verlustausgleich). Soweit die negativen Einkünfte die positiven Einkünfte im jeweiligen Veranlagungszeitraum übersteigen und daher bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, kommt ein Abzug der verbleibenden Verluste nach § 10d EStG in anderen Veranlagungszeiträumen in Betracht (periodenübergreifender Verlustabzug). Vorrangig ist nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG der Verlustrücktrag in den vorangegangenen Veranlagungszeitraum durchzuführen. Im Übrigen gewährt § 10d Abs. 2 EStG einen Verlustvortrag in künftige Veranlagungszeiträume. Zu diesem Zweck wird der am Schluss des jeweiligen Veranlagungszeitraums nicht ausgeglichene Verlust als "verbleibender Verlustvortrag" in einem Bescheid gesondert festgestellt (vgl. § 10d Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG).

3

2. Die Berechtigung zum Verlustabzug nach § 10d EStG steht grundsätzlich nur demjenigen Steuerpflichtigen zu, der den Verlust erlitten hat (Grundsatz der Personenidentität). Kapitalgesellschaften sind eigenständige Körperschaftsteuersubjekte (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Steuerrechtlich ist zwischen Gesellschafts-ebene und Anteilseignerebene zu differenzieren (Trennungsprinzip). Die (zivil)rechtliche Identität der Kapitalgesellschaft bleibt durch Änderungen in dem Bestand oder der Zusammensetzung der Gesellschafter oder beim Geschäftsbetrieb der Gesellschaft unberührt.

4

3. Der Bundesfinanzhof ging in seiner früheren Rechtsprechung (BFHE 85, 217 = BStBl III 1966, S. 289; BFHE 86, 369 = BStBl III 1966, S. 513; vgl. auch BVerfGE 25, 309 <312 ff.>) davon aus, dass die für den Verlustabzug erforderliche Personenidentität bei Kapitalgesellschaften neben der rechtlichen auch wirtschaftliche Identität voraussetzt. Nach seiner Auffassung fehlte diese, wenn eine Kapitalgesellschaft ihre bisherigen Vermögenswerte im Wesentlichen verloren hat und in dieser Lage neue Gesellschafter eintreten, die der Gesellschaft neue Mittel zuführen und sie wirtschaftlich neu beleben. Unter solchen Umständen sei ein der Liquidation und Neugründung vergleichbarer Fall gegeben und könne von zwei Personen gesprochen werden, die nacheinander unter "dem gleichen Rechtsmantel" tätig würden, in ihrem sachlichen und personalen Substrat jedoch verschieden seien (BFHE 111, 155 = BStBl II 1974, S. 181).

5

Das zusätzliche Erfordernis wirtschaftlicher Identität verhinderte, dass durch Veräußerung von Geschäftsanteilen einer im Wesentlichen vermögenslosen Kapitalgesellschaft (eines Mantels) - wirtschaftlich betrachtet - Verlustvorträge nach § 10d EStG verkauft werden konnten. Mit Urteilen vom 29. Oktober 1986 (BFHE 148, 153 = BStBl II 1987, S. 308; BFHE 148, 158 = BStBl II 1987, S. 310; - I R 271/83 -, BFH/NV 1987, S. 266) gab der Bundesfinanzhof diese Rechtsprechung jedoch auf und entschied, dass ein Tatbestandsmerkmal "wirtschaftliche Identität" weder dem Wortlaut noch dem Zweck von § 10d EStG entnommen werden könne.

6

4. Die Änderung der Rechtsprechung veranlasste den Gesetzgeber zur Einführung des § 8 Abs. 4 KStG durch das Steuerreformgesetz 1990 (im Folgenden: StRefG 1990) vom 25. Juli 1988 (BGBl I S. 1093). Ziel der Regelung war es, die Veräußerung von Verlustvorträgen - insbesondere durch Kapitalgesellschaften - zu verhindern und sicherzustellen, dass eine Körperschaft einen nicht ausgeglichenen Verlust nur dann mit steuerlicher Wirkung vortragen kann, wenn sie auch wirtschaftlich mit derjenigen identisch ist, die den Verlust erlitten hat (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 171). Zu diesem Zweck wurde das von der Rechtsprechung entwickelte Kriterium der wirtschaftlichen Identität als Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d EStG gesetzlich festgeschrieben (vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG i.d.F. des StRefG 1990). Satz 2 der Vorschrift bestimmte als Regelbeispiel, dass wirtschaftliche Identität insbesondere dann nicht vorliegt, wenn mehr als drei Viertel der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Gesellschaft danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen wieder aufnimmt.

7

5. Diese Regelung wurde in der Folgezeit als nicht ausreichend angesehen, um den missbräuchlichen Handel mit Verlustvorträgen zu unterbinden. Vor allem stellte sich das für die Versagung des Verlustabzugs erforderliche Merkmal der Wiederaufnahme des (zuvor eingestellten) Geschäftsbetriebs als gestaltungsanfällig dar, weil der Geschäftsbetrieb - unter Vermeidung einer verlustabzugsschädlichen Betriebseinstellung - mit einem minimalen Umfang fortgesetzt werden konnte. Durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (im Folgenden: UntStRFoG) vom 29. Oktober 1997 (BGBl I S. 2590) wurde § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG in zwei Punkten verschärft sowie um eine Sanierungsklausel (Satz 3) ergänzt. § 8 Abs. 4 KStG lautete in dieser Fassung:

"Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d des Einkommensteuergesetzes ist bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Wirtschaftliche Identität liegt insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt. Die Zuführung neuen Betriebsvermögens ist unschädlich, wenn sie allein der Sanierung des Geschäftsbetriebs dient, der den verbleibenden Verlustabzug im Sinne des § 10d Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes verursacht hat, und die Körperschaft den Geschäftsbetrieb in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortführt. …"

8

6. Die Neufassung des § 8 Abs. 4 KStG sollte nach der hierzu in § 54 Abs. 6 KStG getroffenen Anwendungsregelung erstmals für den Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden sein. Da die Vorschrift nach ihrem Wortlaut so ausgelegt werden konnte, dass sie auch Altfälle, das heißt in früheren Jahren durchgeführte Umstrukturierungen, erfasste, die nach Maßgabe der bisherigen Gesetzeslage unschädlich gewesen waren, stieß sie auf erhebliche Kritik, weil rückwirkend die steuerlichen Dispositionsgrundlagen zerstört würden (vgl. Rödder, DStR 1997, S. 1425; Füger/Rieger, DStR 1997, S. 1427 <1437>; Neyer, BB 1998, S. 869 <876 ff.>).

9

In der Folge fügte der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung (im Folgenden: RVFinG) vom 19. Dezember 1997 (BGBl I S. 3121) § 54 Abs. 6 KStG einen Satz 2 an. Die Anwendungsvorschrift lautete nunmehr:

"§ 8 Abs. 4 ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden. Ist der Verlust der wirtschaftlichen Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August eingetreten, gilt § 8 Abs. 4 erstmals für den Veranlagungszeitraum 1998."

10

Danach kam in den von Satz 2 der Anwendungsregelung erfassten Fällen, bei denen der Verlust der wirtschaftlichen Identität nach der Neufassung des § 8 Abs. 4 KStG erstmals im Jahr 1997 und vor dem 6. August eingetreten war, die Verlustabzugsbeschränkung nicht schon im Jahr 1997, sondern - insoweit begünstigend - erst ab 1998 zum Tragen. Der 5. August 1997 ist der Tag, an dem das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde (vgl. Stenographischer Bericht der 186. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 5. August 1997, Plenarprotokoll 13/186, S. 16860 C). Da sowohl § 8 Abs. 4 und § 54 Abs. 6 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform als auch § 54 Abs. 6 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses beschlossen wurden (vgl. BTDrucks 13/8325, S. 4, und BTDrucks 13/9419, S. 3), fehlt eine amtliche Gesetzesbegründung für die Anwendungsregelung.

11

7. § 8 Abs. 4 KStG wurde durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I S. 1912) aufgehoben und durch § 8c KStG ersetzt.

II.

12

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine GmbH, wurde im Jahr 1994 gegründet. Gesellschafter waren G und A mit jeweils 12.500 DM und K mit 25.000 DM des Stammkapitals von 50.000 DM. Gegenstand des Unternehmens war die Herstellung und der Vertrieb von visuellen Programmen jeder Art zur Verwendung auf allen Trägern einschließlich Film, Fernsehen und neue Medien, insbesondere Video und CD. Die Klägerin erwarb Auswertungsrechte für Videos, CDs, CD-Roms und CDIs, hauptsächlich im esoterischen und astrologischen Bereich, und bot entsprechende Videos in Fachzeitschriften einem speziell interessierten Publikum an.

13

2. Im Jahr 1995 erwirtschaftete die Klägerin erhebliche Verluste. Mit Vertrag vom 20. Dezember 1995 übertrug A ihren Anteil auf G. Zugleich wurde das Kapital der Klägerin um 100.000 DM erhöht und von G und K jeweils hälftig übernommen, so dass nunmehr beide Gesellschafter mit je 75.000 DM an der Klägerin beteiligt waren. Am 26. Juni 1996 schloss die Klägerin einen Vertrag mit der M-Gruppe, in dem sie sich verpflichtete, für diese Prospekte, Handzettel und Plakate herzustellen. Mit Vertrag vom 18. Juli 1996 übertrug K ihren Gesellschaftsanteil auf den nunmehr alleinigen Gesellschafter G. Die Rechte an den Filmen sowie noch vorhandene Filme verkaufte die Klägerin im April 1997 an einen Dritten.

14

Im Jahr 1996 wurden der Klägerin erhebliche Konzessionen und gewerbliche Schutzrechte (31. Dezember 1996: 889.978 DM; 1995: 100.000 DM) sowie Anlagen, Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattung (31. Dezember 1996: 2.278.466 DM; 1995: 20.429 DM) zugeführt. Ferner erhöhten sich der Personalaufwand (1996: 726.310,45 DM, 1995: 37.204,29 DM) und die sonstigen betrieblichen Aufwendungen (z.B. Raumkosten 1996: 106.435,32 DM, 1995: 19.152 DM) beträchtlich. Die Umsatzerlöse stiegen von 127.011,37 DM (1995) auf 1.666.064,72 DM (1996).

15

Den auf den 31. Dezember 1996 festgestellten Verlustabzug berücksichtigte das Finanzamt bei der Körperschaftsteuer 1997 und im Bescheid zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1997 nicht, weil es der Auffassung war, die Klägerin habe ihre wirtschaftliche Identität im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG (i.d.F. des UntStRFoG) in Verbindung mit § 54 Abs. 6 KStG (i.d.F. des RVFinG) verloren.

16

3. Die dagegen erhobene Klage führte zum Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 8. Oktober 2008 - I R 95/04 - (BFHE 223, 105). Der I. Senat des Bundesfinanzhofs hält § 54 Abs. 6 KStG (i.d.F. des RVFinG) insoweit für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG, als danach § 8 Abs. 4 KStG (i.d.F. des UntStRFoG) für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität - nach Maßgabe der Neuregelung - vor dem 1. Januar 1997 verloren haben, bereits 1997 anzuwenden ist, während die Vorschrift für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August verloren haben, erst ab 1998 gelten soll.

17

a) Die Klägerin habe ihre wirtschaftliche Identität nicht schon im Jahr 1996 nach Maßgabe des früheren § 8 Abs. 4 KStG verloren, da nicht mehr als 75 % aller Geschäftsanteile übertragen worden seien. Auch ein damit vergleichbarer - verlustabzugsschädlicher - Sachverhalt liege nicht vor.

18

Nach der einfachgesetzlichen Rechtslage könne die Klägerin den für sie auf den 31. Dezember 1996 festgestellten Verlust im Streitjahr 1997 nicht mehr geltend machen, weil sie nach den Maßstäben des verschärften § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG mit der Kapitalgesellschaft, die den Verlust erlitten habe, wirtschaftlich nicht mehr identisch sei und diese Vorschrift bereits 1997 Anwendung finde. Es sei mehr als die Hälfte der Anteile an der Klägerin übertragen worden, da G zum einen am 20. Dezember 1995 bezogen auf das damalige Stammkapital 25 % der Anteile von A, darüber hinaus am 18. Juli 1996 weitere 50 % von K erworben habe. Zudem seien der Klägerin in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Anteilsübertragung in erheblichem Umfang neues Betriebsvermögen zugeführt und der Betrieb mit einem anderen Geschäftsgegenstand fortgeführt worden. § 54 Abs. 6 KStG sei in der Weise auszulegen, dass die Neufassung von § 8 Abs. 4 KStG bereits im Veranlagungszeitraum 1997 auch für solche Körperschaften gelte, die - wie die Klägerin - nach den Maßstäben der Neuregelung ihre wirtschaftliche Identität bereits vor dem 1. Januar 1997 verloren hätten. Der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des § 54 Abs. 6 KStG ließen hinreichend klar erkennen, dass die Anwendungsvorschrift auf den Zeitpunkt des Verlustabzugs und nicht auf den Zeitpunkt des Verlustes der wirtschaftlichen Identität abstelle.

19

b) § 54 Abs. 6 KStG (i.d.F. des RVFinG) verletzt nach der Überzeugung des vorlegenden Senats Art. 3 Abs. 1 GG.

20

aa) Der allgemeine Gleichheitssatz gebiete, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dabei sei es Sache des Gesetzgebers, die Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpfe, die er also im Rechtssinne als gleich ansehen wolle. Der Gesetzgeber müsse allerdings eine sachgerechte Auswahl treffen.

21

bb) Vorliegend könnten Körperschaften, die - nach den Maßstäben der Neuregelung - ihre wirtschaftliche Identität bereits vor dem 1. Januar 1997 verloren hätten, nach der Anwendungsregelung ihre Verluste im Jahr 1997 nicht geltend machen, während Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August verloren hätten, einen Verlustvortrag im Jahr 1997 nutzen könnten. Ein hinreichend sachlicher Grund für diese Benachteiligung sei nicht ersichtlich.

22

Auch wenn eine Begründung der Gesetzesinitiative fehle, sei offenkundig, dass der in § 54 Abs. 6 KStG eingefügte Satz 2 Vertrauensschutz in Fällen gewähren wolle, in denen die wirtschaftliche Identität im Jahr 1997 vor dem Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses verloren gegangen sei. Habe der Gesetzgeber aber eine das Vertrauen in die bisherige Rechtslage schützende Übergangsregelung in diesen Fällen für geboten gehalten, sei nicht erkennbar, weswegen Körperschaften, die - gemessen an der Neuregelung - ihre wirtschaftliche Identität bereits vor dem 1. Januar 1997 verloren hätten, weniger schutzwürdig sein sollten als die Körperschaften, bei denen dies erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August der Fall gewesen sei. Beide hätten sich an der bisherigen Rechtslage orientiert.

23

Soweit das Bundesministerium der Finanzen im Rahmen des Revisionsverfahrens vorgetragen habe, die Benachteiligung der Unternehmen, die nach der Neuregelung ihre wirtschaftliche Identität bereits vor dem 1. Januar 1997 verloren hätten, sei gerechtfertigt, weil diese mindestens einmal schon ihre Verluste hätten geltend machen können, sei dem nicht zu folgen. Die Möglichkeit der Verlustverrechnung mit künftig anfallenden Gewinnen in diesen Fällen habe geltendem Recht entsprochen. Sie sei keine Maßnahme des Vertrauensschutzes und daher nicht geeignet gewesen, das Vertrauen in den Fortbestand der geltenden Rechtslage zu mindern. Diese Körperschaften erschienen eher schutzwürdiger als diejenigen, die den Tatbestand des § 8 Abs. 4 KStG (i.d.F. des UntStRFoG) erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August verwirklicht hätten, da ihr Vertrauen in die bestehende Rechtslage zusätzlich durch den Ablauf mindestens eines Veranlagungszeitraums sowie gegebenenfalls den Erlass eines rechtmäßigen Verwaltungsakts - des Verlustfeststellungsbescheides auf den 31. Dezember 1996 gemäß § 10d EStG - bekräftigt worden sei, nach dem sie die festgestellten Verluste mit künftigen Gewinnen verrechnen könnten.

24

Es könne auch nicht unterstellt werden, dass die Neuregelung diese Unternehmen wirtschaftlich weniger hart treffe. Insbesondere in Fällen, in denen der Verlust der wirtschaftlichen Identität nach den Maßgaben der Neuregelung erst Ende 1996 eingetreten sei, hätten die Verluste regelmäßig noch nicht genutzt werden können. Da die Gesetzesänderung nicht angekündigt worden sei, hätten die betroffenen Körperschaften keine Maßnahmen zur Aufdeckung eventuell vorhandener stiller Reserven ergreifen können.

25

Diese Beurteilung gelte unabhängig davon, ob der Gesetzgeber verpflichtet gewesen sei, aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) eine Übergangsregelung zu schaffen, oder ob er auch berechtigt gewesen wäre, die Neuregelung übergangslos auf alle Altfälle anzuwenden. Denn entschließe sich der Gesetzgeber zu einem bestimmten Regelungskonzept - hier: zu einer Übergangsregelung -, müsse er diese Entscheidung folgerichtig weiterverfolgen. Er dürfe daher nicht eine Person oder Gruppe, die unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes eher schutzwürdiger erscheine, gegenüber einer anderen Person oder Gruppe benachteiligen.

26

cc) Die Anwendungsregelung lasse auch keine verfassungskonforme Auslegung dahin zu, dass § 54 Abs. 6 KStG für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität nach den Maßstäben der Neuregelung vor dem 1. Januar 1997 verloren hätten, entweder überhaupt nicht oder erst ab 1998 gelte. Dies folge aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Vorschrift.

27

c) Die Vorlagefrage sei entscheidungserheblich. Sei die Anwendungsregelung verfassungsgemäß, sei die Revision der Klägerin unbegründet. Halte das Bundesverfassungsgericht hingegen § 54 Abs. 6 KStG (i.d.F. des RVFinG) für verfassungswidrig und erkläre es die Vorschrift insoweit für unvereinbar mit dem Grundgesetz, müsse der Gesetzgeber eine neue Regelung treffen. Für die Klägerin bestehe die Chance, dass der Gesetzgeber - sofern er hierzu nicht bereits aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet sei - eine neue Regelung treffe, die die bestehende Vertrauensschutzregelung auf Körperschaften erstrecke, die ihre wirtschaftliche Identität vor dem 1. Januar 1997 verloren hätten. In diesem Fall wäre die Revision der Klägerin erfolgreich.

III.

28

Zur Vorlage hat sich das Bundesministerium der Finanzen namens der Bundesregierung geäußert.

29

1. Es bestünden Zweifel an der Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses, weil es an der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Frage fehlen dürfte. Der Bundesfinanzhof habe nicht ausreichend erörtert, ob die Klägerin ihre wirtschaftliche Identität und damit ihre Verlustabzugsberechtigung nicht bereits nach § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 verloren habe.

30

2. Jedenfalls sei die Vorlage unbegründet; ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz sei nicht gegeben.

31

a) Nach Auffassung der Bundesregierung fehlt es bereits an einem wesentlich gleichen Sachverhalt. Der Gesetzgeber habe vorliegend drei Fallgruppen unterschieden: die Fälle, die aufgrund der Neuregelung ihre wirtschaftliche Identität vor dem 1. Januar 1997 verloren hätten (1. Fallgruppe), die Fälle, die ihre wirtschaftliche Identität nach dem 1. Januar 1997 und vor dem 6. August 1997 verloren hätten (2. Fallgruppe), und die Fälle, in denen der Verlust der wirtschaftlichen Identität nach dem 5. August 1997 eingetreten sei (3. Fallgruppe). Diese Fallgruppen seien in den regelungsrelevanten Bereichen nicht vergleichbar.

32

Die dritte Fallgruppe unterscheide sich von den anderen dadurch, dass der Verlust der wirtschaftlichen Identität zu einem Zeitpunkt eingetreten sei, in dem die Gesellschaft beziehungsweise deren Anteilseigner Kenntnis von den Änderungsabsichten des Gesetzgebers in Bezug auf § 8 Abs. 4 KStG gehabt hätten. Die Fallgruppen 1 und 2 hingegen beträfen Kapitalgesellschaften, die ihre wirtschaftliche Identität zuvor (vor dem 6. August 1997) verloren hätten und die damit insoweit als gleich zu bezeichnen seien, als beide Altfälle beträfen. Indes unterschieden sie sich wesentlich dadurch, dass die zur Fallgruppe 1 gehörenden Gesellschaften zumindest im ersten Jahr des Verlustes der wirtschaftlichen Identität die Möglichkeit gehabt hätten, ihren Verlust geltend zu machen, während es diese Möglichkeit für die zur Fallgruppe 2 gehörenden Gesellschaften nicht gegeben habe, weil der Verlust ihrer wirtschaftlichen Identität erst in dem Veranlagungszeitraum (1997) eingetreten sei, für den die Gesetzesänderung durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform bereits habe gelten sollen.

33

Erst mit der Einfügung des Satzes 2 in § 54 Abs. 6 KStG habe der Gesetzgeber auch für die Fallgruppe 2 die Möglichkeit geschaffen, den Verlust im ersten Jahr nach dem Wegfall der wirtschaftlichen Identität zu nutzen. Die Regelung führe deshalb zu einer besseren Abbildung des Totalgewinns und zu einer leistungsgerechteren Gesamtbesteuerung, weil durch den Zusatz des Satzes 2 die Unternehmen der Fallgruppe 2 Unternehmen angeglichen würden, die - wie die der Fallgruppe 1 - bereits die Möglichkeit gehabt hätten, ihre Verluste zu nutzen.

34

b) Selbst wenn man zu dem Ergebnis käme, dass die Fallgruppen 1 und 2 grundsätzlich gleich zu behandeln wären und demnach eine Ungleichbehandlung vorläge, begründete diese keinen Verfassungsverstoß. Die wenigstens einmalige Möglichkeit der Verlustnutzung, auf die der Gesetzgeber bei der Einführung der verschärfenden Regelung des § 8 Abs. 4 KStG durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform abgestellt habe, stelle einen vernünftigen Grund für die gesetzliche Differenzierung dar.

35

Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG (i.d.F. des RVFinG) lediglich im Rahmen einer Stichtagsregelung eine Übergangsregelung geschaffen habe, mit der für diejenigen Fälle die Gesetzesverschärfung habe abgemildert werden sollen, die noch keine Möglichkeit der Verlustnutzung gehabt hätten. Die verfassungsrechtliche Überprüfung von Stichtags- und anderen Übergangsvorschriften sei darauf beschränkt, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt habe, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt habe und ob die gefundene Lösung sich im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lasse oder als willkürlich erscheine. Willkür sei vorliegend nicht erkennbar.

36

Der Bundesfinanzhof übersehe, dass der Gesetzgeber mit § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG (i.d.F. des RVFinG) weniger das Vertrauen in den Fortbestand der Rechtsnorm habe schützen als vielmehr die wirtschaftlichen Konsequenzen der verschärfenden Regelung zeitweise für die besonders betroffenen Fälle habe abmildern wollen. Angesichts des erklärten Regelungsziels von § 8 Abs. 4 KStG, den Handel mit Verlusten zu verhindern und die Verlustnutzung deshalb nur bei Fortbestehen der rechtlichen und wirtschaftlichen Identität zu gestatten, habe der Gesetzgeber zu keiner Zeit einen Investitionsanreiz für Mantelkäufe gesetzt. Es habe daher kein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der Möglichkeit, derartige Verlustgeschäfte steuerlich zu berücksichtigen, entstehen können.

IV.

37

Mit Beschluss vom 14. März 2011 - I R 95/04 - (BFH/NV 2011, S. 1192 f.) hat der I. Senat des Bundesfinanzhofs seinen Vorlagebeschluss zur Frage der Entscheidungserheblichkeit und zur materiellen Verfassungswidrigkeit ergänzt:

38

1. Die Klägerin habe ihre wirtschaftliche Identität nicht bereits nach § 8 Abs. 4 KStG a.F. (Fassung des StRefG 1990) verloren. Zum einen ähnle der vorliegende Fall nicht dem früheren Regelbeispiel. So erfasse die Altregelung nicht die Fälle, in denen der Gesellschafter ohne zeitlichen Zusammenhang mit der letzten Anteilsübertragung und der Zuführung neuen Betriebsvermögens bereits Anteile an der Kapitalgesellschaft gehalten habe und er nur unter Zugrundelegung dieser "Altanteile" die Grenze von 75 % überschreite. Zum anderen und vor allem sei der verbleibende Verlustabzug der Klägerin zum 31. Dezember 1996 durch bestandskräftigen Bescheid festgestellt worden. Selbst wenn die Klägerin nach § 8 Abs. 4 KStG a.F. schon im Jahr 1996 ihre wirtschaftliche Identität verloren hätte, hätte ihr dies, da sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs. 4 KStG a.F. bereits 1996 verwirklicht worden seien, bei der Veranlagung 1997 wegen des bestandskräftigen Bescheides über den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1996 nicht entgegengehalten werden können.

39

2. Zur materiellen Verfassungswidrigkeit sei anzuführen, dass die Prüfung, ob die Anwendungsregelung zu § 8 Abs. 4 KStG a.F. (gemeint hier: Fassung des UntStRFoG) Art. 3 Abs. 1 GG verletze, nicht losgelöst von der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beurteilt werden könne. Nach dessen Beschlüssen zur Rückwirkung im Steuerrecht vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 1 ff.; 127, 31 ff.; 127, 61 ff.) genieße zwar die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Der Gesetzgeber müsse aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpfe, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maße Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt würden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage seien abzuwägen. Hiernach sei der übergangslose Wegfall eines im Einklang mit bisherigem Recht und bestandskräftig festgestellten Verlustabzugs unzulässig, wenn insoweit das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage schutzwürdig sei. Dann müsse dem Steuerpflichtigen zumindest für einen Übergangszeitraum von einem Jahr die Nutzung des bislang festgestellten Verlustes möglich sein. Das Argument, diese Unternehmen hätten nach bisherigem Recht die Möglichkeit gehabt, die Verluste wenigstens in einem Jahr zu nutzen, sei daher über die bereits vom Senat in seinem Beschluss vom 8. Oktober 2008 angeführten Gründe hinaus sachwidrig und rechtfertige die Ungleichbehandlung nicht.

40

Im Streitfall liege eine so genannte unechte Rückwirkung vor, weil § 8 Abs. 4 KStG a.F. (Fassung des UntStRFoG) und die dazu gehörende Anwendungsregelung Verlustvorträge entwerteten, die vor Verkündung des Gesetzes entstanden und bestandskräftig festgestellt gewesen seien. Welche Gründe den Gesetzgeber bewogen hätten, die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform zu verschärfen, lasse sich - mangels Gesetzesbegründung - letztlich nur vermuten. Der vorlegende Senat unterstelle, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung nicht nur fiskalische Interessen verfolge, sondern die bisherige Regelung zur Verhinderung von Missbräuchen als unzureichend empfunden habe. Andererseits würden durch die Neuregelung in erheblichem Umfang auch Fälle erfasst, bei denen keine missbräuchliche Gestaltung vorliege. Auch für diese "Altfälle" entfalle ein im Einklang mit der bisherigen Rechtslage festgestellter Verlustvortrag übergangslos. Unter Berücksichtigung dieser Umstände halte es der Senat neben den bereits im Beschluss vom 8. Oktober 2008 angeführten Gründen für nicht abwägungsgerecht, die Verlustnutzung für "Altfälle" übergangslos entfallen zu lassen. Der Gesetzgeber wäre vielmehr gehalten gewesen, ebenso wie in Fällen, in denen die wirtschaftliche Identität zwischen dem 1. Januar 1997 und dem 6. August 1997 verloren gegangen sei, zumindest eine Verlustnutzung für einen Übergangszeitraum von einem Jahr zu gewähren.

41

Dem entsprechend habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 31 ff.) entschieden, dass das Vertrauen in den Fortbestand einer bestehenden Rechtslage verfassungsrechtlich insoweit geschützt sein könne, als eine in einem Veranlagungszeitraum getroffene und nicht mehr rückgängig zu machende Maßnahme regelmäßig nicht schon im nächsten Veranlagungszeitraum zu Rechtsfolgen führen dürfe, die ungünstiger seien als die im Zeitpunkt der Maßnahme vorgesehenen. Eine Ausnahme möge gelten, wenn im Zeitpunkt der Maßnahme eine "steuerverschärfende" Rechtsänderung bereits eingeleitet oder aus anderen Gründen vorhersehbar gewesen sei; so lägen die Dinge im Streitfall aber nicht. Die 1996 bei der Klägerin eingetretenen Veränderungen hätten nicht zu einem Identitätsverlust im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG a.F. (Fassung des StRefG 1990) und daher nach der damals geltenden Rechtslage nicht zum Wegfall des Verlustvortrags geführt. Durch die Gesetzesänderung im Jahr 1997 - einschließlich der dazu getroffenen Übergangsregelung - sei die ursprünglich vorgesehene Rechtsfolge dieser Maßnahmen zu Ungunsten der Klägerin verändert worden, ohne dass dies bei Vornahme der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung vorhersehbar gewesen sei. Deshalb dürfe die Gesetzesänderung nicht schon im nächsten Veranlagungszeitraum - also im Streitjahr 1997 - für durchgreifend erklärt werden.

B.

42

Die Vorlage ist unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen, die an die Begründung einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG zu stellen sind.

I.

43

Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist zu begründen, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist. Diesem Begründungserfordernis genügt ein Vorlagebeschluss nur, wenn die Ausführungen des Gerichts, die bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch nachträglich ergänzt werden können (vgl. BVerfGE 75, 329 <339>), erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 127, 335 <355 f.>).

44

Zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm muss dargelegt sein, dass und aus welchen Gründen das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle der Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.>; 79, 240 <243>; 121, 108 <117>). Das Gericht muss sich dabei eingehend mit der Rechtslage auseinandersetzen und die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen, die für die Auslegung der vorgelegten Rechtsvorschrift von Bedeutung sind (vgl. BVerfGE 65, 308 <316>; 94, 315 <323>; 97, 49 <60>; 105, 61 <67>; 121, 233 <237 f.>).

45

Was die verfassungsrechtliche Beurteilung der zur Prüfung gestellten Norm angeht, muss das vorlegende Gericht von ihrer Verfassungswidrigkeit überzeugt sein und die für diese Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 86, 71 <77 f.>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>). Der Vorlagebeschluss muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben, die naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erörtern, sich eingehend sowohl mit der einfachrechtlichen als auch mit der verfassungsrechtlichen Rechtslage auseinandersetzen, dabei die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen und insbesondere auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingehen (vgl. BVerfGE 76, 100 <104>; 79, 240 <243 f.>; 86, 52 <57>; 86, 71 <77 f.>; 88, 198 <202>; 94, 315 <325>).

II.

46

Diesen Anforderungen wird die Vorlage nicht gerecht. Zwar wird die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage hinreichend dargelegt (1.). Die Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm reichen jedoch nicht aus (2.).

47

1. Zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit hat der Bundesfinanzhof unter Berücksichtigung seiner Ausführungen im Ergänzungsbeschluss vom 14. März 2011 einen Verlust der wirtschaftlichen Identität bereits nach Maßgabe des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 nachvollziehbar (vgl. BVerfGE 44, 297 <299>; 79, 245 <249>; 94, 315 <323>; 108, 186 <208>) verneint, indem er die fehlende Vergleichbarkeit des vorliegenden Sachverhalts mit dem früheren Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 näher erläutert hat. Zudem hat er auf die Bindungswirkung verwiesen, die nach seiner Rechtsprechung (Urteil vom 22. Oktober 2003 - I R 18/02 -, juris, Rn. 22 f. = BFHE 204, 273 <277> = BStBl II 2004, S. 468) bei gleichbleibender Rechtslage von einem bestandskräftigen Bescheid im Sinne des § 10d EStG für die steuerliche Abzugsfähigkeit des Verlustes im späteren Abzugsjahr ausgeht, so dass - wäre § 8 Abs. 4 KStG nicht verschärft worden - die Klägerin allein aus verfahrensrechtlichen Gründen eine Berücksichtigung des auf den 31. Dezember 1996 bestandskräftig festgestellten Verlustabzugs noch im Jahr 1997 hätte verlangen können.

48

2. Die Darlegungen des Bundesfinanzhofs zur Unvereinbarkeit von § 54 Abs. 6 KStG (i.d.F. des RVFinG) mit Art. 3 Abs. 1 GG genügen den Vorgaben von § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG dagegen nicht.

49

a) Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob die Ausführungen zum verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab, die sich lediglich allgemein zu den Anforderungen des Gleichheitssatzes verhalten, der vorliegenden Fallgestaltung gerecht werden.

50

Sie lassen unberücksichtigt, dass es sich bei § 54 Abs. 6 KStG um eine Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereichs, also um eine Übergangsvorschrift handelt. Für die Regelung des Übergangs von einer älteren zu einer neueren, den rechtspolitischen Vorstellungen der Gegenwart besser entsprechenden Regelung ist dem Gesetzgeber notwendig ein gewisser Spielraum einzuräumen. Die verfassungsrechtliche Prüfung von Stichtags- und Übergangsvorschriften beschränkt sich grundsätzlich darauf, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und die gefundene Lösung im Hinblick auf den Sachverhalt und das System der Gesamtregelung sachlich vertretbar erscheint (vgl. BVerfGE 29, 245 <258>; 75, 78 <106>; 101, 239 <270>; 117, 272 <301>).

51

Auch soweit der Bundesfinanzhof im Rahmen der Subsumtion darauf hinweist, dass der Gesetzgeber seine Entscheidung zu einem bestimmten Regelungskonzept - hier: zu einer Übergangsregelung - "folgerichtig" weiterverfolgen müsse, setzt er sich nicht mit der Frage auseinander, ob das Gebot der Folgerichtigkeit auf Übergangsvorschriften überhaupt anwendbar ist und, bejahendenfalls, welche Bedeutung ihm insoweit zukommen kann. Die in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 116, 164; 121, 317) treffen dazu keine Aussage. Nach dem Gebot der Folgerichtigkeit als bereichsspezifischer Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Steuerrecht muss eine gesetzliche Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne von Belastungsgleichheit umgesetzt werden und bedürfen Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung eines besonderen sachlichen Grundes (BVerfGE 99, 88 <95>; 99, 280 <290>; 105, 73 <126>; 107, 27 <47>; 116, 164 <180 f.>). Das Gebot der Folgerichtigkeit kann deshalb Maßstab für die Gestaltung einer Übergangsvorschrift sein im Hinblick auf die Belastungswirkung derjenigen gesetzlichen Regelungen, deren zeitlichen Anwendungsbereich sie bestimmt (vgl. BVerfGE 127, 1 <22 ff.>). Isoliert betrachtet gestaltet eine Übergangsvorschrift dagegen nicht einen steuerlichen Belastungstatbestand aus, sondern sie nimmt lediglich eine Abgrenzung des zeitlichen Anwendungsbereichs zweier unterschiedlicher Belastungstatbestände - hier: der bisherigen und der geänderten Fassung des § 8 Abs. 4 KStG - vor.

52

Bei dem ergänzenden Verweis auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in Rückwirkungsfällen (BVerfGE 127, 1; 127, 31; 127, 61) bleibt unklar, warum der vorlegende Senat eine Inzidentprüfung des Vertrauensschutzgebotes im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG vornimmt, indem er davon ausgeht, ein mit diesem Gebot nicht in Einklang stehender Differenzierungsgrund sei sachwidrig und könne eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Diese Argumentation lässt insbesondere nicht erkennen, ob der Bundesfinanzhof - unabhängig von dem gewählten Prüfungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG - den Gesetzgeber bereits aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) für verpflichtet hält, für Kapitalgesellschaften, die ihre wirtschaftliche Identität gemessen an der Neuregelung schon vor dem 1. Januar 1997 verloren haben, eine Übergangsregelung zu schaffen (im ursprünglichen Vorlagebeschluss hatte er dies offen gelassen), oder ob und warum es für eine solche Verpflichtung - ungeachtet ihrer Ableitung aus dem Gebot des Vertrauensschutzes - darauf ankommen soll, dass der Gesetzgeber eine Übergangsregelung für die Vergleichsgruppe der Kapitalgesellschaften, die ihre wirtschaftliche Identität erst zwischen dem 1. Januar 1997 und dem 5. August 1997 verloren haben, tatsächlich getroffen hat.

53

b) Jedenfalls setzt sich die Vorlage nicht ausreichend mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und mit der im Ergänzungsbeschluss herangezogenen Verfassungsrechtsprechung auseinander.

54

aa) Im Vorlagebeschluss weicht der Bundesfinanzhof in mehrfacher Hinsicht von - im Schrifttum geteilten - Wertungen der eigenen Rechtsprechung ab, ohne diese Abweichungen zu thematisieren.

55

(1) Dies gilt zunächst, soweit er aus dem Ablauf mindestens eines Veranlagungszeitraums und dem Erlass eines rechtmäßigen Verlustfeststellungsbescheides eine schutzwürdige Bekräftigung von Vertrauen für das Folgejahr herleitet. Nach seinem Urteil vom 11. Februar 1998 (- I R 81/97 -, juris, Rn. 16 f. = BFHE 185, 393 <396 f.> = BStBl II 1998, S. 485) wird der Gesetzgeber durch den Bescheid nach § 10d EStG nicht dahin präjudiziert, den Feststellungen auch zukünftig materiell entsprechen zu müssen. Die im Urteil vom 22. Oktober 2003 (- I R 18/02 -, juris, Rn. 22 f. = BFHE 204, 273 <277> = BStBl II 2004, S. 468) angenommene Bindungswirkung des Feststellungsbescheides für die zukünftige steuerliche Abzugsfähigkeit des Verlustes steht unter dem Vorbehalt einer gleich bleibenden Gesetzeslage. Mit Urteil vom 27. August 2008 (- I R 78/01 -, juris, Rn. 19 = BFHE 222, 528 <532 f.>) entschied der I. Senat des Bundesfinanzhofs speziell zur Anwendung von § 8 Abs. 4 KStG (i.d.F. des UntStRFoG), in einem Fall, in dem der Verlust der wirtschaftlichen Identität zwischen dem 1. Januar und dem 5. August 1997 eingetreten sei, stehe der Versagung des Verlustabzugs im Jahr 1998 nicht entgegen, dass das Finanzamt den verbleibenden Verlustvortrag auf den 31. Dezember 1997 positiv festgestellt habe; denn diese Feststellung sei - aufgrund der Übergangsregelung des § 54 Abs. 6 KStG (i.d.F. des RVFinG) - nach der bis dahin geltenden Rechtslage erfolgt und habe unter dem Vorbehalt des Verlustes der wirtschaftlichen Identität nach Maßgabe der neuen Regelungslage im folgenden Veranlagungszeitraum gestanden.

56

In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung wird in der Literatur gleichfalls die Auffassung vertreten, dass den - vor dem Inkrafttreten der Verschärfung des § 8 Abs. 4 KStG - festgestellten Verlusten keine Bindungswirkung zukomme, da sich die Rechtslage geändert habe (vgl. Lang, in: Ernst & Young, KStG, § 8 Rn. 1304.1 ; Frotscher, in Frotscher/Maas, KStG, § 8 Rn. 182c ).

57

(2) Auch im Übrigen stehen die Ausführungen im Vorlagebeschluss im Widerspruch zu den Wertungen des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil vom 27. August 2008 (- I R 78/01 -, juris, Rn. 20 ff. = BFHE 222, 528 <533 ff.>). In dieser Entscheidung hat der vorlegende I. Senat angenommen, dass die Anwendung der Neuregelung des § 8 Abs. 4 KStG auf eine Kapitalgesellschaft, die ihre wirtschaftliche Identität im Jahr 1997 vor dem 6. August verloren hat, für das Folgejahr 1998 nicht in rechtsstaatlich unzulässiger Weise in bereits abgeschlossene Sachverhalte eingreife und das Vertrauen der beteiligten Steuerpflichtigen verletze. Dabei hat der I. Senat zwar offen gelassen, ob die Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers aus Gründen des Vertrauensschutzes derart begrenzt sind, dass er für den im Zeitpunkt einer Unternehmensumstrukturierung laufenden Veranlagungszeitraum keinen Ausschluss des Verlustabzugs mehr anordnen dürfte. Jedenfalls erachtet der I. Senat es in dieser Entscheidung aber als zu weitgehend, solche Begrenzungen generell auch für nachfolgende Besteuerungszeiträume zu verlangen, wenn - wie bei der Frage der Verlustabzüge von Kapitalgesellschaften - nicht die bloße Abschöpfung von Besteuerungspotentialen im Vordergrund stehe, sondern die typisierte Missbrauchsabwehr, bei welcher seit jeher - und damit auch nach der Regelungsfassung des § 8 Abs. 4 KStG a.F. (Fassung des StRefG 1990) - mit einem einschränkenden Eingreifen des Gesetzgebers habe gerechnet werden müssen.

58

Nach diesen Maßstäben ist - anders als nach dem Vorlagebeschluss - das Vertrauen der Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität (i.S. des UntStRFoG) erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August verloren haben, schutzwürdiger als dasjenige der Körperschaften, bei denen dies - gemessen an der Neuregelung - bereits vor dem 1. Januar 1997 der Fall war. Wenn nach Auffassung des Bundesfinanzhofs Vertrauensschutz allenfalls in Bezug auf den Veranlagungszeitraum besteht, in welchem die Dispositionen (Umstrukturierungsmaßnahmen) vorgenommen werden, so kam allein denjenigen Körperschaften, bei denen die Umstrukturierung im laufenden Jahr 1997 - vor dem 6. August - vorgenommen wurde, ein solcher Vertrauensschutz zu, dem der Gesetzgeber durch das zeitliche Hinausschieben der Verlustabzugsbeschränkung bis in das Jahr 1998 mithilfe des § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG (i.d.F. des RVFinG) Rechnung getragen hat. Im Unterschied dazu hätte ein dispositionsbezogenes schutzwürdiges Vertrauen bei den Altfällen, bei denen die Umstrukturierung bereits vor 1997 erfolgte, allenfalls im Jahr der Umstrukturierung, nicht aber noch im Jahr 1997 bestanden, so dass gerade keine Vergleichbarkeit beider Fallgruppen vorliegt (ebenso Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, § 8 Rn. 182c ). Diesem Grundgedanken entspricht die vom Bundesministerium der Finanzen betonte Differenzierung des Gesetzgebers danach, ob das Unternehmen seinen Verlust mindestens einmal (im Veranlagungszeitraum der Disposition) geltend machen konnte.

59

(3) Das weitere Argument des Bundesfinanzhofs im Vorlagebeschluss, es könne nicht unterstellt werden, dass die Neuregelung diese Unternehmen wirtschaftlich weniger hart treffe, weil sie Verluste möglicherweise noch nicht hätten nutzen können, vernachlässigt die sich insbesondere nach dem Regelungszweck von § 8 Abs. 4 KStG aufdrängende Frage, inwieweit das Interesse von Unternehmen an einer tatsächlichen oder gar bestmöglichen Nutzung von Verlusten in späteren Veranlagungszeiträumen schutzwürdig ist. Wenn, wie der Bundesfinanzhof im Urteil vom 27. August 2008 (- I R 78/01 -, juris, Rn. 25 = BFHE 222, 528 <536>) ausgeführt hat, § 8 Abs. 4 KStG der Missbrauchsbekämpfung diente und deshalb mit einem einschränkenden Eingreifen des Gesetzgebers in den nachfolgenden Besteuerungszeiträumen von vornherein gerechnet werden musste, hatten die Körperschaften Veranlassung, bereits im Jahr der Umstrukturierung - wegen der möglichen zukünftigen Einschränkung des Verlustabzugs - eine Entscheidung darüber zu treffen, ob angefallene Verluste noch in demselben Jahr zur Verrechnung mit aufzudeckenden stillen Reserven genutzt werden sollten. Dazu verhält sich der Vorlagebeschluss jedoch nicht.

60

(4) Schließlich bleibt bei der Frage der Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Fortbestand der Verlustnutzung die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum zeitlichen Anwendungsbereich von § 8 Abs. 4 KStG in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 unerwähnt (Urteil vom 11. Februar 1998 - I R 81/97 -, juris, Rn. 10 ff. = BFHE 185, 393 <394 ff.> = BStBl II 1998, S. 485). Danach war der mit dem Steuerreformgesetz 1990 neu eingeführte § 8 Abs. 4 KStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 1990 anzuwenden und erfasste das bei Wegfall der wirtschaftlichen Identität angeordnete Verlustabzugsverbot - in verfassungsrechtlich zulässiger Weise - auch die vor 1990 entstandenen Altverluste. Diese Rechtsprechung legte nahe, dass der Gesetzgeber im Falle einer späteren Verschärfung des § 8 Abs. 4 KStG eine vergleichbare Anwendungsregelung erlassen und dabei ebenfalls die Altverluste miteinbeziehen würde.

61

bb) Im Ergänzungsbeschluss geht der Bundesfinanzhof von den vom Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 1 <18>; 127, 31 <48>; 127, 61 <77>) entwickelten Rechtsgrundsätzen aus, nach denen eine unechte Rückwirkung mit den Grundsätzen des grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur vereinbar ist, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren gewahrt bleibt.

62

Er nimmt an, dass von der Neuregelung des § 8 Abs. 4 KStG durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform in erheblichem Umfang auch Fälle erfasst werden, bei denen keine missbräuchliche Gestaltung vorliegt. Im Folgenden betrachtet er diese Fälle allerdings allein unter dem Aspekt der Rückwirkung, nicht dagegen, soweit die Neufassung von § 8 Abs. 4 KStG auf Umstrukturierungsmaßnahmen nach dem 5. August 1997 Anwendung findet. Für die - nicht missbräuchlichen - Altfälle sei ein übergangsloser Wegfall des Verlustvortrags nicht "abwägungsgerecht". Dahinter mag die Überlegung stehen, dass Unternehmen bei Umstrukturierungsmaßnahmen vor 1997 jedenfalls mit Änderungen von § 8 Abs. 4 KStG, die über die Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen hinausgehen, nicht zu rechnen brauchten.

63

(1) Der vorlegende Senat quantifiziert allerdings seine Annahme, die Neuregelung weise eine - gemessen an dem gesetzgeberischen Ziel der Missbrauchsbekämpfung - erhebliche überschießende Wirkung auf, weder für Neufälle noch für die hier relevanten Altfälle näher; ebenso wenig belegt er sie. Der naheliegenden Frage, ob § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG (i.d.F. des UntStRFoG) wegen der im Steuerrecht bestehenden Befugnis des Gesetzgebers zur Typisierung (vgl. BVerfGE 84, 348 <359>; 122, 210 <232 f.>; 126, 268 <278 f.>; für Übergangsregelungen vgl. BVerfGE 75, 246 <282>) - hier: der typisierenden Bekämpfung von missbräuchlichen Gestaltungen - verfassungsrechtlich sowohl für Neufälle als auch insoweit hingenommen werden kann, als der Vorschrift wegen § 54 Abs. 6 KStG (i.d.F. des RVFinG) Rückwirkung zukommt, geht er nicht nach. Dabei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Gesetzgeber durch Einfügung von § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG die - nicht missbräuchlichen - Sanierungsfälle von der Missbrauchsbekämpfungsregelung ausgenommen hat (vgl. Bieber, Die Verfassungsmäßigkeit der Einschränkung des steuerrechtlichen Verlustausgleichs und Verlustabzugs, 2006, S. 264 ff.).

64

(2) Die Erwägung, der Gesetzgeber wäre gehalten gewesen, für die Fälle einer Umstrukturierung vor dem 1. Januar 1997 (Fallgruppe 1) "ebenso" wie in Fällen, in denen die wirtschaftliche Identität zwischen dem 1. Januar 1997 und dem 6. August 1997 verloren gegangen sei (Fallgruppe 2), zumindest "eine Verlustnutzung für einen Übergangszeitraum von einem Jahr" zu gewähren, steht erneut im Widerspruch zum Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27. August 2008 (- I R 78/01 -, juris, Rn. 25 = BFHE 222, 528 <535 f.>). Mit dem Übergangszeitraum von einem Jahr ist - wie sich aus den anschließenden Ausführungen des vorlegenden Senats zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 31 ff.) ergibt (s. dazu unten unter (3)) - eine Verlustnutzung in dem auf die Umstrukturierung folgenden Veranlagungsjahr gemeint. Eine solche Verlustnutzung sieht § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG (i.d.F. des RVFinG) indes auch für die Fallgruppe 2 nicht vor. Denn bei diesen Unternehmen wird eine Verlustverrechnung allein und einmalig im laufenden Dispositionsjahr 1997, nicht aber übergangsweise auch im nachfolgenden Veranlagungszeitraum 1998 gewährt (vgl. BFH, Urteil vom 27. August 2008 - I R 78/01 -, juris, Rn. 25 = BFHE 222, 528 <535 f.>).

65

(3) Soweit der Bundesfinanzhof die (grundrechtliche oder rechtsstaatliche) Notwendigkeit einer Übergangsvorschrift auch für die Fallgruppe 1 aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 31) zur rückwirkenden Tariferhöhung für Entschädigungen wegen eines Arbeitsplatzverlustes ableitet und meint, danach dürfe eine in einem Veranlagungszeitraum getroffene und nicht mehr rückgängig zu machende Maßnahme regelmäßig nicht schon im nächsten Veranlagungszeitraum zu Rechtsfolgen führen, die ungünstiger seien als die im Zeitpunkt der Maßnahme vorgesehenen, legt er die Vergleichbarkeit des jener Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts mit dem hier zu beurteilenden nicht ausreichend dar.

66

Dort stellte sich wegen des teilweise erheblichen Zeitablaufs zwischen Vereinbarung und Auszahlung der Entschädigung für einen Arbeitsplatzverlust die Frage, ob Vertrauensschutz die Besteuerung nach der zum Zeitpunkt der Vereinbarung geltenden (günstigeren) Tarifermäßigungsregelung gebietet. Der Senat hat entschieden, dass es dafür darauf ankommt, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Steuerpflichtige mit etwaigen Rechtsänderungen habe rechnen müssen (vgl. BVerfGE 127, 31 <50 ff.>). Als weniger schutzwürdig hat er Vereinbarungen über eine bestimmte Entschädigung angesehen, soweit der Beendigungs- und Zahlungszeitpunkt über einen längeren Zeitraum als über das Folgejahr hinaus verschoben wurde. Dagegen sei die Schutzwürdigkeit nicht gemindert, wenn die Auszahlung der Entschädigung für das Folgejahr der Vereinbarung bestimmt worden sei, auch wenn dazwischen eine gewisse Zeitspanne liege. Denn diese Zeitspanne bewege sich ohne weiteres in dem für Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 a) EStG üblichen Rahmen. Bei Arbeits- oder Dienstverhältnissen gehe es um Entschädigungen im Zusammenhang mit Kündigungen oder möglichen Kündigungen seitens des Arbeitgebers oder Dienstherrn, bei denen das beiderseitige Interesse der Beteiligten an einem gewissen zeitlichen Abstand zwischen Entschädigungsvereinbarung und Zahlung bei Beendigung des bisherigen Arbeits- oder Dienstverhältnisses evident sei. Schon zum Zeitpunkt der Entschädigungsvereinbarung müssten sich aber beide Seiten entscheiden, auf welche Bedingungen sie sich für die Beendigung des bisherigen Rechtsverhältnisses einlassen wollten. Auch soweit der Beendigungszeitpunkt nicht in das Jahr der Vereinbarung, sondern erst in das Folgejahr falle, entstehe so ein besonderes Schutzbedürfnis im Hinblick auf die Abschätzbarkeit des wirtschaftlichen Ergebnisses der Vereinbarung.

67

Dass Kapitalgesellschaften, die angefallene Verluste in den auf den vollständigen Abschluss einer Umstrukturierung im Sinne von § 8 Abs. 4 KStG (i.d.F. des UntStRFoG: Übertragung von mehr als 50 % der Gesellschaftsanteile, Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens und Fortsetzung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs) folgenden Veranlagungsjahren weiterhin nutzen wollen, in gleicher Weise schutzwürdig sind, zeigt der Bundesfinanzhof in seinem Ergänzungsbeschluss nicht auf.

Tenor

§ 23a Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 Satz 1 des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 2004 (GVBl S. 298), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat Sachsen und zur Änderung anderer Gesetze vom 19. Mai 2010 (GVBl S. 142), ist mit Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz unvereinbar und nichtig, soweit er die Schulnetzplanung für Grund- und Mittelschulen betrifft.

Gründe

A.

1

Die Vorlage des Verwaltungsgerichts Dresden betrifft die in § 23a des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 2004, SächsGVBl Jg. 2004, Bl.-Nr. 15, S. 298 (SchulG) geregelte Schulnetzplanung. Sie wirft die Frage auf, ob die durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden einer Übertragung der Standortplanung für allgemein bildende Schulen auf die Kreise entgegensteht und in welchem Umfang sie die Beteiligung der kreisangehörigen Gemeinden an dieser Planung erfordert.

I.

2

1. Träger der allgemein bildenden Schulen im Freistaat Sachsen sind gemäß § 22 Abs. 1 SchulG grundsätzlich die Gemeinden. § 21 Abs. 2 SchulG berechtigt und verpflichtet die Schulträger, öffentliche Schulen einzurichten und fortzuführen, wenn dafür ein öffentliches Bedürfnis besteht; dieses richtet sich in erster Linie nach der in § 4a SchulG bestimmten Mindestschülerzahl für jede Schulart.

3

2. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung im Freistaat Sachsen schuf der Landesgesetzgeber mit Art. 6 des Gesetzes über Maßnahmen zur Sicherung der öffentlichen Haushalte 2001 und 2002 im Freistaat Sachsen (Haushaltsbegleitgesetz 2001 und 2002) und zur Änderung der Vorläufigen Haushaltsordnung des Freistaates Sachsen vom 14. Dezember 2000 (GVBl S. 513) § 23a SchulG, der den kreisfreien Städten und den Landkreisen die Aufgabe einer Schulnetzplanung für ihr Gebiet zuweist. Gegenstand der Schulnetzplanung ist die Ausweisung der Schulstandorte und des mittel- und langfristigen Schulbedarfs. Die Schulnetzpläne werden von den kreisfreien Städten und den Landkreisen "im Benehmen" mit den kreisangehörigen Gemeinden aufgestellt und sollen die Grundlage für ein alle Bildungsgänge umfassendes, regional ausgeglichenes und unter zumutbaren Bedingungen erreichbares Bildungsangebot schaffen. § 23a SchulG lautet:

(1) Die Landkreise und Kreisfreien Städte stellen Schulnetzpläne für ihr Gebiet auf. Die Schulnetzplanung soll die planerische Grundlage für ein alle Bildungsgänge umfassendes, regional ausgeglichenes und unter zumutbaren Bedingungen erreichbares Bildungsangebot schaffen. Dabei sind vorhandene Schulen in freier Trägerschaft sowie bei den berufsbildenden Schulen die Möglichkeit der betrieblichen Aus- und Weiterbildung zu berücksichtigen. Die Ziele der Raumordnung und der Landesplanung sind zu beachten.

(2) In den Plänen werden der mittelfristige und langfristige Schulbedarf sowie die Schulstandorte ausgewiesen. Für jeden Schulstandort ist anzugeben, welche Bildungsangebote dort vorhanden sind und für welche räumlichen Bereiche (Einzugsbereiche) sie gelten sollen. Es sind auch die Bildungsbedürfnisse zu berücksichtigen, die durch Schulen für das Gebiet nur eines Schulträgers nicht sinnvoll befriedigt werden können. Schulnetzpläne müssen die langfristige Zielplanung und die Ausführungsmaßnahmen unter Angabe der Rangfolge ihrer Verwirklichung enthalten.

(3) Die Schulnetzpläne sind im Benehmen mit den Gemeinden und den übrigen Trägern der Schulen des Gebietes aufzustellen. Die Pläne sind mit benachbarten Landkreisen und Kreisfreien Städten abzustimmen.

(4) Die Schulnetzpläne bedürfen der Genehmigung der obersten Schulaufsichtsbehörde. Diese überprüft die Rechtmäßigkeit und Vereinbarkeit der Pläne mit den schulpolitischen und den sich aus dem Staatshaushaltsplan ergebenden Maßnahmen, insbesondere um zu gewährleisten, dass die personelle Ausstattung der Schulen im Rahmen der Bedarfs- und Finanzplanung des Freistaates Sachsen möglich ist. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Schulnetzplanung mit den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Anforderungen nicht übereinstimmt oder einer den Maßgaben des Freistaates Sachsen entsprechenden ordnungsgemäßen Gestaltung des Unterrichts entgegensteht.

(5) Beschlüsse des Schulträgers und Entscheidungen des Staatsministeriums für Kultus nach § 24 erfolgen auf der Grundlage eines genehmigten Schulnetzplanes.

(6) Das Staatsministerium für Kultus wird ermächtigt, das Nähere zur Aufstellung, Fortschreibung und Genehmigung der Schulnetzpläne durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern zu regeln.

In § 24 SchulG ist bestimmt:

(1) Der Beschluss eines Schulträgers über die Einrichtung einer öffentlichen Schule bedarf der Zustimmung der obersten Schulaufsichtsbehörde.

(2) Stellt die oberste Schulaufsichtsbehörde fest, dass ein öffentliches Bedürfnis für die Einrichtung einer öffentlichen Schule besteht und erfüllt der Schulträger die ihm nach § 21 Abs. 2 obliegende Verpflichtung nicht, trifft die Rechtsaufsichtsbehörde die notwendigen Maßnahmen; der Schulträger ist vorher zu hören.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend für die Aufhebung einer öffentlichen Schule. Stellt die oberste Schulaufsichtsbehörde fest, dass das öffentliche Bedürfnis für die Fortführung der Schule oder eines Teils derselben nicht mehr besteht, kann sie die Mitwirkung des Freistaates an der Unterhaltung der Schule widerrufen; der Schulträger ist vorher zu hören.

(4) Die Vorschriften über die Einrichtung und Aufhebung einer öffentlichen Schule gelten entsprechend für die Änderung einer öffentlichen Schule. (…)

4

Die Übertragung der Schulnetzplanung auf die Landkreise bedeutet nach Einschätzung des Gesetzgebers teilweise die Hochzonung einer bisher den kreisangehörigen Gemeinden zugewiesenen Aufgabe, teilweise aber auch die Kommunalisierung einer staatlichen Aufgabe. Die kreisangehörigen Gemeinden seien zu einer regional abgestimmten Schulstandortplanung überwiegend nicht in der Lage. Es habe sich gezeigt, dass die Gemeinden überwiegend keine Schulnetzpläne aufgestellt und von gebotenen Schulschließungen abgesehen hätten (LTDrucks 3/2401, S. 84).

II.

5

Klägerin des Ausgangsverfahrens ist die Stadt Seifhennersdorf, eine kreisangehörige Gemeinde im Landkreis Görlitz, die unter anderem Trägerin einer Grund- und einer Mittelschule ist. Sie wendet sich gegen einen Bescheid des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus als der obersten Schulaufsichtsbehörde vom 20. Dezember 2010, mit dem der für die Jahre 2010 bis 2015 fortgeschriebene Schulnetzplan genehmigt wurde. In diesem ist die Schließung der von der Klägerin getragenen Mittelschule vorgesehen.

6

Die Klägerin sieht sich durch die Hochzonung der Schulnetzplanung auf die Kreisebene in ihrem Recht auf Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG; Art. 82 Abs. 2 SächsVerf) verletzt, das auch das Recht beinhalte, Träger der allgemeinbildenden Schulen zu sein. Soweit § 23a SchulG Grund- und Mittelschulen betreffe, sei er verfassungswidrig. Durch die Verpflichtung von Landkreisen und Kreisfreien Städten, bei Aufstellung der Schulnetzplanung lediglich das Benehmen mit den kreisangehörigen Gemeinden herzustellen, werde ihr Recht auf Selbstverwaltung nicht hinreichend gewahrt. Der angefochtene Bescheid vom 20. Dezember 2010 beruhe deshalb nicht auf einer wirksamen Ermächtigung.

III.

7

Das Verwaltungsgericht Dresden hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 23a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar ist.

8

1. Die Verfassungsmäßigkeit von § 23a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG sei entscheidungserheblich. Wäre die Vorschrift verfassungsgemäß, sei die Klage mangels Klagebefugnis abzuweisen. Zur Begründung von subjektiven Rechten der Klägerin könne nicht auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 GG abgestellt werden, weil § 23a SchulG den Gewährleistungsbereich der in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten Selbstverwaltungsgarantie auf die in der Bestimmung zugewiesenen Rechtspositionen begrenze. Auch aus der Benehmensregelung des § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG vermöge die Klägerin keine Klagebefugnis herzuleiten. Materielle Rechte könne sie nur insoweit im Wege der Benehmensregelung geltend machen, wie ihr außerhalb derselben subjektive Rechte zustünden. Wäre § 23a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG dagegen verfassungswidrig, sei der Klage stattzugeben. Denn das Recht aus Art. 28 Abs. 2 GG, das als Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung die Schulträgerschaft jedenfalls hinsichtlich der Grundschule umfasse, wäre in diesem Fall nicht durch § 23a SchulG eingeschränkt und durch den angegriffenen Genehmigungsbescheid verletzt, weil er ohne gesetzliche Grundlage oder ohne verfassungsgemäße Beteiligung der Klägerin ergangen wäre.

9

2. Das Verwaltungsgericht ist von der Verfassungswidrigkeit des § 23a Abs. 1 und Abs. 3 SchulG überzeugt.

10

a) Die Zuweisung der Schulnetzplanung durch § 23a Abs. 1 SchulG an die Landkreise bedeute eine unzulässige Hochzonung einer kommunalen Aufgabe. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 26, 228 ff.) ergebe sich, dass die Schulträgerschaft der Volksschulen, worunter heute jedenfalls die Grundschulen fielen, prinzipiell den Gemeinden zustehe. Selbst wenn einzelne Gemeinden nicht in der Lage seien, Träger einer Volksschule zu sein, dürfe der Staat in deren Schulträgerschaft nur eingreifen, wenn sie keine geeignete Lösung fänden, etwa durch Zusammenschluss zu einem leistungsfähigen Schulträger mit anderen Gemeinden im Wege der kommunalen Zusammenarbeit.

11

Die Zuständigkeit der kreisangehörigen Gemeinden für die Schulträgerschaft werde dadurch beeinträchtigt, dass § 23a SchulG ihnen die Schulnetzplanung entziehe und den Landkreisen übertrage. Der Schulnetzplan schaffe die Grundlage für den Entzug der staatlichen Mitwirkung an der Unterhaltung einer Schule (§ 24 SchulG). Durch den Schulnetzplan und die später darauf aufbauende Entziehung der staatlichen Mitwirkung werde es den Gemeinden faktisch unmöglich gemacht, ihrer Schulträgerschaft auch für Grundschulen nachzukommen. Das verletze Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Jedenfalls die Schulnetzplanung für Grundschulen sei wegen des starken Bezugs zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ein wesentlicher Teil der gemeindlichen Selbstverwaltung.

12

Der vollständige, sich auch auf die Grundschulen erstreckende Entzug der Schulnetzplanung werde durch die Erwägungen des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt. Dieser berufe sich auf die demographische Entwicklung, die eine bessere Koordinierung der Schulstandorte erfordere. Insofern handele es sich jedoch um reine Wirtschaftlichkeitserwägungen ohne rechtlichen Gehalt, die das Recht der Gemeinden missachteten, alle im Zusammenleben vor Ort wurzelnden Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft selbst zu regeln. Soweit sich der Gesetzgeber darauf beziehe, dass einzelne Gemeinden erforderliche Schulschließungen nicht vorgenommenen hätten, könne dem mit den Mitteln der Aufsicht begegnet werden. Die Zuständigkeit der Gemeinden für die Errichtung und Unterhaltung der Schulen werde bereits aus vielfältigen Gründen durch die staatliche Schulhoheit (Art. 7 Abs. 1 GG) eingeschränkt. Umso wichtiger sei es, die Zuständigkeit für die örtliche Schulnetzplanung bei den Gemeinden zu belassen. Sie betreffe in erheblichem Maße das Zusammenleben der Menschen in ihrer Gemeinde. Zudem habe der Juristische Dienst des Sächsischen Landtags im Jahre 2002 festgestellt, dass das örtliche Schüleraufkommen aus kreisangehörigen Gemeinden oder freiwillig gebildeten Verwaltungsgemeinschaften im Regelfall ausreiche, um eine Grundschule zu betreiben. Vor diesem Hintergrund greife die Verlagerung der Schulnetzplanung für Grundschulen auf die Landkreise in den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie ein.

13

Die Regelung sei auch unverhältnismäßig, weil sie nicht danach unterscheide, ob eine Gemeinde in der Lage sei, eine Schulnetzplanung selbst durchzuführen, ob sie bereit sei, die Schulnetzplanung freiwillig abzugeben, oder ob sie sich entschließe, die Schulnetzplanung in kommunaler Zusammenarbeit zu erfüllen.

14

b) Die Benehmensregel des § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG verstoße sowohl für die Grundschulen als auch für die Mittelschulen gegen Art. 28 Abs. 2 GG.

15

Zwar habe die Schulnetzplanung hinsichtlich der Mittelschulen nicht den gleichen örtlichen Bezug wie hinsichtlich der Grundschulen. Weiterführende Schulen beträfen nicht unbedingt das Zusammenleben und -wohnen vor Ort, da sich die Schüler einer Gemeinde auf verschiedene weiterführende Schulen aufteilten. Ein erheblicher Teil besuche das Gymnasium, das schon zur Erreichung des notwendigen Angebotsstandards auf die Bildung von Zentren angewiesen und somit auf Überörtlichkeit angelegt sei. Hinsichtlich der weiterführenden Schulen sei die durch § 23a SchulG eingeführte Beschränkung der Selbstverwaltung daher auch gerechtfertigt.

16

Hinsichtlich der Mittelschulen sei der Gesetzgeber jedoch weniger frei, da diese auch den Hauptschulbildungsgang umfassten und damit die ehemalige weiterführende Volksschule, deren Trägerschaft zu den örtlichen Angelegenheiten rechne. Den Gemeinden müsse daher auch bei der Schulnetzplanung für Mittelschulen eine stärkere Mitwirkungsmöglichkeit eingeräumt werden, als dies bei einer Benehmensherstellung der Fall sei.

17

Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieses Eingriffs gälten die gleichen Erwägungen wie im Rahmen von § 23a Abs. 1 SchulG. Die vorgesehene Begrenzung der Mitwirkung für kreisangehörige Gemeinden sei auch deshalb unverhältnismäßig, weil sie allen kreisangehörigen Gemeinden, unabhängig von Größe und Leistungsfähigkeit, eine rechtlich verbindliche Einwirkung auf die Schulnetzplanung versage.

18

3. Eine verfassungskonforme Auslegung hält das Verwaltungsgericht nicht für möglich. Aus der gesetzlichen Formulierung in § 23a Abs. 1 SchulG ergebe sich ausdrücklich, dass die kreisangehörigen Gemeinden von der Schulnetzplanung ausgeschlossen seien. Auch der Begriff des "Benehmens" in § 23a Abs. 3 SchulG sei ein klar konturierter Rechtsbegriff, der eine stärkere Beteiligung als eine "bessere Anhörung" nicht zulasse.

IV.

19

Die Klägerin und der Landkreis als Beigeladener des Ausgangsverfahrens sowie für den beklagten Freistaat Sachsen das Staatsministerium der Justiz und für Europa haben zu dem Vorlagebeschluss Stellung genommen. Weitere Stellungnahmen von Äußerungsberechtigten sind nicht eingegangen.

20

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hält die Vorlage des Verwaltungsgerichts für begründet. Die Schulnetzplanung auf der Grundlage von § 23a SchulG bedeute für die kreisangehörigen Gemeinden eine verbindliche Festlegung der Schulstandorte durch die Landkreise. Diese Hochzonung eines Teils ihrer planerischen Kompetenzen verletze das Recht der kreisangehörigen Gemeinden auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG.

21

Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiere den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gemeinden hätten daher das Recht, die Aufgabe des Schulträgers im Rahmen der Gesetze in alleiniger Entscheidungskompetenz ungestört und unbeeinflusst auszuüben. Zu dieser Aufgabe gehörten unter anderem die planerischen Entscheidungen im Zusammenhang mit Standortwahl, Betrieb, Einrichtung, Aufrechterhaltung, Art und Umfang der Schule, die Wahl des Schulgebäudes, Zügigkeit und Klassenbildung, und damit auch die Schulnetzplanung. Bei einer durch Hochzonung erfolgten Aufgabenverlagerung müsse die Zuständigkeit der Gemeinden zumindest durch ein angemessenes Beteiligungsrecht kompensiert werden.

22

§ 23a SchulG greife in die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG ein, weil den Gemeinden durch die Hochzonung der Schulnetzplanung auf die Ebene der Landkreise eine Aufgabe entzogen worden sei. § 23a Abs. 1 und Abs. 3 SchulG beeinträchtigten auch die von Art. 28 Abs. 2 GG garantierte Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung. Zwar blieben die Gemeinden Schulträger; sie könnten aber nicht mehr über Schulstandort, Schulart, Zügigkeit, Klassenstärke oder das angebotene Leistungsspektrum wie etwa Ganztagsschulen entscheiden, da dies durch den Schulnetzplan verbindlich vorgegeben werde.

23

Das Benehmenserfordernis genüge dem aus Art. 28 Abs. 2 GG abzuleitenden Beteiligungsanspruch bei der Hochzonung einer kommunalen Aufgabe nicht. Schulnetzpläne dürften von den Landkreisen allenfalls im Einvernehmen mit den kreisangehörigen Gemeinden aufgestellt werden. Dabei erforderten die Interessen der Gemeinden eine umso stärkere verfahrensrechtliche Einbindung, je enger die jeweilige Aufgabe an die örtliche Gemeinde gebunden sei.

24

2. Die Sächsische Staatsregierung hält die Vorlage für unzulässig (a), jedenfalls für unbegründet (b).

25

a) Das Verwaltungsgericht erfülle die Darlegungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht. Die Ausführungen des Gerichts seien sowohl unzureichend als auch inhaltlich unzutreffend und daher nicht geeignet, die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Normen zu begründen.

26

aa) Das Verwaltungsgericht habe nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Schulnetzplanung eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft sei. Es hätte insofern zwischen Schulträgerschaft und Schulnetzplanung unterscheiden müssen. Eine Schulnetzplanung im Sinne von § 23a SchulG könne mit Blick auf das landesweit anzustrebende regional ausgewogene Bildungsprogramm nur sinnvoll gelingen, wenn die Planungsaufgaben oberhalb der Ebene kreisangehöriger Gemeinden wahrgenommen würden. Der Gesetzgeber habe mit § 23a SchulG die aus der staatlichen Schulhoheit abzuleitenden staatlichen Planungsaufgaben auf die Landkreise und Kreisfreien Städte übertragen. Auch die demographische Entwicklung spreche dagegen, die Schulnetzplanung als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft einzustufen. Diese auch der Gesetzesbegründung zugrunde liegenden Erwägungen seien im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts keine reinen Wirtschaftlichkeitserwägungen. Vielmehr könne, wenn die Schülerzahlen im ländlichen Raum zurückgingen und andere Maßnahmen nicht gleich effektiv seien, der Staat ein regional ausgewogenes Bildungsangebot nur durch die Reduzierung der Anzahl von Schulen aufrechterhalten.

27

bb) Das Verwaltungsgericht habe auch einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht nicht ausreichend begründet.

28

(1) Die Schulnetzplanung könne als vorgelagerte Fachplanung nicht in das kommunale Selbstverwaltungsrecht eingreifen. Der Schulnetzplan lege nur fest, über welche Schulen die Schulträger "Beschlüsse fassen sollen". Diese Entscheidungen orientierten sich an den tatsächlichen Anmeldezahlen eines Schuljahres, seien also unabhängig von den in einem Schulnetzplan enthaltenen mehrjährigen Prognosen. Eine Aussage im Schulnetzplan sei zwar Voraussetzung für einen Entzug der staatlichen Mitwirkung an einer Schule. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe eine Planaussage aber keine unmittelbare Wirkung auf die Schulträgerschaft. Erst deren Umsetzung durch eine am öffentlichen Bedürfnis orientierte Maßnahme der Schulaufsichtsbehörde nach § 24 SchulG könne zur Schließung einer Schule führen.

29

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts würden den Gemeinden auch keine selbständigen Lösungen bei einem Rückgang der Schülerzahlen verwehrt. Es bleibe dem Schulträger überlassen, wie er auf eine sich abzeichnende unzureichende Auslastung einer Schule reagiere. Neben der Schulschließung sei eine Änderung des Schulbezirks oder des Schuleinzugsbereichs denkbar.

30

cc) Schließlich hätte das Verwaltungsgericht eine verfassungskonforme Auslegung prüfen müssen. Es sei nämlich nichts dafür ersichtlich, dass die in § 23a Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 SchulG näher konkretisierte Schulnetzplanung einer örtlichen Schulentwicklungsplanung entgegenstehe.

31

b) Die Vorlage sei auch unbegründet. Die Schulnetzplanung nach § 23a Abs. 1 SchulG greife nicht in das Selbstverwaltungsrecht der klagenden Gemeinde ein (aa); ein Eingriff wäre jedenfalls aber gerechtfertigt (bb). Auch § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG sei nicht zu beanstanden (cc).

32

aa) Die Schulnetzplanung habe das Ziel, eine dem öffentlichen Bedürfnis entsprechende ausgeglichene Verteilung von Lehrerressourcen und sächlichen und finanziellen Mitteln des Freistaates Sachsen und der Schulträger zu ermöglichen (§ 1 SchulnetzVO). Das zeige, dass es allein um die überörtliche Planung und Koordinierung gehe, die sinnvoll nicht durch kreisangehörige Gemeinden erfolgen könne. Um ein regional ausgewogenes Bildungsangebot sicherzustellen, müsse angesichts der demographischen Entwicklung der Schülerzahlen bereits auf der Grundschulebene überörtlich geplant werden. Demgegenüber falle die "örtliche Schulnetzplanung" im Sinne der Entscheidung über den konkreten Standort einer Schule innerhalb der Gemeinde in den Schutzbereich von Art. 28 Abs. 2 GG und sei den Gemeinden auch verblieben.

33

bb) Ein etwaiger Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie sei jedenfalls gerechtfertigt. Die staatliche Schulhoheit beinhalte die Befugnis zur Organisation, Leitung und Planung des gesamten Schulwesens mit dem Ziel, ein Schulsystem zu gewährleisten, das allen jungen Bürgern Bildungsmöglichkeiten entsprechend ihren Fähigkeiten eröffne. Das Spannungsverhältnis zwischen der Selbstverwaltungsgarantie und der staatlichen Schulhoheit sei so aufzulösen, dass den Gemeinden das Recht der Schulträgerschaft zustehe, soweit dieses mit den staatlich allgemein festgelegten Zielen für die Ausgestaltung des Schulwesens vereinbar sei. Ein ausgewogenes Bildungssystem setze gewisse Mindestschülerzahlen voraus. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich anerkannt, dass die kommunale Schulträgerschaft an der Leistungsfähigkeit oder der Größe einer Schule scheitern könne. An diese Maßstäbe knüpfe das sächsische Schulrecht an.

34

cc) Für die Schulart Mittelschule sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts eine stärkere Beteiligung der Gemeinden an der Schulnetzplanung nicht geboten. Das Verwaltungsgericht lege seiner Auffassung einen Begriff der Volksschule zugrunde, den es seit Jahrzehnten nicht mehr gebe und in Sachsen auch nie gegeben habe. Eine bis zur Klassenstufe 10 gehende Schule, die keine für alle Schüler gemeinsame Schulbildung vorsehe, sei keine Volksschule im Sinne von Art. 7 Abs. 5 GG. Die sächsische Mittelschule habe keinen der Grundschule vergleichbaren örtlichen Bezug.

35

3. Der Landkreis Görlitz hält die Schulnetzplanung auf Landkreisebene angesichts der demographischen Entwicklung für geboten. In seinem Gebiet habe sich die Schülerzahl von 61.198 im Schuljahr 1995/1996 auf 27.766 im Schuljahr 2012/2013 vermindert. Es hätten bereits mehr als 100 Schulen aller Schularten aufgehoben werden müssen, da die erforderliche Mindestschülerzahl nach § 4a SchulG nicht erreicht worden sei. Die Zahl der Schulen in öffentlicher Trägerschaft sei in diesem Zeitraum von 210 auf 99 zurückgegangen. Von den 54 öffentlichen Grundschulen im Landkreis verteilten sich 28 Grundschulen auf die neun Städte und Gemeinden, die aus Zusammenschlüssen entstanden seien. Für die übrigen 45 Kommunen verblieben nur 26 Grundschulen, die dementsprechend gemeindegebietsübergreifend, aber zugleich möglichst wohnortnah errichtet seien.

V.

36

Einen Antrag der Stadt Seifhennersdorf auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der darauf abzielte, entgegen der Festsetzung im Schulnetzplan die Einrichtung einer 9. Klasse der Mittelschule im Schuljahr 2014/2015 zu ermöglichen, hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 4. März 2014 zurückgewiesen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 4. März 2014 - 2 BvL 2/13 -, NVwZ-RR 2014, S. 369 f.).

B.

37

Die Vorlage des Verwaltungsgerichts Dresden ist zulässig. Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 GG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist zu begründen, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist. Zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm muss dargelegt sein, dass und aus welchen Gründen das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle der Ungültigkeit. Das Gericht muss sich dabei mit der Rechtslage auseinandersetzen und die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen, die für die Auslegung der vorgelegten Rechtsvorschrift von Bedeutung sind (vgl. BVerfGE 58, 300 <318>; 105, 61 <67>; 122, 151 <173>). Was die verfassungsrechtliche Beurteilung der zur Prüfung gestellten Norm angeht, muss das vorlegende Gericht von ihrer Verfassungswidrigkeit überzeugt sein und die für diese Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 86, 71 <77 f.>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>). Diesem Begründungserfordernis genügt der Vorlagebeschluss.

I.

38

Der Vorlagebeschluss lässt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass das Verwaltungsgericht bei Gültigkeit der vorgelegten Normen anders entscheiden würde als bei deren Ungültigkeit.

39

Falls § 23a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG nichtig ist, wäre der im Ausgangsverfahren angegriffene Verwaltungsakt ohne Rechtsgrundlage und unter Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ergangen und damit rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass die Schulnetzplanung für die Grund- und Mittelschulen eine unter den Schutz von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fallende Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft ist. Ihre Hochzonung auf die Ebene der Landkreise stelle einen Aufgabenentzug zu Lasten der Gemeinden dar, der den Gewährleistungsbereich von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verletze. Auch die Beschränkung der gemeindlichen Beteiligung auf ein bloßes Benehmenserfordernis durch § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG sei unzureichend. Die Nichtigkeit dieser Bestimmung habe zur Folge, dass der in der Hochzonung der Schulnetzplanung liegende Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden ebenfalls einen Verfassungsverstoß darstelle. Auf dem Boden dieser Auffassung verletzt der angegriffene Genehmigungsbescheid die Klägerin des Ausgangsverfahrens in ihrer subjektiven Rechtsstellungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG, so dass der Klage stattzugeben wäre (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

40

Ist § 23a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG hingegen verfassungsgemäß, so wäre die Klage nach Ansicht des vorlegenden Gerichts als unzulässig abzuweisen. Fiele die Schulnetzplanung nicht in den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung, so könnte der Gesetzgeber den Gemeinden diese Aufgabe ohne weiteres entziehen und auch frei darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang er die Gemeinden an der Aufgabe des Staates oder der Gemeindeverbände beteiligt; das Benehmenserfordernis in § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG stellte dann eine bloße Ordnungsvorschrift dar, die einer sachgerechten Entscheidungsfindung diene, nicht jedoch der Wahrung individueller Rechte. Auf der Basis dieser - an die ältere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anknüpfenden (vgl. z.B. BVerfGE 22, 180 <205>; 23, 353 <365 f.>; 26, 172 <180>; 52, 95 <116>) - Rechtsauffassung könnte die Klägerin nicht geltend machen, dass der angegriffene Bescheid wegen Verletzung des in § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG verankerten Benehmenserfordernisses rechtswidrig sei und sie in ihren Rechten verletze (§§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

41

Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle ist grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 2, 181 <190 f., 193>; 88, 187 <194>; 105, 61 <67>, 129, 186 <203>). Letzteres ist hier nicht der Fall, auch wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ein verfassungsrechtliches Aufgabenverteilungsprinzip entnimmt, das der Gesetzgeber zu beachten hat und aus dem sich ein prinzipieller Vorrang der Gemeindeebene vor der Kreisebene ableiten lässt, der auch bei der Auslegung kommunalrechtlicher Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen Berücksichtigung verlangt (vgl. BVerfGE 79, 127 <150 ff.>; 107, 1 <12>; 110, 370 <399 ff.>; BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, juris, Rn. 114). Die - für die Auslegung von § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG - stattdessen auf die Zuordnung einer Aufgabe zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie abstellende Auffassung des Verwaltungsgerichts ist jedenfalls nicht unvertretbar und auch in höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2006 - 6 P 4/05 -, SächsVBl 2007, S. 10) und Literatur (z.B. Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 933) noch anzutreffen.

II.

42

Das Verwaltungsgericht hat ferner seine für die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar dargelegt (vgl. BVerfGE 86, 71 <77 f.>; 88, 70 <74>; 88, 187 <194>). Es setzt sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Spannungsverhältnis von kommunaler Schulträgerschaft und staatlicher Schulaufsicht (vgl. BVerfGE 26, 228 ff.) eingehend auseinander und hat die - soweit ersichtlich - bislang einzige landesverfassungsgerichtliche Entscheidung zur Übertragung der Schulnetzplanung auf die Kreisebene (Urteil des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 17. Juli 1997 - VfGBbg 1/97 -, LVerfGE 7, 74 ff.) herangezogen. Auf die für Hochzonung kommunaler Aufgaben maßgebliche, allerdings das Abfallrecht betreffende Rastede-Entscheidung (BVerfGE 79, 127 ff.) geht es zumindest am Rande ein.

C.

43

§ 23a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG ist mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar.

I.

44

1. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sichert den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich (a) sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte (b).

45

a) Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts solche Aufgaben, die das Zusammenleben und -wohnen der Menschen vor Ort betreffen oder einen spezifischen Bezug darauf haben (vgl. BVerfGE 8, 122 <134>; 50, 195 <201>; 52, 95 <120>; 79, 127 <151 f.>; 110, 370 <400>). Eine inhaltlich umrissene Aufgabengarantie enthält Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG allerdings nicht (vgl. BVerfGE 79, 127 <146>; 107, 1 <12>; Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, Umdruck S. 46, Rn. 114).

46

Die örtlichen Bezüge einer Aufgabe und deren Gewicht für die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung lassen sich nicht an scharf konturierten Merkmalen messen. Vielmehr muss bei ihrer Bestimmung der geschichtlichen Entwicklung und den verschiedenen historischen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung Rechnung getragen werden (vgl. BVerfGE 59, 216 <226>; 91, 228 <238>; 125, 141 <167>). Es kommt insoweit darauf an, ob eine Aufgabe für das Bild der typischen Gemeinde charakteristisch ist.

47

Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthält jedoch keine Garantie des Status quo im Sinne eines einmal erreichten Aufgabenbestands (BVerfGE 78, 331<340>). Die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bilden keinen ein für alle Mal feststehenden Aufgabenkreis, weil sich die örtlichen Bezüge einer Angelegenheit mit ihren sozialen, wirtschaftlichen oder technischen Rahmenbedingungen wandeln (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 13. Januar 2004 - VerfGH 16/02 -, DÖV 2004, 662 <663>; Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, S. 54; Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Abs. 2 Rn. 51 - November 2012 -; Röhl, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, S. 27 f.).

48

Um in den Schutzbereich von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zu fallen, muss eine Aufgabe allerdings nicht hinsichtlich aller ihrer Teilaspekte eine örtliche Angelegenheit darstellen; sie kann auch nur teilweise als eine solche der örtlichen Gemeinschaft anzusehen, im Übrigen jedoch überörtlicher Natur sein (vgl. BVerfGE 110, 370 <401>). Weist eine Aufgabe örtliche und überörtliche Aspekte auf, muss der Gesetzgeber diese bei der Ausgestaltung der Selbstverwaltungsgarantie angemessen berücksichtigen.

49

b) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Gemeinden nicht nur die Allzuständigkeit hinsichtlich aller örtlichen Angelegenheiten. Im Bereich der ihnen vom Staat übertragenen Aufgaben vermittelt er auch die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte. Eine umfassende staatliche Steuerung der kommunalen Organisation wäre mit dieser verfassungsrechtlich garantierten Eigenverantwortlichkeit unvereinbar (vgl. BVerfGE 91, 228 <239>; BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, Umdruck S. 47, Rn. 117). Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Gemeinden insbesondere die Organisationshoheit als das Recht, über die innere Verwaltungsorganisation einschließlich der bei der Aufgabenwahrnehmung notwendigen Abläufe und Zuständigkeiten eigenverantwortlich zu entscheiden. Dies schließt die Befugnis ein, selbst darüber zu befinden, ob eine bestimmte Aufgabe eigenständig oder gemeinsam mit anderen Verwaltungsträgern wahrgenommen wird (sog. Kooperationshoheit, vgl. BVerfGE 119, 331 <362>).

50

2. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert die kommunale Selbstverwaltung "im Rahmen der Gesetze". Bei der somit gebotenen gesetzlichen Ausgestaltung steht dem Gesetzgeber jedoch keine ungebundene Gestaltungsfreiheit zu (vgl. BVerfGE 110, 370 <400>). Die Bedeutung der Gemeinden für den demokratischen Staatsaufbau (a) bedingt einen grundsätzlichen Vorrang der kommunalen Aufgabenzuständigkeit (b).

51

a) Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist Ausdruck der grundgesetzlichen Entscheidung für eine dezentral organisierte und bürgerschaftlich getragene Verwaltung.

52

aa) Art. 28 Abs. 1 und Abs. 2 GG konstituieren die Gemeinden als einen wesentlichen Bestandteil der staatlichen Gesamtorganisation; sie sind ein Teil des Staates, in dessen Aufbau sie integriert und mit eigenen Rechten ausgestattet sind (vgl. BVerfGE 79, 127 <148 f.>; 83, 37 <54>). Indem der Verfassungsgeber die gemeindliche Selbstverwaltung in den Aufbau des politisch-demokratischen Gemeinwesens des Grundgesetzes eingefügt und - anders als die Reichsverfassung von 1849 (§ 184), die Weimarer Reichsverfassung von 1919 (Art. 127) oder die Bayerische Verfassung (Art. 11) - nicht als Grundrecht, sondern als institutionelle Garantie ausgestaltet hat, hat er ihr eine spezifisch demokratische Funktion beigemessen (vgl. BVerfGE 47, 253 <275 ff.>; 91, 228 <244>). Das Bild der Selbstverwaltung, wie sie der Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 GG zugrunde liegt, wird daher maßgeblich durch das Prinzip der Partizipation geprägt. Kommunale Selbstverwaltung bedeutet ihrer Intention nach Aktivierung der Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten, die die örtliche Gemeinschaft zur eigenverantwortlichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben zusammenschließt mit dem Ziel, das Wohl der Einwohner zu fördern und die geschichtliche und örtliche Eigenart zu wahren (vgl. BVerfGE 11, 266 <275 f.>). Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fordert für die örtliche Ebene insofern eine mit wirklicher Verantwortlichkeit ausgestattete Einrichtung der Selbstverwaltung, die den Bürgern eine effektive Mitwirkung an den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ermöglicht (vgl. BVerfGE 79, 127 <150>; 91, 228 <238>; 107, 1 <12>). Hierfür gewährleistet die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung den Gemeinden einen eigenen Aufgabenbereich sowie die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerfüllung und sichert so die notwendigen Bedingungen einer wirksamen Selbstverwaltung.

53

bb) Dem Wesen der institutionellen Garantie entsprechend bezieht sich der Schutz des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht auf die individuelle Gemeinde, sondern ist abstrakt-generell zu verstehen. Vor diesem Hintergrund kommt es bei der Bestimmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht darauf an, ob die Verwaltungskraft einer Gemeinde für die Bewältigung der Aufgabe tatsächlich ausreicht (vgl. BVerfGE 79, 127 <151 f.>; 110, 370 <400>). Entscheidend ist, ob eine Aufgabe in gemeindlicher Trägerschaft bei typisierender Betrachtung eine sachangemessene, für die spezifischen Interessen der Einwohner förderliche und auch für die Wahrnehmung anderer Gemeindeaufgaben notwendige Erfüllung finden kann. Auch die Finanzkraft einzelner Gemeinden hat auf die Bestimmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft grundsätzlich keinen Einfluss; vielmehr muss der Staat gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG den Gemeinden gegebenenfalls die Mittel zur Verfügung stellen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 21. Juni 2005 - VerfGH 28/03 -, NVwZ-RR 2005, S. 665 <666 f.>).

54

b) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG statuiert ein verfassungsrechtliches Aufgabenverteilungsprinzip hinsichtlich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugunsten der Gemeinden (vgl. dazu BVerfGE 79, 127 <150 f.>; 83, 363 <383>; 91, 228 <236>; 110, 370 <400>; BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, Umdruck S. 47, Rn. 114). Der Entzug einer solchen Angelegenheit unterliegt strengen Rechtfertigungsanforderungen (aa) und findet seine Grenze in einem unantastbaren Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie (bb).

55

aa) Eingriffe in den von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Aufgabenbestand unterliegen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 76, 256 <359>; 80, 109 <119 f.>; 108, 129 <136>) auch im Staatsorganisationsrecht dort Bedeutung erlangen kann, wo Träger öffentlicher Gewalt mit Rechten gegenüber dem Staat ausgestattet sind. Das ist bei der Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie durch den Gesetzgeber der Fall (vgl. BVerfGE 79, 127 <143 ff., 154>; 103, 332 <367>; 119, 331 <363>; 125, 141 <167 f.>; siehe auch BbgVerfG, LVerfGE 11, 99 <111>; VerfGH NRW, OVGE 46, 295 <310>; VerfG LSA, LVerfGE 17, 437 <446>; NdsStGH, OVGE 50, 497 <506 f.>).

56

(1) Steht der Entzug einer Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft im Raum, wandelt sich die für institutionelle Garantien typische Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers praktisch zum Gesetzesvorbehalt (vgl. BVerfGE 79, 127 <143>; 107, 1 <12>; 110, 370 <402>). Gesetzliche Regelungen, die den Gemeinden Aufgaben entziehen, sind auf ihre Vereinbarkeit mit dem grundsätzlichen Zuständigkeitsvorrang zugunsten der Kommunen zu prüfen, wenn sie Bezüge zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aufweisen. Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ist dabei umso enger und die verfassungsgerichtliche Kontrolle umso intensiver, je mehr die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden als Folge der gesetzlichen Regelung an Substanz verliert (vgl. BVerfGE 79, 127 <154>).

57

(2) Der Gesetzgeber hat die widerstreitenden Belange der Verwaltungseffizienz und Bürgernähe in einen vertretbaren Ausgleich zu bringen. Dabei muss er nicht jeder einzelnen Gemeinde, auch nicht jeder insgesamt gesehen unbedeutenden Gruppe von Gemeinden, Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 79, 127 <153 f.>). Auch wenn die Verwaltungskraft der einzelnen Gemeinde grundsätzlich ohne Bedeutung für die Bestimmung der örtlichen Angelegenheiten ist, können die Aufgaben nicht für alle Gemeinden unabhängig von ihrer Einwohnerzahl, Ausdehnung und Struktur gleich sein (vgl. BVerfGE 79, 127 <153 f.>). Die Gemeinden sind Teil der staatlichen Verwaltung und dem Gemeinwohl verpflichtet. Unbedingten Vorrang vor den Interessen des Gesamtstaats kann ihr Interesse an einer möglichst weit gehenden Zuständigkeitszuweisung nicht beanspruchen (vgl. BVerfGE 110, 370 <401>). Trotz örtlicher Bezüge ist es deshalb nicht ausgeschlossen, dass eine Aufgabe, die einzelne größere Gemeinden in einem Landkreis auf örtlicher Ebene zu erfüllen vermögen, für andere Teile des Landkreises nur überörtlich erfüllbar ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Dezember 1998 - 7 C 11935/97 -, juris, Rn. 56; Lange, Kommunalrecht, 2013, S. 40 f.).

58

(3) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG konstituiert ein Regel-Ausnahmeverhältnis, wonach der Gesetzgeber den Gemeinden örtliche Aufgaben nur aus Gründen des Gemeinwohls entziehen darf, vor allem, wenn anders die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht sicherzustellen wäre. Das bloße Ziel der Verwaltungsvereinfachung oder der Zuständigkeitskonzentration - etwa im Interesse der Übersichtlichkeit der öffentlichen Verwaltung - scheidet als Rechtfertigung eines Aufgabenentzugs aus; denn dies zielte ausschließlich auf die Beseitigung eines Umstandes, der gerade durch die vom Grundgesetz gewollte dezentrale Aufgabenansiedlung bedingt wird (vgl. BVerfGE 79, 127 <153>). Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der öffentlichen Verwaltung rechtfertigen eine "Hochzonung" erst, wenn ein Belassen der Aufgabe bei den Gemeinden zu einem unverhältnismäßigen Kostenanstieg führen würde. Auch wenn eine zentralistisch organisierte Verwaltung rationeller und billiger arbeiten könnte, setzt die Verfassung diesen ökonomischen Erwägungen den politisch-demokratischen Gesichtspunkt der Teilnahme der örtlichen Bürgerschaft an der Erledigung ihrer öffentlichen Aufgaben entgegen und gibt ihm den Vorzug. Der Staat ist daher zunächst darauf beschränkt sicherzustellen, dass die Gemeinden ihre Angelegenheiten nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfüllen; dass andere Aufgabenträger in größeren Erledigungsräumen dieselbe Aufgabe insgesamt wirtschaftlicher erledigen könnten, gestattet - jedenfalls grundsätzlich - keinen Aufgabenentzug (vgl. BVerfGE 79, 127 <153 f.>).

59

bb) Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers findet seine Grenze im Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Mit Blick auf die Aufgabengarantie zählt zum Kernbereich allerdings kein gegenständlich bestimmter oder nach feststehenden Merkmalen bestimmbarer Aufgabenkatalog, wohl aber die Allzuständigkeit als die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft anzunehmen, die nicht anderen Verwaltungsträgern zugeordnet sind (vgl. BVerfGE 79, 127 <146>; 107, 1 <11 f.>). Im Hinblick auf die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung zählen vor allem die gemeindlichen Hoheitsrechte (Gebiets-, Planungs-, Personal-, Organisations- und Finanzhoheit), die der Staat den Gemeinden im Interesse einer funktionsgerechten Aufgabenwahrnehmung garantieren muss, zu dem durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten Kernbereich (vgl. BVerfGE 52, 95 <117>; Löwer, in: von Münch/Kunig, GG, Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 73). Das gilt jedoch nur in ihrem Grundbestand (vgl. BVerfGE 103, 332 <366>). Insofern verbietet der Schutz des Kernbereichs von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG Regelungen, die eine eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen ersticken würden (vgl. BVerfGE 91, 228 <239>).

60

3. Werden Aufgaben mit relevanter kommunaler Bedeutung auf eine andere staatliche Ebene verlagert, kann sich aus dem - auf Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG übertragbaren - Gedanken des Rechtsgüterschutzes durch Verfahren (vgl. BVerfGE 56, 298 <319 ff.>; 76, 107 <122>; 86, 90 <107 f.>; 107, 1 <24 f.>; BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, Umdruck S. 47, Rn. 112) - ein Mitwirkungsrecht der betroffenen Kommunen ergeben. Das gilt insbesondere, wenn und soweit eine aus dem Selbstverwaltungsrecht abgeleitete Rechtsposition durch die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben gegenwärtig oder künftig betroffen werden kann (vgl. BVerwGE 87, 228 <232 ff.>). So ist etwa bei fachplanerischen Entscheidungen, die bedeutsame Auswirkungen auf eine Gemeinde haben, deren vorherige Beteiligung zwingend (vgl. BVerwGE 90, 96 <100>; Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Rn. 60 - November 2012). Die Beteiligung ist umso wirksamer auszugestalten, je gewichtiger das berührte Gemeindeinteresse ist. Je nach Regelungsgegenstand reicht das Mitwirkungsrecht von einem Anhörungs-, Mitberatungs- oder Vorschlagsrecht bis zur kondominialen Verwaltung (vgl. Lange, Kommunalrecht, 2013, S. 42 f.).

II.

61

Nach diesen Maßstäben ist § 23a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG verfassungswidrig, da er das Selbstverwaltungsrecht der kreisangehörigen Gemeinden nicht hinreichend berücksichtigt. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet den Gemeinden grundsätzlich das Recht, Träger der Schulen, die ausschließlich der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht dienen (Grund- und Hauptschulen), zu sein, und damit auch ein eigenständiges Recht der Standortplanung (1.). In dieses Recht greift die Zuweisung der Schulnetzplanung an die Landkreise ein (2.), ohne dass ein hinreichender Rechtfertigungsgrund zu erkennen ist (3.). Jedenfalls fehlt eine ausreichende verfahrensrechtliche Absicherung der gemeindlichen Zuständigkeit (4.).

62

1. Die Schulträgerschaft für die Schulen, die einen der allgemeinen Schulpflicht entsprechenden Bildungsgang anbieten und in der Vergangenheit regelmäßig als eigenständige "Volksschulen" organisiert waren, ist als historisch gewachsene Gemeindeaufgabe eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft (a). Sie umfasst Grund- und Hauptschulen, auch wenn diese in andere Schulformen integriert sind (b). Soweit eine Gemeinde diese Aufgabe nicht selbständig wahrnehmen kann oder will, gewährleistet Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auch die Möglichkeit, sie in interkommunaler Zusammenarbeit zu erfüllen (c).

63

a) Die Trägerschaft der Gemeinden für die Schulen, die ausschließlich der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht dienen (Grund- und Hauptschulen), entspricht der überkommenen Zuständigkeitsverteilung im Schulwesen und wird von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt (aa). Sie erstreckt sich auf die äußeren Schulangelegenheiten (bb). Das gilt auch für den Freistaat Sachsen (cc).

64

aa) Die Schulträgerschaft zählt zum historisch gewachsenen Aufgabenbestand der Kommunen. Schon nach §§ 29 und 34 des Zwölften Titels des Allgemeinen Preußischen Landrechts von 1794 oblag die Unterhaltung der Schulgebäude und der Lehrer der gemeindlichen Schulen "sämtlichen Hausvätern" beziehungsweise "Einwohnern" "jedes Ortes". Daran anknüpfend wies § 179 Buchstabe b der Preußischen Städteordnung von 1808 die äußeren Schulangelegenheiten ausdrücklich den Kommunen zu (vgl. Ennuschat, Die Verwaltung, 2012, S. 331 <332 ff.>; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 52). Die Weimarer Reichsverfassung enthielt zwar keine ausdrückliche Zuweisung der äußeren Schulangelegenheiten. Damit war aber keine Abkehr von der überkommenen Aufgabenverteilung im Schulwesen verbunden (vgl. Kloepfer, DÖV 1971, S. 837 <838>). Auch unter dem Grundgesetz hat sich daran nichts geändert.

65

Die Trägerschaft von Schulen, die ausschließlich der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht dienen (Grund- und Hauptschulen), den früheren Volksschulen, zählt zu den von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinden (vgl. OVG Frankfurt/Oder, Urteil vom 24. April 2002 - 1 D 71/00 -, LKV 2003, S. 85 <86>; Ennuschat, Die Verwaltung, 2012, S. 331 <341>; Luthe, Bildungsrecht, 2003, S. 128). Sie ist eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, weil die grundsätzlich für alle Kinder vorgeschriebene Schulpflicht jedenfalls den Besuch der Grund- und Hauptschule verlangt und Grund- und Hauptschule deshalb zu denjenigen Bedürfnissen und Interessen zählen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben (vgl. BVerfGE 8, 122 <134>; 50, 195 <201>; 52, 95 <120>; 79, 127 <151 f.>; 83, 363 <384>; 86, 148 <220 f.>; 110, 370 <400>), die also den Gemeindeeinwohnern als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen (vgl. BVerfGE 79, 127 <151 f.>; 83, 363 <384>; 86, 148 <220 f.>; 110, 370 <400>; zuletzt BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, Umdruck S. 63, Rn. 163). Die kommunale Trägerschaft für die äußeren Schulangelegenheiten der Volksschulen ist daher auch der Regelfall (vgl. Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Abs. 1 Rn. 51 - Juni 2006 -; Boysen, in: von Münch/Kunig, GG, Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 7 Rn. 50; Luthe, Bildungsrecht, 2003, S. 128; s. auch Ennuschat, Die Verwaltung, 2012, S. 331 <339 ff.>).

66

bb) Die durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Schulträgerschaft der Gemeinden für die Grund- und Hauptschulen erstreckt sich auf die äußeren Schulangelegenheiten. Im Gegensatz zu den dem Staat zugewiesenen inneren Schulangelegenheiten, die sämtliche Bildungs- und Erziehungsfragen betreffen, also die Fragen, "was und wie durch welche Lehrkräfte von wem gelernt werden soll" (Kloepfer, DÖV 1971, S. 837 <838>), erfassen die äußeren Schulangelegenheiten die räumlich-sächlichen Voraussetzungen der Beschulung einschließlich Errichtung, Änderung und Aufhebung von Schulen, deren Verwaltung sowie die Beschaffung und Bereitstellung der Lernmittel (vgl. Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Rn. 51 - Juni 2006 -; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 48; Kloepfer, DÖV 1971, S. 837 <837 f.>).

67

Zu den mit der Schulträgerschaft verbundenen Aufgaben gehört namentlich die - in der Regel unter Mitwirkung des Staates (§ 21 Abs. 3 und § 24 SchulG; zu anderen Ländern Ennuschat, Die Verwaltung, 2012, S. 331 <341>) zu treffende - Entscheidung, ob eine Schule eingerichtet oder geschlossen werden soll. Diese Entscheidung geht über die bloße Bestimmung eines konkreten Standorts innerhalb des Gemeindegebiets weit hinaus. Der Schulträger hat auch darüber zu befinden, ob ein öffentliches Bedürfnis für den Betrieb einer Schule auf seinem Gebiet besteht, und eine Schule einzurichten, fortzuführen oder zu schließen ist (vgl. § 21 Abs. 2 SchulG; vgl. auch § 27 Abs. 2 SchulG BW; § 99 Abs. 2 Satz 1 BbgSchulG; § 137 HSchulG; § 13 Abs. 2 Satz 1 ThürSchulG). Er muss dazu unter anderem Daten zur Bevölkerungsstruktur erheben, den Bestand geeigneter Schulgebäude sichten, die örtlichen Gegebenheiten bewerten, möglichst gefahrenfreie Schulwege bestimmen und die konkreten Standorte innerhalb der Gemeinde festlegen (vgl. Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 964; Winkler, DÖV 2011, S. 686 <687>).

68

cc) Das gilt auch für den Freistaat Sachsen (§ 21 Abs. 1 SchulG). Unter die Schulträgerschaft fallen hier die Errichtung und Erhaltung der Schulgebäude und Schulräume sowie ihre Ausstattung mit den erforderlichen Lehr- und Lernmitteln. Der Schulträger trägt die sächlichen Schulkosten (§ 23 Abs. 2 SchulG) und muss eine Schule einrichten, wenn ein öffentliches Bedürfnis dafür besteht (§ 21 Abs. 2 SchulG).

69

b) Die Zuständigkeit der Gemeinden für die äußeren Schulangelegenheiten der "Volksschulen" erfasst die Schulen, die ausschließlich der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht von in der Regel neun Schuljahren dienen. Dies gilt neben der Grundschule insbesondere auch für die Hauptschule (aa). Schulorganisatorische Entscheidungen wie die Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen zu Regel- oder Gesamtschulen lösen die Hauptschule aus der "Volksschule" in diesem Sinne nicht heraus (bb).

70

aa) Mit dem in Art. 7 Abs. 5 GG verwendeten, heute kaum noch gebräuchlichen Begriff der Volksschule knüpft das Grundgesetz an die Schulbestimmungen der Art. 145 ff. WRV an (vgl. BVerfGE 88, 40 <49 f.>), die die grundsätzlich der allgemeinen Schulpflicht dienende Volksschule mit mindestens acht Schuljahren und die anschließende Fortbildungsschule bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahr unterschieden. Die Weimarer Reichsverfassung etablierte die Volksschule als Einheitsschule und beseitigte die bei ihrem Erlass anzutreffende Vielfalt der sogenannten niederen Schulformen, die sich in Bezeichnungen wie Bezirksschule, Bürgerschule, höhere Bürgerschule und anderen widerspiegelte und hinsichtlich der sozialen Herkunft der Schulkinder und der Leistungsziele erhebliche Unterschiede aufwies (vgl. Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, 1946, S. 330 f.). Im Gegensatz zur Reichsverfassung von 1849 (§ 153 RV 1849) statuierte Art. 145 Satz 1 WRV eine allgemeine Schulpflicht, die nicht mehr durch häuslichen Unterricht, sondern nur durch Anwesenheit in der Schule erfüllt werden konnte. Auf einer für alle gemeinsamen Grundschule baute das mittlere und höhere Schulwesen auf (Art. 146 Abs. 1 Satz 2 WRV). Dabei stand die Volksschule als Teil des dreigliedrigen Schulaufbaus den weiterführenden mittleren und höheren Schulen gegenüber. In heutiger Terminologie umfasst sie sowohl die Grundschule als auch die ausschließlich der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht dienende Hauptschule (vgl. BVerfGK 18, 469 <473>; Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Rn. 122 - Juni 2007 -; Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl. 2010, Art. 7 Rn. 227).

71

bb) Die Zuordnung der Hauptschule zur Volksschule im Sinne von Art. 7 Abs. 5 GG wie auch die Zuordnung der äußeren Schulangelegenheiten zu den Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft werden nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Landesgesetzgeber die "Volksschule" mit anderen Schularten, insbesondere der Realschule, zu einer Mittel-, Regel-, Regional- oder Oberschule oder einer ähnlich bezeichneten Schulform zusammenlegt. Zwar überlässt das Grundgesetz dem Gesetzgeber weitgehend die Entscheidung darüber, welche Schulformen er einführen will (vgl. BVerfGE 41, 29 <44 ff.>). Die in Art. 7 Abs. 5 GG enthaltene Wertentscheidung für eine grundsätzlich alle Schüler umfassende Volksschule hat er jedoch ebenso zu beachten wie die verfassungsrechtliche Rolle der Gemeinden bei der Schulträgerschaft (vgl. auch BVerfGE 34, 165 <183>; 41, 29 <46 f.>).

72

Der Landesgesetzgeber hat diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben unter anderem dadurch Rechnung getragen, dass die Hauptschule innerhalb der genannten Schularten ein eigenständiger Ausbildungsgang geblieben ist, der in der Regel nach einer gemeinsamen Orientierungsphase in einem abschlussbezogenen differenzierten Unterrichtsangebot mündet (vgl. etwa § 6 Abs. 1 und 2 SchulG; siehe auch § 6 Abs. 1 ThürSchulG; § 16 Abs. 2 SchulG MV).

73

c) Der Zuordnung der Schulträgerschaft für Grund- und Hauptschulen zu den Gemeinden steht nicht entgegen, dass manche nicht mehr über ein ausreichendes Schüleraufkommen für eine eigene Grund- oder Hauptschule verfügen. Die Verwaltungskraft einer einzelnen Gemeinde ist für Umfang und Reichweite des Gewährleistungsbereichs von Art. 28 Abs. 2 GG grundsätzlich nicht entscheidend (vgl. oben Rn. 53). Andererseits hängt es durchaus von der Größe einer Gemeinde ab, ob sie die Aufgabe des Schulträgers tatsächlich erfüllen kann, schon weil sich ihre Zuständigkeit - ihrer Natur als Gebietskörperschaft entsprechend - in der Regel auf die eigenen Einwohner beschränkt. Es gehört dagegen nicht zu den durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Aufgaben der Gemeinde, schulische Angebote für Einwohner von Nachbarkommunen einzurichten und vorzuhalten (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 18. Juli 2013 - 12 K 780/13 -, juris, Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. August 2014 - 9 S 1722/13 -, juris, Rn. 67).

74

Genügen Leistungsfähigkeit und Verwaltungskraft einer Gemeinde nicht, um die mit der Schulträgerschaft einer Grund- oder Hauptschule verbundenen Aufgaben wahrzunehmen, gewährleistet Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Kommunen jedoch das Recht, diese Aufgabe in kommunaler Zusammenarbeit zu erfüllen, bevor der Staat sie an sich zieht (vgl. BVerfGE 26, 228 <239>; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 53; vgl. auch Geis, Kommunalrecht, 3. Aufl. 2014, S. 41).

75

2. Die Zuweisung der Schulnetzplanung an die Kreisebene durch § 23a Abs. 1 Satz 1 SchulG greift in die durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Befugnis der Gemeinden ein, die Schulträgerschaft der Grund- und Hauptschulen in eigener Verantwortung wahrzunehmen, weil sie wesentliche Aspekte der Schulträgerschaft betrifft und diese weitgehend aushöhlt.

76

Nach § 23a Abs. 5 SchulG können Statusentscheidungen über Schulen - wie die Aufhebung oder der Entzug der staatlichen Mitwirkung - nur auf der Grundlage eines staatlich genehmigten Schulnetzplans erfolgen. Damit ist die Wahrnehmung der mit der Schulträgerschaft für die Grund- und Hauptschulen verbundenen Aufgaben weitgehend von den Festsetzungen des Schulnetzplanes abhängig, so dass sie durch den jeweiligen Landkreis und den Freistaat Sachsen maßgeblich gesteuert werden können. Das grundlegende Recht des kommunalen Schulträgers, im Rahmen der allgemeinen schulrechtlichen Vorgaben über Bestand, Standort und inhaltliche Akzentsetzung einer solchen Schule selbst zu entscheiden, wird dadurch weitgehend entleert. Wesentliche Statusentscheidungen werden - wie im Fall von § 23a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG - auf einer anderen Ebene getroffen, während dem Schulträger lediglich die Möglichkeit verbleibt, seine Vorstellungen in dem von anderer Stelle durchzuführenden Planungsverfahren geltend zu machen.

77

Das geht über die Schulaufsicht weit hinaus. Zwar bedürfen auch Statusentscheidungen des Schulträgers regelmäßig der Zustimmung des Landes. Die im Rahmen der Schulaufsicht ergehenden Maßnahmen sind - angesichts der Bedeutung der Grund- und Hauptschulen für die kommunale Selbstverwaltung - jedoch auf eine bloße Rechtsaufsicht beschränkt (vgl. Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Rn. 51 f. - Juni 2006 -; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 44, 48 ff.).

78

3. Hinreichende Gründe für die Hochzonung der Schulnetzplanung auf die Kreisebene folgen weder aus der staatlichen Schulaufsicht (a), noch lassen sie sich der Gesetzesbegründung entnehmen (b).

79

a) Die in Art. 7 Abs. 1 GG dem Staat zugewiesene Schulaufsicht (aa) vermittelt diesem gegenüber den Gemeinden kein umfassendes Bestimmungsrecht in allen schulischen Angelegenheiten (bb). § 23a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG sind keine Ausprägung der staatlichen Schulaufsicht (cc).

80

aa) Zur Schulaufsicht im Sinne von Art. 7 Abs. 1 GG zählt die Befugnis zur zentralen Ordnung und Organisation des Schulwesens (vgl. BVerfGE 26, 228 <238>; Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Rn. 49 - Juni 2006 -). Der Staat hat ein funktionierendes Schulsystem zu gewährleisten, das jedem Schüler entsprechend seiner Begabung eine Schulausbildung ermöglicht. Dem Staat stehen deshalb Möglichkeiten der Einwirkung auf Errichtung, Änderung oder Aufhebung der einzelnen öffentlichen Schule zu (vgl. BVerfGE 26, 228 <238>).

81

bb) Wie andere Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere des ersten Abschnitts (Art. 1 Abs. 1 Satz 2, Art. 3 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 GG), schließt der in Art. 7 Abs. 1 GG verwendete Begriff des Staates die Kommunen ein. Die staatliche Schulhoheit ist insofern nicht als Gegensatz zwischen Staat und Gemeinden zu verstehen, sondern in Abgrenzung zur ursprünglich kirchlichen Vormachtstellung im Schulwesen (vgl. Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Rn. 3 - Juni 2006 -; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 52; Kloepfer, DÖV 1971, S. 837 <838 f.>). Die Reichsverfassung von 1849 stellte in § 153 klar, dass das Unterrichts- und Erziehungswesen unter der Oberaufsicht des Staates stehen und, abgesehen vom Religionsunterricht, der Beaufsichtigung der Geistlichkeit entzogen sein sollten. Dementsprechend betraute auch Art. 144 Satz 2 WRV "fachmännisch vorgebildete Beamte" mit der Schulaufsicht und grenzte sich so von der vormals üblichen Beaufsichtigung durch Geistliche ab (vgl. Brosius-Gersdorf, in: Henneke, Stärkung kommunaler Bildungskompetenzen, 2011, S. 63 ff. <70>; Ennuschat, Die Verwaltung, 2012, S. 331 <332 ff.>; Thiel, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 7 Rn. 33; Kloepfer, DÖV 1971, S. 837 <841>). Art. 144 Satz 1 WRV stellte das gesamte Schulwesen unter die Aufsicht des Staates, der die Gemeinden daran beteiligen konnte.

82

Auch wenn Art. 7 Abs. 1 GG im Gegensatz zu Art. 144 Satz 1 WRV die Gemeinden im Zusammenhang mit der Schulaufsicht nicht nennt, hat sich an dieser organisatorischen Ausgestaltung der Zuständigkeiten im Schulwesen insoweit nichts geändert (vgl. Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 929). Das Grundgesetz hat die Gemeinden in den Staatsaufbau integriert und sie zugleich mit eigenen Rechten ausgestattet. Ein umfassender staatlicher Machtanspruch gegenüber den Kommunen im Bereich der Schulaufsicht ist damit nicht vereinbar. Länder und Gemeinden üben - jedenfalls bei den äußeren Schulangelegenheiten - die Schulaufsicht vielmehr gemeinsam aus und sind dabei zum Zusammenwirken verpflichtet (vgl. Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 51 f.; Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 7 Rn. 15 - Juni 2014 -; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 7 Rn. 4; Kloepfer, DÖV 1971, S. 837 <841>; a.A. Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 929).

83

cc) Das Spannungsverhältnis zwischen dem aus Art. 7 Abs. 1 GG folgenden zentralen Bestimmungsrecht des Staates in schulischen Angelegenheiten und dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden im Bereich der Grund- und Hauptschulen ist dahin aufzulösen, dass den Gemeinden die Wahrnehmung der äußeren Schulangelegenheiten zusteht, soweit diese mit den vom Staat allgemein festgelegten Zielen für die Ausgestaltung des Schulwesens vereinbar ist (vgl. BVerfGE 26, 228 <239 f.>). Gesetzliche Anforderungen, etwa Vorgaben von Mindestzahlen (vgl. § 4a Abs. 1 SchulG), kann der Staat festsetzen und im Wege der Rechtsaufsicht ebenso durchsetzen wie die ordnungsgemäße Erledigung der mit der Schulträgerschaft verbundenen Aufgaben. Erfüllt eine Gemeinde jedoch die allgemeinen schulrechtlichen Vorgaben für den Betrieb einer Grund- oder Hauptschule, garantiert ihr Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG bei der Schulnetzplanung jedenfalls ein wirksames Mitentscheidungsrecht.

84

b) Andere Gründe, die eine Hochzonung der Schulnetzplanung für Grund- oder Hauptschulen rechtfertigen könnten, sind derzeit nicht ersichtlich. Der in der Gesetzesbegründung angeführte Befund, dass die Gemeinden überwiegend davon abgesehen hätten, Schulnetzpläne aufzustellen, belegt nur, dass sie diese Aufgabe nicht wahrgenommen haben, lässt aber nicht den Schluss zu, dass sie dazu nicht in der Lage wären (vgl. BbgVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1997 - VfGBbg 1/97 -, LKV 1997, S. 449 <453>). Insofern handelt es sich bei der behaupteten Überforderung der Gemeinden allenfalls um eine Effizienzüberlegung, die es für sich genommen jedenfalls nicht rechtfertigt, die Schulnetzplanung allen kreisangehörigen Gemeinden unterschiedslos zu entziehen. Ebenso wenig sind unterbliebene Entscheidungen über Schulschließungen ein Beleg dafür, dass die Gemeinden nicht in der Lage wären, für ihr jeweiliges Gebiet - oder abgestimmt mit Nachbargemeinden - eine Schulnetzplanung vorzunehmen, solange dem Freistaat Sachsen mit der Aufsicht ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um die Beachtung der gesetzlichen Anforderungen zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen und gesetzeskonformen Schulbetriebs sicherzustellen.

85

4. Eine Schulnetzplanung auf Kreisebene für die Grund- und Mittelschulen ist mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nach alledem nur vereinbar, wenn sie den kreisangehörigen Gemeinden ein wirksames Mitentscheidungsrecht einräumt. Das in § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG vorgesehene Benehmenserfordernis genügt diesen Vorgaben nicht (a). Bei der Aufstellung von Schulnetzplänen durch die Landkreise ist jedenfalls die Herstellung eines Einvernehmens mit den betroffenen kreisangehörigen Gemeinden erforderlich (b).

86

a) Das in § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG vorgesehene Benehmenserfordernis gewährt den Gemeinden kein wirksames Mitentscheidungsrecht. Es steht für eine verfahrensrechtliche Beteiligung, in der der Mitwirkung nach dem Willen des Gesetzgebers keine materielle Rechtsposition des beteiligten Trägers öffentlicher Belange korrespondiert. Benehmenserfordernisse "sind im Regelfall ausschließlich dem objektiv-rechtlichen Ziel einer breiteren Beurteilungsgrundlage und damit einer besseren Entscheidungsfindung verpflichtet" (BVerwGE 92, 258 <261>; vgl. auch Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, S. 487 f.).

87

Die Herstellung des Benehmens erfordert nach dem gefestigten verwaltungsrechtlichen Verständnis daher zwar eine Anhörung des Trägers öffentlicher Belange durch die entscheidende Behörde und verpflichtet diese, die Stellungnahme zu erwägen und Möglichkeiten einer Berücksichtigung auszuloten. Der beteiligte Träger öffentlicher Belange soll seinen Standpunkt darlegen, Einwände im Hinblick auf die von ihm vertretenen Interessen erheben und auf das Ergebnis der Entscheidung auch Einfluss nehmen können (vgl. HessVGH, Urteil vom 12. Juni 2012 - 2 C 165/11.T -, juris, Rn. 36). Eine Benehmensherstellung erfordert allerdings keine Einigung der beteiligten Verwaltungsträger, sondern gestattet es der entscheidenden, das Benehmen herstellenden Behörde, sich über das Vorbringen des beteiligten Trägers öffentlicher Belange hinwegzusetzen (vgl. BVerwGE 92, 258 <262>; 114, 232 <235>; Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem u.a., GVwR I, 2. Aufl. 2012, § 10 Rn. 24; Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, S. 487). Anders als bei Einvernehmens- oder Zustimmungserfordernissen gewährt das Benehmenserfordernis somit kein echtes Mitentscheidungsrecht.

88

b) Im Falle der kommunalen Schulträgerschaft geht es hingegen nicht nur um öffentliche Belange, sondern um die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, die als subjektive Rechtstellungsgarantie auch ihre Geltendmachung im Einzelfall ermöglicht und in die die Schulnetzplanung der Landkreise nach § 23a Abs. 1 Satz 1 SchulG eingreift. Eine Schulnetzplanung für Grund- und Hauptschulen gegen den Willen der betroffenen Gemeinden ist grundsätzlich unzulässig. Mit der in § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG vorgesehenen Beschränkung auf ein bloßes Benehmenserfordernis kann die Verteidigung ihrer spezifischen Belange nicht wirksam gelingen. Vielmehr sind den Gemeinden für die Beteiligung an einer Schulnetzplanung auf Kreisebene zumindest Mitentscheidungsbefugnisse einzuräumen, wie sie etwa für das Einvernehmen kennzeichnend sind (vgl. dazu Groß, GVwR I, 2. Aufl. 2012, § 13 Rn. 106). Das schließt nicht aus, dass ihre Mitwirkung rechtlich, etwa durch Vorschriften über Mindestschülerzahlen (vgl. § 4a SchulG, Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus zur Schulnetzplanung im Freistaat Sachsen vom 2. Oktober 2001, Anhang SächsGVBl 2001, S. 672) oder an die Feststellung eines öffentlichen Bedürfnisses für die Errichtung oder Fortführung einer öffentlichen Schule (§ 21 Abs. 2 SchulG), gebunden wird oder dass sie bei einer rechtswidrigen Verweigerung auch durch die Aufsichtsbehörde ersetzt werden kann.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 des Ersten Buches muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen; bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der 1960 geborene, alleinstehende Kläger bezieht von dem beklagten Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende seit dem 1.1.2005 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er bewohnt seit dem 1.9.2004 eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin-Schöneberg. Für diese Altbauwohnung (bezugsfertig ca 1900) mit einer Größe von 58,31 qm, die über eine Öl-Zentralheizung beheizt (bei einer Gesamtwohnfläche von knapp 2000 qm) und mit Warmwasser versorgt wird, zahlte der Kläger im streitigen Zeitraum eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 438,63 Euro. Der Betrag setzte sich zusammen aus einer Nettokaltmiete von 203,63 Euro, einem Modernisierungszuschlag in Höhe von 98,36 Euro, einer Vorauszahlung für die kalten Betriebskosten in Höhe von 76,31 Euro sowie einem nach dem Mietvertrag nicht abdingbaren Betrag für den Kabelanschluss in Höhe von 14,31 Euro und schließlich einer Vorauszahlung für warme Betriebskosten in Höhe von 46,02 Euro.

2

Der Beklagte gewährte dem Kläger bis einschließlich August 2006 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 438,63 Euro. Mit Schreiben vom 1.2.2006 teilte er dem Kläger mit, die KdU seien nicht angemessen. Für Ein-Personen-Haushalte gelte insoweit ein Richtwert von 360 Euro. Die tatsächlichen Kosten würden solange übernommen werden, wie es dem Kläger nicht möglich sei, die Kosten zu senken. Diese Zusage gelte für längstens sechs Monate. Für die Zeit vom 1.9.2006 bis zum 30.11.2006 bewilligte er mit Bescheid vom 29.5.2006 monatliche Leistungen in Höhe von 705 Euro (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie KdU in Höhe von 360 Euro). Widerspruch und Klage gerichtet auf die Übernahme der KdU in Höhe von 438,63 Euro blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19.7.2006; Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15.2.2007).

3

Das hiergegen angerufene Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und in der Sache mit Urteil vom 26.11.2009 zurückgewiesen. Für den Kläger, der im streitigen Zeitraum Berechtigter im Sinne des § 7 Abs 1 SGB II(in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004, BGBl I 2014) gewesen sei, ergäben sich Ansprüche auf weitergehende KdU als von dem Beklagten bewilligt nach Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten nach der sog Produkttheorie nicht. Lediglich die geltend gemachten Heizkosten seien in Höhe von 39,80 Euro (tatsächliche Kosten abzüglich der Pauschale für die Erwärmung von Wasser) in vollem Umfang als wirtschaftlich angemessen anzusehen. Die übrigen geltend gemachten KdU in Höhe von 392,61 Euro, von denen auch die Kosten für den Kabelanschluss und der Modernisierungszuschlag zu den berücksichtigungsfähigen KdU gehörten, seien unangemessen hoch.

4

Hinsichtlich der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße sei die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zu Grunde zu legen, für die in Berlin - in Ermangelung von Richtlinien zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung - Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) - weiterhin auf die (ehemals) geltenden Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau(Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 - WFB 1990 -) vom 16.7.1990 (Amtsblatt für Berlin 1990, 1379 ff) in der Fassung der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 vom 13.12.1992 (VVÄndWFB 1990; Amtsblatt für Berlin 1993, 98 f) - dort Ziffer I.13 - und ergänzend auf die zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) iVm § 27 Abs 1 bis 5 WoFG erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 (Mitteilung Nr 8/2004) zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen - dort Ziffer 8 Abs 1 Satz 3 - abzustellen sei. Maßgebend seien allein die Größen, die sich für 1-Raum Wohnungen ergäben (45 qm).

5

Für die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Hierfür seien die sich aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3109) ergebenden durchschnittlichen Mittelwerte für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten zu Grunde zu legen, der im streitigen Zeitraum gegolten habe, nicht dagegen die Werte aus dem im laufenden Berufungsverfahren veröffentlichten Mietspiegel 2007, auch wenn dieser auf den im Jahre 2006 gezahlten Mieten fuße. Für eine Wohnfläche von vierzig bis unter sechzig Quadratmetern in einfacher Lage ergebe sich eine Nettokaltmiete von gerundet 4,33 Euro pro qm (Summe aus sämtlichen Mittelwerten geteilt durch 9), und also eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von insgesamt 194,85 Euro (4,33 Euro x 45 qm). Weder halte der Senat insoweit nur einzelne der nach Jahren der Bezugsfertigkeit der Wohnungen und ergänzend nach deren Ausstattung mit Sammelheizung und Bad gebildeten Spalten für maßgeblich noch sehe er innerhalb der einzelnen Spalten die angegebenen Spannentiefst- oder -höchstwerte als entscheidend an. Weitere Verfeinerungen mathematisch-statistischer Art würden weder die Akzeptanz noch die Nachvollziehbarkeit erhöhen, mögliche statistisch-wissenschaftliche Ungenauigkeiten durch den Rückgriff allein auf Mittelwerte würden zur Überzeugung des Senats dadurch kompensiert, dass bereits zu Gunsten der Hilfebedürftigen als Richtwert die maximal förderungsfähige Quadratmeterzahl berücksichtigt werde.

6

Zu der Nettokaltmiete seien die angemessenen kalten Betriebskosten, die regelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten seien, unter Zugrundelegung der vom Deutschen Mieterbund (DMB) mit dem "Betriebskostenspiegel 2005" veröffentlichten Angaben (www.mieterbund.de) zu bestimmen, die sich auf 1,79 Euro pro qm (einschließlich Steuern und Abgaben) monatlich beliefen. Es ergebe sich damit eine angemessene Bruttokaltmiete von insgesamt 275,40 Euro. Der Beklagte habe im Verwaltungsverfahren unter Abzug der maximal berücksichtigungsfähigen Heizkosten von 39,80 Euro monatlich Leistungen für eine Bruttokaltmiete in Höhe von 320,20 Euro zuerkannt und damit bereits einen Betrag, der über der angemessenen Bruttokaltmiete in Berlin für diesen Zeitraum liege.

7

Es sei davon auszugehen, dass eine konkrete Unterkunftsalternative zu diesem Mietzins tatsächlich anmietbar sei. Der Kläger habe jedenfalls Bemühungen zur Kostensenkung nicht erkennen lassen. Soweit er erstmals in der mündlichen Verhandlung ohne jede zeitliche Zuordnung und Darlegung vorgetragen habe, sich erfolglos telefonisch bei 200 bis 300 Vermietern um günstigere Wohnungen bemüht zu haben, sei dies nach Überzeugung des Senats unglaubhaft, denn es stehe in krassem Widerspruch zu seinem bisherigen Vortrag.

8

Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner vom LSG zugelassenen Revision. Er rügt, das LSG habe den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Aufwendungen für eine Unterkunft fehlerhaft konkretisiert. Zudem habe das LSG zu Unrecht den Vortrag des Klägers, er habe vergeblich versucht angemessenen Wohnraum anzumieten, als unglaubhaft abgetan ohne eigene Ermittlungen anzustellen, inwieweit es ihm tatsächlich möglich sei, angemessenen Wohnraum anzumieten.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2009 sowie das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Februar 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 29. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2006 zu verurteilen, ihm weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit von September bis November 2006 in Höhe von monatlich 78,63 Euro zu gewähren.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob der Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen kann, als sie der Beklagte bewilligt hat.

13

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 29.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2006, gegen den sich die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) richtet. Streitgegenstand sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von September 2006 bis November 2006, die dieser Bescheid ua regelt. Der Kläger hat den Streitstoff in der Sache schon mit Klageerhebung auf die KdU beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18).

14

2. Der Kläger gehört nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Neben der Regelleistung hat er damit Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung.

15

3. KdU werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Erfasst sind alle Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag für die Unterkunft ergeben (vgl zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 20 zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung mwN). Dazu zählen hier neben der geschuldeten Nettokaltmiete in Höhe von 203,63 Euro und der Vorauszahlung für die "kalten" Betriebskosten in Höhe von 76,31 Euro auch die Kosten für den Kabelanschluss (dazu nur BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18) sowie der Modernisierungszuschlag in Höhe von 98,36 Euro, wie das LSG zutreffend entschieden hat. Soweit der Vermieter die Kosten einer Modernisierungsmaßnahme nach § 559 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf den Mieter abwälzt, gehören diese Kosten, auch wenn sie weiterhin gesondert ausgewiesen sind, zur vertraglich geschuldeten (Kalt-)Miete.

16

4. Die Angemessenheit von KdU ist (getrennt von den Kosten der Heizung, vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23) unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zu Grunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder der Beklagte noch das LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.

17

a) Entgegen der Auffassung des LSG ergibt sich für einen Ein-Personen-Haushalt in Berlin eine maßgebliche Wohnfläche von 50 qm. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 WoFG vom 13.9.2001 (BGBI I 2376) iVm § 5 WoBindG in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (neue Fassung) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG(als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an eine Einzelperson Wohnraum von bis zu 50 qm überlassen werden. An diese Regelungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF, die auch nach Inkrafttreten von § 27 WoFG und § 5 WoBindG nF Grundlage für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind, ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14). Entgegen der Auffassung des LSG sind die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl (sofern sie überhaupt im Regel-Ausnahmeverhältnis zu verstehen wären, wie das LSG meint) für die Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II unbeachtlich. Dies haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits für andere Bundesländer entschieden, in denen neben der Wohnungsgröße auch die Raumzahl entscheidend ist (vgl für Bayern BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 15; für Rheinland-Pfalz BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 34; für Nordrhein-Westfalen BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb für das Land Berlin anderes gelten sollte. Auch auf die (unterschiedlichen) Wohnungsgrößen in den (zum 31.12.1999 außer Kraft getretenen) Richtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für die Förderung der Neuschaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau (WFB 1990 vom 16.7.1990 in der Fassung der VVÄndWFB 1990 vom 13.12.1992) und den Richtlinien über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum (Eigentumsförderungssätze 1999 vom 25.5.1999) kommt es nicht an. Diese mögen Auswirkungen auf die üblichen Wohnungsgrößen im geförderten Wohnungsbau nach 1992 haben (und damit ohnehin nur für ein Teilsegment des in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarktes), es handelt sich aber nicht um Bestimmungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF.

18

b) Zutreffend hat das LSG bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des BSG muss es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der auf Grund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des LSG sprechen, dass es sich bei der Stadt Berlin insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handelt. Die Stadt Berlin ist mit einer Einwohnerzahl von rund 3,4 Millionen (Stand 2006; Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) und einer Fläche von rund 891 qkm zwar nahezu dreimal so groß wie die Stadt München (rund 1,36 Millionen Einwohner bei einer Fläche von rund 310 qkm; Quelle: Statistisches Amt München), für die der 4. Senat des BSG einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen hat ( vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale liegen aber - trotz dieser Größe - auch bezogen auf das Stadtgebiet von Berlin vor. Der öffentliche Nahverkehr ist auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her ausgerichtet. Von den Randlagen aus ergeben sich in die innerstädtischen Bezirke insoweit lediglich Fahrzeiten, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden (vgl § 121 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das Risiko einer Gettoisierung. Außerdem zeigt die Wohnlagenkarte als Anlage zu dem vom LSG in Bezug genommenen Berliner Mietspiegel, dass ohnehin in allen Bezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren (dazu sogleich), vorhanden sind, sodass auch von daher die Bildung eines engeren Vergleichsraums nicht erforderlich erscheint. Es steht nicht zu befürchten, dass mit einem ggf zur Kostensenkung erforderlichen Umzug regelmäßig das nähere soziale Umfeld verlassen werden muss. Soweit ein solcher Umzug über die Orts- oder auch Bezirksgrenzen hinweg im Einzelfall gleichwohl notwendig wird, ist dies im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Hilfebedürftigen hinzunehmen (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 18).

19

c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zu Grunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln ( vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R ).

20

aa) Die Träger der Grundsicherung entscheiden in Berlin über die Angemessenheit von Unterkunftskosten auf Grundlage der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen). Es handelt sich dabei um bloße Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des Beklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (360 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG zu Grunde liegt. Ob zur Ermittlung des Wertes die Produkttheorie unter Zugrundelegung der oben genannten Wohnungsgrößen angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden sind, wird nicht erkennbar und ist von dem Beklagten nicht vorgetragen. Im Übrigen ist der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat (ausdrücklich bereits BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 19).

21

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2005 (vom 22.8.2005, Amtsblatt für Berlin 2005, 3109) bestimmt. Bei diesem Mietspiegel handelt es sich um einen qualifizierten Mietspiegel iS des § 558d BGB. Grundlage für die vorliegende Entscheidung ist dabei der Mietspiegel für das Jahr 2005, denn ein "schlüssiges Konzept", das vorrangig der Grundsicherungsträger vorzulegen hat, muss bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (anders etwa SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 43). Da ein solches Konzept im Rahmen der Angemessenheitsprüfung in der Folge gerichtlich voll überprüfbar ist, sind Ausgangsdaten allerdings zu korrigieren, soweit sich in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren herausstellt, dass es zu nicht vorhersehbaren Preissprüngen gekommen ist. Diese Prüfung wird das LSG ggf nachzuholen haben.

22

Qualifizierte Mietspiegel können - wie auch einfache Mietspiegel - Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach §22 Abs 1 SGB II sein (vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 16; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25 und zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25). Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben(zum Folgenden auch Butzer/Keller, NZS 2009, 65). Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen (wie dies auch bezogen auf den Berliner Mietspiegel der Fall ist) nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist - wie bereits ausgeführt - auch bei der Prüfung nach § 22 Abs 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. Im Hinblick auf das mit dem Mietspiegel nicht erfasste Marktsegment der preisgebundenen Wohnungen bestehen - jedenfalls bezogen auf Berlin - keine weitergehende Bedenken. Mit dem Wegfall der Anschlussförderung für Objekte des Sozialen Wohnungsbaus, bei denen die 15jährige Grundförderung ab dem 1.1.2003 endet (dazu BVerwGE 126, 33), und dem Verzicht auf die entsprechenden Belegungsbindungen sank der Anteil mietpreisgebundener Sozialwohnungen bis Ende 2006 auf knapp 12 % des Gesamtwohnungsbestandes (vgl Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 2007, S 30 unter Bezugnahme auf Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung). Hilfebedürftige werden damit in erster Linie auf die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt angewiesen sein.

23

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig, wovon das LSG im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen ist (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Über das Baualter können zwar sehr vergröbernd Rückschlüsse auf die Bauweise und den Baustandard gezogen werden. Insbesondere liegt der Ausstattungsgrad von Neubauten im Regelfall über dem Ausstattungsgrad in Gebäuden älterer Bauklassen. Gerade Wohnungen, die in der Nachkriegszeit erbaut worden sind, haben häufig einen wesentlich geringeren Ausstattungsgrad. Aus dem Mietspiegel allein lässt sich jedoch nicht ersehen, inwieweit gerade Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, die den Rückschluss zulassen, im konkreten Vergleichsraum sei eine "angemessene" Wohnung tatsächlich anmietbar. Zudem birgt die Verweisung auf bestimmte Bauklassen verdeckt die Gefahr einer Gettoisierung. Solange nicht statistisch valides Material vorliegt, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile einer Stadt - prägen, erscheint es nicht zulässig, allein bestimmte Bauklassen in Bezug zu nehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bauklassen, die den Standard von Neubauten abbilden. Zwar werden eine ganze Anzahl von Neubauten einen Ausstattungsgrad haben, der über das in Bezug zu nehmende Segment nach § 22 SGB II hinausgeht. Eine generelle Festlegung, der Hilfeempfänger sei schlechterdings von der Anmietung einer solchen Wohnung ausgeschlossen, lässt sich aber nicht treffen (vgl auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Erst wenn weitergehendes Material erkennen lässt, dass Gebäude dieser Bauklassen den Mietmarkt des unteren Marktsegments nicht maßgeblich mitprägen, kommt eine Außerachtlassung der Mietpreise für solche Bauklassen in Betracht.

24

Allerdings weist der Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad) gesondert aus. Es handelt sich einerseits um Wohnungen mit "Ofenheizung", bei denen sich der Mieter der Wohnung mit der Versorgung mit Kohlen und der Entsorgung der Asche befassen muss (vgl LG Berlin Urteil vom 15.1.2007 - 67 S 305/06 - juris RdNr 13), und andererseits oder kumulativ um Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder Küche) waschen, aber nicht duschen können. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden. Dem lässt sich nicht mit dem LSG entgegenhalten, diese Werte seien einzubeziehen, um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten. Wenn solche Wohnungen nicht den unteren, sondern den untersten Standard abbilden, gehören sie von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung des qualifizierten Mietspiegels unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet.

25

cc) Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete, wie ihn das LSG vorgenommen hat, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht. Die Bildung arithmetischer Werte bietet gerade bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment abbildet. Die sog Tabellenmethode, nach der der Berliner Mietspiegel erstellt ist, stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen (hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen. Zwischen den einzelnen (insgesamt 113 besetzten) Rasterfeldern bestehen keine Beziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem einzelnen, mit den drei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Einzelne Felder haben also je nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt. Weil die Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird.

26

Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen. Solche Rückschlüsse, die aus weitergehendem Material (das etwa auch der Träger der Grundsicherung auf Grund eigener Erhebungen einführen könnte) getroffen werden, müssen gerichtlich überprüfbar sein. Dies trifft aber auf die Grundlagendaten für qualifizierte Mietspiegel entgegen der Auffassung des LSG zu. Für einen qualifizierten Mietspiegel ist immer eine Primärdatenerhebung erforderlich, also die Erhebung von Daten, die ausschließlich zum Zweck der Mietspiegelerstellung erhoben wurden. Die Daten der Primärdatenerhebung müssen repräsentativ sein, die gezogene Stichprobe muss ein realistisches Abbild des Wohnungsmarktes abgeben (vgl im Einzelnen Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl 2008, § 558d RdNr 7). Die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze muss in einer öffentlich zugänglichen Dokumentation niedergelegt sein (aaO RdNr 10). Es erscheint damit durchaus sinnvoll, solche Grundlagendaten bei Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Konzepts heranzuziehen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Auswertung dieser bereits vorhandenen Daten zu einem erhöhten (über einfache Rechenschritte hinausgehenden) Aufwand bei den Gerichten führen muss. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist in erster Linie der kommunale Träger für solche notwendig erscheinenden Auswertungen im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin der Fall ist.

27

Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.

28

d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Schon der Wortlaut des § 22 Abs 1 SGB II zeigt, dass diese Kosten zu den KdU für einen Hilfebedürftigen gehören und nicht - wie die Heizkosten - getrennt erfasst werden sollen. Zur realistischen Abbildung eines abstrakt angemessenen Mietpreises ist die Einbeziehung des Faktors "kalte Betriebskosten" erforderlich. Dies entspricht den mietrechtlichen Vorgaben im Mietwohnungsbau, an denen sich der Gesetzgeber des SGB II wegen der KdU orientiert. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (vgl nur Blank in Blank/Börstinghaus, aaO, § 556 RdNr 1). Auch der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum kann Betriebskosten nur als gesondert abzurechnende Kosten auf den Mieter abwälzen (vgl § 20 der Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen - Neubaumietenverordnung - BGBl 1990, 2204 idF BGBl I 2003, 2346).

29

Eine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs 1 und 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufstellung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen(BetrKV; vom 25.11.2003, BGBl I 2346 ) normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt angemessenen Kosten iS des § 22 Abs 1 SGB II sind die dort genannten Betriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten. Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. Zutreffend geht das LSG davon aus, dass solche Werte möglichst aktuell sein müssen, um sichere Rückschlüsse auf das Preisniveau im jeweiligen Vergleichsraum zu geben. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell sind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die Werte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen Preisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich.

30

5. Zutreffend hat das LSG die Prüfung der Angemessenheit der Heizkosten getrennt von den übrigen Unterkunftskosten auf Grundlage der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG durchgeführt und die tatsächlichen Aufwendungen als angemessen angesehen.

31

6. Sollten sich die Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung als unangemessen erweisen, könnten dem Kläger höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zustehen. Soweit danach die Aufwendungen für die Unterkunft den den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder in sonstiger Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese Prüfung wird das LSG auf Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung abschließend erneut durchzuführen haben, wobei nicht erkennbar ist, dass die entsprechende Prüfung im angefochtenen Urteil für sich genommen rechtsfehlerhaft war. Die bislang vorgenommenen tatrichterlichen Würdigungen entziehen sich einer eigenständigen Bewertung durch das Revisionsgericht.

32

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Klägerin im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen zustehen.

2

Die alleinstehende Klägerin bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum eine 48 qm große Wohnung in München. Sie hatte eine mietvertragliche Verpflichtung in Höhe von 745 Euro (690 Euro Nettokaltmiete zzgl 55 Euro Betriebskosten) monatlich. Die Vorauszahlung für die Gasversorgung betrug 97 Euro im Monat (lediglich im Februar 2008: 107 Euro wegen einer Nachforderung; Bruttowarmmiete 835,67 Euro).

3

Ende August 2006 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihre Nettokaltmiete die zulässige Höchstgrenze von 397,30 Euro monatlich überschreite. Die Klägerin wurde aufgefordert, sich bis Ende Februar 2007 um eine Minderung der Unterkunftskosten zu bemühen. Ab dem 1.3.2007 werde die Unterkunftsleistung auf die angemessene Höhe abgesenkt.

4

Für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.5.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II, welches Leistungen für KdUH in Höhe von 813 Euro monatlich umfasste (Bescheid vom 29.11.2006 idF des Bescheides vom 19.12.2006). Ab 1.3.2007 senkte er die Leistungen für die Kaltmiete auf die von ihm als angemessen befundene Mietobergrenze herab (Bescheide vom 13.2.2007). Für den Zeitraum bis 31.5.2007 hat das LSG mit dem hier angefochtenen Urteil vom 11.7.2012 diese Entscheidung des Beklagten aufgehoben. Hiergegen sind die Beteiligten nicht in die Revision gegangen.

5

Für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin schlussendlich Leistungen für KdUH in Höhe von 496,45 Euro für ihre brutto-kalten Mietaufwendungen (441,45 Euro Nettokaltmiete + 55 Euro Betriebskosten) und übernahm im Verlaufe des Gerichtsverfahrens ihre Aufwendungen für Gas abzüglich der Warmwasserpauschale in tatsächlicher Höhe (Bescheid vom 23.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 und des Änderungsbescheides vom 14.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008, dieser in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009). Ebenso verfuhr der Beklagte für den Zeitraum vom 1.12.2007 bis zum 31.5.2008 (Bescheid vom 22.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008). Durch Bescheid vom 7.5.2008 (in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009) setzte der Beklagte diese Praxis für den Leistungszeitraum vom 1.6.2008 bis zum 30.11.2008 zunächst fort. Ab dem 1.7.2008 erhöhte er jedoch den Leistungsanteil für die Bruttokaltmiete der Klägerin auf 504,21 Euro (Nettokaltmiete 449,21 Euro + 55 Euro kalte Nebenkosten) und wies unter Einbeziehung dieser Änderung (Bescheid vom 3.7.2008) den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 25.9.2008 zurück (idF der Änderungsbescheide vom 15.12.2008 und 29.4.2009).

6

Das SG hat die miteinander verbundenen Klagen auf Übernahme der tatsächlichen Mietaufwendungen abgewiesen (Urteil vom 26.11.2009). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG geändert. Soweit es den Zeitraum vom 1.3. bis 31.5.2007 betrifft, hat es die Bescheide wie benannt aufgehoben. Zudem hat es den Beklagten unter Abänderung der weiteren Bescheide verurteilt, der Klägerin über die bereits bewilligten Leistungen hinaus KdUH in Höhe von 9,88 Euro für den Monat Februar 2008 - für eine Heizkostennachforderung - und in Höhe von jeweils 0,12 Euro für die Monate Juli bis November 2008 wegen unzutreffender Anwendung der Rundungsregelung zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zwar fehle es dem Beklagten an einem schlüssigen, nachvollziehbaren Konzept zur Ermittlung der angemessenen KdUH iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die vom Beklagten für einen Ein-Personen-Haushalt übernommenen Aufwendungen der Klägerin für die Bruttokaltmiete in Höhe von 496,45 Euro im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.6.2008 und 504,21 Euro im Zeitraum vom 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 seien jedoch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. G K angemessen gewesen. Die für den Mietspiegel 2007 der Stadt München erhobenen und vom Sachverständigen ausgewerteten Daten betreffend Wohnungen "um die 50 qm" - in der Gestalt von gewichteten 243 Wohnungen zwischen 46 und 54 qm - bildeten eine geeignete Grundlage zur Berechnung der angemessenen Aufwendungen für die Bruttokaltmiete iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Erfassung lediglich von Bestandsmieten und die Nichtberücksichtigung preisgebundenen Wohnraums stünden dem nicht entgegen. Zudem beruhe der Mietspiegel 2007 auf dem für den streitgegenständlichen Zeitraum aussagekräftigsten Zahlenmaterial, welches selbst auf einer repräsentativen Stichprobe fuße. Die Auswertung des Datenmaterials durch den Sachverständigen habe unter Anwendung statistisch anerkannter Methoden stattgefunden und ergeben, dass mit den gewährten Mitteln ausreichend angemessener Wohnraum im Stadtgebiet München gefunden werden könne. Es drohe auch keine Konzentration von Leistungsempfängern in bestimmten sozialen Brennpunkten/Stadtbezirken. Ebenso wenig könne unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der Klägerin festgestellt werden, dass eine abstrakt angemessene Wohnung nicht tatsächlich auf dem Wohnungsmarkt hätte angemietet werden können. Zutreffend erfolgt sei auch der Abzug der Warmwasserpauschale aus den vom Beklagten übernommenen monatlichen Abschlägen für die Versorgung der Klägerin mit Erdgas (Urteil vom 11.7.2012).

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe den Begriff der Angemessenheit des § 22 SGB II rechtsfehlerhaft angewandt. Zutreffende Konsequenz aus der Feststellung, der Beklagte verfüge über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Miete, hätte die Annahme einer Unmöglichkeit zur Kostensenkung sowie der Verurteilung zur Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen sein müssen. Die vom Beklagten herangezogene Mietobergrenze sei zu gering. Bei seinen Ermittlungen habe das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht zutreffend umgesetzt. Die erhobenen und ermittelten Daten seien nicht repräsentativ. Zudem käme es bei Übertragung der Daten zu einer "Ghettoisierung". Die Annahme, zur gewährten Mietobergrenze sei 1/5 der Wohnungen in München generell zu diesem Preis verfügbar, sei unzutreffend. Bereits die dem Sachverständigen gestellten Fragen seien teilweise problematisch. Die Beweisanordnung sei schon durch die Bezugnahme auf den Mietspiegel vorbestimmt gewesen. Das LSG habe bei der Fragestellung antizipiert, dass die Rohdaten des Mietspiegels und eine diesbezügliche Konzentration auf 20 % des maßgeblichen Wohnraums geeignet seien, ein zutreffendes Bild des Mietmarkts im streitgegenständlichen Zeitraum zu zeichnen. Die 20 %-Grenze sei willkürlich gezogen. Tatsächlich dürften nicht nur 5,3 % der Gesamtbevölkerung Wohnungen im unteren Marktsegment suchen, sodass ein Verweis auf die vom LSG in die Auswertung nicht einbezogenen Sozialwohnungen problematisch sei. Dies zeige sich bereits daran, dass nicht Ortsansässige auf solche Wohnungen mindestens fünf Jahre warten müssten. Im Gutachten unberücksichtigt geblieben seien auch Aspekte, die zu einer Erhöhung der Quadratmeterpreisberechnung geführt hätten, wie zB ein Zuschlag für eine Küche. Auch bei absoluter Betrachtung sei die Stichprobe viel zu gering, um daraus die Verfügbarkeit von Wohnraum ableiten zu können. Es gäbe auf dem Münchener Mietmarkt nicht etwa 20 % Wohnungen um 50 qm, sondern nur zwischen 1,31 % und 4,8 %. Das LSG habe zudem in entscheidungserheblicher Art und Weise gegen § 103 SGG verstoßen, indem es einem Antrag auf Vernehmung des Haus- und Grundbesitzervereins München und Umgebung eV, gesetzlich vertreten durch Rechtsanwalt S, als Sachverständigen keine Folge geleistet habe. Das LSG habe auch, obwohl die Klägerin nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, keinerlei Hinweis darauf gegeben, dass eine weitere Beweisaufnahme aus seiner Sicht entbehrlich sei.

8

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 und Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 26. November 2009 sowie Änderung der Bescheide des Beklagten vom 23. April 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. August 2007, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2007 und in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 sowie des Änderungsbescheides vom 29. April 2009, des Bescheides vom 22. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008, diese in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. April 2009 und des Bescheides vom 7. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Juli 2008, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15. Dezember 2008 sowie 29. April 2009, zu verurteilen, ihr über die bereits im Urteil des Landessozialgerichts zuerkannten Leistungen hinaus für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis 30. November 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Zugrundelegung der tatsächlichen Mietzahlungsverpflichtung zu gewähren.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Das LSG sei der Rechtsprechung des BSG gefolgt, als es selbst Ermittlungen zur Angemessenheit der Mietobergrenze vorgenommen habe. Die Zugrundelegung einer 20 %-Grenze durch das LSG fülle das durch die Rechtsprechung des BSG vorgegebene "untere Marktsegment" aus. Zudem habe das LSG keine Abschläge bei der Miete berücksichtigt, sondern dies vielmehr für unzulässig erachtet. Die erhobenen Daten seien entgegen der Auffassung der Klägerin auch repräsentativ. Regressionsmietspiegel, wie der für München erstellte, kämen mit einer kleineren Stichprobe als sog Tabellenmietspiegel aus. Die im Mietspiegel erfassten Bestandsmieten seien lediglich solche aus den letzten vier Jahren vor der Stichprobe. Die Daten für den Mietspiegel seien zwar im Auftrag der Stadt München, aber durch ein unabhängiges Marktforschungsinstitut erhoben und ausgewertet worden.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

12

Die Entscheidung des LSG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat der Klägerin schlussendlich im hier streitigen Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe iS des § 22 Abs 1 SGB II erbracht.

13

1. Streitgegenstand sind höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis 30.11.2008, als sie in den Bescheiden des Beklagten für die Zeiträume vom 1.6.2007 bis 30.11.2007, 1.12.2007 bis 31.5.2008 und 1.6.2008 bis 30.11.2008 festgestellt worden sind.

14

Nicht Streitgegenstand ist die Höhe der Leistungen für den vorhergehenden Zeitraum ab dem 1.3.2007. Der erkennende Senat brauchte daher nicht darüber zu befinden, ob sich das LSG zur Begründung seiner Aufhebungsentscheidung zutreffend auf § 45 SGB X gestützt hat oder nicht § 48 SGB X hätte zugrundelegen müssen. Denn es liegt nahe, bei der Umsetzung einer angekündigten Absenkung der Leistungen für Unterkunft von einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse auszugehen. Die Klägerin hat sich jedoch in ihrer Revision nicht gegen die Höhe der Leistungen in diesem Zeitraum gewandt - obwohl sie niedriger waren, als ihre tatsächlichen Aufwendungen - und der unterlegene Beklagte ist nicht in die Revision gegangen. Das Urteil des LSG ist insoweit rechtskräftig geworden.

15

Ebenfalls rechtskräftig geworden ist die Entscheidung des LSG im Hinblick auf die zu Lasten des Beklagten vorgenommene Anwendung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist) und die Verurteilung zur Zahlung eines Betrags von 9,88 Euro für die Gaskostennachforderung im Monat Februar 2008. Der Beklagte ist auch hiergegen nicht in die Revision gegangen.

16

2. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin ihre Anfechtungs- und Leistungsklage auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt hat (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl auch BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11). Hieran hat sich - wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat - durch die Neufassung des § 19 SGB II aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) für laufende Verfahren über vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte - wie es auch hier der Fall ist - nichts geändert (BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 11; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

17

3. An dem Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 22 SGB II an die einkommens- und vermögenslose, alleinstehende Klägerin bestehen nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG keine Zweifel.

18

4. Die der Klägerin von dem Beklagten bewilligten Leistungen für Unterkunft in Höhe von 496,45 Euro für ihre Mietaufwendungen (brutto/kalt) ab dem 1.6.2007 und 504,21 Euro (ebenfalls brutto/kalt) ab dem 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Rechtsgrundlage für die hier umstrittene Höhe der Leistungen sind §§ 19, 22 SGB II. Danach werden im Rahmen des Alg II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als im Hinblick auf den pauschalierten Regelbedarf - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, zur Bestimmung der Leistungshöhe auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die Leistungen nicht in beliebiger Höhe zu erbringen, sondern nur insoweit, als die tatsächlichen Aufwendungen für Miete und Heizung angemessen sind. Die Angemessenheit begrenzt somit die zu erbringenden Leistungen der Höhe nach. Die Begrenzung der Leistungen für KdU - die Aufwendungen der Klägerin für Heizkosten hat der Beklagte schlussendlich in tatsächlicher Höhe abzüglich der Warmwasserpauschale erbracht - ab dem 1.6.2007 auf die vom Beklagten befundene Höhe ist im vorliegenden Fall rechtmäßig.

19

a) Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 12). Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze ist daher auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen (vgl BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 17). Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des BSG zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist.

20

aa) Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße hat das LSG hier zutreffend mit 50 qm bestimmt. Es hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückgegriffen, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 12). Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen festlegen, bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt. Der erkennende Senat sieht diesen Anknüpfungspunkt zwar als problematisch an (vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität ist aber wenigstens solange, wie nicht eine Satzung über die angemessenen KdU iS von §§ 22a ff SGB II vorliegt, in welcher grundsätzlich andere Wohnraumgrößen festgelegt werden können(vgl § 22b Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), an diesem Maßstab festzuhalten. Nach den Bestimmungen des Freistaates Bayern in den Wohnraumförderbestimmungen (Wohnraumförderbestimmungen der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 11.11.2002 und vom 4.12.2007 ) ist auch für die Stadt München eine angemessene Wohnungsgröße von 50 qm für einen Ein-Personen-Haushalt zugrunde zu legen.

21

bb) Das LSG hat auch zutreffend erkannt, dass die für Leistungsberechtigte infrage kommende Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen muss, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 13). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen. Das BSG hat jedoch auch klargestellt, dass die Referenzwohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Standard abbilden, von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand gehören, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung auch der hinter einem qualifizierten Mietspiegel stehenden Daten unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet(BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 29; s auch BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - RdNr 23; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - , RdNr 14). Diesen Voraussetzungen wird die Entscheidung des LSG hier gerecht, wenn das Gericht die hinter dem qualifizierten Mietspiegel für die Stadt München liegenden Daten aus den Jahren 2007 heranzieht. Denn die Daten dieses Mietspiegels umfassen weder Wohnungen in einfacher Wohnlage (Wohnungen in abgelegenen Gebieten mit unzureichender Infrastruktur und/oder Nähe zu größeren Gewerbe- und Industriegebieten, Entsorgungs- oder militärischen Anlagen) noch Wohnungen mit einfachster Ausstattung, deren Toilette, Küche oder Bad von anderen Mietparteien mitbenutzt werden, die nicht über Küche und Toilette verfügen und Wohnungen im Untergeschoss (Mietspiegel München 2007, S 5, 11 und Mietspiegel München 2009, S 4, 5, 11).

22

cc) Auch soweit das LSG die gesamte Stadt München als maßgeblichen Vergleichsraum angesehen hat, sind Rechtsfehler nicht erkennbar. Der Senat hat bereits für Großstädte wie München entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Hiervon kann nach den Feststellungen des LSG bei dem vom Mietspiegel München umfassten Stadtgebiet ausgegangen werden; die Beteiligten haben hiergegen auch keine Revisionsrügen erhoben.

23

dd) Das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze sowie das Ergebnis der Überprüfung sind ebenfalls grundsätzlich nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Überprüfung der vom Beklagten angenommenen Referenzmiete, zur Bestimmung also, wie hoch die angemessenen Aufwendungen für eine Wohnung einfachen Standards einer bestimmten Größe in einem bestimmten Vergleichsraum sind, ist es Ziel, einen Mietpreis hierfür zu ermitteln, um so die angemessenen Aufwendungen bestimmen zu können ("Referenzmiete", vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17).

24

Eine pauschale bundeseinheitliche Grenze (Quadratmeterpreis) scheidet hierbei aus. Es ist auf die konkreten Verhältnisse abzustellen. Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16) auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; vgl auch BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 7). Entscheidend ist jedoch, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zugrunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist.

25

Dabei ist es zuvörderst Angelegenheit der Grundsicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten sind (vgl § 40 Abs 1 SGB II iVm § 20 SGB X). Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit von ihm vorzulegen. Entscheidet der Leistungsträger - wie auch hier - ohne eine hinreichende Datengrundlage, führt dies entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch nicht ohne Weiteres dazu, dass automatisch die Leistungen für KdU in tatsächlich entstehender Höhe zu übernehmen wären. Vielmehr ist die Verwaltung im Rahmen ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1, 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und auf Verlangen des Gerichts eine ggf unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, geht diese Ermittlungspflicht zwar nicht ohne Weiteres auf das SG über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht schlüssig erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind (idS BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, juris RdNr 27; vgl auch BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 34). Andererseits haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate jedoch bereits entschieden, dass dann, wenn Datenmaterial für den Vergleichsraum vorhanden ist, etwa noch auswertbare Daten, die die Grundlage für die Erstellung zumindest eines qualifizierten Mietspiegels geboten haben, diese im Rahmen der Amtsermittlungspflicht der Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Überprüfung der von dem Beklagten gewählten Angemessenheitsgrenze heranzuziehen sind (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

26

Gemessen an diesen Vorgaben ist es nicht zu beanstanden, dass das Tatsachengericht hier die für die Ermittlung der angemessenen KdU erforderlichen Daten vom Grundsicherungsträger eingeholt bzw angefordert und diese anschließend durch einen Sachverständigen hat auswerten lassen. Das LSG durfte sich ebenfalls im Rahmen seiner Ermittlungen hinsichtlich der Anknüpfungstatsachen (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO) an dem Datenbestand orientieren, der für die Erstellung des Mietspiegels für die Stadt München erhoben wurde.

27

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Tatsachenvorgabe auch nicht mit durchgreifenden Zweifeln behaftet. Das BSG vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich die Grundsicherungsträger für die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze (ausschließlich) an dieser Art des Datenbestandes orientieren dürfen. Für das gerichtliche Ermittlungsverfahren gelten keine strengeren Anforderungen (BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 25; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

28

ee) Ebenso genügt das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze von 496,45 Euro vom 1.6.2007 bis 30.6.2008 und ab dem 1.7.2008 von 504,21 Euro brutto kalt sowie das Ergebnis der Überprüfung im konkreten Fall den Vorgaben des BSG. Der erkennende Senat hat entschieden, dass ein Konzept ein planmäßiges Vorgehen iS einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Raum sei (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Von der Schlüssigkeit eines Konzepts ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 20):

-       

Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen,

-       

es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

-       

Angaben über den Beobachtungszeitraum,

-       

Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),

-       

Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

-       

Validität der Datenerhebung,

-       

Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

-       

Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

29

Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Durch den Rückgriff des LSG auf die Daten des Münchner Mietspiegels 2007 wird die Datenerhebung auf ein bestimmtes Gebiet (hier: die Stadt München) begrenzt - der Vergleichsraum ist damit genau eingegrenzt und es werden nicht nur Mieten bestimmter Stadtbezirke in die Auswertung einbezogen, sondern Daten über das gesamte Stadtgebiet erhoben (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Einer Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke, die auf eine nur begrenzte Nutzung des Datenbestandes oder eine nur begrenzte Datenerhebung zurückzuführen sein könnte, ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG auch nicht festzustellen. Abgesehen davon, dass die entgegengesetzte Behauptung der Klägerin eine - der Revision entzogene (vgl § 163 SGG) - Tatsachenbehauptung darstellt, erfolgt hier nach den Feststellungen des LSG keine Begrenzung des Raumes der Datenerhebung auf besonders "heruntergekommene" und daher "billige" Stadtbezirke, sondern die Ermittlung bezieht sich auf das Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw räumlichen Vergleichsraum. Zwar folgt aus dieser Betrachtung nach dem Sachverständigengutachten, dass in einigen Stadtbezirken Münchens Wohnungen mit einer Größe "um 50 qm" und einer Bruttokaltmiete bis zu 450 Euro nicht zu finden sind. Dieses Ergebnis betrifft jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Frage, ob die Datenerhebung über den gesamten Vergleichsraum erfolgt ist. Soweit sie hier die Forderung des BSG nach einer Vermeidung von Ghettoisierung behandelt, hat der Senat im Übrigen Zweifel, ob angesichts des vom LSG festgestellten Vorhandenseins von Wohnungen zu einem Mietzins noch unterhalb der von dem Beklagten als Referenzgröße angenommenen (450 Euro ./. rund 500 Euro) in 18 von 26 Stadtbezirken das Risiko einer Ghettobildung besteht.

30

Nicht zu beanstanden ist auch die Vorgehensweise des LSG auf den Datenbestand des qualifizierten Mietspiegels für München zurückzugreifen, obwohl bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist und Wohnraum nicht berücksichtigt wird, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, weil §§ 558 ff BGB nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung findet. Mit der Entscheidung des BSG, dass die hinter einem Mietspiegel liegenden Daten grundsätzlich geeignet sind, auch die grundsicherungsrechtliche Angemessenheitsgrenze zu bestimmen (s nur BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29), ist die Konsequenz verknüpft, dass alsdann keine Angebotsmieten in die Datenerhebung einfließen müssen (anderes für andere Datenquellen: BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 25 RdNr 20; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 24; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 102 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 22). Die hiervon ausgehenden Wirkungen auf die Mietpreisgrenze werden jedoch dadurch gemindert, dass im Rahmen der Datenauswertung lediglich solche Mieten berücksichtigungsfähig sind, die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart wurden (vgl § 558 Abs 2 BGB; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 3). Dadurch wird erreicht, dass nur aktuell zu zahlende Mieten der Datenerhebung zugrunde gelegt werden. Gewährleistet wird durch den Rückgriff auf die Daten des Mietspiegels zudem, dass Wohnraum, dessen Miete keinen zuverlässigen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten bringen kann, wie es etwa für Wohnraum in Wohnheimen oder Herbergen und Gefälligkeitsmietverhältnissen (zB Vereinbarung von besonders niedrigen Mieten zwischen Verwandten) der Fall ist, nicht berücksichtigt wird.

31

Der Rechtsprechung des BSG folgend hat das LSG auch zutreffend die Bruttokaltmiete als Beobachtungsgegenstand der Datenerhebung gewählt (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23 zur Nettokaltmiete als Vergleichsbasis; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34; BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Dieses Vorgehen gewährleistet für die Leistungsberechtigten die Möglichkeit innerhalb des die Angemessenheit bestimmenden Produkts aus Wohnungsgröße und Ausstattung tatsächlich frei wählen zu können; die Möglichkeiten der Produkttheorie also ausschöpfen zu können. Ebenso wenig ist es hier zu beanstanden, dass durch den Rückgriff auf die Bruttokaltmiete sämtliche kalten Nebenkosten in die Überprüfung der vom Beklagten zugrunde gelegten Angemessenheitsgrenze eingeflossen sind. Denn bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten im Vergleichsraum kommt es nicht darauf an, ob existenzsicherndes Wohnen in (gedachten) Wohnungen möglich ist, in denen der in den Betriebskostenarten, wie zB Kosten für Straßen- und Gehwegreinigung, Hausreinigung, Gartenpflege und Schneebeseitigung durch Dritte, Gemeinschaftsantenne/Kabelanschluss und Aufzug, zum Ausdruck kommende Wohnungsstandard nicht gewährleistet ist. Es geht vielmehr darum "die Wirklichkeit", also die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums, abzubilden (vgl nur BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 21). Dort, wo statistische Daten zur Bestimmung der kalten Nebenkosten gerade im unteren Wohnsegment nicht vorliegen, hat es das BSG daher für zulässig befunden, auf bereits vorliegende Daten zurückzugreifen. Eine weitergehende Gewichtung hat das BSG nicht vorgenommen, weil nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 34 zu Betriebskostenübersichten und die Bildung eines Durchschnittswertes). Aus der Heranziehung von Werten aus allen Mietverhältnissen folgt zwar - weil er den gesamten Mietmarkt erfasst - in der Tendenz ein höherer Bruttokaltmietpreis, als dies bei Auswertung nur des Teilsegments der Fall wäre, auf das Leistungsberechtigte nach dem SGB II zu verweisen sind. Sofern eine entsprechend differenzierte Datenlage aber nicht vorliegt, also eine Auswertung des Teilsegments mit vernünftigem Aufwand ausscheidet, ist eine solche Vergröberung erforderlich, um mit ausreichender Sicherheit zu gewährleisten, dass in jedem Marktsegment - auch in dem in Bezug zu nehmenden unteren Segment - eine genügende Anzahl an Mietverhältnissen zu diesem Preis vorhanden ist. Dies wirkt sich im Übrigen auch nur zugunsten der Leistungsberechtigten aus.

32

Ebenfalls zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG hat das LSG bei der Bestimmung des Beobachtungsgegenstandes eine Größenbeschränkung vorgenommen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris; vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen zur Bestimmung der Wohnungsgröße nach den maßgeblichen Wohnraumfördervorschriften verwiesen. Im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, dass das LSG die Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes durch den Sachverständigen auf Wohnungen "um die 50 qm" gebilligt hat. Eine Beschränkung auf die Wohnungen, die exakt eine Größe von 50 qm aufweisen, würde zu einer zu starken Reduzierung der in die Betrachtung einzubeziehenden Wohnungen führen. Die Gewichtung auf 243 Wohnungen unter Berücksichtigung der aus dem Datenbestand entfernten Wohnungen begegnet ebenfalls keinen Bedenken, da hinter den gelöschten Datensätzen der ursprünglich 331 Wohnungen auch für das schlüssige Konzept nicht heranzuziehende Wohnungen waren.

33

Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das LSG die Begrenzung der Datenerhebung auf die Zeitpunkte 1.7.2007 und 1.7.2008 vorgenommen hat. Das BSG hat es insoweit für die Datenerhebung im Rahmen eines schlüssigen Konzepts für erforderlich gehalten, dass "Angaben über den Beobachtungszeitraum" gemacht werden können (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Auch ist das im Beobachtungszeitraum verwendete Zahlenmaterial nach den Feststellungen des LSG hinreichend aussagekräftig. Die für den Münchner Mietspiegel 2007 verwendeten Daten wurden zwar zum Stichdatum 1.1.2006 erhoben. Der Sachverständige hat die Werte für den hier noch streitgegenständlichen Zeitraum jedoch in vertretbarer Art und Weise nach anerkannter wissenschaftlicher Methodik für die weiteren zugrunde gelegten Stichdaten 1.7.2007 und 1.7.2008 fortgeschrieben. Die Klägerin wurde hierdurch nicht schlechter gestellt, als sich aus den Ausführungen des LSG zu der für den Münchner Mietspiegel 2011 erfolgten Datenerhebung ergibt, da die Stichprobe keinen solchen Preisanstieg ergeben hat, wie nach der Hochrechnung der Ergebnisse des Mietspiegels 2007 erwartet.

34

Soweit das LSG auf die Daten des Mietspiegels für München zurückgegriffen hat, hält dies, wie oben bereits ausgeführt, einer Überprüfung Stand. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" hat das LSG hier eine "Stichprobe" zur Basis seiner Überprüfung der Angemessenheitsgrenze des Beklagten gemacht (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 24). Insoweit gilt, dass eine Anlehnung hinsichtlich des Stichprobenumfangs und der Auswertung etc an den für Mietspiegel geltenden Standard nicht zu beanstanden ist (vgl zum Stichprobenumfang: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 38 f). Im Hinblick auf einen qualifizierten Mietspiegel hat der erkennende Senat bereits darauf hingewiesen, dass bei dessen Erstellung die Repräsentativität der Stichprobe durch die Annahme der Chance gleicher Wahrscheinlichkeit der Abbildung der im Detail unbekannten Realität der Grundgesamtheit des Gesamtwohnungsbestandes fingiert werde (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 24; s auch Gautzsch, Sozialrecht aktuell 2011, S 137, 139) und eine umfassende verfahrensrechtliche Absicherung durch die beteiligten Interessengruppen stattfinde. Daher sei die Repräsentativität und Validität der Datenerhebung für einen Mietspiegel auch im Rahmen des schlüssigen Konzepts regelmäßig als ausreichend anzusehen (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 28). Einwände gegen die Methodik der Erhebung der Daten für den Münchner Mietspiegel 2007 sind nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Allein die Kritik an den gezogenen Schlüssen genügt insoweit nicht, um die statistische Methodik der Datenerhebung in Frage zu stellen.

35

Denn es handelt sich auch bei der für den Raum München gezogenen Stichprobe des Regressionsmietspiegels 2007 um eine repräsentative Stichprobe. Beim Regressionsmietspiegel wird davon ausgegangen, dass die Miete einer Wohnung sich aus der Bewertung ihrer Wohnwertmerkmale durch die Marktpartner ergibt und dieser Zusammenhang mit einer mathematischen Gleichung beschrieben werden kann. Jedes Merkmal leistet dabei einen Beitrag zum Mietpreis der Wohnung (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 40). Daher kommen Regressionsmietspiegel im Vergleich zum Tabellenmietspiegel mit einer kleineren Stichprobe aus. Denn der Regressionsmietspiegel nutzt die Informationen der gesamten Stichprobe und nicht nur von Teilmengen, wie sie hinter den jeweiligen Tabellenfeldern des Tabellenmietspiegels stehen (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 39). Für die Stichprobe gilt, dass sie proportional vorzunehmen ist, also dass in einer solchen Stichprobe alle wesentlichen Teilmengen der Grundgesamtheit in ähnlichen Proportionen auch enthalten sind (Börstinghaus/Clar, Mietspiegel, 1997, RdNr 650; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 35). Das LSG hat im Anschluss an den von ihm ernannten Sachverständigen aus einer Stichprobe von mehr als 3000 Wohnungen im gesamten Münchener Stadtgebiet 331 Wohnungen "um die 50 qm" (bestimmt als gewichteter Wohnungsbestand zwischen 46 und 54 qm) zugrunde gelegt. Dieses Verfahren der Stichprobe entspricht dem aktuellen Stand der Forschung, wie auch das LSG in seinem Urteil ausgeführt hat.

36

Dass die für die Erstellung des Münchener Mietspiegels 2007 erhobenen Daten und für das Urteil des LSG zugrunde gelegten Wohnungen "um die 50 qm" keine qualitativen Merkmale einfachen Standards aufwiesen, steht der Auswertung und Verwendung dieser Daten nicht entgegen, denn offensichtlich weisen diese Wohnungen einen höheren als den unteren Standard auf und bewegen sich dennoch im maßgeblichen Preissektor. Umgekehrt ist anzunehmen, dass Wohnungen, die einen geringeren Standard aufweisen, zu noch günstigeren Konditionen angemietet werden können. Die vom LSG verwendete Datengrundlage ist auf diese Art und Weise zugunsten der Klägerin vergrößert worden. Die vom Sachverständigen vorgenommene und vom LSG akzeptierte Gewichtung der Wohnungen um 50 qm, die dazu beiträgt, dass die Stichprobe letztlich 243 Wohnungen umfasst, führt im Übrigen dazu, dass Wohnungen, die nicht dem Standard entsprechen, der im Rahmen der Überprüfung durch das "schlüssige Konzept" zugrunde zu legen ist, aus der Auswertung von vornherein ausgeschieden worden sind.

37

Dass das LSG von den ermittelten Wohnungen "um die 50 qm" letztlich die unteren 20 % des preislichen Segments zur Grundlage seiner Entscheidung über die Angemessenheit gemacht hat, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Die Grenzziehung nach der Höhe des Mietpreises im Vergleichsraum ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, weil die Stichprobe eine klare Definition des Untersuchungsgegenstandes nach "unten" und nach der Größe beinhaltet - anders als wenn ausschließlich ausgehend vom Mietpreis die Höhe der angemessenen Mietaufwendungen bestimmt wird. Es sind hier bereits bei der Datenerhebung lediglich Wohnungen mit mehr als einfachstem Standard in einer Größe von 46 bis 54 qm zugrunde gelegt worden. In die Erhebung einbezogen werden damit zugleich auch Daten für Wohnungen mittleren, gehobenen und luxuriösen Standards. Um diese bei der Auswertung alsdann wieder auszuscheiden, denn sie sind für Leistungsbezieher im Grundsicherungsrecht nicht angemessen, kann auf die Grenze "20%" zurückgegriffen werden. Dies entspricht einer Orientierung an den unteren 20 % der Einkommensbezieher. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG überschreitet im Vergleichsraum München auch mindestens 1/5 der Wohnungen mit grundsicherungsrechtlich zugrunde zu legendem Standard nicht die festgestellte Mietobergrenze, die der Beklagte gewählt hat, sondern liegt noch unter dieser.

38

Soweit die Klägerin vorbringt, für den vom Beklagten festgesetzten und vom LSG bestätigten Bruttokaltmietpreis sei es tatsächlich nicht möglich, in München eine Wohnung um 50 qm anzumieten, hält diese Behauptung einer Überprüfung unter systematischen Gesichtspunkten nicht Stand. Das BSG hält daran fest, dass dann, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und ihm Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können, davon auszugehen ist, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 36; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 30). Soweit die Klägerin in der Ergänzung ihrer Revisionsbegründung auf die Daten des Münchner Vereins Haus und Grund eV abstellt, rügt sie im Grunde die Auswahl der Datengrundlage, die hier jedoch, wie ausgeführt, nicht zu beanstanden ist.

39

ff) Darin, dass das Berufungsgericht einem schriftsätzlich angekündigten Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Unternehmen "Haus & Grund", vertreten durch Herrn Rechtsanwalt S, nicht gefolgt ist, liegt auch kein Verstoß gegen die Sachermittlungspflicht (vgl § 103 SGG). Das LSG musste sich nicht gedrängt fühlen, dem Beweisantrag der Klägerin nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nachzukommen. Gemäß § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO obliegt es dem Tatsachengericht, dem Sachverständigen den der Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalt - hier den für die Erstellung des Münchner Mietspiegels 2007 erhobenen Datenbestand - vorzugeben. Daraus folgt, dass auch ein anderer als der vom Gericht ernannte Sachverständige seine sachverständigen Schlussfolgerungen aus diesem Datenbestand hätte ableiten müssen. Dass bei Anwendung derselben oder einer anderen mathematisch-statistischen Methode grundlegend andere Ergebnisse gefolgt wären, ist weder von der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich.

40

Dass das LSG eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigte, bedurfte auch keines ausdrücklichen Hinweises an die Klägerin. Eine Hinweispflicht besteht in erster Linie nur dann, wenn ein Beteiligter ausdrücklich um einen entsprechenden Hinweis bittet (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 109 RdNr 9a). Im Übrigen hat sich aus der Ladung des Gerichts zum Termin ergeben, dass eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigt war. Die Tatsacheninstanzen sind zudem nicht verpflichtet, auf das Stellen eines Beweisantrages - wie hier ohnehin schriftsätzlich seitens der Klägerin angekündigt - hinzuwirken (vgl BSG Beschluss vom 5.5.2010 - B 5 R 26/10 B - juris RdNr 10) oder zu einer in Aussicht genommenen Beweiswürdigung Hinweise zu geben (BSG Beschluss vom 31.8.1993 - 2 BU 61/93; BSG Beschluss vom 6.3.2003 - B 11 AL 129/02 B - HVBG-INFO 2003, 1724; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 99). Darauf liefe ein solcher von der Klägerin verlangter Hinweis jedoch hinaus.

41

b) Die Festsetzung der Leistungshöhe unterhalb der tatsächlichen Aufwendungen beruht auch auf einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung (vgl zur Kostensenkungsaufforderung BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 38)iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 mWv 1.8.2006, BGBl I 1706). Danach sind die tatsächlichen Mietaufwendungen - soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen - als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

42

Der Beklagte hat die Klägerin mehrfach, erstmals mit Schreiben vom 29.8.2006, aufgefordert, die KdU zu senken und nach dem Unterlassen jeglicher Kostensenkungsversuche durch die Klägerin eine Absenkung auf die von ihm als angemessen erachtete Höhe der kalten Nettomietaufwendungen in Höhe von 397,30 Euro zum 1.3.2007 angekündigt. Dabei ist es für den hier nur noch streitigen Zeitraum ab dem 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 ohne Bedeutung, dass der Beklagte die "Sechsmonatsfrist" iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II, in der dem Leistungsberechtigten in der Regel die Möglichkeit eingeräumt wird, die nach Auffassung des Beklagten zu hohen Aufwendungen zu senken, zunächst unzutreffend berechnet hatte. Jedenfalls ab dem 1.6.2007 konnte der Beklagte die Unterkunfts- und Heizkosten absenken, denn die Klägerin war über die vom Beklagten als zutreffend befundene Angemessenheitsgrenze hinreichend informiert und ihr war die Kostensenkung auch nicht unmöglich.

43

Der Beklagte hat zwar in seiner Kostensenkungsaufforderung als Referenzmiete eine Nettokaltmiete benannt. Diese Angabe muss in dem hier streitigen Zeitraum jedoch noch als zulässig und ausreichend angesehen werden, um von einer zutreffenden Kostensenkungsaufforderung iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II ausgehen zu können. Noch 2009 hatte der erkennende Senat es offen gelassen, ob die Vergleichsmiete eine Netto- oder eine Bruttokaltmiete sein müsse (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff). Erst 2010 hat der 14. Senat eindeutig bestimmt, dass die Angemessenheitsgrenze durch eine genau zu benennende Bruttokaltmiete zu definieren ist (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; s auch BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34).

44

Unschädlich ist auch, dass der Beklagte die Angemessenheitsgrenze im Verlaufe des Gerichtsverfahrens geändert hat. Denn dies ist einerseits Ergebnis der Auseinandersetzungen der Beteiligten vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und andererseits stellt das Schreiben des Grundsicherungsträgers über die Unangemessenheit der Unterkunftskosten und die Aufforderung zur Kostensenkung lediglich ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion dar. Hält der Leistungsempfänger die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend bzw einschlägig, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche KdU angemessen sind (vgl nur BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 19, unter Hinweis auf BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - juris RdNr 34). Insofern stellt die Kostensenkungsaufforderung seitens des Grundsicherungsträgers lediglich ein "Angebot" dar, in einen Dialog über die angemessenen KdU einzutreten (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40).

45

Gründe, die der Klägerin eine Kostensenkung unzumutbar machen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hat sich nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) auch nicht um eine Kostensenkung bemüht oder anderweitig nachgewiesen, dass es ihr nicht möglich oder zumutbar war, Wohnraum zu der vom Beklagten vorgegebenen Mietobergrenze anzumieten.

46

5. Der Abzug der Kosten für die Warmwasserbereitung von den tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin für die Gaslieferung/Heizung in Höhe von 6,22 Euro für den Monat Juni 2007, 6,26 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2007 bis einschließlich Juni 2008 und 6,33 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2008 bis November 2008 ist nicht zu beanstanden. Höhere Leistungen wegen der Heizkostennachforderung für den Monat Februar 2008 und unter Berücksichtigung der Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II, wie durch das LSG geschehen, stehen der Klägerin nicht zu. Sie hat insoweit auch keine Einwände gegen die Entscheidung des LSG erhoben.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft (KdU) und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006.

2

Die verheirateten Kläger leben seit 24 Jahren in der Gemeinde G (ca 11 000 Einwohner) im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. G grenzt direkt an das Stadtgebiet der Stadt Freiburg im Breisgau (ca 220 000 Einwohner), die den Stadtkreis Freiburg bildet. Die Kläger bewohnen seit 2004 eine knapp 80 qm große, ihrem Sohn gehörende Drei-Zimmer-Wohnung, für die sie eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 572 Euro entrichten. Der Beklagte bewilligte seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen KdU und Heizung (Bescheid vom 27.11.2004), wies die Kläger aber gleichzeitig darauf hin, dass die Wohnung unangemessen teuer sei und die tatsächlichen Unterkunftskosten nur für eine Übergangszeit von längstens sechs Monaten übernommen werden könnten. Ab 1.7.2005 könne nur noch ein Betrag in Höhe von 306,60 Euro entsprechend einem Mietpreis von 5,11 Euro/qm für eine 60 qm große Wohnung in einem Zweipersonenhaushalt als Kaltmiete anerkannt werden. Einen erneuten Hinweis auf die für angemessen erachtete Miete sowie zur Senkung der Unterkunftskosten enthielt der Bescheid des Beklagten vom 29.4.2005, mit dem Leistungen für die Zeit vom 1.6.2005 bis 30.11.2005 bewilligt wurden. Der Antrag der Kläger auf Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006, mit dem der Beklagte für den Bewilligungszeitraum vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro monatlich zuzüglich Nebenkosten bewilligte, war ohne Erfolg (Bescheid vom 3.7.2006; Widerspruchsbescheid vom 27.7.2006). Für den weiteren Bewilligungszeitraum vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 erkannte der Beklagte gleichfalls nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro an (Bescheid vom 24.5.2006; Widerspruchsbescheid vom 3.7.2006).

3

Das SG hat den Beklagten unter Änderung der Bewilligungsbescheide und Aufhebung des Bescheids vom 3.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006 verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 unter Berücksichtigung einer Kaltmiete in Höhe von 572 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom 18.7.2008). Ihnen sei es nicht möglich gewesen, die Wohnkosten auf das tatsächlich angemessene Maß zu senken, weil sie von dem Beklagten nicht zutreffend belehrt worden seien.

4

Das LSG hat den Beklagten unter Abänderung des Urteils des SG verurteilt, den Klägern im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Zugrundelegung von Unterkunftskosten einschließlich kalter Nebenkosten in Höhe von monatlich 446,25 Euro zu gewähren, im Übrigen die Klage abgewiesen sowie die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Eine wirksame Kostensenkungsaufforderung liege vor. Der Beklagte habe in dem vorliegend streitigen Zeitraum aber kein schlüssiges Konzept für die Ermittlung der angemessenen KdU und Heizung. Der von ihm angenommene Quadratmeterpreis beruhe auf Erfahrungen, Bestätigung durch die sozialhilferechtliche Rechtsprechung zum BSHG, Beobachtung des Wohnungsmarktes und der Berücksichtigung des Freiburger Mietspiegels. Für den Vergleichsraum existiere kein Mietspiegel. Für den streitigen Zeitraum von 12/2005 bis 11/2006 könne der Beklagte - auch unter Mithilfe des Gerichts - ein schlüssiges Konzept nicht mehr erarbeiten oder ein bisheriges Konzept durch Verfeinerung bzw Ergänzung der Datenerhebung verändern. Auch das Gericht könne unter Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen und -mittel im Rahmen der Amtsermittlung, insbesondere auch Einholung eines Sachverständigengutachtens, für die inzwischen vier bzw fünf Jahre zurückliegenden Zeiträume weder ein schlüssiges Konzept noch eine entsprechende Datengrundlage ermitteln. Es seien daher grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger, "nach oben" begrenzt durch die Tabellenwerte zu § 8 WoGG (Höchstbetrag der Tabelle), maßgebend, die um einen - hier angemessenen fünfprozentigen - "Sicherheitszuschlag" zu erhöhen seien. Für die Höhe des Zuschlags sei maßgeblich, dass der Ort G einerseits zu einem eher ländlich geprägten Vergleichsraum im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehöre und andererseits die bestehende räumliche und infrastrukturelle Verbindung zur Großstadt Freiburg aufweise. Ein Vergleich mit dem Mietspiegel der Stadt Freiburg ergebe, dass der Zuschlag angemessen sei. Soweit die Aufwendungen der Kläger den angemessenen Mietpreis von 446,25 Euro überstiegen, handele es sich um unangemessene Kosten, die grundsätzlich nicht mehr übernommen würden. Der Senat habe den von den Klägern im Schriftsatz vom 21.6.2010 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 22.6.2010 gestellten Beweisanträgen nicht nachgehen müssen, weil diese unzulässig seien.

5

Mit ihren Revisionen machen die Kläger eine Verletzung von § 22 SGB II, §§ 103, 128 SGG geltend. Der Beklagte habe im streitigen Zeitraum die tatsächliche Nettokaltmiete in Höhe von monatlich 572 Euro zu übernehmen. Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die vom Beklagten festgesetzte Angemessenheitsgrenze fehlerhaft sei. Dies führe zur Unwirksamkeit der Kostensenkungsaufforderung, weil dieser Wert auch dort genannt werde mit der Folge, dass die tatsächlichen Kosten zu übernehmen seien. Wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis komme, dass die fehlerhaft bezifferte Angemessenheitsgrenze "nicht ursächlich" dafür sei, dass sie keine angemessene Wohnung gefunden hätten, weil sie gar nicht versucht hätten, eine andere Wohnung zu finden oder die Kosten zu senken, sei dies schlicht falsch. Sie hätten sich - wie ihre Dokumentation belege - umfangreich um eine günstigere Wohnung bemüht. Das LSG habe es versäumt, sachgerechte Ermittlungen zur Situation auf dem einschlägigen Wohnungsmarkt im streitigen Zeitraum anzustellen, obwohl umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung gestanden habe (Hinweis auf Gutachten zum Mietspiegel 2007 der Stadt Freiburg i.Br., Gemeinderatsdrucksache G-09/024, Untersuchung des Amtes für Statistik der Stadt Freiburg i.Br. aus 2004, Untersuchung des "Runden Tisches" der Stadt Freiburg i.Br. aus 2006 und Studie des Immobilienverbandes Deutschland von 2008). Ein Rückgriff auf § 8 WoGG sei deshalb unzulässig. Bei Auswertung der Erkenntnisquellen hätte das Berufungsgericht festgestellt, dass die tatsächlichen KdU angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II gewesen seien.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Juli 2008 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG im Wesentlichen für zutreffend. Die Stadt Freiburg i.Br. sei als Referenz- und Vergleichsmaßstab für den Flächenlandkreis Breisgau-Hochschwarzwald nicht tauglich.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

10

1. Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom 3.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006, mit dem der Beklagte den Überprüfungsantrag der Kläger in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 betreffend die KdU und Heizung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 abgelehnt hat. Weiterer Verfahrensgegenstand ist der Bewilligungsbescheid vom 24.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.7.2006, wobei auch hier nur höhere Leistungen der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 im Streit sind. Bei den Leistungen der Unterkunft und Heizung handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl zur Nichtberücksichtigung der Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte: BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).

11

2. Ob die Kläger einen Anspruch auf (teilweise) Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 SGB X und damit verbundenen höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 sowie für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 in Abänderung des Bescheides vom 24.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.7.2006 haben, lässt sich aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Zwar sind die Kläger Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014), weil dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des LSG zu entnehmen ist, dass sie im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch das 65. Lebensjahr vollendet haben (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II) waren und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Es fehlen jedoch Feststellungen sowohl zu den KdU als auch zu den Heizkosten.

12

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 14, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

13

Zwar reichen die Feststellungen des LSG zur angemessenen Wohnfläche (3) sowie zum Fehlen eines tragfähigen schlüssigen Konzepts des Beklagten (4) aus, nicht jedoch diejenigen zum Erkenntnisausfall zur Höhe der angemessenen Unterkunftskosten (5). Das LSG ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass die Kostensenkungsaufforderungen des Beklagten nicht bereits zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit der Kostensenkung führen (6). Sollte das LSG - nach weiterer Prüfung - auf die Tabellenwerte nach § 8 WoGG zurückgreifen, ist die Höhe des vom LSG zu den Tabellenwerten erhobenen Zuschlags zu korrigieren (7).

14

3. Das LSG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 60 qm zu berücksichtigen ist. Das Land Baden-Württemberg hat keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Zweipersonenhaushalte von einer Wohnfläche von 60 qm auszugehen. An diese Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen.

15

4. Nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) lag dem von dem Beklagten im streitigen Zeitraum im Vergleichsraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde, das den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG gerecht wird (vgl nur BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18 ff). Die weitere Feststellung des LSG, dass sich für den streitigen Zeitraum eine entsprechende Datengrundlage zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete nicht mehr ermitteln lässt und insofern ein Erkenntnisausfall vorliegt, reicht für eine Überprüfung durch den Senat aber nicht aus.

16

5. Zwar hat der erkennende Senat für den Fall des Ausfalls von lokalen Erkenntnismöglichkeiten aufgrund von fehlenden Ermittlungen des Grundsicherungsträgers eine Begrenzung der Amtsermittlungspflicht der Sozialgerichte für zulässig erachtet und ausdrücklich betont, dass es im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger sei, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu ermitteln (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 23; BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 26; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 21). Insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume (vgl zum Fehlen von Ermittlungsmöglichkeiten etwa durch Zeitablauf BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 27) brauchen deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden. Dies entbindet jedoch nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen muss erkennbar sein, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat.

17

Hieran fehlt es vorliegend. Zwar können die Feststellungen des LSG, dass ein Mietspiegel und weitere Erkenntnismöglichkeiten und -mittel nicht vorhanden seien, insbesondere - hier - auch ein Sachverständigengutachten für die inzwischen mehrere Jahre zurückliegenden Zeiträume nicht mehr eingeholt werden könne, einen Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG rechtfertigen. Den Ausführungen des LSG kann jedoch nicht zweifelsfrei entnommen werden, auf welchen Vergleichsraum sich diese Feststellungen beziehen, inwieweit es im streitigen Zeitraum - also den Jahren 2005 und 2006 - konkret an einer hinreichenden Datengrundlage fehlt und hierauf aufbauend, warum hierdurch wiederum die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts für die hier denkbaren Vergleichsräume ausscheidet. Obgleich hierzu im sozialgerichtlichen Verfahren von den Beteiligten unterschiedliche Auffassungen vertreten worden sind, hat das LSG im Ergebnis offen gelassen, wie sich der Vergleichsraum im konkreten Fall darstellt. Auch wenn davon auszugehen ist, dass jedenfalls die Gemeinde G als Wohnort der Kläger Teil des Vergleichsraums ist, muss das LSG als Tatsacheninstanz anhand der allgemeinen rechtlichen Vorgaben für die Festlegung des Vergleichsraums (vgl hierzu BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 20 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 24) bestimmen, ob hier weitere Umlandgemeinden, Teile von Freiburg bzw das gesamte Stadtgebiet von Freiburg in die Festlegung des Vergleichsraums einzubeziehen sind. Nur vor diesem Hintergrund ist erkennbar, ob die Feststellung des Erkenntnisausfalls auf einem zutreffenden rechtlichen Maßstab zur Bestimmung eines Vergleichsraums erfolgt ist. Das LSG wird mithin im wiedereröffneten Berufungsverfahren zunächst den Vergleichsraum zu bestimmen haben.

18

6. Der Senat folgt dem Berufungsgericht aber darin, dass die Kostensenkungsaufforderung des Beklagten nicht zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit der Kostensenkung führt.

19

Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 2 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der durch die Einführung des neuen S 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706 - ohne inhaltliche Änderung zu S 3 wurde). Die Kläger wurden mit den Bewilligungsbescheiden vom 27.11.2004 und 29.4.2005 durch die Angabe der aus Sicht des Beklagten angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 306,60 Euro sowie über die aus seiner Sicht bestehende Rechtslage hinreichend informiert. Dies ist ausreichend. Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits mehrfach entschieden haben, stellt § 22 Abs 1 S 2 SGB II keine über eine Aufklärungs- und Warnfunktion hinausgehenden Anforderungen(BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 29; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 7, RdNr 20 ff; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 40; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 16). Der Streit darüber, ob die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage zu klären, welche Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II abstrakt angemessen sind(BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, RdNr 34).

20

7. Kommt das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu dem Ergebnis, dass ein schlüssiges Konzept für den festgelegten Vergleichsraum nicht erarbeitet werden kann, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden dann wiederum durch die Tabellenwerte zu § 8 WoGG (bzw für Zeiträume ab 1.1.2009 § 12 WoGG) im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt. Wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten (vgl § 5 Abs 1 WoGG aF bzw nunmehr § 9 Abs 1 WoGG) nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei § 8 WoGG auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27 im Anschluss an BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26, RdNr 21). Der Sicherheitszuschlag ist im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich. Denn es kann beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27).

21

Vor diesem Hintergrund ist das LSG vorliegend von unzutreffenden Kriterien zur Bestimmung des Zuschlags ausgegangen. Die in § 8 WoGG festgeschriebenen Werte erheben nicht den Anspruch, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden. Der Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/ Dietrich/Fröba, WoGG, Loseblatt, 65. Lfg Mai 2011, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die tatsächliche Miete den in § 8 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist.

22

Bei der Bestimmung des Zuschlages ist daher zu beachten, dass es sich nicht um eine einzelfallbezogene Anwendung auf einen konkreten, tatsächlichen Sachverhalt, die dem LSG unter Beachtung der Verhältnisse des regionalen Wohnungsmarktes obliegt, handelt. Vielmehr ist er unter Berücksichtigung genereller, abstrakter Kriterien festzulegen. Ein Rückgriff auf die regionalen Verhältnisse kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil gerade erst der Ausfall der Erkenntnismöglichkeiten im räumlichen Vergleichsgebiet zur Anwendung von § 8 WoGG führt. Bereits durch die jeweiligen im WoGG verankerten Mietenstufen fließen regionale Unterschiede in die Bestimmung der zu übernehmenden KdU ein. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 8 WoGG (rechte Spalte) einen Zuschlag in Höhe von 10 % als angemessen, aber auch ausreichend(vgl BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; ebenfalls 10 % bejahend: LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 24.4.2007 - L 7 AS 494/05; Urteil vom 11.3.2008 - L 7 AS 332/07; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 26.5.2010 - L 12 <20> SO 37/07; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 26.8.2010 - L 5 AS 4/08; Hessisches LSG Urteil vom 20.12.2010 - L 9 AS 239/08; LSG Sachsen Anhalt Urteil vom 3.3.2011 - L 5 AS 181/07; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 30.9.2011 - L 3 AS 17/09; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 8.12.2011 - L 25 AS 1711/07).

23

8. Da es das LSG unterlassen hat, Feststellungen zu den angemessenen Heizkosten zu treffen, kann der Senat die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen für die Heizung nicht überprüfen. Das LSG wird deshalb im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch die getrennt von den Unterkunftskosten auf ihre Angemessenheit zu prüfenden Heizkosten zu bestimmen haben.

24

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig sind die Übernahme von Mietschulden als Zuschuss anstelle eines Darlehens nach dem SGB II und - sofern es bei der darlehensweisen Leistungsgewährung verbleibt - die Höhe der Belastung des Klägers hierdurch.

2

Der Kläger, seine Lebenspartnerin und deren 1989 geborene Tochter M. bezogen seit 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von dem Beklagten. Ein weiteres Kind erhielt aufgrund von Unterhalts- und Kindergeldzahlungen keine Leistungen. Mitte Oktober 2005 zog der Kläger aus der gemeinsamen Wohnung aus. Im Januar 2006 schlossen er und seine Lebenspartnerin zum 1.2.2006 einen Mietvertrag über eine andere Wohnung. Die Lebenspartnerin und ihre Tochter waren zu diesem Zeitpunkt schwanger.

3

Im Dezember 2005 bewilligte der Beklagte ein Mietkautionsdarlehen für die neue Wohnung, überwies die Kaution jedoch einstweilen nicht an den Vermieter. Zum ebenfalls gestellten Antrag auf Direktüberweisung der Miete an den Vermieter teilte der Beklagte mit, die "Aufwendungen laufender angemessener Mietkosten" würden "nach Vorlage des Mietvertrages und mit der nächstmöglichen Einarbeitung, der in diesem Zusammenhang stehenden Datensätze zur Zahlung angewiesen". Bis zur Einarbeitung der Datensätze sei die Mietzahlung selbst vollständig und fristgerecht vorzunehmen. Eine Kopie des Mietvertrages ging kurz danach bei dem Beklagten ein. Da der Vermieter der neuen Wohnung deren Bezug vom Erhalt der Kaution abhängig machte, verblieben der Kläger und seine Lebenspartnerin über den 1.2.2006 hinaus in ihren bisherigen jeweiligen Unterkünften und verwendeten die vom Beklagten erbrachten Unterkunftsleistungen für die dort anfallenden Mietzahlungen. Zahlungen an den Vermieter der neuen Wohnung erfolgten im Februar und März 2006 nicht. Nach erneuter Vorsprache wurde vom Beklagten ein Darlehen zur Deckung der Mietkaution (Bescheid vom 8.2.2006) bewilligt und an den Vermieter der neuen Wohnung ausgezahlt. Im März 2006 erfolgte dann der Umzug der nunmehr um die zwei neu geborenen Kinder vergrößerten Familie in die neue Wohnung. Der Beklagte nahm im Weiteren das Vorliegen von zwei Bedarfsgemeinschaften an. Er überwies von April bis Juni 2006 jeweils die Bruttowarmmiete in voller Höhe an den Vermieter, jedoch für Juli und August 2006 geringere Beträge. Der Kläger und seine Lebenspartnerin zahlten von März bis Mai und im Juli 2006 monatlich jeweils die Miete für die beiden angemieteten Stellplätze sowie einmalig 500 Euro im April 2006. Der Vermieter forderte sie mehrfach zur Zahlung der rückständigen Miete auf.

4

Alsdann beantragte der Kläger mit Schreiben vom 29.9.2006 beim Beklagten die Übernahme der Mietschulden. Auch der im Weiteren vom Beklagten an den Vermieter überwiesene Mietzins deckte die tatsächlichen Aufwendungen nicht und ab Januar 2007 stellte der Beklagte die Zahlungen an den Vermieter wegen noch zu ermittelnden Einkommens vorläufig vollständig ein. Daraufhin kündigte der Vermieter das Mietverhältnis wegen der aufgelaufenen Mietschulden am 30.4.2007. Nach erhobener Räumungsklage und einer daraufhin geleisteten Einmalzahlung des Beklagten wurden die zwischenzeitlich weiter angewachsenen Mietschulden mit 2277,92 Euro beziffert. Durch an den Kläger gerichteten Bescheid vom 27.6.2007 gewährte der Beklagte "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zwecks Übernahme von rückständigen Mietkosten" in Höhe von 1518,62 Euro; den Betrag errechnete er aus der Aufteilung des Gesamtumfangs der Mietschulden auf die beiden Bedarfsgemeinschaften. Weiter verfügte der Beklagte: "2. Die Hilfegewährung erfolgt in Form eines Darlehens. 3. Das Darlehen ist unverzinslich. 4. Das Darlehen ist mit dem Gesamtbetrag fällig am 31.12.2007. 5. Zusätzlich fallen jährlich Verzugszinsen ab dem Fälligkeitstag in Höhe von 2 v. H. über dem am 30.06 des Jahres gültigen Basissatz an." Nach dem Begleichen der Mietschulden fand die Räumungsklage ihre Erledigung. Der gegen "die Bewilligung als Darlehen" vom Kläger für seine Bedarfsgemeinschaft erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.10.2008).

5

Auch im erstinstanzlichen Klageverfahren konnte der Kläger mit dem Begehren auf Übernahme der Mietschulden durch den Beklagten als Zuschussleistung nicht durchdringen (Urteil des SG vom 8.7.2011). Das LSG hat am 14.3.2013 das Urteil des SG abgeändert, den Bescheid des Beklagten vom 27.6.2007 aufgehoben, soweit die Darlehensbewilligung 506,21 Euro (= ein Drittel des dem Kläger bewilligten Darlehens von 1518,62 Euro) übersteigt, und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Es hat die Ablehnung der zuschussweisen Leistungsbewilligung bestätigt. Ein solcher Anspruch sei nicht durch ein Verschulden des Beklagten zu begründen. Allerdings sei der Beklagte nicht berechtigt, allein den Kläger mit einem Darlehen zu belasten. Das Darlehen für die Mietschuldenübernahme sei kopfteilig auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, der er angehöre, aufzuteilen. Der Darlehensantrag könne nicht in der Weise ausgelegt werden, dass der Kläger auch für die Bedarfsgemeinschaft habe handeln wollen. Dabei sei es irrelevant, dass er als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten einzustehen habe, weil das hier einzig maßgebliche Grundsicherungsrecht nur Individualansprüche der einzelnen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft kenne.

6

Der Beklagte hat die vom BSG zugelassene Revision gegen das Urteil des LSG eingelegt. Er rügt eine Verletzung von § 22 Abs 5 SGB II idF des Gesetzes zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze durch die nur kopfteilige Berücksichtigung des Darlehens beim Kläger. Seiner Ansicht nach ist allein der Kläger zur Tilgung des Darlehens in Höhe des Gesamtbetrags verpflichtet.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Mai 2011 sowie dessen Anschlussrevision zurückzuweisen.

8

Der Kläger, der Anschlussrevision eingelegt hat, beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen und die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 sowie des Sozialgerichts Dresden vom 16. Mai 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 27. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2008 zu verpflichten, die Mietschulden als Zuschuss an Stelle des hierfür bereits geleisteten Darlehens zu übernehmen.

9

Er verfolgt sein Begehren mit der Begründung weiter, der Beklagte trage die Schuld an der Entstehung der Mietschulden, sodass ein atypischer Fall iS des § 22 Abs 5 SGB II anzunehmen sei.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässigen Revisionen der Beteiligten sind im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Ob der Kläger einen Anspruch auf Übernahme der Mietschulden als Zuschussleistung des Beklagten hat, vermag der Senat aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen.

11

1. Streitgegenstand ist die Übernahme von Mietschulden als Leistung an den Kläger in Höhe von 1518,62 Euro. Der Beklagte hat durch Bescheid vom 27.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2008 die Leistung als Darlehen erbracht. Dieser Bescheid beinhaltete zugleich eine konkludente Ablehnung einer Bewilligung der Übernahme der Mietschulden als Zuschuss.

12

Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage iS des § 54 Abs 4 SGG. Er begehrt die Umwandlung einer Darlehensleistung in eine solche als Zuschuss. Es ist insoweit nur noch darüber zu befinden, ob die bereits gezahlten Darlehensleistungen als Zuschuss hätten erbracht werden müssen. Allerdings war auch über den Umfang der Leistungsgewährung zu entscheiden. Denn soweit der Kläger die zuschussweise Leistungsbewilligung beantragt, umfasst sein Begehren auch eine Freistellung von der Tilgungsverpflichtung bzw eine Reduzierung dieser durch eine niedrigere Festsetzung des Tilgungsbetrags.

13

2. Der Kläger erfüllt nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG im streitigen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 Nrn 1 - 4 SGB II; insbesondere war er hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II. Ob er jedoch einen Anspruch auf die Übernahme der Mietschulden als Zuschuss anstelle des bereits gezahlten Darlehens hat, konnte der erkennende Senat aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.

14

Die Übernahme der Mietschulden richtet sich hier nach § 22 Abs 5 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (BGBl I 558). Danach können auch Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Satz 2 bestimmt, dass Schulden übernommen werden sollen, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

15

Der für die Übernahme von Mietschulden iS des § 22 Abs 5 SGB II erforderliche Antrag, der im Regelfall nicht vom Antrag auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff SGB II erfasst wird, sondern vom Hilfebedürftigen gesondert geltend zu machen ist(BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 14), ist hier spätestens am 4.10.2006 für beide - von dem Beklagten angenommene - Bedarfsgemeinschaften durch den klägerischen Anwalt gestellt worden.

16

Da der Beklagte vorliegend bereits eine Darlehensleistung erbracht hat, bedurfte es keiner Prüfung, ob dem Beklagten ein Spielraum für das "ob" seiner Entscheidung zugestanden hätte (vgl hierzu BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 31). Allerdings erfolgt auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 22 Abs 5 S 2 SGB II gegeben sind, also ohne die Schuldenübernahme Wohnungslosigkeit droht - hier war bereits die Räumungsklage anhängig -, die Übernahme von Schulden im Regelfall nur darlehensweise. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 22 Abs 5 S 4 SGB II und dessen Sinn und Zweck.

17

Nach § 22 Abs 5 S 4 SGB II sollen Geldleistungen als Darlehen erbracht werden. Dies bedeutet, dass ein Zuschuss nur in atypischen Fällen zu leisten ist. Damit soll ein Ausgleich zwischen den Interessen der Leistungsberechtigten und denen der Allgemeinheit der Steuerzahler bewirkt werden (vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 266, Stand X/2012). So steht auch wirtschaftlich unvernünftiges (vorwerfbares) Handeln des Hilfebedürftigen, das die drohende Wohnungslosigkeit (mit)verursacht haben mag, einer Übernahme der Mietschulden als Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht entgegen. Es ist das elementare Grundbedürfnis der Unterkunftssicherung, ggf auch bei schuldhafter Gefährdung der Unterkunft diese durch staatliche Hilfe zu sichern. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates aus dem Recht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua, BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 136) und findet in der Leistung nach § 22 Abs 5 SGB II ihre Ausformung. Andererseits sollen Leistungen nach dem SGB II grundsätzlich nicht der Schuldentilgung dienen. Einkommen ist zu förderst zur Sicherung des Lebensunterhalts der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen. Dies gilt selbst dann, wenn der Leistungsberechtigte sich dadurch außerstande setzt, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (vgl nur BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 19). Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen sind Grundsicherungsleistungen zur Schuldentilgung zu gewähren. Wenn dies dem Grunde nach in Betracht zu ziehen ist, dann besteht jedoch regelmäßig die Verpflichtung, die erbrachten Leistungen zur Schuldentilgung zurückzuzahlen, und die Leistungsgewährung erfolgt als Darlehen. Das Auswahlermessen des Grundsicherungsträgers nach § 22 Abs 5 S 4 SGB II ist insoweit reduziert(vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 332, Stand VI/2014).

18

Hieraus folgt, dass ein atypischer Fall iS des § 22 Abs 5 S 4 SGB II, also eine Konstellation, in der anstelle des Darlehens ein Zuschuss zu erbringen ist, dann vorliegt, wenn die Fallgestaltung im Einzelfall signifikant vom (typischen) Regelfall abweicht. Dabei ist auch das Verhalten des Leistungsträgers in die Bewertung einzubeziehen (so auch Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 SGB II RdNr 141, Stand IV/2014; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 253, beide unter Bezugnahme auf LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.9.2007 - L 2 B 242/07 AS ER - juris RdNr 33). Mitwirkendes Fehlverhalten auf seiner Seite, das als eine atypische Behandlung des Falles iS einer Abweichung von der grundsätzlich zu erwartenden ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zu verstehen ist, kann im Einzelfall eine Atypik des verwirklichten Tatbestandes begründen (vgl BSG vom 29.11.1989 - 7 RAr 138/88 - BSGE 66, 103 = SozR 4100 § 103 Nr 47, juris RdNr 38, BSG vom 25.4.1990 - 7 RAr 20/89 - juris RdNr 43; BSG vom 28.6.1990 - 7 RAr 132/88 - SozR 3-4100 § 115 Nr 1, juris RdNr 28). Allerdings muss das Verhalten des Leistungsträgers "wesentlich mitwirkend" für die Entstehung der Mietschulden sein. Haben Umstände in der Sphäre des Leistungsberechtigten und in der Sphäre der Verwaltung zu der Entstehung der Mietschulden beigetragen, ist nur dann von einer wesentlichen Mitwirkung des Leistungsträgers auszugehen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für das Entstehen der Mietschulden annähernd gleichwertig sind. Kommt dagegen dem "Fehlverhalten" des Leistungsberechtigten eine überragende Bedeutung für die Mietschulden zu, so ist kein atypischer Fall gegeben, denn sein Verhalten verdrängt das Fehlverhalten des Leistungsträgers (vgl zu vergleichbaren Erwägungen im sozialen Entschädigungsrecht BSG vom 20.7.2005 - B 9a V 1/05R - juris RdNr 38, mwN).

19

Das LSG hat vorliegend dem Fehlverhalten des Klägers (und dessen Lebensgefährtin) eine überragende Bedeutung für die Entstehung der Mietschulden beigemessen und aus diesem Grund einen atypischen Fall im Sinne eines wesentlich mitwirkenden fehlerhaften Verwaltungshandelns verneint. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Das Revisionsgericht ist insoweit nicht gehindert, die Bewertung des LSG im Hinblick auf die Atypik zu überprüfen und ggf zu einer anderen Schlussfolgerung zu gelangen. Es handelt es sich hierbei nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um eine rechtliche Wertung auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen. Die Bindungswirkung des § 163 SGG bezieht sich lediglich auf die Tatsachenfeststellungen des LSG, aus denen auf das Vorliegen eines atypischen Falles geschlossen werden kann(vgl zur Atypik im Rahmen von § 48 SGB X: BSG vom 29.6.1994 - 1 RK 45/93 - BSGE 74, 287 = SozR 3-1300 § 48 Nr 33, juris RdNr 26; so auch BSG vom 26.10.1998 - B 2 U 35/97 R - juris RdNr 25). Zwar hat sich das LSG umfänglich mit den Beiträgen des Beklagten und des Klägers zu der Entstehung der Mietschulden befasst. Es mangelt aber an hinreichenden Feststellungen zum Ausgangspunkt der Entstehung der Mietschulden und des Verhaltens des Beklagten in dieser Situation. Daher konnte der erkennende Senat nicht abschließend über das Vorliegen einer "Atypik" befinden.

20

Das LSG hat zunächst eine in der Sphäre des Beklagten liegende fehlerhafte Zahlungspraxis festgestellt. Danach hat der Beklagte die Miete nicht vollständig an den Vermieter, sondern nur teilweise an diesen und teilweise an die Leistungsempfänger ausgezahlt. Die Leistung ist nach den Ermittlungen im Berufungsverfahren jedoch vollständig in der bewilligten Höhe zur Auszahlung gelangt, sodass das LSG insoweit letztlich zutreffend das Fehlverhalten des Klägers als überragenden Beitrag für die Entstehung weiterer Mietschulden angesehen hat. Soweit die Miete nicht in der anerkannten Höhe an den Vermieter überwiesen worden ist, hat das Berufungsgericht bereits eine fehlerhafte Zahlungspraxis des Beklagten verneint. Es stützt sich darauf, dass der Sohn der Lebensgefährtin des Klägers aufgrund von Unterhaltszahlungen und des Bezugs von Kindergeld keinen oder nur einen sehr geringen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gehabt hat. Es lag damit in der Sphäre des Klägers, den auf den Sohn entfallenden Kopfteil der Miete aus dem Einkommen des Kindes selbst an den Vermieter zu überweisen. Nicht zu beanstanden ist auch, dass nach Auffassung des LSG die zögerliche Bearbeitung der Anträge des Klägers und die zum Teil lediglich schematischen Ausführungen in den Schreiben des Beklagten ohne Bezug zum konkreten Einzelfall sowie die vom LSG festgestellten tatsächlichen Buchungsvorgänge zwar an einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zweifeln lassen. Um ein im Rechtssinne wesentlich mitwirkendes Fehlverhalten des Beklagten, dass zur Entstehung der Mietschulden beigetragen hat, handelt es sich dabei jedoch nicht.

21

Das LSG hat allerdings den Ausgangspunkt der Entstehung der Mietschulden nicht in seine Bewertung einbezogen. Nach seinen Feststellungen hat der Kläger eine Leistung für eine Mietkaution bereits im Dezember 2005 beantragt. Der Beklagte hat sie auch bewilligt, jedoch erst nach dem 1.2.2006, dem geplanten Einzugstermin, ausgezahlt. Der Kläger und die weitere Bedarfsgemeinschaft sind alsdann in ihren bisherigen Wohnungen verblieben. Ob und ggf in welcher Höhe es deswegen zu doppelten Mietforderungen gekommen ist, hat das LSG nicht festgestellt. Dies ist jedoch nach den Ausführungen im Tatbestand des Urteils zur "Verrechnung" der Mietleistungen für die bisherigen Wohnungen mit denen für die neue Wohnung durch den Änderungsbescheid vom 7.3.2006 naheliegend. Sollte es dem Kläger und der weiteren Bedarfsgemeinschaft also wegen der nicht rechtzeitig gezahlten Mietkaution nicht möglich gewesen sein, in die angemietete Wohnung umzuziehen, könnte hierin ein Fehlverhalten des Beklagten erkannt werden, das wesentlich zur Entstehung der Mietschulden beigetragen hat. Immerhin hat der Vermieter der neuen Wohnung nach den Feststellungen des LSG gegenüber dem Beklagten bereits sehr früh wegen der nicht erfolgten Mietzahlungen für Februar und März 2006 eine fristlose Kündigung angekündigt.

22

3. Sollte das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu dem Ergebnis gelangen, es sei gleichwohl kein atypischer Fall gegeben, wird es im Weiteren zu beachten haben, dass der angefochtene Bescheid insoweit rechtswidrig ist, als durch die Verfügungssätze 4 und 5 die Fälligkeit des gesamten Darlehensbetrags am 31.12.2007 und der Anfall von Verzugszinsen für den Fall der nicht rechtzeitigen Tilgung geregelt wird.

23

Für die Tilgung einer den Kosten der Unterkunft und Heizung zuzuordnenden Leistung als Gesamtbetrag zu einem Fälligkeitsdatum, an dem ausgehend vom Zeitpunkt der Bescheiderteilung nicht absehbar ist, ob der Leistungsberechtigte sich noch im Leistungsbezug befindet - was hier der Fall war -, mangelt es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage im SGB II. Im Hinblick auf die Tilgung eines Mietkautionsdarlehens aus der Regelleistung hat der erkennende Senat dies nach der Rechtslage bis zum 31.3.2011 selbst für eine ratenweise Abzahlung befunden (BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 26/10 R - BSGE 110, 288 = SozR 4-1200 § 46 Nr 3, RdNr 15). So war im Gegensatz zur Darlehensgewährung für einen einmaligen Bedarf iS des § 23 Abs 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes über moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt(vom 24.12.2003, BGBl I 2954) in § 22 Abs 3 SGB II für das Mietkautionsdarlehen ebenso wie für das Mietschuldendarlehen nach § 22 Abs 5 SGB II keine Tilgungsregelung im SGB II vorgesehen. Eine solche ist auch nach der Neufassung des § 22 Abs 5 SGB II durch das Gesetz zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze nicht eingefügt worden. Eine analoge Anwendung der Tilgungsregelung des § 23 Abs 1 S 3 SGB II hat der erkennende Senat ebenfalls abgelehnt. Wie beim Mietkautionsdarlehen liegen der Tilgungsregelung des § 23 Abs 1 S 3 SGB II und dem Darlehen für Mietschulden andere Tatbestände zugrunde(BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 26/10 R - BSGE 110, 288 = SozR 4-1200 § 46 Nr 3, RdNr 16). Erst durch § 42a SGB II ist zum 1.4.2011 eine Aufrechnungsregelung insoweit geschaffen worden. Abgesehen davon, dass diese Regelung nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG eine "echte Rechtsänderung" ist (BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 26/10 R - BSGE 110, 288 = SozR 4-1200 § 46 Nr 3, RdNr 16), sieht auch § 42a Abs 4 SGB II erst nach Beendigung des Leistungsbezugs die Fälligkeit des gesamten noch nicht getilgten Darlehensbetrags vor. Diese Art der Tilgung eines Darlehens für Mietschulden während des laufenden Leistungsbezugs wäre nur zu Lasten der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts möglich. Dies führt im vorliegenden Fall zu einer nicht mehr ausgleichbaren Unterdeckung des Existenzminimums, denn der Aufrechnungsbetrag von 1518,62 Euro übersteigt das Vierfache der Regelleistung.

24

Da es somit bereits an einer rechtmäßigen Verfügung zur Tilgung des Darlehens mangelt, ist auch die Verfügung über die Zahlung von Verzugszinsen rechtswidrig und aufzuheben.

25

4. Auch die Höhe der Darlehensbelastung ist vom Beklagten unzutreffend bestimmt worden. Dabei ist das LSG allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Kläger nur ein Darlehen von 506,21 Euro zu bewilligen war. Vielmehr ist ein Darlehen zur Deckung von Mietschulden unabhängig vom Kopfteilprinzip gleichmäßig auf diejenigen Personen aufzuteilen, die - jedenfalls in einer Konstellation wie der vorliegenden - aus dem Mietvertrag verpflichtet sind. Somit entfällt auf den Kläger eine Darlehensbelastung in Höhe von 1138,96 Euro.

26

Die laufenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind nach gefestigter Rechtsprechung des BSG im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen nutzen (stRspr des BSG seit 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28; zuletzt vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 63, RdNr 26 und vom 22.8.2013 - B 14 AS 85/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 71, RdNr 20). Hintergrund für dieses auf die Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17, juris RdNr 10) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf dem Grunde nach abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.

27

Bei der Leistung für Mietschulden als einmaliger Leistung für Unterkunft ist jedoch keine Kopfteilung vorzunehmen. Die mit dem Grundsicherungsrecht nach dem SGB II befassten Senate des BSG haben eine Abweichung vom Kopfteilprinzip für diejenigen Fälle bejaht, in denen bei objektiver Betrachtung eine andere Aufteilung angezeigt ist (vgl nur BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, juris RdNr 28; BSG vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4, juris RdNr 19; für eine vorübergehende, auf unter sechs Monate beschränkte Ortsabwesenheit eines Partners BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 19; s auch BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 19, hierzu zustimmend Anm Sonnhoff, SGb 2014, 339; BSG vom 22.8.2013 - B 14 AS 85/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 71, RdNr 23). So liegt es auch bei der Mietschuldenübernahme.

28

Würde das Darlehen gemäß § 22 Abs 5 SGB II kopfteilig auf die Mitglieder beider - vom Beklagten angenommener - Bedarfsgemeinschaften verteilt, so folgte hieraus letztlich eine faktische Mithaftung der nicht am Mietvertrag Beteiligten, insbesondere auch der Kinder einer Bedarfsgemeinschaft, für unerfüllte Mietvertragsforderungen. Unter Berücksichtigung der Neuregelung des § 42a Abs 1 S 3 SGB II träfe eine Rückzahlungsverpflichtung dann auch das nicht durch den Mietvertrag verpflichtete Bedarfsgemeinschaftsmitglied unabhängig davon, ob eine Einwirkungsmöglichkeit auf die Zahlungsmoral des mietvertraglich Verpflichteten besteht. Abgesehen davon könnten sich aus der Möglichkeit, die Verpflichtungen aus Mietverträgen auf Dritte zu verlagern, erhebliche Fehlanreize für die Mietvertragspartner ergeben. Daher erscheint es allein sachgerecht, nur die durch den Mietvertrag zivilrechtlich verpflichteten Personen - unter Berücksichtigung des internen Schuldnerausgleichs bei gesamtschuldnerischer Haftung - als Darlehensnehmer anzusehen (ebenso Krauß in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 366, Stand III/14; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 253), soweit sie - wie hier - die Wohnung gemeinsam nutzen (vgl die Fallkonstellation in BSG vom 22.8.2012 - B 14 AS 1/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 65 RdNr 2, 18)und im Leistungsbezug nach dem SGB II stehen. Nach diesen Grundsätzen konnte der Kläger, der den Mietvertrag gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin geschlossen hatte, ein Darlehen von 1138,96 Euro (= die Hälfte der Mietschulden von 2277,92 Euro) beanspruchen.

29

5. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt vom beklagten Jobcenter höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 aufgrund eines geltend gemachten Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

2

Die im Jahr 1955 geborene, alleinlebende Klägerin bezieht seit dem 1.1.2005 Alg II. Nachdem ihr Hausarzt das Vorliegen einer Eisenmangelanämie bescheinigt hatte, bewilligte ihr der Beklagte bis zum 31.3.2009 einen monatlichen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 30,68 Euro, im anschließenden Bewilligungsabschnitt jedoch nicht mehr. Für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II in Höhe von monatlich 359 Euro Regelleistung und 564,80 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung, lehnte aber einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung ab, weil sie aufgrund der Eisenmangelanämie Vollkost benötige, die nach neueren medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen und unter Berücksichtigung der neuen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 (kurz: Mehrbedarfsempfehlungen 2008 ) nur eine ausgewogene Ernährung erfordere, die aus dem Ernährungsanteil in der Regelleistung finanziert werden könne (Bescheid vom 22.9.2009, Widerspruchsbescheid vom 15.10.2009).

3

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Mainz (SG) hat dieses verschiedene ärztliche Unterlagen sowie ein ärztliches Gutachten von Dr. S, nach dem bei der Klägerin insbesondere eine Sprue, die eine glutenfreie Kost erfordere, sowie eine Eisenmangelanämie vorliegen, beigezogen. Das SG hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 72,00 Euro monatlich zu gewähren, und im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.12.2011). Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) das Urteil des SG geändert und die Klage insgesamt ab- sowie die Anschlussberufung der Klägerin, mit der sie einen höheren Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung begehrt hatte, zurückgewiesen (Urteil vom 26.6.2012). Ein Mehrbedarfsanspruch wegen kostenaufwändiger Ernährung bestehe trotz der Erkrankungen an Zöliakie/Sprue und Eisenmangelanämie nicht, obwohl die Zöliakie/Sprue durch das Gutachten von Dr. S vom 10.9.2010 und den Befundbericht von Dr. K vom 30.5.2010 eindeutig belegt sei. Wegen der Zöliakie/Sprue bestehe schon deshalb kein Anspruch, weil sie der Klägerin während des streitgegenständlichen Zeitraums nicht bekannt gewesen sei und eine durch sie veranlasste besondere und kostenaufwändige Ernährung nicht stattgefunden habe. Die rückwirkende Anerkennung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II komme nicht in Betracht. Eine krankheitsangemessene besondere Ernährung könne nicht für die Vergangenheit nachgeholt werden. Der Umstand, dass die Klägerin wegen ihrer gesundheitlichen Leiden auf ihre Ernährung geachtet und höherpreisige Lebensmittel konsumiert habe, begründe keinen Mehrbedarf. Die Ernährungsweise der Klägerin sei in der strittigen Zeit nicht auf ihre Erkrankung abgestimmt gewesen, weil zu dieser Zeit noch keine zutreffende Krankheitsdiagnose vorgelegen habe und die Besserung der Symptome erst eingetreten sei, als sie, ernährungsmedizinisch geschult, später zu speziell glutenfreier Kost übergegangen sei. Wegen der Eisenmangelanämie, an der die Klägerin leide und bereits im streitgegenständlichen Zeitraum gelitten habe, habe keine Notwendigkeit einer besonderen, kostenaufwändigen Ernährung bestanden.

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin die Verletzung von § 21 Abs 5 SGB II geltend. Ein Mehrbedarfsanspruch bestehe auch dann, wenn der Leistungsberechtigte zwar keine Kenntnis von der konkreten Krankheit habe, sich aber aufgrund krankheitsbedingter Beschwerden kostenaufwändiger ernähre und erst später eine Krankheit diagnostiziert werde, deren Heilung bzw Linderung der damit einhergehenden Beschwerden eine kostenaufwändige Ernährung erfordere. Der Wortlaut der Norm setze keine subjektive Kenntnis des Leistungsberechtigten von der den Mehrbedarf auslösenden Erkrankung im Zeitpunkt der Antragstellung voraus. Es sei allein sein objektiver Gesundheitszustand maßgeblich und daher auch die erst nach Antragstellung erkannte Krankheit anspruchsauslösend. Die Argumentation des LSG, dass die krankheitsbedingte Ernährung nicht nachgeholt werden könne, gehe fehl, da bei ihr - der Klägerin - ernährungsbedingte Kosten aufgelaufen seien. Sie habe nicht nur eine Vollwert-Diät-Kost eingehalten, sondern sich auch eiweißhaltig, eisen- und vitaminreich ernährt und aufgrund der andauernden Beschwerden verschiedenste kostenaufwändige Diäten eingehalten. Da der Regelsatz an der untersten Schwelle des Existenzminimums angesiedelt sei und demzufolge jegliche Mehrbelastung der Leistungsberechtigten zu einer Unterschreitung des Existenzminimums führe, müsse auch eine fälschlicherweise, aber nachvollziehbar angenommene Belastung ausgeglichen werden. Die Kausalität zwischen der Zöliakie/Sprue und der eingehaltenen kostenaufwändigen Ernährung habe vorgelegen, da diese Erkrankung letztlich für ihre Beschwerden im streitigen Bewilligungszeitraum verantwortlich gewesen sei. Die Unsicherheit, aufgrund welcher Erkrankung letztlich ein ernährungsbedingter Mehrbedarf vorliege, könne nicht zu Lasten des Leistungsberechtigten gehen. Bei Vorlage eines ärztlichen Attestes, in dem eine bestimmte Erkrankung genannt werde, die nicht in den Mehrbedarfsempfehlungen 2008 enthalten ist, sei der Leistungsträger zur weiteren Amtsermittlung durch individuelle Begutachtung sowohl bezüglich der Erkrankung als auch des durch sie ausgelösten Ernährungsbedarfs und dessen Kosten verpflichtet.

5

Die Klägerin beantragt,
 das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 16. Dezember 2011 zurückzuweisen.

6

Der Beklagte beantragt,
 die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zu Recht auf die Berufung des beklagten Jobcenters das Urteil des SG geändert und die Klage insgesamt abgewiesen, denn die Klägerin hat für den strittigen Zeitraum keinen Anspruch auf höheres Alg II wegen eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II.

8

Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Entscheidung nicht entgegen. Die Klägerin hat zu Recht eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 22.9.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2009 erhoben, weil der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Mehrbedarf nach §§ 19, 21 Abs 5 SGB II(in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Modernisierung des Arbeitsmarktes vom 24.12.2003, BGBl I 2954, zuletzt geändert durch Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2.3.2009, BGBl I 416; im Folgenden SGB II aF) kein eigenständiger Streitgegenstand im Rahmen der Bewilligung von Alg II ist (stRspr: BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290-295 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 12; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48-57 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9; BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - RdNr 11 f).

9

1. Rechtsgrundlagen für den von der Klägerin geltend gemachten und vom LSG verneinten Anspruch auf höheres Alg II aufgrund eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung sind § 19 Satz 1, §§ 7, 21 Abs 5 SGB II aF. Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

10

Zwar erfüllte die Klägerin im streitigen Zeitraum vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 die Grundvoraussetzungen nach § 7 SGB II, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, auch hatte sie rechtzeitig einen Fortzahlungsantrag auf Alg II gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II aF gestellt, jedoch sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs 5 SGB II aF für einen Anspruch auf Mehrbedarf nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG nicht gegeben, wie sich aus dem Zusammenhang des Mehrbedarfs mit dem Regelbedarf(dazu 2.) und den Voraussetzungen des Mehrbedarfs im Einzelnen (dazu 3.) ergibt.

11

Nach § 21 Abs 5 SGB II aF erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Die seit dem 1.1.2011 geltende Neufassung des § 21 Abs 5 SGB II, nach der bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt wird, beinhaltet, wie sich aus dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung ergibt, keine inhaltliche Änderung, sondern nur eine redaktionelle Anpassung(BT-Drucks 17/3404 S 97).

12

2. Die Konkretisierung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II muss im Zusammenhang mit § 20 SGB II erfolgen, der den Regelbedarf, früher Regelleistung, in Form einer pauschalierten Leistung vorsieht. Denn § 20 SGB II umfasst die für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wesentlichen und üblichen Bedarfslagen und Bedürfnisse des täglichen Lebens, wie sich aus der nicht abschließenden Aufzählung in seinem Abs 1 - "insbesondere" Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, einen Teil der Haushaltsenergie sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens - ergibt. Grundlage für die Ermittlung der regelbedarfsrelevanten Anteile der einzelnen Bedarfsabteilungen und damit der Höhe des Regelbedarfs insgesamt sind die statistisch ermittelten Ausgaben und das Verbrauchsverhalten von Haushalten in unteren Einkommensgruppen auf der Datengrundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Die typisierend anerkannten Bedarfe gelten mit den in den Absätzen 2 bis 3 (aF) bzw bis 4 (nF) vorgesehenen Pauschalen als befriedigt (vgl § 3 Abs 3 Halbs 2 SGB II). Die Typisierung von existenzsichernden Bedarfen sowie deren Deckung durch einen pauschalen Festbetrag ist vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als verfassungskonform bestätigt worden (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 41 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, RdNr 205).

13

Der notwendige Bedarf für Ernährung ist als ein Teil dieses Regelbedarfs typisierend zuerkannt worden, wobei von der Deckung der laufenden Kosten eines typischen Leistungsberechtigten im Rahmen eines soziokulturellen Existenzminimums für eine ausreichende ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden Zufuhr von Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, Mineralstoffen und Vitaminen ausgegangen wurde (vgl Saitzek in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 20 RdNr 44; Busse in MEDSACH 2009, 142, 142; Adolph in Adolph/Linhart, SGB II/SGB XII, Stand 8/2013, § 21 RdNr 56). Damit gilt im Ergebnis eine Vollkosternährung als vom Regelbedarf gedeckt, weil es sich hierbei um eine ausgewogene Ernährungsweise handelt, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt (vgl Mehrbedarfsempfehlungen 2008, S 19, auf die das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 31 BvL 3/09, 1 BvL 41 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 RdNr 152 verweist; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 25, 26; Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 2014, § 21 SGB II RdNr 34; von Boetticher/Münder in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 24).

14

Nach dem Ziel der Pauschalierung soll der Leistungsberechtigte über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen eigenverantwortlich entscheiden (vgl § 20 Abs 1 S 4 SGB II nF sowie zur alten Rechtslage bereits § 1 Abs 2 S 1 SGB II aF)und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen ausgleichen, was ihm auch zumutbar ist (vgl BVerfG, aaO). Zudem ist es dem Leistungsberechtigten zumutbar, in unregelmäßigen Abständen entstehende Bedarfe - zB für Bekleidung, langlebige Gebrauchsgüter usw - vom Regelbedarf zu decken (vgl hierzu nun ausdrücklich § 20 Abs 1 S 4 SGB II nF) und dies bei seinem individuellen Verbrauchsverhalten, zB durch Ansparungen, zu berücksichtigen.

15

Da § 20 SGB II keine im Einzelfall abweichende Bedarfsermittlung und -festsetzung zulässt, soll nach § 21 SGB II für bestimmte, laufende, aufgrund besonderer Lebensumstände bestehende Bedarfe, die nicht (ggf ausreichend) vom Regelbedarf abgedeckt sind, Zugang zu zusätzlichen Leistungen eröffnet werden(§ 21 Abs 1 SGB II; BT-Drucks 15/1516 S 57). Als einer dieser Mehrbedarfe soll der wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen nach § 21 Abs 5 SGB II helfen, im Hinblick auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums eine Ernährung zu finanzieren, mit der der Verlauf einer (bestehenden) gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Abmilderung von deren Folgen, Verhinderung oder Hinauszögern einer Verschlechterung oder deren (drohenden) Eintretens beeinflusst werden kann(vgl BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 20; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 52).

16

3. Unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs setzt der Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II zunächst eine erwerbsfähige, hilfebedürftige - heute eine leistungsberechtigte - Person voraus(vgl für Sozialgeldbezieher § 28 SGB II aF bzw § 19 Abs 1 Satz 2, 3, § 23 SGB II nF), was nach dem oben Gesagten vorliegend erfüllt ist. Weitere Voraussetzungen sind medizinische Gründe, womit gesundheitliche Beeinträchtigungen gemeint sind (dazu a), eine kostenaufwändige Ernährung (dazu b), ein Ursachenzusammenhang zwischen den medizinischen Gründen und der kostenaufwändigen Ernährung (dazu c), ohne dass es auf deren Einhaltung ankommt (dazu d); hinzu kommt die Kenntnis der betreffenden Person von diesem medizinisch bedingten besonderen Ernährungsbedürfnis, die im Unterschied zu den zuvor genannten anderen Voraussetzungen hier fehlte (dazu e) (vgl zu den ersten Voraussetzungen: BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 17 bis 20; Behrend in jurisPK-SGB II, Online-Ausgabe, § 21 RdNr 55, Stand Einzelkommentierung 11/2013; von Boetticher/Münder in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 24; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 52; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 5/2011, K § 21 RdNr 60; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, Stand 11/2009, § 21 RdNr 34; Busse, MEDSACH 2009, 142).

17

a) Die Voraussetzung "medizinische Gründe" lag vor, weil die bei der Klägerin nach den bindenden Feststellungen des LSG im streitgegenständlichen Zeitraum bestehende Eisenmangelanämie eine Krankheit ist und damit eine gesundheitliche Beeinträchtigung iS des § 21 Abs 5 SGB II gegeben war. Hinsichtlich der Zöliakie/Sprue hat das LSG keine klaren Feststellungen getroffen, ist aber davon ausgegangen, dass diese Erkrankung zwar unerkannt war, aber "anscheinend tatsächlich" bei der Klägerin im streitigen Zeitraum vorhanden war. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits zur Aufklärung dieser Frage scheidet aus, weil die Entscheidung des LSG sich im Hinblick auf die Verneinung der Voraussetzung "Kenntnis" als zutreffend erweist (vgl § 170 Abs 1 Satz 2 SGG). Für die Prüfung der weiteren Voraussetzungen ist aber zugunsten der Klägerin vom objektiven Vorliegen auch dieser Erkrankung im strittigen Zeitraum auszugehen.

18

b) Eine glutenfreie Ernährung - als hier in Betracht kommende, besondere Kostform - ist, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, eine kostenaufwändige Ernährung iS des § 21 Abs 5 SGB II, für eine Vollkosternährung gilt dies aber nicht(siehe oben 2.).

19

Ausgehend von der Konkretisierung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Relation zum Regelbedarf ist kostenaufwändiger iS des § 21 Abs 5 SGB II eine Ernährung, die von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt ist(so im Ergebnis auch BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12). Da die Vollkosternährung vom Regelbedarf gedeckt ist, besteht eine kostenaufwändige Ernährung iS des § 21 Abs 5 SGB II grundsätzlich nur bei einer besonderen, von der Vollkost abweichenden Ernährung(sform). Dass eine glutenfreie Kost eine solche kostenaufwändige Ernährung ist, folgt aus den Mehrbedarfsempfehlungen 2008. Bei diesen handelt es sich zwar nicht um ein antizipiertes Sachverständigengutachten, das normähnlich angewandt werden kann, sie können jedoch als Orientierungshilfe herangezogen werden, von der fachlich begründet abgewichen werden darf (vgl ausführlich BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 18 ff; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 16; von Boetticher/Münder in Münder-LPK, SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 25; Herold-Tews in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl 2011, § 21 RdNr 30; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 57). Anhaltspunkte für eine Abweichung sind vorliegend nicht zu erkennen.

20

Eine andere in Betracht kommende kostenaufwändigere Ernährung der Klägerin als eine glutenfreie hat das LSG nicht festgestellt. Es hat lediglich ausgeführt, dass die Klägerin wegen gesundheitlicher Leiden auf ihre Ernährung geachtet und höherpreisige Lebensmittel konsumiert habe. Dies beinhaltet jedoch nicht die Feststellung einer besonderen, von der Vollkosternährung abweichenden Ernährung. Aufklärungsrügen wurden von der Klägerin im Revisionsverfahren nicht erhoben. Aus dem Vorbringen der Revision, der Beklagte habe seine Amtsermittlungspflichten verletzt, folgt nichts anderes, weil es nicht Aufgabe des Jobcenters ist, der leistungsberechtigten Person Kenntnis von ihrem konkreten Ernährungsbedarf zu verschaffen.

21

c) Der Ursachenzusammenhang zwischen einer Zöliakie/Sprue und einer glutenfreien Ernährung ergibt sich aus den Feststellungen des LSG, die ihrerseits auf den Mehrbedarfsempfehlungen 2008 beruhen.

22

Diese aus dem Wortlaut der Norm ("aus ... Gründen") folgende und in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 15/1516 S 57) bestätigte Voraussetzung des Ursachenzusammenhangs ist - wie auch sonst im Sozialrecht - nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilen (vgl zB BSG Urteil vom 9.5.2012 - B 5 R 68/11 R - SozR 4-2600 § 43 Nr 18; BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 14/06 R - SozR 4-4100 § 128 Nr 6; zusammenfassend BSG Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 17 ff) und muss zwischen einem medizinischen Grund und der besonderen, kostenaufwändigen Ernährung bestehen (BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 16; Behrend in jurisPK-SGB II, Online-Ausgabe, § 21 RdNr 64.1, Stand Einzelkommentierung 11/2013; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, Stand 11/2009, § 21 RdNr 34).

23

d) Die tatsächliche Einhaltung einer solchen Ernährung oder ggf der Nachweis tatsächlicher Mehraufwendungen seitens des Anspruchstellers ist keine Anspruchsvoraussetzung. Auch wenn § 21 Abs 5 SGB II anders als die übrigen in den Absätzen 2 bis 4 und 7 geregelten typisierten Mehrbedarfe keine prozentual am Regelbedarf orientierte pauschalierte Höhe des Mehrbedarfs vorsieht(so auch Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 2014, § 21 SGB II RdNr 29; Gerenkamp in Mergler/Zink, SGB II, Band 2, Stand April 2013, § 21 RdNr 6; O. Loose in Hohm-GK-SGB II, Stand 7/2012, § 21 RdNr 3), hat der Gesetzgeber das Erfordernis eines zweckentsprechenden Einsatzes der konkreten Leistung in § 21 SGB II nicht normiert, obwohl ihm die Möglichkeit einer solchen Regelung bekannt war(vgl § 29 Abs 4 SGB II nF, § 24a S 4 SGB II aF).

24

Vielmehr sind die bislang geprüften Voraussetzungen des § 21 Abs 5 SGB II bereits beim Vorliegen der objektiven Bedarfslage erfüllt, zumal das Jobcenter im Entscheidungszeitpunkt vor oder bei Beginn des Bewilligungsabschnittes allein die objektive Bedarfslage beurteilen kann und nicht auch die Frage, ob tatsächlich - in dem in der Zukunft liegenden Bewilligungsabschnitt - eine kostenaufwändige Ernährung durchgeführt werden wird. Bei einer Entscheidung über einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum kann nichts anderes gelten, wenn die mit der Antragstellung begehrte Leistung rechtswidrigerweise abgelehnt wurde, der Leistungsberechtigte innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf eingelegt und sich im Rechtsbehelfsverfahren der Mehrbedarf bestätigt hat, er mithin bis dahin bereits wegen fehlender Geldmittel nicht gedeckt werden konnte. Zwar kann bei einer durch das Gericht nach Ablauf des streitgegenständlichen Bewilligungsabschnitts und damit den Leistungsträger nachträglich verpflichtenden Gewährung des Mehrbedarfs dessen Zweck nicht mehr erreicht werden, da die besondere Ernährung für diesen Zeitraum nicht mehr nachholbar und damit auch die Einflussnahme auf die gesundheitliche Beeinträchtigung nicht mehr möglich ist (vgl LSG Hamburg Urteil vom 27.6.2013 - L 4 AS 287/10 - Juris RdNr 23; Hessisches LSG Urteil vom 21.3.2013 - L 6 AS 665/10 - Juris RdNr 30). In diesen Fällen ist aber dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Grundgesetz) Vorrang zu geben, da andernfalls der Sozialleistungsträger durch unberechtigtes Bestreiten des Anspruchs den Beginn der Leistung oder gar den ab Antragstellung entstandenen Anspruch vereiteln könnte und so die Einklagbarkeit abgelehnter Leistungen nicht effektiv wäre (vgl bereits BVerwG Urteil vom 14.9.1972 - V C 62.72, V B 35.72 - BVerwGE 40, 343; BVerwG Urteil vom 30.4.1992 - 5 C 12/87 - BVerwGE 90, 154). Die Entscheidung des 8. Senats des BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R (BSGE 104, 213 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20, RdNr 17) steht hierzu nicht im Widerspruch, weil diese im Kontext der Anwendbarkeit von § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch im Sozialhilferecht zu sehen ist.

25

e) Der Anspruch der Klägerin scheitert daran, dass sie nach den unangegriffenen und für den Senat bindenden Feststellungen des LSG im streitgegenständlichen Zeitraum bis zum 31.3.2010 keine Kenntnis von ihrem Bedarf an glutenfreier und damit kostenaufwändiger Ernährung hatte.

26

Zwar ist dem Wortlaut des § 21 Abs 5 SGB II nicht ausdrücklich die Kenntnis der betreffenden Person von ihrem objektiv bestehenden und medizinisch begründeten besonderen Ernährungsbedarf zu entnehmen, diese weitere Voraussetzung folgt jedoch aus dem subjektive Elemente beinhaltenden Wort "bedürfen", der Zusammenschau mit den anderen Mehrbedarfen und den Sonderbedarfen sowie dem Sinn und Zweck des ernährungsbedingten Mehrbedarfs.

27

Wie sich aus dem Wortlaut des § 21 Abs 5 SGB II ergibt, muss die betreffende Person der kostenaufwändigen Ernährung "bedürfen". Dieses Tatbestandsmerkmal knüpft zunächst an eine objektive Bedarfslage an, die sich aus einer wertenden Berücksichtigung des aktuellen Stands der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklung zur Sicherung des physischen Existenzminimums ergibt und daran orientiert, was hiernach als notwendig betrachtet wird, wie etwa das Ersetzen von allergenhaltigen durch allergenfreie Nahrungsmittel oder der ersatzlose Verzicht auf allergenhaltige Nahrungsmittel. Diese Wertungen fließen in der Bundesrepublik Deutschland aktuell etwa in die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge zusammen mit Ernährungsmedizinern erarbeiteten Mehrbedarfsempfehlungen 2008 ein, nach denen bei einer Zöliakie/Sprue eine glutenfreie, spezielle Kost notwendig ist. Darüber hinaus enthält der Begriff des "Bedürfens" auch ein subjektives Element, das auf die Handlungsnotwendigkeiten des jeweiligen Anspruchstellers verweist.

28

Für die Mehrbedarfe nach § 21 Abs 2 bis 4 SGB II und § 21 Abs 6 und 7 SGB II nF hingegen ist allein die objektive Bedarfslage anspruchsauslösend, da lediglich an den objektiven Umstand der Schwangerschaft(Abs 2), des Zusammenlebens mit und die Alleinerziehung von minderjährigen Kindern (Abs 3), der Erbringung bestimmter Leistungen für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte (Abs 4), des im Einzelfall unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfes (Abs 6) und der Warmwassererzeugung durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen (Abs 7) als Tatbestandsvoraussetzung angeknüpft wird. Gleiches gilt für die Sonderbedarfe in Form der Einmalleistungen nach § 23 Abs 3 SGB II aF(Erstausstattungen und mehrtägige Klassenfahrten) bzw § 24 Abs 3 SGB II nF(Erstausstattungen und Anschaffung/Reparatur orthopädischer Schuhe, Reparatur/Miete von therapeutischen Geräten, Reparatur von therapeutischen Ausrüstungen) und die Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II nF. Hiervon grenzt sich § 21 Abs 5 SGB II ab, in dem er nicht allein auf den "Bedarf" für kostenaufwändige Ernährung abstellt, sondern auch darauf, dass die betreffenden Personen dieser Ernährung "bedürfen", womit auf ein subjektives Element abgestellt wird.

29

Im Gegensatz zu Leistungsberechtigten mit den zuvor genannten objektiv bestehenden Bedarfslagen muss der gesundheitlich beeinträchtigten Person der objektiv bestehende besondere, jedenfalls von der ausgewogenen Ernährung in Form der Vollkost und damit vom Regelbedarf abweichende Ernährungsbedarf bekannt sein. Ohne Kenntnis des Zusammenhangs zwischen den gesundheitlichen Einschränkungen und einer bestimmten Ernährungsempfehlung, also der bedarfsauslösenden Umstände, besteht kein "Bedürfnis" der Person, eine besondere Kostform einzuhalten und hierfür höhere Beträge als im Regelbedarf eingepreist aufzuwenden, weil sie um die Handlungsnotwendigkeiten nicht weiß, der zu folgen der Mehrbedarf ermöglichen soll. Dies erfordert kein Wissen des Leistungsberechtigten um die genaue medizinische Ursache im Sinne einer zutreffenden Diagnose, wohl aber um die aus medizinischen Gründen einzuhaltende besondere - zB glutenfreie - Ernährung. Der Sinn und Zweck des Mehrbedarfsanspruchs würde leer laufen, wenn dem Leistungsberechtigten trotz fehlender Kenntnis seines objektiv bestehenden besonderen medizinisch begründeten Ernährungsbedarfs die Mehrbedarfsleistung gewährt würde, weil die bezweckte Möglichkeit, auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch eine besondere Ernährung Einfluss zu nehmen und damit den objektiven Bedarf zu decken, bei fehlender Kenntnis nicht umgesetzt werden kann.

30

Dass der Klägerin in der strittigen Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 nicht bekannt war, dass sie an Zöliakie/Sprue litt, hat das LSG ausführlich begründet unter Hinweis auf die eingeholten ärztlichen Unterlagen, einschließlich des Gutachtens von Dr. S vom 10.9.2010, sowie die mündliche Anhörung der Klägerin vor dem Senat. Von Seiten der Klägerin wurden insofern keine Rügen erhoben.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anrechnung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) auf die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

I.

2

Die im Februar 1988 geborene Beschwerdeführerin lebte im streitgegenständlichen Zeitraum gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern in einem im Eigentum der Mutter stehenden Einfamilienhaus. Von August 2004 bis Juli 2007 befand sie sich in einer Ausbildung in einer staatlich anerkannten Berufsfachschule in privater Trägerschaft. Ausweislich des Schulvertrags war sie verpflichtet, Schulgebühren in monatlichen Raten in Höhe von 55 Euro beziehungsweise (im zweiten Ausbildungsjahr) 65 Euro zu zahlen. Zusätzlich entrichtete sie eine monatliche Aufwandspauschale in Höhe von 70 Euro für Zusatzleistungen des Schulträgers.

3

Die Beschwerdeführerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von 192 Euro monatlich. Außerdem bezog sie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch. Der Leistungsträger berücksichtigte dabei die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz sowie das Kindergeld in Höhe von 154 Euro monatlich als bedarfsminderndes Einkommen.

4

Auf die Klagen der Beschwerdeführerin sprachen ihr das Sozialgericht und das Landessozialgericht teilweise höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch zu. Die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz seien nur teilweise als Einkommen anzurechnen.

5

Die Revisionen des Leistungsträgers hatten teilweise Erfolg. Das Bundessozialgericht entschied, dass die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von 109,60 Euro monatlich als bedarfsminderndes Einkommen zu berücksichtigen seien und lediglich ein Betrag in Höhe von 82,40 Euro als zweckbestimmte Einnahme privilegiert sei. Der zweckbestimmte Anteil sei nicht konkret entsprechend der zweckgebundenen Verwendung durch die Beschwerdeführerin, sondern pauschal zu bestimmen. Mit der Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II solle einerseits vermieden werden, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch die Berücksichtigung im Rahmen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch verfehlt werde. Andererseits solle die Vorschrift aber auch verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht würden. Die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dienten sowohl der Deckung des Lebensunterhalts während der Ausbildung als auch der Deckung der Kosten der Ausbildung selbst. Unter Beachtung von Sinn und Zweck von § 11 SGB II sowie des in § 3 Abs. 3 Satz 1 SGB II normierten Nachranggrundsatzes sei erforderlich, den Anteil der Ausbildungsförderung, der eine Privilegierung nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II erfahre, betragsmäßig einzugrenzen. Dabei könne es nicht auf die subjektive Zweckbestimmung durch den Empfänger der Leistung ankommen. Für eine Privilegierung sei vielmehr erforderlich, dass sich der Verwendungszweck im Vorhinein nach objektiver Betrachtung erkennen lasse. Ansonsten würde je nach Ausgabeverhalten des Hilfeempfängers Einkommen unter Schutz gestellt, das von der objektiven Zweckrichtung her durchaus (auch) der Sicherung des Lebensunterhalts dienen solle. Im Übrigen werde nur eine pauschale Bestimmung des Ausbildungsanteils den Anforderungen einer Massenverwaltung gerecht. In der Praxis der Sozialhilfeträger, der sich die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende überwiegend angeschlossen hätten, sei ausgehend von einer entsprechenden Regelung in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Bundesausbildungsförderungsgesetz in der Fassung vom 21. Dezember 1990 davon ausgegangen worden, dass eine Pauschale von 20 vom Hundert von den Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für ausbildungsbedingte Kosten gewährt werde. Die Pauschalierung in einer solchen Größenordnung sei durchaus nachvollziehbar, da der überwiegende Teil der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt sei. Die Pauschalierung müsse sich allerdings von dem Betrag ableiten, der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz insgesamt als bedarfsdeckend angesehen werde. Eine nachvollziehbare Pauschalierung könne sich daher nur von dem durch den Gesetzgeber des Bundesausbildungsförderungsgesetzes festgesetzten Gesamtbedarf eines Auszubildenden in entsprechender Ausbildungsform ableiten. Die Pauschale sei vorliegend also ausgehend von dem Betrag zu bestimmen, mit dem ein Berufsfachschüler, der wegen der Förderfähigkeit der Ausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen sei, seine gesamten Ausbildungskosten decken müsse. Dies seien nach § 12 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BAföG in der bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung 412 Euro. Für die Beschwerdeführerin errechne sich daraus eine Pauschale für zweckbestimmte Ausbildungskosten in Höhe von 82,40 Euro (20 vom Hundert von 412 Euro). Die Ausbildungskosten, die über den zweckbestimmten Anteil der Ausbildungsförderung hinaus wegen der Besonderheiten der vorliegenden Ausbildung angefallen seien, könne die Beschwerdeführerin nicht als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II vom Einkommen absetzen. Es könnten solche Ausgaben nicht als mit der Erzielung des Einkommens notwendige Ausgaben abgesetzt werden, die der Art nach bereits bei der Ermittlung des Einkommens wegen einer besonderen Zweckbestimmung berücksichtigt worden seien. Wenn diese Einnahme nicht erst über den entsprechenden Mitteleinsatz des Leistungsempfängers ihre Zweckbindung erlangen könne, sondern sich die Zweckbindung nach objektiven Kriterien bestimmen lassen müsse, könne deshalb eine weitergehende subjektive Zweckbestimmung bei Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II keine Beachtung finden.

6

Mit der Verfassungsbeschwerde, die sich ausschließlich gegen die drei Entscheidungen des Bundessozialgerichts - sie betreffen unterschiedliche Zeiträume, sind ansonsten aber im Wesentlichen identisch - richtet, rügt die Beschwerdeführerin insbesondere eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips, von Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 GG sowie Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG, da die angegriffenen Entscheidungen ihrem Bedürfnis, eine Fachschulausbildung in einer Schule in privater Trägerschaft zu absolvieren, nicht hinreichend Rechnung trage. Sie sei im Verhältnis zu vergleichbaren Auszubildenden in schulgeldfreien Ausbildungsstätten benachteiligt. Das Sozialstaatsprinzip gebiete, dass Schüler und Auszubildende auch Ersatzschulen unabhängig von der wirtschaftlichen Lage ihrer Eltern besuchen könnten. In diesem Zusammenhang sieht die Beschwerdeführerin auch eine Verletzung von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG. Sie werde gegenüber Auszubildenden in bemittelten Elternhäusern oder von Auszubildenden an schulgeldfreien Schulen benachteiligt. Der existenzielle Grundsicherungsbedarf schließe zudem auch das Erfordernis einer Rücklagenbildung ein.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde ist - unbeschadet des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sie jedenfalls unbegründet ist. Daher ist der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten abzulehnen.

8

1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Aufwendungen der Beschwerdeführerin für den Besuch der privaten Berufsfachschule nicht zu einem höheren, bei der Berechnung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch zu berücksichtigenden gesetzlichen Bedarf führen.

9

a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG enthält einen Anspruch auf die Zurverfügungstellung derjenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind (vgl. BVerfGE 82, 60 <80>; BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a. -, NJW 2010, S. 505 <508, Rn. 135>). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin enthält das Grundrecht keinen Anspruch auf Leistungen zur Rücklagenbildung oder zur Finanzierung der Aufwendungen für den Besuch einer Privatschule. Wenn die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein der Bürger sichergestellt sind, liegt es allein in der Entscheidung des Gesetzgebers, in welchem Umfang darüber hinaus soziale Hilfe gewährt wird (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 40, 121 <133>; 82, 60 <80>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Oktober 1991 - 1 BvR 1159/91 -, juris, Rn. 8). Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 82, 60 <80>).

10

b) Die Bemessung des Existenzminimums, dessen Sicherung Ziel des hier allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Sozialgesetzbuch Zweites Buch ist (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SGB II), richtet sich ausschließlich nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG, so dass für den Rückgriff auf andere Grundrechte kein Raum ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a. -, NJW 2010, S. 505 <509, Rn. 145>). Deswegen sind die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Rügen, sie sei durch die Nichtberücksichtigung ihrer durch den Besuch der Berufsfachschule entstandenen Kosten in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, unbegründet.

11

c) Auch die Regelungen des Art. 7 Abs. 4 und 5 GG berühren die hier streitigen Fragen nicht. Dort sind lediglich die Voraussetzungen für die Zulassung privater Schulen niedergelegt und der Schutz solcher Institutionen geregelt. Zwar lassen sich hieraus auch staatliche Förderpflichten gegenüber den Trägern dieser Schulen ableiten (vgl. BVerfGE 75, 40 <61 ff.>; 90, 107 <114 ff.>). Zur Frage der finanziellen Unterstützung von Schülern solcher Schulen verhält sich diese Vorschrift aber nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 1982 - 7 B 143/81 -, NVwZ 1982, S. 441 f.; BVerwG, Urteil vom 13. August 1992 - 5 C 70/88 -, NVwZ 1993, S. 691 <692>).

12

2. Die Berücksichtigung von Einkommen bei der Feststellung der Hilfebedürftigkeit und bei der Berechnung der zustehenden Leistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. zur Anrechnung des Kindergelds als Einkommen BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. März 2010 - 1 BvR 3163/09 -, juris, Rn. 6 ff.).

13

a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG) wird durch die Anrechnung von Einkommen nicht verletzt. Dieses Grundrecht greift dann ein, wenn und soweit andere Mittel zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zur Verfügung stehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a. -, NJW 2010, S. 505 <507, Rn. 134>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2010 -1 BvR 688/10 -, n.v.). Die Verfassung gebietet nicht die Gewährung von be-darfsunabhängigen, voraussetzungslosen Sozialleistungen. Der Gesetzgeber hat vielmehr einen weiten Spielraum, wenn er Regelungen darüber trifft, ob und in welchem Umfang bei der Gewährung von Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, sonstiges Einkommen des Empfängers auf den individuellen Bedarf angerechnet wird (vgl. BVerfGE 100, 195 <205>).

14

Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Privilegierung von bestimmten Einnahmen, wie sie § 11 Abs. 3 SGB II vorsieht, verfassungsrechtlich geboten ist. Jedenfalls ist es nicht wegen Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erforderlich, dass solche Einnahmen von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen sind, auf die der Hilfebedürftige zur Deckung seines Existenzminimums tatsächlich zurückgreifen kann. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass das Existenzminimum gedeckt werden kann, ohne dass es auf den Rechtsgrund der Einnahme oder die subjektive Verwendungsabsicht des Hilfebedürftigen ankäme.

15

Es kann dahinstehen, ob es andere freiheitsrechtliche Vorgaben in bestimmten Konstellationen gebieten, bestimmte Sozialleistungen von der Einkommensanrechnung auszunehmen. Dies könnte dann notwendig sein, soweit anderenfalls etwaige verfassungsrechtliche Leistungsansprüche aufgrund der Einkommensanrechnung im Rahmen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch de facto nicht erfüllt würden. Dies ist hier jedoch nicht das Fall, weil jedenfalls der Besuch einer privaten Ausbildungseinrichtung nicht von Verfassungs wegen durch die Gewährung staatlicher Mittel ermöglicht oder erleichtert werden muss.

16

b) Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab ist ansonsten nur Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 100, 195 <205>).

17

aa) Wird durch eine Norm eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten, verletzt sie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 100, 195 <205>; 107, 205 <214>; 109, 96 <123>; stRspr). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass hinsichtlich der Ungleichbehandlung an ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungsmerkmal angeknüpft wird. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitsgrundsätze reichen (vgl. BVerfGE 97, 271 <290>; 99, 367 <388>; 107, 27 <45> m.w.N.). Auf dem Gebiet des Sozialrechts ist dem Gesetzgeber eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 77, 84 <106>; 81, 156 <205>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Oktober 1991 - 1 BvR 1159/91 -, juris, Rn. 8). Rechtfertigender Grund für eine Ungleichbehandlung kann dabei insbesondere der Nachrang von Sozialleistungen, zu dem auch der Einsatz anderweitigen Einkommens gehört, sein (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Oktober 1991 - 1 BvR 1159/91 -, juris, Rn. 9).

18

Daraus folgt, dass der Gesetzgeber gleichartige Einnahmen bei verschiedenen Personengruppen nicht unterschiedlich der Einkommensanrechnung unterwerfen darf, ohne dass hierfür ein nach Art und Gewicht bestehender Unterschied besteht, der die ungleiche Behandlung rechtfertigt. Dabei kann auch dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität bei der Regelung von Massenerscheinungen eine besondere Bedeutung für die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen zukommen (vgl. BVerfGE 100, 195 <205>). Art. 3 Abs. 1 GG ist hingegen bereits nicht einschlägig, wenn verschiedenartige Einnahmen bei der Einkommensanrechnung unterschiedlich berücksichtigt werden.

19

bb) § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II verletzt bei der hier in Rede stehenden Anrechnung des sogenannten Schüler-BAföG Art. 3 Abs. 1 GG nicht. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Ungleichbehandlung liegt nicht vor.

20

Die Beschwerdeführerin wird durch die Anrechnung von Einkommen nicht anders behandelt als Auszubildende, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch beziehen und eine schulgeldfreie Schule besuchen. Die Einkommensanrechnung erfolgt in beiden Fällen in gleicher Weise. Die gesetzliche Regelung differenziert hier nicht. Unterschiedlich ist lediglich das diesbezügliche Ausgabeverhalten, das aber nicht von staatlicher Seite kompensiert werden muss.

21

Die Beschwerdeführerin wird auch gegenüber bemittelten Auszubildenden nicht schlechter behandelt. Personen, die über hinreichendes Einkommen beziehungsweise Vermögen verfügen, erhalten weder Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch noch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Die Beschwerdeführerin wird gegenüber diesen Personengruppen durch die Gewährung staatlicher Leistungen vielmehr privilegiert. Dies gilt auch mit Blick auf diejenigen Personen, die nur Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten. Diese müssen - anders als die Beschwerdeführerin - ihren Lebensunterhalt, soweit er nicht durch die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gedeckt werden kann, aus eigenen Mitteln finanzieren.

22

3. Das Bundessozialgericht hat die maßgeblichen Vorschriften auch in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angewendet.

23

a) Das Bundesverfassungsgericht prüft - abgesehen vom Willkürverbot - insofern nur, ob eine angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereiches beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 97, 12 <27>; BVerfGK 6, 46 <50>; 10, 13 <15>; 10, 159 <163>; stRspr).

24

b) Solche Fehler sind hier nicht ersichtlich. Das Bundessozialgericht hat die mit Verfassungsrecht in Einklang stehenden Vorschriften des einfachen Rechts angewendet, ohne dass dies verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde.

25

Dies gilt insbesondere mit Blick auf Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Das Bundessozialgericht durfte nach dem oben Ausgeführten davon ausgehen, dass ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums nur besteht, soweit andere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Solche Mittel waren hier jedoch in Gestalt der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz verfügbar. Durch diese Leistungen einerseits und die gekürzte Regelleistung andererseits hat die Beschwerdeführerin im Ergebnis sogar mehr staatliche Leistungen erhalten, als aufgrund § 20 Abs. 2 Satz 2, § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II im streitgegenständlichen Zeitraum gesetzlich vorgesehen waren, weil die Anrechnung der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in den angegriffenen Entscheidungen nur teilweise erfolgte.

26

Die Auffassung des Bundessozialgerichts, dass die mit dem Besuch der Privatschule verbundenen Aufwendungen nicht gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II das zu berücksichtigende Einkommen mindern, weil nicht auf diesem Weg das Gebot, den Anteil der zweckbestimmten Einnahmen nach objektiven Maßstäben festzulegen, umgangen werden darf, ist vertretbar und damit nicht willkürlich, so dass auch dies keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt.

27

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

I.

2

Die 1993 geborene Beschwerdeführerin lebte im streitgegenständlichen Zeitraum mit ihrer Mutter, deren neuem Partner und dessen Tochter zusammen. Der neue Partner der Mutter gewährte der Beschwerdeführerin nach eigenem Bekunden freie Kost und Logis.

3

Mit Wirkung zum 1. August 2006 wurde § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II neugefasst (Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, BGBl I S. 1706). Nunmehr sind bei unverheirateten Kindern, die mit einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können, nicht nur das Einkommen und Vermögen des Elternteils, sondern auch das Einkommen und Vermögen des mit dem Elternteil in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen.

4

Vor diesem Hintergrund hob der Leistungsträger im Juli 2006 unter Hinweis auf die aus dem Einkommen des Partners der Mutter der Beschwerdeführerin resultierende mangelnde Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch, die bereits für die Zeit bis zum 31. August 2006 erfolgt war, ihr gegenüber für August 2006 auf.

5

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage der Beschwerdeführerin wurde vom Sozialgericht abgewiesen. Die zugelassene Sprungrevision, mit der die Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der seit dem 1. August 2006 geltenden Fassung geltend gemacht wurde, wurde vom Bundessozialgericht zurückgewiesen.

6

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen sowie mittelbar gegen § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der seit dem 1. August 2006 geltenden Fassung. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG), der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie von Art. 6 Abs. 5 GG.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

8

1. Zur notwendigen Begründung einer Verfassungsbeschwerde gehört die substantiierte Darlegung, dass der Beschwerdeführer durch den angegriffenen Hoheitsakt in einem eigenen Grundrecht oder grundrechtsgleichen Recht verletzt sein könnte (vgl. BVerfGE 89, 155 <171>). Liegt die Verletzung des Grundrechts nicht auf der Hand, ist dies anhand der einschlägigen Maßstäbe im Einzelnen darzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 1584/10 -, juris, Rn. 3; Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 92 Rn. 48). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen bedarf es einer Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungen und deren konkreter Begründung (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 101, 331 <345>; 105, 252 <264>). Es reicht nicht aus, den Erwägungen der angegriffenen Entscheidung nur die eigene Sichtweise entgegenzustellen (vgl. BVerfGK 2, 22 <24>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 5. Januar 2010 - 1 BvR 2973/06 -, juris, Rn. 5).

9

2. Diese Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde sind hier nicht erfüllt.

10

a) Eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Beschwerdeführerin ist nicht schlüssig behauptet. Es ist bereits nicht ersichtlich, inwiefern in § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II ein Eingriff in dieses Grundrecht liegen könnte. § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II legt der Beschwerdeführerin keine Rechtspflicht auf. In der Nichtgewährung einer staatlichen Leistung liegt kein Grundrechtseingriff, weil nicht die abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte betroffen ist (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Januar 2007 - L 13 AS 27/06 ER -, juris, Rn. 6). In Rede steht vielmehr das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, für dessen Ausgestaltung aus grundrechtlicher Sicht allein Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG maßgeblich ist (vgl. BVerfGE 125, 175 <227>; BVerfGK 17, 375 <377>).

11

b) Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG behauptet, ist die Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend substantiiert.

12

Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, inwieweit ihr menschenwürdiges Existenzminimum während des streitgegenständlichen Zeitraums nicht gesichert gewesen war. Nach den im August 2006 geltenden und nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 anzuwendenden (BVerfGE 125, 175 <259>) gesetzlichen Regelungen betrug die Regelleistung nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II a. F. in Verbindung mit § 20 Abs. 2 SGB II a. F. 207 Euro je Monat; Kosten für Unterkunft und Heizung wurden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. gesondert erstattet. Es fehlt vorliegend an den zur Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG notwendigen Ausführungen dazu, inwieweit eine Regelleistung trotz der Zahlung von Kindergeld und der Gewährung von "Kost und Logis", die in Abzug zu bringen waren, zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums noch erforderlich gewesen wäre.

13

c) Ob der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 5 GG, dessen Verletzung die Beschwerdeführerin ebenfalls rügt, hier betroffen ist, kann vor diesem Hintergrund offen bleiben.

14

d) Auch eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht plausibel dargetan. Die Beschwerdeführerin ist insofern der Ansicht, dass ihr Grundrecht auf Sicherung des Existenzminimums verletzt werde, während Kinder in ehelichen Bedarfsgemeinschaften nach §§ 1360, 1360a BGB ihr Recht auf Sicherung des Existenzminimums gegenüber dem leistungsfähigen Unterhaltsverpflichteten durchsetzen könnten.

15

Soweit die Beschwerdeführerin damit unter einem anderem rechtlichen Gesichtspunkt abermals rügen will, dass ihr Existenzminimum nicht gesichert sei, geht die Rüge schon deswegen ins Leere, weil Art. 3 Abs. 1 GG für die Bemessung des Existenzminimums keine weiteren Maßstäbe zu setzen vermag (vgl. BVerfGE 125, 175 <227>). Soweit die Beschwerdeführerin damit hingegen eine Verfassungswidrigkeit der zivilrechtlichen Unterhaltsvorschriften behaupten will, bewegt sich die Verfassungsbeschwerde außerhalb des fachgerichtlichen Streitgegenstandes.

16

e) Soweit die Beschwerdeführerin schließlich rügt, dass der Partner ihrer Mutter hinsichtlich der nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II zu berücksichtigenden Leistungen nicht nach § 32 Abs. 6 Satz 7 EStG a.F. steuerlich privilegiert werde, macht sie nicht die Verletzung von eigenen Rechten geltend.

17

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

18

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Kuntz wird abgelehnt.

Gründe

 
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 26. Februar 2013 ist zulässig (vgl. § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), sie ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
I.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt.
Im Streit steht hier ein Anspruch des Klägers auf Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form der Übernahme der Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende -SGB II für die Zeit vom 01. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011. Statt des vom Beklagten gewährten Betrages in Höhe von 408,- EUR monatlich möchte der Kläger monatlich 471,47 EUR bekommen, was dem tatsächlich von ihm zu zahlenden Betrag entsprechen würde. Insgesamt sind mithin 380,82 EUR im Streit, so dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt.
II.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des LSG, Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Keine dieser Voraussetzungen liegt vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch weicht das Urteil des SG vom 26. Februar 2013 von Entscheidungen des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG ab, noch liegt ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
III.
1.
Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine oder mehrere Rechtsfragen aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse einer Klärung durch das Berufungsgericht bedürftig und fähig sind. Der Beschwerdeführer müssen daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung, gegebenenfalls sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist, und dass das angestrebte Berufungsverfahren eine Klärung erwarten lässt (s. hierzu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 144 Rdnr. 28 u. § 160 Rdnr. 6; s. u.a. BSG, SozR 1500 § 160a Nr. 60 und SozR 3-1500 § 160 a Nr. 16). Geht es um bereits geklärte Rechtsfragen, so ist darzulegen, aus welchen erheblichen Gründen sich die Notwendigkeit einer Überprüfung der bereits vorliegenden Rechtsprechung ergibt; dies ist etwa dann der Fall, wenn dieser Rechtsprechung in nicht nur geringfügigen Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (BSG, SozR 1500 § 160a Nr. 13). Der Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung).
10 
Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinne wirft die Streitsache jedoch nicht auf. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht, wenn die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist. Gleiches gilt, wenn zwar eine ausdrückliche höchstrichterliche Auseinandersetzung mit der Frage bislang fehlt, die Beantwortung der Frage aber so gut wie unbestritten ist bzw. die Antwort von vornherein praktisch außer Zweifel steht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 144 Rdnr. 28 u. § 160 Rdnr. 8f). Ein solcher Fall liegt hier vor.
11 
Der Kläger beruft sich zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde darauf, die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Angemessenheit im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II verstoße gegen die Verfassung bzw. die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, juris) aufgestellten Anforderungen. Den Grund hierfür benennt er nicht, sondern beruft sich zur Begründung u.a. auf die Urteile des SG Mainz vom 8. Juni 2012 (S 17 AS 1452/09, juris) und des SG Leipzig vom 15. Februar 2013 (S 20 AS 2707/12, juris). Diskutiert wird dort die Frage, ob die Begrenzung der zu übernehmenden Kosten der Unterkunft anhand des Rechtsbegriffs der Angemessenheit dem Parlamentsvorbehalt genügt oder ob insoweit eine konkretere Ausgestaltung unmittelbar durch den Gesetzgeber notwendig gewesen wäre (so das SG Leipzig). Das SG Mainz konkretisiert dies weiter dahingehend, für die vom Bundessozialgericht vorgenommene Auslegung der Norm, bei der zur Bestimmung der Grenze der Angemessenheit eine Orientierung am einfachen Wohnstandard erfolgt, fehle es an einer den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügenden und hinreichend bestimmten parlamentsgesetzlichen Grundlage (SG Mainz aaO Rdnr. 50).
12 
Indes hat das Bundessozialgericht (BSG) zu diesen Fragen - wenn auch nicht ausdrücklich - bereits Stellung genommen. Das BSG hat bereits im Urteil vom 7. November 2006 (B 7b AS 10/06 R, juris Rdnrn. 24 u. 28) ausgeführt, § 22 Abs. 1 SGB II gestehe „nur eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt“ sowie einen „einfachen und im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad“ zu. Diese Rechtsprechung wurde fortan fortgeführt (vgl. nur BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R - juris Rdnr. 20), so dass davon ausgegangen werden muss, dass die Vereinbarkeit des unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit mit verfassungsrechtlichen Anforderungen bereits geprüft wurde. Dass das BSG in einer zukünftigen Entscheidung hiervon abweichen wird, ist aus derzeitiger Sicht nicht zu erwarten, zumal auch das SG Mainz (aaO.) in seiner Entscheidung weiter mit dem Begriff der Angemessenheit agiert, diesen bzw. die Grenze der Unangemessenheit lediglich anders definiert als das BSG. Insoweit beruhen die Bedenken dann allerdings nicht auf einem Widerspruch zum Parlamentsvorbehalt, sondern moniert wird die konkrete Auslegung des Begriffs der Angemessenheit, die aus Sicht des SG Mainz inhaltlich verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge. Eine Änderung der Rechtsprechung lässt dies nicht erwarten. Darüber hinaus lassen sich der vom SG Mainz zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus Sicht des Senats die angeführten Zweifel auch nicht entnehmen.
13 
Dies ergibt sich zum einen daraus, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 darstellt, mit welchen Leistungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch „der Gesetzgeber entsprechend den materiellen Vorgaben des Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein subsidiäres System sozialer Sicherung des Existenzminimums geschaffen hat“ (BVerfG, aaO., juris Rdnr. 147). Bei der Darstellung der verschiedenen Leistungsarten verweist es unmittelbar anschließend auch darauf, „§ 22 Abs. 1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG, aaO., juris Rdnr. 148). Damit bezieht es die in § 22 Abs. 1 SGB II getroffene Regelung in den Kreis der Leistungen ein, die der Gesetzgeber in der Verfassung entsprechender Weise durch die Normen des SGB II gewährt.
14 
Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2011 zur inhaltlichen Ausfüllung des Begriffs der „Angemessenheit“ im § 22 Abs. 1 SGB II durch das Bundessozialgericht Stellung bezogen, auf die aus seiner Sicht bereits zu dieser Zeit gefestigte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen und dessen dreischrittige Prüfung dargestellt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 27. September 2011 - 1 BvR 232/11 - juris Rdnr. 23ff). In diesem Zusammenhang wird an keiner Stelle darauf hingewiesen, es könnte Zweifel an dem normierten unbestimmten Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ geben, woraus nur geschlossen werden kann, dass das Gericht schon damals von der Verfassungsgemäßheit der Regelung ausging (vgl. hierzu Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. § 22 Rdnr. 72).
15 
Eine Änderung der Rechtsprechung durch das Bundessozialgericht steht damit nach derzeitigem Stand praktisch außer Zweifel, so dass die aufgeworfene Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung hat.
2.
16 
Eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt ebenfalls nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt. Dies ist nicht der Fall und wird vom Prozessbevollmächtigten des Klägers auch nicht geltend gemacht.
3.
17 
Zuletzt liegt auch kein Verfahrensmangel vor. Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG muss geltend gemacht werden und die Entscheidung muss auf ihm beruhen können. Der Verfahrensmangel muss außerdem der Beurteilung des LSG unterliegen, das bedeutet, das LSG muss ihn prüfen können. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren (nicht das Widerspruchsverfahren und nicht das Verwaltungsverfahren) regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt, es geht insoweit nicht um die Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Wege zum Urteil oder die Zulässigkeit des Urteils (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 Rdnr. 32 m. w. N.). Mängel dieser Art sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
18 
Die Beschwerde des Klägers war daher zurückzuweisen.
IV.
19 
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.
20 
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war daher mangels Erfolgsaussichten nicht zu gewähren (§ 73a SGG i.V.m. §§ 114 Satz 1, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
21 
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
22 
Das angefochtene Urteil des SG vom 26. Februar 2013 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).

Tenor

Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts F. vom 8. August 2011 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig sind höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hier in der Zeit vom 01.10.2009. bis 31.03.2010.
Die geb. Klägerin zu 1. ist die Ehefrau des 1982 geborenen M. A., der als Student Leistungen nach dem BAföG bezieht. Die Eheleute leben gemeinsam mit dem am 14.12.2007 geborenen Sohn I., dem Kläger zu 2., und der am 03.07.2009 geborenen Tochter M., der Klägerin zu 3. Die Kläger zu 1. bis 3. erhalten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II; der Ehemann ist als Student vom Leistungsbezug ausgeschlossen.
Bis Mitte April 2009 wohnten die Kläger in 79114 F. und bezogen Leistungen von der ARGE F.. Wegen der Schwangerschaft der Klägerin zu 1. wurde die dortige Wohnung zu klein. Die ARGE F. bestätigte die Notwendigkeit des Auszugs. Nachdem die Familie keine passende Wohnung in F. gefunden hatte, wurde der Umzug in das ca. 10 km entfernt liegende M. (ca 8.700 Einwohner) erwogen. Die ARGE F. beteiligte den Beklagten hinsichtlich einer Zusicherung zum Umzug. Diese wurde nicht erteilt, weil die Wohnung nicht angemessen sei (E-Mail vom 25.02.2009, Bl. 2 f VA). Am 15.04.2009 zog die Familie dennoch in die W., 7. M. um. Bei der Wohnung handelt es sich um eine 4-Zimmer-Wohnung mit 85,75 m2 , Baujahr 1984. Die Kaltmiete beträgt 680 EUR, hinzu kommen Kosten in Höhe von 20 EUR für einen Stellplatz und Nebenkosten in Höhe von 210 EUR, worin die Kosten für Heizung und Warmwasser [Sammelheizung mit Strom] sowie Kosten in Höhe von 5 EUR für den Betrieb der Gemeinschaftsantenne/Satellitenanlage enthalten sind. Kosten für einen Kabelanschluss sind in der Miete nicht enthalten, ein Kabelanschluss besteht nicht (Bl. 135 VA). Die Gesamtmiete warm beträgt demnach 910 EUR.
Für den vorhergehenden Zeitraum vom 15.04. bis 30.09.2009 bewilligte der Beklagte für die Antragsteller Arbeitslosengeld (Alg) II und Sozialgeld mit Bescheid vom 08.04.2009 und mehreren Änderungsbescheiden (vom 19.08.2009, 12.01.2010 und 25.05.2011) Für die nach dem Kopfteilsprinzip anteilig gewährten KdU und Heizung ging er - nachdem er vorher noch von einer Kabelgebühr und einer geringeren Mietobergrenze ausgegangen war - letztlich von angemessenen Wohnkosten in Höhe von insgesamt 713,38 EUR aus, die sich aus der Mietobergrenze nach dem ab 01.05.2009 in Kraft getretenen neuen Konzept von 519,30 EUR, pauschalen Heizkosten von 86 EUR abzüglich einer Warmwasserpauschale von 15,92 EUR sowie kalten Nebenkosten von 124 EUR zusammensetzten. Der Widerspruch, mit dem die tatsächlichen Kosten in Höhe von 910 EUR begehrt wurden, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04.02.2010). Die dagegen vor dem Sozialgericht F. (SG) geführte Klage blieb ebenfalls erfolglos (Urteil vom 08.08.2011 - S 7 AS 1218/10). Die Berufung ist im Senat unter dem Az. L 2 AS 3878/11 anhängig (Parallelrechtsstreit wegen vorherigem Zeitraum).
Am 14.09.2009 beantragten die Kläger unter nicht geänderten Bedingungen hinsichtlich der Wohnkosten die Fortzahlung des Alg II (Bl. 97 VA). Mit Bescheid vom 23.09.2009 bewilligte der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.03.2010 weiter. Hinsichtlich der KdU und Heizung bewilligte er 175,95 EUR für die Klägerin zu 1. und für die Kläger zu 2. und 3. je 175,96 EUR monatlich. Hierbei ging der Beklagte zunächst noch davon aus, dass eine nicht zu berücksichtigende Kabelanschlussgebühr in Höhe von 5,11 EUR im Mietpreis enthalten sei. Gegenüber dem vorhergehenden Zeitraum wurde eine auf 20,36 EUR erhöhte Warmwasserpauschale von den pauschalierten Heizkosten in Höhe von 86 EUR in Abzug gebracht (Heizkosten 65,64 EUR vgl. Bl. 103 VA). Mit dem Widerspruch dagegen wendeten sich die Kläger gegen den pauschalen Abzug für Kabelanschluss und begehrten im Übrigen die Anerkennung ihrer vollen Kosten für KdU und Heizung. Mit Änderungsbescheid vom 12.01.2010 (Bl. 182 VA) wurden KdU und Heizung ohne Abzug von Kabelgebühren in Höhe von monatlich 177,22 EUR bzw. 177,24 EUR für die Kläger bewilligt.
Im Übrigen wurde der Widerspruch mit dem Widerspruchsbescheid vom 04.02.2010 (der auch noch den Widerspruch gegen den geänderten Bewilligungsbescheid vom 08.04.2009 für den vorhergehenden Zeitraum betraf) zurückgewiesen. In der Widerspruchsbegründung verteidigte der Beklagte im Wesentlichen sein neues Konzept zur Ermittlung der angemessenen Kaltmiete. Im Rahmen der Erstellung seien 3.226 Datenbestände, die den Ist-Bestand aus den Bereichen des SGB II, SGB XII und AsylbLG mit Stand Oktober 2008 unter dem Gesichtspunkt tatsächliche Kaltmiete und Wohnungsgröße ausgewertet worden, die das untere Preissegment abbildeten. Als räumlicher Vergleichsmaßstab seien 7 Raumschaften gebildet worden. Die den Vergleichsraum für die Kläger bildende Raumschaft „Umland F.“ umfasse die Gemeinden G., G., G., H., M., M. und U.. Auf der Grundlage der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als angemessen betrachteten Wohnungsgröße - 30 bis 45 m² für 1-Personen Haushalte, 45 bis 60 m² für 2-Personen-Haushalte etc. seien die tatsächlichen durchschnittlichen Miet-Quadratmeterpreise für diese Wohnungsgrößen je Raumschaft ermittelt worden. So sei mit einer größtmöglichen Datenmenge eine hinreichende Datengrundlage zur Ermittlung durchschnittlicher Quadratmeterpreise im unteren Segment des Wohnungsmarktes in der jeweiligen Raumschaft erreicht worden. Für den Wohnort der Kläger sei ein durchschnittlicher Quadratmeterpreis von 5,77 EUR im unteren Preissegment für eine 90 m² -Wohnung ermittelt worden. Deshalb betrage die Mietobergrenze 519,30 EUR (vgl. Bl. 186 VA). Der weitere Änderungsbescheid vom 19.01.2010 diesen Zeitraum betreffend hat die Leistungen für KdU und Heizung nicht betroffen (Bl. 196 VA). Den anteilig bewilligten KdU und Heizung hat der Beklagte damit im streitigen Zeitraum vom 01.10.2009. bis 31.03.2010 für angemessen gehaltene Wohnkosten in Höhe von gesamt 708,94 EUR (Mietobergrenze 519,30 EUR, pauschale Heizkosten 86 EUR abzüglich Warmwasserpauschale 20,36 EUR, kalte Nebenkosten 124 EUR) zu Grunde gelegt.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 04.02.2010 den hier streitigen Zeitraum vom 01.10.2009 bis 31.03.2010 betreffend haben die Kläger ebenfalls am 08.03.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) F. (S 7 AS 1219/10) erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass der Beklagte die Datenbasis, auf Grund derer er die Zahlen ermittelt habe, nicht offen lege. Deshalb könne eine Überprüfung des Konzepts nicht erfolgen. Ggf. sei das SG verpflichtet sachgerechte Ermittlungen anzustellen.
Der Beklagte hat im Parallelrechtsstreit S 7 AS 1218/10 die Daten von 166 Bestandswohnungen mit mindestens 60,01 m² der Leistungsbezieher nach dem SGB II, SGB XII und AsylbLG in der Raumschaft „Umland F.“, zu der die Gemeinde M. zähle, mitgeteilt und sein Konzept - Durchschnittswert der Wohnungen von Leistungsbeziehern - erläutert. Ausgehend von den tatsächlichen Kaltmietpreisen dieser Wohnungen seien die tatsächlichen Quadratmeterpreise durch Division ermittelt worden. Wohnungen mit einem Quadratmeterpreis von 8,- EUR und mehr (Kappungsgrenze) seien nicht in die Berechnung eingeflossen, vorliegend 1 Wohnung. Anschließend seien die sich so ergebenden Quadratmeterpreise aller 166 Wohnungen addiert und durch die Anzahl der Wohnungen dividiert worden. Aus dem Produkt des sich auf diese Weise ergebenden Quadratmeterpreises von 5,77 EUR und der maximal angemessenen Wohnungsgröße von 90 m² habe sich die Mietobergrenze von 519,30 EUR ergeben. Zur Nachprüfung und Plausibilisierung sei eine Ergebniskontrolle durch Auswertung der Wohnungsangebote in den unentgeltlichen Anzeigenblättern Schnapp und Zypresse in den Monaten Oktober bis Dezember 2008 erfolgt (die Unterlagen hierzu wurden im Verfahren S 7 AS 1219/10 vorgelegt), die fortgeschrieben werde. So sei festgestellt worden, dass auch tatsächlich Wohnraum in ausreichendem Maße zu den errechneten Mietobergrenzen angeboten werde.
Mit Schriftsatz vom 10.05.2011 hat der Beklagte die Auffassung vertreten, dass mit den erhobenen Daten nicht nur Wohnungen des unteren Preissegments erhoben worden seien, weil sich auch Leistungsempfänger als Erstantragsteller darunter befänden, die erstmalig mit der Tatsache ihrer geänderten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse konfrontiert würden.
10 
Mit Urteil vom 08.08.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass das Konzept des Beklagten den Vorgaben der Rechtsprechung des BSG entspreche. Sowohl die angenommene Wohnungsgröße von 90 m² für einen 4-Personen-Haushalt als auch der gewählte Vergleichsraum sei im Falle einer Kleingemeinde zutreffend gewählt worden. Auch habe der Beklagte mit den 166 Wohnungen im „Umland F.“ einen vergleichbaren Datenbestand ermittelt, nachdem von den Wohnungen mit Warmmieten 1,50 EUR/m² abgezogen worden sei. Ausreichend sei vorliegend, dass ein klar und eindeutig abgrenzbarer Teil des Konzeptes, welcher allein maßgebend für die Entscheidung eines konkreten Falles sei, den Anforderungen eines schlüssigen Konzeptes genüge. Das sei für die Raumschaft „Umland F.“ für einen 4-Personenhaushalt der Fall. Das Konzept weise den vorliegenden Fall betreffend keine durchgreifenden methodischen Fehler auf. Auch wenn nur Wohnungen von Leistungsbeziehern nach dem SGB II, SGB XII und AsylbLG erfasst seien, seien darin auch solche erfasst, die von Personen bewohnt werden, die erstmals Leistungen beantragt haben oder denen ein Umzug nicht zumutbar sei. Deshalb seien auch Wohnungen gehobenen Standards darin zu finden, was die Ermittlung eines Durchschnittswerts rechtfertige. Wohnungen zu dem Preis stünden nach den einschlägigen Anzeigenblättern auch zur Verfügung. Die Kappung bei 8 EUR pro Quadratmeter begegne keinen Bedenken, da es sich nur um 1 Wohnung handele. Zudem seien die Kaltmieten auch bei Warmmietpreisen durch Herausrechnen der Heizkosten zutreffend ermittelt worden. Die Datenmenge sei angesichts einer Einwohnerzahl von weniger als 300.000 ausreichend. Die Gefahr einer Spirale nach unten ergebe sich durch die Bildung eines Durchschnittswerts nicht, weil auch wieder Neu-Leistungsbezieher mit teureren Wohnungen vor dem Durchlaufen eines Kostensenkungsverfahrens mit hinzu kämen und im Übrigen durch eine stetige Überprüfung der Anzeigenblätter vermieden werde.
11 
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger gegen Empfangsbekenntnis am 12.08.2011 zugestellte Urteil hat er am 07.09.2011 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und sein Begehren weiterverfolgt. Das Konzept des Beklagten entspreche nicht der Rechtsprechung des BSG, wie die Cuxhaven-Entscheidung (BSG, Urteil vom 23.08.2011 - B 14 AS 91/10 R) zeige. Bei der Betrachtung des unteren Segments des Wohnungsmarktes müsse der sog. Spann- und Oberwert herangezogen werden, was vorliegend einen Quadratmeterpreis von 8 EUR ergebe. Damit seien die darunter liegenden tatsächlichen Kosten zu übernehmen. Ergänzend haben sich die Kläger auf die vom SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09) vertretene Auffassung der Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II berufen
12 
Die Kläger beantragen,
13 
das Urteil des Sozialgerichts F. vom 8. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2009 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Februar 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 höhere Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II anteilig unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Wohnungskosten in Höhe von 910 EUR monatlich zu gewähren,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
17 
Mit Schreiben vom 10.01.2013 hat der Senat die Kläger aufgefordert hinsichtlich der Nebenkosten die Abrechnungen für die Jahre 2009, 2010 und 2011 vorzulegen. Eine Reaktion hierauf ist nicht erfolgt.
18 
Der Senat hat das Konzept des Beklagten als nicht schlüssig im Sinne der Rechtsprechung des BSG eingeschätzt und versucht, dieses im Parallelrechtstreit L 2 AS 3878/11 schlüssig zu machen. Hierzu hat der Senat dem Beklagten vorgegebenen, zu den bereits erhobenen Daten noch die Daten von Wohnungen der Wohnungsgeldbezieher hinzuzunehmen, Ausreißermieten ausgehend vom arithmetischen Mittelwert zu eliminieren und den dann ermittelten Spannenoberwert zu benennen (vgl. Bl. 35 LSG-Akte). Der Beklagte hat daraufhin noch die Wohnungen von Wohngeldbeziehern ermittelt, dann aber nach Ermittlung von Korridoren von plus und minus 20 % aus den verbleibenden Datensätzen wiederum Durchschnittswerte gebildet. So hat er für einen 4-Personen-Haushalt in M. eine Kaltmietobergrenze von 512,40 EUR ermittelt. Eine weitere Nachberechnung unter Zugrundelegung des Spannenoberwerts lehnt der Beklagte ab, ebenso die Vorlage seiner Daten (Schreiben vom 17.12.2013, Bl. 76 LSG-Akte). Während dessen hat das vorliegende Verfahren geruht (Ruhensbeschluss vom 09.04.2013). Das Verfahren ist vom Klägervertreter mit Schreiben vom 07.01.2014 wieder angerufen worden und unter dem Az. L 2 AS 104/14 fortgeführt worden.
19 
Mit Fax vom 18.03.2014 hat der Senat den Bevollmächtigten der Kläger nochmals an den Nachweis der tatsächlichen Heiz- und Nebenkosten erinnert. Der Klägervertreter hat daraufhin mitgeteilt, dass die Klägerin die entsprechenden Unterlagen nicht aufbewahrt habe. Sie werde nach Urlaubsrückkehr des Vermieters am 01.04.2013 nochmals bei diesem nachfragen.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten (2 Band) sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
22 
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf (weitere) höhere KdU und Heizung im streitigen Zeitraum vom 01.10.2009 bis 31.03.2010. Das SG hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
23 
Streitgegenstand sind der Bescheid vom 23.09.2009 in der Form des Änderungsbescheides vom 12.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2010 ausschließlich bezüglich der gewährten KdU und Heizung. Mit den streitgegenständlichen Bescheiden hat der Beklagte den Klägern ausgehend von angemessenen KdU und Heizung für die gesamte Wohnung in Höhe von monatlich 708,94 EUR (519,30 EUR Kaltmiete, 86 EUR pauschalierte Heizkosten abzüglich 20,36 EUR Warmwasserpauschale, 124 EUR sonstige Nebenkosten) kopfanteilig KdU und Heizung im Zeitraum vom 01.10.2009. bis 31.03.2010 gewährt. Die Kläger begehren höhere KdU und haben den Streitgegenstand zulässig hierauf begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R –, juris Rn. 10). Eine weitere Aufspaltung in einzelne Elemente des Bedarfs - etwa in die hier allein streitige Höhe der angemessenen Kaltmiete - ist nicht zulässig (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, juris Rn. 20 m.w.N.).
24 
Die erwerbsfähige und hilfebedürftige Klägerin zu 1. ist Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II, weil sie im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I, 1706) hat sie Anspruch auf Alg II in Form von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind. Die unter 15-jährigen Kinder der Klägerin zu 1., die Kläger zu 2. und 3., die mit ihr zusammenleben, haben als nichterwerbsfähige Leitungsberechtigte (vgl. § 7 Abs. Abs. 1 S. 1 SGB II) Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 02.03.2009, BGBl. I, 416). Danach umfasst das Sozialgeld die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen; mithin sind auch der hilfebedürftige Kläger zu 2. und - ab ihrer Geburt am 03.07.2009 - die hilfebedürftige Klägerin zu 3. Berechtigte für KdU und Heizung. Der Ehemann und Vater der Kläger ist als Studierender gem. § 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen, gleichwohl die KdU und Heizung nach dem Kopfteilsprinzip aufzuteilen.
25 
Leistungen für KdU und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R –, juris mit Hinweis auf: BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; vgl zuletzt Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 19 ff).
26 
Für die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft ist zunächst die angemessene Größe festzulegen. Diese beträgt in Anlehnung an das landesrechtlich geregelte Wohnungsbindungsrecht für 4-Personenhaushalte 90 m² Wohnfläche in Baden-Württemberg (Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums B.-W. zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV-SozWo vom 12.02.2002 [GABl S. 240] i.d.F. der VwV vom 22.01.2004 [GABl S. 248]). Diesen Rahmen übersteigt die Wohnung in der W.str. mit 85,75 m² nicht.
27 
Als maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum hält es der Senat vorliegend für sachgerecht, die Raumschaft „Umland F.“ mit der Gemeinde M. und den weiteren Gemeinden G., G., G., H., M. und U. zu wählen. Das BSG hat entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R; juris Rn. 21; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, juris). Die Gemeinde M. mit 8681 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2012) befindet sich im ländlichen Raum ca. 10 km von F. entfernt und ist zu klein, um einen eigenen Mietwohnungsmarkt abbilden zu können. Von daher begegnet es keinen Bedenken, wenn der Beklagte in seinem Flächenlandkreis mit 1.378,33 km² und vielen Klein- und Kleinstgemeinden, in dem Mietspiegel nicht vorliegen, in sog. Raumschaften Gemeinden im Umkreis von 10 bis 20 km im ländlichen Raum zusammengefasst hat. So umfasst die Raumschaft „Umland F.“ durch ein öffentliches Verkehrsnetz gut angebundene Gemeinden um die Stadt F. herum.
28 
Zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards innerhalb des Vergleichsraums (Referenzmiete) ist ein sog. schlüssiges Konzept zugrunde zu legen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris Rn.16; BSG, Urteil vom 19.03.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 7 Rn. 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris Rn. 7). Entscheidend ist jedoch, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zugrunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R –, juris Rn 24 mwN).
29 
Diesen Anforderungen wird das seit 01.05.2009 offiziell in Kraft getretene Konzept des Beklagten (auch in der auf Veranlassung des Senats nachgebesserten Form) zumindest in einem wesentlichen Punkt nicht gerecht. Der Beklagte hat mit seinem ab Ende 2008 entwickelten Konzept auf Bestandsmieten von Leistungsempfängern nach dem SGB II, SGB XII, AsylbLG in seinem Bezirk zurückgegriffen. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden und stellt eine zulässige Vorgehensweise zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts dar (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, , juris Rn. 24). Die so erfassten 3.226 Datensätze für alle Raumschaften beruhen auf dem Stand Oktober 2008 und bilden nach der früher vertretenen Auffassung des Beklagten das untere Preissegment ab. Für die Raumschaft „Umland F.“ haben sich nach vorheriger Kappung aller Wohnungen über 8 EUR/m² (1 Wohnung im Umland F.) 166 Mietwohnungen ergeben, die mindestens eine Wohnfläche von 60,01 m² Wohnfläche aufweisen. Durch Division der vorher teils rechnerisch ermittelten Kaltmiete durch die tatsächliche Quadratmeterzahl wurde der tatsächliche Quadratmeterpreis der Wohnungen ermittelt. Anschließend wurden die sich so ergebenden tatsächlichen Quadratmeterpreise aller 166 Wohnungen addiert und durch die Anzahl der Wohnungen dividiert und hierdurch ein Quadratmeterpreis von 5,77 EUR ermittelt. Es wurde also ein Durchschnittswert ermittelt. Multipliziert mit der maximal angemessenen Wohnungsgröße von 90 m² ergibt sich die Mietobergrenze von 519,30 EUR. Eine Ergebniskontrolle sei durch die Auswertung einschlägiger Anzeigenblätter erfolgt.
30 
Die Bildung eines Durchschnittswertes bei Wohnungen des unteren Preissegments ist aber rechtlich nicht zulässig, wenn -wie hier - nur die Wohnungen von Leistungsempfängern als Datengrundlage herangezogen werden. So errechnet sich ein Angemessenheitswert, der unter dem Wert liegt, der für einen Teil der Leistungsempfänger als angemessen akzeptiert wird (Spirale nach unten). Um diesen Zirkelschluss zu vermeiden, kann ein Leistungsträger entweder auf alle Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand abstellen, also neben Wohnungen einfachen Standards auch auf solche mittleren und gehobenen Standards, und dann aus den so gewonnenen Mietpreisen einen angemessenen Wert ermitteln. Oder der Leistungsträger kann auch - wie vorliegend - bei der Datenerhebung nur die Wohnungen einfachen Standards zugrunde legen, muss als Angemessenheitsgrenze dann aber die obere Preisgrenze dieses Segments wählen (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, , juris Rn. 24). Das vom Beklagten mit Wirkung zum 01.05.2009 eingeführte Konzept erweist sich damit als nicht schlüssig.
31 
Entgegen der Auffassung des SG und nun auch des Beklagten, dass in dem abgebildeten Wohnsegment von Leistungsbeziehern auch Wohnungen über dem einfachen Standard abgebildet sind, weil Leistungsempfänger noch kein Kostensenkungsverfahren durchlaufen haben und daher noch in einer nicht angemessenen Wohnung leben, geht das BSG davon aus, dass Wohnungen von Leistungsempfängern nach dem SGB II bzw. SGB XII grundsätzlich Wohnungen einfachen Standards sind. Nur in der Rubrik der Wohngeldempfänger könnten Wohnungen enthalten sein, die auch teurer sind als eine nach SGB II oder SGB XII angemessene Wohnung. Für die vom Beklagten aufgestellte These, dass in den Datensätzen auch teurere, für Leistungsbezieher nicht angemessene Wohnungen enthalten sind, ergeben sich keine nachprüfbaren Anhaltspunkte, noch ist etwas über deren Anzahl ausgesagt. Damit handelt es sich um bloße Mutmaßungen, die das Konzept nicht schlüssig werden lassen.
32 
Der Senat hat erfolglos im Parallelrechtsstreit L 2 AS 3787/11 versucht, das Konzept vom Beklagten schlüssig machen zu lassen. Er hat sich, nachdem im Mietrecht ständig „ortsübliche Vergleichsmieten“ zu ermitteln und Vergleiche mit dem bestimmten Mietobjekt anzustellen sind, am im Mietrecht beachteten Gesichtspunkten orientiert und etwa die „Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln“ (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen) sowie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.02.2012 - (VIII ZR 346/10, juris, zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete) herangezogen. Sodann wurde dem Beklagten u.a. aufgegeben, die Datenmenge durch Einbeziehung der Daten von Wohngeldempfängern im Monat Oktober 2008 zu vergrößern (Repräsentativität, vgl. BSG Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, juris Rn. 19; Identität, BSG, Urt. v. 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris, Rn. 17), die Neuauswertung ausreichend zu dokumentieren (Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, 2. Teil I. 10. S. 30), die verwendeten Daten transparent zu machen, den Mietbegriff (Kalt- oder Warmmiete) festzulegen und zu vereinheitlichen (vgl. Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, 2. Teil I. 3. S. 23 f.; BSG Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R , juris Rn. 23). Sodann sollten als „Ausreißermieten“ die Datensätze eliminiert werden, die 20% und mehr über und unter dem arithmetischen Mittel liegen (II. 4. S.41 f der Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, BGH, aaO., juris Rn. 19 unter Hinweis auf Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht). Sodann sollte der Spannenoberwert, dh der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne bzw. die obere Preisgrenze dieses Segments zu Grunde gelegt werden.
33 
Der Vorgabe entsprechend hat der Beklagte die bereits erhobenen Daten um die Daten von Wohngeldbeziehern ergänzt, sodass nun 4.269 Datensätze erfasst sind. Auch wenn sich die Datenmenge für den gesamten Landkreis dadurch um ca. 1000 vergrößert hat, dürfte es sich hierbei angesichts des Bestands von Wohnungen und Räumen im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald von zusammen 119.358 (Bestand an Wohnungen und Räumen in den Stadt und Landkreisen Baden-Württembergs am 31.12.2012, vgl. www.statistik.baden-wuerttemberg.de/veroeffentl/ Statistische_Berichte/3734_12001.pdf) dennoch nicht um eine ausreichend große Datenmenge handeln. Die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes können wiedergegeben sein, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R –, juris Rn. 16). Dies ist bei vorliegend 3,58 % nicht der Fall, auch wenn berücksichtigt wird, dass nicht nach selbstgenutzten Eigentums- und Mietwohnungen unterschieden ist.
34 
Davon unabhängig ist die Berechnung des Beklagten wiederum nicht zulässig, weil er erneut einen Durchschnittswert bildet. Für die Raumschaft Umland F. wurden 53 Datensätze für Wohnungen von Leistungsbeziehern mit einer Größe von 60 bis 75 m² und 78 Datensätze für Wohnungen von 75 bis 90 m² bzw. 90 bis 105 m² vorgelegt. Entsprechend den oben beschriebenen Raumschaften und Wohnflächen je Haushaltsgröße hat der Beklagte wie vom Senat vorgegeben Durchschnittswerte (arithmetisches Mittel) für die Miete je Quadratmeter ermittelt. Ausgehend davon wurden Korridore von plus bzw. minus 20 % von diesem Wert bestimmt. Aus den sich danach (Kaltmiete pro Quadratmeter größer oder gleich dem unteren Korridorwert und zugleich kleiner oder gleich dem oberen Korridorwert) ergebenden Datensätzen wurden jedoch wiederum Durchschnittswerte (arithmetisches Mittel) für die Kaltmiete pro Quadratmeter ermittelt. Danach ergab sich für Wohnungen im Umland F. mit einer Größe über 75 m² ein Durchschnitt innerhalb des Korridors von 5,66 pro Quadratmeter und von 5,70 EUR/m² für Wohnungen mit 60 bis 75 m², damit Werte, die geringfügig unter den bisherigen liegen. Insgesamt errechnete der Beklagte bezogen auf die Wohnsituation der Kläger eine angemessene Kaltmietobergrenze von 512,40 EUR. Diese Berechnung fußt jedoch auf einer erneuten Bildung eines Durchschnittswertes aus Wohnungen von Leistungsbeziehern die mangels nachprüfbarer Erkenntnisse dem unteren Preissegment zugeordnet werden müssen, was der Senat für unzulässig hält. Sie ist nicht mit der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des BSG vereinbar. Es hätte vielmehr zur Vermeidung eines Zirkelschlusses vom Spannenoberwert ausgegangen werden müssen. Eine weitere diesbezügliche Berechnung lehnt der Beklagte ab und auch die angeforderte Dokumentation der einzelnen Schritte der Auswertung stellt er nicht zur Verfügung. Der Senat stellt deshalb fest, dass ein schlüssiges Konzept nicht mehr erstellt werden kann und von einem Erkenntnisausfall bei der Ermittlung der Höhe der angemessenen Unterkunftskosten auszugehen ist.
35 
Der Senat kann auch nicht den als Durchschnittswert plus 20% ermittelten und mitgeteilten Quadratmeterpreis für die Ermittlung der abstrakt angemessenen KdU zu Grunde legen, weil eine vergleichbare Datenbasis nicht vorliegt. Als weiteres Manko des nachgebesserten Konzepts konnte hinsichtlich der Wohnungen von Wohngeldempfängern nicht nach Brutto- und Nettokaltmieten unterschieden werden, während hinsichtlich der übrigen Wohnungen der Beklagte von einer zumindest errechneten Nettokaltmiete ausgegangen ist. Insofern fehlt es bereits an einem einheitlichen Mietbegriff, so dass die Auswertung zu Verzerrungen führen kann. Dies belegt im Übrigen auch ein Vergleich der ermittelten Durchschnittswerte plus 20 %, die als Spannenoberwert angesehen werden könnten, mit den Werten des qualifizierten Mietspiegels der Großstadt F., die für den im allgemeinen als preiswerter einzustufenden ländlichen Raum wider die Erwartung zum Teil erheblich darüber liegen, so z.B. der Wert für eine 30 bis 45 m² große Wohnung im Umland F. mit 8,06 EUR/m² gegenüber dem der Mietspiegel 2009 der Stadt F. für eine Standardwohnung mit 45 m² lediglich eine Basismiete von 7,87 EUR ausweist.
36 
Auf Grund des Ausfalls von weiteren lokalen Erkenntnismöglichkeiten für die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts im räumlichen Vergleichsgebiet erachtet der Senat den Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle als zulässig (BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R, Rn. 16). Die Tabellenwerte des hier maßgeblichen § 12 WoGG (gültig ab 01.01.2009) deckeln die dann grundsätzlich zu übernehmenden tatsächlichen Aufwendungen im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze (BSG aaO Rn. 20). In ihnen sind die - ansonsten ebenfalls abstrakt zu ermittelnden - kalten Betriebskosten enthalten (§ 9 Abs. 1 WoGG). Es ist auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" von 10 % einzubeziehen (BSG, aaO, Rn. 22; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R, bisher nur als Terminbericht vorhanden). Für die Wohnung der Kläger (4 Personen) ergibt sich hieraus für den Wohnort M., der nach der Anlage zu § 1 Abs. 3 der Wohngeldverordnung (WoGV, BGBl. I 2008, 2487-2519 ab 01.01.2009) dem Kreis Breisgau- Hochschwarzwald zugehörig der Mietenstufe III zugeordnet ist, ein Betrag von 556 EUR. Zuzüglich 10 % beträgt die abstrakt angemessene Kaltmiete inklusive Nebenkosten mithin 661 EUR.
37 
Hinzu kommen die angemessenen Heizkosten. Die Prüfung der Angemessenheit der Leistung für die Heizung hat nicht nur getrennt von der für die Unterkunft zu erfolgen, sondern auch nach eigenen Regeln: Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung ist - mangels anderer Zahlen - so lange zu bejahen, wie die Kosten unter dem Grenzbetrag eines bundesweiten oder kommunalen Heizspiegels liegen (BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 25; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 Rn. 23 ff). Grundsätzlich ist bei einer Warmwasserbereitung über die Heizung - wie vorliegend - der Anteil, der für die Warmwasserbereitung im Rahmen der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist, abzuziehen (BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - ; BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R –, juris; BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 16/11 R –, juris).
38 
Die Höhe der Heizkosten der Kläger im streitigen Zeitraum ist unbekannt. Mietvertraglich sind kalte und warme Nebenkosten nur in einer pauschalen Summe von 210 EUR monatlich vereinbart. Die tatsächlichen Kosten lassen sich damit erst durch eine nachträgliche Verbrauchsabrechnung ermitteln, was auch angeblich geschehen ist. Die Nebenkostenabrechnung für den streitigen Zeitraum hatte der Beklagte nicht angefordert, ist von den Klägern auf die Aufforderung des Senats vom 10.01.2013 nicht vorgelegt worden und kann nach Mahnung nun mangels Aufbewahrung nicht mehr vorgelegt werden. Die tatsächlichen Heizkosten sind damit nicht bestimmbar und es ist nicht nachgewiesen, dass diese tatsächlich höher waren, als vom Beklagten pauschal mit 86 EUR (86 m² x 1 EUR) zu Grunde gelegt. Die Beweislast trifft insoweit die Kläger, die einen höheren Anspruch geltend machen. Im Rahmen eines Rechtsstreits über die KdU und Heizung ist es eine Obliegenheit der Kläger, die entsprechenden Unterlagen aufzubewahren und ggf. Nachweis zu erbringen. Dazu sind die Kläger im vorliegenden Verfahren bereits seit dem Widerspruchsverfahren von einem in diesem Rechtsgebiet sehr häufig auftretenden Rechtsanwalt vertreten, der genauestens mit der rechtlichen Materie vertraut ist. Nachdem die Kläger bereits vor über einem Jahr, nämlich im Januar 2013 vom Senat zur Vorlage der Unterlagen aufgefordert worden sind, ist mehr als genügend Zeit vergangen, sich die Nachweise eventuell beim Vermieter wiederzubeschaffen. Die jetzige Urlaubsabwesenheit des Vermieters vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung geht zu Lasten der Kläger. Es besteht auch für den Senat keine Veranlassung, die Entscheidung über den Rechtsstreit zu verschieben und selbst beim Vermieter noch nachzuforschen. Hierbei handelt es sich um Ermittlungen ins Blaue hinein, zu denen keine Verpflichtung besteht. Es ist weder behauptet worden, dass die Heizkosten höher waren, noch steht fest, dass der Vermieter die Unterlagen aufbewahrt hat und diese durch Nachfrage dort beschafft werden könnten.
39 
Aus diesem Grunde greift der Senat auch nicht - was denkbar wäre - ersatzweise auf den niedrigsten Grenzbetrag (BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R, juris Rn. 43) des bundesweiten Heizkostenspiegels von 2011 (Abrechnungsjahr 2010) zurück, obwohl die maximalen abstrakt angemessenen Heizkosten für eine 90 m² Wohnung sich danach in Höhe von 125,25 EUR monatlich errechnen (16,70 EUR x 90 m² für Heizöl) und ein weiterer Abzug für die Warmwasserbereitung nicht gerechtfertigt sein dürfte, da sich die Vergleichswerte in den Tabellen ausschließlich auf die reine Raumwärme beziehen. Auch wenn der bundesweite Heizkostenspiegel gegebenenfalls höhere tatsächliche Kosten deckelt und als Obergrenze angesehen werden kann, besteht hierzu auch deshalb kein Anlass, da die Heizkosten im Bereich des Beklagten - wie dem Senat aus anderen Rechtsstreitigkeiten bekannt ist - zum Teil auch unter den pauschal vom Beklagten erstatteten Heizkosten liegen. „Sicherheitshalber“ sind den Klägern bei Verlust des Nachweises über die tatsächlichen Heizkosten keine höheren als die bereits erstatteten Heizkosten zu gewähren.
40 
Allerdings hat der Beklagte im streitigen Zeitraum den Abzug der Warmwasserpauschale nicht korrekt vorgenommen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R und Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R). Die Werte betragen für zwei Erwachsene in einem Haushalt je 5,82 EUR (= 11,64 EUR) und für die Kinder je 3,88 EUR (= 7,76). Für die Warmwasserbereitung sind daher nur 19,40 EUR statt 20,36 EUR abzuziehen, so dass die Heizkosten nach Abzug noch 66,60 EUR ausmachen.
41 
Zusammenfassend betragen die abstrakt angemessenen KdU und die Heizkosten damit 678,20 EUR.
42 
Die tatsächlichen KdU und Heizung mit insgesamt 910 EUR sind daher - unabhängig davon, ob die Kosten in Höhe von 20 EUR für einen Stellplatz zu übernehmen wären - nicht angemessen. Eine temporäre Übernahme der tatsächlichen Kosten kommt nicht in Betracht, nachdem die Kläger keine Zusicherung für den Umzug erhalten haben und über die Unangemessenheit der Kosten informiert waren.
43 
Auch unter Berücksichtigung der Argumentation in der Entscheidung des SG Mainz (vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09) haben die Kläger keinen Anspruch auf höhere KdU und Heizung. Der Senat hat bereits entschieden, dass er - wie auch schon der 1. und 13. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (vgl. Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - juris; Urteil vom 25.02.2014 - L 13 AS 3088/12 ZVW; ebenso Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 22 Rn. 72) - der Auffassung des SG Mainz nicht folgt. Die vom Sozialgericht Mainz in seiner Entscheidung vom 08.06.2012 geäußerte Auffassung, dass der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verwendete Begriff der „Angemessenheit“ den im Urteil des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 09.02.2010 aufgestellten Anforderungen nicht genüge, ist falsch. Das BVerfG hat in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sog. „schlüssigen Konzept“ die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bereits gebilligt und ausgerechnet in dem vom Sozialgericht Mainz als Beleg für seine irrige Auffassung angeführten Urteil folgendes ausgeführt: „§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 12 Rdnr 148). Damit ist die Entscheidung des Sozialgericht Mainz schon im Ansatz unrichtig, wenn sie aaO Rdnr 62, 68 der Meinung ist, es fehle für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ an einer hinreichenden parlamentsgesetzlichen Grundlage und der Bundesgesetzgeber stehe „demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein entsprechender Rechtsanspruch besteht“. Das ist, wie das Bundesverfassungsgericht klar gestellt hat, bereits in ausreichendem Maße geschehen. Auch in seiner Entscheidung vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11 = info also 2012, 28 = juris Rn. 24 f.) hat das BVerfG das schlüssige Konzept des BSG ersichtlich für geeignet erachtet, den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit auszufüllen. Diese Entscheidung scheint dem Sozialgericht Mainz nicht bekannt gewesen zu sein.
44 
Der Beklagte hat den Klägern anteilige Leistungen für KdU und Heizung ausgehend von angemessenen Kosten in Höhe von insgesamt 708,94 EUR statt abstrakt angemessener in Höhe von 678,20 EUR gewährt. Die Kläger haben somit höhere Leistungen für KdU und Heizung erhalten. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
46 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

Gründe

 
21 
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
22 
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf (weitere) höhere KdU und Heizung im streitigen Zeitraum vom 01.10.2009 bis 31.03.2010. Das SG hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
23 
Streitgegenstand sind der Bescheid vom 23.09.2009 in der Form des Änderungsbescheides vom 12.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2010 ausschließlich bezüglich der gewährten KdU und Heizung. Mit den streitgegenständlichen Bescheiden hat der Beklagte den Klägern ausgehend von angemessenen KdU und Heizung für die gesamte Wohnung in Höhe von monatlich 708,94 EUR (519,30 EUR Kaltmiete, 86 EUR pauschalierte Heizkosten abzüglich 20,36 EUR Warmwasserpauschale, 124 EUR sonstige Nebenkosten) kopfanteilig KdU und Heizung im Zeitraum vom 01.10.2009. bis 31.03.2010 gewährt. Die Kläger begehren höhere KdU und haben den Streitgegenstand zulässig hierauf begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R –, juris Rn. 10). Eine weitere Aufspaltung in einzelne Elemente des Bedarfs - etwa in die hier allein streitige Höhe der angemessenen Kaltmiete - ist nicht zulässig (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, juris Rn. 20 m.w.N.).
24 
Die erwerbsfähige und hilfebedürftige Klägerin zu 1. ist Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II, weil sie im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I, 1706) hat sie Anspruch auf Alg II in Form von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind. Die unter 15-jährigen Kinder der Klägerin zu 1., die Kläger zu 2. und 3., die mit ihr zusammenleben, haben als nichterwerbsfähige Leitungsberechtigte (vgl. § 7 Abs. Abs. 1 S. 1 SGB II) Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 02.03.2009, BGBl. I, 416). Danach umfasst das Sozialgeld die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen; mithin sind auch der hilfebedürftige Kläger zu 2. und - ab ihrer Geburt am 03.07.2009 - die hilfebedürftige Klägerin zu 3. Berechtigte für KdU und Heizung. Der Ehemann und Vater der Kläger ist als Studierender gem. § 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen, gleichwohl die KdU und Heizung nach dem Kopfteilsprinzip aufzuteilen.
25 
Leistungen für KdU und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R –, juris mit Hinweis auf: BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; vgl zuletzt Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 19 ff).
26 
Für die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft ist zunächst die angemessene Größe festzulegen. Diese beträgt in Anlehnung an das landesrechtlich geregelte Wohnungsbindungsrecht für 4-Personenhaushalte 90 m² Wohnfläche in Baden-Württemberg (Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums B.-W. zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV-SozWo vom 12.02.2002 [GABl S. 240] i.d.F. der VwV vom 22.01.2004 [GABl S. 248]). Diesen Rahmen übersteigt die Wohnung in der W.str. mit 85,75 m² nicht.
27 
Als maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum hält es der Senat vorliegend für sachgerecht, die Raumschaft „Umland F.“ mit der Gemeinde M. und den weiteren Gemeinden G., G., G., H., M. und U. zu wählen. Das BSG hat entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R; juris Rn. 21; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, juris). Die Gemeinde M. mit 8681 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2012) befindet sich im ländlichen Raum ca. 10 km von F. entfernt und ist zu klein, um einen eigenen Mietwohnungsmarkt abbilden zu können. Von daher begegnet es keinen Bedenken, wenn der Beklagte in seinem Flächenlandkreis mit 1.378,33 km² und vielen Klein- und Kleinstgemeinden, in dem Mietspiegel nicht vorliegen, in sog. Raumschaften Gemeinden im Umkreis von 10 bis 20 km im ländlichen Raum zusammengefasst hat. So umfasst die Raumschaft „Umland F.“ durch ein öffentliches Verkehrsnetz gut angebundene Gemeinden um die Stadt F. herum.
28 
Zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards innerhalb des Vergleichsraums (Referenzmiete) ist ein sog. schlüssiges Konzept zugrunde zu legen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris Rn.16; BSG, Urteil vom 19.03.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 7 Rn. 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris Rn. 7). Entscheidend ist jedoch, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zugrunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R –, juris Rn 24 mwN).
29 
Diesen Anforderungen wird das seit 01.05.2009 offiziell in Kraft getretene Konzept des Beklagten (auch in der auf Veranlassung des Senats nachgebesserten Form) zumindest in einem wesentlichen Punkt nicht gerecht. Der Beklagte hat mit seinem ab Ende 2008 entwickelten Konzept auf Bestandsmieten von Leistungsempfängern nach dem SGB II, SGB XII, AsylbLG in seinem Bezirk zurückgegriffen. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden und stellt eine zulässige Vorgehensweise zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts dar (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, , juris Rn. 24). Die so erfassten 3.226 Datensätze für alle Raumschaften beruhen auf dem Stand Oktober 2008 und bilden nach der früher vertretenen Auffassung des Beklagten das untere Preissegment ab. Für die Raumschaft „Umland F.“ haben sich nach vorheriger Kappung aller Wohnungen über 8 EUR/m² (1 Wohnung im Umland F.) 166 Mietwohnungen ergeben, die mindestens eine Wohnfläche von 60,01 m² Wohnfläche aufweisen. Durch Division der vorher teils rechnerisch ermittelten Kaltmiete durch die tatsächliche Quadratmeterzahl wurde der tatsächliche Quadratmeterpreis der Wohnungen ermittelt. Anschließend wurden die sich so ergebenden tatsächlichen Quadratmeterpreise aller 166 Wohnungen addiert und durch die Anzahl der Wohnungen dividiert und hierdurch ein Quadratmeterpreis von 5,77 EUR ermittelt. Es wurde also ein Durchschnittswert ermittelt. Multipliziert mit der maximal angemessenen Wohnungsgröße von 90 m² ergibt sich die Mietobergrenze von 519,30 EUR. Eine Ergebniskontrolle sei durch die Auswertung einschlägiger Anzeigenblätter erfolgt.
30 
Die Bildung eines Durchschnittswertes bei Wohnungen des unteren Preissegments ist aber rechtlich nicht zulässig, wenn -wie hier - nur die Wohnungen von Leistungsempfängern als Datengrundlage herangezogen werden. So errechnet sich ein Angemessenheitswert, der unter dem Wert liegt, der für einen Teil der Leistungsempfänger als angemessen akzeptiert wird (Spirale nach unten). Um diesen Zirkelschluss zu vermeiden, kann ein Leistungsträger entweder auf alle Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand abstellen, also neben Wohnungen einfachen Standards auch auf solche mittleren und gehobenen Standards, und dann aus den so gewonnenen Mietpreisen einen angemessenen Wert ermitteln. Oder der Leistungsträger kann auch - wie vorliegend - bei der Datenerhebung nur die Wohnungen einfachen Standards zugrunde legen, muss als Angemessenheitsgrenze dann aber die obere Preisgrenze dieses Segments wählen (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, , juris Rn. 24). Das vom Beklagten mit Wirkung zum 01.05.2009 eingeführte Konzept erweist sich damit als nicht schlüssig.
31 
Entgegen der Auffassung des SG und nun auch des Beklagten, dass in dem abgebildeten Wohnsegment von Leistungsbeziehern auch Wohnungen über dem einfachen Standard abgebildet sind, weil Leistungsempfänger noch kein Kostensenkungsverfahren durchlaufen haben und daher noch in einer nicht angemessenen Wohnung leben, geht das BSG davon aus, dass Wohnungen von Leistungsempfängern nach dem SGB II bzw. SGB XII grundsätzlich Wohnungen einfachen Standards sind. Nur in der Rubrik der Wohngeldempfänger könnten Wohnungen enthalten sein, die auch teurer sind als eine nach SGB II oder SGB XII angemessene Wohnung. Für die vom Beklagten aufgestellte These, dass in den Datensätzen auch teurere, für Leistungsbezieher nicht angemessene Wohnungen enthalten sind, ergeben sich keine nachprüfbaren Anhaltspunkte, noch ist etwas über deren Anzahl ausgesagt. Damit handelt es sich um bloße Mutmaßungen, die das Konzept nicht schlüssig werden lassen.
32 
Der Senat hat erfolglos im Parallelrechtsstreit L 2 AS 3787/11 versucht, das Konzept vom Beklagten schlüssig machen zu lassen. Er hat sich, nachdem im Mietrecht ständig „ortsübliche Vergleichsmieten“ zu ermitteln und Vergleiche mit dem bestimmten Mietobjekt anzustellen sind, am im Mietrecht beachteten Gesichtspunkten orientiert und etwa die „Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln“ (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen) sowie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.02.2012 - (VIII ZR 346/10, juris, zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete) herangezogen. Sodann wurde dem Beklagten u.a. aufgegeben, die Datenmenge durch Einbeziehung der Daten von Wohngeldempfängern im Monat Oktober 2008 zu vergrößern (Repräsentativität, vgl. BSG Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, juris Rn. 19; Identität, BSG, Urt. v. 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris, Rn. 17), die Neuauswertung ausreichend zu dokumentieren (Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, 2. Teil I. 10. S. 30), die verwendeten Daten transparent zu machen, den Mietbegriff (Kalt- oder Warmmiete) festzulegen und zu vereinheitlichen (vgl. Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, 2. Teil I. 3. S. 23 f.; BSG Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R , juris Rn. 23). Sodann sollten als „Ausreißermieten“ die Datensätze eliminiert werden, die 20% und mehr über und unter dem arithmetischen Mittel liegen (II. 4. S.41 f der Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, BGH, aaO., juris Rn. 19 unter Hinweis auf Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht). Sodann sollte der Spannenoberwert, dh der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne bzw. die obere Preisgrenze dieses Segments zu Grunde gelegt werden.
33 
Der Vorgabe entsprechend hat der Beklagte die bereits erhobenen Daten um die Daten von Wohngeldbeziehern ergänzt, sodass nun 4.269 Datensätze erfasst sind. Auch wenn sich die Datenmenge für den gesamten Landkreis dadurch um ca. 1000 vergrößert hat, dürfte es sich hierbei angesichts des Bestands von Wohnungen und Räumen im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald von zusammen 119.358 (Bestand an Wohnungen und Räumen in den Stadt und Landkreisen Baden-Württembergs am 31.12.2012, vgl. www.statistik.baden-wuerttemberg.de/veroeffentl/ Statistische_Berichte/3734_12001.pdf) dennoch nicht um eine ausreichend große Datenmenge handeln. Die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes können wiedergegeben sein, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R –, juris Rn. 16). Dies ist bei vorliegend 3,58 % nicht der Fall, auch wenn berücksichtigt wird, dass nicht nach selbstgenutzten Eigentums- und Mietwohnungen unterschieden ist.
34 
Davon unabhängig ist die Berechnung des Beklagten wiederum nicht zulässig, weil er erneut einen Durchschnittswert bildet. Für die Raumschaft Umland F. wurden 53 Datensätze für Wohnungen von Leistungsbeziehern mit einer Größe von 60 bis 75 m² und 78 Datensätze für Wohnungen von 75 bis 90 m² bzw. 90 bis 105 m² vorgelegt. Entsprechend den oben beschriebenen Raumschaften und Wohnflächen je Haushaltsgröße hat der Beklagte wie vom Senat vorgegeben Durchschnittswerte (arithmetisches Mittel) für die Miete je Quadratmeter ermittelt. Ausgehend davon wurden Korridore von plus bzw. minus 20 % von diesem Wert bestimmt. Aus den sich danach (Kaltmiete pro Quadratmeter größer oder gleich dem unteren Korridorwert und zugleich kleiner oder gleich dem oberen Korridorwert) ergebenden Datensätzen wurden jedoch wiederum Durchschnittswerte (arithmetisches Mittel) für die Kaltmiete pro Quadratmeter ermittelt. Danach ergab sich für Wohnungen im Umland F. mit einer Größe über 75 m² ein Durchschnitt innerhalb des Korridors von 5,66 pro Quadratmeter und von 5,70 EUR/m² für Wohnungen mit 60 bis 75 m², damit Werte, die geringfügig unter den bisherigen liegen. Insgesamt errechnete der Beklagte bezogen auf die Wohnsituation der Kläger eine angemessene Kaltmietobergrenze von 512,40 EUR. Diese Berechnung fußt jedoch auf einer erneuten Bildung eines Durchschnittswertes aus Wohnungen von Leistungsbeziehern die mangels nachprüfbarer Erkenntnisse dem unteren Preissegment zugeordnet werden müssen, was der Senat für unzulässig hält. Sie ist nicht mit der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des BSG vereinbar. Es hätte vielmehr zur Vermeidung eines Zirkelschlusses vom Spannenoberwert ausgegangen werden müssen. Eine weitere diesbezügliche Berechnung lehnt der Beklagte ab und auch die angeforderte Dokumentation der einzelnen Schritte der Auswertung stellt er nicht zur Verfügung. Der Senat stellt deshalb fest, dass ein schlüssiges Konzept nicht mehr erstellt werden kann und von einem Erkenntnisausfall bei der Ermittlung der Höhe der angemessenen Unterkunftskosten auszugehen ist.
35 
Der Senat kann auch nicht den als Durchschnittswert plus 20% ermittelten und mitgeteilten Quadratmeterpreis für die Ermittlung der abstrakt angemessenen KdU zu Grunde legen, weil eine vergleichbare Datenbasis nicht vorliegt. Als weiteres Manko des nachgebesserten Konzepts konnte hinsichtlich der Wohnungen von Wohngeldempfängern nicht nach Brutto- und Nettokaltmieten unterschieden werden, während hinsichtlich der übrigen Wohnungen der Beklagte von einer zumindest errechneten Nettokaltmiete ausgegangen ist. Insofern fehlt es bereits an einem einheitlichen Mietbegriff, so dass die Auswertung zu Verzerrungen führen kann. Dies belegt im Übrigen auch ein Vergleich der ermittelten Durchschnittswerte plus 20 %, die als Spannenoberwert angesehen werden könnten, mit den Werten des qualifizierten Mietspiegels der Großstadt F., die für den im allgemeinen als preiswerter einzustufenden ländlichen Raum wider die Erwartung zum Teil erheblich darüber liegen, so z.B. der Wert für eine 30 bis 45 m² große Wohnung im Umland F. mit 8,06 EUR/m² gegenüber dem der Mietspiegel 2009 der Stadt F. für eine Standardwohnung mit 45 m² lediglich eine Basismiete von 7,87 EUR ausweist.
36 
Auf Grund des Ausfalls von weiteren lokalen Erkenntnismöglichkeiten für die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts im räumlichen Vergleichsgebiet erachtet der Senat den Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle als zulässig (BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R, Rn. 16). Die Tabellenwerte des hier maßgeblichen § 12 WoGG (gültig ab 01.01.2009) deckeln die dann grundsätzlich zu übernehmenden tatsächlichen Aufwendungen im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze (BSG aaO Rn. 20). In ihnen sind die - ansonsten ebenfalls abstrakt zu ermittelnden - kalten Betriebskosten enthalten (§ 9 Abs. 1 WoGG). Es ist auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" von 10 % einzubeziehen (BSG, aaO, Rn. 22; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R, bisher nur als Terminbericht vorhanden). Für die Wohnung der Kläger (4 Personen) ergibt sich hieraus für den Wohnort M., der nach der Anlage zu § 1 Abs. 3 der Wohngeldverordnung (WoGV, BGBl. I 2008, 2487-2519 ab 01.01.2009) dem Kreis Breisgau- Hochschwarzwald zugehörig der Mietenstufe III zugeordnet ist, ein Betrag von 556 EUR. Zuzüglich 10 % beträgt die abstrakt angemessene Kaltmiete inklusive Nebenkosten mithin 661 EUR.
37 
Hinzu kommen die angemessenen Heizkosten. Die Prüfung der Angemessenheit der Leistung für die Heizung hat nicht nur getrennt von der für die Unterkunft zu erfolgen, sondern auch nach eigenen Regeln: Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung ist - mangels anderer Zahlen - so lange zu bejahen, wie die Kosten unter dem Grenzbetrag eines bundesweiten oder kommunalen Heizspiegels liegen (BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 25; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 Rn. 23 ff). Grundsätzlich ist bei einer Warmwasserbereitung über die Heizung - wie vorliegend - der Anteil, der für die Warmwasserbereitung im Rahmen der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist, abzuziehen (BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - ; BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R –, juris; BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 16/11 R –, juris).
38 
Die Höhe der Heizkosten der Kläger im streitigen Zeitraum ist unbekannt. Mietvertraglich sind kalte und warme Nebenkosten nur in einer pauschalen Summe von 210 EUR monatlich vereinbart. Die tatsächlichen Kosten lassen sich damit erst durch eine nachträgliche Verbrauchsabrechnung ermitteln, was auch angeblich geschehen ist. Die Nebenkostenabrechnung für den streitigen Zeitraum hatte der Beklagte nicht angefordert, ist von den Klägern auf die Aufforderung des Senats vom 10.01.2013 nicht vorgelegt worden und kann nach Mahnung nun mangels Aufbewahrung nicht mehr vorgelegt werden. Die tatsächlichen Heizkosten sind damit nicht bestimmbar und es ist nicht nachgewiesen, dass diese tatsächlich höher waren, als vom Beklagten pauschal mit 86 EUR (86 m² x 1 EUR) zu Grunde gelegt. Die Beweislast trifft insoweit die Kläger, die einen höheren Anspruch geltend machen. Im Rahmen eines Rechtsstreits über die KdU und Heizung ist es eine Obliegenheit der Kläger, die entsprechenden Unterlagen aufzubewahren und ggf. Nachweis zu erbringen. Dazu sind die Kläger im vorliegenden Verfahren bereits seit dem Widerspruchsverfahren von einem in diesem Rechtsgebiet sehr häufig auftretenden Rechtsanwalt vertreten, der genauestens mit der rechtlichen Materie vertraut ist. Nachdem die Kläger bereits vor über einem Jahr, nämlich im Januar 2013 vom Senat zur Vorlage der Unterlagen aufgefordert worden sind, ist mehr als genügend Zeit vergangen, sich die Nachweise eventuell beim Vermieter wiederzubeschaffen. Die jetzige Urlaubsabwesenheit des Vermieters vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung geht zu Lasten der Kläger. Es besteht auch für den Senat keine Veranlassung, die Entscheidung über den Rechtsstreit zu verschieben und selbst beim Vermieter noch nachzuforschen. Hierbei handelt es sich um Ermittlungen ins Blaue hinein, zu denen keine Verpflichtung besteht. Es ist weder behauptet worden, dass die Heizkosten höher waren, noch steht fest, dass der Vermieter die Unterlagen aufbewahrt hat und diese durch Nachfrage dort beschafft werden könnten.
39 
Aus diesem Grunde greift der Senat auch nicht - was denkbar wäre - ersatzweise auf den niedrigsten Grenzbetrag (BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R, juris Rn. 43) des bundesweiten Heizkostenspiegels von 2011 (Abrechnungsjahr 2010) zurück, obwohl die maximalen abstrakt angemessenen Heizkosten für eine 90 m² Wohnung sich danach in Höhe von 125,25 EUR monatlich errechnen (16,70 EUR x 90 m² für Heizöl) und ein weiterer Abzug für die Warmwasserbereitung nicht gerechtfertigt sein dürfte, da sich die Vergleichswerte in den Tabellen ausschließlich auf die reine Raumwärme beziehen. Auch wenn der bundesweite Heizkostenspiegel gegebenenfalls höhere tatsächliche Kosten deckelt und als Obergrenze angesehen werden kann, besteht hierzu auch deshalb kein Anlass, da die Heizkosten im Bereich des Beklagten - wie dem Senat aus anderen Rechtsstreitigkeiten bekannt ist - zum Teil auch unter den pauschal vom Beklagten erstatteten Heizkosten liegen. „Sicherheitshalber“ sind den Klägern bei Verlust des Nachweises über die tatsächlichen Heizkosten keine höheren als die bereits erstatteten Heizkosten zu gewähren.
40 
Allerdings hat der Beklagte im streitigen Zeitraum den Abzug der Warmwasserpauschale nicht korrekt vorgenommen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R und Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R). Die Werte betragen für zwei Erwachsene in einem Haushalt je 5,82 EUR (= 11,64 EUR) und für die Kinder je 3,88 EUR (= 7,76). Für die Warmwasserbereitung sind daher nur 19,40 EUR statt 20,36 EUR abzuziehen, so dass die Heizkosten nach Abzug noch 66,60 EUR ausmachen.
41 
Zusammenfassend betragen die abstrakt angemessenen KdU und die Heizkosten damit 678,20 EUR.
42 
Die tatsächlichen KdU und Heizung mit insgesamt 910 EUR sind daher - unabhängig davon, ob die Kosten in Höhe von 20 EUR für einen Stellplatz zu übernehmen wären - nicht angemessen. Eine temporäre Übernahme der tatsächlichen Kosten kommt nicht in Betracht, nachdem die Kläger keine Zusicherung für den Umzug erhalten haben und über die Unangemessenheit der Kosten informiert waren.
43 
Auch unter Berücksichtigung der Argumentation in der Entscheidung des SG Mainz (vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09) haben die Kläger keinen Anspruch auf höhere KdU und Heizung. Der Senat hat bereits entschieden, dass er - wie auch schon der 1. und 13. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (vgl. Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - juris; Urteil vom 25.02.2014 - L 13 AS 3088/12 ZVW; ebenso Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 22 Rn. 72) - der Auffassung des SG Mainz nicht folgt. Die vom Sozialgericht Mainz in seiner Entscheidung vom 08.06.2012 geäußerte Auffassung, dass der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verwendete Begriff der „Angemessenheit“ den im Urteil des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 09.02.2010 aufgestellten Anforderungen nicht genüge, ist falsch. Das BVerfG hat in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sog. „schlüssigen Konzept“ die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bereits gebilligt und ausgerechnet in dem vom Sozialgericht Mainz als Beleg für seine irrige Auffassung angeführten Urteil folgendes ausgeführt: „§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 12 Rdnr 148). Damit ist die Entscheidung des Sozialgericht Mainz schon im Ansatz unrichtig, wenn sie aaO Rdnr 62, 68 der Meinung ist, es fehle für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ an einer hinreichenden parlamentsgesetzlichen Grundlage und der Bundesgesetzgeber stehe „demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein entsprechender Rechtsanspruch besteht“. Das ist, wie das Bundesverfassungsgericht klar gestellt hat, bereits in ausreichendem Maße geschehen. Auch in seiner Entscheidung vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11 = info also 2012, 28 = juris Rn. 24 f.) hat das BVerfG das schlüssige Konzept des BSG ersichtlich für geeignet erachtet, den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit auszufüllen. Diese Entscheidung scheint dem Sozialgericht Mainz nicht bekannt gewesen zu sein.
44 
Der Beklagte hat den Klägern anteilige Leistungen für KdU und Heizung ausgehend von angemessenen Kosten in Höhe von insgesamt 708,94 EUR statt abstrakt angemessener in Höhe von 678,20 EUR gewährt. Die Kläger haben somit höhere Leistungen für KdU und Heizung erhalten. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
46 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anrechnung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) auf die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

I.

2

Die im Februar 1988 geborene Beschwerdeführerin lebte im streitgegenständlichen Zeitraum gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern in einem im Eigentum der Mutter stehenden Einfamilienhaus. Von August 2004 bis Juli 2007 befand sie sich in einer Ausbildung in einer staatlich anerkannten Berufsfachschule in privater Trägerschaft. Ausweislich des Schulvertrags war sie verpflichtet, Schulgebühren in monatlichen Raten in Höhe von 55 Euro beziehungsweise (im zweiten Ausbildungsjahr) 65 Euro zu zahlen. Zusätzlich entrichtete sie eine monatliche Aufwandspauschale in Höhe von 70 Euro für Zusatzleistungen des Schulträgers.

3

Die Beschwerdeführerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von 192 Euro monatlich. Außerdem bezog sie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch. Der Leistungsträger berücksichtigte dabei die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz sowie das Kindergeld in Höhe von 154 Euro monatlich als bedarfsminderndes Einkommen.

4

Auf die Klagen der Beschwerdeführerin sprachen ihr das Sozialgericht und das Landessozialgericht teilweise höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch zu. Die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz seien nur teilweise als Einkommen anzurechnen.

5

Die Revisionen des Leistungsträgers hatten teilweise Erfolg. Das Bundessozialgericht entschied, dass die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von 109,60 Euro monatlich als bedarfsminderndes Einkommen zu berücksichtigen seien und lediglich ein Betrag in Höhe von 82,40 Euro als zweckbestimmte Einnahme privilegiert sei. Der zweckbestimmte Anteil sei nicht konkret entsprechend der zweckgebundenen Verwendung durch die Beschwerdeführerin, sondern pauschal zu bestimmen. Mit der Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II solle einerseits vermieden werden, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch die Berücksichtigung im Rahmen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch verfehlt werde. Andererseits solle die Vorschrift aber auch verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht würden. Die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dienten sowohl der Deckung des Lebensunterhalts während der Ausbildung als auch der Deckung der Kosten der Ausbildung selbst. Unter Beachtung von Sinn und Zweck von § 11 SGB II sowie des in § 3 Abs. 3 Satz 1 SGB II normierten Nachranggrundsatzes sei erforderlich, den Anteil der Ausbildungsförderung, der eine Privilegierung nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II erfahre, betragsmäßig einzugrenzen. Dabei könne es nicht auf die subjektive Zweckbestimmung durch den Empfänger der Leistung ankommen. Für eine Privilegierung sei vielmehr erforderlich, dass sich der Verwendungszweck im Vorhinein nach objektiver Betrachtung erkennen lasse. Ansonsten würde je nach Ausgabeverhalten des Hilfeempfängers Einkommen unter Schutz gestellt, das von der objektiven Zweckrichtung her durchaus (auch) der Sicherung des Lebensunterhalts dienen solle. Im Übrigen werde nur eine pauschale Bestimmung des Ausbildungsanteils den Anforderungen einer Massenverwaltung gerecht. In der Praxis der Sozialhilfeträger, der sich die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende überwiegend angeschlossen hätten, sei ausgehend von einer entsprechenden Regelung in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Bundesausbildungsförderungsgesetz in der Fassung vom 21. Dezember 1990 davon ausgegangen worden, dass eine Pauschale von 20 vom Hundert von den Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für ausbildungsbedingte Kosten gewährt werde. Die Pauschalierung in einer solchen Größenordnung sei durchaus nachvollziehbar, da der überwiegende Teil der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt sei. Die Pauschalierung müsse sich allerdings von dem Betrag ableiten, der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz insgesamt als bedarfsdeckend angesehen werde. Eine nachvollziehbare Pauschalierung könne sich daher nur von dem durch den Gesetzgeber des Bundesausbildungsförderungsgesetzes festgesetzten Gesamtbedarf eines Auszubildenden in entsprechender Ausbildungsform ableiten. Die Pauschale sei vorliegend also ausgehend von dem Betrag zu bestimmen, mit dem ein Berufsfachschüler, der wegen der Förderfähigkeit der Ausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen sei, seine gesamten Ausbildungskosten decken müsse. Dies seien nach § 12 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BAföG in der bis zum 31. Juli 2008 geltenden Fassung 412 Euro. Für die Beschwerdeführerin errechne sich daraus eine Pauschale für zweckbestimmte Ausbildungskosten in Höhe von 82,40 Euro (20 vom Hundert von 412 Euro). Die Ausbildungskosten, die über den zweckbestimmten Anteil der Ausbildungsförderung hinaus wegen der Besonderheiten der vorliegenden Ausbildung angefallen seien, könne die Beschwerdeführerin nicht als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II vom Einkommen absetzen. Es könnten solche Ausgaben nicht als mit der Erzielung des Einkommens notwendige Ausgaben abgesetzt werden, die der Art nach bereits bei der Ermittlung des Einkommens wegen einer besonderen Zweckbestimmung berücksichtigt worden seien. Wenn diese Einnahme nicht erst über den entsprechenden Mitteleinsatz des Leistungsempfängers ihre Zweckbindung erlangen könne, sondern sich die Zweckbindung nach objektiven Kriterien bestimmen lassen müsse, könne deshalb eine weitergehende subjektive Zweckbestimmung bei Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II keine Beachtung finden.

6

Mit der Verfassungsbeschwerde, die sich ausschließlich gegen die drei Entscheidungen des Bundessozialgerichts - sie betreffen unterschiedliche Zeiträume, sind ansonsten aber im Wesentlichen identisch - richtet, rügt die Beschwerdeführerin insbesondere eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips, von Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 GG sowie Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG, da die angegriffenen Entscheidungen ihrem Bedürfnis, eine Fachschulausbildung in einer Schule in privater Trägerschaft zu absolvieren, nicht hinreichend Rechnung trage. Sie sei im Verhältnis zu vergleichbaren Auszubildenden in schulgeldfreien Ausbildungsstätten benachteiligt. Das Sozialstaatsprinzip gebiete, dass Schüler und Auszubildende auch Ersatzschulen unabhängig von der wirtschaftlichen Lage ihrer Eltern besuchen könnten. In diesem Zusammenhang sieht die Beschwerdeführerin auch eine Verletzung von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG. Sie werde gegenüber Auszubildenden in bemittelten Elternhäusern oder von Auszubildenden an schulgeldfreien Schulen benachteiligt. Der existenzielle Grundsicherungsbedarf schließe zudem auch das Erfordernis einer Rücklagenbildung ein.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde ist - unbeschadet des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sie jedenfalls unbegründet ist. Daher ist der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten abzulehnen.

8

1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Aufwendungen der Beschwerdeführerin für den Besuch der privaten Berufsfachschule nicht zu einem höheren, bei der Berechnung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch zu berücksichtigenden gesetzlichen Bedarf führen.

9

a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG enthält einen Anspruch auf die Zurverfügungstellung derjenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind (vgl. BVerfGE 82, 60 <80>; BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a. -, NJW 2010, S. 505 <508, Rn. 135>). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin enthält das Grundrecht keinen Anspruch auf Leistungen zur Rücklagenbildung oder zur Finanzierung der Aufwendungen für den Besuch einer Privatschule. Wenn die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein der Bürger sichergestellt sind, liegt es allein in der Entscheidung des Gesetzgebers, in welchem Umfang darüber hinaus soziale Hilfe gewährt wird (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 40, 121 <133>; 82, 60 <80>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Oktober 1991 - 1 BvR 1159/91 -, juris, Rn. 8). Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 82, 60 <80>).

10

b) Die Bemessung des Existenzminimums, dessen Sicherung Ziel des hier allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Sozialgesetzbuch Zweites Buch ist (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SGB II), richtet sich ausschließlich nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG, so dass für den Rückgriff auf andere Grundrechte kein Raum ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a. -, NJW 2010, S. 505 <509, Rn. 145>). Deswegen sind die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Rügen, sie sei durch die Nichtberücksichtigung ihrer durch den Besuch der Berufsfachschule entstandenen Kosten in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, unbegründet.

11

c) Auch die Regelungen des Art. 7 Abs. 4 und 5 GG berühren die hier streitigen Fragen nicht. Dort sind lediglich die Voraussetzungen für die Zulassung privater Schulen niedergelegt und der Schutz solcher Institutionen geregelt. Zwar lassen sich hieraus auch staatliche Förderpflichten gegenüber den Trägern dieser Schulen ableiten (vgl. BVerfGE 75, 40 <61 ff.>; 90, 107 <114 ff.>). Zur Frage der finanziellen Unterstützung von Schülern solcher Schulen verhält sich diese Vorschrift aber nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 1982 - 7 B 143/81 -, NVwZ 1982, S. 441 f.; BVerwG, Urteil vom 13. August 1992 - 5 C 70/88 -, NVwZ 1993, S. 691 <692>).

12

2. Die Berücksichtigung von Einkommen bei der Feststellung der Hilfebedürftigkeit und bei der Berechnung der zustehenden Leistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. zur Anrechnung des Kindergelds als Einkommen BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. März 2010 - 1 BvR 3163/09 -, juris, Rn. 6 ff.).

13

a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG) wird durch die Anrechnung von Einkommen nicht verletzt. Dieses Grundrecht greift dann ein, wenn und soweit andere Mittel zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zur Verfügung stehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a. -, NJW 2010, S. 505 <507, Rn. 134>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2010 -1 BvR 688/10 -, n.v.). Die Verfassung gebietet nicht die Gewährung von be-darfsunabhängigen, voraussetzungslosen Sozialleistungen. Der Gesetzgeber hat vielmehr einen weiten Spielraum, wenn er Regelungen darüber trifft, ob und in welchem Umfang bei der Gewährung von Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, sonstiges Einkommen des Empfängers auf den individuellen Bedarf angerechnet wird (vgl. BVerfGE 100, 195 <205>).

14

Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Privilegierung von bestimmten Einnahmen, wie sie § 11 Abs. 3 SGB II vorsieht, verfassungsrechtlich geboten ist. Jedenfalls ist es nicht wegen Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erforderlich, dass solche Einnahmen von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen sind, auf die der Hilfebedürftige zur Deckung seines Existenzminimums tatsächlich zurückgreifen kann. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass das Existenzminimum gedeckt werden kann, ohne dass es auf den Rechtsgrund der Einnahme oder die subjektive Verwendungsabsicht des Hilfebedürftigen ankäme.

15

Es kann dahinstehen, ob es andere freiheitsrechtliche Vorgaben in bestimmten Konstellationen gebieten, bestimmte Sozialleistungen von der Einkommensanrechnung auszunehmen. Dies könnte dann notwendig sein, soweit anderenfalls etwaige verfassungsrechtliche Leistungsansprüche aufgrund der Einkommensanrechnung im Rahmen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch de facto nicht erfüllt würden. Dies ist hier jedoch nicht das Fall, weil jedenfalls der Besuch einer privaten Ausbildungseinrichtung nicht von Verfassungs wegen durch die Gewährung staatlicher Mittel ermöglicht oder erleichtert werden muss.

16

b) Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab ist ansonsten nur Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 100, 195 <205>).

17

aa) Wird durch eine Norm eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten, verletzt sie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 100, 195 <205>; 107, 205 <214>; 109, 96 <123>; stRspr). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass hinsichtlich der Ungleichbehandlung an ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungsmerkmal angeknüpft wird. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitsgrundsätze reichen (vgl. BVerfGE 97, 271 <290>; 99, 367 <388>; 107, 27 <45> m.w.N.). Auf dem Gebiet des Sozialrechts ist dem Gesetzgeber eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 77, 84 <106>; 81, 156 <205>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Oktober 1991 - 1 BvR 1159/91 -, juris, Rn. 8). Rechtfertigender Grund für eine Ungleichbehandlung kann dabei insbesondere der Nachrang von Sozialleistungen, zu dem auch der Einsatz anderweitigen Einkommens gehört, sein (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Oktober 1991 - 1 BvR 1159/91 -, juris, Rn. 9).

18

Daraus folgt, dass der Gesetzgeber gleichartige Einnahmen bei verschiedenen Personengruppen nicht unterschiedlich der Einkommensanrechnung unterwerfen darf, ohne dass hierfür ein nach Art und Gewicht bestehender Unterschied besteht, der die ungleiche Behandlung rechtfertigt. Dabei kann auch dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität bei der Regelung von Massenerscheinungen eine besondere Bedeutung für die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen zukommen (vgl. BVerfGE 100, 195 <205>). Art. 3 Abs. 1 GG ist hingegen bereits nicht einschlägig, wenn verschiedenartige Einnahmen bei der Einkommensanrechnung unterschiedlich berücksichtigt werden.

19

bb) § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II verletzt bei der hier in Rede stehenden Anrechnung des sogenannten Schüler-BAföG Art. 3 Abs. 1 GG nicht. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Ungleichbehandlung liegt nicht vor.

20

Die Beschwerdeführerin wird durch die Anrechnung von Einkommen nicht anders behandelt als Auszubildende, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch beziehen und eine schulgeldfreie Schule besuchen. Die Einkommensanrechnung erfolgt in beiden Fällen in gleicher Weise. Die gesetzliche Regelung differenziert hier nicht. Unterschiedlich ist lediglich das diesbezügliche Ausgabeverhalten, das aber nicht von staatlicher Seite kompensiert werden muss.

21

Die Beschwerdeführerin wird auch gegenüber bemittelten Auszubildenden nicht schlechter behandelt. Personen, die über hinreichendes Einkommen beziehungsweise Vermögen verfügen, erhalten weder Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch noch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Die Beschwerdeführerin wird gegenüber diesen Personengruppen durch die Gewährung staatlicher Leistungen vielmehr privilegiert. Dies gilt auch mit Blick auf diejenigen Personen, die nur Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten. Diese müssen - anders als die Beschwerdeführerin - ihren Lebensunterhalt, soweit er nicht durch die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gedeckt werden kann, aus eigenen Mitteln finanzieren.

22

3. Das Bundessozialgericht hat die maßgeblichen Vorschriften auch in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angewendet.

23

a) Das Bundesverfassungsgericht prüft - abgesehen vom Willkürverbot - insofern nur, ob eine angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereiches beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 97, 12 <27>; BVerfGK 6, 46 <50>; 10, 13 <15>; 10, 159 <163>; stRspr).

24

b) Solche Fehler sind hier nicht ersichtlich. Das Bundessozialgericht hat die mit Verfassungsrecht in Einklang stehenden Vorschriften des einfachen Rechts angewendet, ohne dass dies verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde.

25

Dies gilt insbesondere mit Blick auf Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Das Bundessozialgericht durfte nach dem oben Ausgeführten davon ausgehen, dass ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums nur besteht, soweit andere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Solche Mittel waren hier jedoch in Gestalt der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz verfügbar. Durch diese Leistungen einerseits und die gekürzte Regelleistung andererseits hat die Beschwerdeführerin im Ergebnis sogar mehr staatliche Leistungen erhalten, als aufgrund § 20 Abs. 2 Satz 2, § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II im streitgegenständlichen Zeitraum gesetzlich vorgesehen waren, weil die Anrechnung der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in den angegriffenen Entscheidungen nur teilweise erfolgte.

26

Die Auffassung des Bundessozialgerichts, dass die mit dem Besuch der Privatschule verbundenen Aufwendungen nicht gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II das zu berücksichtigende Einkommen mindern, weil nicht auf diesem Weg das Gebot, den Anteil der zweckbestimmten Einnahmen nach objektiven Maßstäben festzulegen, umgangen werden darf, ist vertretbar und damit nicht willkürlich, so dass auch dies keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt.

27

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde wirft die Frage auf, ob der Beschwerdeführerin während ihrer Ausbildung Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (über Leistungen für Mehrbedarf für Alleinerziehende hinaus) zustehen.

2

1. Die 1956 geborene Beschwerdeführerin lebt mit ihrer 1990 geborenen Tochter in einer Bedarfsgemeinschaft. Sie hat 1995 ein Architekturstudium erfolgreich abgeschlossen. Anfang September 2006 begann sie eine Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin. Die Bundesagentur für Arbeit stellte ihr im Juni 2006 einen Bildungsgutschein gemäß § 77 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Fassung bis 31. Dezember 2008 (im Folgenden: a.F.) aus, mit Zusage der Übernahme der Lehrgangskosten bis zu 24 Monaten, einschließlich eines notwendigen Betriebspraktikums in Vollzeit sowie Fahrkosten.

3

Die damalige Arbeitsgemeinschaft gewährte der Beschwerdeführerin für den Zeitraum August 2007 bis Januar 2008 einen Mehrbedarf für Alleinerziehende, lehnte jedoch laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab, weil sie eine abstrakt nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) förderungsfähige Ausbildung absolviere.

4

Nach erfolglosem Widerspruch erhob die Beschwerdeführerin Klage, die das Sozialgericht abwies. Die Beschwerdeführerin habe eine dem Grunde nach gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG förderfähige Ausbildung durchlaufen und sei daher nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Fassung bis 31. März 2011 (im Folgenden: a.F.) von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen.

5

Das Landessozialgericht wies die Berufung zurück. Im Fall der Beschwerdeführerin führten lediglich individuelle Versagungsgründe - hier die Überschreitung der maximalen Altersgrenze für Förderleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - zum Ausschluss der Ausbildungsleistungen. Die Gewährung von Arbeitslosengeld II würde zu einer Ausbildungsförderung auf einer weiteren Ebene führen, was dem reinen Existenzsicherungszweck der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch zuwiderlaufe. Es sei auch nicht deswegen eine Ausnahme zu machen, weil die Maßnahme mit einem Bildungsgutschein gefördert worden sei. Objektiv handele es sich um eine Aus- nicht um eine Weiterbildung. Die staatlicher Regelung unterliegende Schulung ziele auf den Erwerb von Kenntnissen in einem anerkannten Ausbildungsberuf ab. Sie setze zwar einen mittleren Berufsabschluss, jedoch keine berufliche Vorerfahrung oder Qualifikation voraus. Daher könne es auch dahinstehen, ob und gegebenenfalls aus welchem Grund der Gesetzgeber von einem Leistungsausschluss nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch im Fall von nach § 77 SGB III a.F. förderbaren Maßnahmen Abstand genommen habe.

6

Auf die Revision der Beschwerdeführerin hob das Bundessozialgericht das Urteil des Landessozialgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurück. Die Beschwerdeführerin habe in der mündlichen Verhandlung auf ein Darlehen verzichtet, so dass nur noch Zuschussleistungen im Streit stünden. Der Senat habe nicht abschließend entscheiden können, ob § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. im Fall der Beschwerdeführerin greife. Die dem Grunde nach förderfähige Ausbildung bewirke grundsätzlich einen Leistungsausschluss. Unerheblich sei, dass die Beschwerdeführerin keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalte, denn hierfür seien nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. unbeachtliche, in ihrer Person liegende Gründe verantwortlich. Davon unabhängig könne die Beschwerdeführerin allerdings dann einen Leistungsanspruch haben, wenn sie die Ausbildung nicht als schulische Berufsausbildung, sondern im Rahmen einer beruflichen Weiterbildung im Sinne von § 77 SGB III a.F. absolviert habe. Die Förderung einer Ausbildung nach § 77 SGB III a.F. führe nicht zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. Ob es sich im konkreten Fall um eine Weiterbildungsmaßnahme handele, werde das Landessozialgericht zu klären haben.

7

Das Landessozialgericht wies die Berufung erneut zurück. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG seien bezüglich der von der Beschwerdeführerin absolvierten Ausbildung erfüllt. Insbesondere habe es sich um eine Ausbildung und nicht um eine Weiterbildungsmaßnahme gehandelt. Die Beschwerdeführerin habe die Ausbildung nicht verkürzen oder in irgendeiner Form verändern können. Ihr Architekturstudium weise keine relevanten Deckungsgleichheiten mit den pflichtigen Inhalten der Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin auf. Die faktische Erteilung eines Bildungsgutscheins stehe dem nicht entgegen.

8

2. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und von Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG.

9

Sie macht im Wesentlichen geltend, dass sie durch § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. von Sozialleistungen zur Sicherung des Existenzminimums ausgeschlossen werde. Der Gesetzgeber habe es versäumt, einen Auffangtatbestand zu schaffen, der das Existenzminimum derjenigen Auszubildenden sicherstelle, die aus persönlichen Gründen keinen Leistungsanspruch nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz hätten. § 7 Abs. 5 SGB II a.F. gewähre keine Beihilfen in Härtefällen; § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II a.F. greife nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in ihrem Fall nicht. Sie werde zum Objekt staatlichen Handelns gemacht. Der Gesetzgeber überschreite seinen Gestaltungsspielraum, wenn er Personen(gruppen) vollständig aus dem staatlichen Hilfesystem herausnehme. Warum Auszubildende, die keine Leistungen nach anderen Gesetzen erhielten, auch keine Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch erhalten sollten, bleibe nach der Gesetzesbegründung offen.

10

Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG verpflichte den Staat zur individuellen Ausbildungsförderung. Nur weil sie ihr Existenzminimum nicht selbst sichern könne, dürfe ihr der Weg zu einer Ausbildung nicht versperrt werden. Ihre Berufswahlfreiheit werde verletzt. Personen, die älter als 30 Jahre seien und für ihren Lebensunterhalt nicht selbst aufkommen könnten, könnten keine Ausbildung beginnen beziehungsweise müssten diese abbrechen.

11

Ferner sei sie in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt. Sie wäre leistungsberechtigt gewesen, wenn sie ihre Ausbildung abgebrochen hätte. § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. sei zur Erreichung des vom Gesetzgeber gewollten Zwecks weder geeignet noch erforderlich. Es sei nicht ersichtlich, weshalb Auszubildende keinen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen haben sollten. Es sei einer hilfebedürftigen Auszubildenden eher zuzumuten, die Ausbildung abzubrechen, um eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt anzunehmen, als sie abzubrechen, um darauf zu warten von dem Grundsicherungsträger in Arbeit vermittelt zu werden. Das Prinzip des Forderns und Förderns werde konterkariert. Hätte sie ihre Ausbildung abgebrochen, wäre sie wahrscheinlich heute noch arbeitslos.

12

Schließlich werde gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen. Erwerbsfähige Hilfsbedürftige würden grundlos schlechter gestellt als nichterwerbsfähige Hilfsbedürftige. § 22 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in der Fassung bis 31. März 2012 (im Folgenden: a.F.) sehe in Härtefällen Leistungen für Auszubildende als Beihilfe vor. Die Beschwerdeführerin habe sich nie auf § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II a.F. berufen, weil sie keine unüberschaubaren Schulden habe anhäufen wollen. Eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich.

13

Sie habe den Rechtsweg erschöpft. Eine Nichtzulassungsbeschwerde habe offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

II.

14

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Sie ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet

15

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

16

Dem steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin gegen das (zweite) Urteil des Landessozialgerichts nicht mit einer Nichtzulassungsbeschwerde vorgegangen ist. Der mit dem Grundsatz der Subsidiarität verfolgte Zweck, eine fachgerichtliche Klärung der Sach- und Rechtslage herbeizuführen, ist vorliegend erreicht (vgl. BVerfGE 9, 3 <7 f.>; 78, 155 <160>), denn auch das Bundessozialgericht war bereits einmal mit der Sache befasst. Neue Sach- oder Rechtsfragen stellen sich nach der zweiten Entscheidung des Landessozialgerichts nicht.

17

Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist demgegenüber die Frage einer Leistungsberechtigung der Beschwerdeführerin nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Solche Leistungen hat die Beschwerdeführerin nicht beantragt und über sie wurde in den angegriffenen Entscheidungen nicht entschieden.

18

2. Im Hinblick auf den gerügten Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG.

19

Zwar weist die Beschwerdeführerin zutreffend darauf hin, dass bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Härtefällen nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II a.F. nur eine darlehensweise Leistungsgewährung in Betracht kommt, während der Sozialhilfeträger gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII a.F. nach Ermessen ein Darlehen oder eine Beihilfe gewähren kann. Jedoch ist nach dem Beschwerdevorbringen bereits nicht erkennbar, weshalb bei der Beschwerdeführerin überhaupt ein besonderer Härtefall vorliegen soll. Ferner setzt sie sich nicht mit dem Umstand auseinander, dass das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende und das Recht der Sozialhilfe unterschiedliche Systeme differenziert nach der Erwerbsfähigkeit vorsehen. Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten kann grundsätzlich erwartet werden, dass es ihnen nach Abschluss ihrer Ausbildung möglich sein wird, ein Darlehen zurückzuzahlen; diese Aussicht besteht bei nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nicht ohne weiteres (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 36/06 R -, juris, Rn. 20).

20

3. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

21

a) Eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 125, 175 <222 ff.>; 132, 134 <159 ff.>) liegt nicht vor.

22

§ 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. konkretisiert den Nachrang gegenüber vorrangigen besonderen Sozialleistungssystemen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl. § 3 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB II). Der Gesetzgeber geht im Rahmen seines Gestaltungsspielraums in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass das menschenwürdige Existenzminimum, soweit eine durch die Ausbildung bedingte Bedarfslage entstanden ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 28/06 R -, juris, Rn. 28; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 7 Rn. 276 ), vorrangig durch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz beziehungsweise dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch zu decken ist.

23

Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. führt im Fall der Beschwerdeführerin dazu, dass ihr für die Dauer ihrer Ausbildung keine Grundsicherungsleistungen (über Leistungen für Mehrbedarf für Alleinerziehende hinaus) gewährt werden. Dies beruht auf den Vorgaben des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, insbesondere zur Altersgrenze der Förderung (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 -, FamRZ 1981, S. 404) und ist keine im vorliegenden Verfahren zu klärende Frage zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch.

24

b) Der faktische Zwang, eine Ausbildung abbrechen zu müssen, weil keine Sozialleistungen die Existenz sichern, berührt die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 8. Mai 2013 - 1 BvL 1/08 -, juris, Rn. 36 f.). Der Gesetzgeber hat mit den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes jedoch hierfür ein besonderes Sozialleistungssystem geschaffen. Dabei hat der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums entschieden, dass eine möglichst frühzeitige Aufnahme der Ausbildung angestrebt wird (vgl. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 15. Januar 1979, BTDrucks 8/2467, S. 15; Bericht der Bundesregierung zur Ausbildungsfinanzierung in Familien mit mittlerem Einkommen vom 13. Juli 1987, BTDrucks 11/610, S. 16 f.; Finger, FamRZ 2006, S. 1427 f.). Ermöglicht wird im Allgemeinen, bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres eine der Begabung entsprechende Ausbildung zu beginnen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 -, FamRZ 1981, S. 404). Ob sich der Ausschluss der Beschwerdeführerin von der Förderung einer Ausbildung vor der Verfassung rechtfertigen lässt, ist damit nicht gesagt, aber hier auch nicht zu entscheiden.

25

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

26

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe

I.

1

Die mit einem Prozesskostenhilfegesuch verbundene Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen sozialgerichtliche Eilentscheidungen wegen der Versagung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Hinblick auf die abstrakte Förderungsfähigkeit des Hochschulstudiums des Beschwerdeführers nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).

2

1. Der 1966 geborene Beschwerdeführer bezog im Anschluss an Erwerbstätigkeit Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende; letztmals im Mai 2010 Leistungen für Unterkunft und Heizung bis Ende November 2010 in Höhe von monatlich 73,84 €. Auf seinen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen gab der Beschwerdeführer an, ab Oktober 2010 ein Hochschulstudium aufzunehmen. Der Verwaltungsträger stellte daraufhin fest, dass kein Anspruch auf Gewährung eines Darlehens besteht und hob wegen der Aufnahme des Hochschulstudiums die Bewilligung von Leistungen für Oktober und November 2010 auf.

3

2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen diesen Verwaltungsakt und auf Verpflichtung des Grundsicherungsträgers, ihm vorläufig Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit ab Oktober 2010 zu gewähren, lehnte das Sozialgericht ab. Durch die Aufnahme des Studiums verliere er nach der vom Gericht nicht für verfassungswidrig erachteten Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II in der Fassung bis 31. März 2011 (im Folgenden: a.F.) den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, da das Hochschulstudium gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG förderungsfähig sei. Auch anderweitige Ansprüche bestünden nicht. Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalte der Beschwerdeführer nicht, weil er die Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG überschritten habe.

4

3. Das Landessozialgericht wies die Beschwerde zurück.

5

4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 Satz 2 sowie von Art. 20 Abs. 3 GG.

6

Er sei nicht gehalten, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Die Gerichte hätten sich auf eine jüngere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gestützt, weshalb keine abweichende Beurteilung der Fachgerichte zu erwarten sei. Ihm entstünden, wenn er so lange zuwarten müsse, schwere und erhebliche Nachteile, denn ohne die Mittel Dritter sei er lediglich ein weiteres Jahr in der Lage, das Studium zu finanzieren. Würden existenzsichernde Sozialleistungen ausgeschlossen, ohne dass ein Anspruch auf adäquate andere Leistungen bestünde, verstoße dies gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Durch § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. werde die freie Wahl des Arbeitsplatzes eingeschränkt, denn der Leistungsausschluss zwinge ihn, seinen Berufswunsch aufzugeben. Die Aufnahme eines Studiums stehe der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen, denn er würde das Studium zugunsten einer zumutbaren Arbeit jederzeit aufgeben. Auch liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen ordentlich Studierenden und Gasthörenden vor, die von vornherein keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz hätten, weshalb § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nicht entgegenstehe, obwohl beide durch das Lernen gleich belastet seien.

II.

7

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) und ihre Annahme erscheint auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

8

1. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig, da sie hinsichtlich der gerichtlichen Entscheidungen über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht in einer den Erfordernissen von § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG genügenden Weise begründet worden ist (vgl. BVerfGE 21, 359 <361>; 81, 208 <214>; 85, 36 <52>; 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 105, 252 <264>; 108, 370 <386 f.>).

9

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.

10

Dem steht nicht entgegen, dass sich der Beschwerdeführer gegen Entscheidungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wendet. Er kann hier nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, da dieses als von vornherein aussichtslos erscheint (vgl. BVerfGE 104, 65 <71>). Nach der Rechtsprechung der fachlich zuständigen Senate des Bundessozialgerichts zur Rechtslage bis Ende März 2011 ist - abgesehen von Konstellationen, in denen der Bedarf nicht ausbildungsbedingt ist oder ein besonderer Härtefall vorliegt - von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch ausgeschlossen, wer eine dem Grunde nach gemäß dem Bundesausbildungsförderungsgesetz objektiv förderungsfähige Ausbildung absolviert (BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 36/06 R -, juris; Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 67/08 R -, juris) und - bezogen auf ein Hochschulstudium - die Ausbildung tatsächlich betreibt (BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 102/11 R -, juris; Urteil vom 22. August 2012 - B 14 AS 197/11 R -, juris).

11

Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist jedoch die Frage nach den Altersgrenzen der Studienförderung. Der Beschwerdeführer hat keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz beantragt und sich gegebenenfalls gegen deren Versagung gewehrt. Über sie wurde in den angegriffenen Entscheidungen auch nicht entschieden.

12

3. Gegen die vorliegend angegriffenen Entscheidungen zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

13

a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 125, 175 <222 ff.>; 132, 134 <159 ff.>) ist nicht verletzt. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einsetzen; dies tut der Beschwerdeführer nicht, wenn er studiert. Daher schließt § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. im Fall des Beschwerdeführers die Gewährung dieser Grundsicherungsleistungen aus. Soweit durch die Ausbildung existenzielle Bedarfe entstehen, werden diese insofern vorrangig durch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz beziehungsweise dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch gedeckt (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 28/06 R -, juris, Rn. 28; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 7 Rn. 276 ). Über die dortige Altersgrenze der Förderung (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 -, FamRZ 1981, S. 404) haben die Gerichte im vorliegenden Verfahren nicht entschieden.

14

b) Daher geht auch die Rüge einer Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG vorliegend ins Leere. Der faktische Zwang, ein Studium abbrechen zu müssen, weil keine Sozialleistungen zur Verfügung stehen, berührt zwar die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 8. Mai 2013 - 1 BvL 1/08 -, juris, Rn. 36 f.). Der Gesetzgeber hat mit den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes jedoch ein besonderes Sozialleistungssystem zur individuellen Förderung der Hochschulausbildung durch den Staat geschaffen, das diese Teilhabe sichern soll. Seine Regelungen über Förderungsvoraussetzungen sowie Art, Höhe und Dauer der Leistungen sind auf die besondere Lebenssituation der Studierenden zugeschnitten, die auf öffentliche Hilfe bei der Finanzierung ihres Studiums angewiesen sind (vgl. BVerfGE 96, 330 <343>). Der Gesetzgeber hat die Förderung so ausgestaltet, dass eine möglichst frühzeitige Aufnahme der Ausbildung gefördert wird (vgl. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 15. Januar 1979, BTDrucks 8/2467, S. 15; Bericht der Bundesregierung zur Ausbildungsfinanzierung in Familien mit mittlerem Einkommen vom 13. Juli 1987, BTDrucks 11/610, S. 16 f.; Finger, FamRZ 2006, S. 1427 f.), denn im Allgemeinen muss bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres eine der Begabung entsprechende Ausbildung begonnen werden (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 -, FamRZ 1981, S. 404); § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG lässt Ausnahmen bei einer Ausbildungsaufnahme in höherem Alter zu. Es ist so derzeit möglich, ein Erststudium gefördert zu absolvieren (vgl. BVerfGK 7, 465 <471> zur Möglichkeit eines gebührenfreien Erststudiums). Ob sich insofern der Ausschluss des Beschwerdeführers von der Förderung für ein Studium nach Ausbildung und Erwerbstätigkeit - aber auch zur weiteren Qualifikation und Rückkehr in die Erwerbsarbeit - vor der Verfassung rechtfertigen lässt, ist damit nicht gesagt, aber hier auch nicht zu entscheiden.

15

c) Vorliegend ist ebenfalls nicht zu entscheiden, ob die Regelung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes mit Unionsrecht (Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG; vgl. EuGH, Urteil vom 12. Oktober 2010, Andersen, C-499/08, juris; Urteil vom 13. September 2011, Prigge, C-447/09, juris; dazu Brors, RdA 2012, S. 346 <347 ff.>) in Einklang steht.

16

d) Auch die Frage nach einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch die Unterscheidung zwischen Vollzeitstudierenden und Gaststudierenden stellt sich im System des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und nicht im vorliegenden Verfahren.

17

4. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts in entsprechender Anwendung der §§ 114 ff. ZPO (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juli 2010 - 2 BvR 2258/09 -, juris, Rn. 6 m.w.N.) liegen nicht vor. Denn die Verfassungsbeschwerde bietet, wie dargelegt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

18

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

19

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Gründe

I.

1

Die mit einem Prozesskostenhilfegesuch verbundene Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen sozialgerichtliche Eilentscheidungen wegen der Versagung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Hinblick auf die abstrakte Förderungsfähigkeit des Hochschulstudiums des Beschwerdeführers nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).

2

1. Der 1966 geborene Beschwerdeführer bezog im Anschluss an Erwerbstätigkeit Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende; letztmals im Mai 2010 Leistungen für Unterkunft und Heizung bis Ende November 2010 in Höhe von monatlich 73,84 €. Auf seinen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen gab der Beschwerdeführer an, ab Oktober 2010 ein Hochschulstudium aufzunehmen. Der Verwaltungsträger stellte daraufhin fest, dass kein Anspruch auf Gewährung eines Darlehens besteht und hob wegen der Aufnahme des Hochschulstudiums die Bewilligung von Leistungen für Oktober und November 2010 auf.

3

2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen diesen Verwaltungsakt und auf Verpflichtung des Grundsicherungsträgers, ihm vorläufig Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit ab Oktober 2010 zu gewähren, lehnte das Sozialgericht ab. Durch die Aufnahme des Studiums verliere er nach der vom Gericht nicht für verfassungswidrig erachteten Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II in der Fassung bis 31. März 2011 (im Folgenden: a.F.) den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, da das Hochschulstudium gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG förderungsfähig sei. Auch anderweitige Ansprüche bestünden nicht. Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalte der Beschwerdeführer nicht, weil er die Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG überschritten habe.

4

3. Das Landessozialgericht wies die Beschwerde zurück.

5

4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 Satz 2 sowie von Art. 20 Abs. 3 GG.

6

Er sei nicht gehalten, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Die Gerichte hätten sich auf eine jüngere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gestützt, weshalb keine abweichende Beurteilung der Fachgerichte zu erwarten sei. Ihm entstünden, wenn er so lange zuwarten müsse, schwere und erhebliche Nachteile, denn ohne die Mittel Dritter sei er lediglich ein weiteres Jahr in der Lage, das Studium zu finanzieren. Würden existenzsichernde Sozialleistungen ausgeschlossen, ohne dass ein Anspruch auf adäquate andere Leistungen bestünde, verstoße dies gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Durch § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. werde die freie Wahl des Arbeitsplatzes eingeschränkt, denn der Leistungsausschluss zwinge ihn, seinen Berufswunsch aufzugeben. Die Aufnahme eines Studiums stehe der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen, denn er würde das Studium zugunsten einer zumutbaren Arbeit jederzeit aufgeben. Auch liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen ordentlich Studierenden und Gasthörenden vor, die von vornherein keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz hätten, weshalb § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nicht entgegenstehe, obwohl beide durch das Lernen gleich belastet seien.

II.

7

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) und ihre Annahme erscheint auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

8

1. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig, da sie hinsichtlich der gerichtlichen Entscheidungen über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht in einer den Erfordernissen von § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG genügenden Weise begründet worden ist (vgl. BVerfGE 21, 359 <361>; 81, 208 <214>; 85, 36 <52>; 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 105, 252 <264>; 108, 370 <386 f.>).

9

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.

10

Dem steht nicht entgegen, dass sich der Beschwerdeführer gegen Entscheidungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wendet. Er kann hier nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, da dieses als von vornherein aussichtslos erscheint (vgl. BVerfGE 104, 65 <71>). Nach der Rechtsprechung der fachlich zuständigen Senate des Bundessozialgerichts zur Rechtslage bis Ende März 2011 ist - abgesehen von Konstellationen, in denen der Bedarf nicht ausbildungsbedingt ist oder ein besonderer Härtefall vorliegt - von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch ausgeschlossen, wer eine dem Grunde nach gemäß dem Bundesausbildungsförderungsgesetz objektiv förderungsfähige Ausbildung absolviert (BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 36/06 R -, juris; Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 67/08 R -, juris) und - bezogen auf ein Hochschulstudium - die Ausbildung tatsächlich betreibt (BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 102/11 R -, juris; Urteil vom 22. August 2012 - B 14 AS 197/11 R -, juris).

11

Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist jedoch die Frage nach den Altersgrenzen der Studienförderung. Der Beschwerdeführer hat keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz beantragt und sich gegebenenfalls gegen deren Versagung gewehrt. Über sie wurde in den angegriffenen Entscheidungen auch nicht entschieden.

12

3. Gegen die vorliegend angegriffenen Entscheidungen zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

13

a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 125, 175 <222 ff.>; 132, 134 <159 ff.>) ist nicht verletzt. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einsetzen; dies tut der Beschwerdeführer nicht, wenn er studiert. Daher schließt § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. im Fall des Beschwerdeführers die Gewährung dieser Grundsicherungsleistungen aus. Soweit durch die Ausbildung existenzielle Bedarfe entstehen, werden diese insofern vorrangig durch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz beziehungsweise dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch gedeckt (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 28/06 R -, juris, Rn. 28; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 7 Rn. 276 ). Über die dortige Altersgrenze der Förderung (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 -, FamRZ 1981, S. 404) haben die Gerichte im vorliegenden Verfahren nicht entschieden.

14

b) Daher geht auch die Rüge einer Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG vorliegend ins Leere. Der faktische Zwang, ein Studium abbrechen zu müssen, weil keine Sozialleistungen zur Verfügung stehen, berührt zwar die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 8. Mai 2013 - 1 BvL 1/08 -, juris, Rn. 36 f.). Der Gesetzgeber hat mit den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes jedoch ein besonderes Sozialleistungssystem zur individuellen Förderung der Hochschulausbildung durch den Staat geschaffen, das diese Teilhabe sichern soll. Seine Regelungen über Förderungsvoraussetzungen sowie Art, Höhe und Dauer der Leistungen sind auf die besondere Lebenssituation der Studierenden zugeschnitten, die auf öffentliche Hilfe bei der Finanzierung ihres Studiums angewiesen sind (vgl. BVerfGE 96, 330 <343>). Der Gesetzgeber hat die Förderung so ausgestaltet, dass eine möglichst frühzeitige Aufnahme der Ausbildung gefördert wird (vgl. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 15. Januar 1979, BTDrucks 8/2467, S. 15; Bericht der Bundesregierung zur Ausbildungsfinanzierung in Familien mit mittlerem Einkommen vom 13. Juli 1987, BTDrucks 11/610, S. 16 f.; Finger, FamRZ 2006, S. 1427 f.), denn im Allgemeinen muss bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres eine der Begabung entsprechende Ausbildung begonnen werden (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 -, FamRZ 1981, S. 404); § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG lässt Ausnahmen bei einer Ausbildungsaufnahme in höherem Alter zu. Es ist so derzeit möglich, ein Erststudium gefördert zu absolvieren (vgl. BVerfGK 7, 465 <471> zur Möglichkeit eines gebührenfreien Erststudiums). Ob sich insofern der Ausschluss des Beschwerdeführers von der Förderung für ein Studium nach Ausbildung und Erwerbstätigkeit - aber auch zur weiteren Qualifikation und Rückkehr in die Erwerbsarbeit - vor der Verfassung rechtfertigen lässt, ist damit nicht gesagt, aber hier auch nicht zu entscheiden.

15

c) Vorliegend ist ebenfalls nicht zu entscheiden, ob die Regelung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes mit Unionsrecht (Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG; vgl. EuGH, Urteil vom 12. Oktober 2010, Andersen, C-499/08, juris; Urteil vom 13. September 2011, Prigge, C-447/09, juris; dazu Brors, RdA 2012, S. 346 <347 ff.>) in Einklang steht.

16

d) Auch die Frage nach einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch die Unterscheidung zwischen Vollzeitstudierenden und Gaststudierenden stellt sich im System des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und nicht im vorliegenden Verfahren.

17

4. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts in entsprechender Anwendung der §§ 114 ff. ZPO (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juli 2010 - 2 BvR 2258/09 -, juris, Rn. 6 m.w.N.) liegen nicht vor. Denn die Verfassungsbeschwerde bietet, wie dargelegt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

18

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

19

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde wirft die Frage auf, ob der Beschwerdeführerin während ihrer Ausbildung Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (über Leistungen für Mehrbedarf für Alleinerziehende hinaus) zustehen.

2

1. Die 1956 geborene Beschwerdeführerin lebt mit ihrer 1990 geborenen Tochter in einer Bedarfsgemeinschaft. Sie hat 1995 ein Architekturstudium erfolgreich abgeschlossen. Anfang September 2006 begann sie eine Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin. Die Bundesagentur für Arbeit stellte ihr im Juni 2006 einen Bildungsgutschein gemäß § 77 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Fassung bis 31. Dezember 2008 (im Folgenden: a.F.) aus, mit Zusage der Übernahme der Lehrgangskosten bis zu 24 Monaten, einschließlich eines notwendigen Betriebspraktikums in Vollzeit sowie Fahrkosten.

3

Die damalige Arbeitsgemeinschaft gewährte der Beschwerdeführerin für den Zeitraum August 2007 bis Januar 2008 einen Mehrbedarf für Alleinerziehende, lehnte jedoch laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab, weil sie eine abstrakt nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) förderungsfähige Ausbildung absolviere.

4

Nach erfolglosem Widerspruch erhob die Beschwerdeführerin Klage, die das Sozialgericht abwies. Die Beschwerdeführerin habe eine dem Grunde nach gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG förderfähige Ausbildung durchlaufen und sei daher nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Fassung bis 31. März 2011 (im Folgenden: a.F.) von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen.

5

Das Landessozialgericht wies die Berufung zurück. Im Fall der Beschwerdeführerin führten lediglich individuelle Versagungsgründe - hier die Überschreitung der maximalen Altersgrenze für Förderleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - zum Ausschluss der Ausbildungsleistungen. Die Gewährung von Arbeitslosengeld II würde zu einer Ausbildungsförderung auf einer weiteren Ebene führen, was dem reinen Existenzsicherungszweck der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch zuwiderlaufe. Es sei auch nicht deswegen eine Ausnahme zu machen, weil die Maßnahme mit einem Bildungsgutschein gefördert worden sei. Objektiv handele es sich um eine Aus- nicht um eine Weiterbildung. Die staatlicher Regelung unterliegende Schulung ziele auf den Erwerb von Kenntnissen in einem anerkannten Ausbildungsberuf ab. Sie setze zwar einen mittleren Berufsabschluss, jedoch keine berufliche Vorerfahrung oder Qualifikation voraus. Daher könne es auch dahinstehen, ob und gegebenenfalls aus welchem Grund der Gesetzgeber von einem Leistungsausschluss nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch im Fall von nach § 77 SGB III a.F. förderbaren Maßnahmen Abstand genommen habe.

6

Auf die Revision der Beschwerdeführerin hob das Bundessozialgericht das Urteil des Landessozialgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurück. Die Beschwerdeführerin habe in der mündlichen Verhandlung auf ein Darlehen verzichtet, so dass nur noch Zuschussleistungen im Streit stünden. Der Senat habe nicht abschließend entscheiden können, ob § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. im Fall der Beschwerdeführerin greife. Die dem Grunde nach förderfähige Ausbildung bewirke grundsätzlich einen Leistungsausschluss. Unerheblich sei, dass die Beschwerdeführerin keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalte, denn hierfür seien nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. unbeachtliche, in ihrer Person liegende Gründe verantwortlich. Davon unabhängig könne die Beschwerdeführerin allerdings dann einen Leistungsanspruch haben, wenn sie die Ausbildung nicht als schulische Berufsausbildung, sondern im Rahmen einer beruflichen Weiterbildung im Sinne von § 77 SGB III a.F. absolviert habe. Die Förderung einer Ausbildung nach § 77 SGB III a.F. führe nicht zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. Ob es sich im konkreten Fall um eine Weiterbildungsmaßnahme handele, werde das Landessozialgericht zu klären haben.

7

Das Landessozialgericht wies die Berufung erneut zurück. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG seien bezüglich der von der Beschwerdeführerin absolvierten Ausbildung erfüllt. Insbesondere habe es sich um eine Ausbildung und nicht um eine Weiterbildungsmaßnahme gehandelt. Die Beschwerdeführerin habe die Ausbildung nicht verkürzen oder in irgendeiner Form verändern können. Ihr Architekturstudium weise keine relevanten Deckungsgleichheiten mit den pflichtigen Inhalten der Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin auf. Die faktische Erteilung eines Bildungsgutscheins stehe dem nicht entgegen.

8

2. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und von Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG.

9

Sie macht im Wesentlichen geltend, dass sie durch § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. von Sozialleistungen zur Sicherung des Existenzminimums ausgeschlossen werde. Der Gesetzgeber habe es versäumt, einen Auffangtatbestand zu schaffen, der das Existenzminimum derjenigen Auszubildenden sicherstelle, die aus persönlichen Gründen keinen Leistungsanspruch nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz hätten. § 7 Abs. 5 SGB II a.F. gewähre keine Beihilfen in Härtefällen; § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II a.F. greife nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in ihrem Fall nicht. Sie werde zum Objekt staatlichen Handelns gemacht. Der Gesetzgeber überschreite seinen Gestaltungsspielraum, wenn er Personen(gruppen) vollständig aus dem staatlichen Hilfesystem herausnehme. Warum Auszubildende, die keine Leistungen nach anderen Gesetzen erhielten, auch keine Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch erhalten sollten, bleibe nach der Gesetzesbegründung offen.

10

Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG verpflichte den Staat zur individuellen Ausbildungsförderung. Nur weil sie ihr Existenzminimum nicht selbst sichern könne, dürfe ihr der Weg zu einer Ausbildung nicht versperrt werden. Ihre Berufswahlfreiheit werde verletzt. Personen, die älter als 30 Jahre seien und für ihren Lebensunterhalt nicht selbst aufkommen könnten, könnten keine Ausbildung beginnen beziehungsweise müssten diese abbrechen.

11

Ferner sei sie in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt. Sie wäre leistungsberechtigt gewesen, wenn sie ihre Ausbildung abgebrochen hätte. § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. sei zur Erreichung des vom Gesetzgeber gewollten Zwecks weder geeignet noch erforderlich. Es sei nicht ersichtlich, weshalb Auszubildende keinen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen haben sollten. Es sei einer hilfebedürftigen Auszubildenden eher zuzumuten, die Ausbildung abzubrechen, um eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt anzunehmen, als sie abzubrechen, um darauf zu warten von dem Grundsicherungsträger in Arbeit vermittelt zu werden. Das Prinzip des Forderns und Förderns werde konterkariert. Hätte sie ihre Ausbildung abgebrochen, wäre sie wahrscheinlich heute noch arbeitslos.

12

Schließlich werde gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen. Erwerbsfähige Hilfsbedürftige würden grundlos schlechter gestellt als nichterwerbsfähige Hilfsbedürftige. § 22 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in der Fassung bis 31. März 2012 (im Folgenden: a.F.) sehe in Härtefällen Leistungen für Auszubildende als Beihilfe vor. Die Beschwerdeführerin habe sich nie auf § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II a.F. berufen, weil sie keine unüberschaubaren Schulden habe anhäufen wollen. Eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich.

13

Sie habe den Rechtsweg erschöpft. Eine Nichtzulassungsbeschwerde habe offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

II.

14

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Sie ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet

15

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

16

Dem steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin gegen das (zweite) Urteil des Landessozialgerichts nicht mit einer Nichtzulassungsbeschwerde vorgegangen ist. Der mit dem Grundsatz der Subsidiarität verfolgte Zweck, eine fachgerichtliche Klärung der Sach- und Rechtslage herbeizuführen, ist vorliegend erreicht (vgl. BVerfGE 9, 3 <7 f.>; 78, 155 <160>), denn auch das Bundessozialgericht war bereits einmal mit der Sache befasst. Neue Sach- oder Rechtsfragen stellen sich nach der zweiten Entscheidung des Landessozialgerichts nicht.

17

Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist demgegenüber die Frage einer Leistungsberechtigung der Beschwerdeführerin nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Solche Leistungen hat die Beschwerdeführerin nicht beantragt und über sie wurde in den angegriffenen Entscheidungen nicht entschieden.

18

2. Im Hinblick auf den gerügten Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG.

19

Zwar weist die Beschwerdeführerin zutreffend darauf hin, dass bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Härtefällen nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II a.F. nur eine darlehensweise Leistungsgewährung in Betracht kommt, während der Sozialhilfeträger gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII a.F. nach Ermessen ein Darlehen oder eine Beihilfe gewähren kann. Jedoch ist nach dem Beschwerdevorbringen bereits nicht erkennbar, weshalb bei der Beschwerdeführerin überhaupt ein besonderer Härtefall vorliegen soll. Ferner setzt sie sich nicht mit dem Umstand auseinander, dass das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende und das Recht der Sozialhilfe unterschiedliche Systeme differenziert nach der Erwerbsfähigkeit vorsehen. Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten kann grundsätzlich erwartet werden, dass es ihnen nach Abschluss ihrer Ausbildung möglich sein wird, ein Darlehen zurückzuzahlen; diese Aussicht besteht bei nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nicht ohne weiteres (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 36/06 R -, juris, Rn. 20).

20

3. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

21

a) Eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 125, 175 <222 ff.>; 132, 134 <159 ff.>) liegt nicht vor.

22

§ 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. konkretisiert den Nachrang gegenüber vorrangigen besonderen Sozialleistungssystemen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl. § 3 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB II). Der Gesetzgeber geht im Rahmen seines Gestaltungsspielraums in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass das menschenwürdige Existenzminimum, soweit eine durch die Ausbildung bedingte Bedarfslage entstanden ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 28/06 R -, juris, Rn. 28; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 7 Rn. 276 ), vorrangig durch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz beziehungsweise dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch zu decken ist.

23

Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. führt im Fall der Beschwerdeführerin dazu, dass ihr für die Dauer ihrer Ausbildung keine Grundsicherungsleistungen (über Leistungen für Mehrbedarf für Alleinerziehende hinaus) gewährt werden. Dies beruht auf den Vorgaben des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, insbesondere zur Altersgrenze der Förderung (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 -, FamRZ 1981, S. 404) und ist keine im vorliegenden Verfahren zu klärende Frage zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch.

24

b) Der faktische Zwang, eine Ausbildung abbrechen zu müssen, weil keine Sozialleistungen die Existenz sichern, berührt die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 8. Mai 2013 - 1 BvL 1/08 -, juris, Rn. 36 f.). Der Gesetzgeber hat mit den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes jedoch hierfür ein besonderes Sozialleistungssystem geschaffen. Dabei hat der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums entschieden, dass eine möglichst frühzeitige Aufnahme der Ausbildung angestrebt wird (vgl. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 15. Januar 1979, BTDrucks 8/2467, S. 15; Bericht der Bundesregierung zur Ausbildungsfinanzierung in Familien mit mittlerem Einkommen vom 13. Juli 1987, BTDrucks 11/610, S. 16 f.; Finger, FamRZ 2006, S. 1427 f.). Ermöglicht wird im Allgemeinen, bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres eine der Begabung entsprechende Ausbildung zu beginnen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 -, FamRZ 1981, S. 404). Ob sich der Ausschluss der Beschwerdeführerin von der Förderung einer Ausbildung vor der Verfassung rechtfertigen lässt, ist damit nicht gesagt, aber hier auch nicht zu entscheiden.

25

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

26

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe

I.

1

Die mit einem Prozesskostenhilfegesuch verbundene Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen sozialgerichtliche Eilentscheidungen wegen der Versagung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Hinblick auf die abstrakte Förderungsfähigkeit des Hochschulstudiums des Beschwerdeführers nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).

2

1. Der 1966 geborene Beschwerdeführer bezog im Anschluss an Erwerbstätigkeit Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende; letztmals im Mai 2010 Leistungen für Unterkunft und Heizung bis Ende November 2010 in Höhe von monatlich 73,84 €. Auf seinen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen gab der Beschwerdeführer an, ab Oktober 2010 ein Hochschulstudium aufzunehmen. Der Verwaltungsträger stellte daraufhin fest, dass kein Anspruch auf Gewährung eines Darlehens besteht und hob wegen der Aufnahme des Hochschulstudiums die Bewilligung von Leistungen für Oktober und November 2010 auf.

3

2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen diesen Verwaltungsakt und auf Verpflichtung des Grundsicherungsträgers, ihm vorläufig Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit ab Oktober 2010 zu gewähren, lehnte das Sozialgericht ab. Durch die Aufnahme des Studiums verliere er nach der vom Gericht nicht für verfassungswidrig erachteten Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II in der Fassung bis 31. März 2011 (im Folgenden: a.F.) den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, da das Hochschulstudium gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG förderungsfähig sei. Auch anderweitige Ansprüche bestünden nicht. Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalte der Beschwerdeführer nicht, weil er die Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG überschritten habe.

4

3. Das Landessozialgericht wies die Beschwerde zurück.

5

4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 Satz 2 sowie von Art. 20 Abs. 3 GG.

6

Er sei nicht gehalten, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Die Gerichte hätten sich auf eine jüngere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gestützt, weshalb keine abweichende Beurteilung der Fachgerichte zu erwarten sei. Ihm entstünden, wenn er so lange zuwarten müsse, schwere und erhebliche Nachteile, denn ohne die Mittel Dritter sei er lediglich ein weiteres Jahr in der Lage, das Studium zu finanzieren. Würden existenzsichernde Sozialleistungen ausgeschlossen, ohne dass ein Anspruch auf adäquate andere Leistungen bestünde, verstoße dies gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Durch § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. werde die freie Wahl des Arbeitsplatzes eingeschränkt, denn der Leistungsausschluss zwinge ihn, seinen Berufswunsch aufzugeben. Die Aufnahme eines Studiums stehe der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen, denn er würde das Studium zugunsten einer zumutbaren Arbeit jederzeit aufgeben. Auch liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen ordentlich Studierenden und Gasthörenden vor, die von vornherein keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz hätten, weshalb § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nicht entgegenstehe, obwohl beide durch das Lernen gleich belastet seien.

II.

7

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) und ihre Annahme erscheint auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

8

1. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig, da sie hinsichtlich der gerichtlichen Entscheidungen über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht in einer den Erfordernissen von § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG genügenden Weise begründet worden ist (vgl. BVerfGE 21, 359 <361>; 81, 208 <214>; 85, 36 <52>; 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 105, 252 <264>; 108, 370 <386 f.>).

9

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.

10

Dem steht nicht entgegen, dass sich der Beschwerdeführer gegen Entscheidungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wendet. Er kann hier nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, da dieses als von vornherein aussichtslos erscheint (vgl. BVerfGE 104, 65 <71>). Nach der Rechtsprechung der fachlich zuständigen Senate des Bundessozialgerichts zur Rechtslage bis Ende März 2011 ist - abgesehen von Konstellationen, in denen der Bedarf nicht ausbildungsbedingt ist oder ein besonderer Härtefall vorliegt - von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch ausgeschlossen, wer eine dem Grunde nach gemäß dem Bundesausbildungsförderungsgesetz objektiv förderungsfähige Ausbildung absolviert (BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 36/06 R -, juris; Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 67/08 R -, juris) und - bezogen auf ein Hochschulstudium - die Ausbildung tatsächlich betreibt (BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 102/11 R -, juris; Urteil vom 22. August 2012 - B 14 AS 197/11 R -, juris).

11

Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist jedoch die Frage nach den Altersgrenzen der Studienförderung. Der Beschwerdeführer hat keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz beantragt und sich gegebenenfalls gegen deren Versagung gewehrt. Über sie wurde in den angegriffenen Entscheidungen auch nicht entschieden.

12

3. Gegen die vorliegend angegriffenen Entscheidungen zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

13

a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 125, 175 <222 ff.>; 132, 134 <159 ff.>) ist nicht verletzt. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einsetzen; dies tut der Beschwerdeführer nicht, wenn er studiert. Daher schließt § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. im Fall des Beschwerdeführers die Gewährung dieser Grundsicherungsleistungen aus. Soweit durch die Ausbildung existenzielle Bedarfe entstehen, werden diese insofern vorrangig durch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz beziehungsweise dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch gedeckt (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 28/06 R -, juris, Rn. 28; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 7 Rn. 276 ). Über die dortige Altersgrenze der Förderung (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 -, FamRZ 1981, S. 404) haben die Gerichte im vorliegenden Verfahren nicht entschieden.

14

b) Daher geht auch die Rüge einer Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG vorliegend ins Leere. Der faktische Zwang, ein Studium abbrechen zu müssen, weil keine Sozialleistungen zur Verfügung stehen, berührt zwar die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 8. Mai 2013 - 1 BvL 1/08 -, juris, Rn. 36 f.). Der Gesetzgeber hat mit den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes jedoch ein besonderes Sozialleistungssystem zur individuellen Förderung der Hochschulausbildung durch den Staat geschaffen, das diese Teilhabe sichern soll. Seine Regelungen über Förderungsvoraussetzungen sowie Art, Höhe und Dauer der Leistungen sind auf die besondere Lebenssituation der Studierenden zugeschnitten, die auf öffentliche Hilfe bei der Finanzierung ihres Studiums angewiesen sind (vgl. BVerfGE 96, 330 <343>). Der Gesetzgeber hat die Förderung so ausgestaltet, dass eine möglichst frühzeitige Aufnahme der Ausbildung gefördert wird (vgl. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 15. Januar 1979, BTDrucks 8/2467, S. 15; Bericht der Bundesregierung zur Ausbildungsfinanzierung in Familien mit mittlerem Einkommen vom 13. Juli 1987, BTDrucks 11/610, S. 16 f.; Finger, FamRZ 2006, S. 1427 f.), denn im Allgemeinen muss bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres eine der Begabung entsprechende Ausbildung begonnen werden (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 -, FamRZ 1981, S. 404); § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG lässt Ausnahmen bei einer Ausbildungsaufnahme in höherem Alter zu. Es ist so derzeit möglich, ein Erststudium gefördert zu absolvieren (vgl. BVerfGK 7, 465 <471> zur Möglichkeit eines gebührenfreien Erststudiums). Ob sich insofern der Ausschluss des Beschwerdeführers von der Förderung für ein Studium nach Ausbildung und Erwerbstätigkeit - aber auch zur weiteren Qualifikation und Rückkehr in die Erwerbsarbeit - vor der Verfassung rechtfertigen lässt, ist damit nicht gesagt, aber hier auch nicht zu entscheiden.

15

c) Vorliegend ist ebenfalls nicht zu entscheiden, ob die Regelung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes mit Unionsrecht (Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG; vgl. EuGH, Urteil vom 12. Oktober 2010, Andersen, C-499/08, juris; Urteil vom 13. September 2011, Prigge, C-447/09, juris; dazu Brors, RdA 2012, S. 346 <347 ff.>) in Einklang steht.

16

d) Auch die Frage nach einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch die Unterscheidung zwischen Vollzeitstudierenden und Gaststudierenden stellt sich im System des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und nicht im vorliegenden Verfahren.

17

4. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts in entsprechender Anwendung der §§ 114 ff. ZPO (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juli 2010 - 2 BvR 2258/09 -, juris, Rn. 6 m.w.N.) liegen nicht vor. Denn die Verfassungsbeschwerde bietet, wie dargelegt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

18

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

19

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. § 6a Absatz 2 Satz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 ist mit Artikel 28 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 70 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit er anordnet, dass der Antrag in den dafür zuständigen Vertretungskörperschaften der kommunalen Träger einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder bedarf. Die Vorschrift gilt für bestehende Zulassungen fort.

Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer zu 1. die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerden betreffen die rechtliche Stellung sogenannter Optionskommunen nach der Aufnahme von Art. 91e in das Grundgesetz und der Neuregelung der Leistungsträgerschaft und Aufgabenwahrnehmung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 (BGBl I S. 1112).

I.

2

1. Im Rahmen ihres "Zukunftsprogramms Agenda 2010" legten die Bundesregierung und die sie tragenden Bundestagsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Herbst 2003 mehrere Gesetzentwürfe für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vor, darunter den Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 5. September 2003 (BTDrucks 15/1516). Wesentliches Anliegen dieses Entwurfs war es, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige Arbeitslose zur Grundsicherung für Arbeitsuchende zusammenzuführen, um sie als einheitliche Leistung "aus einer Hand" anbieten zu können. Damit sollten Doppelstrukturen in der Sozialhilfe- und Arbeitslosenhilfeverwaltung, die als ineffizient empfunden wurden, beseitigt und der angespannten Finanzlage der Kommunen Rechnung getragen werden (vgl. BTDrucks 15/1516, S. 41 f.).

3

a) Diese Zielsetzung bedingte grundlegende Änderungen in der Organisation der Leistungsverwaltung. Im Gesetzgebungsverfahren waren deshalb neben der materiell-rechtlichen Ausgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende insbesondere die Fragen der Leistungsträgerschaft und der Finanzierungsverantwortung umstritten. Ein Teil der Länder und der Deutsche Landkreistag strebten eine kommunale Trägerschaft an, während andere Länder, der Bund, der Deutsche Städte- und Gemeindebund sowie der Deutsche Städtetag die Bundesagentur für Arbeit als alleinige Trägerin der Leistungen durchsetzen wollten.

4

Nach einem langwierigen Gesetzgebungsverfahren (zu den Einzelheiten vgl. BVerfGE 119, 331 <332 ff.>) wurde das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt am 24. Dezember 2003 beschlossen und am 29. Dezember 2003 verkündet (BGBl I S. 2954).

5

Eine Vorschrift über die Option für eine kommunale Trägerschaft (§ 6a SGB II a.F.) war kurzfristig in das Gesetz aufgenommen, die Ausgestaltung im Einzelnen einem weiteren Gesetzgebungsverfahren vorbehalten worden. Dessen Eckpunkte wurden in gleichlautenden Entschließungsanträgen des Deutschen Bundestages und des Bundesrates festgelegt (BTDrucks 15/2264; BRDrucks 943/03 ) und führten unter anderem zu einer Änderung der §§ 6 ff. und § 44b SGB II a.F. durch das Gesetz zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Kommunales Optionsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 2014).

6

Um verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Finanzierung der mit der Trägerschaft verbundenen Ausgaben aus Bundesmitteln auszuräumen, hatte der Gesetzentwurf ursprünglich vorgesehen, dass die kommunalen Träger als Organe der Bundesagentur tätig werden sollten (vgl. BTDrucks 15/2816, S. 11 f.), wovon im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens jedoch Abstand genommen wurde. Der im Vermittlungsverfahren neu gefasste § 6b SGB II a.F. sprach in der Überschrift stattdessen von der "Rechtsstellung der zugelassenen kommunalen Träger", ohne diese Rechtsstellung weiter zu thematisieren. Hinsichtlich der Finanzierung wurde - gestützt auf Art. 106 Abs. 8 GG - bestimmt, dass der Bund die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten trägt, mit Ausnahme der Aufwendungen für die Aufgaben, die auch die nicht optierenden Kommunen selbst zu tragen haben. Darüber hinaus wurden unter anderem eine Experimentierklausel (§ 6a SGB II a.F.), ein Anspruch der kommunalen Träger auf Aufwendungs- und Verwaltungskostenerstattung durch den Bund (§ 6b Abs. 2 SGB II a.F.) und Prüfbefugnisse des Bundesrechnungshofes (§ 6b Abs. 3 SGB II) vorgesehen.

7

b) Um die Zulassung als kommunale Träger bewarben sich 67 Gemeindeverbände und sechs kreisfreie Städte. Mit der Verordnung zur Zulassung von kommunalen Trägern als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Kommunalträger-Zulassungsverordnung - KomtrZV) vom 24. September 2004 (BGBl I S. 2349) ließ das damals zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit 69 Antragsteller als Optionskommunen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2010 zu.

8

2. Mit Urteil vom 20. Dezember 2007 (BVerfGE 119, 331 ff.) entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, dass die in § 44b SGB II a.F. geregelte Pflicht der Kreise zur Aufgabenübertragung auf die Arbeitsgemeinschaften und die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung derselben mit Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 83 GG unvereinbar war. Die Vorschrift bleibe jedoch bis zum 31. Dezember 2010 anwendbar, wenn der Gesetzgeber nicht zuvor eine andere Regelung treffe. Ordne der Gesetzgeber an, dass Aufgaben gemeinsam von Bund und Gemeinden oder Gemeindeverbänden wahrgenommen werden, sei für die verfassungsrechtliche Prüfung auch entscheidend, ob die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern gemäß Art. 83 ff. GG eingehalten würden. Überschreite der Gesetzgeber die ihm dort gesetzten Grenzen eines zulässigen Zusammenwirkens von Bundes- und Landesbehörden, führe dies zugleich zu einer Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Die Kompetenzaufteilung nach Art. 83 ff. GG sei eine wichtige Ausformung des bundesstaatlichen Prinzips. Die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern seien grundsätzlich getrennt und könnten auch mit Zustimmung der Beteiligten nur in den vom Grundgesetz vorgesehenen Fällen zusammengeführt werden. Das Grundgesetz schließe, von begrenzten Ausnahmen abgesehen, eine sogenannte Mischverwaltung aus. Dies gelte auch für das Verhältnis von Bund und Kommunen. Gemeinden und Gemeindeverbände seien staatsorganisationsrechtlich wie finanzverfassungsrechtlich den Ländern zugeordnet und blieben hinsichtlich der grundgesetzlichen Verteilung der Verwaltungskompetenzen Teil der Länder.

9

Die Arbeitsgemeinschaften seien als Gemeinschaftseinrichtung von Bundesagentur und kommunalen Trägern nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht vorgesehen. Nach der Systematik des Grundgesetzes werde der Vollzug von Bundesgesetzen entweder von den Ländern oder vom Bund, nicht hingegen zugleich von Bund und Land oder einer von beiden geschaffenen dritten Institution wahrgenommen. Zwar bedürfe das Zusammenwirken von Bund und Ländern im Bereich der Verwaltung nicht in jedem Fall einer besonderen verfassungsrechtlichen Ermächtigung. Es widerspreche allerdings der Kompetenzordnung des Grundgesetzes, wenn in weitem Umfang Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse des Bundes im Aufgabenbereich der Länder ohne entsprechende verfassungsrechtliche Ermächtigung vorgesehen würden. Eine Ausnahme von den Art. 83 ff. GG bedürfe daher eines besonderen sachlichen Grundes und könne nur hinsichtlich einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie in Betracht kommen. Unabhängig davon, dass ein Abweichen von der Kompetenzordnung des Grundgesetzes schon wegen Bedeutung und Umfang der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausscheide, fehle es auch an einem hinreichenden sachlichen Grund, der eine gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften rechtfertigen könnte. Das Anliegen, die Grundsicherung für Arbeitsuchende "aus einer Hand" zu gewähren, sei zwar ein sinnvolles Regelungsziel; dieses könne aber sowohl dadurch erreicht werden, dass der Bund für die Ausführung den Weg des Art. 87 GG wähle, als auch dadurch, dass der Gesamtvollzug nach der Grundregel des Art. 83 GG insgesamt den Ländern als eigene Angelegenheit überlassen werde. Ein sachlicher Grund zur Vermischung beider Varianten bestehe nicht.

10

3. Nach Verkündung des Urteils wurde von den politisch Verantwortlichen eine Neuregelung der für verfassungswidrig erklärten Verwaltungsstruktur in Angriff genommen. Nach längerer Debatte wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91e) vom 21. Juli 2010 (BGBl I S. 944) in den Abschnitt VIIIa "Gemeinschaftsaufgaben, Verwaltungszusammenarbeit" ein neuer Art. 91e eingefügt. Dieser ist am 26. Juli 2010 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und am 27. Juli 2010 in Kraft getreten. Er lautet:

Artikel 91e

(1) Bei der Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende wirken Bund und Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände in der Regel in gemeinsamen Einrichtungen zusammen.

(2) Der Bund kann zulassen, dass eine begrenzte Anzahl von Gemeinden und Gemeindeverbänden auf ihren Antrag und mit Zustimmung der obersten Landesbehörde die Aufgaben nach Absatz 1 allein wahrnimmt. Die notwendigen Ausgaben einschließlich der Verwaltungsausgaben trägt der Bund, soweit die Aufgaben bei einer Ausführung von Gesetzen nach Absatz 1 vom Bund wahrzunehmen sind.

(3) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

11

4. Parallel zur Änderung des Grundgesetzes beschloss der Bundestag das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 (BGBl I S. 1112), das am 10. August 2010 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde und - soweit entscheidungserheblich - zum 11. August 2010 (§ 6a SGB II) beziehungsweise 1. Januar 2011 (§ 6b SGB II) in Kraft getreten ist. Durch dieses Gesetz erhielten die für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Vorschriften ihre streitgegenständliche Fassung. Sie haben folgenden Wortlaut:

§ 6 Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende

(1) Träger der Leistungen nach diesem Buch sind:

1. die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur), soweit Nummer 2 nichts Anderes bestimmt,

2. die kreisfreien Städte und Kreise für die Leistungen nach § 16a, §§ 22 und 23 Abs. 3, soweit durch Landesrecht nicht andere Träger bestimmt sind (kommunale Träger). […]

(2) und (3) …

§ 6a Zugelassene kommunale Träger

(1) Die Zulassungen der auf Grund der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 24. September 2004 (BGBl. I S. 2349) anstelle der Bundesagentur als Träger der Leistungen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zugelassenen kommunalen Träger werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung über den 31. Dezember 2010 hinaus unbefristet verlängert, wenn die zugelassenen kommunalen Träger gegenüber der zuständigen obersten Landesbehörde die Verpflichtungen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 und 5 bis zum 30. September 2010 anerkennen.

(2) Auf Antrag wird eine begrenzte Zahl weiterer kommunaler Träger vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Träger im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zugelassen, wenn sie

1. geeignet sind, die Aufgaben zu erfüllen,

2. sich verpflichten, eine besondere Einrichtung nach Absatz 5 zu schaffen,

3. sich verpflichten, mindestens 90 Prozent der Beamten und Arbeitnehmer der Bundesagentur, die zum Zeitpunkt der Zulassung mindestens seit 24 Monaten in der im Gebiet des kommunalen Trägers gelegenen Arbeitsgemeinschaft oder Agentur für Arbeit in getrennter Aufgabenwahrnehmung im Aufgabenbereich nach § 6 Absatz 1 Satz 1 tätig waren, vom Zeitpunkt der Zulassung an, dauerhaft zu beschäftigen,

4. sich verpflichten, mit der zuständigen Landesbehörde eine Zielvereinbarung über die Leistungen nach diesem Buch abzuschließen, und

5. sich verpflichten, die in der Rechtsverordnung nach § 51b Absatz 1 Satz 2 festgelegten Daten zu erheben und gemäß den Regelungen nach § 51b Absatz 4 an die Bundesagentur zu übermitteln, um bundeseinheitliche Datenerfassung, Ergebnisberichterstattung, Wirkungsforschung und Leistungsvergleiche zu ermöglichen.

Für die Antragsberechtigung gilt § 6 Absatz 3 entsprechend. Der Antrag bedarf in den dafür zuständigen Vertretungskörperschaften der kommunalen Träger einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder sowie der Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde. Die Anzahl der nach den Absätzen 1 und 2 zugelassenen kommunalen Träger beträgt höchstens 25 Prozent der zum 31. Dezember 2010 bestehenden Arbeitsgemeinschaften nach § 44b in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung, zugelassenen kommunalen Trägern sowie der Kreise und kreisfreien Städte, in denen keine Arbeitsgemeinschaft nach § 44b in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung errichtet wurde (Aufgabenträger).

(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, Voraussetzungen der Eignung nach Absatz 2 Nummer 1 und deren Feststellung sowie die Verteilung der Zulassungen nach den Absätzen 2 und 4 auf die Länder durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln.

(4) Der Antrag nach Absatz 2 kann bis zum 31. Dezember 2010 mit Wirkung zum 1. Januar 2012 gestellt werden. Darüber hinaus kann vom 30. Juni 2015 bis zum 31. Dezember 2015 mit Wirkung zum 1. Januar 2017 ein Antrag auf Zulassung gestellt werden, soweit die Anzahl der nach den Absätzen 1 und 2 zugelassenen kommunalen Träger 25 Prozent der zum 1. Januar 2015 bestehenden Aufgabenträger nach Absatz 2 Satz 4 unterschreitet. Die Zulassungen werden unbefristet erteilt.

(5) Zur Wahrnehmung der Aufgaben anstelle der Bundesagentur errichten und unterhalten die zugelassenen kommunalen Träger besondere Einrichtungen für die Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch.

(6) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Zulassung widerrufen. Auf Antrag des zugelassenen kommunalen Trägers, der der Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde bedarf, widerruft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Zulassung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Die Trägerschaft endet mit Ablauf des auf die Antragstellung folgenden Kalenderjahres.

(7) Auf Antrag des kommunalen Trägers, der der Zustimmung der obersten Landesbehörde bedarf, widerruft, beschränkt oder erweitert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Zulassung nach Absatz 1 oder 2 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, wenn und soweit die Zulassung auf Grund einer kommunalen Neugliederung nicht mehr dem Gebiet des kommunalen Trägers entspricht. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bis 5 gilt bei Erweiterung der Zulassung entsprechend. Der Antrag nach Satz 1 kann bis zum 1. Juli eines Kalenderjahres mit Wirkung zum 1. Januar des folgenden Kalenderjahres gestellt werden.

§ 6b Rechtsstellung der zugelassenen kommunalen Träger

(1) Die zugelassenen kommunalen Träger sind an Stelle der Bundesagentur im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit Träger der Aufgaben nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 mit Ausnahme der sich aus den §§ 44b, 48b, 50, 51a, 51b, 53, 55, 56 Absatz 2, §§ 64 und 65d ergebenden Aufgaben. Sie haben insoweit die Rechte und Pflichten der Agentur für Arbeit.

(2) Der Bund trägt die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten mit Ausnahme der Aufwendungen für Aufgaben nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2. § 46 Absatz 1 Satz 4, Absatz 2 und 3 Satz 1 gilt entsprechend. § 46 Absatz 5 bis 9 bleibt unberührt.

(3) Der Bundesrechnungshof ist berechtigt, die Leistungsgewährung zu prüfen.

(4) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales prüft, ob Einnahmen und Ausgaben in der besonderen Einrichtung nach § 6a Absatz 5 begründet und belegt sind und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen. Die Prüfung kann in einem vereinfachten Verfahren erfolgen, wenn der zugelassene kommunale Träger ein Verwaltungs- und Kontrollsystem errichtet hat, das die Ordnungsmäßigkeit der Berechnung und Zahlung gewährleistet und er dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Beurteilung ermöglicht, ob Aufwendungen nach Grund und Höhe vom Bund zu tragen sind. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kündigt örtliche Prüfungen bei einem zugelassenen kommunalen Träger gegenüber der nach § 48 Absatz 1 zuständigen Landesbehörde an und unterrichtet sie über das Ergebnis der Prüfung.

(5) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann von dem zugelassenen kommunalen Träger die Erstattung von Mitteln verlangen, die er zu Lasten des Bundes ohne Rechtsgrund erlangt hat. Der zu erstattende Betrag ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr 3 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

§ 44b Gemeinsame Einrichtung

(1) Zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende bilden die Träger im Gebiet jedes kommunalen Trägers nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 eine gemeinsame Einrichtung. Die gemeinsame Einrichtung nimmt die Aufgaben der Träger nach diesem Buch wahr; die Trägerschaft nach § 6 sowie nach den §§ 6a und 6b bleibt unberührt. […]

(2) bis (6) …

§ 47 Aufsicht

(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales führt die Rechts- und Fachaufsicht über die Bundesagentur, soweit dieser nach § 44b Absatz 3 ein Weisungsrecht gegenüber den gemeinsamen Einrichtungen zusteht. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann der Bundesagentur Weisungen erteilen und sie an seine Auffassung binden; es kann organisatorische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen des Bundes an der Umsetzung der Grundsicherung für Arbeitsuchende treffen.

(2) Die zuständigen Landesbehörden führen die Aufsicht über die kommunalen Träger, soweit diesen nach § 44b Absatz 3 ein Weisungsrecht gegenüber den gemeinsamen Einrichtungen zusteht. Im Übrigen bleiben landesrechtliche Regelungen unberührt.

(3) Im Aufgabenbereich der Trägerversammlung führt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Rechtsaufsicht über die gemeinsamen Einrichtungen im Einvernehmen mit der zuständigen obersten Landesbehörde. Kann ein Einvernehmen nicht hergestellt werden, gibt der Kooperationsausschuss eine Empfehlung ab. Von der Empfehlung kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nur aus wichtigem Grund abweichen. Im Übrigen ist der Kooperationsausschuss bei Aufsichtsmaßnahmen zu unterrichten.

(4) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach den Absätzen 1 und 3 auf eine Bundesoberbehörde übertragen.

(5) Die aufsichtführenden Stellen sind berechtigt, die Wahrnehmung der Aufgaben bei den gemeinsamen Einrichtungen zu prüfen.

§ 48 Aufsicht über die zugelassenen kommunalen Träger

(1) Die Aufsicht über die zugelassenen kommunalen Träger obliegt den zuständigen Landesbehörden.

(2) Die Rechtsaufsicht über die obersten Landesbehörden übt die Bundesregierung aus, soweit die zugelassenen kommunalen Träger Aufgaben anstelle der Bundesagentur erfüllen. Zu diesem Zweck kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften zu grundsätzlichen Rechtsfragen der Leistungserbringung erlassen. Die Bundesregierung kann die Ausübung der Rechtsaufsicht auf das Bundesministerium für Arbeit und Soziales übertragen.

(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann allgemeine Verwaltungsvorschriften für die Abrechnung der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erlassen.

12

5. Aufgrund des § 6a Abs. 3 SGB II erließ das nunmehr zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 12. August 2010 die Verordnung über das Verfahren zur Feststellung der Eignung als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (KtEfV; BGBl I S. 1155). Soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung, lauten deren Vorschriften:

§ 1 Zulassungsverfahren

(1) Kommunale Träger können gemäß § 6a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch als Träger der Leistungen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zugelassen werden, wenn sie die in § 6a Absatz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Voraussetzungen erfüllen und die dort benannte Höchstgrenze nicht überschritten ist. Die kommunalen Träger treten insoweit an die Stelle der für ihr Gebiet jeweils zuständigen Agentur für Arbeit.

(2) Die zuständigen obersten Landesbehörden legen unter Berücksichtigung der Höchstgrenze des § 6a Absatz 2 Satz 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch einvernehmlich fest, wie viele kommunale Träger in einem Land jeweils zugelassen werden können.

(3) Stellen in einem Land mehr kommunale Träger einen Antrag auf Zulassung, als auf dieses auf Grund des Verteilungsschlüssels nach Absatz 2 entfallen, schlägt die oberste Landesbehörde dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. März 2011 vor, in welcher Reihenfolge die antragstellenden kommunalen Träger aus dem jeweiligen Land zugelassen werden. Die jeweils am höchsten gereihten kommunalen Träger werden entsprechend dem Verteilungsschlüssel nach Absatz 2 durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ohne Zustimmung des Bundesrates bis zur Höchstgrenze des § 6a Absatz 2 Satz 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zugelassen.

(4) […]

§ 2 Voraussetzungen der Eignungsfeststellung

(1) Zur Feststellung der Eignung und Bestimmung der Reihenfolge haben die antragstellenden kommunalen Träger mit dem Antrag bei der zuständigen obersten Landesbehörde Konzepte zu ihrer Eignung zur alleinigen Aufgabenwahrnehmung nach § 3 einzureichen und die Verpflichtungserklärungen nach § 6a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bis 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch abzugeben.

(2) Zur Bewertung der eingereichten Konzepte erstellen die zuständigen obersten Landesbehörden eine Bewertungsmatrix, anhand derer die zuständigen obersten Landesbehörden eine Punktzahl vergeben. Der kommunale Träger muss bei jedem Kriterium eine von der zuständigen obersten Landesbehörde festzulegende Mindestpunktzahl erzielen. Die summierten Einzelwerte müssen ihrerseits eine von der zuständigen obersten Landesbehörde zu bestimmende Mindestpunktzahl ergeben. Die erreichte Punktzahl ist auch maßgeblich für die Platzierung in der für das jeweilige Land von der zuständigen obersten Landesbehörde zu erstellenden Reihenfolge.

§ 3 Eignungskriterien

(1) Der kommunale Träger stellt in dem Konzept nach § 2 Absatz 1 die organisatorische Leistungsfähigkeit seiner Verwaltung dar. Dieses muss zu folgenden Bereichen Angaben enthalten:

1. infrastrukturelle Voraussetzungen,

2. Personalqualifizierung,

3. Aktenführung und Rechnungslegung und

4. bestehende und geplante Verwaltungskooperationen sowie Kooperationen mit Dritten.

(2) Der kommunale Träger stellt zum Nachweis seiner Fähigkeit zur Erfüllung der Aufgaben und Ziele nach § 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch dar,

1. mit welchem Konzept und mit welchem Erfolg er sich seit 2003 arbeitsmarktpolitisch engagiert hat und wie dieses Engagement künftig ausgestaltet werden soll,

2. nach welchen Grundsätzen und in welchem Umfang er seit 2005 kommunale Eingliederungsleistungen erbracht hat und wie die Erbringung kommunaler Eingliederungsleistungen künftig ausgestaltet werden soll,

3. wie die kommunalen Eingliederungsleistungen bisher mit Leistungen der Agenturen für Arbeit verknüpft wurden und zukünftig verknüpft werden sollen,

4. nach welchen Zweckmäßigkeitserwägungen die arbeitsmarktpolitischen Leistungen erbracht werden sollen und

5. wie das Eingliederungsbudget verwendet und eine bürgerfreundliche und wirksame Arbeitsvermittlung aufgebaut werden soll.

(3) Der kommunale Träger legt ein Konzept für eine überregionale Arbeitsvermittlung vor.

(4) Der kommunale Träger legt ein Konzept für ein transparentes internes System zur Kontrolle der recht- und zweckmäßigen Leistungserbringung und Mittelverwendung vor.

(5) Der kommunale Träger legt ein Konzept für den Übergang der in seinem Gebiet bestehenden Aufgabenwahrnehmung in die zugelassene kommunale Trägerschaft vor. Das Konzept umfasst einen Arbeits- und Zeitplan zur Vorbereitung der Trägerschaft, zur rechtlichen und tatsächlichen Abwicklung der bestehenden Trägerform sowie zur Überführung des Daten- und Aktenbestandes und des Eigentums in die zugelassene kommunale Trägerschaft.

13

6. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 4) sollten insgesamt 110 kommunale Träger für die Grundsicherung für Arbeitslose zugelassen werden, wobei die Betrauung der bereits unter der alten Rechtslage zugelassenen Träger nicht in Frage gestellt werden sollte (§ 6a Abs. 1 und Abs. 2 SGB II). Um die noch zur Verteilung anstehenden 41 Plätze bewarben sich bundesweit 77 Gemeinden und Gemeindeverbände. Mit Ausnahme des Beschwerdeführers zu 1. hatten alle Antragsteller das von § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II geforderte Zwei-Drittel-Quorum in ihren zuständigen Vertretungskörperschaften erreicht. Im Kreistag des Beschwerdeführers zu 1. hatten in der Sitzung vom 25. Oktober 2010 von den 60 Mitgliedern des Kreistages jedoch nur 36 mit "Ja" gestimmt, 19 mit "Nein"; fünf Mitglieder waren entschuldigt abwesend. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erließ am 14. April 2011 sodann die Zweite Verordnung zur Änderung der Kommunalträger-Zulassungsverordnung (BGBl I S. 645) und ließ 41 Gemeinden und Gemeindeverbände mit Wirkung zum 1. Januar 2012 als Optionskommunen neu zu. Die Beschwerdeführer zu 1. bis 15. wurden nicht zugelassen. Der Beschwerdeführer zu 16. ist hingegen bereits seit dem 1. Januar 2005 zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

II.

14

Zur Begründung ihrer Verfassungsbeschwerden tragen die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor:

15

1. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. gegen § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II sei zulässig (a) und begründet (b).

16

a) Der Beschwerdeführer zu 1. sei von der gesetzlichen Vorschrift unmittelbar, selbst und gegenwärtig betroffen. Die Kommunen würden von § 6a Abs. 2 SGB II vor die Wahl gestellt, die Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende in alleiniger Verantwortung wahrzunehmen oder sie in einer gemeinsamen Einrichtung zu erfüllen. Die den kreisfreien Städten und Kreisen spezialgesetzlich in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II zugeordneten Aufgaben und die Aufgaben, die von Optionskommunen nach §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 6a ff. SGB II wahrgenommen würden, fielen in den Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Mit der Festschreibung einer Zwei-Drittel-Mehrheit für den Antrag auf Zulassung in § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II greife der Bundesgesetzgeber in die kommunale Binnenorganisation ein. Eines weiteren Vollzugsakts bedürfe es nicht.

17

b) Der Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG sei eröffnet, denn der Antragstellung komme eine "weichenstellende Bedeutung" zu. Sie sei nach der gesetzlichen Konzeption Voraussetzung für eine alleinige Aufgabenwahrnehmung; andernfalls bleibe nur die Aufgabenwahrnehmung in gemeinsamen Einrichtungen. Das erhöhte Mehrheitserfordernis erschwere diese Entscheidung und greife damit in die Selbstverwaltungsgarantie ein. Der Eingriff sei verfassungswidrig, weil der Bund über keine Gesetzgebungszuständigkeit verfüge. Im Bundesstaat des Grundgesetzes seien die Kommunen den Ländern zugeordnet; die Gesetzgebungszuständigkeit für das Kommunalrecht liege gemäß Art. 70 GG ausschließlich bei diesen. Zwar sei der Bund zu kommunalrelevanten, nicht jedoch zu kommunalspezifischen Regelungen befugt. Er dürfe insbesondere keine Regelungen erlassen, welche die innere Kommunalverfassung beträfen. § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II könne - auch wenn er als "Zulassungskriterium" deklariert worden sei - vor diesem Hintergrund nicht auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Recht der öffentlichen Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) gestützt werden, denn nach seinem Gehalt betreffe er allein die kommunalinterne Willensbildung. Art. 91e Abs. 3 GG stelle insoweit keine Ausnahme zu Art. 70 GG dar, sondern knüpfe an die nach Art. 74 Abs. 1 GG bestehende Kompetenzverteilung an. Für eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs sei schließlich kein Raum. Das Antragserfordernis sei zwar von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG gedeckt; der Antrag selbst müsse jedoch von den zuständigen Organen (Kreistag, Gemeinderat) nach landesrechtlichen Vorschriften gestellt werden.

18

2. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2. bis 15.gegen § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II seien ebenfalls zulässig (a) und begründet (b).

19

a) Die Beschwerdeführer zu 2. bis 15. seien von der gesetzlichen Quotierung unmittelbar betroffen, auch wenn noch Zwischenschritte zur endgültigen Entscheidung über die Zulassung erforderlich gewesen seien, wie die Bewerbung von mehr als einem Viertel der Kommunen, eine Reihung und die Aufteilung auf Länderkontingente; denn diese Zwischenschritte seien gerichtlich nicht überprüfbar. Die Beschwerdebefugnis ergebe sich bereits aus der Begrenzung der Optionskommunen auf höchstens 25 Prozent. Diese beschneide die kommunale Entscheidungsfreiheit, sei gleichheitswidrig und willkürlich. Es handele sich dabei um eine objektive Zulassungsbeschränkung, auf deren Erfüllung die einzelne Kommune keinen Einfluss habe. Die länderbezogene Kontingentierung habe zudem zur Folge, dass in Ländern mit einer großen Zahl von Antragstellern Bewerber nicht zugelassen worden seien, die in einem anderen Land ohne weiteres zugelassen worden wären. Darin liege ein besonders intensiver Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, das interkommunale Gleichbehandlungsgebot und das Willkürverbot.

20

b) Entschließe sich der Gesetzgeber, über die bereits zugelassenen Optionskommunen hinaus weitere Gemeinden und Gemeindeverbände zuzulassen, sei dies an der Garantie kommunaler Selbstverwaltung in Verbindung mit dem Gleichheitssatz zu messen. Art. 91e GG sehe nur ein Regel-Ausnahme-Verhältnis vor. § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II beschränke die neu zuzulassenden Optionskommunen dagegen auf 25 Prozent der Aufgabenträger. Der Sache nach handele es sich bei dieser Quote um einen tagespolitischen Kompromiss, den der Gesetzgeber umgesetzt habe, ohne abweichende Erwägungen anzustellen oder ein Regelwerk für eine nachvollziehbare Zulassungsreihenfolge vorzugeben. Die auf Art. 91e Abs. 3 GG basierenden gesetzlichen Regelungen müssten verfassungskonform ausgelegt werden, damit sie nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstießen. Für den Fall eines Überhangs an Antragstellern müsse der Gesetzgeber ein Verteilungsverfahren normieren, das die Auswahl der besten Antragsteller gewährleiste. Das sei bisher nicht der Fall. Die geltenden Regelungen sähen keine Bewertung der Qualität der Antragsteller vor. Das Verfahren genüge auch nicht dem Grundsatz der interkommunalen Gleichbehandlung, wenn es in § 1 Abs. 2 KtEfV den Ländern überlassen werde, wie viele kommunale Träger in einem Land zugelassen würden, unabhängig von der Zahl der antragsberechtigten Kommunen und konkreten Antragsteller sowie ihrer qualitativen Bewertung.

21

3. Schließlich sei auch die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 16. gegen § 6b Abs. 3, § 6b Abs. 4 SGB II zulässig (a) und begründet (b).

22

a) Die Verfassungsbeschwerde sei insbesondere fristgerecht erhoben worden. Durch die Novellierung im Jahr 2010 habe § 6b Abs. 3 SGB II eine den Beschwerdeführer zu 16. stärker belastende Wirkung erhalten als zuvor. § 6b Abs. 3 und Abs. 4 SGB II sähen Prüfbefugnisse des Bundes vor, obwohl die betroffenen Aufgaben von den Kommunen als Selbstverwaltungsaufgaben wahrgenommen würden, die Länder die Aufsicht führten und keinerlei Verwaltungsbefugnisse des Bundes bestünden. Diese Prüfbefugnisse griffen in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ein und seien nicht durch Art. 91e GG gedeckt.

23

b) Bei einem Auseinanderfallen von Verwaltungs- und Finanzierungszuständigkeit sei für die Prüfbefugnis auf die Verwaltungszuständigkeit abzustellen. Bei der Aufgabenwahrnehmung nach den §§ 6a ff. SGB II bestünden jedoch keine Verwaltungsbefugnisse des Bundes; die Aufsicht werde von den Ländern ausgeübt. Abweichendes ergebe sich auch nicht aus Art. 91e Abs. 2 und Abs. 3 GG. Für Prüfbefugnisse des Bundes sei daher kein Raum. Andernfalls sähen sich die Kommunen drei Prüfungsinstanzen ausgesetzt: den kommunalen Gemeinschaftseinrichtungen (Kommunalprüfungsämtern), der Aufsicht des Landes und der des Bundes.

24

Die Datenerhebung durch den Bundesrechnungshof sei nicht anders zu beurteilen als die Informationsbeschaffung durch die Bundesverwaltung. Die Befugnisse des Bundesrechnungshofes seien weder im Sinne ihrer Effektivierung großzügig auszulegen noch von der Finanzierungskompetenz des Bundes her zu begründen, sondern folgten den Verwaltungskompetenzen des Bundes. Von der Kontrolle durch den Bundesrechnungshof gingen im Übrigen, etwa durch öffentlichen Druck und politische Reaktionen, auch dann Einwirkungen auf die Rechtssphäre Dritter aus, wenn er keine unmittelbar eingreifenden und belastenden Entscheidungen treffe.

25

Der Bund trage nach § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II die Aufwendungen für die Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten mit Ausnahme der Aufwendungen für Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Vor Inkrafttreten des Art. 91e GG seien die Aufwendungen im Rahmen des Sonderlastenausgleichs nach Art. 106 Abs. 8 GG erstattet worden. Dies habe die Verwaltungszuständigkeiten jedoch unberührt gelassen, so dass § 6b Abs. 3 SGB II nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 6a ZuInvG bereits damals verfassungswidrig gewesen sei und die Gesetzesbegründung zu Art. 91e GG (BTDrucks 17/1554, S. 5) somit auf eine verfassungswidrige Rechtslage beziehungsweise Praxis Bezug nehme. Daran ändere auch Art. 91e GG nichts. Wie Art. 106 Abs. 8 GG ("erforderliche"), so knüpfe auch Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG ("notwendige") an materiell-rechtliche Vorgaben an. Er lasse sich auch nicht als Ausnahme zu Art. 84 Abs. 3 GG verstehen. Für die Bundesaufsicht über die Länder verbleibe es vielmehr bei den allgemeinen Regeln der Art. 84 Abs. 3 und Abs. 4 GG.

III.

26

Der Deutsche Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und alle Landesregierungen hatten Gelegenheit zur Äußerung. Von den Äußerungsberechtigten hat nur die Bundesregierung eine Stellungnahme abgegeben.

27

1. a) Die Verfassungsbeschwerde sei bereits unzulässig. Der Beschwerdeführer zu 1. sei von der angegriffenen Vorschrift nicht unmittelbar betroffen, weil die Zulassungsentscheidung durch Rechtsverordnung erfolge, in deren Rahmen die Zulassungsvoraussetzungen geprüft würden. Um den fachgerichtlichen Rechtsweg zu erschöpfen, hätte der Beschwerdeführer zu 1. zudem Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erheben müssen; jedenfalls wäre dies aufgrund des Grundsatzes der materiellen Subsidiarität geboten gewesen, um die sachnäheren Fachgerichte mit der Sache befassen zu können. Im Übrigen fehle die für die Beschwerdebefugnis erforderliche Kausalität zwischen der angegriffenen Rechtsnorm und der behaupteten Rechtsverletzung, denn auch bei Erreichen der Zwei-Drittel-Mehrheit hätte der Beschwerdeführer zu 1. mangels Eignung nicht als Optionskommune zugelassen werden können.

28

b) Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. sei aber jedenfalls unbegründet, weil es bereits an einem Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie fehle. Deshalb könne auch das Fehlen einer - in der Sache durchaus vorhandenen - Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht gerügt werden.

29

aa) Die kommunale Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG folge nicht den Regeln der abstrakten Normenkontrolle, so dass kompetenzwidrige Gesetzgebungsakte nur dann mit Erfolg angegriffen werden könnten, wenn sie zugleich einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie darstellten. Dies sei hier nicht der Fall. Ein Eingriff in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG scheide schon deshalb aus, weil dem Beschwerdeführer zu 1. nach den Feststellungen des zuständigen Bayerischen Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung die nach § 6a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II erforderliche fachliche Eignung gefehlt habe und das qualifizierte Mehrheitserfordernis somit für die behauptete Rechtsverletzung schon nicht ursächlich sei; der Beschwerdeführer zu 1. hätte auch bei Erreichen des Quorums nicht als kommunaler Träger zugelassen werden können.

30

Art. 28 Abs. 2 GG begründe aber auch keinen Anspruch auf Zulassung als kommunaler Träger und auf alleinige Wahrnehmung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Im Gegenteil: Bei Gemeindeverbänden beschränke sich der Schutz des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG von vornherein auf den gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich. Regelungen wie § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II erschwerten zwar die Aussichten auf eine Zulassung als kommunaler Träger, griffen aber nicht in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG ein. Wäre der Beschwerdeführer zu 1. früher als Optionskommune zugelassen worden, griffe auch der Entzug dieser Aufgabe nicht in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG ein; umso weniger könne dies bei einer vorenthaltenen Zulassung der Fall sein. Aus Art. 91e GG folge nichts anderes, denn dieser sehe als Regelfall die Aufgabenwahrnehmung in gemeinsamen Einrichtungen vor; diese verfassungsrechtliche Vorgabe präge zugleich den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG.

31

Ein Eingriff liege auch nicht unter dem - nicht gerügten - Gesichtspunkt der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung vor. Diese sei den Gemeindeverbänden ebenfalls nur nach Maßgabe der Gesetze gewährleistet. Bei ihrer inhaltlichen Ausgestaltung müsse der Gesetzgeber nur sicherstellen, dass der Kernbereich der Selbstverwaltung unangetastet bleibe. Gesetzliche Vorgaben bedürften lediglich eines am Gemeinwohl orientierten, rechtfertigenden Grundes, der sich im vorliegenden Fall aus der Gesetzesbegründung ergebe.

32

bb) § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II sei keine Regelung des allgemeinen Kommunalverfassungsrechts, sondern eine Regelung über die Organisation der Aufgabenerledigung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Insoweit folge die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG, der auch die Befugnis einschließe, die Organisation der Aufgabenerledigung zu regeln. Zur Organisation in diesem Sinne gehöre die Frage, ob und inwieweit Kommunen die Aufgaben in gemeinsamen Einrichtungen oder alleine wahrnehmen und unter welchen Voraussetzungen sie als kommunale Träger zugelassen werden können. § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II enthalte eine Zulassungsvoraussetzung; gesetzessystematisch handele es sich dabei um eine Konkretisierung des Antragserfordernisses. Das qualifizierte Mehrheitserfordernis solle die Nachhaltigkeit der Aufgabenwahrnehmung sicherstellen, was ebenfalls für eine Einordnung als Zulassungsvoraussetzung spreche. Auch aus Art. 91e Abs. 3 GG folge, dass dem Bundesgesetzgeber die Ausgestaltung der Zulassungskriterien obliege. Dass die Vorschrift formal Anforderungen an ein Entscheidungsorgan der Kommune stelle, mache sie noch nicht zu einer kommunalverfassungsrechtlichen Regelung. Einzelne Regelungen dürften insoweit nicht aus dem Regelungszusammenhang gelöst werden; komme eine Zugehörigkeit zu verschiedenen Kompetenzbereichen in Betracht, sei auf den Schwerpunkt abzustellen. Der Schwerpunkt von § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II liege nach der gesetzgeberischen Zielsetzung auf den Anforderungen an die Zulassung als kommunaler Träger. Das Kommunalverfassungsrecht werde durch die Regelung allenfalls reflexhaft betroffen.

33

2. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2. bis 15. seien ebenfalls unzulässig (a), jedenfalls aber unbegründet (b).

34

a) Auch den Beschwerdeführern zu 2. bis 15. fehle es insoweit an der unmittelbaren Betroffenheit. Hinzu komme, dass das 25-Prozent-Kontingent nicht nur der Umsetzung, sondern auch der Konkretisierung durch Rechtsverordnung bedürfe. Mit der Begrenzung des Kontingents auf 25 Prozent allein stehe noch nicht fest, welche Kommunen insoweit nachteilig betroffen seien. Zudem seien die Beschwerdeführer zu 3. bis 15. nicht nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG, die Beschwerdeführerin zu 2. nicht nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG beschwerdebefugt. Da es sich nicht um Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft handele, griffen gesetzliche Regelungen, die die Aussichten auf eine Zulassung als kommunaler Träger erschwerten, weder in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG noch in den des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG ein. Etwas anderes folge auch nicht aus Art. 91e GG, denn dieser bestimme die Aufgabenwahrnehmung in gemeinsamen Einrichtungen zum Regelfall. Schließlich sei auch insoweit der Rechtsweg nicht erschöpft beziehungsweise dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität nicht Genüge getan worden, weil die Beschwerdeführer zu 2. bis 15. keine atypische Feststellungsklage vor den Sozialgerichten erhoben hätten.

35

b) § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II verletze weder Art. 28 Abs. 2 GG noch das Willkürverbot oder das interkommunale Gleichbehandlungsgebot.

36

aa) Die Beschwerdeführer zu 3. bis 15. könnten sich nur auf Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleiste dieser lediglich, dass den Kreisen ein Mindestbestand an Aufgaben zugewiesen wird, was offensichtlich der Fall sei. Soweit die Beschwerdeführerin zu 2. sich auf Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG berufen könne, liege ebenfalls keine Verletzung vor, weil es sich bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht um Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft handele.

37

bb) Das Willkürverbot sei nur verletzt, wenn sich schlechthin kein sachgerechter Grund für eine Maßnahme finden lasse oder wenn diese unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar sei. Dies sei nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber habe den ihm zustehenden Gestaltungspielraum genutzt. Zudem gebe es sachliche Gründe für die Begrenzung, weil damit die Vorgabe eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses durch Art. 91e GG umgesetzt worden sei.

38

cc) Die von den Beschwerdeführern insoweit gerügte Ungleichbehandlung - Zulassung sämtlicher Antragsteller in drei Ländern aufgrund des dortigen Kontingents und der fehlenden Antragskonkurrenz, nicht aber Zulassung der Beschwerdeführer zu 2. bis 15. - ergebe sich nicht aus der Begrenzung der Zahl der neu zuzulassenden kommunalen Träger, sondern aus deren Aufteilung auf die von den Ländern gemäß der Verordnung über das Verfahren zur Feststellung der Eignung als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende vereinbarten Länderkontingente.

39

3. Auch der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 16. müsse der Erfolg versagt bleiben.

40

a) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen § 6b Abs. 3 SGB II richte, sei sie verfristet. Die Vorschrift sei bereits am 6. August 2004 in Kraft getreten. Weder § 6b Abs. 4 SGB II n.F. noch Art. 91e GG enthielten insoweit neue, belastende Wirkungen. Im Übrigen sei Art. 91e GG am 27. Juli 2010 in Kraft getreten, sodass die Jahresfrist auch dann verstrichen wäre, wenn man dieser Vorschrift neue Belastungen im Hinblick auf das Schutzgut des Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG zuschreiben wollte. Soweit § 6b Abs. 4 SGB II angegriffen werde, fehle es an einer gegenwärtigen Beschwer, weil es vollkommen ungewiss sei, ob der Beschwerdeführer von einer anlasslosen Vor-Ort-Überprüfung jemals betroffen sein werde.

41

b) Die Verfassungsbeschwerde gegen § 6b Abs. 4 SGB II sei jedenfalls unbegründet. In der Entscheidung zum Zukunftsinvestitionsgesetz (BVerfGE 127, 165 ff.) habe das Bundesverfassungsgericht offengelassen, ob Prüfbefugnisse des Bundes die Finanzhoheit der Gemeinden beeinträchtigten. Die Schranken der Finanzkontrolle des Bundes gegenüber den Ländern seien vielmehr aus dem Grundsatz der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern (Art. 109 Abs. 1 GG) sowie der Zuweisung der Erfüllung staatlicher Aufgaben an die Länder (Art. 30 GG) abgeleitet worden. Auf diese Bestimmungen könnten sich Gemeindeverbände im Rahmen einer kommunalen Verfassungsbeschwerde jedoch nicht berufen.

42

Die Kompetenz des Bundes für die Anordnung von Prüfbefugnissen sowohl des Bundesrechnungshofes als auch des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales folge aus Art. 91e Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG. Art. 91e GG stelle die Beziehung zwischen Bund und Optionskommune auf eine eigene verfassungsrechtliche Grundlage und enthalte nicht nur die Abstützung der Optionskommunen und der Kostenbeteiligung des Bundes, sondern auch eine Ermächtigung des Bundes zur Einrichtung einer Finanzkontrolle. Er sei insoweit eine Ausnahmevorschrift zu Art. 83 ff. und Art. 104a ff. GG. Art. 91e GG beschränke die Kostentragungspflicht des Bundes auf "notwendige Ausgaben", so dass auch eine Kontrolle erforderlich sei, ob die Ausgaben für diese Zwecke tatsächlich eingesetzt würden. Die materielle Beschränkung der Finanzierungspflicht begründe mit anderen Worten eine entsprechende Kontrollbefugnis des Bundes und eine Informationspflicht der Begünstigten. Dies belegten auch die Gesetzgebungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift. Eine "verfassungssystematische" Auslegung zeige überdies, dass Art. 91e Abs. 2 GG dem Bund die Möglichkeit eröffne, anlasslose Vor-Ort-Prüfungen zuzulassen. Insoweit handele es sich um eine Ausnahmevorschrift zu Art. 84 f. und Art. 30 GG.

43

Die Prüfbefugnisse des Bundes hätten keine aufsichtsgleiche Wirkung. Zwar bestehe ein Risiko von Rückforderungen, wenn eine Kommune am automatisierten Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (HKR-Verfahren) teilnehme und der Bund ihr somit Mittel vorstrecke; dieses Risiko wurzele aber im rechtswidrigen Mitteleinsatz, nicht in den Prüfbefugnissen des Bundes. Diese erleichterten allenfalls die Aufdeckung. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung liege nicht in den Händen des Bundesministeriums, sondern der Sozialgerichte. Somit seien die Prüfbefugnisse des § 6b Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB II ebenso verfassungskonform wie die anlasslosen Überprüfungen vor Ort (§ 6b Abs. 4 Satz 3 SGB II). § 6b Abs. 4 Satz 1 SGB II sei auf die Feststellung des Sachverhalts und dessen Bewertung beschränkt. Das entspreche den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus der Entscheidung zu § 6a Satz 3 ZuInvG und finde seine Stütze in Art. 91e Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG. Die Vorschrift begründe keine Befugnis zur aktiven Informationsbeschaffung, sondern setze die Verfügbarkeit der zur Prüfung benötigten Informationen voraus. § 6b Abs. 4 Satz 2 SGB II knüpfe an eine freiwillige Entscheidung der Optionskommune zur Teilnahme an dem Informations- und Kontrollsystem an, während § 6b Abs. 4 Satz 3 SGB II eine Befugnis des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales statuiere, Informationen vor Ort zu erheben. Dies sei von Art. 91e Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG gedeckt und diene der Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen in Fällen, in denen die von den zugelassenen kommunalen Trägern im automatisierten Verfahren abgerufenen Bundesmittel rechtswidrig verwendet worden seien.

44

c) Schließlich sei auch die Verfassungsbeschwerde gegen § 6b Abs. 3 SGB II zumindest unbegründet. Durch die Prüfbefugnisse des Bundesrechnungshofes werde die Selbstverwaltungsgarantie ebenfalls nicht beeinträchtigt. Weder Art. 109 Abs. 1 GG noch Art. 30 GG begründeten eine für die Kommunen wehrfähige Position. Zudem sei Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG im übertragenen Wirkungskreis nicht anzuwenden. Art. 91e Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG decke auch die Prüfbefugnisse des Bundesrechnungshofes. Wenn bei einer Verwaltungsaufgabe eine alleinige und umfassende Finanzierungsverantwortung des Bundes bestehe, sei die uneingeschränkte Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof nicht nur zulässig, sondern im Interesse einer möglichst lückenlosen parlamentarischen Finanzkontrolle über die Verwendung der Bundesmittel sogar geboten.

IV.

45

Als sachkundige Dritte gemäß § 27a BVerfGG hatten der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. und der Deutsche Landkreistag haben sich zu den vorliegenden Verfassungsbeschwerden geäußert. Die übrigen sachkundigen Dritten haben von ihrem Äußerungsrecht keinen Gebrauch gemacht.

46

1. Der Deutsche Landkreistag hält die Verfassungsbeschwerden für zulässig und begründet.

47

a) Es habe - vor der Föderalismusreform und der Einfügung des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG - zwei mögliche Wege gegeben, wie der Bund Aufgaben auf Kommunen übertragen konnte. Entweder habe er den Weg über Art. 85 GG oder über Art. 84 GG gewählt. Im ersten Fall seien die übertragenen Aufgaben nicht dem Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG unterfallen, im zweiten Fall schon. Eine dritte Kategorie von Selbstverwaltungsaufgaben, die nicht dem Schutz des Art. 28 Abs. 2 GG unterfalle, existiere nicht. Zum Schutz der Organisationshoheit der Länder sei es dem Bund auch grundsätzlich untersagt, eine weitergehende Kategorisierung kommunaler Aufgaben vorzunehmen.

48

b) Das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit in der zuständigen Vertretungskörperschaft sei verfassungswidrig, da es nicht auf Art. 91e Abs. 3 GG gestützt werden könne. Art. 91e GG modifiziere die Zweistufigkeit des Staatsaufbaus nicht. Die Zuordnung der Kommunen zu den Ländern sei mithin nicht nur bei der Gestaltung der Aufsichtsbeziehungen zu berücksichtigen, sondern auch bei der Gesetzgebungszuständigkeit. Die Regelung sei wegen Verstoßes gegen Art. 28 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 70 GG verfassungswidrig.

49

c) Ausweislich des Wortlauts von Art. 91e Abs. 2 GG bestehe zwar keine Verpflichtung, überhaupt Optionskommunen zuzulassen. Entscheide sich der Gesetzgeber aber, dies zu tun, seien das Willkürverbot und das interkommunale Gleichbehandlungsgebot zu beachten. Die Kontingentierung in Höhe von 25 vom Hundert finde sich zwar in der Begründung zu Art. 91e GG. Die textliche Fixierung eines tagespolitischen Kompromisses binde den Gesetzgeber jedoch nicht. In der Sache gebe es keinen nachvollziehbaren Grund für die Festlegung des konkreten Kontingents. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Erbringung der Leistungen durch kommunale Träger nicht auch ohne zahlenmäßige Begrenzung erfolgen könne, zumal auch die Zulassung aller geeigneten Träger zu einer Quote von weniger als einem Drittel der Aufgabenträger führen würde.

50

d) Mit Blick auf die Prüfbefugnisse des Bundes sei von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 2010 auszugehen (BVerfGE 127, 165 ff.). Dabei sei besonders problematisch, dass der Bund seine Prüfbefugnisse dazu nutze, Rückforderungsansprüche gegenüber den Optionskommunen ohne materiell-rechtliche Rechtsgrundlage geltend zu machen. Die kommunalen Träger würden damit bei der Verwaltung von Bundesmitteln einer "Quasi-Fachaufsicht" des Bundes unterstellt und faktisch zu Bundesbehörden degradiert. Aufsichtsrechte des Bundes bestünden jedoch nur nach Maßgabe des Art. 84 Abs. 3 und Abs. 4 GG. § 48 Abs. 2 Satz 2 SGB II sei insoweit verfassungswidrig.

51

Art. 91e Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz GG sei der Sache nach eine Regelung der Finanzverfassung, modifiziere die Art. 104a Abs. 1 und Abs. 5 GG und begründe eine unmittelbare Finanzbeziehung zwischen Bund und Kommunen. Für die Prüfbefugnisse des Bundes müssten die in BVerfGE 127, 165 ff. zu Art. 104b GG entwickelten Grundsätze übertragen werden. Zwar handele es sich bei Art. 104b GG und Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG um unterschiedliche Anknüpfungsnormen; den Prüfbefugnissen des Bundes vor Ort liege jedoch eine vergleichbare Konstellation zugrunde. In beiden Fällen fielen Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung auseinander.

52

Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG entspreche den Mehrbelastungsausgleichsverpflichtungen in den Landesverfassungen. Da Art. 91e Abs. 2 GG eine Ausnahme vom Aufgabenübertragungsverbot des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG darstelle, sei dies konsequent. Der Pflicht des Bundes, die "notwendigen Ausgaben" zu tragen, korrespondiere allerdings kein Recht zur Prüfung der Ausgaben und zur Rückforderung.

53

Dass die Aufsicht über die Optionskommunen lückenhaft sei, lasse sich nicht belegen. In den Jobcentern habe es bislang fünf Betrugsfälle von Bediensteten gegeben, wovon vier vom zuständigen Landkreis selbst aufgedeckt worden seien und der fünfte im Kontext des Geldwäschegesetzes. Eine Prüftätigkeit des Bundes sei für keinen dieser Fälle erforderlich gewesen.

54

Weder Art. 91e Abs. 2 noch Abs. 3 GG ermächtigten zur Regelung einer umfassenden Finanzkontrolle. Die Bundesregierung behaupte einerseits einen Unterschied zwischen Fachaufsicht und Finanzkontrolle, qualifiziere die Aufsicht der Länder über die Kommunen aber mit dem Argument ab, diese hätten mangels Einsatzes eigener Mittel kein Interesse an einer rechtmäßigen Verwaltung. Der Bund wolle eigene, den zweistufigen Staatsaufbau negierende Kontrollmechanismen an deren Stelle setzen und die Aufgabenerfüllung nach Art. 91e Abs. 2 GG dem Modell der gemeinsamen Träger nach Art. 91e Abs. 1 GG annähern. Sinn der unterschiedlichen Modelle sei jedoch gerade die andere Ausgestaltung der Verwaltungsstruktur.

55

Die unterschiedlichen Auffassungen der Kommunen und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Kontrolle der Kommunen schlügen sich in den Verwaltungsvereinbarungen nieder, die Möglichkeiten zur Anpassung, Änderung oder Kündigung offen ließen. Soweit sich Kommunen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht auf den Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung verständigen konnten, habe der Bund die Bereitstellung der abzurufenden Mittel verweigert. Die Verwaltungsvereinbarungen nicht abzuschließen, habe somit zur Folge, dass die Kommunen in Vorleistung treten müssten.

56

2. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. hat seine Stellungnahme auf § 6a SGB II beschränkt.

57

a) Er ist ebenfalls der Auffassung, das Zwei-Drittel-Quorum sei nicht von der Bundeskompetenz gedeckt. Der Regelung des § 6a SGB II mangele es schon deshalb an Konsistenz, weil der Widerruf der Zulassung von der Kommune mit einfacher Mehrheit beantragt werden könne (vgl. § 6a Abs. 6 Satz 2 SGB II). Zwar greife die Vorschrift nicht in den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie ein; gleichwohl sei das Antragserfordernis in Art. 91e Abs. 2 Satz 1 GG Ausdruck der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Zudem seien die Kommunen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II ohnehin für einen Teil der Grundsicherungsaufgaben zuständig, so dass der kommunale Wirkungskreis schon insoweit eröffnet sei (Art. 28 Abs. 2 GG). Das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit greife in die Entscheidungsfreiheit der Kommunen ein, was auch jenseits des Kernbereichs kommunaler Selbstverwaltung nur durch ein formell und materiell verfassungskonformes Gesetz geschehen dürfe. Die Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG decke aber nicht die Regelung von Mehrheitserfordernissen in der kommunalen Repräsentativkörperschaft. Auch Art. 91e Abs. 2 und Abs. 3 GG gebe dafür nichts her. Regelungen der kommunalinternen Willensbildung unterfielen vielmehr der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder.

58

b) Die gesetzliche Begrenzung der Optionskommunen auf ein Viertel der Aufgabenträger stelle sich ebenfalls als Eingriff in die Garantie kommunaler Selbstverwaltung dar. Zwar dürfe der Bund eine zahlenmäßige Höchstgrenze festlegen. Verfassungsrechtlich geboten sei die Begrenzung auf ein Viertel jedoch nicht. Weder die frühere Zahl von 69 Optionskommunen noch ihre Erweiterung auf höchstens ein Viertel der Aufgabenträger sei verfassungsrechtlich gefordert. Die Auswahl der Optionskommunen durch die obersten Landesbehörden sei problematisch, weil der Bund ein transparentes bundesweites Verfahren hätte vorsehen müssen.

V.

59

In der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2014 haben die Beteiligten ihr Vorbringen bekräftigt und vertieft. Für den Deutschen Landkreistag hat der Senat außerdem Frau Dr. Vorholz als sachverständige Auskunftsperson gehört.

B.

60

Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 1. (I.) sowie zu 2. bis 15. (II.) sind zulässig. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 16. gegen § 6b Abs. 4 SGB II richtet, ist sie ebenfalls zulässig (III.1.); soweit sie sich gegen § 6b Abs. 3 SGB II richtet, ist sie unzulässig (III.2.).

I.

61

Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. gegen § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II ist zulässig. Der Beschwerdeführer ist durch die gesetzliche Regelung unmittelbar betroffen.

62

1. Das Erfordernis der unmittelbaren Betroffenheit gilt grundsätzlich auch für Kommunalverfassungsbeschwerden (vgl. BVerfGE 59, 216 <225>; 71, 25 <34 f.>). Diese Anforderung an die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde beruht auf dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck gekommenen und dieser Vorschrift zugrunde liegenden Gedanken der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Sie fällt vor allem dann ins Gewicht, wenn das Gesetz der Verwaltung einen Spielraum lässt, gilt grundsätzlich aber auch, wenn ein solcher Spielraum fehlt. In beiden Fällen entspricht es dem Grundsatz der Subsidiarität, dass zunächst die für das jeweilige Rechtsgebiet zuständigen Fachgerichte eine Klärung insbesondere darüber herbeiführen, ob und in welchem Ausmaß der Bürger oder die Gemeinde durch die beanstandete Regelung konkret in seinen Rechten betroffen und ob sie mit der Verfassung vereinbar ist; dabei ist nach Maßgabe der Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Vorschriften gegebenenfalls eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen(vgl. BVerfGE 71, 25 <34 f.>). Mit Blick auf die Kommunalverfassungsbeschwerde ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich diese ausschließlich gegen Gesetze richtet und etwaige Vollzugsakte gar nicht angegriffen werden können. Gemeinden und Gemeindeverbände können daher grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, zunächst einen gegen den Vollzugsakt eröffneten Rechtsweg zu beschreiten, weil Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG sonst weitgehend leer liefen.

63

Es ist Gemeinden und Gemeindeverbänden allerdings auch im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde verwehrt, ein Gesetz anzugreifen, das noch der Konkretisierung durch eine Rechtsverordnung bedarf, weil sie die verfassungsgerichtliche Überprüfung der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in diesem Fall grundsätzlich auch im Rahmen einer gegen die Rechtsverordnung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerde erreichen können (vgl. BVerfGE 71, 25 <34 f.>; 76, 107 <112 f.>). Mit der Kommunalverfassungsbeschwerde können nicht nur Gesetze im formellen Sinne angegriffen werden, sondern alle untergesetzlichen Rechtsnormen mit Außenwirkung (vgl. BVerfGE 71, 25 <34>; 107, 1 <10>). Rechtsverordnungen (vgl. BVerfGE 26, 228 <236>; 56, 298 <309>; 71, 25 <34>; 107, 1 <8>) des Bundes und der Länder sind daher ebenso tauglicher Gegenstand einer Kommunalverfassungsbeschwerde wie Satzungen von Selbstverwaltungskörperschaften (vgl. BVerfGE 26, 228 <245>).

64

2. Nach diesen Grundsätzen ist der Beschwerdeführer zu 1. durch die angegriffene Regelung des § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Er musste die Anforderungen der Norm erfüllen, um überhaupt einen aussichtsreichen Antrag auf Zulassung als Optionskommune stellen zu können und hat sie verfehlt. Dass die zuständige oberste Landesbehörde dies im Zulassungsverfahren festgestellt und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, daran anknüpfend, den Beschwerdeführer zu 1. aus dem Kreis der in Betracht kommenden Optionskommunen ausgeschieden hat, vermag daran nichts zu ändern.

II.

65

Die gegen § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II gerichteten Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2. bis 15. sind ebenfalls zulässig. Diese sind durch die angegriffene Regelung selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen.

66

Die von den Beschwerdeführern beanstandete zahlenmäßige Begrenzung der Optionskommunen durch § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II wird zwar sowohl durch die Verordnung über das Verfahren zur Feststellung der Eignung als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende als auch durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Kommunalträger-Zulassungsverordnung umgesetzt. Vor allem die unmittelbare Betroffenheit der Beschwerdeführer zu 2. bis 15. durch die angegriffene Regelung stellt dies jedoch nicht in Frage, weil sich die Kontingentierung der Anzahl der Optionskommunen und damit die bloße Einräumung einer Zulassungschance unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

III.

67

1. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 16. ist zulässig, soweit sie die Vorschrift des § 6b Abs. 4 SGB II angreift; insbesondere ist der Beschwerdeführer zu 16. von der angegriffenen Vorschrift auch gegenwärtig betroffen (vgl. BVerfGE 1, 97 <102>; 43, 291 <385 f.>; 60, 360 <371>; 74, 297 <319>; 114, 258 <277>).

68

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat in seinem Tätigkeitsbericht 2010/2011 ausgeführt, es sei geplant, die Prüfung der Schlussrechnungen 2010 und 2011 im Jahr 2012 zusammen durchzuführen und abzuschließen, um dadurch mit der Prüfung der Schlussrechnungen 2012, die erstmalig auch von den neuen zugelassenen kommunalen Trägern einzureichen seien, gemeinsam für alte und neue kommunale Träger im Jahr 2013 beginnen zu können (HaushaltsausschussDrucks 17/3512, S. 4). Darüber hinaus ergibt sich aus den bisherigen Tätigkeitsberichten - die sich auf die bislang 69 zugelassenen kommunalen Träger beziehen -, dass bei der Prüfung der Jahresschlussrechnung zwischen 14 und 17 - auch verdachtsunabhängige - Vor-Ort-Prüfungen durchgeführt wurden, jährlich also etwa 20 Prozent bis 25 Prozent der zugelassenen kommunalen Träger derartige Überprüfungen hinzunehmen hatten (HaushaltsausschussDrucks 16/3434, S. 6; 16/4563, S. 2; 17/151, S. 4; 17/3512, S. 4). Aus der angekündigten Prüfung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der hinreichend großen Wahrscheinlichkeit, einer anlasslosen Vor-Ort-Prüfung unterzogen zu werden, ergibt sich auch eine gegenwärtige Betroffenheit für den Beschwerdeführer zu 16. durch die angegriffene gesetzliche Regelung.

69

2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 16. gegen § 6b Abs. 3 SGB II richtet, ist sie hingegen unzulässig, da sie nicht fristgerecht eingelegt wurde (§ 93 Abs. 3 BVerfGG).

70

a) Für die Kommunalverfassungsbeschwerde gilt - wie für alle Rechtssatzverfassungsbeschwerden - die Fristvorschrift des § 93 Abs. 3 BVerfGG. Danach ist die Verfassungsbeschwerde innerhalb eines Jahres seit Inkrafttreten der angegriffenen Norm einzulegen (vgl. BVerfGE 76, 107 <115>; 79, 127 <142>; 107, 1 <8>). Wird eine Bestimmung im Rahmen einer Gesetzesnovellierung nicht verändert, so beginnt die Frist nicht alleine deshalb neu zu laufen, weil der Gesetzgeber die in Rede stehende Bestimmung - im Sinne einer Bestätigung - erneut in seinen Willen aufgenommen hat (vgl. BVerfGE 11, 255 <259 f.>; stRspr). Auch die Bekanntmachung des gleichen Wortlauts ohne inhaltliche Änderungen führt nicht zu einem neuen Fristlauf (vgl. BVerfGE 17, 364 <368 f.>). Von der Bestimmung muss vielmehr eine neue, den Beschwerdeführer ersichtlich stärker belastende Wirkung ausgehen (vgl. BVerfGE 45, 104 <119 f.>; 78, 350 <356>; 100, 313 <356>). Dies kann der Fall sein, wenn die Änderungen dazu führen, dass der unverändert gebliebenen Norm faktisch ein neuer Inhalt gegeben wird (vgl. BVerfGE 11, 351 <359 f.>; 74, 69 <73>; 78, 350 <356>), oder die Einbettung in ein anderes gesetzliches Umfeld erfolgt, so dass auch von der Anwendung der älteren Vorschrift neue belastende Wirkungen ausgehen können (vgl. BVerfGE 100, 313 <356>; vgl. auch BVerfGE 12, 10 <24>; 49, 1 <7>; 120, 274 <298>).

71

b) Soweit sie sich gegen § 6b Abs. 3 SGB II richtet, ist die am 1. August 2011 beim Bundesverfassungsgericht eingegangene Verfassungsbeschwerde demnach verfristet. Da § 6b Abs. 3 SGB II bereits am 6. August 2004 in Kraft getreten ist, endete die Beschwerdefrist gemäß § 93 Abs. 3 BVerfGG in Verbindung mit § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2, 2. Alt. BGB (vgl. BVerfGE 102, 254 <295 f.>) am 5. August 2005. Sie wurde weder durch die Einfügung des Art. 91e GG (aa) noch durch die Neubekanntmachung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (bb) oder durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende erneut in Gang gesetzt. Letzteres hat auch keine neue Belastung für den Beschwerdeführer zu 16. mit sich gebracht (cc).

72

aa) Ob die Einfügung von Art. 91e GG in das Grundgesetz mit Blick auf § 6b Abs. 3 SGB II eine neue Belastung für den Beschwerdeführer zu 16. verursacht hat, kann im Ergebnis offenbleiben. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wäre die Verfassungsbeschwerde nicht fristgerecht erhoben worden. Art. 91e GG ist gemäß Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91e) am 27. Juli 2010 in Kraft getreten (BGBl I S. 944), die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde folglich am 26. Juli 2011 abgelaufen.

73

bb) Die Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13. Mai 2011 im Bundesgesetzblatt (BGBl I S. 850) hat ausschließlich den aktuellen Wortlaut in übersichtlicher Form, jedoch ohne inhaltliche Änderungen bekannt gemacht und die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde daher nicht erneut in Gang gesetzt (vgl. BVerfGE 17, 364 <368 f.>).

74

cc) Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 (BGBl I S. 1112) ist der Wortlaut des § 6b Abs. 3 SGB II gegenüber der Vorfassung unverändert geblieben. Aus der Begründung des Gesetzentwurfes ergibt sich überdies, dass der Gesetzgeber die Norm nicht ändern und ihr keinen veränderten Inhalt oder eine vom bisherigen Verständnis abweichende Bedeutung geben wollte. Ausdrücklich heißt es dort, dass das Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofes unberührt bleibe und in der schon bisher geregelten Form aufrechterhalten werde (BTDrucks 17/1555, S. 16). Auch führen die neu in das Gesetz aufgenommenen Bestimmungen, insbesondere § 6b Abs. 4 SGB II, nicht dazu, dass § 6b Abs. 3 SGB II eine neue, den Beschwerdeführer zu 16. stärker als bisher belastende Wirkung erhalten hätte. § 6b Abs. 3 SGB II und § 6b Abs. 4 SGB II weisen inhaltlich keinerlei Bezug zueinander auf und begründen für unterschiedliche Institutionen unterschiedliche Befugnisse.

C.

75

Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. ist begründet. Im Übrigen sind die Verfassungsbeschwerden, soweit sie zulässig sind, unbegründet.

I.

76

Mit Art. 91e GG hat der verfassungsändernde Gesetzgeber für das Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine umfassende Sonderregelung getroffen, die in ihrem Anwendungsbereich die allgemeinen Vorschriften des Grundgesetzes verdrängt (1.). Die Vorschrift begründet eine unmittelbare Finanzbeziehung zwischen Gemeinden und Gemeindeverbänden und dem Bund und relativiert insoweit die Zweistufigkeit des Staatsaufbaus (2.). Art. 91e Abs. 2 GG räumt Gemeinden und Gemeindeverbänden eine von der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie geschützte Chance ein, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende alleinverantwortlich wahrzunehmen (3.). Zur näheren Ausgestaltung der mit der Zulassung kommunaler Träger nach Art. 91e Abs. 2 GG zusammenhängenden Rechtsverhältnisse zwischen den Kommunen und dem jeweiligen Land sowie zwischen den Kommunen und dem Bund weist Art. 91e Abs. 3 GG dem Bund eine abschließende Gesetzgebungskompetenz zu (4.).

77

1. Art. 91e GG enthält eine Spezialregelung für den Vollzug der Verwaltungsaufgabe Grundsicherung für Arbeitsuchende. Soweit er die Kommunen betrifft, konkretisiert er die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 119, 331 <356 f.>) (a). Dies belegen die Entstehungsgeschichte der Norm und ihre Stellung im Grundgesetz (b). Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Art. 91e GG bestehen nicht (c). Soweit sein Anwendungsbereich reicht, geht Art. 91e GG den Regelungen des Grundgesetzes über die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung sowie das Finanzwesen vor (d).

78

a) Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat mit Art. 91e GG für das Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine umfassende Sonderregelung geschaffen. Er hat damit auf das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember 2007 (BVerfGE 119, 331 ff.) reagiert, das die Unvereinbarkeit von § 44b SGB II a.F. mit Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 83 GG festgestellt hatte. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass sich die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in den Arbeitsgemeinschaften grundsätzlich bewährt habe und dass die Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen und Kommunen gewährleiste, dass die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen aus einer Hand betreut würden und Leistungen aus einer Hand erhielten. Diese Organisationsform solle daher als Regelfall fortgesetzt werden (BTDrucks 17/1554, S. 4). Der verfassungsändernde Gesetzgeber wollte mit Art. 91e GG somit den für verfassungswidrig erklärten, im politischen Raum aber für praktikabel befundenen Zustand aufrechterhalten und absichern. Zweck von Art. 91e GG ist es daher, die verfassungsrechtliche Grundlage für die Fortsetzung der Aufgabenwahrnehmung der aus den Agenturen für Arbeit und den kommunalen Trägern bestehenden Arbeitsgemeinschaften in gemeinsamen Einrichtungen zu schaffen und so sicherzustellen, dass die Zusammenarbeit in gemeinsamen Einrichtungen über das Jahr 2010 hinaus weitergeführt werden kann (BTDrucks 17/1554, S. 4).

79

b) Dass der verfassungsändernde Gesetzgeber für die Grundsicherung für Arbeitsuchende eine eigenständige Form der Verwaltungsorganisation schaffen wollte (vgl. Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 4), in der die Beteiligten, losgelöst von den übrigen Strukturen des Staatsaufbaus, zu einer Zusammenarbeit eigener Art finden, wird auch durch systematische Gesichtspunkte bestätigt. So war von Seiten der Bundesregierung zunächst vorgeschlagen worden, den nunmehrigen Art. 91e GG als Art. 86a oder Art. 87 Abs. 2a und Art. 125d GG in den VIII. und XI. Abschnitt des Grundgesetzes aufzunehmen (vgl. BTDrucks 17/182, S. 3; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 91e Rn. 18 ff.; ders., Der Landkreis 2009, S. 55 ff., 111 ff.) und die beabsichtigte Regelung insoweit in die überkommenen Verwaltungsstrukturen des Grundgesetzes einzupassen. Dem ist der verfassungsändernde Gesetzgeber jedoch nicht gefolgt, sondern hat Art. 91e GG in den Abschnitt VIIIa. des Grundgesetzes "Gemeinschaftsaufgaben, Verwaltungszusammenarbeit" eingefügt.

80

c) Bei Art. 91e GG handelt es sich um eine eng begrenzte Durchbrechung der grundsätzlich auf Trennung von Bund und Ländern angelegten Verteilung der Verwaltungszuständigkeiten nach den Art. 83 ff. GG (vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 11). Sie beschränkt sich auf die Regelung der Verwaltungs- und Finanzierungszuständigkeiten im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die in Art. 20 Abs. 1 bis Abs. 3 GG enthaltenen und durch Art. 79 Abs. 3 GG abgesicherten Systementscheidungen der Demokratie sowie des Rechts- und Bundesstaates stellt sie nicht in Frage. Die im Schrifttum teilweise geäußerte Auffassung, Art. 91e GG sei "verfassungswidriges Verfassungsrecht" (vgl. hierzu Hermes, in: Dreier, GG, Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 20 f.; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 13 ; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 11; Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 13 <32. Erg.-Lfg. VI/11>), vermag daher nicht zu überzeugen.

81

aa) Zwar durchbricht Art. 91e Abs. 1 GG das grundsätzliche Verbot der Mischverwaltung, das das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 20. Dezember 2007 nicht nur auf Art. 28 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 83 ff. GG gestützt, sondern auch mit Argumenten untermauert hat, die im Demokratieprinzip wurzeln (BVerfGE 119, 331 <365 f.>). Demokratie und Volkssouveränität erschöpfen sich im repräsentativ-parlamentarischen System des Grundgesetzes nicht in Zurechnungsfiktionen und stellen auch nicht nur formale Mindestanforderungen an den Legitimationszusammenhang zwischen dem Volk und den handelnden Staatsorganen. Sie sind vielmehr Rechtsprinzipien, die ihren praktischen Niederschlag in der Verfassungswirklichkeit finden müssen (vgl. BVerfGE 5, 85 <204 f.>; 107, 59 <91 f.>; 130, 76 <123 f.>; 131, 316 <334>). Die Wahlen zum Bundestag und zu den Volksvertretungen der Länder dienen so gesehen nicht nur der Kreation dieser Verfassungsorgane, sondern weisen auch eine real- wie personalplebiszitäre Dimension auf, welche die mit der Wahl verbundene politische Richtungsentscheidung auch konkret erfahrbar macht. Eine Verflechtung von Zuständigkeiten stellt sich vor diesem Hintergrund als Problem dar, weil sie dazu führen kann, dass der Auftrag des Wählers auf Bundes- oder Landesebene durch die Mitwirkung anderer Ebenen relativiert und konterkariert wird. Das gilt auch im Hinblick auf die Verwaltungskompetenzen. Demokratische Verantwortlichkeit setzt auch hier grundsätzlich eine hinreichend klare Zuordnung voraus. Der wahlberechtigte Bürger muss wissen können, wen er wofür - nicht zuletzt durch Vergabe oder Entzug seiner Stimme - verantwortlich machen kann. Daran fehlt es, wenn die Aufgaben durch Organe oder Amtswalter unter Bedingungen wahrgenommen werden, die eine solche Verantwortungszuordnung nicht ermöglichen (vgl. BVerfGE 119, 331 <366>). Das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG gebietet deshalb nicht nur eine weitgehende Normierung von Zuständigkeitszuweisungen, Verfahren und Aufsichtsrechtsverhältnissen, sondern enthält auch ein grundsätzliches Verbot der Mischverwaltung (vgl. BVerfGE 119, 331 <364 ff.>; 127, 165 <191 f.>).

82

bb) Die Anforderungen des Demokratieprinzips berühren sich insoweit mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 3 GG), der mit Blick auf die Verwaltungsräume von Bund und Ländern und im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes eine klare und auf Vollständigkeit angelegte Zuordnung von Kompetenzen der handelnden Staatsorgane gebietet. Auch das Rechtsstaatsprinzip verlangt mit Blick auf die für die Ausrichtung und das Verständnis der Verfassungsordnung maßgebliche Sicht des Bürgers zuallererst Klarheit der Kompetenzordnung.

83

cc) Das Gebot der Bundesstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 1 GG) schließlich gebietet in seinem verfassungsänderungsfesten Kern lediglich, dass den Ländern im Bereich aller drei Staatsfunktionen - Legislative, Exekutive und Judikative - Aufgaben von substantiellem Gewicht als "Hausgut" unentziehbar verbleiben (vgl. BVerfGE 34, 9 <19 f.>). Bestimmte Aufgaben werden damit nicht zugewiesen.

84

dd) Ein Verstoß von Art. 91e GG gegen Art. 79 Abs. 3 GG scheidet vor diesem Hintergrund aus. Ein absolutes Verbot der Mischverwaltung lässt sich weder aus dem Demokratie- noch aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes ableiten (vgl. BVerfGE 63, 1 <38 ff.>; 108, 169 <182>; 119, 331 <364 ff.>; 127, 165 <191>; siehe auch Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 13 <32. Erg.-Lfg. VI/11>). Die bundesstaatliche Kompetenzverteilung gilt hingegen ohnehin nur so, wie sie durch das Grundgesetz konkret ausgestaltet ist (vgl. BVerfGE 119, 331 <364>). Selbst wenn man - entgegen der sehr engen Interpretation von Art. 79 Abs. 3 GG durch das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 15. Dezember 1970 (BVerfGE 30, 1 <24 ff.>) - mit dem Sondervotum der Richter Geller, von Schlabrendorff und Rupp (vgl. BVerfGE 30, 1, 33 <39>) und Ansätzen in der jüngeren Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte (vgl. BayVerfGHE 52, 104 <122 ff.>; 53, 42 <60 ff.>; Thüringer Verfassungsgerichtshof, LVerfGE 12, 405 <424 ff.>) unverhältnismäßige Beschränkungen oder eine substantielle Erosion der in Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grundsätze einer Verfassungsänderung entzogen sieht, wird diese Schwelle hier nicht überschritten. Art. 20 Abs. 1 bis Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG hindern den verfassungsändernden Gesetzgeber nicht, in begrenzten Ausnahmefällen die konkreten Ausprägungen der dort verankerten Grundsätze aus sachgerechten Gründen zu modifizieren (vgl. BVerfGE 109, 279 <310>; 132, 195 <244> Rn. 118). Das hat er mit Art. 91e GG getan.

85

d) In seinem Anwendungsbereich verdrängt Art. 91e GG sowohl die Art. 83 ff. GG (aa) als auch Art. 104a GG (bb).

86

aa) Im Verhältnis zu Art. 83 ff. GG wirkt Art. 91e GG als abschließende Sonderregelung.

87

Dass Art. 91e GG eine Ausnahme vom Verbot der Mischverwaltung für die Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende enthält und auch das Verbot einer bundesgesetzlichen Aufgabenübertragung auf die Gemeinden und Gemeindeverbände (Art. 84 Abs. 1 Satz 7, Art. 85 Abs. 1 Satz 2 GG) insoweit nicht gilt (BTDrucks 17/1554, S. 5), ist offensichtlich (vgl. Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 4; Hermes, in: Dreier, GG, Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 48; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 31 ; Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 31 <32. Erg.-Lfg. VI/11>; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 22; Mager, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 91e Rn. 12). Der Umfang dieser Spezialregelung reicht jedoch weiter. Im Verfahren der Verfassungsänderung hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass im Bereich des Art. 91e GG auch die sonstigen Vorgaben der Art. 83 ff. GG, insbesondere Art. 84 Abs. 2 bis Abs. 5 GG, nicht gelten sollen: Die Aufsicht über die Aufgabenwahrnehmung durch die Optionskommunen nach Art. 91e Abs. 2 GG solle sich zwar an der Zuständigkeitsverteilung orientieren, die für die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit gelte. Sie solle jedoch "durch ein einheitliches und transparentes Steuerungssystem durch Zielvereinbarungen zwischen Bund und Ländern sowie entsprechende Zielvereinbarungen zwischen den jeweiligen Ländern und Optionskommunen ergänzt" werden (BTDrucks 17/1554, S. 5). Im Rahmen der Ausführungsgesetzgebung wurde in § 48 Abs. 2 Satz 3 SGB II zudem vorgesehen, dass die Bundesregierung die Ausübung der Rechtsaufsicht auf das Bundesministerium für Arbeit und Soziales übertragen kann, was auf der Grundlage von Art. 84 GG nicht möglich wäre. Wäre Art. 84 GG neben Art. 91e GG anwendbar, wären sowohl die in der Gesetzesbegründung skizzierten Aufsichtsstrukturen als auch § 48 Abs. 2 Satz 3 SGB II erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt (vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 48 f.; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 31 f. ; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 23). Der verfassungsändernde Gesetzgeber wollte offenkundig keine Regelung schaffen, die sich möglichst schonend in die allgemeinen Strukturen einfügt und als Ausnahme grundsätzlich restriktiv interpretiert werden müsste (vgl. Mehde, in: Beck'scher OK-GG, Art. 91e Rn. 13 <1. Juni 2014>; a.A. Hermes, in: Dreier, GG, Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 35). Er wollte vielmehr eine umfassende Absicherung der Verwaltungspraxis ermöglichen.

88

bb) Das zeigt auch die Regelung über die Kostentragung in Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG. Diese Bestimmung - wonach der Bund bei einer Aufgabenwahrnehmung durch Optionskommunen die Kosten trägt, soweit er dies auch im Regelfall des Art. 91e Abs. 1 GG täte - bedeutet in der Sache eine direkte Finanzierung kommunalen Verwaltungshandelns durch den Bund. Dies ermöglicht es zwar, die Verteilung der Finanzierungslasten zwischen Bund und Ländern im Übrigen unangetastet zu lassen, stellt in der Sache jedoch eine Abweichung von den Grundsätzen des Art. 104a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 5 GG dar (vgl. Mager, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 91e Rn. 10). Auch insoweit geht Art. 91e GG den allgemeinen Regelungen der Finanzverfassung vor.

89

2. Indem Art. 91e Abs. 2 GG unmittelbare Verwaltungs- und Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Optionskommunen herstellt, durchbricht er, wenn auch nur punktuell, die Zweistufigkeit des Staatsaufbaus der Bunderepublik Deutschland. Zwar sind die Gemeinden grundsätzlich den Ländern zugeordnet (a); eine klarere Trennung und Entflechtung der Aufgaben der unterschiedlichen staatlichen Ebenen war zudem ein zentrales Anliegen der Föderalismusreform des Jahres 2006 (b). Art. 91e GG enthält jedoch eine teilweise Abkehr von diesen Grundsätzen und Zielsetzungen (c).

90

a) Im zweistufigen Bundesstaat des Grundgesetzes sind die Kommunen - unbeschadet ihrer finanzverfassungsrechtlichen Absicherung durch Art. 28 Abs. 2 Satz 3, Art. 106 Abs. 5 bis Abs. 8 GG - grundsätzlich Teil der Länder (vgl. BVerfGE 39, 96 <109>; 119, 331 <364>). Ihre Aufgaben und ihr Finanzgebaren werden den Ländern zugerechnet (vgl. BVerfGE 86, 148 <215>).

91

aa) Nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist es daher grundsätzlich Sache der Länder, die staatlichen Aufgaben zu erfüllen und staatliche Befugnisse auszuüben (Art. 30 GG). Dazu gehört, dass die Länder die Bundesgesetze grundsätzlich in eigener Verantwortung und durch eigene Behörden ausführen (Art. 83 GG). Die Verwaltung des Bundes und die Verwaltung der Länder sind in Aufbau und Organisation voneinander getrennt (vgl. BVerfGE 108, 169 <182>; 119, 331 <364>). Die Verwaltungszuständigkeiten des Bundes und seine Ingerenzrechte in die Verwaltung der Länder sind in den Art. 83 ff. GG abschließend geregelt und können - soweit nichts anderes vorgesehen ist - grundsätzlich weder abbedungen (vgl. BVerfGE 32, 145 <156>; 41, 291 <311>; 63, 1 <39>; 119, 331 <364>) noch erweitert werden. Insoweit findet auch der Spielraum des Bundes zur organisatorischen Ausgestaltung der Verwaltung in den Kompetenz- und Organisationsnormen der Art. 83 ff. GG seine Grenzen (vgl. BVerfGE 63, 1 <39>; 119, 331 <365>). Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse des Bundes gleich welcher Art im Aufgabenbereich der Länder sind durch das Grundgesetz daher ausgeschlossen, soweit nicht die Verfassung dem Bund entsprechende Sach- und Verwaltungskompetenzen übertragen hat (vgl. BVerfGE 32, 145 <156>; 108, 169 <182>; 119, 331 <365>).

92

bb) Diese strikte Trennung von Bundes- und Länderhoheit setzt sich auch im Bereich der Finanzverfassung fort (vgl. Art. 104a Abs. 1, Art. 109 Abs. 1 GG) und wird mit Blick auf die Kommunen in Art. 106 Abs. 9 GG noch einmal ausdrücklich bestätigt.

93

b) Mit der Föderalismusreform des Jahres 2006 wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber eine noch klarere Trennung von Aufgaben und Befugnissen der unterschiedlichen staatlichen Ebenen erreichen und zu einer Entflechtung der Verantwortung gelangen (vgl. BVerfGE 127, 165 <197>; Bauer, in: Dreier, GG, Supplementum 2007, Art. 20 Rn. 11c; Trute, in: Starck, Föderalismusreform, 2007, Rn. 147 und 149; Burgi, in: Henneke, Kommunen in den Föderalismusreformen I und II, 2008, S. 44 <45 ff.>). Dementsprechend heißt es in der Begründung des einschlägigen Gesetzentwurfs, dass sich die bundesstaatliche Ordnung zwar grundsätzlich bewährt habe, jedoch von langwierigen und komplizierten Entscheidungsprozessen geprägt sei und dass sie an einer übermäßigen institutionellen Verflechtung von Bund und Ländern leide (BTDrucks 16/813, S. 7). Dem sollte durch eine Reihe von Verfassungsänderungen abgeholfen werden, unter anderem durch das in Art. 84 Abs. 1 Satz 7 und Art. 85 Abs. 1 Satz 2 GG normierte sogenannte Durchgriffsverbot (vgl. Trute, a.a.O., Rn. 174).

94

c) Art.91e GG bedeutet in der Sache eine punktuelle Abkehr von der Zielsetzung einer möglichst klaren Trennung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen (aa). Er begründet eine unmittelbare Finanzbeziehung zwischen dem Bund und den Optionskommunen und ermöglicht eine Finanzkontrolle, die sich von der Aufsicht wie auch von der Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof unterscheidet (bb).

95

aa) Aufsichtsbefugnisse über Behörden und Einrichtungen der Länder kommen dem Bund nur insoweit zu, als sie vom Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen werden. So räumt etwa Art. 84 GG dem Bund Einflussmöglichkeiten auf die Anwendung des von ihm gesetzten Rechts ein. Er soll die Möglichkeit haben, auf eine einheitliche Geltung der Rechtsvorschriften hinzuwirken (vgl. BVerfGE 11, 6 <18>; 127, 165 <203>) und für einen wirksamen Gesetzesvollzug zu sorgen (vgl. BVerfGE 22, 180 <210>; 127, 165 <203>). Dabei kommen ihm insbesondere die Rechte nach Art. 84 Abs. 3 und Abs. 4 GG zu (vgl. BVerfGE 39, 96 <109>; 127, 165 <203>). Zur Aufsichtskompetenz gehört auch die Möglichkeit der Aktenanforderung. Diese ist allerdings auf Fälle beschränkt, in denen es Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß gibt (vgl. BVerfGE 127, 165 <221>). Daneben besteht die Befugnis zur Akteneinsicht vor Ort durch den gemäß Art. 84 Abs. 3 Satz 2 GG entsandten Beauftragten. Ein unmittelbarer Durchgriff auf Behörden der Länder ist damit nicht verbunden; auch im Bereich der Bundesauftragsverwaltung sind Weisungen grundsätzlich an die oberste Landesbehörde zu richten (Art. 85 Abs. 3 Satz 2 GG). Diese ist zudem in den Vollzug der Weisung einzubinden (Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG). Ein unmittelbarer Durchgriff auf die Gemeinden war dem Bund - vom Sonderfall des Art. 106 Abs. 8 GG abgesehen - bislang grundsätzlich versagt. Namentlich war er weder berechtigt noch verpflichtet, deren finanzielle Verhältnisse ohne Einschaltung der Länder zu ordnen (vgl. BVerfGE 26, 172 <181 f.>).

96

bb) Art. 91e GG hat diese Rechtslage für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende teilweise modifiziert. Art. 91e Abs. 2 GG begründet eine direkte Finanzbeziehung zwischen dem Bund und der kommunalen Ebene (BTDrucks 17/1554, S. 5) und ermöglicht eine besondere Finanzkontrolle des Bundes, die sich von der Aufsicht (1) wie auch von der Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof (2) unterscheidet.

97

Zusammen mit der Finanzierungsbefugnis hat der verfassungsändernde Gesetzgeber dem Bund auch die Möglichkeit einer Finanzkontrolle eröffnet. Ohne eine solche Finanzkontrolle bestünde die Gefahr, dass Vollzugs- und Finanzierungsverantwortung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende auseinanderfallen und keine Anreize für ein wirtschaftliches und sparsames Verwaltungshandeln der Optionskommunen bestehen. Angesichts dieser verfassungsrechtlich ungewöhnlichen Konstellation hat der verfassungsändernde Gesetzgeber die Finanzbeziehungen in diesem eng abgegrenzten Bereich neu geordnet und dem Bund nicht nur die Finanzierungslast zugewiesen, sondern ihm auch die Befugnis wirksamer Finanzkontrolle eingeräumt. So wird in der Begründung zu dem Gesetzentwurf zum einen zwischen einer Finanzkontrolle und der Aufsicht unterschieden und zum anderen in Bezug auf Art. 91e Abs. 2 GG bestimmt, dass "das Bundesgesetz unter anderem Regelungen (…) zu Aufsicht, (…) Finanzkontrolle, Rechnungsprüfung und Leistungsbewertung sowie Übergangsbestimmungen bei Veränderung der Organisation der Gesetzesdurchführung treffen" werde (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 5; siehe hierzu bereits BVerfGE 127, 165 <203 f.>).

98

(1) Die (Rechts- und Fach-)Aufsicht über die Optionskommunen ist hingegen nicht Regelungsgegenstand von Art. 91e GG. Weder enthält der Wortlaut entsprechende Anhaltspunkte noch lassen sich der Entstehungsgeschichte, nach welcher der verfassungsändernde Gesetzgeber im Wesentlichen die ursprüngliche Rechtslage absichern wollte, solche Anhaltspunkte entnehmen (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 5). Die Aufsicht über Gemeinden und Gemeindeverbände bleibt insoweit Sache der Länder.

99

Die durch Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG ermöglichte Finanzkontrolle des Bundes hebt sich hinreichend von einer Aufsicht ab (vgl. hierzu BVerfGE 127, 165 <203 f.>). Während es bei der Wahrnehmung von Aufsichtsbefugnissen um ein auf Kontrolle zielendes Beobachten, in der Regel in einem hierarchischen Verhältnis, geht, das die Befugnis zum Einwirken auf die zu beaufsichtigende Stelle umfasst, so dass der Aufsichtsmaßstab gegebenenfalls zwangsweise durchgesetzt werden kann (vgl. Kahl, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2013, § 47 Rn. 12 m.w.N.), beschränkt sich die Finanzkontrolle des Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG auf die Überprüfung der Rechnungslegung, die Wirtschaftlichkeit der Ausgaben und die Durchsetzung eventueller Erstattungsansprüche. Sie dient nicht der Rückkopplung des Gesetzesvollzugs an die Absichten des Gesetzgebers und insbesondere nicht der Gewährleistung eines grundsätzlich einheitlichen Gesetzesvollzugs, sondern richtet sich ausschließlich auf die Kontrolle der finanziellen Auswirkungen der gesetzgeberischen Entscheidung, von der Möglichkeit des Art. 91e Abs. 2 GG Gebrauch zu machen (vgl. BVerfGE 127, 165 <203 f.>).

100

(2) Die Finanzkontrolle des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales unterscheidet sich aber auch von jener des Bundesrechnungshofs. Der Bundesrechnungshof ist ein zur unabhängigen Finanzkontrolle berufenes Organ, dessen Prüftätigkeit das allgemeine Verfassungsgebot der Kontrolle über die staatliche Finanzgewalt umsetzt und damit letztlich im Demokratieprinzip gründet (vgl. Hufeld, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, 3. Aufl. 2005, § 56 Rn. 10; Degenhart, VVDStRL 55 <1995>, S. 190 <204>; Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 <1995>, S. 231 <234>; Schwarz, DVBl 2011, S. 135 <136>). Dies legitimiert ihn, alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes zu prüfen und ihre Wirtschaftlichkeit zu bewerten. Ziel der Prüfung ist es allein, Missstände aufzuzeigen und ihre Beseitigung durch Mitteilung an die zuständigen Organe und gegebenenfalls durch Veröffentlichung zu bewirken. Die Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofes beschränkt sich jedoch auf eine reine Kontrolle; Mitentscheidungs- oder Sanktionsbefugnisse kommen ihm nicht zu. Seine Finanzkontrolle kann daher auch allenfalls mittelbar dazu beitragen, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu sichern, ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern und Fehlentwicklungen zu vermeiden (vgl. Bergel, Rechnungshöfe als vierte Staatsgewalt, 2010, S. 30). Die Finanzkontrolle nach Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG ist in ihrem Anwendungsbereich und ihrer Zielsetzung enger als jene des Bundesrechnungshofes, reicht hinsichtlich ihrer Befugnisse jedoch weiter. Sie bezieht sich ausschließlich auf die fiskalischen Interessen des Bundes, gestattet es ihm aber auch, öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche geltend zu machen und im Wege der Verrechnung durchzusetzen.

101

3. Art. 91e Abs. 2 GG räumt den Gemeinden und Gemeindeverbänden eine Chance ein, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als kommunale Träger alleinverantwortlich wahrzunehmen (a). Die gesetzliche Ausgestaltung dieser Chance muss willkürfrei erfolgen (b). Ihre Wahrnehmung fällt in den Schutzbereich der Garantie kommunaler Selbstverwaltung (c).

102

a) Art. 91e Abs. 2 GG räumt den Gemeinden und Gemeindeverbänden keinen Anspruch, wohl aber eine Chance darauf ein, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als sogenannte Optionskommune alleinverantwortlich wahrzunehmen. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut von Art. 91e Abs. 2 GG (aa) als auch aus dem in Art. 91e Abs. 1 und Abs. 2 GG angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnis (bb) und gilt unbeschadet des Umstandes, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, das "Optionsmodell" umzusetzen (cc).

103

aa) Nach Art. 91e Abs. 2 Satz 1 GG kann der Bund zulassen, dass eine begrenzte Anzahl von Gemeinden und Gemeindeverbänden die Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende allein wahrnimmt. Die Formulierung "eine begrenzte Anzahl" macht dabei deutlich, dass nicht alle Gemeinden und Gemeindeverbände die Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende allein wahrnehmen sollen, selbst wenn sie die in der Ausführungsgesetzgebung nach Art. 91e Abs. 3 GG niedergelegten Zulassungsvoraussetzungen erfüllen. Damit steht zugleich fest, dass es auch keinen verfassungsunmittelbaren Zulassungsanspruch zur alleinigen Aufgabenerfüllung gibt. Verfassungsrechtliche Ansprüche einer einzelnen Kommune aus Art. 91e Abs. 2 GG kommen nur insoweit in Betracht, als der Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, eine begrenzte Anzahl von Optionskommunen zuzulassen. Sie beschränken sich - der Rechtsstellung von Bewerbern um kontingentierte Zulassungen in anderen Bereichen des öffentlichen Rechts (vgl. BVerfGE 33, 303 <336>; 45, 393 <399>; 85, 36 <54>; 97, 298 <313>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. April 2001 - 1 BvR 1282/99 -, DVBl 2002, S. 400 <401>; vgl. auch BVerwGE 42, 296 <300>; 64, 238 <245>; 139, 210 <212>; BVerwG, Urteil vom 27. April 1984 - 1 C 24/82 -, NVwZ 1984, S. 585) vergleichbar - von vornherein auf eine chancengleiche Teilhabe an der Verteilung der zahlenmäßig begrenzten Optionsmöglichkeiten.

104

bb) Systematische Gesichtspunkte erhärten diesen Befund. Ausweislich des Nebeneinanders von Art. 91e Abs. 1 und Abs. 2 GG besteht zwischen der Aufgabenwahrnehmung in gemeinsamen Einrichtungen nach Art. 91e Abs. 1 GG und ihrer alleinigen Erfüllung durch Optionskommunen gemäß Art. 91e Abs. 2 GG ein Regel-Ausnahme-Verhältnis (BTDrucks 17/1554, S. 4) in dem Sinne, dass die Wahrnehmung der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch Optionskommunen die Ausnahme bleiben muss (vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 39; Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 9; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 15; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 27 ; Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 23 <32. Erg.-Lfg. VI/11>; Mager, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 91e Rn. 8; Luthe, ZfF 2011, S. 1).

105

cc) Ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Zulassung als Optionskommune scheitert schließlich auch daran, dass Art. 91e Abs. 2 Satz 1 GG es dem Gesetzgeber freistellt, das "Optionsmodell" überhaupt einzuführen. Hat er es eingeführt, kann er es auch wieder auslaufen lassen(vgl. Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 10).

106

b) Bei der Ausgestaltung der Zulassungschance nach Art. 91e Abs. 2 GG ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei. Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG vermitteln Gemeinden und Gemeindeverbänden keinen verfassungsrechtlich verankerten Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung der Zulassungschance, auf eine bestimmte Anzahl von Optionsmöglichkeiten oder auf deren Optimierung im Rahmen des dem Gesetzgeber eröffneten Gestaltungsspielraumes. Schafft der Gesetzgeber allerdings eine Verteilungssituation und eröffnet er Gemeinden und Gemeindeverbänden zumindest eine Chance auf das normativ verknappte Gut, so hat er dabei das allgemeine Willkürverbot in Gestalt des Gebotes interkommunaler Gleichbehandlung zu beachten (aa). Gemeinden und Gemeindeverbände können sich auf dieses Gebot berufen (bb). In Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip fordert es zumindest eine gleichmäßige Verteilung der knappen Optionsmöglichkeiten (cc).

107

aa) Zwar gelten die Grundrechte im Allgemeinen und das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG im Besonderen grundsätzlich nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts (vgl. BVerfGE 21, 362 <372 f.>; 26, 228 <244>; stRspr); sie gelten daher auch nicht für Gemeinden und Gemeindeverbände, die insoweit keine Grundrechtsträger im Sinne von Art. 19 Abs. 3 GG sind (vgl. BVerfGE 45, 63 <78 f.>; 61, 82 <100 ff.>). Dessen ungeachtet verpflichten das Bundesstaatsprinzip und das Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) Bund und Länder, mit Blick auf ihnen nachgeordnete Hoheitsträger das Gebot der Gleichbehandlung zu beachten.

108

Das gilt grundsätzlich auch mit Blick auf Gemeinden und Gemeindeverbände (vgl. BVerfGE 83, 363 <393>; zuvor bereits ähnlich BVerfGE 76, 107 <119>). Soweit Bund und Länder Verteilungsentscheidungen zwischen Gemeinden und Gemeindeverbänden vorsehen und durchführen, dürfen sie zwischen diesen jedenfalls nicht willkürlich differenzieren. Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot verbietet, einzelne Gemeinden oder Gemeindeverbände aufgrund sachlich nicht vertretbarer Differenzierungen zu benachteiligen oder zu bevorzugen, und ist verletzt, wenn für eine unterschiedliche Behandlung kein sachlicher Grund besteht. Der Gesetzgeber ist daher verpflichtet, Begünstigungen und Vorteile nach einheitlichen und sachlich vertretbaren Maßstäben auf die einzelnen Kommunen zu verteilen; auch dürfen die Modalitäten des Verteilungssystems nicht zu willkürlichen Ergebnissen führen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, LVerfGE 17, 103 <118>; Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, OVGE 53, 264 <270>; Landesverfassungsgericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Februar 2012 - LVerfG 37/10 -, NVwZ-RR 2012, S. 377 <379>; Kempny/Reimer, Die Gleichheitssätze, 2012, S. 26; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 23). Gefordert ist nicht die bestmögliche und gerechteste Lösung; angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist auch nicht entscheidend, ob eine Regelung notwendig oder gar unabweisbar ist. Vielmehr kommt ihm insoweit ein weiter Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, der gewahrt ist, wenn er sich auf eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung stützt (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, LVerfGE 17, 103 <118>; Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Februar 2012 - LVerfG 37/10 -, NVwZ-RR 2012, S. 377 <379>).

109

bb) Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 25. September 2008 - Vf. 54-VIII-08 - NVwZ 2009, S. 39 <44>; BbgVerfG, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, NVwZ-RR 2000, S. 129 <132>) ist Teil der durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten subjektiven Rechtsstellungsgarantie der Kommunen. Gemeinden und Gemeindeverbände können sich deshalb gegenüber dem Staat auf dieses Gebot berufen und seine Verletzung vor dem Bundesverfassungsgericht rügen (vgl. auch BVerfGE 23, 353 <372 f.>; 26, 228 <244>; 76, 107 <119>; 83, 363 <393 >).

110

cc) Fordert das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung eine gleichmäßige Verteilung knapper Mittel oder Güter zwischen den konkurrierenden Kommunen, so ist aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit ein transparentes Verteilungsverfahren zu gewährleisten (vgl. StGH BW, ESVGH 49, 241 <256 ff.>; Schoch, AfK 39 <2000>, S. 225 <240>; ders., in: Ehlers/Krebs, Grundfragen des Verwaltungsrechts und des Kommunalrechts, 2000, S. 93 <127 f.>; Meyer, LKV 2000, S. 1 <4 f.>).

111

Für den Bereich des Grundrechtsschutzes ist anerkannt, dass die in Ansehung einer Entscheidung betroffenen Grundrechte nach einer adäquaten Verfahrensgestaltung verlangen. Unter diesen Voraussetzungen kann ein materieller Zulassungsanspruch in Knappheitssituationen zu einem Anspruch auf chancengerechte Teilhabe am Verfahren reduziert werden, wobei die sachgerechte, rechtswahrende und faire Ausgestaltung des Verteilungsverfahrens der Minderung der Eingriffsintensität dient (vgl. BVerfGE 33, 303 <336>; 45, 393 <399>; 54, 173 <192 ff.>; 73, 280 <296>; 85, 36 <54>; BVerfGK 1, 292 <295>). Prozedurale Vorkehrungen sind auch dort erforderlich, wo eine nachgelagerte gerichtliche Kontrolle etwaige Grundrechtsverletzungen nicht mehr korrigieren kann (vgl. BVerfGE 53, 30 <65>; 63, 131 <143>; 65, 1 <44>; 84, 34 <46>; 90, 60 <95>; stRspr).

112

Dieser Grundgedanke gilt auch für die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (vgl. Gebhardt, Das kommunale Selbstverwaltungsrecht, 2007, S. 55 ff.). So hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem niedersächsischen Rück-Neugliederungsgesetz ausgesprochen, dass die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zu ihrem Schutz bestimmter prozeduraler Vorkehrungen, namentlich von Anhörungsrechten und Begründungspflichten bedarf (vgl. BVerfGE 86, 90 <107 f.; 110>). In der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte ist dieser Ansatz mit Blick auf Gebietsreformen und die Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs weiter ausgebaut worden (vgl. VerfGH NW, OVGE 30, 306 <307>; Nds.StGH, OVGE 33, 497 <499 f.>; ThürVerfGH, Urteil vom 28. Mai 1999 - VerfGH 39/97 -, LKV 2000, S. 31; SächsVerfGH, Urteil vom 25. September 2008 - Vf. 54-VIII-08 -, NVwZ 2009, S. 39 <40>; Gebhardt, a.a.O., S. 55 ff. m.w.N.).

113

c) Die Chance auf Zulassung als Optionskommune nach Art. 91e Abs. 2 GG wird durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützt (aa). Er gewährleistet grundsätzlich auch das Recht von Gemeinden und Gemeindeverbänden, die ihnen zugewiesenen Aufgaben eigenverantwortlich zu erledigen (bb). Dieses Recht besteht indes nur "im Rahmen der Gesetze" (cc).

114

aa) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG statuiert ein verfassungsrechtliches Aufgabenverteilungsprinzip hinsichtlich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugunsten der Gemeinden (vgl. dazu BVerfGE 79, 127 <150 f.>; 83, 363 <383>; 91, 228 <236>; 110, 370 <400>). Jenseits dessen enthalten weder Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG noch Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG eine inhaltlich umrissene Aufgabengarantie zugunsten von Gemeinden und Gemeindeverbänden. Insbesondere Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG knüpft lediglich an die vom Gesetzgeber zugewiesenen Aufgaben an, erschöpft sich hierin aber auch. Die kommunale Selbstverwaltung der Gemeindeverbände besteht insoweit nur nach Maßgabe der Gesetze. Allerdings muss der Gesetzgeber den Kreisen hinreichende Aufgaben des eigenen Wirkungskreises zuweisen und darf sich nicht ausschließlich auf die Zuweisung materiell staatlicher Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises beschränken (vgl. BVerfGE 83, 363 <383>; 119, 331 <353 f.>). Auch auf der Ebene der Kreise muss der Bestand an Selbstverwaltungsaufgaben für sich genommen und im Vergleich zu den zugewiesenen materiell staatlichen Aufgaben ein Gewicht haben, das der institutionellen Garantie der Kreise als Selbstverwaltungskörperschaften gerecht wird. Würden ihnen nur randständige, in Bedeutung und Umfang nebensächliche Aufgaben des eigenen Wirkungskreises zugewiesen, so wäre Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt (vgl. BVerfGE 119, 331 <353 f.>).

115

Hat der Gesetzgeber Kreisen und Gemeinden Aufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen, fällt deren Erledigung grundsätzlich in den Gewährleistungsbereich von Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG (vgl. BVerfGE 119, 331 <354> unter Bezugnahme auf NWVerfGH, Urteil vom 22. September 1992 - VerfGH 3/91 -, NVwZ-RR 1993, S. 486 <487>; Urteil vom 12. Dezember 1995 - VerfGH 5/94 -, NVwZ 1996, S. 1100; Urteil vom 9. Dezember 1996 - VerfGH 11, 12, 15, 34 u. 37/95 -, NVwZ 1997, S. 793 f.; RhPfVerfGH, Urteil vom 16. März 2001 - VGH 88/00 -, NVwZ 2001, S. 912 <914>; SachsAnhVerfG, Urteil vom 8. Dezember 1998 - LVG 10-97 -, NVwZ-RR 1999, S. 393 <396>; siehe auch Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Rn. 100 ; Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 231). Soweit der Gesetzgeber den Zugang zu einer kommunalen Aufgabe kontingentiert und den Kommunen lediglich eine entsprechende Chance eröffnet hat, ist der Gewährleistungsbereich von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 GG ebenfalls berührt. Das gilt auch für die durch Art. 91e Abs. 2 GG eröffnete Chance auf alleinige Aufgabenwahrnehmung der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

116

bb) Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet Gemeinden und Gemeindeverbänden ferner das Recht, die ihnen zugewiesenen Aufgaben eigenverantwortlich zu erledigen (vgl. BVerfGE 21, 117 <129>; 23, 353 <365>; 83, 363 <383>; 119, 331 <361>).

117

Eine Regelung gemeindlicher Angelegenheiten in eigener Verantwortung, wie sie Art. 28 Abs. 2 GG garantiert, ist ohne eine gewisse Selbstständigkeit bei der Organisation der Aufgabenwahrnehmung nicht vorstellbar (vgl. BVerfGE 91, 228 <237 f.>). Eine umfassende staatliche Steuerung der kommunalen Organisation widerspräche der vom Verfassungsgeber vorgefundenen und in Art. 28 Abs. 2 GG niedergelegten Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (vgl. BVerfGE 91, 228 <239>). Zu der von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden garantierten Eigenverantwortlichkeit gehört daher auch die Organisationshoheit (vgl. BVerfGE 38, 258 <278 ff.>; 52, 95 <117>; 78, 331 <341>; 83, 363 <382>; 91, 228 <236>). Sie gewährleistet den Gemeinden - Vergleichbares gilt nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG für die Gemeindeverbände (vgl. BVerfGE 21, 117 <129>; 23, 353 <365>; 83, 363 <383>; 119, 331 <361>; siehe auch Th. J. Schmidt, Kommunale Kooperation, 2005, S. 58) - das grundsätzliche Recht, die Wahrnehmung der eigenen Aufgaben, Abläufe und Entscheidungszuständigkeiten im Einzelnen festzulegen und damit auch über Gewichtung, Qualität und Inhalt der Entscheidungen zu befinden. Die Organisationshoheit von Gemeinden und Gemeindeverbänden verbietet Regelungen, die eine eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen ersticken würden. Zu ihr rechnet ferner die Möglichkeit, für die Wahrnehmung einzelner Verwaltungsaufgaben aus mehreren vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Organisationsformen auswählen zu können (vgl. Schmidt-Jortzig, in: von Mutius, Festgabe für von Unruh, 1983, S. 525 <527>).

118

cc) Die Organisationshoheit der Gemeinden und Gemeindeverbände erfasst sowohl den eigenen als auch den übertragenen Wirkungskreis (vgl. BVerfGE 83, 363 <382>; ebenso Schmidt-Jortzig, in: von Mutius, Festgabe für von Unruh, 1983, S. 525 <531> m.w.N.; Löwer, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 81 m.w.N.). Sie besteht indes gemäß Art. 28 Abs. 2 GG nur im Rahmen der Gesetze. Dementsprechend sind die Organisationsbefugnisse der Gemeinden oder Gemeindeverbände an Vorgaben des Gesetzgebers nicht nur gebunden (vgl. BVerfGE 83, 363 <382>; 91, 228 <238>); ihre Organisationshoheit gilt grundsätzlich nur nach Maßgabe der gesetzlichen Ausgestaltung.

119

Bei dieser Ausgestaltung setzt die Selbstverwaltungsgarantie dem Gesetzgeber allerdings insoweit Grenzen, als ihr Kernbereich nicht ausgehöhlt werden darf (vgl. BVerfGE 1, 167 <174 f.>; 79, 127 <146>; stRspr). Der Gesetzgeber muss zudem der geschichtlichen Entwicklung und den verschiedenen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 59, 216 <226>; 76, 107 <118>; 79, 127 <146>; stRspr) und ihnen bei der Ausgestaltung ihrer internen Organisation eine hinreichende (Mit-)Verantwortung für die organisatorische Bewältigung ihrer Aufgaben lassen. Seine Vorgaben dürfen die Gemeinden aus dieser Verantwortung nicht verdrängen. Daraus folgt nicht nur, dass den Gemeinden insgesamt nennenswerte organisatorische Befugnisse verbleiben müssen, sondern auch, dass ihnen ein hinreichender organisatorischer Spielraum bei der Wahrnehmung der jeweiligen Aufgabenbereiche offengehalten wird. Unterschiede zwischen Selbstverwaltungsaufgaben und Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises mögen dabei eine Rolle spielen; in keinem Fall darf jedoch ausgeschlossen werden, dass die Gemeinden im Bereich ihrer inneren Organisation individuell auf die besonderen Anforderungen vor Ort durch eigene organisatorische Maßnahmen reagieren können (vgl. BVerfGE 79, 127 <147>; 91, 228 <239 f.>). Die Organisation einer Kommune erschließt sich so erst aus dem Ineinandergreifen von staatlichen Vorgaben und eigenverantwortlichen kommunalen Organisationsentscheidungen.

120

4. Art. 91e Abs. 3 GG enthält einen umfassenden und weit zu verstehenden Gesetzgebungsauftrag zugunsten des Bundes. Der Bund verfügt insoweit über die Gesetzgebungskompetenz, die mit der Zulassung als kommunaler Träger zusammenhängenden Rechtsverhältnisse zu regeln (a). Für die Abgrenzung dieser Gesetzgebungskompetenz gelten die allgemeinen Grundsätze (b).

121

a) Nach Art. 91e Abs. 3 GG regelt "das Nähere" ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Die Vorschrift weist dem Bund eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu und enthält zugleich einen Gesetzgebungsauftrag (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 39 ; Mager, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 91e Rn. 11). Dieser ist bewusst weit gefasst und soll dem Bundesgesetzgeber bei der organisatorischen Ausgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen großen Spielraum eröffnen (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 39 ).

122

Der Stellung von Art. 91e GG im Gemeinschaftsaufgaben und Verwaltungszusammenarbeit gewidmeten VIIIa. Abschnitt des Grundgesetzes lässt sich entnehmen, dass Art. 91e Abs. 3 GG den Bundesgesetzgeber ermächtigt, Art und Weise des Vollzugs der in materiell-rechtlicher Hinsicht unter die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG fallenden Grundsicherung für Arbeitsuchende zu regeln. Das gilt sowohl für das Zusammenwirken von Bund und Ländern als auch für das von Bund und Gemeinden und Gemeindeverbänden. Es gilt für die nähere Ausgestaltung der gemeinsamen Einrichtungen (Art. 91e Abs. 1 GG) und für die Festlegung der Anzahl der Optionskommunen, die Kriterien für ihre Zulassung, das von ihnen durchzuführende Antragsverfahren und - im Falle der Zulassung - die Kostentragung (Art. 91e Abs. 2 GG). In der Begründung zu Art. 91e GG heißt es mit Blick auf Absatz 2, dass das Bundesgesetz "unter anderem Regelungen zur Festlegung der Anzahl der Optionskommunen, zu den Kriterien für die Zulassung von Optionskommunen, […] und zu Kostentragung, Aufsicht, […] Finanzkontrolle, Rechnungsprüfung […] treffen" werde, wobei "die Aufzählung nicht abschließend" sei. Bei der Wahrnehmung dieses Auftrags habe der Gesetzgeber zudem zu berücksichtigen, dass im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine Mischverwaltung als Regelfall und die alleinige Aufgabenwahrnehmung durch Kommunen als Ausnahmefall vorgesehen sei (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 5).

123

b) Aus dem Hinweis der Gesetzesbegründung auf die "zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes" folgt hingegen, dass die Regelungen des Grundgesetzes im Übrigen zu beachten sind. Namentlich will Art. 91e Abs. 3 GG nichts an der Verteilung der Sachgesetzgebungszuständigkeiten durch die Art. 70 ff. GG ändern. Für die Abgrenzung gelten die allgemeinen Regelungen. Besteht eine sachliche Verknüpfung eines Regelungsgegenstands mit den Materien verschiedener Gesetzgebungszuständigkeiten, so ist zunächst auf die wesensmäßige und historische Zugehörigkeit zu einem dieser Sachgebiete abzustellen (vgl. BVerfGE 7, 29 <40>; 36, 193 <203>). Teilregelungen eines umfassenden Regelungskomplexes dürfen dabei nicht aus ihrem Regelungszusammenhang gelöst und isoliert betrachtet werden. Kommt die Zuordnung einer solchen Regelung zu verschiedenen Kompetenzbereichen in Betracht, so ist aus dem Regelungszusammenhang zu erschließen, wo sie ihren Schwerpunkt hat. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, wie eng die fragliche Teilregelung mit dem Gegenstand der Gesamtregelung verbunden ist. Eine enge Verzahnung und ein geringer eigenständiger Regelungsgehalt der Teilregelung sprechen regelmäßig für eine Zuordnung zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung (vgl. BVerfGE 97, 228 <251 f.>).

II.

124

Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. gegen § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II begründet (1.). Soweit sich die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2. bis 15. gegen § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II (2.) und des Beschwerdeführers zu 16. gegen § 6b Abs. 4 SGB II richten (3.), sind sie unbegründet.

125

1. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. gegen § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II ist begründet. Die Rüge, das angegriffene Gesetz verstoße gegen die Gesetzgebungskompetenz der Länder (Art. 70 GG), kann das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde prüfen (a). § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II greift in die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ein (b). Der Sache nach stellt er eine Regelung des Kommunalverfassungsrechts dar, für das ausschließlich die Länder zuständig sind (c).

126

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt die Kommunalverfassungsbeschwerde des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG, auch wenn sie ausschließlich gegen Rechtsnormen gerichtet werden kann, nicht den Regeln der abstrakten Normenkontrolle. Gemeinden und Gemeindeverbände können sich im Rahmen dieses Verfahrens deshalb nur eingeschränkt darauf berufen, dass eine gesetzliche Regelung - über Art. 28 Abs. 2 GG hinaus - auch sonstiges Verfassungsrecht verletzt. Namentlich ist das Bundesverfassungsgericht nicht befugt, im Gefolge einer zulässigen Kommunalverfassungsbeschwerde gemäß § 91 BVerfGG die Begründetheitsprüfung beliebig auf andere Verfassungsbestimmungen auszuweiten (vgl. BVerfGE 119, 331 <356>).

127

Mit der Kommunalverfassungsbeschwerde gemäß § 91 BVerfGG gerügt werden kann jedoch, dass das angegriffene Gesetz unter Verstoß gegen die grundgesetzliche Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zustande gekommen ist, weil die Art. 70 ff. GG ihrem Inhalt nach geeignet sind, das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen. Nach Art. 70 GG gehören Gemeindeangelegenheiten grundsätzlich zur Gesetzgebungsbefugnis der Länder. Eingriffe des Bundesgesetzgebers in das kommunale Selbstverwaltungsrecht sind hiernach grundsätzlich ausgeschlossen, soweit nicht die Verfassung besondere Kompetenznormen bereithält, die den Bund auch zu einer Einschränkung der gemeindlichen Selbstverwaltung berechtigen (vgl. BVerfGE 1, 167 <176>; 56, 298 <310>). Das hat der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht zuletzt durch die Aufnahme der Art. 84 Abs. 1 Satz 7 und Art. 85 Abs. 1 Satz 2 in das Grundgesetz unterstrichen.

128

b) § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II beschränkt die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. Er verkürzt die von Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete Organisationshoheit der Gemeinden in ihrer konkreten gesetzlichen Ausgestaltung hinsichtlich der Art und Weise ihrer Willensbildung.

129

Die durch Art. 28 Abs. 2 GG verbürgte Organisationshoheit gestattet es den Kommunen, über ihre interne Organisation und Willensbildung grundsätzlich selbst zu entscheiden. Sie umfasst das Recht zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte und gewährleistet insoweit eine grundsätzliche Freiheit von staatlicher Reglementierung in Bezug auf die Art und Weise der Aufgabenerledigung (vgl. BVerfGE 119, 331 <362>). Art. 28 Abs. 2 GG verbürgt auch die Befugnis der Gemeinden und Gemeindeverbände, über "Ob", "Wann" und "Wie" bei der Wahrnehmung der ihnen zugewiesenen Aufgaben im Rahmen der Gesetze grundsätzlich eigenverantwortlich zu entscheiden. Ändert der Gesetzgeber daher die Vorgaben für die interne Organisation und Willensbildung von Gemeinden und Gemeindeverbänden, greift er damit zugleich in die konkrete Ausgestaltung der verfassungsrechtlich geschützten Organisationshoheit ein.

130

Dies ist bei § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II der Fall. Er bestimmt, dass der Antrag auf Zulassung als Optionskommune unter anderem einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder in der zuständigen Vertretungskörperschaft bedarf. Damit erschwert er, verglichen mit den allgemeinen Regelungen des Kommunalrechts (vgl. Art. 45 Abs. 1 BayLKrO; Art. 51 Abs. 1 BayGO, § 50 Abs. 1 GO-NW, § 35 KrO-NW, § 37 Abs. 6 GemOBW, § 32 Abs. 6 LKrOBW, § 39 Abs. 1 ThürKO, § 112 ThürKO), die Willensbildung in den Stadträten und Kreistagen und greift damit in die de lege lata bestehende Ausgestaltung der kommunalen Organisationshoheit ein. Die Vorschrift knüpft die Realisierung der vom Gesetzgeber eingeräumten Chance, die Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende allein zu erbringen, an zusätzliche Hürden. Im Fall des Beschwerdeführers zu 1. käme, obwohl sich eine Mehrheit des Kreistages - 36 von 60 Mitgliedern - für den Antrag auf Zulassung als Optionskommune ausgesprochen hatte, eine Realisierung der gesetzlich eröffneten Chance schon deshalb nicht mehr in Betracht.

131

c) § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II ist der Sache nach eine Regelung des Kommunalverfassungsrechts. Dieses fällt als Teil des Kommunalrechts in die Gesetzgebungskompetenz der Länder (aa). Etwas anderes folgt weder aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (bb) noch aus Art. 91e Abs.3 GG (cc) oder aus einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs (dd).

132

aa) Das Grundgesetz weist die Gesetzgebungszuständigkeit für das Kommunalrecht nicht dem Bund zu, sondern belässt sie bei den Ländern (vgl. BVerfGE 22, 180 <210>; 77, 288 <299>; vgl. auch BVerfGE 1, 167 <176>; 26, 172 <181>; 48, 64 <83>; 56, 298 <310>; 57, 43 <59>; 58, 177 <191 f.>). Das Kommunalrecht in diesem Sinne umfasst die Summe der Rechtssätze, die sich mit der Rechtsstellung, der Organisation, den Aufgaben sowie den Handlungsformen der kommunalen Körperschaften befassen. Darunter fällt auch das Gemeindeverfassungsrecht (vgl. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 70 Rn. 104 ) und insbesondere die Art und Weise der kommunalen Willensbildung (vgl. Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, § 1 Rn. 10).

133

§ 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II ist eine Regelung des Kommunalrechts. Er regelt das Zustandekommen von Beschlüssen in Stadträten und Kreistagen und betrifft damit die interne Willensbildung in den Kommunen, die Verwirklichung des Mehrheitsprinzips und der Demokratie auf kommunaler Ebene (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) und in gewissem Umfang auch die funktionale Zuständigkeitsverteilung zwischen den Organen der in Rede stehenden Kommune. Die interne Willensbildung in den Kommunen und das Zusammenwirken zwischen den unterschiedlichen Organen der Kommune wird in allen Ländern in den jeweiligen Kommunalordnungen geregelt (vgl. Art. 51 Abs. 1 BayGO, Art. 45 Abs. 1 BayLKrO, § 50 Abs. 1 GO-NW, § 35 KrO-NW, § 37 Abs. 6 GemOBW, § 32 Abs. 6 LKrOBW, § 39 Abs. 1 ThürKO, § 112 ThürKO) und ist ein wesentlicher Teil des Kommunal(verfassungs)rechts. Dieses bestimmt, wie die Willensbildung innerhalb einer Kommune abzulaufen hat und wie die Gewichtsverteilung zwischen Bürgermeister und Gemeinderat beziehungsweise Landrat und Kreistag auszugestalten ist. Wäre dies anders, könnte der Bund in allen Bereichen, in denen er eine Gesetzgebungskompetenz besitzt, auch Vorgaben über die Beschlussfähigkeit der kommunalen Vertretungskörperschaften, die Form der Beschlussfassung oder den Ablauf der Sitzungen treffen. Die den Ländern zustehende Gesetzgebungskompetenz für das Kommunalrecht liefe damit leer.

134

bb) Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für "die öffentliche Fürsorge" aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG vermag die angegriffene Regelung des § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II nicht zu stützen.

135

(1) Zwar ist der Begriff der "öffentlichen Fürsorge" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht eng auszulegen (vgl. BVerfGE 88, 203 <329 f.>; 97, 332 <341>). Zu dieser Materie gehören nicht nur Bestimmungen darüber, was die Träger der Fürsorge an materiellen Fürsorgeleistungen zu erbringen haben und auf welche Weise dies geschehen soll. Der Regelungsbereich des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG umfasst auch organisatorische Vorschriften über die Abgrenzung öffentlicher und privater Träger (vgl. BVerfGE 22, 180 <203>; 106, 62 <133 f.>).

136

Bei der Bestimmung der Reichweite der aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG folgenden Gesetzgebungskompetenz ist jedoch Zurückhaltung geboten, wenn mit ihr Regelungen gerechtfertigt werden sollen, von denen nach dem Grundgedanken der Art. 70 ff. GG anzunehmen ist, dass der Regelungsgegenstand im Wesentlichen oder weitgehend in der Kompetenz der Länder verbleiben soll. Das gilt insbesondere mit Blick auf das Kommunalrecht, das nicht nur zum "Hausgut" jener Zuständigkeiten zählen dürfte, das die Organisationshoheit der Länder prägt und den Ländern daher unentziehbar verbleiben muss, sondern das der verfassungsändernde Gesetzgeber im Jahre 2006 auch noch mit einem generellen Durchgriffsverbot gegen Zugriffe des Bundes abgesichert hat (Art. 84 Abs. 1 Satz 7, Art. 85 Abs. 1 Satz 2 GG). Damit hat er auch punktuelle Übergriffe des Bundes, wie sie aufgrund seiner Zuständigkeiten zur Regelung des Verwaltungsvollzugs nach der alten Rechtslage möglich waren (vgl. BVerfGE 22, 180 <209 f.>; 77, 288 <299>), ausgeschlossen. Im Hinblick auf organisationsrechtliche Regelungen ist zudem zu bedenken, dass die Verfassung zwischen der materiellen Gesetzgebungskompetenz in Art. 70 ff. GG und der Regelung von Behördenorganisation und Verwaltungsverfahren in Art. 83 ff. GG unterscheidet und dies nicht durch eine extensive Interpretation von dem Vollzug dienenden Vorschriften wie Art. 91e GG unterlaufen werden darf.

137

(2) Hieran gemessen kann § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II nicht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG gestützt werden. Das Erfordernis einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen in der zuständigen Vertretungskörperschaft der Kommune regelt keine rein organisatorische Frage bei der Erbringung sozialrechtlicher Leistungen, sondern die Art und Weise der Willensbildung auf kommunaler Ebene (). Gegen die Annahme, die Regelung könne auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG gestützt werden, spricht zudem die Existenz des Art. 91e GG selbst ().

138

(a) Das Erfordernis einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen in der zuständigen Vertretungskörperschaft der Kommune regelt die Art und Weise der Willensbildung auf kommunaler Ebene. Mit der qualifizierten Mehrheit des § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II statuiert der Gesetzgeber verfahrensrechtliche Anforderungen an die Willensbildung der Kommunen, also die Voraussetzungen, unter denen sie zu einer rechtlich relevanten Willensbildung in der Lage sind. Nach der Auffassung des Gesetzgebers soll mit § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II "eine sorgfältige und ausführliche politische Meinungsbildung" sichergestellt werden, welche die Gewähr für "eine langfristig angelegte, umfassend aktiv unterstützte und nachhaltige Aufgabenwahrnehmung" bietet. Dies stelle sicher, dass für die alleinige Wahrnehmung der Aufgaben ein hoher Grad an Akzeptanz vorhanden und die für eine nachhaltige Aufgabenwahrnehmung unabdingbare Kontinuität der Verwaltungsstrukturen gewährleistet sei (vgl. BTDrucks 17/1555, S. 18). Wäre § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II gültig, verdrängte er in seinem Anwendungsbereich die kommunalrechtlichen Regelungen über Form und Verfahren der Beschlussfassung in den Gemeinderäten und Kreistagen und würde sie - da er denselben Gegenstand mit unterschiedlichen Rechtsfolgen regelt - nach Art. 31 GG brechen. Denn er weist denselben Regelungsgegenstand auf wie etwa Art. 51 Abs. 1 BayGO, Art. 45 Abs. 1 BayLKrO, § 50 Abs. 1 GO-NW, § 35 KrO-NW, § 37 Abs. 6 GemOBW, § 32 Abs. 6 LKrOBW, § 39 Abs. 1 ThürKO, § 112 ThürKO und vergleichbare Bestimmungen, an deren kompetenzrechtlicher Zulässigkeit keine Zweifel bestehen. Ist die Festlegung der Mehrheitserfordernisse in den kommunalen Repräsentativkörperschaften aber eine Regelung des Kommunalrechts, dann kann sie nach der Systematik der Art. 70 und Art. 72 Abs. 1 GG nicht zugleich eine solche des Sozialrechts sein.

139

Dem steht auch die Rechtsprechung des Senats zur grundsätzlich weiten Interpretation von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (vgl. BVerfGE 22, 180 <212 f.>; 106, 62 <133 f.>) nicht entgegen. Die dort entschiedenen Fälle betrafen die Regelung des Zusammenwirkens und Nebeneinanders von öffentlicher Hand und Privaten und damit Rechte und Pflichten in einem fürsorgerechtlichen Rechtsverhältnis. § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II betrifft dagegen nicht das Rechtsverhältnis, in dem das Zusammenwirken von Bund und Gemeinden oder Gemeindeverbänden bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende näher ausgestaltet wird und Antragserfordernisse, Formvorschriften oder Mitwirkungshandlungen statuiert werden. Er regelt vielmehr, nach welchen Regeln die interne Willensbildung bei einem der Beteiligten im Vorfeld des Zusammenwirkens mit Bund und Ländern zu erfolgen hat. Das Rechtsverhältnis zwischen Kommune und Bund, das insoweit allein möglicher Anknüpfungspunkt für eine Regelung auf der Grundlage von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG sein könnte, ist somit nicht Regelungsgegenstand der Norm, mag diese auch reflexartige Rückwirkungen auf die Interessen des Bundes haben, indem sie dazu beitragen kann, die Anzahl der antragstellenden Kommunen zu begrenzen und das Risiko zu reduzieren, dass sich einmal zugelassene Optionskommunen aus der Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 6a Abs. 7 SGB II wieder zurückziehen.

140

(b) Gegen die Annahme, die organisatorische beziehungsweise verfahrensrechtliche Regelung des § 6a Abs. 2 Satz 3 GG könne auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG gestützt werden, spricht zudem die Stellung des Art. 91e GG im VIIIa. Abschnitt des Grundgesetzes. Die Regelungen über die gemeinsamen Einrichtungen und die Optionskommunen wurden nach längerer Debatte (vgl. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 16) an dieser Stelle eingefügt, weil es auch nach Auffassung des verfassungsändernden Gesetzgebers um eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Mischverwaltung ging, also um den Vollzug des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches und damit zusammenhängende Fragen der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens. Dies unterstreicht die Systematik des Grundgesetzes, nach der die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren gerade keine Frage der Sachgesetzgebungskompetenzen sind und schließt es aus, für eine den Vollzug des materiellen Sozialrechts betreffende Regelung auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zurückzugreifen.

141

cc) Eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich auch nicht aus Art. 91e Abs. 3 GG. Auf dieser Grundlage kann der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen für die Zulassung von Gemeinden und Gemeindeverbänden als Optionskommunen regeln, insbesondere deren Anzahl sowie Kriterien für die Zulassung festlegen. Auf die Art und Weise der internen Willensbildung der Kommunen erstreckt sich seine Regelungskompetenz jedoch nicht.

142

(1) Nach Art. 91e Abs. 3 GG regelt das Nähere über das Zusammenwirken von Bund und Ländern oder der nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Die Vorschrift weist dem Bund eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu und enthält zugleich einen Gesetzgebungsauftrag, der bewusst weit gefasst wurde und dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung einen großen Spielraum lassen soll (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 39 ). In der Sache bezieht er sich, wie dargelegt, auf die nähere Ausgestaltung der gemeinsamen Einrichtungen (Art. 91e Abs. 1 GG), die Anzahl möglicher Optionskommunen, das von ihnen zu durchlaufende Verfahren und - im Falle der Zulassung - die Kostentragung für die Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG).

143

(2) Auch wenn diese Aufzählung nicht abschließend ist, kann § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II nicht auf Art. 91e Abs. 3 GG gestützt werden. Weder kann das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit in der zuständigen Repräsentativkörperschaft als Zulassungskriterium angesehen werden noch darf der Gesetzgeber über den Regelungsgehalt von Art. 91e Abs. 1 und 2 GG hinausgehen.

144

In der Begründung zu Art. 91e GG hat der verfassungsändernde Gesetzgeber unter anderem betont, dass sich der Gesetzgeber "an die zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes zu halten" habe (BTDrucks 17/1554, S. 5) und damit deutlich gemacht, dass Art. 91e GG nichts an der in Art. 70 ff. und 109 GG niedergelegten Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ändern will. Art. 91e Abs. 3 GG erlaubt vor diesem Hintergrund zwar den Erlass von Vorschriften "zur Festlegung der Anzahl der Optionskommunen" und "zu den Kriterien für die Zulassung von Optionskommunen". Insoweit sind Regelungen über das Erfordernis einer Antragstellung durch die kommunalen Träger und das verfahrensmäßige Zusammenwirken der Kommunen mit anderen Verwaltungsträgern - ähnlich wie bei dem auf Art. 84 Abs. 1 GG gestützten Erfordernis des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB - Teil der auf die Vollziehung der Verwaltungsaufgabe gerichteten Regelung und gestalten die Rechtsverhältnisse zwischen dem Bund und der Kommune beziehungsweise dem Land und der Kommune näher aus. Der Regelungsgehalt von § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II betrifft dagegen nicht die Rechtsverhältnisse zwischen der antragstellenden Kommune und dem Bund oder dem Land, sondern die interne Organisation der Kommunen. Mit dem Erfordernis der Zwei-Drittel-Mehrheit in den zuständigen Vertretungskörperschaften regelt er die Modalitäten ihrer Beschlussfassung und modifiziert damit nicht nur die Anforderungen an die demokratische Willensbildung in den Kommunen, sondern auch die funktionale Zuständigkeitsverteilung zwischen ihren Organen. Als in der Sache kommunalrechtliche Vorschrift ist § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II nicht von Art. 91e Abs. 3 GG gedeckt.

145

dd) Dem Bund steht schließlich auch keine Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs zu. Eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ist von vornherein nur dann anzuerkennen, wenn eine Materie verständiger Weise nicht geregelt werden kann, ohne dass zugleich eine dem Bund nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also das Übergreifen in die Gesetzgebungskompetenz der Länder unerlässliche Voraussetzung für die Regelung der in Rede stehenden Materie ist (vgl. BVerfGE 3, 407 <421>; 8, 143 <149>; 12, 205 <237>; 15, 1 <20>; 26, 246 <256>; 26, 281 <300>; 97, 228 <251>; 98, 265 <299>; 106, 62 <114 f.>; stRspr). Die umfassende Regelung eines den Ländern vorbehaltenen Bereichs ist dem Bund in keinem Fall eröffnet (vgl. BVerfGE 61, 149 <205>; 98, 265 <299>; 106, 62 <115>).

146

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Es liegt schon fern, dass eine Frage der internen Willensbildung der kommunalen Repräsentativkörperschaften eine zentrale Bedeutung für die Aufgabenerledigung durch sogenannte Optionskommunen haben sollte. Mag das Antragserfordernis sicherstellen, dass die Kommune die Aufgabe aus eigenem Antrieb übernimmt, und dazu beitragen, dass sie sich an diesem rechtserheblichen Schritt festhalten lassen muss, so ist die Frage, auf welche Weise die dem Antrag zugrunde liegenden Beschlüsse zustande kommen, für die Aufgabenwahrnehmung nachrangig und für die organisatorische Ausgestaltung insgesamt unbedeutend. Schon der Blick auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 zeigt, dass die Regelung des § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II keineswegs unerlässlich ist, um eine Behördenstruktur zu schaffen, die die Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Zielsetzung des Gesetzgebers entsprechend erfüllen kann (ebenso Luthe, in: Hauck/Noftz/Voelzke, SGB II, § 6a Rn. 11 ; ders., ZfF 2011, S. 1 <3>). Nach § 6a Abs. 2 Satz 1 SGB II a.F. wurden kommunale Träger auf Antrag vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit als Träger im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 durch Rechtsverordnung zugelassen, wenn sie sich zur Schaffung einer besonderen Einrichtung nach § 6a Abs. 6 SGB II a.F. und zur Mitwirkung an der Wirkungsforschung nach § 6c SGB II<2004> verpflichtet hatten. Weitergehende Anforderungen wurden zum damaligen Zeitpunkt als nicht erforderlich angesehen. Vollzugsprobleme haben sich daraus nicht ergeben. Wie die mündliche Verhandlung gezeigt hat, ist es auch nicht zu einem nennenswerten Rückzug von Optionskommunen gekommen.

147

d) § 6a Abs. 2 Satz 3 1.Halbsatz SGB II verletzt danach Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 70 GG. Im Hinblick auf einen geordneten Gesetzesvollzug im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist § 6a Abs. 2 Satz 3 1. Halbsatz SGB II für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären. Die Vorschrift gilt für bestehende Zulassungen fort (vgl. BVerfGE 103, 1 <1, 19 f.>). Sie darf in neuen Zulassungsverfahren nach § 6a SGB II nicht mehr angewandt werden. Die bisher ergangenen Zulassungsentscheidungen bleiben unberührt. Das gilt insbesondere für die Zweite Verordnung zur Änderung der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 14. April 2011 (BGBl I S. 645).

148

aa) Verstößt eine Norm gegen das Grundgesetz, führt dies in der Regel zur Nichtigkeit der angegriffenen Vorschrift. Die bloße Unvereinbarkeitserklärung, verbunden mit der Anordnung einer teilweisen Fortgeltung der verfassungswidrigen Regelung kommt statt der gesetzlich vorgesehenen Nichtigkeit als Rechtsfolge dann in Betracht, wenn es aus verfassungsrechtlichen Gründen unabdingbar ist, eine verfassungswidrige Vorschrift für eine Übergangszeit fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige (vgl. BVerfGE 119, 331 <382 f.> m.w.N.). Neben den Grundrechten (vgl. BVerfGE 83, 130 <154>; 92, 158 <186>) werden vor allem das Rechts- und das Sozialstaatsprinzip (vgl. BVerfGE 37, 217 <261>; 73, 40 <101 f.>; 119, 331 <383 f.>) als verfassungsrechtliche Gründe anerkannt, welche die befristete Weitergeltung einer nicht verfassungskonformen Regelung rechtfertigen können. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn mit der Nichtigerklärung der angegriffenen Regelung ein rechtliches Vakuum aufträte und sowohl bei den Behörden als auch bei den Rechtsunterworfenen Unsicherheit über die Rechtslage entstünde (vgl. BVerfGE 37, 217 <261>; 73, 40 <102>; 92, 53 <74>). Die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Rechtslage mit dem Grundgesetz darf auch nicht dazu führen, dass der Verwaltung zeitweilig die Erfüllung verfassungsrechtlicher Pflichtaufgaben mangels hinreichender gesetzlicher Grundlage unmöglich gemacht wird (vgl. BVerfGE 83, 130 <152 ff.>; auch 51, 268 <290 f.>).

149

bb) Danach ist § 6a Abs. 2 Satz 3 1. Halbsatz SGB II lediglich für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären, um zu verhindern, dass durch die Nichtigerklärung der angegriffenen Regelung bei den betroffenen Behörden und Rechtsunterworfenen Unsicherheit über die Rechtslage entsteht, und um eine wirkungsvolle, durch das Sozialstaatsprinzip gebotene Aufgabenwahrnehmung zu ermöglichen. Die durch die Grundsicherung für Arbeitsuchende gewährten Leistungen decken weite Bereiche der Sozialleistungen des Staates ab. Bei einer Nichtigerklärung könnten die Aufgaben ab sofort nicht mehr einheitlich durch alle zugelassenen Optionskommunen wahrgenommen werden. Hiervon wären eine hohe Zahl von Leistungsempfängern und die Mitarbeiter der Kommunen betroffen. Ohne die Aufrechterhaltung der Regelung für die Vergangenheit ist es nicht möglich, eine geordnete Sozialverwaltung sicherzustellen (vgl. BVerfGE 119, 331 <383>).

150

Als Folge der Übergangsregelung kann auch der Beschwerdeführer zu 1. derzeit nicht als Optionskommune zugelassen werden. Er wird einen neuen Antrag stellen müssen (vgl. BVerfGE 103, 1 <20>).

151

2. Im Übrigen sind die Verfassungsbeschwerden unbegründet. Gegen die Vorschrift des § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Regelung ist formell verfassungsgemäß (a). Mit § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II füllt der Bundesgesetzgeber in nicht zu beanstandender Weise den ihm eingeräumten Gestaltungsauftrag aus (b). Die Festlegung der Anzahl möglicher kommunaler Träger auf 25 Prozent der zum 31. Dezember 2010 bestehenden Aufgabenträger verstößt auch nicht gegen Art. 28 Abs. 2 GG (c). Der Gesetzgeber hat das Verteilungsverfahren schließlich hinreichend bestimmt ausgestaltet; die Verordnungsermächtigung des § 6a Abs. 3 SGB II ist insoweit nicht zu beanstanden (d).

152

a) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II ergibt sich aus Art. 91e Abs. 3 GG. Danach regelt das Nähere im Hinblick auf Organisation und Verfahren bei der Erledigung der Verwaltungsaufgabe "Grundsicherung für Arbeitsuchende" ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Zum "Näheren" gehört neben Regelungen über die Ausgestaltung des Zulassungs- und Verteilungsverfahrens sowie die Organisation der Aufgabenerfüllung auch die Festlegung der Anzahl zuzulassender Optionskommunen. In der Begründung zu Art. 91e GG ist im Hinblick auf Absatz 2 insoweit ausdrücklich davon die Rede, dass das Bundesgesetz Regelungen über die Festlegung der Anzahl der Optionskommunen treffen werde (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 5). Mit § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II hat der Gesetzgeber die Anzahl möglicher Optionskommunen auf 25 Prozent festgelegt und insoweit das Nähere zu Art. 91e Abs. 2 GG geregelt. Dazu ist er durch Art. 91e Abs. 3 GG ermächtigt.

153

b) Art. 91e Abs. 3 GG eröffnet dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum für die Ausgestaltung des Verwaltungsvollzugs in alleiniger Trägerschaft der Kommunen (aa). Dessen Grenzen überschreitet § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II nicht (bb).

154

aa) Indem Art. 91e Abs. 3 GG den Bundesgesetzgeber ermächtigt, "das Nähere" zu regeln, räumt er ihm grundsätzlich einen nicht unerheblichen Spielraum bei der Ausgestaltung des Vollzugs der Verwaltungsaufgabe "Grundsicherung für Arbeitsuchende" in alleiniger Verantwortung der Kommunen ein (vgl. Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 12; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 39 ). Inhaltlich geben Art. 91e Abs. 1 und Abs. 2 GG allerdings ein Regel-Ausnahme-Verhältnis vor: Die Aufgabenwahrnehmung in gemeinsamen Einrichtungen soll danach die Regel sein, die alleinige Aufgabenwahrnehmung durch Optionskommunen die Ausnahme. Dies belegen sowohl der Wortlaut des Art. 91e GG (1) als auch seine systematische Stellung und seine Entstehungsgeschichte (2).

155

(1) Bereits dem Wortlaut des Art. 91e GG lässt sich entnehmen, dass das Grundgesetz die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgabe "Grundsicherung für Arbeitsuchende" in gemeinsamen Einrichtungen als Regelfall vorsieht. In diesem Sinne ist in Art. 91e Abs. 2 GG davon die Rede, dass der Bund zulassen "könne", dass eine "begrenzte Anzahl von Gemeinden und Gemeindeverbänden" auf ihren Antrag und mit Zustimmung der obersten Landesbehörde die Aufgaben nach Absatz 1 allein wahrnimmt. Nicht nur die Formulierung "eine begrenzte Anzahl" weist dabei auf ein "Regel-Ausnahme-Verhältnis" (BTDrucks 17/1554, S. 4) hin; auch die ausdrückliche Eröffnung eines gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ("kann zulassen") unterstreicht dies.

156

(2) Art. 91e GG stellt eine allein auf den Vollzug der Verwaltungsaufgabe Grundsicherung für Arbeitsuchende zugeschnittene abschließende Spezialregelung dar. Er wurde bewusst in den Abschnitt VIIIa. "Gemeinschaftsaufgaben, Verwaltungszusammenarbeit" aufgenommen und ordnet ausweislich des Art. 91e Abs. 1 GG grundsätzlich eine Mischverwaltung als Regelfall an. Soweit Art. 91e Abs. 2 GG in diesem Zusammenhang ausnahmsweise auch einen Vollzug durch Optionskommunen vorsieht, stellt er die Grundentscheidung des Art. 91e Abs. 1 GG für den Vollzugstyp der Mischverwaltung nicht in Frage. Art. 91e Abs. 2 GG ist insoweit - anders als in der Literatur zum Teil angenommen wird (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 31 ; Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 31 <32. Erg.-Lfg. VI/11>; Hermes, in: Dreier, GG, Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 48; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 22) - keine Norm, die einen Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen über die Landesexekution gemäß Art. 83 f. GG wieder eröffnete (BTDrucks 17/1554, S. 4), sondern eine spezifische Ausnahmevorschrift von einer ihrerseits abschließenden Spezialregelung.

157

bb) Aus dem Wortlaut des Art. 91e Abs. 2 GG lässt sich eine konkrete Anzahl möglicher Optionskommunen nicht ableiten (1). Die mit § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II vorgenommene Konkretisierung des von Art. 91e Abs. 1 und Abs. 2 GG vorgegebenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses hält sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben (2).

158

(1) Der Gesetzgeber ist im Rahmen der Vorgaben des Art. 91e Abs. 3 GG grundsätzlich frei, die Anzahl der möglichen Optionskommunen aufgrund politischer Dezision festzusetzen. Soweit im Schrifttum die Auffassung vertreten wird, die Festlegung auf 25 Prozent sei willkürlich und daher verfassungswidrig (Hermes, in: Dreier, GG, Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 42; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 27 ; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 20), vermag dies nicht zu überzeugen. Zwar hat die Begrenzung auf 25 Prozent in der Tat lediglich in den Gesetzgebungsmaterialien Niederschlag gefunden (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 4; 17/2192, S. 2), nicht jedoch im Wortlaut des Art. 91e Abs. 2 GG. Auch lassen sich der Norm über das Regel-Ausnahme-Verhältnis hinaus keine weiteren Kriterien für dessen Konkretisierung entnehmen. Das macht die Bestimmung des Art. 91e Abs. 2 GG jedoch nicht verfassungswidrig, sondern hat lediglich zur Folge, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Verfassung und unter Beachtung des Mehrheitsprinzips (Art. 42 Abs. 2 GG) nach seinen politischen Präferenzen über die Konkretisierung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses entscheiden kann. Er ist dabei rechtlich auch nicht an im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens getroffene politische Absprachen gebunden. Den auf die Einführung eines 25-Prozent-Quorums zielenden Absichtserklärungen in den Gesetzgebungsmaterialien (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 4) kommt, für sich genommen, insoweit kein verfassungsrechtlicher Gehalt zu.

159

Mit dem Tatbestandsmerkmal der "begrenzten Anzahl" gibt Art. 91e Abs. 2 GG einen deutlichen Anhaltspunkt dafür vor, dass der Gesetzgeber das Regel-Ausnahme-Verhältnis weitgehend frei konkretisieren darf (vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 20). Da sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis bereits aus dem Nebeneinander von Art. 91e Abs. 1 und 2 GG ergibt, wäre die Aufnahme dieses unbestimmten Verfassungsbegriffs nicht erforderlich gewesen. Spezifischen Bedeutungsgehalt erfährt er daher nur, wenn er als die Bekräftigung der Befugnis des Gesetzgebers verstanden wird, die Anzahl der zuzulassenden Optionskommunen weitgehend nach politischen Präferenzen zu bestimmen.

160

(2) Mit der Festlegung auf 25 Prozent hat der Gesetzgeber die bereits im Verfahren zur Einführung von Art. 91e GG avisierte Zielgröße übernommen und den politischen Erwartungen der Beteiligten Rechnung getragen. Dies ist nicht deshalb willkürlich, weil sich aus der Gesetzesbegründung kein weiteres überzeugendes Regelungsmotiv für die Gewichtung ergibt (vgl. Mehde, in: Beck'scher OK-GG, Art. 91e Rn. 26 <1. Juni 2014>).

161

Es ist nicht ersichtlich, dass § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II den von Art. 91e Abs. 2 GG gezogenen Konkretisierungsspielraum überschreitet (vgl. Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 10; Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 26, Fn. 102 <32. Erg.-Lfg. VI/11>; Mager, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 91e Rn. 9; Rixen/Weißenberger, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 6a Rn. 8). Dem Gesetzgeber hätte es zwar frei gestanden, über das 25-Prozent-Quorum hinaus zu gehen (vgl. Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 26 <32. Erg.-Lfg. VI/11>). Verfassungsrechtlich verpflichtet war er dazu jedoch nicht.

162

c) § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II bedarf auch keiner verfassungskonformen Auslegung im Lichte von Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet den Gemeinden (aa), Art. 28 Abs. 2 Satz 2 den Gemeindeverbänden (bb) eine unterschiedlich weit reichende und wehrfähige Aufgabenausstattung. Diese wird durch die Kontingentierung der möglichen Optionskommunen nicht berührt (cc).

163

aa) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich (vgl. BVerfGE 26, 228 <237 f.>; 56, 298 <312>; 59, 216 <226>; 79, 127 <143>). Dazu gehören diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben (vgl. BVerfGE 8, 122 <134>; 50, 195 <201>; 52, 95 <120>; 79, 127 <151 f.>; 83, 363 <384>; 86, 148 <220 f.>; 110, 370 <400>), die also den Gemeindeeinwohnern als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen (vgl. BVerfGE 79, 127 <151 f.>; 83, 363 <384>; 86, 148 <220 f.>; 110, 370 <400>). Verändert der Gesetzgeber den Aufgabenbestand der Gemeinden, so hat er den Vorrang zu berücksichtigen, den Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG der Gemeindeebene in den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft einräumt. Dagegen ist er in seiner Zuordnung weitgehend frei, wenn eine Aufgabe keinen oder keinen relevanten örtlichen Charakter besitzt; sie fällt dann von vornherein nicht in den Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 79, 127 <152>; 110, 370 <400>).

164

bb) Den Gemeindeverbänden ist das Recht der Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG dagegen im Hinblick auf ihren Aufgabenbestand nur eingeschränkt gewährleistet. Anders als bei den Gemeinden beschreibt die Verfassung die Aufgaben der Kreise nicht selbst, sondern überantwortet ihre Festlegung dem Gesetzgeber (vgl. BVerfGE 119, 331 <353> m.w.N.). Dessen Gestaltungsspielraum stößt, wie dargelegt, bei der Ausgestaltung des Aufgabenbereichs der Kreise erst dort an Grenzen, wo die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Kreise entwertet würde. Der Gesetzgeber darf Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG deshalb nicht dadurch unterlaufen, dass er den Kreisen keine Aufgaben zuweist, die in der von der Verfassung selbst gewährten Eigenverantwortlichkeit wahrgenommen werden könnten. Er muss vielmehr einen Mindestbestand an Aufgaben vorsehen, die die Kreise unter Inanspruchnahme der auch ihnen gewährten Eigenverantwortlichkeit erledigen können (vgl. BVerfGE 119, 331 <353>). Ist dies der Fall, so liegt es im (politischen) Ermessen des Gesetzgebers, ob und inwieweit er über den verfassungsrechtlich geforderten Mindestbestand an Aufgaben hinausgeht.

165

cc) Soweit die Beschwerdeführerin zu 2. nicht als Optionskommune anerkannt worden ist, berührt sie dies nicht in ihrer durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Selbstverwaltungsgarantie. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist keine Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft. Ihre unterlassene Übertragung berührt Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG von vornherein nicht. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind nur diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln, also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen vor Ort betreffen (vgl. BVerfGE 79, 127 <151 f.>; 83, 363 <384>; 86, 148 <220 f.>; 110, 370 <400>). Fürsorge- und sozialversicherungsrechtliche Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende lassen sich darunter nicht fassen. Die den Optionskommunen zusätzlich zu übertragenden Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II betreffen die Eingliederung in Arbeit, die normalerweise Gegenstand der Arbeitslosenversicherung ist und von der Bundesagentur für Arbeit überregional und im Bundesgebiet einheitlich wahrgenommen wird. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass Ansprüche auf Sozialhilfe durch die Grundsicherung für Arbeitsuchende abgelöst worden sind, Sozialhilfe jedoch von den kreisfreien Städten und Landkreisen nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften in eigener Verantwortung geleistet wird (vgl. § 1 Abs. 1 Hessisches Ausführungsgesetz zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch; § 1 Satz 1 Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs; § 1 Ausführungsgesetz zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - Sozialhilfe - für das Land Nordrhein-Westfalen; § 1 Thüringer Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch). Dass diese Gebietskörperschaften seit Jahrzehnten örtliche Träger der Sozialhilfe sind, macht die Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht zu einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft (vgl. Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 10). Der Schutzbereich des Art 28 Abs. 2 Satz 1 GG ist insoweit nicht eröffnet (vgl. Rixen/Weißenberger, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 6a Rn. 8; vgl. auch Dyllick/Lörincz/Neubauer, NJ 2011, S. 15 <20>).

166

Vor diesem Hintergrund ist auch die Selbstverwaltungsgarantie der Beschwerdeführer zu 3. bis 15. aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG nicht verletzt. Da das Recht der Selbstverwaltung den Gemeindeverbänden von vornherein nur nach Maßgabe der Gesetze eingeräumt ist, obliegt es grundsätzlich auch dem Gesetzgeber, die Aufgaben der Gemeindeverbände festzulegen. Der ihm dabei zukommende Spielraum stößt erst dort an Grenzen, wo durch die Zuweisung neuer Aufgaben, deren Entzug oder Nichtzuweisung die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Selbstverwaltung entleert würde (vgl. BVerfGE 119, 331 <352 ff.>). Die Beschwerdeführer zu 3. bis 15. waren bislang nicht als kommunale Träger zugelassen und haben ihre Zulassung als Optionskommune erstmals beantragt. Ihre Nichtzulassung stellt sich somit weder als Aufgabenentzug noch als eine Änderung ihres bisherigen Aufgabenbestandes dar, die an Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG zu messen wäre. Die Beschwerdeführer begehren vielmehr die Zuweisung einer neuen Aufgabe. Dies könnten sie unter Berufung auf die Selbstverwaltungsgarantie nur verlangen, wenn ohne eine Zuständigkeit für die Grundsicherung für Arbeitsuchende die ihnen zukommende Selbstverwaltungsgarantie in ihrem Kern entwertet wäre. Das ist offensichtlich nicht der Fall.

167

d) Eröffnet der Gesetzgeber den Kommunen die Chance auf eine bestimmte Aufgabenzuständigkeit, so muss er allerdings ein Verfahren vorsehen, das eine transparente und nachvollziehbare Verteilungs- und Zulassungsentscheidung sicherstellt (aa). Der Gesetzgeber musste dieses Verteilungsverfahren nicht im Einzelnen ausgestalten, sondern konnte dies auch dem Verordnungsgeber überlassen. § 6a Abs. 3 SGB II ist insoweit eine ausreichende Rechtsgrundlage (bb). Ob die Verordnung über das Verfahren zur Feststellung der Eignung als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (KtEfV) diesen Anforderungen genügt, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung (cc).

168

aa) Angesichts der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Kontingentierung der Anzahl der Optionskommunen durch § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Verteilung der Zulassungen willkürfrei, transparent und nachvollziehbar bewältigt wird und dem Gebot interkommunaler Gleichbehandlung entspricht (vgl. Hermes, in: Dreier, GG, 2. Aufl. Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 47; Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 28 <32. Erg.-Lfg. VI/11>). Dieser aus der Grundrechtsdogmatik entlehnte Gedanke eines Rechtsgüterschutzes durch Verfahren gilt mit Blick auf Art. 28 Abs. 2 GG auch im vorliegenden Zusammenhang.

169

bb) Der Gesetzgeber muss das Verteilungsverfahren allerdings nicht im Einzelnen selbst ausgestalten, sondern kann dies auch dem Verordnungsgeber überlassen. Allerdings muss er die wesentlichen Grundzüge des Verfahrens im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG selbst regeln.

170

Anders als in der Vorgängerregelung des § 6a Abs. 3 bis 6 SGB II in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 hat sich der Gesetzgeber für die (weitere) Zulassung von Optionskommunen auf die Normierung einer Verordnungsermächtigung in § 6a Abs. 3 SGB II beschränkt, die ein willkürfreies, transparentes und nachvollziebares Verteilungsverfahren jedenfalls in den Grundzügen vorstrukturiert und die Regelung der Einzelheiten dem Verordnungsgeber überlässt (vgl. Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 28 <32. Erg.-Lfg. VI/11>). Hiergegen ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.

171

§ 6a Abs. 3 SGB II ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Voraussetzungen der Eignung nach § 6a Abs. 2 Nr. 1 SGB II und deren Feststellung sowie die Verteilung der Zulassungen nach § 6a Abs. 2 und Abs. 4 SGB II auf die Länder durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln. Damit hat der Gesetzgeber festgelegt, dass der Zulassung von Optionskommunen eine Eignungsprüfung und -feststellung sowie ein Verteilungsverfahren voranzugehen haben, das an der bestmöglichen Erfüllung der Verwaltungsaufgabe auszurichten ist. Das genügt den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, der nicht verlangt, dass eine Verordnungsermächtigung so bestimmt wie irgend möglich ist, sondern eine hinreichende Bestimmtheit ausreichen lässt (vgl. BVerfGE 8, 274 <312>; 26, 228 <241>; 55, 207 <226>; 58, 257 <277>; 62, 203 <210>; 123, 39 <78>). Vor diesem Hintergrund reicht es, wenn sich - wie hier - das Ausmaß der Ermächtigung mit hinreichender Deutlichkeit aus dem begrenzten Zweck der Ermächtigung ergibt (vgl. BVerfGE 4, 7 <22>; 20, 296 <306>; 28, 66 <86>; 35, 179 <183>; 38, 61 <84>).

172

cc) Ob das Verteilungsverfahren, das die Verordnung über das Verfahren zur Feststellung der Eignung als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende näher ausgestaltet, selbst den Anforderungen an ein willkürfreies, transparentes und nachvollziehbares Zulassungsverfahren genügt (vgl. Hermes, in: Dreier, GG, 2. Aufl. Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 47 Fn. 149), und ob es insbesondere nicht bundesrechtlicher Regelungen über die Verteilung der möglichen Optionskommunen auf die Länderkontingente bedarf, um ein willkürfreies, transparentes und dem interkommunalen Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechendes Verteilungsverfahren sicherzustellen, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die insoweit möglicherweise unzureichende Verordnung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

173

3. Schließlich begegnet auch die Vorschrift des § 6b Abs. 4 SGB II keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Gesetzgebungskompetenz hierfür folgt ebenfalls aus Art. 91e Abs. 3 GG (a). Mit der Schaffung einer unmittelbaren Finanzbeziehung zwischen dem Bund und der kommunalen Ebene geht für diesen Bereich eine Befugnis des Bundes einher, die ordnungsgemäße Verwendung der eingesetzten Mittel zu kontrollieren (b).

174

a) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für § 6b Abs. 4 SGB II folgt aus Art. 91e Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 3 GG. In der Gesetzesbegründung zu Art. 91e Abs. 3 GG heißt es, dass in Bezug auf Art. 91e Abs. 2 das Bundesgesetz unter anderem Regelungen zu Kostentragung, Aufsicht, Finanzkontrolle und Rechnungsprüfung treffen werde (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 5). Nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers sollte der Bund folglich zu einer derartigen Regelung befugt sein.

175

b) Die Befugnis des Bundes zu einer finanziellen Kontrolle der Optionskommunen folgt zwar nicht schon aus der Finanzierungsverantwortung des Bundes (aa). Mit der Schaffung einer unmittelbaren Finanzbeziehung zwischen dem Bund und der kommunalen Ebene sind ihm jedoch zugleich Befugnisse eingeräumt worden, die eine wirksame Finanzkontrolle ermöglichen (bb). Dies verletzt nicht die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (cc).

176

aa) Dass den Bund eine Finanzierungsverantwortung für Aufgaben trifft, welche die zugelassenen kommunalen Träger wahrnehmen, zwingt, für sich genommen, nicht dazu, ihm auch Finanzkontrollbefugnisse einzuräumen. Zwar wird im Schrifttum mit Blick auf den Bundesrechnungshof die Auffassung vertreten, dass Kontrollkompetenzen nicht an die Verwaltungs-, sondern an die Finanzierungsverantwortung anknüpfen (vgl. Kammer, DVBl 1990, 555 <558 f.>; Mähring, DÖV 2006, S. 195 <203>). Mit Blick auf den Bundesrechnungshof hat das Bundesverfassungsgericht es jedoch stets abgelehnt, von der Finanzierungsverantwortung auf eine Kontrollzuständigkeit zu schließen. Für die Reichweite seiner Befugnisse gebe die Annahme einer Finanzgewalt nichts her. Aus ihr ergebe sich insbesondere nicht, dass der Bund Erhebungsbefugnisse im Hinblick auf die Gesamtheit der föderalen Finanzströme haben müsse. Die Kompetenz des Bundes, durch seinen Rechnungshof Erhebungen im Länderbereich durchzuführen, folge im Hinblick auf Finanzhilfen nach Art. 104b GG den Verwaltungskompetenzen des Bundes (vgl. BVerfGE 127, 165 <219 f.>). Daran ist auch im vorliegenden Zusammenhang festzuhalten.

177

bb) Mit der Einfügung von Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG in das Grundgesetz hat der verfassungsändernde Gesetzgeber eine unmittelbare Finanzbeziehung zwischen dem Bund und der kommunalen Ebene etabliert und damit eine Sonderregelung geschaffen, die dem Bund spezifische Verwaltungskompetenzen zuweist und den allgemeinen Regelungen über das Finanzwesen vorgeht. Sie ermächtigt den Bund auch zu einer effektiven Finanzkontrolle über die Optionskommunen. Die Finanzkontrolle des Bundes ist strikt auf die Verwaltung der von ihm zur Verfügung gestellten Mittel für die Grundsicherung für Arbeitsuchende beschränkt (1). Seine Kontrollbefugnisse unterscheiden sich insoweit von jenen des Bundesrechnungshofes (2) und haben weder rechtlich noch faktisch aufsichtsgleiche Wirkung (3).

178

(1) Der Gesetzgeber hat die Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Kontrollformen aufgenommen und die Befugnisse des Bundes zur Finanzkontrolle in § 6b Abs. 4 SGB II, jene des Bundesrechnungshofes in § 6b Abs. 3 SGB II und die Aufsichtsbefugnisse des Bundes und der Länder in §§ 47, 48 SGB II geregelt.

179

(2) Die Befugnisse des Bundes im Rahmen der Finanzkontrolle unterscheiden sich von denen des Bundesrechnungshofes und beschränken sich auf die Gewährleistung der fiskalischen Interessen des Bundes. Das kommt schon darin zum Ausdruck, dass die Befugnisse des Bundesrechnungshofes in § 6b Abs. 3 SGB II, die des Bundes aber in § 6b Abs. 4 SGB II normiert sind, ergibt sich aber auch aus dem unterschiedlichen Inhalt der Befugnisse beider Behörden.

180

Die Finanzkontrolle nach § 6b Abs. 4 SGB II bezieht sich ausschließlich auf die fiskalischen Interessen des Bundes. Sie ist in ihrem Anwendungsbereich und ihrer Zielsetzung enger als jene des Bundesrechnungshofes, reicht hinsichtlich ihrer Befugnisse jedoch weiter. Insbesondere gestattet sie es ihm, öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche geltend zu machen und im Wege der Verrechnung durchzusetzen. In der Begründung zu § 6b Abs. 4 und Abs. 5 SGB II heißt es insoweit, dass sich der Erstattungsanspruch in der Finanzbeziehung zwischen Bund und zugelassenem kommunalen Träger zugunsten der Wiederherstellung der rechtmäßigen Ordnung der Haushalte auswirke. Somit werde im Zusammenwirken mit dem Prüfrecht des Bundes nach § 6b Abs. 4 SGB II eine effektive Finanzkontrolle ermöglicht, welche die Finanzinteressen des Bundes absichere. Dazu würden in Satz 1 die gesetzlichen Prüfbefugnisse des Bundes klargestellt, die jederzeit gewährleisteten, dass eine Kostenerstattung nur erfolge, soweit die Aufwendungen des zugelassenen kommunalen Trägers auf einem gesetzmäßigen Mitteleinsatz beruhten (vgl. BTDrucks 17/1555, S. 19).

181

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist im Rahmen der Finanzkontrolle somit befugt, die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsgemäßheit der von den zugelassenen kommunalen Trägern verausgabten Bundesmittel anhand der vorgelegten Jahresabschlussrechnung zu prüfen und dabei auch die Gesetzmäßigkeit der Ausgaben zu kontrollieren. Es darf zu diesem Zweck Informationen vor Ort erheben und auch ohne konkreten Anlass bei den zugelassenen kommunalen Trägern Prüfungen durchführen.

182

(3) Die dem Bund durch § 6b Abs. 4 SGB II eröffnete Finanzkontrolle über die Optionskommunen unterscheidet sich schließlich auch von der Rechts- und Fachaufsicht. Die Vorschrift statuiert keine Aufsichtsbefugnisse des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Sie dient nicht der Rückkopplung des Gesetzesvollzugs an die Absichten des Gesetzgebers und insbesondere nicht der Gewährleistung eines grundsätzlich einheitlichen Gesetzesvollzugs, sondern beschränkt sich ausschließlich auf die Kontrolle der finanziellen Auswirkungen der gesetzgeberischen Entscheidung, von der Möglichkeit des Art. 91e Abs. 2 GG Gebrauch zu machen (vgl. BVerfGE 127, 165 <203 f.>). Die Befugnisse des Bundes aus § 6b Abs. 4 SGB II erlauben es daher nicht, vertretbare Rechtsauffassungen des zugelassenen kommunalen Trägers zu beanstanden und auf dieser Grundlage Mittel vorzuenthalten oder Erstattungsansprüche durchzusetzen; die Durchsetzung einer einheitlichen Rechtsanwendung ist vielmehr der Rechts- und Fachaufsicht vorbehalten. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist auch nicht befugt, einzelne Optionskommunen von dem automatisierten Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (HKR-Verfahren) auszuschließen. Dieses Verfahren dient der Unterstützung und Dokumentation wesentlicher Tätigkeiten bei der Ausführung des Haushaltsplans, der Abwicklung des Zahlungsverkehrs, der Buchführung und der Rechnungslegung sowie der Bereitstellung von tagesaktuellen Informationen über den Stand des Haushaltsvollzugs für alle bewirtschaftenden Dienststellen und ermöglicht die automatisierte Bereitstellung der im Haushaltsgesetz festgestellten Einnahmen, Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen sowie deren unterjährige Veränderungen (wie Restebewilligungen, Nachträge). Im vorliegenden Zusammenhang dient es der Sache nach dazu, eine Vorfinanzierung der Leistungen für die Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die Optionskommunen zu vermeiden. Da ein Ausschluss vom HKR-Verfahren für die betroffenen kommunalen Träger erhebliche wirtschaftliche Belastungen und Risiken mit sich brächte und insoweit Sanktionscharakter besäße, ist er von § 6b Abs. 4 SGB II nicht gedeckt. Sanktionen sind kennzeichnend für die Aufsicht, zu der Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG den Bundesgesetzgeber gerade nicht ermächtigt.

183

cc) Ob ein Eingriff in die Finanzhoheit der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3, 1. Halbsatz GG) und Gemeindeverbände (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3, 1. Halbsatz GG) vorliegt, wenn staatliche Stellen über den Einsatz der Finanzmittel zu unterrichten sind und ihnen Einsicht in Bücher und sonstige Unterlagen gewährt werden muss, hat das Bundesverfassungsgericht bislang offen gelassen, da etwaige Einschränkungen in den entschiedenen Fällen jedenfalls gerechtfertigt waren (vgl. BVerfGE 127, 165 <208>). Das gilt auch hier, wo der Eingriff in die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung mit Blick auf die gesamtstaatliche Bedeutung der Grundsicherung für Arbeitsuchende und den damit verbundenen erheblichen Einsatz von Bundesmitteln im öffentlichen Interesse liegt.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

weitere Fundstellen einblendenweitere Fundstellen ...

Diese Entscheidung wird zitiert ausblendenDiese Entscheidung wird zitiert


Diese Entscheidung zitiert ausblendenDiese Entscheidung zitiert


Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 03.01.2012 in Ge-stalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2012 verurteilt, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 20.01.2012 bis zum 31.01.2012 zu zahlen, soweit der Anspruch nicht durch Zahlung von Arbeitslosengeld für den gleichen Zeitraum gemäß § 107 SGB X als erfüllt gilt.

2. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Fortzahlung von Krankengeld.

2

Die 1956 geborene Klägerin war zuletzt ab dem 16.07.2008 als Reinigungskraft in einem Fitnessstudio versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.

3

Seit dem 21.10.2011 war sie zunächst wegen einer Gastroenteritis (A09.9) arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem 24.10.2011 war bei der Klägerin ein Carpaltunnelsyndrom (G56.0) rechts diagnostiziert worden.

4

Der Facharzt für Neurologie Dr. G. stellte am 11.11.2011 eine Folgebescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin mit einer voraussichtlichen Dauer bis zum 22.11.2011 aus. Laut Bescheinigung war die Klägerin seit dem 28.10.2011 arbeitsunfähig. Auf Anfrage der Beklagten teilte Dr. G. am 11.11.2011 mit, dass mit Arbeitsunfähigkeit bis zur Operation zu rechnen sei. Nach der Operation sei mit sofortiger Besserung zu rechnen.

5

Das Arbeitsverhältnis endete zum 30.11.2011 durch fristlose Kündigung. Das Ende des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2011 wurde durch Vergleich vor dem Arbeitsgericht Mainz am 29.11.2011 bestätigt. Hierbei wurde ebenfalls vereinbart, dass die Klägerin für die Monate Oktober 2011 und November 2011 Arbeitsentgelt auf Basis eines Bruttoentgelts von 850 € erhalten soll.

6

Am 11.11.2011 erteilte die Beklagte der Klägerin folgenden schriftlichen Hinweis:

7

"Der Anspruch auf Krankengeld entsteht grundsätzlich ab dem auf den Tag der ärztlichen Feststellung folgenden Tag. Die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit hat der Arzt jeweils auf der AU-Bescheinigung bzw. dem Auszahlungsschein für Krankengeld zu bestätigten. Der fortlaufende Anspruch auf Krankengeld setzt voraus, dass die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit jeweils vom behandelnden Arzt abschnittsweise lückenlos festgestellt wird (d.h. spätestens am letzten Tag der zuletzt vorläufig bestätigten Arbeitsunfähigkeit).

8

Endet das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis während des Anspruchs auf Krankengeld, so bleibt die Mitgliedschaft für die Dauer des Bezugs von Krankengeld aufrecht erhalten. Entsprechendes gilt bei Wegfall von Arbeitslosengeld I. Wird die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit nicht - wie vorstehend beschrieben - lückenlos ärztlich festgestellt, endet die mit Krankengeldanspruch ausgestattete Mitgliedschaft (vgl. Urteile des BSG vom 26.06.2007, B1KR08/07R/vom 02.11.2007, B1 KR38/06R)."

9

Am 30.11.2011 stellte Dr. G. eine weitere Folgebescheinigung mit voraussichtlicher Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zum 04.12.2011 aus.

10

Eine ambulante Carpaltunneloperation wurde am 05.12.2011 durch die Orthopädische Gemeinschaftspraxis Bad Kreuznach durchgeführt.

11

Auf einem Auszahlschein vom 05.12.2011 bescheinigte ein Arzt der Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Bad Kreuznach fortdauernde Arbeitsunfähigkeit wegen des Zustands nach Carpaltunnelsyndrom. Diese werde voraussichtlich noch 14 Tage andauern.

12

Auf einem weiteren Auszahlschein vom 16.12.2011 bescheinigte ein Arzt der Gemeinschaftspraxis Dr. E. et al. fortdauernde Arbeitsunfähigkeit wegen Zustand nach Carpaltunnelsyndrom (G 56.0 ZR). Voraussichtlich sollte die Arbeitsunfähigkeit bis zum 03.01.2012 andauern.

13

Auf einem Formblatt der Beklagten zur Einschätzung des Rehabilitationsbedarfs teilte die Gemeinschaftspraxis Dr. E. et al. am 23.12.2011 mit, dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht absehbar sei.

14

Am 03.01.2012 stellte ein Arzt der Gemeinschaftspraxis Dr. E. et al. einen weiteren Auszahlschein mit der gleichen Diagnose und voraussichtlicher Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zum 17.01.2012 aus.

15

Die Beklagte holte eine Stellungnahme vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz ein. Der beratende Arzt Dr. J. nahm am 03.01.2012 dahingehend Stellung, dass die Arbeitsunfähigkeit bis zum 19.01.2012 nachvollziehbar sei.

16

Mit Bescheid vom 03.01.2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der MDK in seiner Stellungnahme vom 03.01.2012 zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin spätestens am 19.01.2012 beendet werden könne. Ab dem 20.01.2012 sei die Klägerin demnach in der Lage, eine leidensgerechte und wirtschaftliche Tätigkeit von mindestens vier Stunden und mehr täglich wieder auszuüben. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin habe mit dem 30.11.2011 geendet. Das bedeute, dass die Klägerin sich ab dem 20.01.2012 mit dem genannten Leistungsbild dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen könne, zwecks Vermittlung in eine entsprechende Tätigkeit. Die Beklagte werde die Krankengeldzahlung mit dem 19.01.2012 einstellen.

17

Hiergegen erhob die Klägerin am 12.01.2012 Widerspruch.

18

Am 17.01.2012 stellte ein Arzt der Gemeinschaftspraxis Dr. E. et al. der Klägerin einen weiteren Auszahlschein unter Benennung einer voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zum 19.01.2012 aus.

19

Am 20.01.2012 stellte ein Arzt der Gemeinschaftspraxis Dr. E.et al. der Klägerin eine Folgebescheinigung aus, nach der die Klägerin weiter arbeitsunfähig bis voraussichtlich 23.01.2012 sei.

20

Am 23.01.2012 stellte ein Arzt der Gemeinschaftspraxis für Orthopädie Bad Kreuznach eine weitere Folgebescheinigung aus, nach der die Klägerin voraussichtlich bis zum 31.01.2012 arbeitsunfähig sein werde.

21

Die Klägerin befand sich am 25.01.2012 zur erneuten Untersuchung bei Dr. G. Dieser berichtet von einem guten postoperativen Ergebnis. Es bestehe allerdings noch ein Ödem an der Operationsstelle.

22

Am 02.02.2012 begründete die Klägerin den Widerspruch vom 12.01.2012 zunächst damit, dass sie entgegen der Auffassung des MDK nach wie vor arbeitsunfähig sei. Sie leide sowohl an der rechten als auch an der linken Hand an einem Carpaltunnelsyndrom. Ihr sei es daher nicht möglich, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Tätigkeiten für einen Zeitraum von mindestens drei Stunden täglich auszuüben.

23

Mit Bescheid vom 20.02.2012 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Bad Kreuznach der Klägerin unter Berufung auf § 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vorläufig Arbeitslosengeld für die Zeit vom 20.01.2012 bis zum 18.07.2013 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrags von 12,90 €. Für den Zeitraum vom 20.01.2012 bis zum 31.01.2012 ergab sich hieraus eine Nachzahlung in Höhe von 154,80 €.

24

Der frühere Arbeitgeber der Klägerin stellte am 06.03.2012 eine Arbeitsplatzbeschreibung aus. Hieraus geht hervor, dass die Klägerin im Umfang von regelmäßig 25 Wochenstunden als Reinigungskraft beschäftigt war. Die Tätigkeit sei ständig stehend, oft in gebückter Haltung und oft mit erhobenen Armen ausgeübt worden. Es habe sich um mittelschwere Arbeiten gehandelt.

25

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Mitgliedschaft durch den Arbeitgeber am 30.11.2011 geendet habe. Ab dem 01.12.2011 sei die Klägerin im Rahmen der mitgliedschaftserhaltenden Wirkung nach § 192 Abs. 2 SGB V krankenversichert gewesen. Es liege ein Auszahlschein der Hausarztpraxis mit Ende der Arbeitsunfähigkeit am 19.01.2012 vor. Eine Folgebescheinigung sei von der Hausarztpraxis am 20.01.2012 mit Erkrankungsdauer bis 23.01.2012 ausgestellt worden. Am 19.01.2012 sei die Klägerin nicht beim Arzt gewesen, es sei erst am 20.01.2012 eine Krankmeldung ausgestellt worden. Die Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch habe am 19.01.2012 geendet. Die Familienversicherung sei vorrangig vor einem nachgehenden Anspruch auf Krankengeld. Dieser Umstand sei dadurch überholt, dass die Klägerin sich am 20.01.2012 arbeitslos gemeldet habe und seit dem 20.01.2012 Arbeitslosengeld I erhalte. Die Arbeitsunfähigkeit könne wegen fehlender Nahtlosigkeit lediglich bis 19.01.2012 anerkannt werden.

26

Die Klägerin hat am 18.07.2012 Klage erhoben.

27

Mit Bescheid vom 17.09.2012 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Bad Kreuznach der Klägerin endgültig Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 20.01.2012 bis zum 18.07.2013, wobei die Leistungshöhe gegenüber dem Bescheid vom 20.02.2012 unverändert blieb.

28

Zur Begründung der Klage führt die Klägerin im Wesentlichen aus, dass es für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit auch bei dem Verlust des Arbeitsplatzes nicht darauf ankomme, ob der Versicherte eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben könne. Auch nach dem Verlust bleibe für die Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten die bisherige Tätigkeit maßgebend, wenn der Versicherte bereits bei Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis im Krankengeldbezug gestanden habe. Die Klägerin habe zuvor als Reinigungskraft gearbeitet. Die auszuführenden Handgriffe und Aufgaben seien vielfältig, aber immer mit einer mehr oder weniger schweren körperlichen Belastung verbunden, vor allem aber seien die Hände schweren Belastungen ausgesetzt, wenn beispielsweise mit erhöhtem Kraftaufwand Stellen zu scheuern seien, Verkrustungen eingeweicht werden müssten oder dergleichen. Es entspreche des allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine Person, die an einem Carpaltunnelsyndrom erkrankt sei, keiner gewerbsmäßigen Tätigkeit als Reinigungskraft nachgehen kann. Soweit die Beklagte der Auffassung sei, das kein lückenloser Nachweis der Arbeitsunfähigkeit vorliege, stelle sich die Frage, wo die Lücke liegen sollte. Die Klägerin habe bis einschließlich 19.01.2012 als arbeitsunfähig gegolten und dann anschließend einschließlich des 20.01.2012 als arbeitsunfähig. Zwar sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass die Bescheinigungen "überlappend" auszustellen seien. Die Klägerin sei mit dieser Bitte auch an ihren Arzt herangetreten und habe diesen gebeten, die Untersuchungstermine so zu legen, dass tatsächlich auch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen überlappend hätten ausgestellt werden können. Dies sei jedoch vom Arzt mit der Aussage abgelehnt worden, dies sei nicht nötig.

29

Die Klägerin beantragt,

30

die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 03.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2012 zu verurteilen, Krankengeld in gesetzlicher Höhe über den 19.01.2012 hinaus bis zum 31.01.2012 zu zahlen.

31

Die Beklagte beantragt,

32

die Klage abzuweisen.

33

Zur Begründung verweist sie auf den Widerspruchsbescheid. Ergänzend führt sie aus, dass die Arbeitsunfähigkeit bis zum 19.01.2012 nicht in Frage gestellt werde. Krankengeld sei entsprechend gezahlt worden. Die Mitgliedschaft habe am 19.01.2012 geendet. Der Klägerin sei am 20.01.2012 weitere Arbeitsunfähigkeit attestiert worden. Ein erneuter Krankengeldanspruch könne nach § 46 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erst ab dem 21.01.2012 entstehen. Ab dem 20.01.2012 beziehe die Klägerin Arbeitslosengeld I und sei demgemäß nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V pflichtversichert. Auf Grund der weiteren Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.01.2012 erhalte die Klägerin Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit. Insoweit ruhe der Krankengeldanspruch.

34

Das Gericht hatte am 21.01.2013 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R - Gerichtsentscheidungen im Folgenden jeweils zitiert nach juris) den Hinweis erteilt, dass ein Krankengeldanspruch über den 19.01.2012 hinaus an der erforderlichen nahtlosen ärztlichen Feststellung scheitern dürfte.

35

Mit Beschluss vom 14.02.2013 hat das Gericht die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Bad Kreuznach zum Verfahren beigeladen.

36

Am 16.01.2014 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, dass an der im Hinweis vom 21.01.2013 erläuterten Rechtsauffassung nicht festgehalten werde und hierbei auf die Urteile des SG Trier vom 24.04.2013 (S 5 KR 77/12) und des SG Mainz vom 24.09.2013 (S 17 KR 247/12) verwiesen.

37

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I.

38

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben.

39

Das Gericht konnte gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 SGG zur Leistung dem Grunde nach verurteilen. Nach dieser Regelung ist Voraussetzung für den Erlass eines Grundurteils, dass gemäß § 54 Abs. 4 SGG oder § 54 Abs. 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Diese Voraussetzung ist bei dem streitgegenständlichen Anspruch auf Krankengeld nach § 44 SGB V erfüllt.

40

Da die Klägerin im vorliegenden Fall lediglich den Erlass eines Grundurteils beantragt hat, durfte das Gericht hierüber gemäß § 123 SGG nicht hinausgehen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 130 Rn. 2e, 10. Aufl. 2012).

II.

41

Die Klage ist begründet.

42

Der Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 20.01.2012 bis zum 31.01.2012 gegen die Beklagte. Der Bescheid vom 03.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2012, mit dem die Weitergewährung von Krankengeld über den 19.01.2012 hinaus abgelehnt wurde, ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

43

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte (1) Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht (2) oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden und wenn sie nicht zu den in § 44 Abs. 2 S. 1 SGB V genannten ausgeschlossenen Versichertengruppen gehören (3). Gemäß § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (4). Ein durchsetzbarer Anspruch auf Krankengeld besteht nicht für Zeiten des Ruhens wegen unterlassener Meldung der Arbeitsunfähigkeit (5), für Zeiten des Ruhens wegen fortgesetztem Arbeitslosengeldbezugs (6), und soweit der Anspruch wegen des Vorliegens eines Erstattungsanspruchs zwischen Leistungsträgern als erfüllt gilt (7).

44

1. Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Die Versicherungspflicht der Klägerin ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, da die Klägerin gegen Arbeitsentgelt beschäftigt war. Mit der durch arbeitsgerichtlichen Vergleich bestätigten Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 30.11.2011 endete zwar das Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt (§ 7 Abs. 3 S. 1, S. 3 SGB IV), das Versicherungsverhältnis blieb jedoch gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V durch den tatsächlichen Bezug von Krankengeld bzw. durch den Anspruch auf Krankengeld erhalten.

45

2. Der Klägerin war im Zeitraum vom 20.01.2012 bis zum 31.01.2012 wegen eines rechtsseitigen Carpaltunnelsyndroms arbeitsunfähig. Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB V liegt vor, wenn der Versicherte wegen Krankheit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seine bisherige oder eine ähnliche, dem bisherigen Arbeitsverhältnis gleichgeartete Erwerbstätigkeit auszuüben. Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist auch nach dem Verlust des Arbeitsplatzes die zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit konkret ausgeübte Beschäftigung (BSG, Urteil vom 14.02.2001 - B 1 KR 30/00 R - Rn. 13f.). Dies war im Falle der Klägerin eine Beschäftigung als Reinigungskraft mit körperlich anstrengenden Tätigkeiten, bei der die ständige Verwendung beider Hände unumgänglich ist. Dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig war, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und lässt sich anhand der dokumentierten Arztkontakte und Behandlungen nachvollziehen. Die Ärzte der Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Bad Kreuznach stellten noch am 23.01.2012 eine Schwellung im CTS-Bereich rechts und Arbeitsunfähigkeit bis 31.01.2012 fest. Auch der Facharzt für Neurologie Dr. G. diagnostizierte noch am 25.01.2012 eine Schwellung und ein Ödem im rechten Handgelenk. Dass die Klägerin ihre frühere oder eine gleichartige Tätigkeit als Reinigungskraft nicht bzw. nur auf die Gefahr hin, ihren Zustand zu verschlimmern, ausüben konnte, steht für die Kammer angesichts dieser Befunde fest.

46

3. Die Klägerin fällt nicht unter die nach § 44 Abs. 2 S. 1 SGB V ausgeschlossenen Versichertengruppen.

47

4. Der Anspruch auf Krankengeld ist entstanden. Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin wurde durch den Facharzt für Neurologie Dr. G. mit einer Folgebescheinigung vom 11.11.2011 festgestellt. Da es sich hierbei um eine Folgebescheinigung handelt, ist anzunehmen, dass bereits zuvor Arbeitsunfähigkeit festgestellt wurde. Eine entsprechende Erstbescheinigung ist in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten nicht enthalten. Für den vorliegend geltend gemachten Anspruch auf Krankengeld ist dies jedoch unerheblich, da jedenfalls die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch Dr. G. am 11.11.2011 zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem die Klägerin auf Grund ihres noch andauernden Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten krankenversichert war.

48

Solange die Arbeitsunfähigkeit besteht, genügt für die Entstehung des Krankengeldanspruchs eine erste ärztliche Feststellung. Denn § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V regelt nur den Beginn des Krankengeldanspruchs. Wenn die ärztliche Feststellung eine Prognose für ein voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit beinhaltet, wird hierdurch der Anspruch auf Krankengeld nicht begrenzt (so auch SG Trier, Urteil vom 24.04.2013 - S 5 KR 77/12; SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11; SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12).

49

Das BSG vertritt demgegenüber die Auffassung, es sei für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des jeweiligen Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird (zuletzt bestätigt durch BSG, Urteil vom 04.03.2014 - B 1 KR 17/13 R - Rn. 16; vgl. auch BSG, Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 - Rn. 17; BSG, Urteil vom 26.06.2007 - B 1 KR 8/07 R - Rn. 16; BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 19/11 R - Rn. 18).

50

Dies hat nach der Rechtsprechung des BSG zur Konsequenz, dass bei unterbleiben der rechtzeitigen erneuten Feststellung der Anspruch auf Krankengeld ab dem ersten Tag nach Ende des Krankengeldbewilligungsabschnitts nicht mehr bestehen soll, weswegen auch die mitgliedschaftserhaltende Wirkung des Anspruchs auf Krankengeld nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V entfalle. Dies habe wiederum zur Folge, dass auch bei späterer ärztlicher Feststellung derselben Arbeitsunfähigkeit ein Krankengeldanspruch nicht wieder entstehen könne (vgl. BSG, Urteil vom 04.03.2014 - B 1 KR 17/13 R - Rn. 16). Wenn keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall bestehe, falle der Versicherte außerdem in die Auffangversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (mit der hiermit notwendig einhergehenden Folge der Beitragsbelastung). Durch das Eintreten der Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (oder eines anderen Versicherungstatbestands) soll nach Auffassung des BSG darüber hinaus ein nachgehender Anspruch auf Krankengeld nach § 19 Abs. 2 SGB V ausgeschlossen sein (BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 19/11 R – Rn. 30).

51

Auf den vorliegenden Fall bezogen hätte die Auffassung des BSG die Konsequenz, dass die Klägerin wegen des Ablaufs des Krankengeldbewilligungsabschnitts und der ärztlichen Prognose über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit am 19.01.2012 am folgenden 20.01.2012 nicht mehr auf Grund des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V aus dem vormaligen Beschäftigungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen wäre. Da ein erneuter Anspruch auf Krankengeld gemäß § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V erst am Folgetag der erneuten ärztlichen Feststellung entstünde, könnte die Mitgliedschaft nicht mehr nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V aufrechterhalten werden. Die Klägerin hätte keinen Anspruch auf Krankengeld für den Zeitraum vom 20.01.2012 bis zum 31.01.2012.

52

Seine Auffassung begründet das BSG in mehreren Schritten. Es geht zunächst davon aus, dass Krankengeld in der Regel auf Grundlage vorgelegter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen abschnittsweise gezahlt wird und in dieser Zahlung regelmäßig die Entscheidung der Krankenkasse zu sehen sei, dass dem Versicherten für die laufende Zeit der vom Vertragsarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit ein Krankengeldanspruch zustehe, also ein Verwaltungsakt über die befristete Bewilligung von Krankengeld vorliege (BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R - Rn. 29). In einem weiteren Schritt geht das BSG davon aus, dass die leistungsrechtlichen Voraussetzungen des Krankengeldes für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen seien (BSG, a.a.O., Rn. 31). Hieraus zieht es dann die Schlussfolgerung, dass für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs eine erneute ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf das Bewilligungsabschnitts erforderlich sei (BSG, Urteil vom 04.03.2014 - B 1 KR 17/13 R - Rn. 16; vgl. auch BSG, Urteil vom 26.06.2007 - B 1 KR 8/07 R und BSG, Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R - Rn. 17).

53

Die Auffassung des BSG ist weder mit dem Gesetzeswortlaut des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V (a), noch mit der Gesetzessystematik des Krankengeldrechts (b) im Sinne der §§ 44 ff. SGB V vereinbar. Gegen die Auffassung des BSG spricht auch die historische Rechtsentwicklung und die Entstehungsgeschichte des SGB V (c). Selbst wenn die Auslegung des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V durch das BSG mit Wortlaut und Systematik des Gesetzes noch vereinbar wäre, verstieße sie gegen den Auslegungsgrundsatz der möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte gemäß § 2 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) (d). Die Rechtsprechung des BSG erweist sich vor dem Hintergrund des hiermit einhergehenden Verstoßes gegen das Gesetzesbindungsgebotes der Art. 20 Abs. 3 und 97 Abs. 1 Grundgesetz (GG) als nicht vertretbar.

54

a) Für die Auffassung des BSG enthält der Gesetzeswortlaut des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V keinen Anhaltspunkt. Dort heißt es wörtlich:

55

"Der Anspruch auf Krankengeld entsteht (…) im übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung folgt."

56

Demzufolge markiert der Tag der ärztlichen Feststellung den Entstehungszeitpunkt des Krankengeldanspruchs für den folgenden Tag. Ab dem Folgetag besteht ein Anspruch auf Krankengeld, soweit und solange die sonstigen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. Dass der Anspruch mit dem Befristungsende eines Krankengeldbewilligungsabschnitts enden könnte, geht aus der Regelung nicht hervor. Über das Ende des Krankengeldanspruchs enthält § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V keine Aussage.

57

Aus § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V geht im Übrigen nicht einmal hervor, dass die ärztliche Feststellung sich auf einen bestimmten Zeitraum beziehen kann oder muss. Dass der Vertragsarzt eine Prognose über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit abzugeben hat, ergibt sich nur aus der auf Grund von § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 SGB V erlassenen Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-Richtlinie) sowie im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus § 5 Abs. 1 S. 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) (vgl. SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 - Rn. 37). In § 1 Abs. 1 der AU-Richtlinie wird terminologisch zwischen der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und der Bescheinigung über ihre voraussichtliche Dauer differenziert. Diese Differenzierung steht im Einklang mit der gesetzlichen Regelung des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V und entspricht der Sachlogik. Ein Arzt kann zu einem bestimmten Zeitpunkt feststellen, dass Arbeitsunfähigkeit vorliegt; im Hinblick auf die Zukunft kann er anhand eines gegenwärtigen Zustands nur Aussagen über die Wahrscheinlichkeit treffen, dass noch Arbeitsunfähigkeit vorliegen wird, d.h. eine Prognose abgeben. Ob die Prognose sich als zutreffend herausgestellt hat, kann nur im Nachhinein festgestellt werden. Dieser Logik folgt auch die AU-Richtlinie, wenn unabhängig von der in § 5 Abs. 1 AU-Richtlinie geregelten Erstfeststellung eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit zum Zwecke der Krankengeldzahlung ("Auszahlschein") in der Regel nicht für einen mehr als sieben Tag zurückliegenden und nicht mehr als für einen zwei Tage im Voraus liegenden Zeitraum erfolgen soll.

58

Die Auffassung des BSG ist anhand des Normtextes des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V mithin nicht begründbar. Der Wortlaut eines Gesetzes steckt jedoch die äußersten Grenzen funktionell vertretbarer und verfassungsrechtlich zulässiger Sinnvarianten ab. Entscheidungen, die den Wortlaut einer Norm offensichtlich überspielen, sind unzulässig (Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 310, zum Ganzen Rn. 304 ff., 10. Aufl. 2009; vgl. auch Hassemer, Rechtssystem und Kodifikation: Die Bindung des Richters an das Gesetz, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann (Hrsg.): Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, 8. Aufl. 2011, S. 267; Hochhuth, Methodenlehre zwischen Staatsrecht und Rechtsphilosophie - zugleich eine Verschleierung des Theorie-Praxis-Bruchs?, in: Rechtstheorie 2011, S. 227 ff.). Die Bindung der Gerichte an das Gesetz folgt aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 GG. Dass die Gerichte dabei an den Gesetzestext (im Sinne des amtlichen Wortlauts bzw. Normtextes) gebunden sind, folgt aus dem Umstand, dass nur dieser Gesetzestext Ergebnis des von der Verfassung vorgegebenen parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens ist. Eine Überschreitung der Wortlautgrenze verstößt sowohl gegen das Gesetzesbindungsgebot als auch gegen das Gewaltenteilungsprinzip.

59

b) Die Gesetzessystematik bestätigt dieses Ergebnis.

60

Auch § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V sieht eine Meldeobliegenheit des Versicherten nur für den Beginn der Arbeitsunfähigkeit vor und knüpft nicht an Bewilligungsabschnitte oder "Feststellungszeiträume" an. Die diesbezüglich ergangene Rechtsprechung des BSG, die eine wiederholte Meldung nach jedem Bewilligungsabschnitt verlangt, entbehrt einer gesetzlichen Grundlage, lässt sich auch nicht zulässigerweise mit Analogieschlüssen begründen und verstößt gegen § 31 SGB I (eingehend SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 - Rn. 45 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 - Rn. 44 ff.; Tischler in: BeckOK SGB V, Stand: 01.12.2013 - § 49 Rn. 31; vgl. auch SG Trier, Urteil vom 21.11.2013 - S 1 KR 44/13 - Rn. 29).

61

Für die Beschränkung des Feststellungserfordernisses auf die Erstfeststellung spricht auch der Vergleich mit den Anspruchsvoraussetzungen für speziell geregelte Versichertengruppen. Bei Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) ebenso wie bei freiwillig Versicherten, die eine Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V abgegeben haben, entsteht der Anspruch auf Krankengeld von siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an (§ 46 S. 2 SGB V). Bei Versicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Arbeitslosengeldbeziehern) wird das Krankengeld "vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt" (§ 47b Abs. 1 S. 2 SGB V). Bei diesen Versichertengruppen ist die ärztliche Feststellung demnach keine Voraussetzung für die Entstehung des Krankengeldanspruchs, so dass erst recht die Fortdauer des Anspruchs (ggf. über einen Bewilligungsabschnitt hinaus) nicht von einer (weiteren) ärztlichen Feststellung abhängen kann. Demgegenüber kann der Auffassung des BSG nicht gefolgt werden, nach der es für die Entstehung des Anspruchs auch bei Versicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nicht auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit sondern auf deren ärztliche Feststellung ankommen soll (BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 35). Die Begründung des BSG, dass dies dem § 47b Abs. 1 S. 2 SGB V "mit Rücksicht" auf § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V nicht zu entnehmen sei, ist auf Grund des klar entgegenstehenden Wortlauts nicht nachvollziehbar.

62

Aus diesen von § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V abweichenden Regelungen wird deutlich, dass dem Tatbestandsmerkmal "ärztliche Feststellung" im gesetzgeberischen Konzept nur punktuelle Bedeutung zukommt, im Übrigen für das (Fort-)Bestehen eines Krankengeldanspruchs lediglich feststehen muss, dass (weiterhin) Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

63

Unter systematischen Gesichtspunkten bedarf es im Übrigen keiner Regelung des Endes des Krankengeldanspruchs auf Grund oder entsprechend des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V. Der Anspruch auf Krankengeld besteht nach § 44 Abs. 1 SGB V ohnehin nur, wenn (d.h. auch solange) Arbeitsunfähigkeit tatsächlich besteht. Zusätzlich ist der Anspruch auf Krankengeld unter den näheren Voraussetzungen des § 48 SGB V zeitlich begrenzt und kann bei Vorliegen der Voraussetzungen für Ansprüche auf Renten oder rentenähnliche Leistungen nach §§ 50, 51 SGB V ausgeschlossen sein oder wegfallen.

64

c) Die Auffassung der erkennenden Kammer wird sowohl durch die Gesetzesentwicklung als auch durch die Gesetzesmaterialien gestützt. Historisch leitet sich die in § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V enthaltene Spezialregelung (gegenüber § 40 Abs. 1 SGB I) aus den bereits in § 6 des Gesetzes betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15.06.1883 (RGBl. 1883, 73–104) enthaltenen sog. Karenztagen ab.

65

Die Anzahl der Karenztage wurde mit dem Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12.07.1961 mit Änderung des § 182 Abs. 3 RVO auf einen Tag reduziert und zugleich das Tatbestandsmerkmal "Eintritt der Arbeitsunfähigkeit" durch das Tatbestandsmerkmal "ärztliche Feststellung" ersetzt. Die hiermit einhergehende Konsequenz, dass der Krankengeldanspruch bei zunächst unterbliebener ärztlicher Feststellung trotz Vorliegens von Arbeitsunfähigkeit für Zeiten vor der Feststellung ausgeschlossen ist, wurde im Gesetzgebungsverfahren bewusst in Kauf genommen (vgl. BSG, Urteil vom 18.03.1966 - 3 RK 58/62 - Rn. 16). Dass der Anspruchsausschluss bei abschnittsweiser Krankengeldbewilligung immer wieder drohen könnte und hierdurch mehrere Karenzzeiträume bei ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit entstehen könnten, stand bei Schaffung des § 182 Abs. 2 RVO in der Fassung des Gesetzes vom 12.07.1961 und in der Folgezeit jedoch nicht zur Debatte.

66

Das Modell der "abschnittsweisen Krankengeldbewilligung" durch konkludenten Verwaltungsakt wurde in Abkehr von der Rechtsprechung zum "Schalterakt" (vgl. BSG; Urteil vom 23.11.1966 - 3 RK 86/13 - Rn. 20ff.) erst Mitte der 1980er Jahre durch das BSG etabliert (BSG, Urteil vom 16.09.1986 - 3 RK 37/85 - Rn. 12 ff.) und konnte daher bei der Gesetzesänderung von 1961 noch nicht berücksichtigt werden. Auf Grund dieser zeitlichen Abfolge ist ausgeschlossen, dass mit § 182 Abs. 3 RVO i.d.F. des Gesetzes vom 12.07.1961 wiederholte ärztliche Feststellungen zur Voraussetzung des Krankengeldanspruchs gemacht werden sollten.

67

Die Tatsache, dass vor 1961 Anknüpfungspunkt für den Krankengeldanspruch stets der tatsächliche Beginn der Arbeitsunfähigkeit war, spricht auch dagegen, dass in den Fällen, in denen im Gesetz (ggf. mittelbar) auf den tatsächlichen Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgestellt wird (§ 47b Abs. 1 S. 2 SGB V, § 46 S. 2, S. 3 SGB V) eigentlich der Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung gemeint sein könnte (so aber BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 35). Die Bezugnahme auf den tatsächlichen Beginn der Arbeitsunfähigkeit in diesen Tatbeständen erweist sich vor dem Hintergrund der Gesetzesentwicklung nicht als systematischer Fremdkörper, sondern als Kontinuum.

68

Durch die Überführung des Krankengeldrechts in das SGB V hat sich an der Funktion des Tatbestandsmerkmals "ärztliche Feststellung" nichts geändert. Der Begründung der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP zum Entwurf für das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom 03.05.1988 lässt sich zum späteren § 46 SGB V (im Entwurf im Übrigen wortgleich noch als § 45 SGB V bezeichnet) folgende Passage entnehmen (BT-Drucks. 11/2237. S. 181):

69

"Die Vorschrift entspricht weitgehend dem geltenden Recht (§§ 182 Abs. 3 und 186 RVO) mit redaktionellen Änderungen. Die Sonderregelung über das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten wird nicht übernommen, weil - wenn auch mit einer zeitlichen Verzögerung - die Krankenversicherung in diesen Fällen nicht mehr leistet (vgl. § 11 Abs. 3). Außerdem hat die Regelung über den Beginn des Krankengeldes wegen des Anspruchs auf Lohn- und Gehaltsfortzahlung kaum praktische Bedeutung."

70

Aus dieser Aussage kann nur geschlussfolgert werden, dass einerseits gegenüber der Rechtslage unter Geltung der RVO mit Einführung des SGB V keine Rechtsänderung einhergehen sollte und es andererseits nicht der Vorstellung der legislativen Organe entsprach, dass die Regelung des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V Bedeutung über die erstmalige Entstehung der Krankengeldanspruchs hinaus haben sollte. Nur die Ausweitung des Feststellungserfordernisses auf "wiederholte Inanspruchnahmen" von Krankengeld durch das BSG gibt dem § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V die erhebliche, vom Gesetzgeber nicht gesehene und nicht intendierte praktische Bedeutung.

71

Der Wortlaut der Regelung hat sich nur insoweit geändert, als an Stelle der "Gewährung" des Krankengelds ab dem auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgenden Tag (§ 182 Abs. 3 S. 1 RVO) nunmehr von einer "Entstehung" des Anspruchs auf Krankengeld von dem auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgenden Tag (§ 46 S. 1 Nr. 2 SGB V) die Rede ist. Hätte mit dieser Änderung in der Formulierung der Anspruchsvoraussetzungen entgegen der Begründung zum Gesetzesentwurf eine Änderung der Rechtslage im Sinne der späteren Rechtsprechung des BSG herbeigeführt werden sollen, hätte dies sehr viel deutlicher im Wortlaut zum Ausdruck kommen können und müssen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsprinzips. Die dogmatische Konstruktion der Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs durch das BSG ist so weit vom Gesetzeswortlaut des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V entfernt, dass ausgeschlossen werden kann, dass über die hierdurch bewirkten Rechtsfolgen eine parlamentarische Willensbildung erfolgen konnte.

72

Es gibt in Folge dessen keinen Anhaltspunkt dafür, dass die vom BSG etablierte Dogmatik des Krankengeldanspruchs zu irgendeinem Zeitpunkt dem politischen Willen einer Parlamentsmehrheit entsprochen hätte. Daneben kann auch in keiner Weise davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BSG durch Unterlassung von Änderungen quasi nachträglich legitimiert hätte - ungeachtet der methodischen Fragwürdigkeit eines solchen Arguments. Im Gegenteil zeigt sich anhand der im Zuge der Diskussion des GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz (GKV-FQWG) durch den Bundesrat vorgeschlagenen Änderung des § 192 SGB V, dass die derzeitigen politischen Mehrheiten bestimmte Folgen der Rechtsprechung des BSG - die korrekterweise auch diesem und nicht der Regelungstechnik des Gesetzes zugeschrieben werden - nicht akzeptieren wollen (BT-Drucks- 18/1579, S. 5). Der Änderungsvorschlag wurde durch die Bundesregierung zwar nicht aufgegriffen, jedoch grundsätzliche Übereinstimmung in der Problembewertung geäußert (BT-Drucks- 18/1579, S. 9).

73

d) Selbst wenn die Auslegung des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V durch das BSG entgegen der hier vertretenen Auffassung mit Wortlaut und Systematik des Gesetzes noch vereinbar wäre, verstieße sie gegen den Auslegungsgrundsatz der möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte gemäß § 2 Abs. 2 SGB I (so im Hinblick auf wiederholte Meldeobliegenheiten bereits SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 - Rn. 50).

74

Nach § 2 Abs. 2 SGB I sind die "nachfolgenden sozialen Rechte" bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches und bei der Ausübung von Ermessen zu beachten, wobei sicherzustellen ist, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Zu den in § 2 Abs. 2 SGB I genannten sozialen Rechten gehört nach § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB I für in der Sozialversicherung Versicherte das Recht auf wirtschaftliche Sicherung bei Krankheit. Dieses Recht ist u.a. im Anspruch auf Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit in Folge Krankheit in den §§ 44 ff. SGB V ausgestaltet.

75

Der Auslegungsgrundsatz des § 2 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB I enthält eine Vorzugsregel. Das Normprogramm dieser Regelung gleicht insoweit dem Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung (vgl. hierzu SG Mainz, Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09 - Rn. 86; BVerfG, Urteil vom 19.09.2007 - 2 BvF 3/02 - Rn. 92). Demnach ist bei der Auslegung von Vorschriften des Sozialgesetzbuches bei Bestehen von Auslegungsalternativen nach korrekter Konkretisierungsarbeit diejenige Alternative zu bevorzugen, die die sozialen Rechte weitgehender verwirklicht. Es ergibt sich hieraus ein bei der Auslegung stets zu berücksichtigendes sozialrechtliches Optimierungsgebot.

76

Auf die Konkretisierung des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V bezogen bedeutet dies, dass bei Vorliegen der Auslegungsalternativen "einmalige, initiale ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit" einerseits und "erneute ärztliche Feststellung vor Ende jedes Bewilligungsabschnitts" andererseits zwingend der ersten Alternative gefolgt werden muss. Denn diese Auslegungsalternative verhindert innerhalb der Grenzen methodisch korrekter Konkretisierungsarbeit möglichst weitgehend, dass Versicherte bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen allein durch fehlerhafte Terminplanung ihr soziales Recht auf wirtschaftliche Sicherung bei Krankheit (§ 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB I) verlieren können.

77

Die vom BSG vorgenommene Auslegung hat hingegen die oben beschriebenen Konsequenzen, die auch ohne jegliches vorwerfbares Verhalten zu einem Anspruchsausschluss trotz Bedürftigkeit im Sinne des sozialen Rechts auf wirtschaftliche Sicherung bei Krankheit führen können, wobei unter Umständen trotz fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nicht nur der Krankengeldanspruch wegfällt, sondern wegen des Eintritts der Auffangversicherungspflicht zusätzlich eine Beitragspflicht nach § 227 SGB V entsteht. Angesichts des Umstands, dass es sich bei der Leistung von Krankengeld um eine u.a. aus Pflichtbeiträgen der Versicherten finanzierte Leistung handelt, erscheint diese Rechtsfolge deutlich unverhältnismäßig.

78

Die Auffassung des BSG erweist sich sowohl wegen der Überschreitung der Wortlautgrenze und des hiermit einhergehenden Verstoßes gegen das Gesetzesbindungsgebot als auch nach Maßgabe der Vorzugsregel des § 2 Abs. 2 SGB I als nicht vertretbar. Für die Entstehung und den Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld nach § 46 s. 1 Nr. 2 SGB V ist bei ununterbrochenem Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit eine erstmalige ärztliche Feststellung ausreichend.

79

Der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld ist somit spätestens auf Grund der ärztlichen Feststellung durch Dr. G. vom 11.11.2011 gemäß § 46 S.1 Nr. 2 SGB V am 12.11.2011 entstanden. Auf Grund der bis zum 31.01.2012 durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit hat die Klägerin einen Anspruch auf Krankengeld auch vom 20.01.2012 bis zum 31.01.2012 mit mitgliedschaftserhaltender Wirkung gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V.

80

5. Die Arbeitsunfähigkeit wurde der Beklagten fristgerecht gemeldet, sodass der Anspruch im streitgegenständlichen Zeitraum nicht gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruhte.

81

Nach dieser Regelung ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird. Dies gilt nach dem zweiten Halbsatz der Regelung nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist im Falle der Klägerin bereits im Oktober 2011 und somit lange vor dem streitgegenständlichen Zeitraum erfolgt. Da seitdem durchgehend Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat, war anschließend keine weitere Meldung der Klägerin mehr notwendig, um das Eintreten des Ruhens nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V zu verhindern (so bereits LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.11.1999 - L 4 KR 10/98; SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 - Rn. 45ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 - Rn. 42ff.; SG Trier, Urteil vom 21.11.2013 - S 1 KR 44/13 - Rn. 29).

82

Das BSG vertritt demgegenüber die Rechtsauffassung, dass die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengelds erneut gemeldet werden muss, auch wenn die Arbeitsunfähigkeit seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat (BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R - Rn. 17; BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R - Rn. 18). Diese Auffassung widerspricht dem Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 2 SGB V, in dem nur der Beginn der Arbeitsunfähigkeit als Bezugspunkt für die Meldeobliegenheit genannt wird, nicht der Beginn eines Krankengeldbewilligungsabschnitts oder eines Feststellungszeitraumes. Dass hier zu Lasten der Versicherten über den Wortlaut hinweggegangen wird, deutet das BSG selbst in der Begründung zum Urteil vom 08.02.2000 an: "Anders als es der Wortlaut des § 49 Abs.1 Nr 5 Halbs 2 SGB V nahezulegen scheint (...)" (BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R - Rn. 17). Eine Überschreitung der Wortlautgrenze verstößt sowohl gegen das Gesetzesbindungsgebot als auch gegen das Gewaltenteilungsprinzip, so dass der Auffassung des BSG nicht gefolgt werden kann (SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 - Rn. 45ff.).

83

Auch vor dem Hintergrund des Optimierungsgebots des § 2 Abs. 2 SGB I und des Gesetzesvorbehalts des § 31 SGB I ist die durch das BSG vorgenommene Vervielfältigung der Meldeobliegenheit des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nicht vertretbar (SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 - Rn. 42ff.).

84

Allerdings wurde die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin der Beklagten am 20.01.2012 durch Vorlage der neuen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erneut gemeldet, so dass auch unter Zugrundelegung der Rechtauffassung des BSG die Meldefrist gewahrt gewesen wäre.

85

6. Der Anspruch auf Krankengeld ruhte auch nicht auf Grund tatsächlichen Bezugs von Arbeitslosengeld durch die Klägerin. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld, u.a. solange Versicherte Arbeitslosengeld beziehen.

86

Die Voraussetzungen für das Ruhen des Anspruchs sind vorliegend schon deshalb nicht gegeben, weil die Klägerin im Zeitraum vom 20.01.2012 bis zum 31.01.2012 zunächst tatsächlich kein Arbeitslosengeld erhalten hat. Die (vorläufige) Bewilligung erfolgte erst mit Bescheid vom 20.02.2012, mit dem auch die Nachzahlung für den Zeitraum vom 20.01.2012 bis zum 31.01.2012 verfügt wurde.

87

Darüber hinaus greift die Ruhensvorschrift nur im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld in der Form der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall nach § 146 SGB III bzw. § 126 SGB III a.F. (Siefert in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 156 Rn. 36, 5. Auflage 2013; BSG, Urteil vom 10.03.1987 - 3 RK 31/86 - Rn. 10ff.; BSG, Urteil vom 03.06.2004 - B 11 AL 55/03 R). Denn nur auf diese Weise ist das Konkurrenzverhältnis zwischen der Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V und § 156 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III142 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III a.F.), der seinerseits regelt, dass der Arbeitslosengeldanspruch bei Zuerkennung eines Anspruchs auf Krankengeld ruht, widerspruchsfrei aufzulösen (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 6/06 R - Rn. 22 m.w.N.; Brinkhoff in: jurisPK-SGB V, § 49 Rn. 46f., 2. Aufl. 2012). Diese aus systematischen Gründen zwingende einschränkende Auslegung des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V ist mit dem Wortlaut der Regelung vereinbar. Die Formulierung, dass der Anspruch ruht, "solange" Arbeitslosengeld bezogen wird, lässt die Interpretation zu, dass nur solche Fälle erfasst sind, in denen während des laufenden Arbeitslosengeldbezugs die Arbeitsunfähigkeit und damit die Leistungsvoraussetzung für den Krankengeldanspruch eintritt.

88

Bei dem Arbeitslosengeldbezug der Klägerin handelte es sich nicht um einen Fall der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall im Sinne des § 146 Abs. 1 S. 1 SGB III126 Abs. 1 S. 1 SGB III a.F.), da die Klägerin nicht erst während des Bezugs von Arbeitslosengeld arbeitsunfähig erkrankt ist. Der Anspruch auf Krankengeld ruhte demzufolge nicht.

89

7. Der Anspruch ist allerdings erloschen, soweit er auf Grund der für den gleichen Zeitraum erbrachten Leistung von Arbeitslosengeld als erfüllt gilt. Nach § 107 Abs. 1 SGB X gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Hiermit wird Bezug genommen auf die in den §§ 102 bis 106 SGB X geregelten Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern.

90

Im vorliegenden Fall hat die Beigeladene einen Erstattungsanspruch aus § 104 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist derjenige Leistungsträger gegenüber einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat, soweit der vorrangig verpflichtete Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat. Nachrangig verpflichtet ist nach § 104 Abs. 1 S. 2 SGB X ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre.

91

Die Beigeladene ist in diesem Sinne nachrangig verpflichtete Leistungsträgerin. Nach § 156 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III142 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III a.F.) ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit, für die ein Anspruch auf Krankengeld zuerkannt ist. Hieraus folgt, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld gegenüber einem Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich nachrangig ist. Hätte die Beklagte ihre Leistungsverpflichtung zur Gewährung von Krankengeld im Zeitraum vom 20.01.2012 bis zum 31.01.2012 rechtzeitig erfüllt, wäre die Beigeladene auf Grund der Ruhensvorschrift des § 156 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III142 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III a.F.) nicht zur Leistung verpflichtet gewesen.

92

Die Beklagte war deshalb nur zur Leistung von Krankengeld dem Grunde nach zu verurteilen, soweit die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X nicht reicht.

III.

93

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

IV.

94

Die Berufung war zuzulassen, da das Urteil von Entscheidungen des Landessozialgerichts und des Bundessozialgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG).

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt höhere Kosten der Unterkunft nach § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Streitig ist dabei insbesondere, welche Kosten der Kläger geltend machen kann, der in einem Wohnmobil lebte.

2

Der im Jahre 1955 geborene, allein lebende Kläger ist seit 1.2.2005 arbeitslos. Er lebte in einem Wohnmobil, das er an wechselnden Standorten in K. abstellte. Gegenüber der Beklagten gab er an, dass er einen festen Standplatz für sein Wohnmobil nicht habe. Den Standplatz wechsele er nach Aufforderung durch die Polizei bzw Anwohner. Die Beklagte bewilligte dem Kläger zunächst durch Bescheid vom 22.7.2005 die Regelleistung nach § 20 Abs 2 SGB II für den Zeitraum vom 4.7.2005 bis 31.12.2005. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, die Kosten für das Halten des Wohnmobils in Höhe von insgesamt 250 Euro monatlich müssten als Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigt werden. Dabei machte er im Einzelnen folgende Positionen geltend: Kraftfahrzeugsteuer 15 Euro, Kraftfahrzeugversicherung 20 Euro, Gas, Heizung 45 Euro, Diesel 100 Euro, Pflege 20 Euro und Wartung 50 Euro monatlich. Zur Versorgung der Unterkunft mit Wasser, zur Entsorgung von Abwasser und zum Aufladen der Batterien müsse das Wohnmobil in begrenztem Umfang gefahren werden. Ihm stünden im Übrigen Leistungen bereits ab dem 15.6.2005 zu, weil er an diesem Tag bei der Beklagten vorgesprochen habe. Die Beklagte bewilligte dem Kläger durch Änderungsbescheide vom 30.11.2005 Leistungen (Regelleistungen) auch für die Zeit vom 21.6. bis 30.6.2005 und 1.7. bis 3.7.2005. Durch weiteren Änderungsbescheid vom 30.11.2005 bewilligte sie ihm für den Monat Dezember 2005 eine einmalige Heizkostenbeihilfe in Höhe von 371 Euro für den Betrieb der eigengesteuerten Heizanlage (Propangasheizung) im Wohnmobil des Klägers während der Dauer der Heizperiode vom 1.10.2005 bis zum 30.4.2006. Den weitergehenden Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Bescheid vom 14.12.2005 zurück. Die vom Kläger geltend gemachten Kosten stellten keine Kosten der Unterkunft iS des § 22 Abs 1 SGB II dar.

3

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, die das Sozialgericht (SG) Speyer durch Urteil vom 15.1.2008 abgewiesen hat. Die Berufung blieb ohne Erfolg. Zur Begründung seines Urteils vom 23.4.2009 hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz ausgeführt, es könne zunächst nicht festgestellt werden, dass der Kläger, wie von ihm behauptet, bereits am 15.6.2005 einen Leistungsantrag bei der Beklagten gestellt habe. Hinsichtlich des weiteren streitigen Zeitraums vom 21.6.2005 bis 31.12.2005 habe der Kläger seine Klage in zulässiger Weise auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Zwar stelle ein Wohnmobil grundsätzlich eine Unterkunft im Sinne des SGB II dar. Einen Anspruch auf weitere Leistungen habe er jedoch nicht. Unter einer Unterkunft sei eine bauliche Anlage zu verstehen, die geeignet sei, vor den Unbilden der Witterung zu schützen und einen Raum für die Privatheit zu gewährleisten. Dies sei auch bei einem Wohnmobil der Fall. Entgegen der Ansicht anderer Landessozialgerichte könne dem Kläger auch eine etwaige straßenrechtliche oder straßenverkehrsrechtliche Unzulässigkeit nicht entgegengehalten werden, solange die für das Straßenrecht zuständigen Behörden nicht gegen das Parken einschritten. Allerdings seien die Kosten für das Halten eines Wohnmobils auf den Zweck des Wohnmobils als Unterkunft einzuschränken. Ein Wohnmobil diene außer als Unterkunft auch als Verkehrsmittel. Kosten für die Nutzung eines Fahrzeugs seien Bestandteil der pauschal festgelegten Regelleistung gemäß § 20 SGB II. Dies habe zur Folge, dass nur solche Kosten als Kosten der Unterkunft erstattungsfähig seien, die konkret wegen der Verwendung des Wohnmobils als Wohnungsersatz anfallen würden (zB Kosten eines Stellplatzes). Mithin sei die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass die Kosten der Propangasheizung zu berücksichtigen seien. Durch die Bewilligung von 371 Euro für sieben Monate sei dem Kläger aber mehr als beantragt bewilligt worden. Treibstoffkosten könnten dem Bereich "Unterkunft" nur dann zugerechnet werden, wenn sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Nutzung des Wohnmobils als Wohnungsersatz anfielen. Für solche Kosten sei vorliegend nichts ersichtlich, weil der Kläger nach seinen eigenen Angaben den Treibstoff allein deshalb benötige, um sein Wohnmobil zu fahren. Soweit er geltend mache, er müsse das Wohnmobil zur Versorgung mit Wasser, zur Entsorgung von Abwasser, zum Aufladen der Batterien und zum Wechsel des Stellplatzes regelmäßig bewegen, seien dies keine Kosten, die spezifisch durch die Nutzung des Wohnmobils als Unterkunft bedingt seien. Auch die Kosten der Kraftfahrzeugsteuer und der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung habe der Kläger allein wegen des Haltens des Wohnmobils als Fahrzeug zu tragen. Entsprechendes gelte für Kosten der Reparatur und Wartung. Der Kläger habe im Übrigen auch nicht geltend gemacht, welche konkreten zusätzlichen Aufwendungen für Wartung er im streitigen Zeitraum gehabt habe, die dem Verwendungszweck des Wohnmobils als Wohnungsersatz gedient hätten.

4

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner - vom Senat zugelassenen - Revision. Er rügt eine Verletzung des § 22 Abs 1 SGB II. Er macht insbesondere geltend, dass er ebenso wie ein Wohnungseigentümer Nebenkosten bis zur Höhe der abstrakt angemessenen Kosten einer Mietwohnung erstattet erhalten müsse. Zunächst sei sein Wohnmobil wie eine selbst genutzte Eigentumswohnung als angemessen zu betrachten, denn bei seinem Wohnmobil handele es sich um ein durchschnittliches Modell. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Hinweis auf das Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 67/0AS 67/06 R - RdNr 24) seien Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen seien. Als angemessen seien die Aufwendungen für eine Wohnung anzusehen, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügten und keinen gehobenen Wohnstandard aufwiesen. Die neuesten zu Mietwohnungen entwickelten Grundsätze des BSG würden auch gelten, soweit Hilfebedürftige Kosten für eine selbst genutzte Eigentumswohnung von angemessener Größe geltend machen (Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - und des 4. Senats des BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 9/09 R -). Da richtigerweise auch Wohnmobile als Unterkunft iS des § 22 Abs 1 SGB II gelten können, gäbe es im Hinblick auf die durch die Unterkunft verursachten Kosten im Regelfall keinen sachlichen Grund, Haus- oder Wohnungseigentümer anders als Wohnmobilbesitzer zu behandeln. Der Wortlaut des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II schließe die Berücksichtigung von Kraftfahrzeugsteuern, Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, Reparaturkosten, Wartung und Pflege eines zum Wohnen anstelle einer Wohnung genutzten Wohnmobils nicht aus. Auch der Sinn und Zweck der Leistung stehe einer Übernahme der genannten Kosten bis zur Höhe der abstrakt angemessenen Kosten nicht entgegen. Zu den grundsätzlich erstattungsfähigen Aufwendungen für die Unterkunft bei Eigenheimen gehörten neben den zur Finanzierung geleisteten Schuldzinsen auch die Nebenkosten wie zB Beiträge zur Wohngebäudeversicherung, Grundsteuern, Wasser- und Abwassergebühren und ähnliche Aufwendungen im jeweils maßgeblichen Bewilligungszeitraum.

5

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23.4.2009 und das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 15.1.2008 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.7.2005, in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.11.2005, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2005 zu ändern und dem Kläger für die Zeit vom 21.6. bis 31.12.2005 Leistungen für Unterkunft iS des § 22 SGB II - Kraftfahrzeugsteuer, Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, Reparaturkosten, Wartung und Pflege des Wohnmobils sowie Kosten für Kraftstoff als Nebenkosten - bis zur Höhe der angemessenen Kosten einer Mietwohnung zu gewähren.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Die Kosten der Unterkunft könnten nur insoweit geltend gemacht werden, als das Wohnmobil als Wohnstätte genutzt werde. Soweit es als Verkehrsmittel diene, könnten die Kosten nicht gemäß § 22 Abs 1 SGB II berücksichtigt werden. Nebenkosten iS des § 22 Abs 1 SGB II seien zudem nur diejenigen, die als Nebenkosten ihrer Art nach in § 2 Betriebskostenverordnung aufgeführt seien. Es sei evident, dass dies bei der Kraftfahrzeugsteuer oder Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung und weiteren Unterhaltungskosten eines Kraftfahrzeugs nicht der Fall sei. Darüber hinaus seien die Kosten für die Nutzung eines Kraftfahrzeugs bereits Bestandteil der pauschalierten Regelleistung gemäß § 20 SGB II. Schließlich habe der Kläger auch keinen Nachweis erbracht, dass anfallende Treibstoffkosten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Nutzung des Wohnmobils als Unterkunftsersatz gestanden hätten. Hinsichtlich des Vergleichs zwischen Wohneigentum und Wohnmobil sei festzustellen, dass der Wohneigentümer durch Erwerb der Immobilie vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme von Immobiliendarlehen wesentlich verbindlichere und langfristigere Verpflichtungen eingegangen sei als der Erwerber eines Wohnmobils.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist nur teilweise begründet. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen und der Beklagten steht dem Kläger auch ein Anspruch auf Erstattung der Kraftfahrzeugsteuer und der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ab dem 21.6.2005 bis 31.12.2005 zu. Ein weitergehender Anspruch besteht jedoch nicht, sodass die Revision im Übrigen zurückzuweisen ist. Den Anspruch auf Leistungen bereits ab 15.6.2005 wegen einer behaupteten Antragstellung gemäß § 37 SGB II an diesem Tag verfolgt der Kläger im Revisionsverfahren nicht mehr.

9

Für den streitigen Zeitraum ab 21.6.2005 hat der Kläger sein Begehren rechtmäßigerweise auf die Erstattung der Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beschränkt. Dem Kläger stehen höhere Kosten der Unterkunft als bislang bewilligt lediglich insoweit zu, als die Beklagte auch verpflichtet war, die anteiligen monatlichen Kosten für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung und die Kraftfahrzeugsteuer zu übernehmen (hierzu unter 2). Das LSG ist dabei zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass auch ein Wohnmobil eine "Unterkunft" iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II darstellen kann (unter 1).

10

1. Gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Unter einer Unterkunft im Sinne des SGB II ist jede Einrichtung oder Anlage zu verstehen, die geeignet ist, vor den Unbilden des Wetters bzw der Witterung zu schützen und eine gewisse Privatsphäre (einschließlich der Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren) gewährleistet. Unter diesen Begriff der Unterkunft im Sinne des SGB II fallen auch Wohnwagen und Wohnmobile (vgl hierzu Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 22 RdNr 12 mwN; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 15; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 21 ff, Stand IX/09; Piepenstock in juris-PK SGB II, 2. Aufl 2007, § 22 RdNr 28). Nicht maßgeblich ist dabei für den Begriff der Unterkunft, dass die dauerhafte Nutzung eines Wohnmobils oder Wohnwagens im öffentlichen Straßenraum ordnungsrechtlich als Sondernutzung wohl unzulässig wäre (so insbesondere das LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.10.2007 - L 19 B 1700/07 AS ER = FEVS 59, 230, 232; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8.3.2006 - L 19 B 42/06 AS ER). Das SGB II stellt insofern auf den tatsächlichen Wohnbedarf (die konkrete Hilfebedürftigkeit) ab, der im Einzelfall auch durch die Nutzung eines Wohnmobils gedeckt werden kann. Jedenfalls ist es den Grundsicherungsträgern und auch den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit im Regelfall verwehrt, gegenüber den Antragstellern eigenständige ordnungsrechtliche Prüfungen vorzunehmen und insofern in der Rolle einer Sonderordnungsbehörde die jeweilige Unterkunft zu bewerten. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die zuständige Ordnungsbehörde eingreift und dem Kläger die Nutzung seines Wohnmobils zu Wohnzwecken im öffentlichen Straßenraum untersagt. Dies war hier jedoch nach den Feststellungen des LSG nicht der Fall.

11

2. Dem Kläger stehen als Kosten der Unterkunft iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich die tatsächlich für den Wohnbedarf anfallenden Kosten zu, soweit diese angemessen sind. Aus einem Vergleich mit den Nebenkosten, die im Falle eines selbst genutzten Wohneigentums geltend gemacht werden können, ergibt sich, dass dem Kläger auch ein Anspruch auf Erstattung der Kraftfahrzeugsteuer und der Kosten für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zusteht. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 15.4.2008 (B 14/7b AS 34/06 R = BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10) klargestellt, dass zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke alle notwendigen Ausgaben zählen, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (aaO, RdNr 38). Insofern findet § 7 Abs 2 der Verordnung zu § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) entsprechend Anwendung(vgl aaO, RdNr 38). Wie bei Mietwohnungen sind auch bei Wohnungseigentum die angemessenen Heizkosten zu übernehmen. Insofern standen dem Kläger zunächst die anteiligen Kosten für die Heizung seines Wohnmobils mit Propangas zu, wobei die Beklagte - worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat - dem Kläger mit 371 Euro für eine siebenmonatige Heizperiode bereits einen höheren Betrag als beantragt bewilligt hat.

12

Nach § 7 Abs 2 Nr 2 der entsprechend heranzuziehenden Verordnung zu § 82 SGB XII sind als Kosten der Unterkunft auch Steuern vom Grundbesitz, sonstige öffentliche Abgaben und Versicherungsbeiträge zu berücksichtigen. Der Kläger weist insofern zu Recht darauf hin, dass die Grundsteuer und weitere Grundabgaben als Nebenkosten eines Hauseigentümers im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II im Rahmen der Angemessenheit als dessen Unterkunftskosten Berücksichtigung finden. Nutzt ein Grundsicherungsempfänger ein Wohnmobil als (einzige) Unterkunft, so sind die Kraftfahrzeugsteuern und die Beiträge für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nicht anders zu behandeln als die Grundsteuern, die als Grundlasten auf dem Wohneigentum eines entsprechenden Hauseigentümers liegen, wenn ohne sie eine Nutzung des Wohneigentums zum Zwecke des Wohnens in der konkret durchgeführten Form nicht möglich wäre. Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des SGB II sind daher die Kraftfahrzeugsteuern und die Beiträge zur Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des Klägers nicht anders zu behandeln als entsprechende Steuern und Abgaben, die auf dem Grundeigentum liegen. Da der Kläger das Wohnmobil auf öffentlichen Straßen nutzt, kann er auch nicht darauf verwiesen werden, dass er sein Wohnmobil polizeilich abmelden und einen Stellplatz aufsuchen könne, für den die Kraftfahrzeugsteuern und die Beiträge für die Haftpflichtversicherung nicht mehr anfallen würden. Ob die Beklagte dies im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II vom Kläger hätte fordern können, kann hier dahinstehen, denn sie hat ein solches Vorgehen jedenfalls nicht gewählt. Insofern war die Beklagte daher verpflichtet, die für das aktuelle Wohnen in dem Wohnmobil zwingend erforderliche monatlich anteilige Kraftfahrzeugsteuer und die Beiträge für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des Klägers zu übernehmen, wobei das BSG als Revisionsgericht die von dem Kläger bislang lediglich pauschal geltend gemachten Beträge von 20 bzw 15 Euro monatlich nicht eigenständig auf ihre sachliche Richtigkeit überprüfen kann. Der konkrete Nachweis über die Höhe der monatlich anfallenden Kosten wird daher vom Kläger gegenüber der Beklagten erst noch zu erbringen sein.

13

Anders verhält es sich bei den übrigen geltend gemachten Kosten des Klägers. Diese stellen keine Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II dar. Für Pflege und Wartung seines Wohnmobils beantragt der Kläger lediglich pauschal 70 Euro monatlich. Der Kläger muss sich hier ebenso behandeln lassen wie ein Wohneigentümer, dem gerade kein Anspruch auf eine "Erhaltungspauschale" zusteht (BSG, Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - = SozR 4-4200 § 22 Nr 17, insbesondere RdNr 16). Der Verweis auf die Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII führt lediglich zu einer "entsprechenden" Anwendung der Verordnung(so auch BSG, aaO). Zwar sieht § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 4 der Verordnung zu § 82 SGB XII vor, dass zu den notwendigen Ausgaben auch der Erhaltungsaufwand gehört. Allerdings handelt es sich hier um eine Bestimmung zur Einkommensberücksichtigung im Sozialhilferecht, die nur dann zur Anwendung kommt, wenn der Leistungsberechtigte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Insoweit liegen bei einer selbst genutzten Immobilie (und erst recht hier bei einem zu Wohnzwecken genutzten Wohnmobil) mangels Einkommenserzielung schon die Voraussetzungen für die Anwendung der Pauschale nicht vor. Im Übrigen kann diese sich schon deshalb nicht bedarfserhöhend auswirken, weil § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II von dem Grundsatz ausgeht, dass nur tatsächliche Aufwendungen berücksichtigungsfähig sind(aaO, RdNr 16). Insofern hat das LSG zu Recht entschieden, dass der Kläger nur dann Reparaturkosten oder andere Kosten zur Erhaltung seines Wohnmobils hätte geltend machen können, wenn diese im streitigen Zeitraum konkret angefallen und belegt worden wären.

14

Ebenso wenig steht dem Kläger ein Anspruch auf Dieselkraftstoff in Höhe der von ihm geltend gemachten 100 Euro monatlich zu. Zu Recht verweist das LSG hier darauf, dass diese vom Kläger geltend gemachten Kosten nicht spezifisch mit der Funktion des Wohnmobils gerade als Unterkunft verbunden sind. Dem Kläger steht im Rahmen seines Wohnbedarfs kein Anspruch darauf zu, sich zusätzlich mit dem Wohnmobil noch fortzubewegen bzw mit seinem Fahrzeug am Verkehr teilzunehmen. Diesen Bedarf muss der Kläger - wie jeder Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II - aus der Regelleistung decken. Der Senat hat hier nicht darüber zu befinden, inwiefern die in der Abteilung 07 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) enthaltenen Anteile für die Teilnahme am Verkehr, die dann in die Regelleistung eingeflossen sind, den Bedarf decken können. Rechtlich maßgebend ist hier ausschließlich, dass eine Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr in keinem Zusammenhang mehr mit dem Schutzzweck des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II (Gewährung einer angemessenen Unterkunft) steht. Soweit der Kläger schließlich geltend macht, er müsse das Wohnmobil gerade wegen seiner Nutzung als Wohnung (etwa zur Leerung der Toilette etc) bewegen, kann auch dies keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Kraftstoff begründen. Es kann dahinstehen, ob diese Behauptung des Klägers zutrifft. Ein Anspruch scheidet ohnehin aus, weil bei den Kraftstoffkosten eine Differenzierung in Kosten, die zur Teilnahme am Straßenverkehr anfallen und solchen, die wegen der Nutzung als Unterkunft u.U. erforderlich sein könnten, schon rein tatsächlich nicht möglich ist.

15

Angesichts der vom Kläger geltend gemachten Beträge hat der Senat im Übrigen keine Zweifel, dass die Kosten des Wohnmobils angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II waren und insbesondere unter der Vergleichsschwelle der Mietkosten einer angemessenen Ein-Zimmer-Wohnung liegen.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für alle Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2013.

2

Die miteinander verheirateten Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer eines 2003 erworbenen Grundstücks mit selbst bewohntem Wohnhaus von 85 m² Wohnfläche, für dessen Erwerb sie der 1946 geborenen vormaligen Eigentümerin (im Folgenden: Voreigentümerin) und deren 1939 geborenem Ehemann eine Rente auf Lebenszeit in Höhe von monatlich 440 Euro zu entrichten haben. Bei Zahlungsverzug von mehr als drei Monatsraten ist die Voreigentümerin zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, ohne dass ein Ausgleich für die bis dahin empfangenen Zahlungen zu leisten wäre (Ziffern III. 1. und 2. des notariellen Übergabevertrages vom 16.6.2003 mit Nachtrag vom 20.2.2004).

3

Das beklagte Jobcenter bewilligte den Klägern für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2013 Arbeitslosengeld II (Alg II) zunächst in Höhe der Regelbedarfe sowie eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Bescheid vom 16.1.2013). Auf den Widerspruch wegen der Nichtberücksichtigung der Rentenzahlungen an die Voreigentümerin setzte der Beklagte das Alg II wie zuvor in Höhe der Regelbedarfe sowie des Mehrbedarfs fest und anerkannte als Bedarfe für Unterkunft und Heizung je Kläger 107,46 Euro für die Zeit vom 1.2. bis 28.2.2013 und 58,51 Euro bzw 58,50 Euro für die Zeit vom 1.5. bis 31.5.2013 für Betriebskosten (Änderungsbescheide vom 30.1.2013). Den Widerspruch im Übrigen wies er zurück, da die Rente der Tilgung für ein Darlehen zur Finanzierung eines Eigenheims gleich stehe und daher nicht nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II berücksichtigungsfähig sei(Widerspruchsbescheid vom 31.1.2013).

4

Auf Klage - beschränkt auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung - hat das Sozialgericht (SG) den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 16.1.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013 zur Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich je 220 Euro für die Zeit vom 1.2.2013 bis 31.7.2013 verurteilt (Urteil vom 10.5.2013): Aufwendung für Unterkunft sei jede Zahlungsverpflichtung, die eine Wohnraumüberlassung zum Gegenstand habe und deren Nichterfüllung einen Räumungsanspruch des Gläubigers begründen könne. In diesem Sinne sei die monatliche Zahlungspflicht hier ein Leibrentenversprechen, das ähnlich einer Mietzahlung oder eines in Raten zu zahlenden Kaufpreises die Gegenleistung für die Überlassung von Wohnraum sei und bei dem im Falle des Zahlungsverzugs mit mehr als drei Monatsraten ein Rücktrittsrecht und Rückübereignungsanspruch zugunsten der Übergeberin bestehe. Diese Zahlungen seien nicht mit Tilgungsraten zu vergleichen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Immobilieneigentum zu entrichten seien; sie sicherten allein den bereits erlangten Vermögensvorteil und dienten nicht unmittelbar der Vermögensmehrung.

5

Mit der mit Zustimmung der Kläger eingelegten und vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Leibrentenzahlungen seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Tilgungsleistungen keine berücksichtigungsfähigen Aufwendungen iS dieser Vorschrift, denn sie seien Gegenleistung für die Eigentumsübertragung am Hausgrundstück und damit als Ratenzahlungen eines seiner Höhe nach unbestimmten, weil bis zum Tod der Berechtigten zu zahlenden Kaufpreises zu verstehen. Bei vollständiger Erfüllung werde Lastenfreiheit des Grundstücks erreicht. Damit führe die Zahlung zu einer Vermögensbildung.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG entschieden, dass die von den Klägern zu zahlende Rente von 440 Euro monatlich als weiterer Unterkunftsbedarf anzuerkennen ist. Die Rente steht der Tilgung einer ratenweisen Kaufpreisschuld für das Hausgrundstück gleich und ist - da die Tilgung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Lebenserwartung der Voreigentümerin noch nicht bereits weitgehend abgeschlossen war - auch nicht ausnahmsweise als Bedarf für Unterkunft anzuerkennen.

9

1. Gegenstand des Verfahrens sind die den Zeitraum von Februar bis Juli 2013 betreffenden Alg II-Bewilligungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013, wogegen sich die Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 Sozialgerichtsgesetz) wenden. Nicht (mehr) Verfahrensgegenstand ist dagegen der Ausgangsbescheid vom 16.1.2013, nachdem er durch die im laufenden Widerspruchsverfahren ergangenen Änderungsbescheide vom 30.1.2013 vollständig ersetzt worden ist (§ 86 SGG) und sich mangels weitergehender rechtlicher Wirkungen damit erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -).

10

2. In der Sache ist der Streitgegenstand durch den ausschließlich darauf bezogenen Klagantrag wirksam auf die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - und zwar, da nur der Beklagte die Entscheidung des SG mit der Sprungrevision angefochten hat, begrenzt auf die Höhe der ihnen vom SG insoweit zugesprochenen 220 Euro je Kläger - beschränkt; an der prozessual zulässigen Abtrennbarkeit dieser Leistungen (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453; insofern in Kraft getreten zum 1.1.2011, im Folgenden: § 19 Abs 1 SGB II nF) auch für Verfahren über Bewilligungsabschnitte nach dem 1.1.2011 nichts geändert (zu Verfahren über zuvor abgeschlossene Bewilligungsabschnitte vgl nur BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

11

a) Der Rechtslage bis zum 31.12.2010 haben die Grundsicherungssenate des BSG in ständiger Rechtsprechung entnommen, dass die Gewährung höherer oder überhaupt von Leistungen für Unterkunft und Heizung einen abtrennbaren prozessualen Anspruch bildet, soweit sie - wie vorliegend auch - Gegenstand einer abtrennbaren Verfügung (Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X) des betreffenden Bescheids sind. Zwar sind beim Streit um höhere Leistungen auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (stRspr; vgl nur BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54Nr 21, RdNr 32). Hiervon hat das BSG indes eine Ausnahme für Unterkunft und Heizung gemacht, weil die Zuständigkeiten für die Regelleistung (heute: Regelbedarf) einerseits und für die Leistungen für Unterkunft und Heizung andererseits nach der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014) iVm § 19 S 2 bzw 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; seit 1.8.2006: § 19 S 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 , BGBl I 1706; im Folgenden § 19 S 2 bzw 3 SGB II aF)unterschiedlich und die Leistungen inhaltlich voneinander abgrenzbar waren, es sich rechtlich also um zwei eigenständige Leistungen und Verfügungen handelte (stRspr, grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff).

12

b) Eigenständige Leistungen in diesem Sinne bilden die Leistungen für den Regelbedarf einerseits und für Unterkunft und Heizung andererseits auch unter Geltung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Unverändert sind danach die Zuständigkeiten zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern ungeachtet des im Hinblick auf die Weiterentwicklung von § 19 SGB II (dazu unten c) geringfügig unterschiedlichen Wortlauts von § 6 Abs 1 S 1 SGB II alter und neuer Fassung weiter vom Prinzip geteilter Trägerschaft geprägt, wie es seit Einführung des SGB II gilt(vgl BT-Drucks 15/2816, S 10): Sofern nicht eine einheitliche Zuständigkeit eines kommunalen Trägers nach §§ 6a f SGB II besteht, sind für Unterkunft und Heizung ausschließlich zuständig die kommunalen Träger und für das Alg II sowie das Sozialgeld mit Ausnahme der Kosten von Unterkunft und Heizung die Bundesagentur für Arbeit; daran hat sich im Gefolge des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG nichts geändert (ebenso Rixen/Weißenberg in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 6 RdNr 3; Luik, ebenda § 22 RdNr 31). Eher ist die Trennung der Zuständigkeiten nochmals verdeutlicht durch die Neufassung des § 44b Abs 3 S 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 mWv 1.1.2011 , BGBl I 1112), wonach die Verantwortung für die recht- und zweckmäßige Erbringung jeweils "ihrer Leistungen" in der gemeinsamen Einrichtung nach § 44b SGB II(idF des GSiOrgWG) ausdrücklich jedem Träger gesondert obliegt (zum Zweck dieser Verantwortlichkeitszuweisung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 zu § 44 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vgl BR-Drucks 226/10 S 37 sowie Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 44b RdNr 26 ff, Stand 10/2013).

13

c) Nichts anderes folgt aus der partiellen Neufassung von § 19 und § 22 Abs 1 SGB II durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Leistungsrechtlich waren die Kosten für Unterkunft und Heizung schon bis zu dessen Inkrafttreten als Teil des Anspruchs auf Alg II gefasst (vgl § 19 S 1 SGB II idF des GSiFoG: Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung). Sachlich bedeutet es deshalb keinen Unterschied, wenn nunmehr die Leistungen, also Alg II und Sozialgeld, den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung "umfassen" (§ 19 Abs 1 S 3 SGB II nF) und nach Maßgabe von § 22 SGB II bei Unterkunft und Heizung "Bedarfe" in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen "anerkannt" werden(§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG), während zuvor "Leistungen" zu erbringen waren (§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II in der insoweit bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Das verdeutlicht zwar weiter, dass die Leistungsbereiche in dem Sinne aufeinander bezogen sind, als jeweils nach denselben Maßstäben umfassend zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II, insbesondere die der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II, vorliegen(so bereits BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso BT-Drucks 17/3404 S 97 zu § 19). Jedoch trägt dies nicht die Einschätzung, dass hiermit Änderungen substantieller Art verbunden wären (so aber BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22: Leistungen für Unterkunft und Heizung sind nunmehr integraler Bestandteil des Arbeitslosengeldes II, das den Bedarf für Unterkunft und Heizung als nicht mehr abtrennbaren Teil enthält). Das wäre angesichts der fortbestehenden organisationsrechtlichen Aufspaltung der Verantwortlichkeiten auch schwerlich möglich: Solange die Trägerschaft für die Kosten von Unterkunft und Heizung einerseits und den Regelbedarf andererseits getrennt ist, können Alg II und Sozialgeld keine einheitliche "Gesamtleistung" bilden (so schon BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31).

14

d) Ein prozessuales Verbot der abgetrennten Geltendmachung von Leistungen für Unterkunft und Heizung oder den Regelbedarf begründen die Änderungen in § 19 und § 22 Abs 1 SGB II ebenfalls nicht. Zwar stehen dem Gesetzgeber partielle Begrenzungen der grundsätzlich umfassend gewährleisteten Dispositionsmaxime (§ 123 SGG) zu. Dass dies hier geschehen wäre, ist aber nicht hinreichend deutlich. Einerseits ist das in den Materialien zwar angedeutet (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22). Andererseits findet eine solche Begrenzung schon im Gesetzestext keinen hinreichend deutlichen Niederschlag, nachdem - wie dargelegt - die Neufassung von § 19 Abs 1 SGB II nF erhebliche Unterschiede zur vorherigen Rechtslage nicht erkennen lässt. Zudem kommt in den Materialien gegenläufig ebenso das Bestreben zum Ausdruck, in Verfahren nach dem SGB II auch künftig Teilelemente abschichten zu können, auch wenn der dazu in Betracht gezogene Ansatz im geltenden Prozessrecht kaum Grundlagen findet (vgl BT-Drucks 17/3404, S 97 zu § 19: "dass … einzelne, dem angefochtenen Leistungsanspruch zugrunde liegende Tatsachen unstreitig gestellt werden"; vgl aus der stRspr hierzu nur BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - Juris RdNr 26; BSG Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R - BSGE 112, 54 = SozR 4-3500 § 28 Nr 8, RdNr 14; vgl ebenso Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 19 RdNr 82, Stand 1/2012, und Straßfeld, SGb 2011, 436, 442); auch das spricht dagegen, § 19 Abs 1 SGB II als Sperre der isolierten Geltendmachung der Bedarfe von Unterkunft und Heizung zu verstehen(so im Ergebnis auch: Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31 ff; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, Stand 6/2013, § 19 RdNr 30; Lauterbach in Gagel, Online-Ausgabe Stand 2014, § 22 SGB II RdNr 8; Nolte, NZS 2013, 10, 12 ff; Straßfeld, SGb 2011, 436, 442; aA : Berlit in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 9; S. Knickrehm in Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 1; offen gelassen Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 1/2012, K § 19 RdNr 81).

15

3. Anspruch auf weitere jeweils 220 Euro monatlich als Leistung auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II nF haben die Kläger ungeachtet ihrer Hilfebedürftigkeit im Übrigen nicht.

16

a) Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen im Weiteren sind gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II nF Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind, dh die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10).

17

b) Zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in diesem Sinne rechnen nach gefestigter Rechtsprechung des BSG, von der abzurücken kein Anlass besteht, Tilgungsraten grundsätzlich nicht (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 35; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 169 ff, Stand 10/2012; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 61). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (vgl aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; ebenso 4. Senat, BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Im Übrigen ist der Eigentümer grundsätzlich ebenso wenig wie der Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (vgl Entscheidungen des erkennenden Senats, BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 zur Kostensenkungsaufforderung und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10 zum Wohnungswechsel wegen unangemessen hoher Unterkunftskosten).

18

c) Nicht ohne Bedeutung ist hiernach entgegen der Auffassung des SG die "vertragliche Ausgestaltung" der im Streit stehenden Aufwendungen. Maßgebend ist vielmehr, ob die von den Klägern entrichteten Zahlungen an die Voreigentümerin wie die Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder einer Kaufpreisschuld zu werten sind oder ob sie einer (Miet-)Zahlung für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleichen. Das beurteilt sich nach der Rechtsprechung allein danach, wie der zugrunde liegende Vertrag konkret ausgestaltet ist und nicht, wie er auch hätte ausgestaltet sein können (vgl BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 1/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 65 RdNr 21). Entscheidend für die rechtliche Qualifizierung ist bei Grundstückskäufen auf Leibrentenbasis nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wie eng das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Rentenzahlung und Grundstücksgeschäft beschaffen ist. Als Leibrente im eigentlichen Sinne des § 759 BGB erachtet der BGH ein "einheitlich nutzbares Recht …, das dem Berechtigten für die Lebenszeit eines Menschen eingeräumt ist und dessen Erträge aus wiederkehrenden, gleichmäßigen und in gleichen Zeitabständen zu gewährenden Leistungen in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehen"(BGH Urteil vom 16.12.1965 - II ZR 274/63 - BB 1966, 305 - juris RdNr 22). Der Leibrente zugeordnet wird ein Grundstücksüberlassungsvertrag deshalb nur, wenn die Gegenleistung für dessen Überlassung mit der Einräumung des Stammrechts, aus dem die Einzelansprüche erwachsen, formal bereits als vollständig erbracht anzusehen ist und die Rentenzahlungen deshalb im strengen Sinne nicht Gegenleistung für die Grundstücksüberlassung sind, sondern Erfüllung des bereits vorher gewährten Rentenstammrechts. Steht dagegen nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung die Erfüllung (auch) der einzelnen Zahlungsansprüche in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Grundstücksüberlassung - und hat sich der Überlasser deshalb den Rücktritt vom Vertrag vorbehalten für den Fall, dass der Übernehmer mit Zahlungen in Rückstand gerät - dann bilden die "Rentenzahlungen in ihrer Gesamtheit den Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks" (BGH Beschluss vom 25.4.1991 - III ZR 159/90 - WM 1991, 1644, juris RdNr 2 ff, RdNr 5).

19

d) Hiernach könnten Leibrenten der Miete allenfalls gleich zu stellen sein, wenn es sich um Renten im engeren Sinne des § 759 BGB handelt. Muss dagegen eine "Leibrentenzahlung" bei vorbehaltenem Rücktritt - wie hier vertraglich ausbedungen - als Kaufpreisteil gesehen werden, so ist nicht anzunehmen, dass die Zahlungen nicht der Finanzierung des Grunderwerbs dienen. Maßgeblich ist dann nach der Rechtsprechung des BSG, ob es nach den konkreten Umständen "um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist" (vgl erkennender Senat: BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; 4. Senat: BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Davon kann hier indes nicht ausgegangen werden, nachdem die 2005 - dem Jahr des erstmaligen Bezugs von SGB II-Leistungen der Kläger - 59 Jahre alte Voreigentümerin statistisch eine Lebenserwartung von deutlich über 20 Jahren hatte (Statistisches Bundesamt, Periodensterbetafeln für Deutschland, Allgemeine Sterbetafeln, abgekürzte Sterbetafeln und Sterbetafeln, 1871/1881 bis 2008/2010, S 342).

20

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19. November 2009 aufgehoben und die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 18. Mai 2006 zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander in allen drei Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren im vorliegenden Rechtsstreit höhere Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005, insbesondere verlangen sie die Berücksichtigung eines von ihnen monatlich zu leistenden Tilgungsbetrags für den Erwerb eines Einfamilienhauses in Höhe von 350 Euro im Rahmen der KdU.

2

Die 1970 geborene Klägerin zu 1 und der 1967 geborene Kläger zu 2 lebten im streitigen Zeitraum mit ihren Kindern, den im Januar 1995 und im Oktober 1996 geborenen Klägern zu 3 und zu 4, in einer Bedarfsgemeinschaft. Der Kläger zu 2 ist im Jahre 2008 umgezogen.

3

Mit notariellem Vertrag vom 19.8.2003 erwarb die Klägerin zu 1 ein im Jahr 1945 bezugsfertig gewordenes Einfamilienhaus in einem an der Elbe im Landkreis Lüchow-Dannenberg gelegenen Dorf, das sie mit den Kindern bis heute bewohnt. Nach Angaben der Klägerin zu 1 beträgt die Wohnfläche 100 qm und verteilt sich auf vier Zimmer. Der vereinbarte Kaufpreis betrug 60 000 Euro. Das Grundstück war in Abteilung III des Grundbuchs lastenfrei. In § 4 des Vertrages heißt es:

4
"Der in § 1 aufgeführte Kaufpreis wird dem Käufer zinslos gestundet und ist in monatlichen Teilbeträgen in Höhe von 350,00 Euro, beginnend ab 01.09.2003, zu tilgen. … Die Kaufgeldforderung des Verkäufers soll durch Eintragung einer Kaufgeldhypothek in das Grundbuch abgesichert werden. … Sondertilgungen sind jederzeit zulässig. Sollte der Käufer mit mehr als 2 Monatsraten in Verzug geraten, ist der noch gegebene Kaufgeldbetrag sofort in einer Summe fällig. Der Käufer unterwirft sich wegen der Kaufgeldforderung der sofortigen Zwangsvollstreckung in den belasteten Grundbesitz. …"
5

Die Übergabe des Kaufobjekts erfolgte am 1.9.2003.

6

Am 21.9.2004 beantragte die Klägerin zu 1 bei der zu 1 beklagten Bundesagentur für Arbeit Leistungen für sich und die Familie. Die Klägerin zu 1, eine ausgebildete Gärtnerin, stand seit 12.9.1990 mit Unterbrechungen im Leistungsbezug der Beklagten zu 1. Vor dem 1.1.2005 bezog sie zuletzt vom 27.6.2001 bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Der Kläger zu 2, ein ausgebildeter Tischler, bezog zuletzt Alhi in der Zeit vom 27.7.2002 bis zum 31.12.2004. Zum Zeitpunkt der Antragstellung für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im September 2004 erzielte die Klägerin zu 1 im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung monatlich brutto/netto 388,50 Euro. Bei Antragstellung wurden im Übrigen Angaben zu den Hauskosten in der Zeit zwischen 2003 und 2005 gemacht. Mit Bescheid vom 15.12.2004 bewilligte die Beklagte zu 1 für den Zeitraum von Januar bis April 2005 den Klägern insgesamt 729,08 Euro (Regelleistung 684,35 Euro, KdU 44,73 Euro). Über den dagegen von den Klägern eingelegten Widerspruch entschied die Beklagte zu 1 mit Widerspruchsbescheid vom 1.2.2005 hinsichtlich der Regelleistung und verwies darauf, dass für die KdU der kommunale Träger zuständig sei, der auch über den Widerspruch entscheide.

7

Der zu 2 beklagte Landkreis bewilligte mit Bescheid vom 12.4.2005 für den Zeitraum von März bis Juni 2005 monatlich 129 Euro für die KdU (Nebenkosten 65,03 Euro, Heizkosten ohne Warmwasseranteile 63,75 Euro), wogegen ebenfalls Widerspruch eingelegt wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.5.2005 half der Beklagte zu 2 dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.12.2004 hinsichtlich der KdU insoweit ab, als er auch für die Monate Januar und Februar 2005 monatlich 129 Euro bewilligte. Der weitergehende Widerspruch, mit dem die Kläger die Übernahme der an die Verkäufer monatlich zu zahlenden 350 Euro als KdU begehrt hatten, blieb erfolglos.

8

Das Sozialgericht (SG) Lüneburg hat die dagegen erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.5.2006 mit der Begründung abgewiesen, die Schuldentilgung diene der Vermögensbildung und sei mit dem Zweck der steuerfinanzierten Leistungen zur Grundsicherung nicht vereinbar. Auf die Berufung der Kläger hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen den Gerichtsbescheid vom 18.5.2006 aufgehoben und den Beklagten zu 2 verurteilt, den Klägern bis zum 30.6.2005 über die erbrachten Leistungen in Höhe von 129 Euro hinaus monatlich 350 Euro an KdU zu zahlen. Diese 350 Euro überstiegen die für eine Mietwohnung anzusetzenden angemessenen Kosten, die sich mangels eigener Erhebungen des Beklagten zu 2 aus den Tabellenwerten des § 8 Wohngeldgesetz ergäben, nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei auch die Übernahme der Tilgungsleistungen unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt worden.

9

Dagegen wendet sich der Beklagte zu 2 mit der vom Senat zugelassenen Revision. Zur Begründung wird ausgeführt, in dem Urteil des LSG würden keine bzw unzureichende Feststellungen zu dem Tatbestandsmerkmal der Hilfebedürftigkeit getroffen. Im Übrigen könne das Urteil auch deshalb keinen Bestand haben, weil es hier um den Maximalfall einer Komplettfinanzierung des Eigentumserwerbs durch Sozialleistungen gehe. Die Übernahme der Tilgungsbeträge zweckentfremde die Leistungen der KdU als gezieltes Finanzierungsmodell zur Vermögensbildung. Leistungen an Mieter und Eigentümer seien zudem nicht erst bei einer Endbetrachtung miteinander zu vergleichen, sondern die Unterschiede in der Kostenstruktur in Bezug auf Vermietergewinn, Abschreibung und Erhaltungsaufwendungen müssten dergestalt berücksichtigt werden, dass ein Abschlag von 30 % von der Vergleichsmiete vorzunehmen sei. Im Übrigen sei auch nur eine Wohnfläche von 85 qm für vier Personen angemessen.

10

Der Beklagte zu 2 beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19. November 2009 aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 18. Mai 2006 zurückzuweisen.

11

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Beklagten zu 2 ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das angegriffene Urteil des LSG war aufzuheben, denn den Klägern steht kein Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung von monatlichen Tilgungsraten von 350 Euro für das selbst genutzte Einfamilienhaus nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005 zu.

14

1. Auf Klägerseite hat das LSG zu Recht die Kläger zu 1 bis 4 als Beteiligte angesehen. Die Kinder der Kläger zu 1 und 2, die Kläger zu 3 und 4, sind im Gerichtsbescheid des SG zwar nicht aufgeführt worden, sie sind aber zutreffend nach dem Meistbegünstigungsprinzip (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 = SGb 2007, 308)als Kläger in das Rubrum aufgenommen worden. Auf Beklagtenseite hat nur der Beklagte zu 2 Anträge gestellt; die Beklagte zu 1 ist am Rechtsstreit nur insofern beteiligt, als sie aufgrund der Übergangsregelung des § 65a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II den ersten Bescheid (vom 15.12.2004) erstellt hat.

15

2. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) sind der ursprüngliche Bescheid der Beklagten zu 1 vom 15.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten zu 2 vom 13.5.2005 bezüglich der KdU (im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid der Beklagten zu 1 vom 1.2.2005 zurückgewiesen) und der Bescheid des Beklagten zu 2 vom 12.4.2005 ebenfalls in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.5.2005. Mit diesen Bescheiden sind den Klägern im Ergebnis durchgehend von Januar bis Juni 2005 KdU in Höhe von 129 Euro monatlich (Nebenkosten 65,03 Euro, Heizkosten ohne Warmwasseranteile 63,75 Euro) zugestanden worden. Die darüber hinausgehende Berücksichtigung der an die Verkäufer des Eigenheims zur Abtragung des Kaufpreises monatlich zu zahlenden 350 Euro als KdU ist dagegen abgelehnt worden.

16

Die Tatsache, dass vorliegend explizit nur um den Betrag von 350 Euro gestritten wird, führt zwar entgegen der Auffassung des LSG nicht zu einer (weiteren) Begrenzung des Streitgegenstandes, denn eine solche Begrenzung kann - jedenfalls nach der bis Ende 2010 geltenden Rechtslage - nur für den Gesamtkomplex der Unterkunfts- und Heizkosten stattfinden (vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff). Allerdings hat das LSG vorliegend festgestellt, dass der von den Klägern geforderte Betrag von 350 Euro die für eine Mietwohnung angemessenen Kosten nicht übersteigt, ohne dass dies durch Verfahrensrügen angegriffen worden wäre (§ 163 SGG). Danach ist revisionsrechtlich nur noch im Streit, ob der Betrag von 350 Euro monatlich vom Beklagten zu 2 gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II als KdU zu übernehmen ist, obwohl es sich hierbei um Tilgungsleistungen handelt.

17

3. a) Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen im Übrigen sind gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind, dh die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10).

18

b) Zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in dem genannten Sinne, für die Leistungen zu erbringen sind, gehören grundsätzlich nicht die von den Klägern verlangten Tilgungsraten (Urteil des erkennenden Senats vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 24). Die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen (vgl BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 24 unter Bezugnahme auf BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Oktober 2009, § 22 RdNr 74; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 27 ff). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (Urteil des erkennenden Senats vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 67/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 13). Im Übrigen ist der Eigentümer grundsätzlich ebenso wenig wie der Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (vgl Urteile des erkennenden Senats vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 zur Kostensenkungsaufforderung und Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 86 = SozR, aaO, zum Wohnungswechsel wegen unangemessen hoher Unterkunftskosten).

19

c) Ein derartiger Ausnahmefall, wie ihn der Senat im Verfahren B 14/11b AS 67/06 R (Urteil vom 18.6.2008, aaO) angenommen hat, ist hier nicht gegeben. Dort war die mit Hilfe eines Annuitätendarlehens finanzierte Eigentumswohnung bereits weitgehend abgezahlt, sodass die zu zahlende Rate in erster Linie aus einem Tilgungsanteil bestand (Tilgungsanteil im streitgegenständlichen Zeitraum knapp 80 %, zuletzt betrug der Zinsanteil nur noch 2,78 Euro). Für diesen Fall hat der Senat entschieden, dass jedenfalls dann, wenn die Kosten in Form von Tilgungsleistungen unvermeidbar sind, weil ansonsten der Verlust des selbst genutzten Wohneigentums droht, eine Übernahme der Tilgungsleistungen als KdU iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Betracht kommt. Die Entscheidung trägt damit auch der Überlegung Rechnung, dass bei ausschließlicher Berücksichtigung von Schuldzinsen als KdU Bezieher von Arbeitslosengeld II (Alg II), die Wohneigentum gerade erst erworben haben und bei denen die Zinszahlungen gegenüber den Tilgungsraten bei Weitem überwiegen, ungerechtfertigt bevorzugt werden gegenüber denjenigen Hilfebedürftigen, die aufgrund der Besonderheiten eines Annuitätendarlehens durch weitgehende Zahlung der Zinsen in Vorleistung treten mussten und bei denen schließlich die Abzahlungen fast nur noch aus Tilgungsleistungen bestehen. Entscheidend ist, dass es in solchen Fällen in der Regel nur um die Tilgung einer Restschuld geht und die Vermögensbildung bereits weitgehend abgeschlossen ist, sodass der Aspekt des Vermögensaufbaus aus Mitteln der Existenzsicherung gegenüber dem auch vom SGB II verfolgten Ziel, die Beibehaltung der Wohnung zu ermöglichen, zurücktritt.

20

d) Vorliegend geht es nicht darum, dass ein langjährig bewohntes und bereits fast abbezahltes Wohneigentum erhalten bleibt. Die vereinbarten Tilgungsleistungen dienen nicht zur Abtragung eines Restkaufpreises, sondern werden über viele Jahre hinweg zu zahlen sein, um letztlich den Gesamtkaufpreis von 60 000 Euro zu begleichen. Dabei kann hier dahinstehen, ob der Annahme eines Ausnahmefalls bereits entgegensteht, dass die Kläger die Immobilie zu einem Zeitpunkt erworben haben, in dem bereits Hilfebedürftigkeit bestand und sie zur Sicherung ihres Lebensunterhalts auf Alhi angewiesen waren. Es spricht einiges dafür, dass in einem solchen Fall das vom Senat in seiner Entscheidung vom 18.6.2008 beschriebene Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des Wohneigentums einerseits und der aktuellen Existenzsicherung andererseits, die einer Vermögensbildung durch Alg-II-Leistungen entgegensteht, von vornherein nicht besteht, weil das SGB II beim Schutz des Wohneigentums von der Vorstellung ausgeht, dass der Erwerb der Immobilie außerhalb des Leistungsbezugs eingetreten ist.

21

Jedenfalls fehlen aber in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem Schuldzinsen von vornherein nicht anfallen, weil der Kaufpreis zinslos gestundet wird, und bei Beginn des Bezugs von Grundsicherungsleistungen erst ein geringer Teil des Kaufpreises getilgt worden ist, Anhaltspunkte für die Annahme eines Ausnahmefalls, der die Berücksichtigung von Tilgungsleistungen als Leistungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 SGB II rechtfertigen könnte. In einem derartigen Fall stünde die Vermögensbildung durch öffentliche Mittel ganz im Vordergrund und wäre nicht lediglich Nebenfolge der mit der Kostenübernahme bezweckten Vermeidung eines Verlustes der Unterkunft als räumlichem Lebensmittelpunkt.

22

4. Da der Beklagte zu 2 durch die Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils sein Revisionsbegehren erreicht, war nicht mehr zu klären, ob dem LSG bei der Ermittlung der Hilfebedürftigkeit der Kläger Verfahrensfehler unterlaufen sind.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für alle Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2013.

2

Die miteinander verheirateten Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer eines 2003 erworbenen Grundstücks mit selbst bewohntem Wohnhaus von 85 m² Wohnfläche, für dessen Erwerb sie der 1946 geborenen vormaligen Eigentümerin (im Folgenden: Voreigentümerin) und deren 1939 geborenem Ehemann eine Rente auf Lebenszeit in Höhe von monatlich 440 Euro zu entrichten haben. Bei Zahlungsverzug von mehr als drei Monatsraten ist die Voreigentümerin zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, ohne dass ein Ausgleich für die bis dahin empfangenen Zahlungen zu leisten wäre (Ziffern III. 1. und 2. des notariellen Übergabevertrages vom 16.6.2003 mit Nachtrag vom 20.2.2004).

3

Das beklagte Jobcenter bewilligte den Klägern für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2013 Arbeitslosengeld II (Alg II) zunächst in Höhe der Regelbedarfe sowie eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Bescheid vom 16.1.2013). Auf den Widerspruch wegen der Nichtberücksichtigung der Rentenzahlungen an die Voreigentümerin setzte der Beklagte das Alg II wie zuvor in Höhe der Regelbedarfe sowie des Mehrbedarfs fest und anerkannte als Bedarfe für Unterkunft und Heizung je Kläger 107,46 Euro für die Zeit vom 1.2. bis 28.2.2013 und 58,51 Euro bzw 58,50 Euro für die Zeit vom 1.5. bis 31.5.2013 für Betriebskosten (Änderungsbescheide vom 30.1.2013). Den Widerspruch im Übrigen wies er zurück, da die Rente der Tilgung für ein Darlehen zur Finanzierung eines Eigenheims gleich stehe und daher nicht nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II berücksichtigungsfähig sei(Widerspruchsbescheid vom 31.1.2013).

4

Auf Klage - beschränkt auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung - hat das Sozialgericht (SG) den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 16.1.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013 zur Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich je 220 Euro für die Zeit vom 1.2.2013 bis 31.7.2013 verurteilt (Urteil vom 10.5.2013): Aufwendung für Unterkunft sei jede Zahlungsverpflichtung, die eine Wohnraumüberlassung zum Gegenstand habe und deren Nichterfüllung einen Räumungsanspruch des Gläubigers begründen könne. In diesem Sinne sei die monatliche Zahlungspflicht hier ein Leibrentenversprechen, das ähnlich einer Mietzahlung oder eines in Raten zu zahlenden Kaufpreises die Gegenleistung für die Überlassung von Wohnraum sei und bei dem im Falle des Zahlungsverzugs mit mehr als drei Monatsraten ein Rücktrittsrecht und Rückübereignungsanspruch zugunsten der Übergeberin bestehe. Diese Zahlungen seien nicht mit Tilgungsraten zu vergleichen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Immobilieneigentum zu entrichten seien; sie sicherten allein den bereits erlangten Vermögensvorteil und dienten nicht unmittelbar der Vermögensmehrung.

5

Mit der mit Zustimmung der Kläger eingelegten und vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Leibrentenzahlungen seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Tilgungsleistungen keine berücksichtigungsfähigen Aufwendungen iS dieser Vorschrift, denn sie seien Gegenleistung für die Eigentumsübertragung am Hausgrundstück und damit als Ratenzahlungen eines seiner Höhe nach unbestimmten, weil bis zum Tod der Berechtigten zu zahlenden Kaufpreises zu verstehen. Bei vollständiger Erfüllung werde Lastenfreiheit des Grundstücks erreicht. Damit führe die Zahlung zu einer Vermögensbildung.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG entschieden, dass die von den Klägern zu zahlende Rente von 440 Euro monatlich als weiterer Unterkunftsbedarf anzuerkennen ist. Die Rente steht der Tilgung einer ratenweisen Kaufpreisschuld für das Hausgrundstück gleich und ist - da die Tilgung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Lebenserwartung der Voreigentümerin noch nicht bereits weitgehend abgeschlossen war - auch nicht ausnahmsweise als Bedarf für Unterkunft anzuerkennen.

9

1. Gegenstand des Verfahrens sind die den Zeitraum von Februar bis Juli 2013 betreffenden Alg II-Bewilligungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013, wogegen sich die Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 Sozialgerichtsgesetz) wenden. Nicht (mehr) Verfahrensgegenstand ist dagegen der Ausgangsbescheid vom 16.1.2013, nachdem er durch die im laufenden Widerspruchsverfahren ergangenen Änderungsbescheide vom 30.1.2013 vollständig ersetzt worden ist (§ 86 SGG) und sich mangels weitergehender rechtlicher Wirkungen damit erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -).

10

2. In der Sache ist der Streitgegenstand durch den ausschließlich darauf bezogenen Klagantrag wirksam auf die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - und zwar, da nur der Beklagte die Entscheidung des SG mit der Sprungrevision angefochten hat, begrenzt auf die Höhe der ihnen vom SG insoweit zugesprochenen 220 Euro je Kläger - beschränkt; an der prozessual zulässigen Abtrennbarkeit dieser Leistungen (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453; insofern in Kraft getreten zum 1.1.2011, im Folgenden: § 19 Abs 1 SGB II nF) auch für Verfahren über Bewilligungsabschnitte nach dem 1.1.2011 nichts geändert (zu Verfahren über zuvor abgeschlossene Bewilligungsabschnitte vgl nur BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

11

a) Der Rechtslage bis zum 31.12.2010 haben die Grundsicherungssenate des BSG in ständiger Rechtsprechung entnommen, dass die Gewährung höherer oder überhaupt von Leistungen für Unterkunft und Heizung einen abtrennbaren prozessualen Anspruch bildet, soweit sie - wie vorliegend auch - Gegenstand einer abtrennbaren Verfügung (Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X) des betreffenden Bescheids sind. Zwar sind beim Streit um höhere Leistungen auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (stRspr; vgl nur BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54Nr 21, RdNr 32). Hiervon hat das BSG indes eine Ausnahme für Unterkunft und Heizung gemacht, weil die Zuständigkeiten für die Regelleistung (heute: Regelbedarf) einerseits und für die Leistungen für Unterkunft und Heizung andererseits nach der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014) iVm § 19 S 2 bzw 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; seit 1.8.2006: § 19 S 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 , BGBl I 1706; im Folgenden § 19 S 2 bzw 3 SGB II aF)unterschiedlich und die Leistungen inhaltlich voneinander abgrenzbar waren, es sich rechtlich also um zwei eigenständige Leistungen und Verfügungen handelte (stRspr, grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff).

12

b) Eigenständige Leistungen in diesem Sinne bilden die Leistungen für den Regelbedarf einerseits und für Unterkunft und Heizung andererseits auch unter Geltung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Unverändert sind danach die Zuständigkeiten zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern ungeachtet des im Hinblick auf die Weiterentwicklung von § 19 SGB II (dazu unten c) geringfügig unterschiedlichen Wortlauts von § 6 Abs 1 S 1 SGB II alter und neuer Fassung weiter vom Prinzip geteilter Trägerschaft geprägt, wie es seit Einführung des SGB II gilt(vgl BT-Drucks 15/2816, S 10): Sofern nicht eine einheitliche Zuständigkeit eines kommunalen Trägers nach §§ 6a f SGB II besteht, sind für Unterkunft und Heizung ausschließlich zuständig die kommunalen Träger und für das Alg II sowie das Sozialgeld mit Ausnahme der Kosten von Unterkunft und Heizung die Bundesagentur für Arbeit; daran hat sich im Gefolge des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG nichts geändert (ebenso Rixen/Weißenberg in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 6 RdNr 3; Luik, ebenda § 22 RdNr 31). Eher ist die Trennung der Zuständigkeiten nochmals verdeutlicht durch die Neufassung des § 44b Abs 3 S 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 mWv 1.1.2011 , BGBl I 1112), wonach die Verantwortung für die recht- und zweckmäßige Erbringung jeweils "ihrer Leistungen" in der gemeinsamen Einrichtung nach § 44b SGB II(idF des GSiOrgWG) ausdrücklich jedem Träger gesondert obliegt (zum Zweck dieser Verantwortlichkeitszuweisung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 zu § 44 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vgl BR-Drucks 226/10 S 37 sowie Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 44b RdNr 26 ff, Stand 10/2013).

13

c) Nichts anderes folgt aus der partiellen Neufassung von § 19 und § 22 Abs 1 SGB II durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Leistungsrechtlich waren die Kosten für Unterkunft und Heizung schon bis zu dessen Inkrafttreten als Teil des Anspruchs auf Alg II gefasst (vgl § 19 S 1 SGB II idF des GSiFoG: Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung). Sachlich bedeutet es deshalb keinen Unterschied, wenn nunmehr die Leistungen, also Alg II und Sozialgeld, den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung "umfassen" (§ 19 Abs 1 S 3 SGB II nF) und nach Maßgabe von § 22 SGB II bei Unterkunft und Heizung "Bedarfe" in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen "anerkannt" werden(§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG), während zuvor "Leistungen" zu erbringen waren (§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II in der insoweit bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Das verdeutlicht zwar weiter, dass die Leistungsbereiche in dem Sinne aufeinander bezogen sind, als jeweils nach denselben Maßstäben umfassend zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II, insbesondere die der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II, vorliegen(so bereits BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso BT-Drucks 17/3404 S 97 zu § 19). Jedoch trägt dies nicht die Einschätzung, dass hiermit Änderungen substantieller Art verbunden wären (so aber BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22: Leistungen für Unterkunft und Heizung sind nunmehr integraler Bestandteil des Arbeitslosengeldes II, das den Bedarf für Unterkunft und Heizung als nicht mehr abtrennbaren Teil enthält). Das wäre angesichts der fortbestehenden organisationsrechtlichen Aufspaltung der Verantwortlichkeiten auch schwerlich möglich: Solange die Trägerschaft für die Kosten von Unterkunft und Heizung einerseits und den Regelbedarf andererseits getrennt ist, können Alg II und Sozialgeld keine einheitliche "Gesamtleistung" bilden (so schon BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31).

14

d) Ein prozessuales Verbot der abgetrennten Geltendmachung von Leistungen für Unterkunft und Heizung oder den Regelbedarf begründen die Änderungen in § 19 und § 22 Abs 1 SGB II ebenfalls nicht. Zwar stehen dem Gesetzgeber partielle Begrenzungen der grundsätzlich umfassend gewährleisteten Dispositionsmaxime (§ 123 SGG) zu. Dass dies hier geschehen wäre, ist aber nicht hinreichend deutlich. Einerseits ist das in den Materialien zwar angedeutet (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22). Andererseits findet eine solche Begrenzung schon im Gesetzestext keinen hinreichend deutlichen Niederschlag, nachdem - wie dargelegt - die Neufassung von § 19 Abs 1 SGB II nF erhebliche Unterschiede zur vorherigen Rechtslage nicht erkennen lässt. Zudem kommt in den Materialien gegenläufig ebenso das Bestreben zum Ausdruck, in Verfahren nach dem SGB II auch künftig Teilelemente abschichten zu können, auch wenn der dazu in Betracht gezogene Ansatz im geltenden Prozessrecht kaum Grundlagen findet (vgl BT-Drucks 17/3404, S 97 zu § 19: "dass … einzelne, dem angefochtenen Leistungsanspruch zugrunde liegende Tatsachen unstreitig gestellt werden"; vgl aus der stRspr hierzu nur BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - Juris RdNr 26; BSG Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R - BSGE 112, 54 = SozR 4-3500 § 28 Nr 8, RdNr 14; vgl ebenso Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 19 RdNr 82, Stand 1/2012, und Straßfeld, SGb 2011, 436, 442); auch das spricht dagegen, § 19 Abs 1 SGB II als Sperre der isolierten Geltendmachung der Bedarfe von Unterkunft und Heizung zu verstehen(so im Ergebnis auch: Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31 ff; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, Stand 6/2013, § 19 RdNr 30; Lauterbach in Gagel, Online-Ausgabe Stand 2014, § 22 SGB II RdNr 8; Nolte, NZS 2013, 10, 12 ff; Straßfeld, SGb 2011, 436, 442; aA : Berlit in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 9; S. Knickrehm in Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 1; offen gelassen Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 1/2012, K § 19 RdNr 81).

15

3. Anspruch auf weitere jeweils 220 Euro monatlich als Leistung auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II nF haben die Kläger ungeachtet ihrer Hilfebedürftigkeit im Übrigen nicht.

16

a) Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen im Weiteren sind gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II nF Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind, dh die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10).

17

b) Zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in diesem Sinne rechnen nach gefestigter Rechtsprechung des BSG, von der abzurücken kein Anlass besteht, Tilgungsraten grundsätzlich nicht (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 35; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 169 ff, Stand 10/2012; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 61). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (vgl aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; ebenso 4. Senat, BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Im Übrigen ist der Eigentümer grundsätzlich ebenso wenig wie der Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (vgl Entscheidungen des erkennenden Senats, BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 zur Kostensenkungsaufforderung und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10 zum Wohnungswechsel wegen unangemessen hoher Unterkunftskosten).

18

c) Nicht ohne Bedeutung ist hiernach entgegen der Auffassung des SG die "vertragliche Ausgestaltung" der im Streit stehenden Aufwendungen. Maßgebend ist vielmehr, ob die von den Klägern entrichteten Zahlungen an die Voreigentümerin wie die Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder einer Kaufpreisschuld zu werten sind oder ob sie einer (Miet-)Zahlung für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleichen. Das beurteilt sich nach der Rechtsprechung allein danach, wie der zugrunde liegende Vertrag konkret ausgestaltet ist und nicht, wie er auch hätte ausgestaltet sein können (vgl BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 1/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 65 RdNr 21). Entscheidend für die rechtliche Qualifizierung ist bei Grundstückskäufen auf Leibrentenbasis nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wie eng das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Rentenzahlung und Grundstücksgeschäft beschaffen ist. Als Leibrente im eigentlichen Sinne des § 759 BGB erachtet der BGH ein "einheitlich nutzbares Recht …, das dem Berechtigten für die Lebenszeit eines Menschen eingeräumt ist und dessen Erträge aus wiederkehrenden, gleichmäßigen und in gleichen Zeitabständen zu gewährenden Leistungen in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehen"(BGH Urteil vom 16.12.1965 - II ZR 274/63 - BB 1966, 305 - juris RdNr 22). Der Leibrente zugeordnet wird ein Grundstücksüberlassungsvertrag deshalb nur, wenn die Gegenleistung für dessen Überlassung mit der Einräumung des Stammrechts, aus dem die Einzelansprüche erwachsen, formal bereits als vollständig erbracht anzusehen ist und die Rentenzahlungen deshalb im strengen Sinne nicht Gegenleistung für die Grundstücksüberlassung sind, sondern Erfüllung des bereits vorher gewährten Rentenstammrechts. Steht dagegen nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung die Erfüllung (auch) der einzelnen Zahlungsansprüche in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Grundstücksüberlassung - und hat sich der Überlasser deshalb den Rücktritt vom Vertrag vorbehalten für den Fall, dass der Übernehmer mit Zahlungen in Rückstand gerät - dann bilden die "Rentenzahlungen in ihrer Gesamtheit den Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks" (BGH Beschluss vom 25.4.1991 - III ZR 159/90 - WM 1991, 1644, juris RdNr 2 ff, RdNr 5).

19

d) Hiernach könnten Leibrenten der Miete allenfalls gleich zu stellen sein, wenn es sich um Renten im engeren Sinne des § 759 BGB handelt. Muss dagegen eine "Leibrentenzahlung" bei vorbehaltenem Rücktritt - wie hier vertraglich ausbedungen - als Kaufpreisteil gesehen werden, so ist nicht anzunehmen, dass die Zahlungen nicht der Finanzierung des Grunderwerbs dienen. Maßgeblich ist dann nach der Rechtsprechung des BSG, ob es nach den konkreten Umständen "um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist" (vgl erkennender Senat: BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; 4. Senat: BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Davon kann hier indes nicht ausgegangen werden, nachdem die 2005 - dem Jahr des erstmaligen Bezugs von SGB II-Leistungen der Kläger - 59 Jahre alte Voreigentümerin statistisch eine Lebenserwartung von deutlich über 20 Jahren hatte (Statistisches Bundesamt, Periodensterbetafeln für Deutschland, Allgemeine Sterbetafeln, abgekürzte Sterbetafeln und Sterbetafeln, 1871/1881 bis 2008/2010, S 342).

20

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19. November 2009 aufgehoben und die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 18. Mai 2006 zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander in allen drei Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren im vorliegenden Rechtsstreit höhere Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005, insbesondere verlangen sie die Berücksichtigung eines von ihnen monatlich zu leistenden Tilgungsbetrags für den Erwerb eines Einfamilienhauses in Höhe von 350 Euro im Rahmen der KdU.

2

Die 1970 geborene Klägerin zu 1 und der 1967 geborene Kläger zu 2 lebten im streitigen Zeitraum mit ihren Kindern, den im Januar 1995 und im Oktober 1996 geborenen Klägern zu 3 und zu 4, in einer Bedarfsgemeinschaft. Der Kläger zu 2 ist im Jahre 2008 umgezogen.

3

Mit notariellem Vertrag vom 19.8.2003 erwarb die Klägerin zu 1 ein im Jahr 1945 bezugsfertig gewordenes Einfamilienhaus in einem an der Elbe im Landkreis Lüchow-Dannenberg gelegenen Dorf, das sie mit den Kindern bis heute bewohnt. Nach Angaben der Klägerin zu 1 beträgt die Wohnfläche 100 qm und verteilt sich auf vier Zimmer. Der vereinbarte Kaufpreis betrug 60 000 Euro. Das Grundstück war in Abteilung III des Grundbuchs lastenfrei. In § 4 des Vertrages heißt es:

4
"Der in § 1 aufgeführte Kaufpreis wird dem Käufer zinslos gestundet und ist in monatlichen Teilbeträgen in Höhe von 350,00 Euro, beginnend ab 01.09.2003, zu tilgen. … Die Kaufgeldforderung des Verkäufers soll durch Eintragung einer Kaufgeldhypothek in das Grundbuch abgesichert werden. … Sondertilgungen sind jederzeit zulässig. Sollte der Käufer mit mehr als 2 Monatsraten in Verzug geraten, ist der noch gegebene Kaufgeldbetrag sofort in einer Summe fällig. Der Käufer unterwirft sich wegen der Kaufgeldforderung der sofortigen Zwangsvollstreckung in den belasteten Grundbesitz. …"
5

Die Übergabe des Kaufobjekts erfolgte am 1.9.2003.

6

Am 21.9.2004 beantragte die Klägerin zu 1 bei der zu 1 beklagten Bundesagentur für Arbeit Leistungen für sich und die Familie. Die Klägerin zu 1, eine ausgebildete Gärtnerin, stand seit 12.9.1990 mit Unterbrechungen im Leistungsbezug der Beklagten zu 1. Vor dem 1.1.2005 bezog sie zuletzt vom 27.6.2001 bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Der Kläger zu 2, ein ausgebildeter Tischler, bezog zuletzt Alhi in der Zeit vom 27.7.2002 bis zum 31.12.2004. Zum Zeitpunkt der Antragstellung für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im September 2004 erzielte die Klägerin zu 1 im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung monatlich brutto/netto 388,50 Euro. Bei Antragstellung wurden im Übrigen Angaben zu den Hauskosten in der Zeit zwischen 2003 und 2005 gemacht. Mit Bescheid vom 15.12.2004 bewilligte die Beklagte zu 1 für den Zeitraum von Januar bis April 2005 den Klägern insgesamt 729,08 Euro (Regelleistung 684,35 Euro, KdU 44,73 Euro). Über den dagegen von den Klägern eingelegten Widerspruch entschied die Beklagte zu 1 mit Widerspruchsbescheid vom 1.2.2005 hinsichtlich der Regelleistung und verwies darauf, dass für die KdU der kommunale Träger zuständig sei, der auch über den Widerspruch entscheide.

7

Der zu 2 beklagte Landkreis bewilligte mit Bescheid vom 12.4.2005 für den Zeitraum von März bis Juni 2005 monatlich 129 Euro für die KdU (Nebenkosten 65,03 Euro, Heizkosten ohne Warmwasseranteile 63,75 Euro), wogegen ebenfalls Widerspruch eingelegt wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.5.2005 half der Beklagte zu 2 dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.12.2004 hinsichtlich der KdU insoweit ab, als er auch für die Monate Januar und Februar 2005 monatlich 129 Euro bewilligte. Der weitergehende Widerspruch, mit dem die Kläger die Übernahme der an die Verkäufer monatlich zu zahlenden 350 Euro als KdU begehrt hatten, blieb erfolglos.

8

Das Sozialgericht (SG) Lüneburg hat die dagegen erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.5.2006 mit der Begründung abgewiesen, die Schuldentilgung diene der Vermögensbildung und sei mit dem Zweck der steuerfinanzierten Leistungen zur Grundsicherung nicht vereinbar. Auf die Berufung der Kläger hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen den Gerichtsbescheid vom 18.5.2006 aufgehoben und den Beklagten zu 2 verurteilt, den Klägern bis zum 30.6.2005 über die erbrachten Leistungen in Höhe von 129 Euro hinaus monatlich 350 Euro an KdU zu zahlen. Diese 350 Euro überstiegen die für eine Mietwohnung anzusetzenden angemessenen Kosten, die sich mangels eigener Erhebungen des Beklagten zu 2 aus den Tabellenwerten des § 8 Wohngeldgesetz ergäben, nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei auch die Übernahme der Tilgungsleistungen unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt worden.

9

Dagegen wendet sich der Beklagte zu 2 mit der vom Senat zugelassenen Revision. Zur Begründung wird ausgeführt, in dem Urteil des LSG würden keine bzw unzureichende Feststellungen zu dem Tatbestandsmerkmal der Hilfebedürftigkeit getroffen. Im Übrigen könne das Urteil auch deshalb keinen Bestand haben, weil es hier um den Maximalfall einer Komplettfinanzierung des Eigentumserwerbs durch Sozialleistungen gehe. Die Übernahme der Tilgungsbeträge zweckentfremde die Leistungen der KdU als gezieltes Finanzierungsmodell zur Vermögensbildung. Leistungen an Mieter und Eigentümer seien zudem nicht erst bei einer Endbetrachtung miteinander zu vergleichen, sondern die Unterschiede in der Kostenstruktur in Bezug auf Vermietergewinn, Abschreibung und Erhaltungsaufwendungen müssten dergestalt berücksichtigt werden, dass ein Abschlag von 30 % von der Vergleichsmiete vorzunehmen sei. Im Übrigen sei auch nur eine Wohnfläche von 85 qm für vier Personen angemessen.

10

Der Beklagte zu 2 beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19. November 2009 aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 18. Mai 2006 zurückzuweisen.

11

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Beklagten zu 2 ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das angegriffene Urteil des LSG war aufzuheben, denn den Klägern steht kein Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung von monatlichen Tilgungsraten von 350 Euro für das selbst genutzte Einfamilienhaus nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005 zu.

14

1. Auf Klägerseite hat das LSG zu Recht die Kläger zu 1 bis 4 als Beteiligte angesehen. Die Kinder der Kläger zu 1 und 2, die Kläger zu 3 und 4, sind im Gerichtsbescheid des SG zwar nicht aufgeführt worden, sie sind aber zutreffend nach dem Meistbegünstigungsprinzip (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 = SGb 2007, 308)als Kläger in das Rubrum aufgenommen worden. Auf Beklagtenseite hat nur der Beklagte zu 2 Anträge gestellt; die Beklagte zu 1 ist am Rechtsstreit nur insofern beteiligt, als sie aufgrund der Übergangsregelung des § 65a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II den ersten Bescheid (vom 15.12.2004) erstellt hat.

15

2. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) sind der ursprüngliche Bescheid der Beklagten zu 1 vom 15.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten zu 2 vom 13.5.2005 bezüglich der KdU (im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid der Beklagten zu 1 vom 1.2.2005 zurückgewiesen) und der Bescheid des Beklagten zu 2 vom 12.4.2005 ebenfalls in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.5.2005. Mit diesen Bescheiden sind den Klägern im Ergebnis durchgehend von Januar bis Juni 2005 KdU in Höhe von 129 Euro monatlich (Nebenkosten 65,03 Euro, Heizkosten ohne Warmwasseranteile 63,75 Euro) zugestanden worden. Die darüber hinausgehende Berücksichtigung der an die Verkäufer des Eigenheims zur Abtragung des Kaufpreises monatlich zu zahlenden 350 Euro als KdU ist dagegen abgelehnt worden.

16

Die Tatsache, dass vorliegend explizit nur um den Betrag von 350 Euro gestritten wird, führt zwar entgegen der Auffassung des LSG nicht zu einer (weiteren) Begrenzung des Streitgegenstandes, denn eine solche Begrenzung kann - jedenfalls nach der bis Ende 2010 geltenden Rechtslage - nur für den Gesamtkomplex der Unterkunfts- und Heizkosten stattfinden (vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff). Allerdings hat das LSG vorliegend festgestellt, dass der von den Klägern geforderte Betrag von 350 Euro die für eine Mietwohnung angemessenen Kosten nicht übersteigt, ohne dass dies durch Verfahrensrügen angegriffen worden wäre (§ 163 SGG). Danach ist revisionsrechtlich nur noch im Streit, ob der Betrag von 350 Euro monatlich vom Beklagten zu 2 gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II als KdU zu übernehmen ist, obwohl es sich hierbei um Tilgungsleistungen handelt.

17

3. a) Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen im Übrigen sind gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind, dh die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10).

18

b) Zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in dem genannten Sinne, für die Leistungen zu erbringen sind, gehören grundsätzlich nicht die von den Klägern verlangten Tilgungsraten (Urteil des erkennenden Senats vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 24). Die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen (vgl BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 24 unter Bezugnahme auf BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Oktober 2009, § 22 RdNr 74; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 27 ff). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (Urteil des erkennenden Senats vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 67/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 13). Im Übrigen ist der Eigentümer grundsätzlich ebenso wenig wie der Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (vgl Urteile des erkennenden Senats vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 zur Kostensenkungsaufforderung und Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 86 = SozR, aaO, zum Wohnungswechsel wegen unangemessen hoher Unterkunftskosten).

19

c) Ein derartiger Ausnahmefall, wie ihn der Senat im Verfahren B 14/11b AS 67/06 R (Urteil vom 18.6.2008, aaO) angenommen hat, ist hier nicht gegeben. Dort war die mit Hilfe eines Annuitätendarlehens finanzierte Eigentumswohnung bereits weitgehend abgezahlt, sodass die zu zahlende Rate in erster Linie aus einem Tilgungsanteil bestand (Tilgungsanteil im streitgegenständlichen Zeitraum knapp 80 %, zuletzt betrug der Zinsanteil nur noch 2,78 Euro). Für diesen Fall hat der Senat entschieden, dass jedenfalls dann, wenn die Kosten in Form von Tilgungsleistungen unvermeidbar sind, weil ansonsten der Verlust des selbst genutzten Wohneigentums droht, eine Übernahme der Tilgungsleistungen als KdU iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Betracht kommt. Die Entscheidung trägt damit auch der Überlegung Rechnung, dass bei ausschließlicher Berücksichtigung von Schuldzinsen als KdU Bezieher von Arbeitslosengeld II (Alg II), die Wohneigentum gerade erst erworben haben und bei denen die Zinszahlungen gegenüber den Tilgungsraten bei Weitem überwiegen, ungerechtfertigt bevorzugt werden gegenüber denjenigen Hilfebedürftigen, die aufgrund der Besonderheiten eines Annuitätendarlehens durch weitgehende Zahlung der Zinsen in Vorleistung treten mussten und bei denen schließlich die Abzahlungen fast nur noch aus Tilgungsleistungen bestehen. Entscheidend ist, dass es in solchen Fällen in der Regel nur um die Tilgung einer Restschuld geht und die Vermögensbildung bereits weitgehend abgeschlossen ist, sodass der Aspekt des Vermögensaufbaus aus Mitteln der Existenzsicherung gegenüber dem auch vom SGB II verfolgten Ziel, die Beibehaltung der Wohnung zu ermöglichen, zurücktritt.

20

d) Vorliegend geht es nicht darum, dass ein langjährig bewohntes und bereits fast abbezahltes Wohneigentum erhalten bleibt. Die vereinbarten Tilgungsleistungen dienen nicht zur Abtragung eines Restkaufpreises, sondern werden über viele Jahre hinweg zu zahlen sein, um letztlich den Gesamtkaufpreis von 60 000 Euro zu begleichen. Dabei kann hier dahinstehen, ob der Annahme eines Ausnahmefalls bereits entgegensteht, dass die Kläger die Immobilie zu einem Zeitpunkt erworben haben, in dem bereits Hilfebedürftigkeit bestand und sie zur Sicherung ihres Lebensunterhalts auf Alhi angewiesen waren. Es spricht einiges dafür, dass in einem solchen Fall das vom Senat in seiner Entscheidung vom 18.6.2008 beschriebene Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des Wohneigentums einerseits und der aktuellen Existenzsicherung andererseits, die einer Vermögensbildung durch Alg-II-Leistungen entgegensteht, von vornherein nicht besteht, weil das SGB II beim Schutz des Wohneigentums von der Vorstellung ausgeht, dass der Erwerb der Immobilie außerhalb des Leistungsbezugs eingetreten ist.

21

Jedenfalls fehlen aber in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem Schuldzinsen von vornherein nicht anfallen, weil der Kaufpreis zinslos gestundet wird, und bei Beginn des Bezugs von Grundsicherungsleistungen erst ein geringer Teil des Kaufpreises getilgt worden ist, Anhaltspunkte für die Annahme eines Ausnahmefalls, der die Berücksichtigung von Tilgungsleistungen als Leistungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 SGB II rechtfertigen könnte. In einem derartigen Fall stünde die Vermögensbildung durch öffentliche Mittel ganz im Vordergrund und wäre nicht lediglich Nebenfolge der mit der Kostenübernahme bezweckten Vermeidung eines Verlustes der Unterkunft als räumlichem Lebensmittelpunkt.

22

4. Da der Beklagte zu 2 durch die Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils sein Revisionsbegehren erreicht, war nicht mehr zu klären, ob dem LSG bei der Ermittlung der Hilfebedürftigkeit der Kläger Verfahrensfehler unterlaufen sind.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für alle Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2013.

2

Die miteinander verheirateten Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer eines 2003 erworbenen Grundstücks mit selbst bewohntem Wohnhaus von 85 m² Wohnfläche, für dessen Erwerb sie der 1946 geborenen vormaligen Eigentümerin (im Folgenden: Voreigentümerin) und deren 1939 geborenem Ehemann eine Rente auf Lebenszeit in Höhe von monatlich 440 Euro zu entrichten haben. Bei Zahlungsverzug von mehr als drei Monatsraten ist die Voreigentümerin zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, ohne dass ein Ausgleich für die bis dahin empfangenen Zahlungen zu leisten wäre (Ziffern III. 1. und 2. des notariellen Übergabevertrages vom 16.6.2003 mit Nachtrag vom 20.2.2004).

3

Das beklagte Jobcenter bewilligte den Klägern für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2013 Arbeitslosengeld II (Alg II) zunächst in Höhe der Regelbedarfe sowie eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Bescheid vom 16.1.2013). Auf den Widerspruch wegen der Nichtberücksichtigung der Rentenzahlungen an die Voreigentümerin setzte der Beklagte das Alg II wie zuvor in Höhe der Regelbedarfe sowie des Mehrbedarfs fest und anerkannte als Bedarfe für Unterkunft und Heizung je Kläger 107,46 Euro für die Zeit vom 1.2. bis 28.2.2013 und 58,51 Euro bzw 58,50 Euro für die Zeit vom 1.5. bis 31.5.2013 für Betriebskosten (Änderungsbescheide vom 30.1.2013). Den Widerspruch im Übrigen wies er zurück, da die Rente der Tilgung für ein Darlehen zur Finanzierung eines Eigenheims gleich stehe und daher nicht nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II berücksichtigungsfähig sei(Widerspruchsbescheid vom 31.1.2013).

4

Auf Klage - beschränkt auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung - hat das Sozialgericht (SG) den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 16.1.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013 zur Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich je 220 Euro für die Zeit vom 1.2.2013 bis 31.7.2013 verurteilt (Urteil vom 10.5.2013): Aufwendung für Unterkunft sei jede Zahlungsverpflichtung, die eine Wohnraumüberlassung zum Gegenstand habe und deren Nichterfüllung einen Räumungsanspruch des Gläubigers begründen könne. In diesem Sinne sei die monatliche Zahlungspflicht hier ein Leibrentenversprechen, das ähnlich einer Mietzahlung oder eines in Raten zu zahlenden Kaufpreises die Gegenleistung für die Überlassung von Wohnraum sei und bei dem im Falle des Zahlungsverzugs mit mehr als drei Monatsraten ein Rücktrittsrecht und Rückübereignungsanspruch zugunsten der Übergeberin bestehe. Diese Zahlungen seien nicht mit Tilgungsraten zu vergleichen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Immobilieneigentum zu entrichten seien; sie sicherten allein den bereits erlangten Vermögensvorteil und dienten nicht unmittelbar der Vermögensmehrung.

5

Mit der mit Zustimmung der Kläger eingelegten und vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Leibrentenzahlungen seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Tilgungsleistungen keine berücksichtigungsfähigen Aufwendungen iS dieser Vorschrift, denn sie seien Gegenleistung für die Eigentumsübertragung am Hausgrundstück und damit als Ratenzahlungen eines seiner Höhe nach unbestimmten, weil bis zum Tod der Berechtigten zu zahlenden Kaufpreises zu verstehen. Bei vollständiger Erfüllung werde Lastenfreiheit des Grundstücks erreicht. Damit führe die Zahlung zu einer Vermögensbildung.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG entschieden, dass die von den Klägern zu zahlende Rente von 440 Euro monatlich als weiterer Unterkunftsbedarf anzuerkennen ist. Die Rente steht der Tilgung einer ratenweisen Kaufpreisschuld für das Hausgrundstück gleich und ist - da die Tilgung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Lebenserwartung der Voreigentümerin noch nicht bereits weitgehend abgeschlossen war - auch nicht ausnahmsweise als Bedarf für Unterkunft anzuerkennen.

9

1. Gegenstand des Verfahrens sind die den Zeitraum von Februar bis Juli 2013 betreffenden Alg II-Bewilligungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013, wogegen sich die Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 Sozialgerichtsgesetz) wenden. Nicht (mehr) Verfahrensgegenstand ist dagegen der Ausgangsbescheid vom 16.1.2013, nachdem er durch die im laufenden Widerspruchsverfahren ergangenen Änderungsbescheide vom 30.1.2013 vollständig ersetzt worden ist (§ 86 SGG) und sich mangels weitergehender rechtlicher Wirkungen damit erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -).

10

2. In der Sache ist der Streitgegenstand durch den ausschließlich darauf bezogenen Klagantrag wirksam auf die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - und zwar, da nur der Beklagte die Entscheidung des SG mit der Sprungrevision angefochten hat, begrenzt auf die Höhe der ihnen vom SG insoweit zugesprochenen 220 Euro je Kläger - beschränkt; an der prozessual zulässigen Abtrennbarkeit dieser Leistungen (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453; insofern in Kraft getreten zum 1.1.2011, im Folgenden: § 19 Abs 1 SGB II nF) auch für Verfahren über Bewilligungsabschnitte nach dem 1.1.2011 nichts geändert (zu Verfahren über zuvor abgeschlossene Bewilligungsabschnitte vgl nur BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

11

a) Der Rechtslage bis zum 31.12.2010 haben die Grundsicherungssenate des BSG in ständiger Rechtsprechung entnommen, dass die Gewährung höherer oder überhaupt von Leistungen für Unterkunft und Heizung einen abtrennbaren prozessualen Anspruch bildet, soweit sie - wie vorliegend auch - Gegenstand einer abtrennbaren Verfügung (Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X) des betreffenden Bescheids sind. Zwar sind beim Streit um höhere Leistungen auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (stRspr; vgl nur BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54Nr 21, RdNr 32). Hiervon hat das BSG indes eine Ausnahme für Unterkunft und Heizung gemacht, weil die Zuständigkeiten für die Regelleistung (heute: Regelbedarf) einerseits und für die Leistungen für Unterkunft und Heizung andererseits nach der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014) iVm § 19 S 2 bzw 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; seit 1.8.2006: § 19 S 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 , BGBl I 1706; im Folgenden § 19 S 2 bzw 3 SGB II aF)unterschiedlich und die Leistungen inhaltlich voneinander abgrenzbar waren, es sich rechtlich also um zwei eigenständige Leistungen und Verfügungen handelte (stRspr, grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff).

12

b) Eigenständige Leistungen in diesem Sinne bilden die Leistungen für den Regelbedarf einerseits und für Unterkunft und Heizung andererseits auch unter Geltung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Unverändert sind danach die Zuständigkeiten zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern ungeachtet des im Hinblick auf die Weiterentwicklung von § 19 SGB II (dazu unten c) geringfügig unterschiedlichen Wortlauts von § 6 Abs 1 S 1 SGB II alter und neuer Fassung weiter vom Prinzip geteilter Trägerschaft geprägt, wie es seit Einführung des SGB II gilt(vgl BT-Drucks 15/2816, S 10): Sofern nicht eine einheitliche Zuständigkeit eines kommunalen Trägers nach §§ 6a f SGB II besteht, sind für Unterkunft und Heizung ausschließlich zuständig die kommunalen Träger und für das Alg II sowie das Sozialgeld mit Ausnahme der Kosten von Unterkunft und Heizung die Bundesagentur für Arbeit; daran hat sich im Gefolge des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG nichts geändert (ebenso Rixen/Weißenberg in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 6 RdNr 3; Luik, ebenda § 22 RdNr 31). Eher ist die Trennung der Zuständigkeiten nochmals verdeutlicht durch die Neufassung des § 44b Abs 3 S 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 mWv 1.1.2011 , BGBl I 1112), wonach die Verantwortung für die recht- und zweckmäßige Erbringung jeweils "ihrer Leistungen" in der gemeinsamen Einrichtung nach § 44b SGB II(idF des GSiOrgWG) ausdrücklich jedem Träger gesondert obliegt (zum Zweck dieser Verantwortlichkeitszuweisung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 zu § 44 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vgl BR-Drucks 226/10 S 37 sowie Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 44b RdNr 26 ff, Stand 10/2013).

13

c) Nichts anderes folgt aus der partiellen Neufassung von § 19 und § 22 Abs 1 SGB II durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Leistungsrechtlich waren die Kosten für Unterkunft und Heizung schon bis zu dessen Inkrafttreten als Teil des Anspruchs auf Alg II gefasst (vgl § 19 S 1 SGB II idF des GSiFoG: Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung). Sachlich bedeutet es deshalb keinen Unterschied, wenn nunmehr die Leistungen, also Alg II und Sozialgeld, den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung "umfassen" (§ 19 Abs 1 S 3 SGB II nF) und nach Maßgabe von § 22 SGB II bei Unterkunft und Heizung "Bedarfe" in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen "anerkannt" werden(§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG), während zuvor "Leistungen" zu erbringen waren (§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II in der insoweit bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Das verdeutlicht zwar weiter, dass die Leistungsbereiche in dem Sinne aufeinander bezogen sind, als jeweils nach denselben Maßstäben umfassend zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II, insbesondere die der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II, vorliegen(so bereits BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso BT-Drucks 17/3404 S 97 zu § 19). Jedoch trägt dies nicht die Einschätzung, dass hiermit Änderungen substantieller Art verbunden wären (so aber BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22: Leistungen für Unterkunft und Heizung sind nunmehr integraler Bestandteil des Arbeitslosengeldes II, das den Bedarf für Unterkunft und Heizung als nicht mehr abtrennbaren Teil enthält). Das wäre angesichts der fortbestehenden organisationsrechtlichen Aufspaltung der Verantwortlichkeiten auch schwerlich möglich: Solange die Trägerschaft für die Kosten von Unterkunft und Heizung einerseits und den Regelbedarf andererseits getrennt ist, können Alg II und Sozialgeld keine einheitliche "Gesamtleistung" bilden (so schon BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31).

14

d) Ein prozessuales Verbot der abgetrennten Geltendmachung von Leistungen für Unterkunft und Heizung oder den Regelbedarf begründen die Änderungen in § 19 und § 22 Abs 1 SGB II ebenfalls nicht. Zwar stehen dem Gesetzgeber partielle Begrenzungen der grundsätzlich umfassend gewährleisteten Dispositionsmaxime (§ 123 SGG) zu. Dass dies hier geschehen wäre, ist aber nicht hinreichend deutlich. Einerseits ist das in den Materialien zwar angedeutet (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22). Andererseits findet eine solche Begrenzung schon im Gesetzestext keinen hinreichend deutlichen Niederschlag, nachdem - wie dargelegt - die Neufassung von § 19 Abs 1 SGB II nF erhebliche Unterschiede zur vorherigen Rechtslage nicht erkennen lässt. Zudem kommt in den Materialien gegenläufig ebenso das Bestreben zum Ausdruck, in Verfahren nach dem SGB II auch künftig Teilelemente abschichten zu können, auch wenn der dazu in Betracht gezogene Ansatz im geltenden Prozessrecht kaum Grundlagen findet (vgl BT-Drucks 17/3404, S 97 zu § 19: "dass … einzelne, dem angefochtenen Leistungsanspruch zugrunde liegende Tatsachen unstreitig gestellt werden"; vgl aus der stRspr hierzu nur BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - Juris RdNr 26; BSG Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R - BSGE 112, 54 = SozR 4-3500 § 28 Nr 8, RdNr 14; vgl ebenso Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 19 RdNr 82, Stand 1/2012, und Straßfeld, SGb 2011, 436, 442); auch das spricht dagegen, § 19 Abs 1 SGB II als Sperre der isolierten Geltendmachung der Bedarfe von Unterkunft und Heizung zu verstehen(so im Ergebnis auch: Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31 ff; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, Stand 6/2013, § 19 RdNr 30; Lauterbach in Gagel, Online-Ausgabe Stand 2014, § 22 SGB II RdNr 8; Nolte, NZS 2013, 10, 12 ff; Straßfeld, SGb 2011, 436, 442; aA : Berlit in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 9; S. Knickrehm in Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 1; offen gelassen Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 1/2012, K § 19 RdNr 81).

15

3. Anspruch auf weitere jeweils 220 Euro monatlich als Leistung auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II nF haben die Kläger ungeachtet ihrer Hilfebedürftigkeit im Übrigen nicht.

16

a) Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen im Weiteren sind gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II nF Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind, dh die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10).

17

b) Zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in diesem Sinne rechnen nach gefestigter Rechtsprechung des BSG, von der abzurücken kein Anlass besteht, Tilgungsraten grundsätzlich nicht (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 35; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 169 ff, Stand 10/2012; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 61). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (vgl aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; ebenso 4. Senat, BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Im Übrigen ist der Eigentümer grundsätzlich ebenso wenig wie der Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (vgl Entscheidungen des erkennenden Senats, BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 zur Kostensenkungsaufforderung und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10 zum Wohnungswechsel wegen unangemessen hoher Unterkunftskosten).

18

c) Nicht ohne Bedeutung ist hiernach entgegen der Auffassung des SG die "vertragliche Ausgestaltung" der im Streit stehenden Aufwendungen. Maßgebend ist vielmehr, ob die von den Klägern entrichteten Zahlungen an die Voreigentümerin wie die Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder einer Kaufpreisschuld zu werten sind oder ob sie einer (Miet-)Zahlung für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleichen. Das beurteilt sich nach der Rechtsprechung allein danach, wie der zugrunde liegende Vertrag konkret ausgestaltet ist und nicht, wie er auch hätte ausgestaltet sein können (vgl BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 1/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 65 RdNr 21). Entscheidend für die rechtliche Qualifizierung ist bei Grundstückskäufen auf Leibrentenbasis nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wie eng das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Rentenzahlung und Grundstücksgeschäft beschaffen ist. Als Leibrente im eigentlichen Sinne des § 759 BGB erachtet der BGH ein "einheitlich nutzbares Recht …, das dem Berechtigten für die Lebenszeit eines Menschen eingeräumt ist und dessen Erträge aus wiederkehrenden, gleichmäßigen und in gleichen Zeitabständen zu gewährenden Leistungen in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehen"(BGH Urteil vom 16.12.1965 - II ZR 274/63 - BB 1966, 305 - juris RdNr 22). Der Leibrente zugeordnet wird ein Grundstücksüberlassungsvertrag deshalb nur, wenn die Gegenleistung für dessen Überlassung mit der Einräumung des Stammrechts, aus dem die Einzelansprüche erwachsen, formal bereits als vollständig erbracht anzusehen ist und die Rentenzahlungen deshalb im strengen Sinne nicht Gegenleistung für die Grundstücksüberlassung sind, sondern Erfüllung des bereits vorher gewährten Rentenstammrechts. Steht dagegen nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung die Erfüllung (auch) der einzelnen Zahlungsansprüche in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Grundstücksüberlassung - und hat sich der Überlasser deshalb den Rücktritt vom Vertrag vorbehalten für den Fall, dass der Übernehmer mit Zahlungen in Rückstand gerät - dann bilden die "Rentenzahlungen in ihrer Gesamtheit den Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks" (BGH Beschluss vom 25.4.1991 - III ZR 159/90 - WM 1991, 1644, juris RdNr 2 ff, RdNr 5).

19

d) Hiernach könnten Leibrenten der Miete allenfalls gleich zu stellen sein, wenn es sich um Renten im engeren Sinne des § 759 BGB handelt. Muss dagegen eine "Leibrentenzahlung" bei vorbehaltenem Rücktritt - wie hier vertraglich ausbedungen - als Kaufpreisteil gesehen werden, so ist nicht anzunehmen, dass die Zahlungen nicht der Finanzierung des Grunderwerbs dienen. Maßgeblich ist dann nach der Rechtsprechung des BSG, ob es nach den konkreten Umständen "um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist" (vgl erkennender Senat: BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; 4. Senat: BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Davon kann hier indes nicht ausgegangen werden, nachdem die 2005 - dem Jahr des erstmaligen Bezugs von SGB II-Leistungen der Kläger - 59 Jahre alte Voreigentümerin statistisch eine Lebenserwartung von deutlich über 20 Jahren hatte (Statistisches Bundesamt, Periodensterbetafeln für Deutschland, Allgemeine Sterbetafeln, abgekürzte Sterbetafeln und Sterbetafeln, 1871/1881 bis 2008/2010, S 342).

20

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Nicht zum Einkommen gehören

1.
Leistungen nach diesem Buch,
2.
die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen,
3.
Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz,
4.
Aufwandsentschädigungen nach § 1835a des Bürgerlichen Gesetzbuchs kalenderjährlich bis zu dem in § 3 Nummer 26 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes genannten Betrag,
5.
Mutterschaftsgeld nach § 19 des Mutterschutzgesetzes,
6.
Einnahmen von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, aus Erwerbstätigkeiten, die in den Schulferien ausgeübt werden; dies gilt nicht für Schülerinnen und Schüler, die einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung haben,
7.
ein Betrag von insgesamt 520 Euro monatlich bei Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und die
a)
eine nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung durchführen,
b)
eine nach § 57 Absatz 1 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung, eine nach § 51 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähige berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme oder eine nach § 54a des Dritten Buches geförderte Einstiegsqualifizierung durchführen oder
c)
als Schülerinnen und Schüler allgemein- oder berufsbildender Schulen während der Schulzeit erwerbstätig sind,
8.
Aufwandsentschädigungen oder Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten, die nach § 3 Nummer 12, Nummer 26 oder Nummer 26a des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind, soweit diese einen Betrag in Höhe von 3 000 Euro kalenderjährlich nicht überschreiten und
9.
Erbschaften.
Einkünfte aus Rückerstattungen, die auf Vorauszahlungen beruhen, die Leistungsberechtigte aus dem Regelsatz erbracht haben, sind kein Einkommen. Bei Minderjährigen ist das Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 34, benötigt wird.

(2) Von dem Einkommen sind abzusetzen

1.
auf das Einkommen entrichtete Steuern,
2.
Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung,
3.
Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten, und
4.
die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben.
Erhält eine leistungsberechtigte Person aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen, die als Taschengeld nach § 2 Nummer 4 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes oder nach § 2 Absatz 1 Nummer 4 des Jugendfreiwilligendienstgesetzes gezahlt werden, ist abweichend von Satz 1 Nummer 2 bis 4 und den Absätzen 3 und 6 ein Betrag von bis zu 250 Euro monatlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Soweit ein Betrag nach Satz 2 in Anspruch genommen wird, gelten die Beträge nach Absatz 3 Satz 1 zweiter Halbsatz und nach Absatz 6 Satz 1 zweiter Halbsatz insoweit als ausgeschöpft.

(3) Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist ferner ein Betrag in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten abzusetzen, höchstens jedoch 50 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28. Abweichend von Satz 1 ist bei einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches von dem Entgelt ein Achtel der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 zuzüglich 50 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Entgelts abzusetzen. Im Übrigen kann in begründeten Fällen ein anderer als in Satz 1 festgelegter Betrag vom Einkommen abgesetzt werden.

(4) Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist ferner ein Betrag von 100 Euro monatlich aus einer zusätzlichen Altersvorsorge der Leistungsberechtigten zuzüglich 30 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Einkommens aus einer zusätzlichen Altersvorsorge der Leistungsberechtigten abzusetzen, höchstens jedoch 50 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(5) Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des Absatzes 4 ist jedes monatlich bis zum Lebensende ausgezahlte Einkommen, auf das der Leistungsberechtigte vor Erreichen der Regelaltersgrenze auf freiwilliger Grundlage Ansprüche erworben hat und das dazu bestimmt und geeignet ist, die Einkommenssituation des Leistungsberechtigten gegenüber möglichen Ansprüchen aus Zeiten einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach den §§ 1 bis 4 des Sechsten Buches, nach § 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte, aus beamtenrechtlichen Versorgungsansprüchen und aus Ansprüchen aus Zeiten einer Versicherungspflicht in einer Versicherungs- und Versorgungseinrichtung, die für Angehörige bestimmter Berufe errichtet ist, zu verbessern. Als Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge gelten auch laufende Zahlungen aus

1.
einer betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes,
2.
einem nach § 5 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifizierten Altersvorsorgevertrag und
3.
einem nach § 5a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifizierten Basisrentenvertrag.
Werden bis zu zwölf Monatsleistungen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge, insbesondere gemäß einer Vereinbarung nach § 10 Absatz 1 Nummer 2 Satz 3 erster Halbsatz des Einkommensteuergesetzes, zusammengefasst, so ist das Einkommen gleichmäßig auf den Zeitraum aufzuteilen, für den die Auszahlung erfolgte.

(6) Für Personen, die Leistungen der Hilfe zur Pflege, der Blindenhilfe oder Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch erhalten, ist ein Betrag in Höhe von 40 Prozent des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten abzusetzen, höchstens jedoch 65 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(7) Einmalige Einnahmen, bei denen für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der Einnahme erbracht worden sind, werden im Folgemonat berücksichtigt. Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig zu verteilen und mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. In begründeten Einzelfällen ist der Anrechnungszeitraum nach Satz 2 angemessen zu verkürzen. Die Sätze 1 und 2 sind auch anzuwenden, soweit während des Leistungsbezugs eine Auszahlung zur Abfindung einer Kleinbetragsrente im Sinne des § 93 Absatz 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes oder nach § 3 Absatz 2 des Betriebsrentengesetzes erfolgt und durch den ausgezahlten Betrag das Vermögen überschritten wird, welches nach § 90 Absatz 2 Nummer 9 und Absatz 3 nicht einzusetzen ist.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 18. März 2009 geändert, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, den Klägern mehr als 478,35 Euro der mit Bescheid der Stadt Düren vom 14. Mai 2008 festgesetzten Kosten für die Verlegung von Anschlusskanälen als Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1. August 2007 bis zum 31. Juli 2008 zu gewähren. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt 4/5 der außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Der Beklagte wendet sich gegen seine Verurteilung zur Übernahme von einmalig angefallenen Kosten in Höhe von 584,65 Euro für die Sanierung des Kanalhausanschlusses als Kosten der Unterkunft durch die Vorinstanzen.

2

Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 sind Eigentümer des 390 qm großen Grundstücks S straße in D, das mit einem Wohnhaus (Wohnfläche 180 qm) bebaut ist. Sie leben mit ihren sieben (im streitigen Zeitraum minderjährigen) Kindern, den Klägern zu 3 bis 9, gemeinsam mit zwei weiteren, nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Familienangehörigen in diesem Haus. Sie beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Unter anderem gewährte der Beklagte für die Zeit vom 1.8.2007 bis zum 31.7.2008 Leistungen in Höhe von insgesamt 1545,16 Euro monatlich (Bescheid vom 17.7.2007). Als Kosten der Unterkunft legte er dabei monatliche Gesamtkosten in Höhe von 429,85 Euro (9/11 der Gesamtkosten von 525,37 Euro) sowie monatliche Heizkostenanteile in Höhe von 90 Euro (9/11 von 110 Euro) zugrunde. Für die Zeit ab 1.4.2008 änderte der Beklagte die Bewilligungsentscheidung und bewilligte Leistungen in Höhe von 1562,99 Euro monatlich und dabei ua Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 537,68 Euro, wobei er Hauslasten in Höhe von 423,14 Euro monatlich und Kosten für Heizung in Höhe von 114,54 Euro monatlich berücksichtigte (Bescheid vom 18.4.2008). Für die Zeit ab 1.7.2008 bewilligte er schließlich Leistungen in Höhe von 1591,99 Euro monatlich; die Kosten der Unterkunft und Heizung blieben insoweit unverändert.

3

Mit Bescheid über die Festsetzung und Erhebung der Kosten für die Erneuerung oder Ausbesserung der Anschlusskanäle für das Grundstück vom 14.5.2008 setzte die Stadt Düren gegenüber dem Kläger zu 1 Anschlusskosten für die Verlegung von Anschlusskanälen in Höhe von 584,65 Euro fest. Der Betrag werde einen Monat nach Bekanntgabe fällig. Der Kläger zu 1 beantragte die Übernahme dieser Kosten bei dem Beklagten. Er sei nicht bereit für diese Kosten aufzukommen, da er die Erneuerung bzw Ausbesserung der Anschlusskanäle nicht gewollt habe (Schreiben vom 24.5.2008). Den Antrag lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 23.7.2008; Widerspruchsbescheid vom 14.8.2008).

4

Der hiergegen zum Sozialgericht (SG) Aachen erhobenen Klage hat das SG stattgegeben und den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen zur Übernahme der mit Bescheid vom 14.5.2008 festgesetzten Kosten in Höhe von 584,65 Euro verurteilt (Urteil vom 18.3.2009). Die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen (Urteil vom 25.2.2010). Zur Begründung hat es ausgeführt, bei den mit Bescheid vom 14.5.2008 festgesetzten Kosten handele es sich um Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 SGB II. Zu den erstattungsfähigen Aufwendungen für die Unterkunft bei Eigenheimen gehörten alle mit dem Eigentum verbundenen notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen seien. § 7 Abs 2 der Verordnung (VO) zu § 82 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) sei - wie schon unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes - insoweit entsprechend anzuwenden(Hinweis auf BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, RdNr 38 und BVerwGE 77, 232). Bei den im vorliegenden Fall gemäß § 10 Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) in Verbindung mit der Entwässerungssatzung sowie der Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt Düren festgesetzten und erhobenen Kosten handele es sich um einen Kostenersatz, der wie eine sonstige öffentliche Abgabe iS des § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 2 VO zu § 82 SGB XII zu werten sei, auch wenn es sich rechtstechnisch (anders als in anderen Bundesländern) nicht um eine Gebühr handele, sondern um eine öffentlich-rechtliche Entgeltleistung besonderer Art. Der Senat halte es für geboten, den Begriff der öffentlichen Abgabe in § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 2 VO zu § 82 SGB XII sozialrechtlich auf den vorliegend geltend gemachten Kostenersatzanspruch gemäß § 10 KAG NRW auszudehnen. Für eine je nach Bundesland unterschiedliche Behandlung solcher Kostenersatzansprüche sei ein sachlicher Grund nicht gegeben. Zudem ruhe der Kostenersatzanspruch nach § 10 KAG NRW als öffentliche Last auf dem Grundstück(Hinweis auf OVG NRW Urteil vom 10.8.1998 - 22 A 2059/95). Entgegen der Auffassung des Beklagten komme es damit auf eine Unterscheidung zwischen werterhaltenden und wertsteigernden Ausgaben nicht an. Eine Übernahme der als sonstige öffentliche Abgabe zu qualifizierenden Kosten werde allein durch das Kriterium der Angemessenheit begrenzt. An der Angemessenheit der Kosten bestünden vorliegend keine Zweifel, weil schon die von dem Beklagten als für die Bedarfsgemeinschaft angemessen angesehene Kaltmiete in Höhe von 744,54 Euro monatlich nicht überschritten würde.

5

Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten. Die vom LSG vorgenommene Auslegung unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Belastung über alle Bundesländer hinweg überzeuge nicht. Eine "sozialrechtliche Ausdehnung" und damit bundeseinheitliche Anwendung der jeweils für den Hilfebedürftigen günstigsten landesrechtlichen Vorschriften sei vom Bundessozialgericht (BSG) schon bei der Bestimmung der Flächenwerte für eine "angemessene Unterkunft" verworfen worden (BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Damit habe das BSG bewusst Ungleichbehandlungen von Bundesland zu Bundesland in Kauf genommen. § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 2 der VO zu § 82 SGB XII könne keine Anwendung finden, denn sonstige öffentlich-rechtliche Entgeltleistungen besonderer Art seien nicht erfasst.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 18. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie halten die Entscheidungen von SG und LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist nur zu einem Teil begründet, im Übrigen aber unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). SG und LSG sind im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass den Klägern wegen der im laufenden Bewilligungsabschnitt fällig gewordenen Kosten für die Erneuerung oder Ausbesserung der Anschlusskanäle für das Grundstück höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen. Insoweit ist mit Fälligkeit der Kosten im Juni 2008 eine wesentliche Änderung iS von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gegenüber den Verhältnissen eingetreten, die bei Erlass der Bescheide vom 17.7.2007 und vom 18.4.2008 für den Zeitraum vom 1.8.2007 bis zum 31.7.2008 hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung vorlagen (dazu unter 2 a). Allerdings ist der von diesem Zeitpunkt an geänderte, aktuelle tatsächliche Bedarf der Kläger an Kosten der Unterkunft und Heizung nur in Höhe der auf sie entfallenden Kopfteile an den Gesamtkosten für das von elf Personen bewohnte Haus zu berücksichtigen (dazu unter 2 b). Die danach berücksichtigungsfähigen Kosten in Höhe von 478,35 Euro (9/11 von 584,65 Euro) sind mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse zugunsten der Kläger zu berücksichtigen, denn die Kosten für Unterkunft und Heizung stellen sich auch unter Einschluss dieser weiteren Kosten als angemessen dar (dazu unter 2 c).

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 23.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.8.2008, mit dem der Beklagte die Übernahme der im Mai 2008 festgesetzten und im Juni 2008 fällig gewordenen Kosten für die Erneuerung und Ausbesserung der Anschlusskanäle als Kosten der Unterkunft und Heizung abgelehnt hat. Gegen diese Bescheide wenden sich die Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG). Bereits mit ihrem Antrag vor dem SG haben die Kläger den Streitstoff inhaltlich ausdrücklich auf höhere Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt (zur Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18; zur rechtlich nicht möglichen weiteren Aufspaltung des Streitgegenstands, etwa in Unterkunfts- und Heizkosten: BSG, aaO, RdNr 18, 22). Der Höhe nach ist die Überprüfung im Revisionsverfahren auf weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 584,65 Euro begrenzt, weil nur der Beklagte durch die Urteile von SG und LSG beschwert ist und Revision eingelegt hat.

11

2. Die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides misst sich an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, weil der Beklagte den Klägern mit den vorangegangenen Bewilligungsbescheiden vom 17.7.2007 und vom 18.4.2008 Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.7.2008 bewilligt hatte und die Fälligkeit der weiteren, streitigen Kosten zeitlich in diesen Bewilligungsabschnitt fällt. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, hier also der Bescheid vom 17.7.2007 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 18.4.2008, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Dabei sind bei der Frage, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - bezogen auf die hier streitigen Kosten der Unterkunft und Heizung - dazu führt, dass die ursprünglichen Bewilligungsbescheide abzuändern sind, grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 12 mwN) .

12

Die Kläger erfüllten im Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.7.2008 die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 19 Satz 1, § 22 SGB II. Damit haben sie ua Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Es ergeben sich nach den Feststellungen des LSG und dem Vortrag der Beteiligten dabei keine Anhaltspunkte dafür, dass die mit Bescheiden vom 17.7.2007 und vom 18.4.2008 für den Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.7.2008 bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung ursprünglich unzutreffend festgesetzt sein könnten.

13

a) Eine gegenüber den ursprünglichen Bewilligungen mit Bescheiden vom 17.7.2007 und vom 18.4.2008 wesentliche Änderung in den Verhältnissen ist mit der Fälligkeit der mit Bescheid der Stadt Düren vom 14.5.2008 festgesetzten und erhobenen Kosten für die Verlegung von Anschlusskanälen im Juni 2008 eingetreten. Für diesen Monat sind höhere tatsächliche Kosten für Unterkunft und Heizung entstanden, die entgegen der Auffassung des Beklagten dem Grunde nach berücksichtigungsfähig im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind.

14

Zu den grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Aufwendungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II für die Unterkunft in Eigenheimen gehören neben den zur Finanzierung geleisteten Schuldzinsen auch die Nebenkosten, wie zB Beiträge zur Wohngebäudeversicherung, Grundsteuern, Wasser- und Abwassergebühren und ähnliche Aufwendungen im jeweils maßgebenden Bewilligungszeitraum. Wird ein Eigenheim bewohnt, zählen zu den Kosten der Unterkunft die Aufwendungen, die der Leistungsberechtigte als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen hat. Soweit solche Kosten in einer Summe fällig werden, sind sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (vgl etwa BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 36).

15

Bei den streitigen Anschlusskosten handelt es sich um solche einmalig anfallenden Lasten, die im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II berücksichtigungsfähig sind. Bei der Frage nach den berücksichtigungsfähigen Kosten für Unterkunft und Heizung bei selbst genutzten Eigenheimen geht es nur darum, diejenigen Kosten zu bestimmen, die tatsächlich und untrennbar mit der Nutzung des Hausgrundstücks anfallen. Insoweit hat das LSG im Einzelnen unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen ausgeführt, dass die Anschlusskosten nach § 10 KAG NRW als öffentliche Last auf dem Grundstück liegen. Sie erwachsen nach den Feststellungen des LSG aus dem gemeindlichen Anschluss- und Benutzungszwang, dem der Grundstückseigentümer unterworfen ist, und sind so ausgestaltet, dass sie für den Eigentümer unvermeidbare und unmittelbar mit der Nutzung des Grundstücks verbundene Lasten sind. An diese Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften ist der Senat gebunden (§ 162 SGG). Auf die weitergehende landesrechtliche Ausgestaltung solcher Lasten als Gebühr oder öffentlich-rechtliche Entgeltleistung besonderer Art kommt es nach Sinn und Zweck des § 22 SGB II nicht an. Inwieweit eine Übernahme solcher öffentlich-rechtlicher Lasten, denen sich der Hauseigentümer nicht entziehen kann, durch den Träger der Grundsicherung als gerechtfertigt anzusehen ist, ist allein eine Frage der Angemessenheit solcher Kosten, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat.

16

Dagegen ist unerheblich, ob die Einbeziehung dieser Kosten von Wortlaut und Sinn und Zweck des § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 2 VO zu § 82 SGB XII gedeckt ist, wie das LSG meint. § 7 VO zu § 82 SGB XII ist für die Feststellung, welche (Neben)Kosten für Eigentümer als berücksichtigungsfähige Kosten anzusehen sind, (nur) entsprechend anzuwenden(BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, RdNr 38). Die dort genannten Kosten können nur Anhaltspunkt dafür sein, in welchem Umfang berücksichtigungsfähige Kosten im Rahmen des § 22 SGB II entstehen. Bereits aufgrund ihrer systematischen Stellung kommt der Regelung bei der Konkretisierung des Begriffs der Aufwendungen für Unterkunft keine bindende Wirkung zu (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 17 RdNr 16).

17

Schließlich kann dahinstehen, ob die von der Stadt Düren vorgenommenen Kanalausbesserungen, die den streitigen Kosten zugrunde liegen, als notwendige Erhaltungsmaßnahmen auch aus diesem Grund zu den berücksichtigungsfähigen Kosten gehören.

18

b) Allerdings sind auch einmalig anfallende Kosten bei der Nutzung eines Eigenheimes von mehreren Personen nicht in vollem Umfang, sondern nur anteilig pro Kopf zu berücksichtigen. Da nur neun der insgesamt elf Familienmitglieder als Hilfebedürftige nach den Feststellungen des LSG eine Bedarfsgemeinschaft bilden und nur deren Kosten der Unterkunft im vorliegenden Verfahren von dem Beklagten geltend gemacht werden können, belaufen sich die weiteren, im Monat Juni 2008 berücksichtigungsfähigen Kosten auf 478,35 Euro und nicht auf 584,65 Euro, wie die Vorinstanzen meinen. Nutzen Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, so sind die Kosten der Unterkunft im Regelfall unabhängig von Alter oder Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind (stRspr, vgl etwa BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33 mwN). Unerheblich ist insoweit auch, dass nur der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 als Grundstückeigentümer von der Stadt Düren wegen der streitigen Kosten in Anspruch genommen worden sind.

19

c) Die danach berücksichtigungsfähigen einmaligen Kosten in Höhe von 478,35 Euro erweisen sich schließlich auch als angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, sodass sich die Verurteilung des Beklagten zu ihrer Übernahme insoweit als zutreffend erweist.

20

Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind (im Einzelnen nur BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10). Diese Rechtsprechung ist dahin zu konkretisieren, dass der Vergleich zwischen den Kosten für eine im örtlichen Vergleichsraum abstrakt angemessene Nettokaltmiete und den Kosten, die bei der Nutzung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen entstehen, an Hand der im Kalenderjahr anfallenden Kosten vorzunehmen ist. Dies rechtfertigt sich daraus, dass üblicherweise vor allem die Betriebskosten für Eigenheime (etwa Grundsteuern, Beiträge zur Versicherungen, Wasser- und Abwassergebühren) nicht monatlich, sondern jährlich, halbjährlich oder vierteljährlich anfallen. Um die regelmäßigen Kosten von Eigenheimen realistisch abzubilden, erscheint eine monatliche Betrachtungsweise damit nicht geeignet. Andererseits berücksichtigt die Prüfung der Angemessenheit von Kosten bezogen auf einen Jahreszeitraum, dass nach § 41 Abs 1 Satz 5 SGB II aF Leistungen (wie dies vorliegend geschehen ist) längstens für ein Jahr bewilligt werden dürfen. Längstens für diesen Zeitraum kann davon ausgegangen werden, dass wesentliche Veränderungen in den Lebensverhältnissen eines Hilfebedürftigen nicht eintreten. Die Prüfung der Angemessenheit von Gesamtkosten bezogen auf ein Jahr bedeutet allerdings - wie bereits ausgeführt - nicht, dass tatsächlich einmalig anfallende Kosten vom Träger der Grundsicherung über längere Zeiträume verteilt zu gewähren wären.

21

Nach den Feststellungen des LSG hält der Beklagte eine monatliche Kaltmiete (ohne Nebenkosten) in Höhe von 744,54 Euro, mithin eine Jahreskaltmiete in Höhe von 8934,48 Euro für eine neunköpfige Bedarfsgemeinschaft für angemessen. Diese Kosten, die die üblichen von Mietern zu zahlenden (kalten) Nebenkosten noch nicht enthalten (vgl dazu zuletzt BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - RdNr 33, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), werden mit den auf die Kläger entfallenden, von dem Beklagten als berücksichtigungsfähig anerkannten Anteilen der Gesamtkosten des Hauses im Jahre 2008 (5097,81 Euro zuzüglich Heizkosten) bei weitem nicht erreicht. Der vom LSG mitgeteilte Sachverhalt gibt mithin keinen Anlass an der Angemessenheit der Gesamtkosten des Eigenheimes auch unter Einschluss der einmalig angefallenen Kosten für die Verlegung der Kanalanschlüsse in Höhe von 478,35 Euro zu zweifeln.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 28. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere ein pauschaler Abzug von Stromkosten von den Kosten der Unterkunft.

2

Dem im Jahr 1960 geborenen, erwerbsfähigen, hilfebedürftigen und allein lebenden Kläger bewilligte die Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters - im Folgenden auch Beklagter - für Mai 2005 Leistungen in Höhe von 188,84 Euro und für Juni bis November 2005 monatlich Leistungen in Höhe von 427 Euro. Der Berechnung wurde eine Regelleistung in Höhe von 345 Euro und Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 82 Euro zugrunde gelegt. Von der tatsächlich vom Kläger zu zahlenden Untermiete in Höhe von 110 Euro zog der Beklagte 28 Euro ab, weil nach dem Untermietvertrag in dem Untermietzins neben der Heizung der Strom enthalten war. Außerdem wurde für Mai Krankengeld in Höhe von 238,16 Euro als Einkommen berücksichtigt (Bescheid vom 2.5.2005). Den Widerspruch des Klägers verwarf der Beklagte als unzulässig, weil die Widerspruchsfrist nicht eingehalten worden sei (Widerspruchsbescheid vom 5.10.2005).

3

Im Laufe des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) hat, weil tatsächlich nur 208,16 Euro Krankengeld gezahlt worden waren, der Beklagte weitere Leistungen für Mai in Höhe von 60 Euro anerkannt, der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen. Darüber hinaus hat das SG unter Änderung der genannten Bescheide den Beklagten verpflichtet, dem Kläger von Mai bis November 2005 zusätzliche Leistungen in Höhe von 12 Euro monatlich zu zahlen, die Klage im Übrigen abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 26.2.2007). Dem SG erschien ein Abzug von nur 16 Euro monatlich für die in der Regelleistung und ebenfalls in der Pauschalmiete des Klägers enthaltenen Energiekosten nach den Umständen des Einzelfalls als angemessen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die nur von dem Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 28.1.2010). Zur Begründung hat es unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.6.2008 (B 14 AS 22/07 R - BSGE 101, 70 = SozR 4-4200 § 11 Nr 11) ausgeführt, die Regelleistung sei als Pauschale ausgestaltet und aus ihr könne weder zu Lasten des Hilfebedürftigen etwas herausgerechnet werden noch zu seinen Gunsten eine abweichende Bemessung der Bedarfe erfolgen. Auch die in einem Mietvertrag pauschal enthaltenen Aufwendungen für die Haushaltsenergie gehörten zu den tatsächlichen Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Diese habe der Beklagte zu übernehmen, soweit sie, wie vorliegend, angemessen seien. Daran würde sich nichts dadurch ändern, dass in den Leistungen für Unterkunft und Heizung Bedarfe enthalten seien, die als Komponente in die Berechnung der Regelleistung eingeflossen seien. Dies folge aus dem Wesen der pauschalierten Regelleistung. Etwas anderes gelte nur für die Kosten der Warmwasserbereitung, wenn diese über die Heizung erfolge. Die dazu ergangene Rechtsprechung (BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) könne aber nicht auf andere Komponenten der Berechnung der Regelleistung übertragen werden. Letzteres könne jedoch dahinstehen, weil nicht bekannt sei, in welcher Höhe Kosten der Haushaltsenergie in der Inklusivmiete enthalten seien.

4

In seiner vom BSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung von §§ 20, 22 SGB II, weil die Kosten der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten seien. Ebenso wie die Kosten der Warmwasserbereitung aus den Heizkosten herauszurechnen seien, seien die in einer Inklusivmiete enthaltenen Kosten der Haushaltsenergie herauszurechnen. Auch insofern habe keine doppelte Leistungserbringung zu erfolgen. Dies ergebe sich zudem aus der Klarstellung in § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706 - GSiFoG). Im strittigen Zeitraum seien 20,74 Euro für Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten gewesen.

5

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Februar 2007 und des Landessozialgerichts Hamburg vom 28. Januar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Beklagten ist zurückzuweisen. Das LSG hat zu Recht die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen, weil eine Rechtsgrundlage für die von dem Beklagten vorgenommene Kürzung der Leistungen für die Unterkunft nicht gegeben ist. Zwar hat das SG der Klage nur teilweise stattgegeben, da jedoch der Kläger nicht in Berufung gegangen ist, verbleibt es bei dem vom SG zugesprochenen Betrag.

8

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist - ebenso wie schon des Berufungsverfahrens - neben der Änderung des Bescheides des Beklagten vom 2.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.10.2005 nur die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 12 Euro pro Monat von Mai bis November 2005 an den Kläger. Denn nur der Beklagte, nicht aber der Kläger hat Rechtsmittel eingelegt.

9

2. Die Klage ist zulässig. Wie schon das SG zu Recht erkannt hat, wurde das angesichts der vorliegenden Anfechtungs- und Leistungsklage erforderliche Vorverfahren durchgeführt (§ 54 Abs 1, 4, § 78 Sozialgerichtsgesetz), auch wenn der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unzulässig, weil verspätet eingelegt, zurückgewiesen hat. Besondere Anforderungen, insbesondere hinsichtlich des Prüfungsumfangs, an die Durchführung eines Vorverfahrens stellt § 78 Abs 1 SGG nicht, weil andernfalls die Zulässigkeit der Klage des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts von der Rechtmäßigkeit des weiteren Verhaltens der Behörde bzw der zuständigen Widerspruchsbehörde abhängig wäre(vgl BSGE 43, 19, 24 f = SozR 4495 § 11 Nr 1; BSGE 49, 85, 87 = SozR 1500 § 84 Nr 3 und 2200 § 1422 Nr 1 mwN; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 78 RdNr 3).

10

3. Einem Anspruch des Klägers auf höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) steht nicht die Bindungswirkung des angefochtenes Bescheides vom 2.5.2005 entgegen (vgl § 77 SGG). Der Kläger hat die Widerspruchsfrist (§ 84 Abs 1 Satz 1 SGG) gewahrt, weil die Bekanntgabefiktion (§ 37 Abs 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) nicht greift, da der Verwaltungsakte des Beklagten kein Absendevermerk hinsichtlich des Bescheides vom 2.5.2005 zu entnehmen ist und der Kläger einen Rückschein der Deutschen Post seitens des Beklagten vom 24.5.2005 vorgelegt hat.

11

4. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten und von SG und LSG zugesprochenen Anspruch auf weiteres Alg II ist § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 19 Satz 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954 ). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

12

Die allgemeinen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung erfüllte der Kläger im streitigen Zeitraum von Mai bis November 2005: Er hatte das 15. Lebensjahr vollendet, das 65. Lebensjahr noch nicht, war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG erwerbsfähig und hilfebedürftig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

13

Das Alg II des Klägers umfasste gemäß § 19 Satz 1 SGB II idF des ArbMDienstLG 4 die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie die Leistungen für Unterkunft und Heizung. Die Regelleistung für den allein in Hamburg lebenden Kläger betrug 345 Euro (§ 20 Abs 2 SGB II idF ArbMDienstLG 4 - zur Verfassungsmäßigkeit des Betrags: BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175). Für Leistungen wegen eines Mehrbedarfs nach § 21 SGB II in der damaligen Fassung ergeben sich keine Anhaltspunkte.

14

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). An der Angemessenheit der vom Kläger geltend gemachten Gesamtaufwendungen von 110 Euro monatlich für Unterkunft und Heizung in Hamburg bestehen nach den Feststellungen des LSG keine Zweifel.

15

5. Obwohl in diesen Aufwendungen für die Unterkunft ein (unbestimmter) Betrag für den Strom enthalten ist und die Haushaltsenergie auch von der Regelleistung umfasst wird, können die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung - wie auch die Regelleistung - nicht gekürzt werden.

16

Dass die Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist, ist dem Wortlaut der hier maßgebenden Fassung des § 20 Abs 1 SGB II aufgrund des ArbMDiensLG 4 nicht unmittelbar zu entnehmen. Die Regelleistung war jedoch entsprechend dem Regelsatz des zum Zeitpunkt der Schaffung des SGB II bestehenden Sozialhilferechts entwickelt worden (vgl die Gesetzesbegründung in BT-Drucks 15/1516, S 56 zu § 20), in dem die Kosten der Haushaltsenergie im Regelsatz enthalten waren und nicht ein weiteres Mal in den Kosten der Unterkunft geltend gemacht werden konnten (vgl nur § 1 Abs 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 Bundessozialhilfegesetz vom 20.7.1962, BGBl I 515, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Daher umfasste die Regelleistung bereits unter der Geltung des § 20 Abs 1 SGB II idF des ArbMDienstLG 4 die Kosten für Haushaltsenergie(vgl nur Urteil des Senats vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 21 mwN).

17

Bestätigt wird diese Auslegung durch die Neufassung des § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II idF des ArbMDienstLG 4 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706 - GSiFoG), nach der die Regelleistung auch die "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile" umfasst. Nach der Gesetzesbegründung handelte es sich hierbei um eine Klarstellung, um systemwidrige doppelte Leistungen zu vermeiden (BT-Drucks 16/1410, S 23).

18

6. Der Revision kann nicht gefolgt werden, wenn sie ausgehend von der Entscheidung des Senats zu den Kosten der Warmwasserbereitung (BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) einen Betrag von 20,74 Euro aus der vom Kläger zu zahlenden Inklusivmiete von 110 Euro als durch die Regelleistung gedeckt herausrechnen will.

19

Dieser für die Haushaltsenergie in der Regeleistung enthaltene Betrag ergibt aus dem zur Begründung der Verordnung zur Durchführung des § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 3.6.2004 (BGBl I 1067 - RSV) vorgelegten Zahlenwerk aufgrund der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998, vermindert um die Kosten für die Reparatur und Instandhaltung der Wohnung und der Dynamisierung bzw Fortschreibung dieser Werte auf den Zeitpunkt 1.1.2005 (BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 26 unter Hinweis auf BR-Drucks 206/04, S 7, 11 ff). Hierbei ist zu beachten, dass unter Haushaltsenergie nicht nur Strom fällt, sondern auch zB Gas für die Kochfeuerung.

20

a) Einem Herausrechnen des in der Regelleistung für die Haushaltsenergie zugrunde gelegten Betrags steht zunächst entgegen, dass nach dem Leistungssystem des SGB II eine individuelle Bedarfsermittlung bzw abweichende Bestimmung der Höhe der Regelleistung gesetzlich nicht vorgesehen ist. Dies gilt sowohl zu Gunsten wie auch zu Lasten des Hilfebedürftigen (BSG vom 18.6.2008 - B 14 AS 22/07 R - BSGE 101, 70 = SozR 4-4200 § 11 Nr 11, RdNr 22 mwN).

21

Die Entscheidung des Senats zu den Kosten der Warmwasserbereitung (BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) trägt demgegenüber der Besonderheit dieser Kosten nach der vorherigen Rechtslage zum BSHG Rechnung, auf der das Leistungssystem des SGB II aufbaut, und in dessen System diese Kosten schon einen Sonderfall darstellten. Diese Sonderstellung der Kosten der Warmwasserbereitung hat der Gesetzgeber anerkannt, indem er, wie dargestellt, durch das GSiFoG § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II dahingehend geändert hat, dass die Regelleistung auch die "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile" umfasst. Damit hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung für die Kosten der Warmwasserbereitung geschaffen, die er mit der Einführung eines Mehrbedarfes für die Warmwasserbereitung in § 21 Abs 7 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) bestätigt hat.

22

In der Rechtsprechung des Senats ist diese Sonderstellung der Kosten der Warmwasserbereitung ebenfalls betont worden (BSG vom 7.5.2009 - B 14 AS 14/08 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 23 zum Küchenzuschlag).

23

b) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass jede Kürzung des Bedarfs des Klägers, der sich aus der Regelleistung und den tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind, zusammensetzt, eine begründete Herleitung dieses Kürzungsbetrages erfordert. Eine Schätzung setzt die Ermittlung und Benennung der Schätzungsgrundlagen voraus (vgl § 287 Zivilprozessordnung), sie darf nicht "völlig in der Luft hängen" (BGHZ 91, 243 = NJW 1984, 2216, Juris-RdNr 55; vgl für die Warmwasserbereitung: BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/0AS 15/07 R -, aaO RdNr 26).

24

Vorliegend kann ein solcher Betrag jedoch nicht ermittelt werden. Der Beklagte ist zunächst von 28 Euro ausgegangen und hat diese pro Monat abgezogen, ohne es näher zu begründen. Das SG hat dem Kläger weitere 12 Euro zugesprochen, damit für Haushaltsenergie nur noch 16 Euro abgezogen und zur Begründung eine telefonische Auskunft der Firma Vattenfall und Überlegungen zum Energieverbrauch eines Zweipersonenhaushaltes angeführt. Das LSG, das die Berufung des Beklagten zurückgewiesen hat, hat sich mit der Höhe des Betrags nicht beschäftigt. Im Revisionsverfahren meint der Beklagte, zumindest ein Betrag von 20,74 Euro sei abzuziehen. Wieso jedoch der gesamte für Haushaltsenergie in der Regelleistung enthaltene Betrag bei einer Inklusivmiete, die die Stromkosten umfasst, abzuziehen sein soll, obwohl es weitere Formen der Haushaltsenergie geben kann, bleibt offen.

25

c) Die Höhe des Betrags von 20,74 Euro als der Anteil für Haushaltsenergie in der Regelleistung zeigt ebenfalls, dass den dahingehenden Überlegungen des Beklagten nicht gefolgt werden kann: Denn damit würde von der vom Kläger zu zahlenden Inklusivmiete von 110 Euro fast ein Fünftel auf die Haushaltsenergie, also insbesondere auf den Strom in einem Zimmer entfallen, während für die Kaltmiete, die Betriebskosten und die Heizung nur circa 90 Euro übrig blieben.

26

Deutlich wird hieran nochmals der Widerspruch zum Pauschalcharakter der Regelleistung: Ob der Hilfebedürftige 20,74 Euro oder mehr oder weniger für die Haushaltsenergie ausgibt, bleibt ihm nach dem Konzept des SGB II überlassen. Wenn er sich eine kleine Wohnung nimmt und einen geringen Energieverbrauch hat, kann er den insofern nicht genutzten Anteil aus seiner Regelleistung anderweit verwenden. Dies darf nach der aufgezeigten Systematik des SGB II nicht durch entsprechende Anrechnungen von Einzelpositionen aus der Regelleistung auf die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung konterkariert werden.

27

Dass eine von der Auffassung des Beklagten ausgehende Überlegung, der Kläger könne, um die Anrechnung der Haushaltsenergie bei der Leistung für Unterkunft und Heizung zu vermeiden, in eine andere Wohnung mit einem "normalen" Mietvertrag ziehen, in die Irre führt, zeigt die Höhe der Inklusivmiete von 110 Euro in Hamburg. Sollten die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung bei einer Inklusivmiete nicht angemessen sein, so kann das Jobcenter im Übrigen ein Kostensenkungsverfahren einleiten.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 18. März 2009 geändert, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, den Klägern mehr als 478,35 Euro der mit Bescheid der Stadt Düren vom 14. Mai 2008 festgesetzten Kosten für die Verlegung von Anschlusskanälen als Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1. August 2007 bis zum 31. Juli 2008 zu gewähren. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt 4/5 der außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Der Beklagte wendet sich gegen seine Verurteilung zur Übernahme von einmalig angefallenen Kosten in Höhe von 584,65 Euro für die Sanierung des Kanalhausanschlusses als Kosten der Unterkunft durch die Vorinstanzen.

2

Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 sind Eigentümer des 390 qm großen Grundstücks S straße in D, das mit einem Wohnhaus (Wohnfläche 180 qm) bebaut ist. Sie leben mit ihren sieben (im streitigen Zeitraum minderjährigen) Kindern, den Klägern zu 3 bis 9, gemeinsam mit zwei weiteren, nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Familienangehörigen in diesem Haus. Sie beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Unter anderem gewährte der Beklagte für die Zeit vom 1.8.2007 bis zum 31.7.2008 Leistungen in Höhe von insgesamt 1545,16 Euro monatlich (Bescheid vom 17.7.2007). Als Kosten der Unterkunft legte er dabei monatliche Gesamtkosten in Höhe von 429,85 Euro (9/11 der Gesamtkosten von 525,37 Euro) sowie monatliche Heizkostenanteile in Höhe von 90 Euro (9/11 von 110 Euro) zugrunde. Für die Zeit ab 1.4.2008 änderte der Beklagte die Bewilligungsentscheidung und bewilligte Leistungen in Höhe von 1562,99 Euro monatlich und dabei ua Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 537,68 Euro, wobei er Hauslasten in Höhe von 423,14 Euro monatlich und Kosten für Heizung in Höhe von 114,54 Euro monatlich berücksichtigte (Bescheid vom 18.4.2008). Für die Zeit ab 1.7.2008 bewilligte er schließlich Leistungen in Höhe von 1591,99 Euro monatlich; die Kosten der Unterkunft und Heizung blieben insoweit unverändert.

3

Mit Bescheid über die Festsetzung und Erhebung der Kosten für die Erneuerung oder Ausbesserung der Anschlusskanäle für das Grundstück vom 14.5.2008 setzte die Stadt Düren gegenüber dem Kläger zu 1 Anschlusskosten für die Verlegung von Anschlusskanälen in Höhe von 584,65 Euro fest. Der Betrag werde einen Monat nach Bekanntgabe fällig. Der Kläger zu 1 beantragte die Übernahme dieser Kosten bei dem Beklagten. Er sei nicht bereit für diese Kosten aufzukommen, da er die Erneuerung bzw Ausbesserung der Anschlusskanäle nicht gewollt habe (Schreiben vom 24.5.2008). Den Antrag lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 23.7.2008; Widerspruchsbescheid vom 14.8.2008).

4

Der hiergegen zum Sozialgericht (SG) Aachen erhobenen Klage hat das SG stattgegeben und den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen zur Übernahme der mit Bescheid vom 14.5.2008 festgesetzten Kosten in Höhe von 584,65 Euro verurteilt (Urteil vom 18.3.2009). Die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen (Urteil vom 25.2.2010). Zur Begründung hat es ausgeführt, bei den mit Bescheid vom 14.5.2008 festgesetzten Kosten handele es sich um Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 SGB II. Zu den erstattungsfähigen Aufwendungen für die Unterkunft bei Eigenheimen gehörten alle mit dem Eigentum verbundenen notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen seien. § 7 Abs 2 der Verordnung (VO) zu § 82 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) sei - wie schon unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes - insoweit entsprechend anzuwenden(Hinweis auf BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, RdNr 38 und BVerwGE 77, 232). Bei den im vorliegenden Fall gemäß § 10 Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) in Verbindung mit der Entwässerungssatzung sowie der Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt Düren festgesetzten und erhobenen Kosten handele es sich um einen Kostenersatz, der wie eine sonstige öffentliche Abgabe iS des § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 2 VO zu § 82 SGB XII zu werten sei, auch wenn es sich rechtstechnisch (anders als in anderen Bundesländern) nicht um eine Gebühr handele, sondern um eine öffentlich-rechtliche Entgeltleistung besonderer Art. Der Senat halte es für geboten, den Begriff der öffentlichen Abgabe in § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 2 VO zu § 82 SGB XII sozialrechtlich auf den vorliegend geltend gemachten Kostenersatzanspruch gemäß § 10 KAG NRW auszudehnen. Für eine je nach Bundesland unterschiedliche Behandlung solcher Kostenersatzansprüche sei ein sachlicher Grund nicht gegeben. Zudem ruhe der Kostenersatzanspruch nach § 10 KAG NRW als öffentliche Last auf dem Grundstück(Hinweis auf OVG NRW Urteil vom 10.8.1998 - 22 A 2059/95). Entgegen der Auffassung des Beklagten komme es damit auf eine Unterscheidung zwischen werterhaltenden und wertsteigernden Ausgaben nicht an. Eine Übernahme der als sonstige öffentliche Abgabe zu qualifizierenden Kosten werde allein durch das Kriterium der Angemessenheit begrenzt. An der Angemessenheit der Kosten bestünden vorliegend keine Zweifel, weil schon die von dem Beklagten als für die Bedarfsgemeinschaft angemessen angesehene Kaltmiete in Höhe von 744,54 Euro monatlich nicht überschritten würde.

5

Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten. Die vom LSG vorgenommene Auslegung unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Belastung über alle Bundesländer hinweg überzeuge nicht. Eine "sozialrechtliche Ausdehnung" und damit bundeseinheitliche Anwendung der jeweils für den Hilfebedürftigen günstigsten landesrechtlichen Vorschriften sei vom Bundessozialgericht (BSG) schon bei der Bestimmung der Flächenwerte für eine "angemessene Unterkunft" verworfen worden (BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Damit habe das BSG bewusst Ungleichbehandlungen von Bundesland zu Bundesland in Kauf genommen. § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 2 der VO zu § 82 SGB XII könne keine Anwendung finden, denn sonstige öffentlich-rechtliche Entgeltleistungen besonderer Art seien nicht erfasst.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 18. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie halten die Entscheidungen von SG und LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist nur zu einem Teil begründet, im Übrigen aber unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). SG und LSG sind im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass den Klägern wegen der im laufenden Bewilligungsabschnitt fällig gewordenen Kosten für die Erneuerung oder Ausbesserung der Anschlusskanäle für das Grundstück höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen. Insoweit ist mit Fälligkeit der Kosten im Juni 2008 eine wesentliche Änderung iS von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gegenüber den Verhältnissen eingetreten, die bei Erlass der Bescheide vom 17.7.2007 und vom 18.4.2008 für den Zeitraum vom 1.8.2007 bis zum 31.7.2008 hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung vorlagen (dazu unter 2 a). Allerdings ist der von diesem Zeitpunkt an geänderte, aktuelle tatsächliche Bedarf der Kläger an Kosten der Unterkunft und Heizung nur in Höhe der auf sie entfallenden Kopfteile an den Gesamtkosten für das von elf Personen bewohnte Haus zu berücksichtigen (dazu unter 2 b). Die danach berücksichtigungsfähigen Kosten in Höhe von 478,35 Euro (9/11 von 584,65 Euro) sind mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse zugunsten der Kläger zu berücksichtigen, denn die Kosten für Unterkunft und Heizung stellen sich auch unter Einschluss dieser weiteren Kosten als angemessen dar (dazu unter 2 c).

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 23.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.8.2008, mit dem der Beklagte die Übernahme der im Mai 2008 festgesetzten und im Juni 2008 fällig gewordenen Kosten für die Erneuerung und Ausbesserung der Anschlusskanäle als Kosten der Unterkunft und Heizung abgelehnt hat. Gegen diese Bescheide wenden sich die Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG). Bereits mit ihrem Antrag vor dem SG haben die Kläger den Streitstoff inhaltlich ausdrücklich auf höhere Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt (zur Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18; zur rechtlich nicht möglichen weiteren Aufspaltung des Streitgegenstands, etwa in Unterkunfts- und Heizkosten: BSG, aaO, RdNr 18, 22). Der Höhe nach ist die Überprüfung im Revisionsverfahren auf weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 584,65 Euro begrenzt, weil nur der Beklagte durch die Urteile von SG und LSG beschwert ist und Revision eingelegt hat.

11

2. Die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides misst sich an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, weil der Beklagte den Klägern mit den vorangegangenen Bewilligungsbescheiden vom 17.7.2007 und vom 18.4.2008 Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.7.2008 bewilligt hatte und die Fälligkeit der weiteren, streitigen Kosten zeitlich in diesen Bewilligungsabschnitt fällt. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, hier also der Bescheid vom 17.7.2007 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 18.4.2008, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Dabei sind bei der Frage, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - bezogen auf die hier streitigen Kosten der Unterkunft und Heizung - dazu führt, dass die ursprünglichen Bewilligungsbescheide abzuändern sind, grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 12 mwN) .

12

Die Kläger erfüllten im Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.7.2008 die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 19 Satz 1, § 22 SGB II. Damit haben sie ua Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Es ergeben sich nach den Feststellungen des LSG und dem Vortrag der Beteiligten dabei keine Anhaltspunkte dafür, dass die mit Bescheiden vom 17.7.2007 und vom 18.4.2008 für den Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.7.2008 bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung ursprünglich unzutreffend festgesetzt sein könnten.

13

a) Eine gegenüber den ursprünglichen Bewilligungen mit Bescheiden vom 17.7.2007 und vom 18.4.2008 wesentliche Änderung in den Verhältnissen ist mit der Fälligkeit der mit Bescheid der Stadt Düren vom 14.5.2008 festgesetzten und erhobenen Kosten für die Verlegung von Anschlusskanälen im Juni 2008 eingetreten. Für diesen Monat sind höhere tatsächliche Kosten für Unterkunft und Heizung entstanden, die entgegen der Auffassung des Beklagten dem Grunde nach berücksichtigungsfähig im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind.

14

Zu den grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Aufwendungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II für die Unterkunft in Eigenheimen gehören neben den zur Finanzierung geleisteten Schuldzinsen auch die Nebenkosten, wie zB Beiträge zur Wohngebäudeversicherung, Grundsteuern, Wasser- und Abwassergebühren und ähnliche Aufwendungen im jeweils maßgebenden Bewilligungszeitraum. Wird ein Eigenheim bewohnt, zählen zu den Kosten der Unterkunft die Aufwendungen, die der Leistungsberechtigte als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen hat. Soweit solche Kosten in einer Summe fällig werden, sind sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (vgl etwa BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 36).

15

Bei den streitigen Anschlusskosten handelt es sich um solche einmalig anfallenden Lasten, die im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II berücksichtigungsfähig sind. Bei der Frage nach den berücksichtigungsfähigen Kosten für Unterkunft und Heizung bei selbst genutzten Eigenheimen geht es nur darum, diejenigen Kosten zu bestimmen, die tatsächlich und untrennbar mit der Nutzung des Hausgrundstücks anfallen. Insoweit hat das LSG im Einzelnen unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen ausgeführt, dass die Anschlusskosten nach § 10 KAG NRW als öffentliche Last auf dem Grundstück liegen. Sie erwachsen nach den Feststellungen des LSG aus dem gemeindlichen Anschluss- und Benutzungszwang, dem der Grundstückseigentümer unterworfen ist, und sind so ausgestaltet, dass sie für den Eigentümer unvermeidbare und unmittelbar mit der Nutzung des Grundstücks verbundene Lasten sind. An diese Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften ist der Senat gebunden (§ 162 SGG). Auf die weitergehende landesrechtliche Ausgestaltung solcher Lasten als Gebühr oder öffentlich-rechtliche Entgeltleistung besonderer Art kommt es nach Sinn und Zweck des § 22 SGB II nicht an. Inwieweit eine Übernahme solcher öffentlich-rechtlicher Lasten, denen sich der Hauseigentümer nicht entziehen kann, durch den Träger der Grundsicherung als gerechtfertigt anzusehen ist, ist allein eine Frage der Angemessenheit solcher Kosten, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat.

16

Dagegen ist unerheblich, ob die Einbeziehung dieser Kosten von Wortlaut und Sinn und Zweck des § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 2 VO zu § 82 SGB XII gedeckt ist, wie das LSG meint. § 7 VO zu § 82 SGB XII ist für die Feststellung, welche (Neben)Kosten für Eigentümer als berücksichtigungsfähige Kosten anzusehen sind, (nur) entsprechend anzuwenden(BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, RdNr 38). Die dort genannten Kosten können nur Anhaltspunkt dafür sein, in welchem Umfang berücksichtigungsfähige Kosten im Rahmen des § 22 SGB II entstehen. Bereits aufgrund ihrer systematischen Stellung kommt der Regelung bei der Konkretisierung des Begriffs der Aufwendungen für Unterkunft keine bindende Wirkung zu (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 17 RdNr 16).

17

Schließlich kann dahinstehen, ob die von der Stadt Düren vorgenommenen Kanalausbesserungen, die den streitigen Kosten zugrunde liegen, als notwendige Erhaltungsmaßnahmen auch aus diesem Grund zu den berücksichtigungsfähigen Kosten gehören.

18

b) Allerdings sind auch einmalig anfallende Kosten bei der Nutzung eines Eigenheimes von mehreren Personen nicht in vollem Umfang, sondern nur anteilig pro Kopf zu berücksichtigen. Da nur neun der insgesamt elf Familienmitglieder als Hilfebedürftige nach den Feststellungen des LSG eine Bedarfsgemeinschaft bilden und nur deren Kosten der Unterkunft im vorliegenden Verfahren von dem Beklagten geltend gemacht werden können, belaufen sich die weiteren, im Monat Juni 2008 berücksichtigungsfähigen Kosten auf 478,35 Euro und nicht auf 584,65 Euro, wie die Vorinstanzen meinen. Nutzen Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, so sind die Kosten der Unterkunft im Regelfall unabhängig von Alter oder Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind (stRspr, vgl etwa BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33 mwN). Unerheblich ist insoweit auch, dass nur der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 als Grundstückeigentümer von der Stadt Düren wegen der streitigen Kosten in Anspruch genommen worden sind.

19

c) Die danach berücksichtigungsfähigen einmaligen Kosten in Höhe von 478,35 Euro erweisen sich schließlich auch als angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, sodass sich die Verurteilung des Beklagten zu ihrer Übernahme insoweit als zutreffend erweist.

20

Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind (im Einzelnen nur BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10). Diese Rechtsprechung ist dahin zu konkretisieren, dass der Vergleich zwischen den Kosten für eine im örtlichen Vergleichsraum abstrakt angemessene Nettokaltmiete und den Kosten, die bei der Nutzung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen entstehen, an Hand der im Kalenderjahr anfallenden Kosten vorzunehmen ist. Dies rechtfertigt sich daraus, dass üblicherweise vor allem die Betriebskosten für Eigenheime (etwa Grundsteuern, Beiträge zur Versicherungen, Wasser- und Abwassergebühren) nicht monatlich, sondern jährlich, halbjährlich oder vierteljährlich anfallen. Um die regelmäßigen Kosten von Eigenheimen realistisch abzubilden, erscheint eine monatliche Betrachtungsweise damit nicht geeignet. Andererseits berücksichtigt die Prüfung der Angemessenheit von Kosten bezogen auf einen Jahreszeitraum, dass nach § 41 Abs 1 Satz 5 SGB II aF Leistungen (wie dies vorliegend geschehen ist) längstens für ein Jahr bewilligt werden dürfen. Längstens für diesen Zeitraum kann davon ausgegangen werden, dass wesentliche Veränderungen in den Lebensverhältnissen eines Hilfebedürftigen nicht eintreten. Die Prüfung der Angemessenheit von Gesamtkosten bezogen auf ein Jahr bedeutet allerdings - wie bereits ausgeführt - nicht, dass tatsächlich einmalig anfallende Kosten vom Träger der Grundsicherung über längere Zeiträume verteilt zu gewähren wären.

21

Nach den Feststellungen des LSG hält der Beklagte eine monatliche Kaltmiete (ohne Nebenkosten) in Höhe von 744,54 Euro, mithin eine Jahreskaltmiete in Höhe von 8934,48 Euro für eine neunköpfige Bedarfsgemeinschaft für angemessen. Diese Kosten, die die üblichen von Mietern zu zahlenden (kalten) Nebenkosten noch nicht enthalten (vgl dazu zuletzt BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - RdNr 33, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), werden mit den auf die Kläger entfallenden, von dem Beklagten als berücksichtigungsfähig anerkannten Anteilen der Gesamtkosten des Hauses im Jahre 2008 (5097,81 Euro zuzüglich Heizkosten) bei weitem nicht erreicht. Der vom LSG mitgeteilte Sachverhalt gibt mithin keinen Anlass an der Angemessenheit der Gesamtkosten des Eigenheimes auch unter Einschluss der einmalig angefallenen Kosten für die Verlegung der Kanalanschlüsse in Höhe von 478,35 Euro zu zweifeln.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der zu gewährenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.12.2012 bis 31.05.2013 insbesondere in Bezug auf einen ernährungsbedingten Mehrbedarf. Nach seinem Umzug aus dem M.-Kreis bezog der Kläger ab 01.11.2005 Alg II vom Beklagten. Er leidet insbesondere unter einer Laktose- und Fruktoseintoleranz und bezog ab 01.11.2010 eine Arbeitsmarktrente auf Zeit mit einem monatlichen Zahlbetrag ab 01.07.2012 i. H. v. 629,26 EUR. Ausweislich des Mietvertrages beträgt die Miete für die ab 01.12.2011 bezogene Wohnung 200 EUR zzgl. Nebenkosten i. H. v. 18,50 EUR und Heizkosten (Holz und Öl) i. H. v. 50 EUR. Für Wasser- und Kanal ist ein monatlicher Abschlag von 48 EUR sowie zweimal jährlich für den Kaminkehrer je 24,52 EUR zu zahlen. Das Bad und das WC haben keine Heizung. Auf den Fortzahlungsantrag vom 15.11.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 19.11.2012 idF des Änderungsbescheides vom 12.12.2012 Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.12.2012 bis 31.12.2012 i. H. v. monatlich 215,09 EUR (Regelleistung 374 EUR, ernährungsbedingter Mehrbedarf 77 EUR, Warmwasser 8,60 EUR und anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung 335,59 EUR, abzüglich Rente 629,96 EUR bereinigt um 30 EUR Versicherungspauschale und 19,86 EUR Kfz-Haftpflichtversicherung) und für die Zeit vom 01.01.2013 bis 31.05.2013 i. H. v. monatlich 222,68 EUR (Regelleistung 382 EUR, ernährungsbedingter Mehrbedarf 76,40 EUR, Warmwasser 8,79 EUR und anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung 335,59 EUR, abzüglich Rente 629,96 EUR bereinigt um 30 EUR Versicherungspauschale und 19,86 EUR Kfz-Haftpflichtversicherung). Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung setzten sich zusammen aus 200 EUR Grundmiete, 50 EUR Heizung, 70,59 EUR Nebenkosten und 15 EUR Stromheizung Bad und WC. Der Kläger sei verpflichtet, die im Berechnungsbogen berücksichtigten Kosten der Unterkunft und Heizung vollständig an seinen Vermieter weiterzuleiten. Nur bei vollständiger Begleichung der berücksichtigten Kosten stehe der Leistungsanspruch in dieser Höhe zu. Sollte dies nicht erfolgen, müsse mit dem Widerruf des Bescheides gerechnet werden. Gegen beide Bescheide legte der Kläger jeweils Widerspruch ein und trug insbesondere vor, der ernährungsbedingte Mehrbedarf sei mit 77 EUR zu niedrig bemessen. Es seien vielmehr 900 EUR monatlich zu zahlen oder Kosten für Essen auf Rädern zu übernehmen. Für Unterkunft und Heizung würden Kosten i. H. v. 368,59 EUR monatlich anfallen (Grundmiete 200 EUR, 50 EUR Öl/Holz, 48 EUR Beheizen Bad und WC mit Strom, 18,50 EUR Müll, 4,09 EUR Kaminkehrer und 48 EUR Kochstrom). Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.11.2012 (WS 90/13) und den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.12.2012 (WS 89/13) wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 22.03.2013 zurück.

Nach Vorlage eines Kündigungsschreibens des Vermieters vom 21.10.2013 wegen Nichtzahlung der Miete für September und November 2012, Januar 2013 sowie März bis Oktober 2013 und entsprechender Anhörung widerrief der Beklagte mit Bescheid vom 19.11.2013 die Bescheide vom 08.05.2012, 19.11.2012, 24.11.2012, 12.12.2012, 29.05.2013 und 30.07.2013 für September und November 2012, Januar 2013 sowie März bis Oktober 2013 im Umfang von 2.461,81 EUR. Die eingetretene Überzahlung werde mit den bewilligten Leistungen ab 01.12.2013 i. H. v. 30% der Regelsatzes (114,60 EUR) aufgerechnet. Anhand der Leistungsbescheide hätte der Kläger erkennen müssen, dass ihm die Leistungen nur dann zustünden, wenn er seine Unterkunftskosten bezahle. Der Widerruf sei auch verhältnismäßig. Ein Belassen der Leistung wäre im Hinblick auf die zumindest grob fahrlässig zweckwidrige Verwendung nicht gerechtfertigt. Der Kläger verwies diesbezüglich darauf, dass er die Miete rechtmäßigerweise um 100% gemindert habe, da der Vermieter nicht dafür Sorge getragen habe, dass die Wohnung ausreichend beheizt werden könne und legte Widerspruch ein. Die Mietrechtsangelegenheit sei noch nicht geklärt. Der Beklagte dürfe sich nicht einmischen. Der Bedarf für Unterkunft und Heizung, den er geltend mache, betrage 308,50 EUR (200 Miete, 50 EUR Heizung, 18,50 EUR Nebenkosten und 40 EUR Kaltwasser). Der Beklagte berücksichtige zwar 341,59 EUR, zahle aber nur 231,13 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Gegen den Bescheid vom 19.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2013 (S 16 AS 227/13) und gegen den Bescheid vom 12.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2013 (S 16 AS 226/13) hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Er könne mit den gewährten Leistungen seinen Mehrbedarf wegen seiner Erkrankungen i. H. v. 800 EUR monatlich nicht decken. Das SG hat die Verfahren S 16 AS 227/13 und S 16 AS 226/13 verbunden und die Klage gegen den Bescheid vom 19.11.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.11.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.12.2012 und in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.03.2013 mit Urteil vom 18.06.2013 abgewiesen. Ein Anspruch auf höhere Leistungen, insbesondere im Hinblick auf den ernährungsbedingten Mehrbedarf, bestehe nicht. Die Berücksichtigung von 76,40 EUR monatlich sei ausreichend und angemessen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Der berücksichtigte ernährungsbedingte Mehrbedarf sei zu niedrig. Er begehre Essen auf Rädern oder die Versorgung über eine Einrichtung.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.06.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 19.11.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.12.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.03.2013 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.12.2012 bis 31.05.2013 um 1.000 EUR höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu zahlen und darüber hinaus den Bescheid vom 19.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 19.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2014 abzuweisen ...

In dem vom Senat gem. § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten kommt der Sachverständige Dr. G. zu dem Ergebnis, das aufgrund der beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen notwendige medizinische Ernährungsbedürfnis führe im Vergleich zur normalen Vollkost nicht zu wesentlichen Mehrkosten. Der gewährte Mehrbedarf sei in jedem Fall ausreichend.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 19.11.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.12.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.03.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein höherer Leistungsanspruch für die Zeit vom 01.12.2012 bis 31.05.2013 steht dem Kläger nicht zu. Der Bescheid vom 19.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2014 ist dagegen rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Soweit er die - hier streitgegenständliche - Leistungsbewilligung für Januar 2013 und März bis Mai 2013 widerruft, ist er auf Klage des Klägers aufzuheben. Streitgegenstand ist vorliegend die Höhe des dem Kläger zustehenden Alg II für die Zeit vom 01.12.2012 bis 31.05.2013, worüber der Beklagte mit Bescheid vom 19.11.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.12.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.03.2013 entschieden hat. Der Bescheid vom 19.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2014 ist erst nach Einlegung der Berufung ergangen. Da jedoch § 96 Abs. 1 SGG auch für das Berufungsverfahren gilt, ist hierüber auf Klage zu entscheiden (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 96 Rn. 7). Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.12.2012 bis 31.05.2013 keinen Anspruch auf höhere Leistungen, als sie der Beklagte mit Bescheid vom 19.11.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.12.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.03.2013 bewilligt hat. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II idF der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch Vom 13.05.2011 (BGBl I 850) erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigen Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Diese Leistungsvoraussetzungen werden vom Kläger erfüllt, weshalb der Beklagte auch (zunächst) Alg II bewilligt hat.

Die Höhe des mit Bescheid vom 19.11.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.12.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.03.2013 für die Zeit vom 01.12.2012 bis 31.12.2012 i. H. v. 215,09 EUR und vom 01.01.2013 bis 31.05.2013 i. H. v. monatlich 222,68 EUR bewilligten Alg II ist nicht zu beanstanden.

Für die Zeit vom 01.12.2012 bis 31.12.2012 hat der Beklagte zutreffend als Bedarf die Regelleistung i. H. v. 374 EUR, ein ernährungsbedingter Mehrbedarf i. H. v. 77 EUR, Warmwasserkosten i. H. v. 8,60 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung i. H. v. 335,59 EUR, mithin insgesamt 795,19 EUR monatlich berücksichtigt. Unter Berücksichtigung der ab 01.01.2013 geänderten Positionen Regelleistung i. H. v. 382 EUR, Warmwasserkosten i. H. v. 8,79 EUR und ernährungsbedingter Mehrbedarf i. H. v. 76,40 EUR ergibt sich für die Zeit vom 01.01.2013 bis 31.05.2013 ein Gesamtbedarf von monatlich 802,78 EUR.

Die Höhe der Regelleistung im streitgegenständlichen Zeitraum betrug 374 EUR bzw. ab 01.01.2013 monatlich 382 EUR (§ 20 Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 SGB II i. V. m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 SGB II für die Zeit ab 01.01.2012 vom 20.10.2011 - BGBl I 2093 - bzw. i. V. m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 SGB II für die Zeit ab 01.01.2013 vom 18.10.2012 - BGBl I 2175 -).

Weiter hat der Beklagte für den ernährungsbedingten Mehrbedarf zusätzlich 77 EUR bzw. ab 01.01.2013 monatlich 76,40 EUR berücksichtigt. Nach § 21 Abs. 5 SGB II wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Ein höherer Bedarf als vom Beklagten bereits zugrunde gelegt besteht beim Kläger nicht. Dies steht nach dem von Amts wegen eingeholten Gutachten des Dr. G. zur Überzeugung des Senates fest. Unbestritten leidet der Kläger insbesondere unter einer Laktose- und Fruktoseintoleranz. Diese Nahrungsmittelunverträglichkeiten können auch grundsätzlich ein medizinisches Ernährungsbedürfnis begründen. Es aber liegt keine einen Mehrbedarf begründende konsumierende Erkrankung mit erheblichen körperlichen Auswirkungen vor, vielmehr geht der Kläger davon aus, eine Gewichtsreduktion sei bei ihm erforderlich. Auch an mehrbedarfsbegründenden Erkrankungen wie Zöliakie und Sprue leidet der Kläger nicht. In jedem Fall kann er einen etwaigen Mehrbedarf mit den diesbezüglich berücksichtigten 77 EUR bzw. 76,40 EUR monatlich bestreiten. Zweifel an der Richtigkeit des eingeholten Gutachtens ergeben sich für den Senat nicht. Soweit der Kläger nach in den Akten des Beklagten sich befindenden Aufstellungen selbst Berechnungen zur Höhe seines Mehrbedarfs anstellt, sind diese völlig abwegig. So legt er darin einen Bedarf von täglich drei Litern Heilwasser mit einem Literpreis von über einem Euro zugrunde. Eine Notwendigkeit, den Bedarf an Trinken allein mit Heilwasser decken zu können, ergibt sich jedoch in keinster Weise. Zudem wurden in die Berechnung Stromkosten, z. B. 5,58 EUR allein für die Zubereitung des kalten Abendessens mit einem Kännchen Tee, eingestellt. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Kochenergie als Teil der Haushaltsenergie mit der Regelleistung bereits abgegolten ist und Energiekosten von 5,58 EUR für ein Kännchen Tee fern jeder Realität sind. Bei der Berechnung der Kosten für zwei Scheiben Brot geht der Kläger davon aus, ein Brot mit 500 Gramm enthalte acht Scheiben Brot. Auch diese Berechnung ist lebensfremd. So wird ersichtlich, dass zugrunde gelegte Kosten für ein Abendessen i. H. v. durchschnittlich 10,72 EUR, für ein Frühstück i. H. v. 11,03 EUR und für ein Mittagessen i. H. v. 12,78 EUR, in keinem Fall die Kosten sein können, die aus dem vorliegenden Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung folgen. So wird aus dem Speiseplan des Klägers auch deutlich, dass die von ihm vorgebrachte Ernährungsform weitestgehend der gesunden Vollkost unter Berücksichtigung von laktosefreien Produkten entspricht. Dies spricht ebenfalls für die Schlüssigkeit des vom Senat eingeholten Gutachtens. Auch ein Anspruch auf „Essen auf Rädern“ besteht nicht. Unabhängig davon, dass das SGB II einen solchen Anspruch nicht vorsieht, ist der Kläger in der Lage, sich selbst zu versorgen und selbst zu kochen. Hieran bestehen für den Senat auch aufgrund des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung keine Zweifel. Der berücksichtigte Mehrbedarf von 77 EUR bzw. 76,40 EUR monatlich ist damit nicht zu beanstanden.

Für die dezentrale Zubereitung des Warmwassers war ein Betrag von 8,60 EUR (2,3% von 374 EUR) bzw. ab 01.01.2013 monatlich 8,79 EUR (2,3% von 382 EUR) zu berücksichtigen (§ 21 Abs. 7 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1). Dass beim Kläger abweichend von dieser Pauschale ein höherer Bedarf besteht, ist weder erkennbar noch konkret nachvollziehbar vorgetragen.

Auch im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft und Heizung, für die der Beklagte 200 EUR Grundmiete, 50 EUR Heizung, 70,59 EUR Nebenkosten und 15 EUR Stromheizung Bad und WC, mithin insgesamt 335,59 EUR berücksichtigt hat, kann ein höherer Bedarf beim Kläger nicht festgestellt werden. Aus den Akten ergibt sich nach dem Mietvertrag und den weiter vorgelegten Unterlagen ein Mietzins i. H. v. 200 EUR zzgl. Nebenkosten i. H. v. 70,59 EUR (allgemeine Nebenkosten i. H. v. 18,50 EUR, Wasser- und Kanal i. H. v. 48 EUR sowie zweimal jährlich für den Kaminkehrer je 24,52 EUR). Daneben fallen für Heizkosten (Holz und Öl) 50 EUR an. Diese Kosten hat der Beklagte damit in tatsächlicher Höhe bei der Leistungsberechnung zugrunde gelegt. Soweit der Kläger Bad und WC mit Strom beheizen muss, ist weder erkennbar noch konkret nachvollziehbar vorgetragen, dass hierfür 15 EUR monatlich nicht ausreichend sein sollen. Soweit der Kläger den Bedarf für Unterkunft und Heizung im Widerspruchsverfahren mit 368,59 EUR monatlich angegeben hat (Grundmiete 200 EUR, 50 EUR Öl/Holz, 48 EUR Beheizen Bad und WC mit Strom, 18,50 EUR Müll, 4,09 EUR Kaminkehrer und 48 EUR Kochstrom), ist ein Betrag von 48 EUR für Kochstrom nicht anzusetzen, da dieser Bedarf an Haushaltsenergie bereits von der Regelleistung abgedeckt wird (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Damit macht er mit 320,59 EUR jedenfalls keine höheren als vom Beklagten berücksichtigten Bedarf geltend.

Diesem Bedarf stand für den streitgegenständlichen Zeitraum ein anzurechnendes Einkommen i. H. v. 580,10 EUR gegenüber. Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen betrug der Auszahlungsbetrag der Rente beim Kläger monatlich 629,96 EUR. Hiervon waren 30 EUR für die Versicherungspauschale und 19,86 EUR für die Kfz-Haftpflichtversicherung in Abzug zu bringen (§ 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II).

Hieraus folgt damit die Leistungshöhe von 215,09 EUR (759,19 EUR - 580,10 EUR) für die Zeit vom 01.12.2012 bis 31.12.2012 und von monatlich 222,68 EUR (802,78 EUR - 580,10 EUR) für die Zeit vom 01.01.2013 bis 31.05.2013, die der Beklagte in den Bewilligungsbescheiden zutreffend bewilligt hat.

Aufzuheben war aber der Bescheid vom 19.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2014, soweit der Beklagte damit den Bescheid vom 19.11.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.12.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.03.2013 für Januar 2013 und März bis Mai 2013 widerrufen und für diese Monate Alg II zurückgefordert sowie die Aufrechnung erklärt hat.

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB X kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, der eine Geld- oder Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes zuerkennt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn (1.) die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird, (2.) mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Die Voraussetzungen von § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB X liegen bereits ganz offensichtlich nicht vor, da in den Bewilligungsbescheiden die Leistungsgewährung nicht mit den Mietzinszahlungen als Auflage verknüpft worden sind. Im Übrigen wäre auch die Erteilung einer Auflage nach § 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X nur bei und durch Ermessensentscheidung möglich. Eine solche hat der Beklagte in den Bewilligungsbescheiden keinesfalls getroffen. Daneben liegen aber auch die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB X nicht vor. Die Zweckverfehlung gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB X stellt auf einen im Verwaltungsakt bestimmten Zweck ab, eine Zweckgefährdung reicht nicht (vgl. BayLSG, Beschluss vom 13.08.2009 - L 8 AL 189/07 - juris - m. w. N.). Ein Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte kommt nur in Betracht, wenn der Empfänger der Leistung den im Verwaltungsakt festgelegten „Leistungsverwendungszweck“ nicht erfüllt. Maßgeblich ist nicht der abstrakt-generelle Zweck des Gesetzes, sondern die verhaltenssteuernde Zweckbestimmung im Verwaltungsakt (BSG, Urteil vom 14.12.2000 - B 11 AL 63/00 R - BSGE 87, 219). Es wäre schon fraglich, ob der Hinweis im Bescheid vom 08.05.2012, wonach der Kläger verpflichtet sei, die im Berechnungsbogen berücksichtigten Kosten der Unterkunft und Heizung vollständig an seinen Vermieter weiterzuleiten und nur bei vollständiger Begleichung der berücksichtigten Kosten der Leistungsanspruch in dieser Höhe zustehe, überhaupt eine solche Zweckbestimmung iSv § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB X darstellt. Fraglich wäre auch, ob die dem Kläger gewährten Leistungen überhaupt zweckbestimmt gewesen sind (so wohl BSG, Beschluss vom 16.05.2007 - B 7b AS 40/06 R - juris; Eicher in: Eicher, SGB II, 3. Aufl, § 40 Rn. 68). Eine Gewährung von „Leistungen für Unterkunft und Heizung“ sieht § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für die Zeit ab 01.01.2011 nicht mehr vor. Vielmehr werden „Bedarfe für Unterkunft und Heizung“ im Rahmen des nach Auffassung des Gesetzgebers (BT-Drs 17/3404 S 98) einheitlichen Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 19 Abs. 1 SGB II nur als „Berechnungsposten“ berücksichtigt (gegen einen solchen einheitlichen Anspruch: Luik in: Eicher SGB II 3. Aufl. § 22 Rn. 31). In jedem Fall ist die ausgesprochene Verpflichtung im Bewilligungsbescheid aber aus anderen Gründen unwirksam. Nach der Aufforderung des Beklagten wäre der Kläger verpflichtet gewesen, 335,59 EUR monatlich an seinen Vermieter zu bezahlen. Ein solcher Anspruch des Vermieters hat aber nicht bestanden. Vielmehr wären schon 15 EUR bezüglich der Heizung von Bad und WC mit Haushaltsstrom vom Kläger an den Energieversorger zu zahlen. Zudem könnte der Beklagte allenfalls verlangen, dass der Kläger die ausgezahlten Leistungen an den Vermieter weiterreicht, nicht aber die gesamten, in der Leistungsberechnung berücksichtigten Unterkunftskosten. Eine Zweckbestimmung würde sich andernfalls auch auf das Renteneinkommen des Klägers und nicht nur auf das gezahlte Alg II beziehen, da der Leistungsanspruch geringer ist als die zugrunde gelegten Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Im Hinblick auf die unwirksame Zweckbestimmung im Bewilligungsbescheid kann damit keine Zweckverfehlung angenommen werden. Schließlich kann sich der Beklagte - unabhängig davon, ob insofern ein Austausch der Rechtsgrundlagen überhaupt möglich wäre - auch nicht auf § 45 SGB X oder § 48 SGB X stützen, denn die Leistungsbewilligung war weder anfänglich rechtswidrig noch ist eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten. Der Umstand, dass der Kläger zeitweise die Miete nicht an seinen Vermieter gezahlt und die Leistungen des Beklagten anderweitig verwendet hat, ist leistungsrechtlich nicht erheblich. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 -BGBl I 453-). Bereits aus dem Gesetzeswortlaut folgt, dass danach nur solche Bedarfe zu berücksichtigen sind, die dem Leistungsberechtigten tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht. Der Kläger hat für die Überlassung der von ihm bewohnten Wohnung im streitigen Zeitraum keine Mietzinszahlungen an die Vermieterin der Wohnung geleistet. Allerdings führt dies nicht - wie der Beklagte meint - bereits dazu, dass keine Unterkunftskosten mehr zu berücksichtigen wären. „Tatsächliche Aufwendungen“ für eine Wohnung liegen nicht nur dann vor, wenn die Miete bereits gezahlt wurde und nunmehr deren Erstattung verlangt wird, sondern es genügt, dass der Leistungsberechtigte im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (vgl. BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 46; Krauß in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2012, § 22 Rn. 43). Dies ergibt sich schon daraus, dass bei einer Nichtzahlung der Miete regelmäßig die Kündigung und Räumung der Unterkunft droht. Zweck der Regelung über die Erstattung der Kosten für die Unterkunft ist es aber gerade, existentielle Notlagen zu beseitigen und den Eintritt von Wohnungslosigkeit zu verhindern. Für die Frage, ob tatsächlich Aufwendungen für Unterkunft entstanden sind, kommt es nicht darauf an, ob der Leistungsberechtigte der Verpflichtung aus eigenen Mitteln wird nachkommen können oder in der Vergangenheit nachkommen konnte, auch nicht, ob die Aufwendungen bisher durch andere Sozialleistungen gedeckt wurden. Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung des Hilfebedürftigen vorliegt, ist in erster Linie der Mietvertrag mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden ist (so insgesamt BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Der Kläger war für Januar 2013 und März bis Mai 2013 unverändert einer entsprechenden Mietzinsforderung ausgesetzt. Dass der Vermieter auch nicht auf entsprechende Leistungen verzichtet hat, ergibt sich aus seinem Kündigungsschreiben, welches er auf die Nichtzahlung gestützt hat. Dem kann letztlich auch nicht die vom Kläger vorgebrachte Mietminderung gemäß § 536 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) von 100% wegen angeblicher Nichtbeheizbarkeit der Wohnung entgegen gehalten werden. Dass ein Recht auf eine solche Mietminderung in vollem Umfang nicht besteht, liegt auf der Hand. Dies zeigt sich umso mehr, darin dass der Kläger die Mietminderung auch im Sommer vorgenommen hat. Von einer Unbewohnbarkeit der Wohnung kann nicht ausgegangen werden. Der Beklagte hat selbst einen Hausbesuch in der Wohnung durchgeführt. Vermerke zur fehlenden Bewohnbarkeit oder anderweitigen Mängel liegen nicht vor. Die vorgebrachte Mietminderung hat daher nicht den Mietzinsanspruch des Vermieters entfallen lassen. Alleine, dass ein Rechtsanwalt die Mietminderung geltend gemacht haben soll, ändert im Hinblick auf die eben gemachten Ausführungen nichts. In jedem Fall hätte der Beklagte selbst prüfen müssen, ob die Voraussetzungen einer Mietminderung als rechtsvernichtende Einwendung gegen den Mietzinsanspruch vorgelegen haben, bevor er hier von abweichenden Bedarfen für Unterkunft und Heizung ausgehen kann. Letztlich folgt dies auch aus dem Grundsatz, dass der Leistungsträger Aufwendungen nur dann nicht anerkennen muss, wenn sie auf einer zivilrechtlich offen auf der Hand liegenden Unwirksamkeit beruhen (vgl. Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl, § 22 Rn. 47). Eine offensichtliche Unbewohnbarkeit der Wohnung ist jedenfalls nicht gegeben. Mangels Aufhebung der Leistungsbewilligung konnte auch keine Erstattung von Leistungen nach § 50 SGB X vom Kläger verlangt und keine Aufrechnung vorgenommen werden. Damit war die Berufung zurückzuweisen und auf die Klage der Klägers der Bescheid vom 19.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2014, soweit der Beklagte damit den Bescheid vom 19.11.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.12.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.03.2013 für die Monate Januar 2013 und März bis Mai 2013 widerrufen und für diese Monate Alg II zurückgefordert sowie die Aufrechnung erklärt hat, aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung höherer Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) für die Zeit vom 5.8.2007 bis zum 29.2.2008.

2

Der 1957 geborene Kläger (ursprünglich Kläger zu 1) und der 1977 geborene chinesische Staatsangehörige Y, der das vorliegende Verfahren im Klage- und Berufungsverfahren als Kläger zu 2 betrieben hatte, waren im streitigen Zeitraum eingetragene Lebenspartner nach dem Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz ). Sie bezogen seit dem 1.1.2005 von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Für die von ihnen bewohnte 61,44 qm große 2,5 Zimmerwohnung in Berlin-Schöneberg zahlten sie nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg im streitigen Zeitraum eine Miete einschließlich Heizkosten von insgesamt 532,49 Euro monatlich. Der Beklagte teilte ihnen mit Schreiben vom 29.1.2007 mit, dass ihre KdU nicht angemessen seien. Für einen Zwei-Personen-Haushalt gelte insoweit ein Richtwert in Höhe von 444 Euro. Sie seien daher verpflichtet, ihre KdU zu senken. Er, der Beklagte, sei bereit, die tatsächlichen KdU noch für sechs Monate nach Zugang seines Schreibens zu übernehmen.

3

Mit Bescheid vom 27.6.2007 gewährte der Beklagte dem Kläger und seinem Partner für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 31.8.2007 Leistungen in Höhe von 916,49 Euro monatlich. Als Bedarf legte er dabei jeweils den Regelsatz für Partner einer Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 312 Euro und berücksichtigungsfähige KdU in Höhe von 532,49 Euro zugrunde. Hierauf rechnete er zunächst Einkommen an. Nach Widerspruch wegen der Berücksichtigung von Einkommen und nachdem Y mitgeteilt hatte, er werde vom 2.8.2007 an für voraussichtlich vier Monate wegen familiärer Verpflichtungen nach Peking reisen, bewilligte der Beklagte dem Kläger für August 2007 Leistungen in Höhe von insgesamt 578,24 Euro (312 Euro Regelleistung und 266,24 Euro KdU). Der Bescheid berücksichtige als Änderungen die unerlaubte Ortsabwesenheit des Y Dadurch sei dessen Leistungsanspruch weggefallen (Änderungsbescheid vom 7.8.2007). Mit Bescheid vom 23.8.2007 in der Fassung des Bescheides vom 25.9.2007 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1.9.2007 bis zum 29.2.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 534 Euro monatlich (312 Euro Regelleistung und 222 Euro KdU). Die hiergegen gerichteten Widersprüche blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheide vom 25.9.2007 und 26.9.2007).

4

Während des hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Berlin geführten Klageverfahrens kehrte Y am 6.12.2007 nach Deutschland zurück. Für die Zeit vom 6.12.2007 bis zum 29.2.2008 bewilligte ihm der Beklagte daraufhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 534 Euro monatlich (für Dezember 2007 anteilig in Höhe von 437,60 Euro; Bescheid vom 28.12.2007).

5

Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 18.1.2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit der Ortsabwesenheit des Y Leistungen in Höhe des Regelsatzes für Alleinstehende von 347 Euro zu gewähren. Während der Ortsabwesenheit des Y sei zwar nicht die Bedarfsgemeinschaft aufgelöst worden, weil keine dauerhafte Trennungsabsicht vorgelegen habe. Jedoch seien mit der Abreise das gemeinsame Wirtschaften aus einem Topf und damit die Grundlage der Bildung des Mischregelsatzes entfallen. Zu Recht habe der Beklagte dagegen nur die Hälfte der Kaltmiete und der Nebenkosten berücksichtigt. Dies entspreche der Kopfteilmethode, die solange anzuwenden sei, wie die Kläger eine Bedarfsgemeinschaft bildeten. Die angemessene Bruttokaltmiete für einen Zwei-Personen-Haushalt betrage ausgehend von den obersten Spannenwerten im Berliner Mietspiegel 407,40 Euro (Kaltmiete von 293,40 Euro zuzüglich angemessener kalter Betriebskosten in Höhe von 114 Euro). Zusätzlich gehöre die tatsächliche Heizkostenvorauszahlung abzüglich der Warmwasser- und Kochgaspauschale zu den angemessenen Kosten für Heizung.

6

Die hiergegen vom Kläger und Y zum LSG eingelegten Berufungen sind ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 9.6.2009). Streitgegenstand seien im Berufungsverfahren nach zulässiger Beschränkung des Streitgegenstandes noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 5.8.2007 bis zum 29.2.2008 und des Y für die Zeit nach seiner Rückkehr aus Peking, also vom 7.12.2007 bis zum 29.2.2008. Gegenstand des Verfahrens seien damit die Bescheide des Beklagten vom 27.6.2007, 23.8.2007 und vom 25.9.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. und 26.9.2007 sowie der Bescheid vom 28.12.2007. Die Änderungsbescheide des Beklagten vom 7.8.2007 und vom 6.9.2007 seien dagegen nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden, denn die Verfügungssätze dieser Bescheide erschöpften sich in der Aufhebung der Leistungsbewilligung für Y ab dem 8.7.2007 bzw ab August 2007 wegen Ortsabwesenheit. Nachdem der Beklagte seine Berufung zurückgenommen habe, sei das erstinstanzliche Urteil im Übrigen insoweit rechtskräftig und damit für die Beteiligten bindend, als das SG den Beklagten verpflichtet habe, dem Kläger für die Dauer der Ortsabwesenheit des Y die höhere Regelleistung nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II zu gewähren.

7

Beide Berufungskläger seien Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II(in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004, BGBl I 2014), insbesondere hätten sie während des streitigen Zeitraums ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II)gehabt und seien auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II in Verbindung mit § 9 SGB II gewesen. Neben der Regelleistung nach § 20 SGB II, deren Höhe nicht mehr streitig sei, hätten sie Anspruch auf Leistungen für die KdU in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen seien. Ansprüche auf weitergehende KdU als von dem Beklagten bewilligt ergäben sich nach Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten nach der sog Produkttheorie nicht.

8

Hinsichtlich der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße sei die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zugrunde zu legen, für die in Berlin - in Ermangelung von Richtlinien zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung - Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) - zum einen an die Bestimmungen zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen(insoweit an die Mitteilung Nr 8/2004 vom 15.12.2004 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung) und zum anderen - wegen fehlender Bestimmungen über den Mietwohnungsbau - an die Richtlinien über Förderungssätze für eigengenutztes Wohneigentum der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 25.5.1999 (Eigentumsförderungssätze 1999, ABl 1999, 2918 ff) anzuknüpfen sei. Nach Maßgabe dieser Regelungen sei eine Wohnungsgröße von bis zu 60 qm für die Kläger angemessen.

9

Für die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließe, die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Hierfür seien die sich aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) ergebenden durchschnittlichen Mittelwerte für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten zugrunde zu legen. Für eine Wohnfläche von vierzig bis unter sechzig Quadratmetern in einfacher Lage ergebe sich eine Nettokaltmiete von gerundet 4,54 Euro pro qm (Summe aus sämtlichen Mittelwerten geteilt durch 9), und also eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von insgesamt 272,40 Euro (4,54 Euro x 60 qm). Hierzu seien als angemessene kalte Betriebskosten die durchschnittlichen kalten Betriebskosten, die regelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten seien, unter Zugrundelegung der vom Deutschen Mieterbund (DMB) mit dem "Betriebskostenspiegel 2007" veröffentlichten Angaben (www.mieterbund.de) zu bestimmen, die sich auf 1,79 Euro pro qm (einschließlich Steuern und Abgaben), mithin für eine Wohnung von 60 qm auf 107,40 Euro monatlich beliefen. Zuzüglich einer angemessenen Bruttokaltmiete von insgesamt 379,80 Euro seien Heizkosten in Höhe von 0,85 Euro pro qm (ebenfalls unter Rückgriff auf den Betriebskostenspiegel 2007) als angemessen anzusehen, sodass sich bei einer Wohnungsgröße von 60 qm eine angemessene monatliche Bruttowarmmiete in Höhe von insgesamt 430,80 Euro (379,80 Euro + 51 Euro) ergebe. Zur Überzeugung des Senats stehe in Berlin eine ausreichende Zahl gerade auch von Zwei-Zimmer-Wohnungen in diesem Mietsegment mit dem vorgenannten Mietniveau zur Verfügung. Ein "Bestandsschutz" nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II bestehe nicht mehr. Der Kläger habe auch während der Dauer der Ortsabwesenheit des Y keinen Anspruch auf Leistungen für die KdU in Höhe der gesamten Kosten der Mietwohnung, sondern nur in Höhe der Hälfte dieser Kosten. Besonderheiten, die ein Abweichen vom Prinzip der Aufteilung der Unterkunftskosten nach der Kopfzahl der Wohnungsnutzer rechtfertigen könnten, bestünden im vorliegenden Fall nicht. Unerheblich sei, dass ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft wegen einer länger als sechs Wochen währenden Ortsabwesenheit vorübergehend vom Leistungsbezug ausgeschlossen (vgl § 7 Abs 4a SGB II in Verbindung mit § 3 Abs 4 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können vom 23.10.1997 , geändert durch Art 1 1. ÄndAnO vom 16.11.2001 ) und infolgedessen außer Stande gewesen sei, den auf ihn entfallenden Anteil der Unterkunftskosten aufzubringen. Denn insoweit handele es sich um eine von dem Lebenspartner des Klägers selbst zu verantwortende Entscheidung, sich länger als sechs Wochen von seinem Wohnsitz zeit- und ortsfern aufzuhalten. Diese Entscheidung könne den Beklagten nicht verpflichten, dem anderen Hilfebedürftigen nunmehr nicht nur Leistungen für die KdU in Höhe seines Kopfteils, sondern in Höhe der gesamten tatsächlichen KdU zu erbringen.

10

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers. An dem Revisionsverfahren hat sich Y, der mittlerweile vom Kläger dauernd getrennt lebt, nicht beteiligt. Der Kläger rügt die fehlerhafte Anwendung des § 22 Abs 1 SGB II durch das LSG. Während der Ortsabwesenheit des Y liege ein Sachverhalt vor, der ein Abweichen vom Grundsatz der Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahl rechtfertige. Y habe aufgrund der Ortsabwesenheit keinen Beitrag zu den KdU beisteuern können, sodass die bei der Bedarfsgemeinschaft vermuteten Synergieeffekte ausfielen. Es seien für diesen Zeitraum die angemessenen KdU entsprechend einem Ein-Personen-Haushalt in Höhe von 422,50 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale in Ansatz zu bringen. Die abstrakte Angemessenheit der Wohnungskosten sei unter Rückgriff auf den günstigsten Spannenhöchstwert innerhalb der verschiedenen Bauklassen für Wohnungen mit Bad und WC in einfacher Wohnlage zu bestimmen, solange der Träger der Grundsicherung dem Hilfebedürftigen nicht die konkrete Möglichkeit der Anmietung von günstigeren Wohnungen nachweise. Nur bei Zugrundelegung des Spannenoberwerts könne ausreichend sicher geschlussfolgert werden, dass eine angemessene Wohnung tatsächlich gefunden werden könne. Dies gelte auch für die kalten Betriebskosten. Zwar ergebe sich nach dem Betriebskostenspiegel des DMB ein deutlich niedrigerer Mittelwert. Dieser bundesdeutsche Wert könne aber nicht maßgeblich sein, sondern es sei auf die mutmaßlichen Betriebskosten aus dem Berliner Mietspiegel für eine konkret in Berlin anzumietende Wohnung zurückzugreifen. Ausgehend von einer Nettokaltmiete in Höhe von 4,71 Euro pro qm (einfache Wohnlage Baujahre 1965-1972), kalten Betriebskosten in Höhe von 2,59 Euro pro qm und Heizkosten in Höhe von 1,15 Euro ergebe sich (bei einer Wohnungsgröße für eine Person in Höhe von 50 qm) eine angemessene Gesamtmiete in Höhe von 422,50 Euro, die um 6,53 Euro für Warmwasser zu bereinigen sei (Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 4.4.2008 - L 32 AS 458/08 AS ER und vom 5.9.2007 - L 32 AS 1312/07 AS ER). Entsprechend seien die Kosten für einen Zwei-Personen-Haushalt zu berechnen.

11

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2009 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2008 sowie die Bescheide des Beklagten vom 27. Juni 2007, vom 7. August 2007, vom 23. August 2007 und vom 25. September 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. September 2007 und 26. September 2007 sowie den Bescheid vom 28. Dezember 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger weitere Kosten der Unterkunft und Heizung abzüglich bereits gezahlter Kosten für den Bewilligungszeitraum

        

vom 5. August 2007 bis 31. August 2007 in Höhe von 370,01 Euro,

        

vom 1. September 2007 bis 30. November 2007 in Höhe von monatlich 411,12 Euro,

        

vom 1. Dezember 2007 bis 6. Dezember 2007 in Höhe von 82,22 Euro,

        

vom 7. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von 221,87 Euro,

        

vom 1. Januar 2008 bis 31. Januar 2008 in Höhe von 266,07 Euro und

        

vom 1. Februar 2008 bis 29. Februar 2008 in Höhe von 270,07 Euro

        

zu gewähren.

12

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Er hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob der Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen kann, als sie das SG zugesprochen hat.

15

1. Streitgegenstand sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von August 2007 bis Februar 2008. Der Kläger ist durch das Urteil des SG im Hinblick auf die Höhe der Regelleistung nicht beschwert und hat dementsprechend den Streitstoff in der Sache auf die KdU beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217, 222 f = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6 f, jeweils RdNr 18). Er hat bereits im Widerspruchs- und Klageverfahren für den Fall, dass Y höhere KdU nicht zuständen, die gesamten Unterkunftskosten geltend gemacht, sodass er insoweit durch das SG-Urteil beschwert und seine Berufung statthaft ist. Nachdem der Beklagte die von ihm geführte Berufung zurückgenommen hat, ist das SG-Urteil bindend geworden, auch soweit es höhere KdU (nämlich hinsichtlich der Kosten der Heizung) zugesprochen hat als ursprünglich bewilligt. Das LSG wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits die weitergehende, im Revisionsverfahren vorgenommene betragsmäßige Beschränkung des Streitstoffs zu beachten haben.

16

Bei diesem auf die KdU beschränkten Streitgegenstand sind Gegenstand des Verfahrens die Bescheide des Beklagten vom 27.6.2007, vom 7.8.2007, vom 23.8.2007 und vom 25.9.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.9.2007 und 26.9.2007 sowie der Bescheid vom 28.12.2007. Unzutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 7.8.2007 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Mit diesem als Änderungsbescheid bezeichneten Bescheid sollte ausdrücklich den Änderungen Rechnung getragen werden, die sich aus der Ortsabwesenheit des Y ergeben haben. Der Bescheid beinhaltet damit sinngemäß auch die Regelung, dass aus der Ortsabwesenheit des Y für den Kläger weder ein Anspruch auf höhere Regelleistung noch auf höhere KdU folgt. Diese Regelung hat der Kläger schon mit seinem Widerspruch angegriffen und damit zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Lediglich der ergänzend am 6.9.2007 ergangene, ausschließlich an Y gerichtete Aufhebungsbescheid ist nicht (mehr) Gegenstand des Verfahrens, denn er betrifft nur die Aufhebung von Bewilligungen an Y

17

2. Der Kläger gehört nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Auch die rechtliche Würdigung des LSG, er habe im streitigen Zeitraum mit Y in Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst b SGB II gelebt, ist nicht zu beanstanden. Nach dem Vortrag des Klägers und seines damaligen Partners, den das LSG bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, bestand ein Trennungswille im zweiten Halbjahr 2007 nicht, auf den es insoweit nach § 15 Abs 5 LPartG wie nach § 1567 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) maßgeblich ankommt(vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16).

18

3. a) Leistungen für Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Welche Aufwendungen für die Unterkunft vorliegend tatsächlich angefallen sind, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht abschließend entnehmen. Das LSG hat die Gesamtaufwendungen für Unterkunft nicht von denen der Heizung getrennt ausgewiesen. Lediglich aus dem Tatbestand des SG-Urteils lässt sich ersehen, dass sich die tatsächlichen Kosten aus einer Nettokaltmiete in Höhe von 393,27 Euro und 70,68 Euro Betriebskosten sowie einem nicht an den Vermieter zu entrichtenden Abschlag für die Gasversorgung (wohl bei einer Gasetagenheizung) in Höhe von 89 Euro zusammengesetzt haben, von denen der Beklagte nur einen Teil anerkannt hat. Das LSG wird dies nach Zurückverweisung des Rechtsstreits im Einzelnen nachzuvollziehen und die Prüfung der Unterkunftskosten getrennt von den Kosten der Heizung durchzuführen haben (vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23).

19

b) Die tatsächlich aufgewandten KdU bis zur Höhe ihrer Angemessenheit stehen dem Kläger in der Zeit vom 5.8.2007 bis zum 6.12.2007 allein zu. Für die Anwendung des Kopfteilprinzips ist in dieser Zeit entgegen der Auffassung des LSG kein Raum, weil der Kläger die Wohnung nach den Feststellungen des LSG während dieser Zeit nicht mit weiteren Personen gemeinsam, sondern allein genutzt hat. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG setzt die Aufteilung der KdU nach Köpfen voraus, dass die Wohnung gemeinsam mit anderen Personen genutzt wird (vgl BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, jeweils RdNr 28; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 6 RdNr 13; BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19). Entscheidend ist mithin, dass neben dem Hilfebedürftigen die Wohnung den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf weiterer Personen abdeckt. Daran fehlt es, soweit ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Wohnung über einen Zeitraum nicht nutzt, der zu einem Ausschluss von Leistungen nach § 7 Abs 4, 4a SGB II führt. Entgegen der Auffassung des LSG steht der Sinn und Zweck des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4a SGB II dem nicht entgegen. Der Leistungsausschluss wegen Ortsabwesenheit nach § 7 Abs 4a SGB II findet - bezogen auf die KdU - seine Begründung gerade darin, dass die Notwendigkeit der Übernahme der Wohnungskosten dann nicht erkennbar ist, wenn die Wohnung nicht genutzt wird. Diesem Ausschluss von KdU entspricht es durchaus, wenn bei der Verteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen ein nur "fiktiver" Anteil des ortsabwesenden Partners nicht eingestellt wird. Es ist dem verbliebenen Partner einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II, die trotz der Abwesenheit des Partners ausnahmsweise nicht aufgelöst wird, jedenfalls bei einer im Vorhinein auf bis zu sechs Monate beschränkten Abwesenheit des Partners nicht zumutbar, die KdU vorübergehend zu senken(dazu im Einzelnen unter 4.a). Es geht damit in solchen Konstellationen nicht darum, den verbliebenen Partner in die Lage zu versetzen, etwaigen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber seinem ortsabwesenden Partner nachzukommen, sondern es ihm selbst zu ermöglichen, den eigenen Wohnbedarf (zumindest für eine Übergangszeit) voll zu decken.

20

4. Die Angemessenheit von KdU ist unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder der Beklagte noch SG und LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.

21

a) Zutreffend hat das LSG eine Wohnungsgröße von 60 qm als angemessen für einen Zwei-Personen-Haushalt zugrunde gelegt. Die im Vorhinein auf vier Monate begrenzte Ortsabwesenheit des Y führt nicht dazu, dass wegen der Prüfung der Angemessenheit auf die Wohnungsgröße für eine Person abzustellen wäre.

22

Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 WoFG vom 13.9.2001 (BGBI I 2376) iVm § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (nF) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG(als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm und an Zwei-Personen-Haushalte Wohnraum von bis zu 60 qm überlassen werden. An diese Regelungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF, die auch nach Inkrafttreten von § 27 WoFG und § 5 WoBindG nF Grundlage für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind, ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14). Die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl sind für die Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II unbeachtlich. Dies haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits für andere Bundesländer entschieden, in denen neben der Wohnungsgröße auch die Raumzahl entscheidend ist (vgl für Bayern BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 15; für Rheinland-Pfalz BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 34; für Nordrhein-Westfalen BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb für das Land Berlin anderes gelten sollte. Auf die (unterschiedlichen) Wohnungsgrößen in den (zum 31.12.1999 außer Kraft getretenen) Richtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für die Förderung der Neuschaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau (Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 vom 16.7.1990 in der Fassung der Änderungsvorschriften vom 13.12.1992) und den Richtlinien über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum (Eigentumsförderungssätze 1999 vom 25.5.1999), die das LSG ergänzend herangezogen hat, kommt es nicht an. Diese mögen Auswirkungen auf die üblichen Wohnungsgrößen im geförderten Wohnungsbau nach 1992 haben (und damit ohnehin nur für ein Teilsegment des in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarktes), es handelt sich aber nicht um Bestimmungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF.

23

Soweit die landesrechtlichen Bestimmungen an die Personenzahl in einem Haushalt anknüpfen, hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass Ausgangspunkt für die Berechnung der Wohnfläche die Zahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ist (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 21). Dies gilt im Ausgangspunkt auch, wenn Partner der Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II dauerhaft in getrennten Wohnungen leben, ohne dass ein Trennungswille vorliegt, und eine Haushaltsgemeinschaft deshalb nicht besteht. Insgesamt können KdU nur in einer Höhe beansprucht werden, wie sie Partnern in einer gemeinsamen Wohnung zustehen (BSG Urteil vom 18.2.2010 - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, jeweils RdNr 17). Besonderheiten hinsichtlich der Feststellung der maßgeblichen Wohnungsgröße sind allerdings für Fälle denkbar, in denen zwar eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II trotz Auflösung der Haushaltsgemeinschaft wegen eines fehlenden Trennungswillens iS des § 1567 Abs 1 BGB bzw des § 15 Abs 5 LPartG fortbesteht, ein Partner der Bedarfsgemeinschaft aber wegen eines dauerhaften auswärtigen Aufenthalts die Wohnung nicht nutzt und Leistungen nach dem SGB II nicht erhalten kann. Namentlich die Auflösung der Haushaltsgemeinschaft bei längerem Aufenthalt eines Partners außerhalb des in § 7 Abs 4a SGB II genannten Bereichs (wie etwa einem langfristigen Auslandsaufenthalt) oder bei einem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung mit der Folge des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4 SGB II (etwa der Verbüßung einer Freiheitsstrafe) kann es für den verbliebenen Partner zumutbar werden lassen, die entstehenden Gesamtkosten zu mindern und seine Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung anzupassen. Der Erhalt einer größeren, für zwei Personen zugeschnittenen Wohnung mit Hilfe von Leistungen nach dem SGB II ist zeitlich nicht unbegrenzt schutzwürdig. Anlass zu weitergehender Festlegung, von welchem Zeitpunkt an Maßnahmen zur Kostensenkung vom Träger nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II verlangt werden können, bietet der vorliegende Fall nicht. Jedenfalls wenn der auswärtige Aufenthalt im Vorhinein auf unter sechs Monate beschränkt ist, ergibt sich eine solche Obliegenheit für den verbliebenen Partner der Bedarfsgemeinschaft nicht.

24

b) Zutreffend hat das LSG bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des BSG muss es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des LSG sprechen, dass es sich bei der Stadt Berlin insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handelt. Die Stadt Berlin ist mit einer Einwohnerzahl von rund 3,4 Millionen (Stand 2006; Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) und einer Fläche von rund 891 qkm zwar nahezu dreimal so groß wie die Stadt München (rund 1,36 Millionen Einwohner bei einer Fläche von rund 310 qkm; Quelle: Statistisches Amt München), für die der 4. Senat des BSG einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen hat ( vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale liegen aber - trotz dieser Größe - auch bezogen auf das Stadtgebiet von Berlin vor. Der öffentliche Nahverkehr ist auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her ausgerichtet. Von den Randlagen aus ergeben sich in die innerstädtischen Bezirke insoweit lediglich Fahrzeiten, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden (vgl § 121 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das Risiko einer Gettoisierung. Außerdem zeigt die Wohnlagenkarte als Anlage zu dem vom LSG in Bezug genommenen Berliner Mietspiegel, dass ohnehin in allen Bezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren (dazu sogleich), vorhanden sind, sodass auch von daher die Bildung eines engeren Vergleichsraums nicht erforderlich erscheint. Es steht nicht zu befürchten, dass mit einem ggf zur Kostensenkung erforderlichen Umzug regelmäßig das nähere soziale Umfeld verlassen werden muss. Soweit ein solcher Umzug über die Orts- oder auch Bezirksgrenzen hinweg im Einzelfall gleichwohl notwendig wird, ist dies im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Hilfebedürftigen hinzunehmen (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 18).

25

c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zugrunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln ( vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R ).

26

aa) Die Träger der Grundsicherung entscheiden in Berlin über die Angemessenheit von Unterkunftskosten auf Grundlage der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen). Es handelt sich dabei um bloße Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des Beklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (444 Euro für einen Zwei-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG zugrunde liegt. Ob zur Ermittlung des Wertes die Produkttheorie unter Zugrundelegung der oben genannten Wohnungsgrößen angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden sind, wird nicht erkennbar und ist von dem Beklagten nicht vorgetragen. Im Übrigen ist der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat (ausdrücklich bereits BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 19).

27

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) bestimmt. Qualifizierte Mietspiegel iS des § 558d BGB (wie der Berliner Mietspiegel) können - wie auch einfache Mietspiegel - Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs 1 SGB II sein(vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 16; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25 und zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25). Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben(zum Folgenden auch Butzer/Keller, NZS 2009, 65). Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen (wie dies auch bezogen auf den Berliner Mietspiegel der Fall ist) nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist - wie bereits ausgeführt - auch bei der Prüfung nach § 22 Abs 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. Im Hinblick auf das mit dem Mietspiegel nicht erfasste Marktsegment der preisgebundenen Wohnungen bestehen - jedenfalls bezogen auf Berlin - keine weitergehenden Bedenken. Mit dem Wegfall der Anschlussförderung für Objekte des Sozialen Wohnungsbaus, bei denen die 15jährige Grundförderung ab dem 1.1.2003 endet (dazu BVerwGE 126, 33), und dem Verzicht auf die entsprechenden Belegungsbindungen sank der Anteil mietpreisgebundener Sozialwohnungen bis Ende 2006 auf knapp 12 % des Gesamtwohnungsbestandes (vgl Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 2007, S 30 unter Bezugnahme auf Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung). Hilfebedürftige werden damit in erster Linie auf die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt angewiesen sein.

28

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig, wovon das LSG im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen ist (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Über das Baualter können zwar sehr vergröbernd Rückschlüsse auf die Bauweise und den Baustandard gezogen werden. Insbesondere liegt der Ausstattungsgrad von Neubauten im Regelfall über dem Ausstattungsgrad in Gebäuden älterer Bauklassen. Gerade Wohnungen, die in der Nachkriegszeit erbaut worden sind, haben häufig einen wesentlich geringeren Ausstattungsgrad. Aus dem Mietspiegel allein lässt sich jedoch nicht ersehen, inwieweit gerade Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, die den Rückschluss zulassen, im konkreten Vergleichsraum sei eine "angemessene" Wohnung tatsächlich anmietbar. Zudem birgt die Verweisung auf bestimmte Bauklassen verdeckt die Gefahr einer Gettoisierung. Solange nicht statistisch valides Material vorliegt, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile einer Stadt - prägen, erscheint es nicht zulässig, allein bestimmte Bauklassen in Bezug zu nehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bauklassen, die den Standard von Neubauten abbilden. Zwar werden eine ganze Anzahl von Neubauten einen Ausstattungsgrad haben, der über das in Bezug zu nehmende Segment nach § 22 SGB II hinausgeht. Eine generelle Festlegung, der Hilfeempfänger sei schlechterdings von der Anmietung einer solchen Wohnung ausgeschlossen, lässt sich aber nicht treffen (vgl auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Erst wenn weitergehendes Material erkennen lässt, dass Gebäude dieser Bauklassen den Mietmarkt des unteren Marktsegments nicht maßgeblich mitprägen, kommt eine Außerachtlassung der Mietpreise für solche Bauklassen in Betracht.

29

Allerdings weist der Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad) gesondert aus. Es handelt sich einerseits um Wohnungen mit "Ofenheizung", bei denen sich der Mieter der Wohnung mit der Versorgung mit Kohlen und der Entsorgung der Asche befassen muss (vgl LG Berlin Urteil vom 15.1.2007 - 67 S 305/06 - juris RdNr 13), und andererseits oder kumulativ um Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder Küche) waschen, aber nicht duschen können. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, diese Werte seien einzubeziehen, um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten. Wenn solche Wohnungen nicht den unteren, sondern den untersten Standard abbilden, gehören sie von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung des qualifizierten Mietspiegels unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet.

30

cc) Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete, wie ihn das LSG vorgenommen hat, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht. Die Bildung arithmetischer Werte bietet gerade bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment abbildet. Die sog Tabellenmethode, nach der der Berliner Mietspiegel erstellt ist, stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen (hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen. Zwischen den einzelnen (insgesamt 107 besetzten) Rasterfeldern bestehen keine Beziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem einzelnen, mit den drei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Einzelne Felder haben also je nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt. Weil die Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird.

31

Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen. Solche Rückschlüsse, die aus weitergehendem Material (das etwa auch der Träger der Grundsicherung aufgrund eigener Erhebungen einführen könnte) getroffen werden, müssen gerichtlich überprüfbar sein. Dies trifft auf die Grundlagendaten für qualifizierte Mietspiegel zu. Für einen qualifizierten Mietspiegel ist immer eine Primärdatenerhebung erforderlich, also die Erhebung von Daten, die ausschließlich zum Zweck der Mietspiegelerstellung erhoben wurden. Die Daten der Primärdatenerhebung müssen repräsentativ sein, die gezogene Stichprobe muss ein getreues Abbild des Wohnungsmarktes abgeben (vgl im Einzelnen Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl 2008, § 558d RdNr 7). Die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze muss in einer öffentlich zugänglichen Dokumentation niedergelegt sein (aaO RdNr 10). Es erscheint damit durchaus sinnvoll, solche Grundlagendaten bei Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Konzepts heranzuziehen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Auswertung dieser bereits vorhandenen Daten zu einem erhöhten (über einfache Rechenschritte hinausgehenden) Aufwand bei den Gerichten führen muss. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist in erster Linie der kommunale Träger für solche notwendig erscheinenden Auswertungen im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin mit der AV-Wohnen der Fall ist.

32

Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.

33

d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Schon der Wortlaut des § 22 Abs 1 SGB II zeigt, dass diese Kosten zu den KdU für einen Hilfebedürftigen gehören und nicht - wie die Heizkosten - getrennt erfasst werden sollen. Zur realistischen Abbildung eines abstrakt angemessenen Mietpreises ist die Einbeziehung des Faktors "kalte Betriebskosten" erforderlich. Dies entspricht den mietrechtlichen Vorgaben im Mietwohnungsbau, an denen sich der Gesetzgeber des SGB II wegen der KdU orientiert. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (vgl nur Blank in Blank/Börstinghaus, aaO § 556 RdNr 1). Auch der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum kann Betriebskosten nur als gesondert abzurechnende Kosten auf den Mieter abwälzen (vgl § 20 der Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen - Neubaumietenverordnung - BGBl I 1990, 2204 idF BGBl I 2003, 2346).

34

Eine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs 1 und 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufhebung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen(BetrKV; vom 25.11.2003, BGBl I 2346 ) normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt angemessenen Kosten iS des § 22 Abs 1 SGB II sind die dort genannten Betriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten. Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell sind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die Werte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen Preisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich.

35

5. Das LSG wird abschließend die Heizkosten getrennt von den Unterkunftskosten zu bestimmen haben (dazu nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23). Auszugehen ist dabei zunächst von den tatsächlichen Kosten. Diese Kosten, die nach den Feststellungen des SG in einer Gasabschlagszahlung von 89 Euro monatlich an ein Berliner Gasversorgungsunternehmen bestehen, sind sodann um die Kosten der Warmwasserbereitung zu bereinigen, wenn feststeht, dass die Erwärmung des Wassers wie die Heizung über eine Gasetagenheizung (Gastherme) erfolgt ist (vgl BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5). Ferner lässt sich dem Urteil des SG entnehmen, dass durch den Beklagten von den Gasabschlagszahlungen zusätzlich eine Pauschale für Kochenergie abgezogen worden ist. Soweit die notwendigen Feststellungen des LSG hierzu ergeben, dass vorliegend mit einem Gasherd gekocht wird und die Kosten hierfür ebenfalls in den Gasabschlagszahlungen enthalten sind, ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Kosten wie die Kosten für das Warmwasser insoweit bereits in der Regelleistung unter der Position Haushaltsenergie enthalten sind. Allerdings erschließt sich dem Senat nicht, woraus sich die Höhe der vom Beklagten und dem SG zugrunde gelegten Pauschale ergeben soll. Maßgeblich kann auch insoweit allein der Anteil sein, der bereits in der Regelleistung für das Kochen (im Regelfall das Kochen mit einem Elektroherd) enthalten ist (vgl BSG aaO RdNr 23 ff). Offenbar vertritt der Beklagte (und ihm folgend das SG Berlin) wie die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin die Auffassung, dieser Anteil sei mit 22,3 Prozent des in der Regelleistung enthalten Anteils für Haushaltsenergie zu bestimmen. Erläuternd heißt es dazu etwa in dem Rundschreiben I Nr 5/2009 der Senatsverwaltung: abrufbar über die Internetpräsenz der Senatsverwaltung: http://www.berlin.de/sen/soziales/berliner-sozialrecht/archiv/rdschr/2009_05_anlage.html) ua über die Pauschalen für Haushaltsenergie (sog Energiepauschalen): "Der Anteil der Pauschale für Haushaltsenergie am Regelsatz insgesamt ist durch die Regelsatzbemessung auf Grundlage der EVS 2003 vorgegeben, die Verteilung der Bestandteile jedoch nicht. Die prozentualen Anteile wurden anhand der in Berlin zugrunde gelegten Werte für das Bezugsjahr 2003 ermittelt." Das LSG wird zu ermitteln haben, ob entsprechende Unterlagen bei der Senatsverwaltung vorliegen, die eine realistische Abbildung des Verbrauchsanteils für die Kochenergie (sei es mit Strom, sei es mit Gas) zulassen. Dies erscheint nach bisherigem Stand zumindest zweifelhaft. Lässt sich ein Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteils, der für das Kochen in der Regelleistung enthalten sein soll, nicht finden, hat ein entsprechender Abzug von den Heizkosten im Falle der Versorgung mit Gas für Haushaltsenergie zu unterbleiben.

36

Die tatsächlichen (bereinigten) Kosten für Heizung sind solange als angemessen von dem Beklagten zu übernehmen, wie der nach der Rechtsprechung des Senats maßgebliche Grenzwert nicht überschritten wird (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 25).

37

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 wird in der Hauptsache klarstellend dahingehend berichtigt, dass der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 30. April 2009 jeweils weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 87,75 Euro zu erbringen sind.

Der Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in der Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009.

2

Die Klägerin zu 1 (geb 1960) sowie die mit ihr zusammenlebenden Söhne A (geb 1994), Kläger zu 2, und D (geb 1987 <22 Jahre>; im Folgenden: D) bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die KdU, welche der Beklagte direkt an den Vermieter zahlte, beliefen sich für die 63 qm große Wohnung auf 526,50 Euro monatlich (Kaltmiete in Höhe von 406,50 Euro, Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Hausmeisterpauschale in Höhe von 12 Euro, SAT-Antennenpauschale in Höhe von 8 Euro). Der Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1 und ihren Söhnen als Bedarfsgemeinschaft SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.11.2008 bis 30.4.2009. Unter Berücksichtigung eines geringen Einkommens der Klägerin zu 1 aus Beschäftigung sowie des Kindergeldes bewilligte er jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die KdU übernahm er in tatsächlicher Höhe und berücksichtigte den "Kopfanteilen" entsprechend bei jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft KdU in Höhe von 175,50 Euro (Bescheid vom 13.10.2008). Nach vorangegangenen Sanktionen entzog er dem Sohn D die SGB II-Leistungen wegen des Abbruchs einer Bildungsmaßnahme für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 vollständig (bestandskräftiger Bescheid vom 6.1.2009).

3

Für den bewilligten Zeitraum errechnete der Beklagte die SGB II-Leistungen mehrfach neu (Bescheide vom 6.1., 1.2., 18.2. und 18.3.2009) und setzte den auf D entfallenden KdU-Anteil für die Monate Februar bis April 2009 mit "0 Euro" fest. Mit dem von den Klägern (erstmals) mit Widerspruch angefochtenen weiteren Bescheid vom 2.4.2009 bewilligte er die SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung des wechselnden Einkommens der Klägerin zu 1 und der Sanktion für D für den streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 erneut (dabei ergab sich für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 jeweils ein verbleibender Betrag an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; KdU wurden in bisheriger Höhe übernommen; für D entfielen wegen des "Minderungsbetrags aufgrund von Sanktionen" die KdU vollständig). Den Widerspruch, mit dem die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 den Wegfall des KdU-Anteils für D beanstandeten, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009).

4

Das SG hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 weitere KdU-Leistungen in Höhe von 175,50 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom 16.8.2010). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 22.3.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der von den Klägern angefochtene Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 sei ein sogenannter Zweitbescheid, der ungeachtet der zuvor über denselben Gegenstand getroffenen bestandkräftigen Regelungen erneut den Rechtsweg eröffnet habe. Der Beklagte habe spätestens im Widerspruchsbescheid erneut über die den Klägern zustehende KdU entschieden. Er habe hervorgehoben, dass er die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Sanktion und auf die Höhe der KdU für die Kläger als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erneut und intensiv geprüft habe. Hierbei habe er sich bewusst dafür entschieden, den durch die Sanktion entstandenen KdU-Anteil der Bedarfsgemeinschaft als Ausfall zuzuordnen. Auf die Inhalte der ab 6.1.2009 ergangenen Bescheide und deren (fragliche) Bekanntgabe komme es daher nicht an. Für die Zeit vom 1.2. bis zum 30.4.2009 bestehe ein Anspruch der Kläger auf Übernahme des jeweils hälftigen KdU-Anteils ohne Abzug des Kopfanteils für D. Es könne offen bleiben, ob D im streitigen Zeitraum noch Mitglied der dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft gewesen sei. Für eine Obliegenheit der Kläger zur Kostensenkung fehle es an einer Kostensenkungsaufforderung. Selbst wenn man eine solche als bereits mit den ab 1.6.2009 erteilten Bescheiden verbundene ansehe, fehle eine zeitliche Vorgabe zur Reduzierung. Auch sei es nur bei einer absehbar längerfristigen und endgültigen Veränderung in der Mitgliederzahl der Bedarfsgemeinschaft für die verbliebenen Mitglieder möglich und zumutbar, die Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung durch nur zwei Personen anzupassen. Seien die KdU-Aufwendungen daher angemessen oder als unangemessene Kosten zu übernehmen und habe die Bedarfsgemeinschaft fortbestanden, stehe der Anrechnung eines "fiktiven" Kopfanteils entgegen, dass die (tatsächlichen) Aufwendungen der Kläger nicht mehr gedeckt seien. Die Aufteilung nach Kopfanteilen setze voraus, dass der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Der anteilige Wegfall bei der Übernahme der Wohnungsaufwendungen führe zu einer (vorübergehenden) Unterdeckung eines bisher durch die gemeinsame Nutzung der Wohnung gedeckten Bedarfs. Dann bestehe ein Anspruch auf Tragung der tatsächlichen bzw angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch den SGB II-Träger, weil die Verpflichtung der Leistungsberechtigten zur Zahlung der KdU im Außenverhältnis unverändert fortbestehe. Den übrigen Mitgliedern dürfe nicht (mittelbar) ein Fehlverhalten zugerechnet werden, auf das sie jedenfalls bei über 18jährigen Mitgliedern ihrer Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich keinen rechtlich relevanten Einfluss hätten. Es bestehe ein ungelöster Wertungswiderspruch, weil die Umsetzung einer Sanktion anderen Kriterien zu genügen habe als die Senkung unangemessener KdU. Während eine Sanktion rasch umgesetzt werden müsse, werde bei der Senkung der KdU eine Zeitspanne eingeräumt, um dem konkreten Wohnbedarf in seinen rechtlichen wie tatsächlichen Aspekten Rechnung zu tragen.

5

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, es bestehe kein Anlass für eine Abweichung von dem Prinzip des Individualanspruchs. Eine Lücke im eigenen Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft liege nicht vor. Wegen der Höhe der durch die Sanktion entstehenden Mietschulden bestehe in der Regel kein Kündigungsgrund. In vergleichbaren Fallkonstellationen werde die Aufteilung der KdU nach Kopfteilen auf die Nutzer der Wohnung ausnahmslos bestätigt ("fiktiver" Kopfanteil), obwohl auch dort das Argument hinsichtlich der Außenwirkung zum Vermieter und möglicher Wohnungslosigkeit greife. Das angefochtene Urteil verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Jugendliche einen Wohnungsverlust nur durch eine Arbeitsaufnahme oder ein Darlehen vermeiden könnten. Dies sei auch den in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Jugendlichen zumutbar, weil deren Sanktionierung ansonsten regelmäßig und teilweise "ins Leere laufe".

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

8

Sie führen aus, die Aufteilung nach Kopfteilen sei nicht wegen einer gemeinsamen Nutzung der Wohnung, sondern deshalb gerechtfertigt, weil der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Eine strikte Anwendung des Kopfteilprinzips führe dazu, dass die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in "sippenhaftähnlicher Weise" für ein Fehlverhalten eines anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft haften würden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Kläger in dem hier streitigen Zeitraum jeweils Anspruch auf höhere Aufwendungen für KdU in der zuerkannten Höhe haben.

10

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009, mit dem der Beklagte KdU für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 weiterhin nur in Höhe der bisher zuerkannten Leistungen von je 175,50 Euro bewilligt hat. Ausgehend von dem objektiven Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids und dem Klageantrag ist Streitgegenstand hingegen nicht die direkte Auszahlung der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung an den Vermieter der Kläger. Der Beklagte hat mit der Bestimmung eines anderen Empfängers der den Klägern bewilligten Leistungen lediglich die Auszahlungsmodalitäten modifiziert, nicht jedoch die Bewilligung der Leistungen dem Grunde und der Höhe nach verändert. Das zuvor behandelte Begehren der Kläger auf höhere Leistungen umfasst nicht die Auszahlung der gesamten Leistungen an sie. Der Beklagte hat die Bestimmung eines anderen Empfängers zudem im Bescheid vom 2.4.2009 in einem selbstständigen Verfügungssatz geregelt. Insoweit haben die Kläger den Bescheid jedoch nicht angefochten (vgl hierzu Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 12).

11

Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid vom 2.4.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 zurecht mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Wegen des sanktionsbedingten Wegfalls der KdU für D im streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 ist ihr Begehren auf höhere KdU gerichtet, als diese in den vorangegangenen Bescheiden für den streitigen Zeitraum jeweils bewilligt wurden. Das LSG hat zurecht angenommen, dass es sich bei dem angefochtenen Bescheid vom 2.4.2009 um einen Zweitbescheid handelte, mit dem der Beklagte die Individualansprüche für den streitigen Zeitraum erneut und in vollem Umfang überprüfbar geregelt hat. Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 können jeweils höhere Leistungen in der von den Vorinstanzen angenommenen Höhe beanspruchen. Insofern ist - als Besonderheit des SGB II - zu berücksichtigen, dass kein Anspruch der Bedarfsgemeinschaft oder Teilen der Bedarfsgemeinschaft als solcher existiert, sondern Anspruchsinhaber jeweils - individuell - die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (grundlegend BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12). Mit dem Bescheid vom 2.4.2009 hat der Beklagte - in getrennt zu betrachtenden Verfügungen - Einzelansprüche der Klägerin zu 1 und ihrer beiden Söhne bewilligt. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ist daher dahin zu korrigieren, dass der ausgeurteilte Gesamtbetrag in Höhe von 175,50 Euro jeweils anteilig auf die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 verteilt wird.

12

Die Kläger haben den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Insofern haben sie keine Einwände gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben, mit dem das SG ausdrücklich nur weitere KdU zugesprochen hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die in den Bewilligungsbescheiden gleichfalls geregelte Höhe der Regelleistung sowie die Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin zu 1, das schon ihren eigenen Regelbedarf nicht deckte, nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Bei den KdU handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

13

2. Die materielle Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 beurteilt sich nach § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X). Wegen § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 S 1 SGB III ist diese Rechtsfolge zwingend. Haben sich Veränderungen in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen ergeben, die dazu führen, dass der Verwaltungsakt dem Grunde oder der Höhe nach so nicht mehr ergehen dürfte, so liegt eine wesentliche Änderung vor (Brandenburg in jurisPK-SGB X, 2013, § 48 RdNr 60). Eine Änderungswirkung zugunsten des Berechtigten liegt vor, wenn die Änderung nach objektiver Betrachtungsweise "per saldo" einen Vorteil bewirkt (BSG SozR 2200 § 1255a Nr 19).

14

Dies ist hier ausgehend von den Individualansprüchen der Kläger zu 1 und 2 auf SGB II-Leistungen der Fall. Gegenüber den Verhältnissen, die dem Bewilligungsbescheid vom 13.10.2008 und den weiteren Änderungsbescheiden zugrundelagen, mit denen der Beklagte den Klägern jeweils 175,50 Euro als KdU bewilligte, ist eine Änderung eingetreten, weil sie für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 Ansprüche auf weitere KdU-Leistungen in Höhe von 87,75 Euro hatten. Bezogen auf die Kläger zu 1 und 2 wird durch den tatsächlichen Wegfall des bisher an den Vermieter direkt überwiesenen KdU-Anteils für D auf der Grundlage der Kürzung des Individualanspruchs des D durch den Bescheid vom 2.4.2009 zeitgleich eine wesentliche Änderung bewirkt, weil bei ihnen ein höherer Bedarf an KdU entstand, den sie nicht durch Einkommen oder Vermögen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft decken konnten. Dieser Sonderfall rechtfertigt eine Abweichung vom "Kopfteilprinzip".

15

3. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die für einen Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen notwendigen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach vorlagen. Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt, dass sie zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II gehörten und dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme der KdU hatten. Beide hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Die im Jahre 1960 geborene Klägerin zu 1 war erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II), hatte das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II aber noch nicht erreicht(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II). Der 1994 geborene Kläger zu 2 lebte mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft, beide waren hilfebedürftig, der Kläger zu 2 verfügte - mit Ausnahme des Kindergeldes - über kein eigenes Einkommen oder Vermögen, die Klägerin zu 1 erzielte in dem hier in Rede stehenden Zeitraum nur das berücksichtigte Einkommen, welches schon ihren eigenen Bedarf nicht deckte (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II).

16

4. a) Die Kläger können in dem hier streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 die Übernahme der KdU in tatsächlicher Höhe und jeweils zur Hälfte unmittelbar aus § 22 Abs 1 S 1 SGB II beanspruchen.

17

Nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Von § 22 Abs 1 S 1 SGB II erfasst sind sämtliche Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag bzw einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung für die Unterkunft ergeben und tatsächlich gezahlt werden(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 19 ff zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung; BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 15 ff zu den Kosten eines Kabelanschlusses). Angeknüpft wird an die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Mietzinszahlung im Rahmen des Mietverhältnisses. Ausreichend ist, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 21 RdNr 16 ff; BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 15).

18

b) Von den tatsächlichen und - mit den Überlegungen des LSG - zumindest als angemessenen zu unterstellenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im streitigen Zeitraum in Höhe von 526,50 Euro ist nicht der auf D entfallende Anteil an den KdU abzuziehen. Zwar sind die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (stRspr BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28; BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07AS 7/07 R - juris RdNr 19; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9 = SGb 2010, 163 ff, RdNr 18 f; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 19; BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 18). Hintergrund für dieses auf die Rechtsprechung des BVerwG (vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.

19

Bei der Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf KdU begrenzend festgeschrieben ist. Insofern findet sich in § 22 Abs 1 SGB II keine bedarfsbeschränkende Festlegung des Gesetzgebers auf das Prinzip der anteiligen Verteilung der KdU nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen. Bei den KdU greift der Individualisierungsgrundsatz mit der Anknüpfung an die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, deren Angemessenheit als begrenzend wirkt. Es besteht ein Unterschied zu den Regelleistungen nach dem SGB II, bei denen eine anspruchsbegrenzende Pauschalierung der Bedarfe gesetzlich vorgesehen ist.

20

In Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerwG, das eine Korrektur des Grundsatzes der Pro-Kopf-Aufteilung zugelassen hat, wenn und soweit der Hilfefall durch "sozialhilferechtlich bedeutsame Umstände" gekennzeichnet war, die "ohne weiteres objektivierbar" und "dem Träger der Sozialhilfe möglicherweise sogar bereits bekannt" waren (BVerwGE 79, 17 ff, zB Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, die ein anerkennenswertes Maß an Unterkunftsbedarf in der Person der oder des Hilfebedürftigen oder eines anderen Mitglieds der Haushaltsgemeinschaft ausmachten), hat es auch das BSG als möglich und notwendig angesehen, im Einzelfall vom "Kopfteilprinzip" abzuweichen (BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4, RdNr 19 "Sonderfälle"). Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hat der 14. Senat des BSG bei gemeinsam in einer Wohnung, aber nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bejaht, wenn eine andere Aufteilung aufgrund eines Vertrags bei objektiver Betrachtung aufgrund eines schon vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit vereinbarten notariellen Vertrags und der daraus folgenden Stellung als Eigentümer angezeigt sei (BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - RdNr 28, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; bereits angedeutet in BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12, RdNr 19). Weiter haben die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG eine Abweichung vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfanteilen" in Fallgestaltungen erörtert, in denen durch eine Berücksichtigung der KdU nach Kopfanteilen eine Bedarfsunterdeckung in Frage stand (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; vgl hierzu auch Frank in GK-SGB II § 22 RdNr 19, Stand März 2010).

21

c) Hier sind die Voraussetzungen für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen gegeben, die auch bei gemeinsamer Nutzung der Wohnung durch eine Bedarfsgemeinschaft vorliegen können (vgl zur Übernahme der KdU bei vorübergehender Ortsabwesenheit eines Partners: BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42).

22

Aus "bedarfsbezogenen Gründen", nämlich wegen des vollständigen Wegfalls der KdU-Leistungen für D, entstanden der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 in dem streitigen Zeitraum höhere Kosten für die Wohnung und Heizung. Sie konnten schon deshalb nicht darauf verwiesen werden, den KdU-Anteil von D zu verlangen, weil der Beklagte mit dem rechtskräftigen Bescheid vom 6.1.2009 sowie mit dem Bewilligungsbescheid vom 2.4.2009 als der zur Sicherstellung des Existenzminimums zuständige Träger den vollständigen Wegfall des KdU-Anteils für D in dem hier streitigen Zeitraum verfügte. Zwar ist zweifelhaft, ob dies berechtigt war. § 31 Abs 5 S 6 SGB II iVm § 31 Abs 3 S 6 SGB II sieht vor, dass der zuständige Träger bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 vH der nach § 20 maßgebenden Regelleistung in angemessenen Umfang ergänzende Sachleistungen und geldwerte Leistungen erbringen kann und diese nach § 31 Abs 3 S 7 SGB II erbringen soll, wenn der Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt. Letzteres war hier der Fall, weil auch der minderjährige Bruder des Klägers in der Bedarfsgemeinschaft lebte. D hat jedoch - ausgehend von den seitens der Beteiligten nicht gerügten, bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) - den Sanktionsbescheid vom 6.1.2009 und den seinen Individualanspruch betreffenden Teil des Bescheides vom 2.4.2009 nicht angegriffen, ohne dass die Klägerin zu 1 bei ihrem volljährigen Sohn hierauf Einfluss hatte. Nach dem Inhalt der vom LSG in Bezug genommenen Bewilligungsbescheide war bei D auch kein Einkommen oder Vermögen vorhanden, aus dem er den auf ihn entfallenden KdU-Anteil während des Sanktionszeitraums hätte bestreiten können. Dem Beklagten war daher bekannt, dass der durch die von ihm veranlasste Sanktion eine Bedarfsunterdeckung bei den KdU auch bei den Klägerin zu 1 und dem minderjährigen Kläger zu 2 eingetreten war.

23

d) Die Kläger können auch nicht darauf verwiesen werden, ihren tatsächlichen mietvertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig nachzukommen und eine weitere Erhöhung der hier nach den Feststellungen des LSG bereits vorhandenen Mietschulden hinzunehmen. Im Bereich der KdU sind die existenzsichernden Leistungen dergestalt geregelt, dass ein Anspruch auf Übernahme der KdU-Aufwendungen nicht erst besteht, wenn eine Kündigung des Mietverhältnisses unmittelbar bevorsteht. Es besteht mit dieser Maßgabe eine Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Deckung des (hier vorübergehend erhöhten) individuellen Bedarfs jedes Grundrechtsträgers (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, juris RdNr 137; Wersig in info also 2011, 51 ff, 52).

24

Der Einwand des Beklagten, dass durch die Erhöhung des KdU-Anteils für die Kläger die Sanktionierung von D "abgemildert" werde, kann aus Rechtsgründen zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Klägerin zu 1 ist wegen der vom SGB II vorgesehenen Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft zum Einsatz ihres Einkommens und Vermögens auch für D verpflichtet. Eine darüberhinausgehende faktische Mithaftung für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des volljährigen Kindes durch Hinnahme einer Bedarfsunterdeckung ist nicht vorgesehen (vgl zur Vermeidung von personenübergreifenden Sanktionsfolgen: Geiger in info also 2010, 3 ff; Berlit in Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kapitel 28, RdNr 34). Zudem ist die Sanktion für D nicht vollständig entfallen, weil auch der Regelbedarf teilweise gekürzt bzw als Sachleistung erbracht worden ist. Ob ein KdU-Anteil in diesen Fallgestaltungen zu übernehmen ist, muss einzelfall- und bedarfsbezogen geprüft werden. Die von dem Beklagten als mögliche Folge beschriebene Ungleichbehandlung des D mit nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Angehörigen lebenden Personen bei einer Sanktionierung liegt schon deshalb nicht vor, weil eine andere Ausgangslage gegeben ist und wirkt sich im Übrigen auch nicht auf den Anspruch der Klägerin zu 1 und den minderjährigen Kläger zu 2 aus.

25

Unschädlich ist schließlich, dass bei der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 eine höhere Belastung durch KdU während des Mietverhältnisses eingetreten ist. § 22 Abs 1 S 1 SGB II enthält keine Beschränkung der zu übernehmenden tatsächlichen Unterkunftskosten auf solche Kosten, die bereits bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu zahlen waren(zu einer möglicherweise zivilrechtlich unwirksamen Staffelmietvereinbarung: BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 61 zu erhöhten Mietkosten wegen einer Modernisierungsmaßnahme nach Eintritt der Hilfebedürftigkeit).

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig sind die Übernahme von Mietschulden als Zuschuss anstelle eines Darlehens nach dem SGB II und - sofern es bei der darlehensweisen Leistungsgewährung verbleibt - die Höhe der Belastung des Klägers hierdurch.

2

Der Kläger, seine Lebenspartnerin und deren 1989 geborene Tochter M. bezogen seit 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von dem Beklagten. Ein weiteres Kind erhielt aufgrund von Unterhalts- und Kindergeldzahlungen keine Leistungen. Mitte Oktober 2005 zog der Kläger aus der gemeinsamen Wohnung aus. Im Januar 2006 schlossen er und seine Lebenspartnerin zum 1.2.2006 einen Mietvertrag über eine andere Wohnung. Die Lebenspartnerin und ihre Tochter waren zu diesem Zeitpunkt schwanger.

3

Im Dezember 2005 bewilligte der Beklagte ein Mietkautionsdarlehen für die neue Wohnung, überwies die Kaution jedoch einstweilen nicht an den Vermieter. Zum ebenfalls gestellten Antrag auf Direktüberweisung der Miete an den Vermieter teilte der Beklagte mit, die "Aufwendungen laufender angemessener Mietkosten" würden "nach Vorlage des Mietvertrages und mit der nächstmöglichen Einarbeitung, der in diesem Zusammenhang stehenden Datensätze zur Zahlung angewiesen". Bis zur Einarbeitung der Datensätze sei die Mietzahlung selbst vollständig und fristgerecht vorzunehmen. Eine Kopie des Mietvertrages ging kurz danach bei dem Beklagten ein. Da der Vermieter der neuen Wohnung deren Bezug vom Erhalt der Kaution abhängig machte, verblieben der Kläger und seine Lebenspartnerin über den 1.2.2006 hinaus in ihren bisherigen jeweiligen Unterkünften und verwendeten die vom Beklagten erbrachten Unterkunftsleistungen für die dort anfallenden Mietzahlungen. Zahlungen an den Vermieter der neuen Wohnung erfolgten im Februar und März 2006 nicht. Nach erneuter Vorsprache wurde vom Beklagten ein Darlehen zur Deckung der Mietkaution (Bescheid vom 8.2.2006) bewilligt und an den Vermieter der neuen Wohnung ausgezahlt. Im März 2006 erfolgte dann der Umzug der nunmehr um die zwei neu geborenen Kinder vergrößerten Familie in die neue Wohnung. Der Beklagte nahm im Weiteren das Vorliegen von zwei Bedarfsgemeinschaften an. Er überwies von April bis Juni 2006 jeweils die Bruttowarmmiete in voller Höhe an den Vermieter, jedoch für Juli und August 2006 geringere Beträge. Der Kläger und seine Lebenspartnerin zahlten von März bis Mai und im Juli 2006 monatlich jeweils die Miete für die beiden angemieteten Stellplätze sowie einmalig 500 Euro im April 2006. Der Vermieter forderte sie mehrfach zur Zahlung der rückständigen Miete auf.

4

Alsdann beantragte der Kläger mit Schreiben vom 29.9.2006 beim Beklagten die Übernahme der Mietschulden. Auch der im Weiteren vom Beklagten an den Vermieter überwiesene Mietzins deckte die tatsächlichen Aufwendungen nicht und ab Januar 2007 stellte der Beklagte die Zahlungen an den Vermieter wegen noch zu ermittelnden Einkommens vorläufig vollständig ein. Daraufhin kündigte der Vermieter das Mietverhältnis wegen der aufgelaufenen Mietschulden am 30.4.2007. Nach erhobener Räumungsklage und einer daraufhin geleisteten Einmalzahlung des Beklagten wurden die zwischenzeitlich weiter angewachsenen Mietschulden mit 2277,92 Euro beziffert. Durch an den Kläger gerichteten Bescheid vom 27.6.2007 gewährte der Beklagte "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zwecks Übernahme von rückständigen Mietkosten" in Höhe von 1518,62 Euro; den Betrag errechnete er aus der Aufteilung des Gesamtumfangs der Mietschulden auf die beiden Bedarfsgemeinschaften. Weiter verfügte der Beklagte: "2. Die Hilfegewährung erfolgt in Form eines Darlehens. 3. Das Darlehen ist unverzinslich. 4. Das Darlehen ist mit dem Gesamtbetrag fällig am 31.12.2007. 5. Zusätzlich fallen jährlich Verzugszinsen ab dem Fälligkeitstag in Höhe von 2 v. H. über dem am 30.06 des Jahres gültigen Basissatz an." Nach dem Begleichen der Mietschulden fand die Räumungsklage ihre Erledigung. Der gegen "die Bewilligung als Darlehen" vom Kläger für seine Bedarfsgemeinschaft erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.10.2008).

5

Auch im erstinstanzlichen Klageverfahren konnte der Kläger mit dem Begehren auf Übernahme der Mietschulden durch den Beklagten als Zuschussleistung nicht durchdringen (Urteil des SG vom 8.7.2011). Das LSG hat am 14.3.2013 das Urteil des SG abgeändert, den Bescheid des Beklagten vom 27.6.2007 aufgehoben, soweit die Darlehensbewilligung 506,21 Euro (= ein Drittel des dem Kläger bewilligten Darlehens von 1518,62 Euro) übersteigt, und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Es hat die Ablehnung der zuschussweisen Leistungsbewilligung bestätigt. Ein solcher Anspruch sei nicht durch ein Verschulden des Beklagten zu begründen. Allerdings sei der Beklagte nicht berechtigt, allein den Kläger mit einem Darlehen zu belasten. Das Darlehen für die Mietschuldenübernahme sei kopfteilig auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, der er angehöre, aufzuteilen. Der Darlehensantrag könne nicht in der Weise ausgelegt werden, dass der Kläger auch für die Bedarfsgemeinschaft habe handeln wollen. Dabei sei es irrelevant, dass er als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten einzustehen habe, weil das hier einzig maßgebliche Grundsicherungsrecht nur Individualansprüche der einzelnen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft kenne.

6

Der Beklagte hat die vom BSG zugelassene Revision gegen das Urteil des LSG eingelegt. Er rügt eine Verletzung von § 22 Abs 5 SGB II idF des Gesetzes zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze durch die nur kopfteilige Berücksichtigung des Darlehens beim Kläger. Seiner Ansicht nach ist allein der Kläger zur Tilgung des Darlehens in Höhe des Gesamtbetrags verpflichtet.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Mai 2011 sowie dessen Anschlussrevision zurückzuweisen.

8

Der Kläger, der Anschlussrevision eingelegt hat, beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen und die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 sowie des Sozialgerichts Dresden vom 16. Mai 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 27. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2008 zu verpflichten, die Mietschulden als Zuschuss an Stelle des hierfür bereits geleisteten Darlehens zu übernehmen.

9

Er verfolgt sein Begehren mit der Begründung weiter, der Beklagte trage die Schuld an der Entstehung der Mietschulden, sodass ein atypischer Fall iS des § 22 Abs 5 SGB II anzunehmen sei.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässigen Revisionen der Beteiligten sind im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Ob der Kläger einen Anspruch auf Übernahme der Mietschulden als Zuschussleistung des Beklagten hat, vermag der Senat aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen.

11

1. Streitgegenstand ist die Übernahme von Mietschulden als Leistung an den Kläger in Höhe von 1518,62 Euro. Der Beklagte hat durch Bescheid vom 27.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2008 die Leistung als Darlehen erbracht. Dieser Bescheid beinhaltete zugleich eine konkludente Ablehnung einer Bewilligung der Übernahme der Mietschulden als Zuschuss.

12

Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage iS des § 54 Abs 4 SGG. Er begehrt die Umwandlung einer Darlehensleistung in eine solche als Zuschuss. Es ist insoweit nur noch darüber zu befinden, ob die bereits gezahlten Darlehensleistungen als Zuschuss hätten erbracht werden müssen. Allerdings war auch über den Umfang der Leistungsgewährung zu entscheiden. Denn soweit der Kläger die zuschussweise Leistungsbewilligung beantragt, umfasst sein Begehren auch eine Freistellung von der Tilgungsverpflichtung bzw eine Reduzierung dieser durch eine niedrigere Festsetzung des Tilgungsbetrags.

13

2. Der Kläger erfüllt nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG im streitigen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 Nrn 1 - 4 SGB II; insbesondere war er hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II. Ob er jedoch einen Anspruch auf die Übernahme der Mietschulden als Zuschuss anstelle des bereits gezahlten Darlehens hat, konnte der erkennende Senat aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.

14

Die Übernahme der Mietschulden richtet sich hier nach § 22 Abs 5 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (BGBl I 558). Danach können auch Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Satz 2 bestimmt, dass Schulden übernommen werden sollen, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

15

Der für die Übernahme von Mietschulden iS des § 22 Abs 5 SGB II erforderliche Antrag, der im Regelfall nicht vom Antrag auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff SGB II erfasst wird, sondern vom Hilfebedürftigen gesondert geltend zu machen ist(BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 14), ist hier spätestens am 4.10.2006 für beide - von dem Beklagten angenommene - Bedarfsgemeinschaften durch den klägerischen Anwalt gestellt worden.

16

Da der Beklagte vorliegend bereits eine Darlehensleistung erbracht hat, bedurfte es keiner Prüfung, ob dem Beklagten ein Spielraum für das "ob" seiner Entscheidung zugestanden hätte (vgl hierzu BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 31). Allerdings erfolgt auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 22 Abs 5 S 2 SGB II gegeben sind, also ohne die Schuldenübernahme Wohnungslosigkeit droht - hier war bereits die Räumungsklage anhängig -, die Übernahme von Schulden im Regelfall nur darlehensweise. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 22 Abs 5 S 4 SGB II und dessen Sinn und Zweck.

17

Nach § 22 Abs 5 S 4 SGB II sollen Geldleistungen als Darlehen erbracht werden. Dies bedeutet, dass ein Zuschuss nur in atypischen Fällen zu leisten ist. Damit soll ein Ausgleich zwischen den Interessen der Leistungsberechtigten und denen der Allgemeinheit der Steuerzahler bewirkt werden (vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 266, Stand X/2012). So steht auch wirtschaftlich unvernünftiges (vorwerfbares) Handeln des Hilfebedürftigen, das die drohende Wohnungslosigkeit (mit)verursacht haben mag, einer Übernahme der Mietschulden als Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht entgegen. Es ist das elementare Grundbedürfnis der Unterkunftssicherung, ggf auch bei schuldhafter Gefährdung der Unterkunft diese durch staatliche Hilfe zu sichern. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates aus dem Recht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua, BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 136) und findet in der Leistung nach § 22 Abs 5 SGB II ihre Ausformung. Andererseits sollen Leistungen nach dem SGB II grundsätzlich nicht der Schuldentilgung dienen. Einkommen ist zu förderst zur Sicherung des Lebensunterhalts der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen. Dies gilt selbst dann, wenn der Leistungsberechtigte sich dadurch außerstande setzt, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (vgl nur BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 19). Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen sind Grundsicherungsleistungen zur Schuldentilgung zu gewähren. Wenn dies dem Grunde nach in Betracht zu ziehen ist, dann besteht jedoch regelmäßig die Verpflichtung, die erbrachten Leistungen zur Schuldentilgung zurückzuzahlen, und die Leistungsgewährung erfolgt als Darlehen. Das Auswahlermessen des Grundsicherungsträgers nach § 22 Abs 5 S 4 SGB II ist insoweit reduziert(vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 332, Stand VI/2014).

18

Hieraus folgt, dass ein atypischer Fall iS des § 22 Abs 5 S 4 SGB II, also eine Konstellation, in der anstelle des Darlehens ein Zuschuss zu erbringen ist, dann vorliegt, wenn die Fallgestaltung im Einzelfall signifikant vom (typischen) Regelfall abweicht. Dabei ist auch das Verhalten des Leistungsträgers in die Bewertung einzubeziehen (so auch Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 SGB II RdNr 141, Stand IV/2014; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 253, beide unter Bezugnahme auf LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.9.2007 - L 2 B 242/07 AS ER - juris RdNr 33). Mitwirkendes Fehlverhalten auf seiner Seite, das als eine atypische Behandlung des Falles iS einer Abweichung von der grundsätzlich zu erwartenden ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zu verstehen ist, kann im Einzelfall eine Atypik des verwirklichten Tatbestandes begründen (vgl BSG vom 29.11.1989 - 7 RAr 138/88 - BSGE 66, 103 = SozR 4100 § 103 Nr 47, juris RdNr 38, BSG vom 25.4.1990 - 7 RAr 20/89 - juris RdNr 43; BSG vom 28.6.1990 - 7 RAr 132/88 - SozR 3-4100 § 115 Nr 1, juris RdNr 28). Allerdings muss das Verhalten des Leistungsträgers "wesentlich mitwirkend" für die Entstehung der Mietschulden sein. Haben Umstände in der Sphäre des Leistungsberechtigten und in der Sphäre der Verwaltung zu der Entstehung der Mietschulden beigetragen, ist nur dann von einer wesentlichen Mitwirkung des Leistungsträgers auszugehen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für das Entstehen der Mietschulden annähernd gleichwertig sind. Kommt dagegen dem "Fehlverhalten" des Leistungsberechtigten eine überragende Bedeutung für die Mietschulden zu, so ist kein atypischer Fall gegeben, denn sein Verhalten verdrängt das Fehlverhalten des Leistungsträgers (vgl zu vergleichbaren Erwägungen im sozialen Entschädigungsrecht BSG vom 20.7.2005 - B 9a V 1/05R - juris RdNr 38, mwN).

19

Das LSG hat vorliegend dem Fehlverhalten des Klägers (und dessen Lebensgefährtin) eine überragende Bedeutung für die Entstehung der Mietschulden beigemessen und aus diesem Grund einen atypischen Fall im Sinne eines wesentlich mitwirkenden fehlerhaften Verwaltungshandelns verneint. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Das Revisionsgericht ist insoweit nicht gehindert, die Bewertung des LSG im Hinblick auf die Atypik zu überprüfen und ggf zu einer anderen Schlussfolgerung zu gelangen. Es handelt es sich hierbei nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um eine rechtliche Wertung auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen. Die Bindungswirkung des § 163 SGG bezieht sich lediglich auf die Tatsachenfeststellungen des LSG, aus denen auf das Vorliegen eines atypischen Falles geschlossen werden kann(vgl zur Atypik im Rahmen von § 48 SGB X: BSG vom 29.6.1994 - 1 RK 45/93 - BSGE 74, 287 = SozR 3-1300 § 48 Nr 33, juris RdNr 26; so auch BSG vom 26.10.1998 - B 2 U 35/97 R - juris RdNr 25). Zwar hat sich das LSG umfänglich mit den Beiträgen des Beklagten und des Klägers zu der Entstehung der Mietschulden befasst. Es mangelt aber an hinreichenden Feststellungen zum Ausgangspunkt der Entstehung der Mietschulden und des Verhaltens des Beklagten in dieser Situation. Daher konnte der erkennende Senat nicht abschließend über das Vorliegen einer "Atypik" befinden.

20

Das LSG hat zunächst eine in der Sphäre des Beklagten liegende fehlerhafte Zahlungspraxis festgestellt. Danach hat der Beklagte die Miete nicht vollständig an den Vermieter, sondern nur teilweise an diesen und teilweise an die Leistungsempfänger ausgezahlt. Die Leistung ist nach den Ermittlungen im Berufungsverfahren jedoch vollständig in der bewilligten Höhe zur Auszahlung gelangt, sodass das LSG insoweit letztlich zutreffend das Fehlverhalten des Klägers als überragenden Beitrag für die Entstehung weiterer Mietschulden angesehen hat. Soweit die Miete nicht in der anerkannten Höhe an den Vermieter überwiesen worden ist, hat das Berufungsgericht bereits eine fehlerhafte Zahlungspraxis des Beklagten verneint. Es stützt sich darauf, dass der Sohn der Lebensgefährtin des Klägers aufgrund von Unterhaltszahlungen und des Bezugs von Kindergeld keinen oder nur einen sehr geringen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gehabt hat. Es lag damit in der Sphäre des Klägers, den auf den Sohn entfallenden Kopfteil der Miete aus dem Einkommen des Kindes selbst an den Vermieter zu überweisen. Nicht zu beanstanden ist auch, dass nach Auffassung des LSG die zögerliche Bearbeitung der Anträge des Klägers und die zum Teil lediglich schematischen Ausführungen in den Schreiben des Beklagten ohne Bezug zum konkreten Einzelfall sowie die vom LSG festgestellten tatsächlichen Buchungsvorgänge zwar an einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zweifeln lassen. Um ein im Rechtssinne wesentlich mitwirkendes Fehlverhalten des Beklagten, dass zur Entstehung der Mietschulden beigetragen hat, handelt es sich dabei jedoch nicht.

21

Das LSG hat allerdings den Ausgangspunkt der Entstehung der Mietschulden nicht in seine Bewertung einbezogen. Nach seinen Feststellungen hat der Kläger eine Leistung für eine Mietkaution bereits im Dezember 2005 beantragt. Der Beklagte hat sie auch bewilligt, jedoch erst nach dem 1.2.2006, dem geplanten Einzugstermin, ausgezahlt. Der Kläger und die weitere Bedarfsgemeinschaft sind alsdann in ihren bisherigen Wohnungen verblieben. Ob und ggf in welcher Höhe es deswegen zu doppelten Mietforderungen gekommen ist, hat das LSG nicht festgestellt. Dies ist jedoch nach den Ausführungen im Tatbestand des Urteils zur "Verrechnung" der Mietleistungen für die bisherigen Wohnungen mit denen für die neue Wohnung durch den Änderungsbescheid vom 7.3.2006 naheliegend. Sollte es dem Kläger und der weiteren Bedarfsgemeinschaft also wegen der nicht rechtzeitig gezahlten Mietkaution nicht möglich gewesen sein, in die angemietete Wohnung umzuziehen, könnte hierin ein Fehlverhalten des Beklagten erkannt werden, das wesentlich zur Entstehung der Mietschulden beigetragen hat. Immerhin hat der Vermieter der neuen Wohnung nach den Feststellungen des LSG gegenüber dem Beklagten bereits sehr früh wegen der nicht erfolgten Mietzahlungen für Februar und März 2006 eine fristlose Kündigung angekündigt.

22

3. Sollte das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu dem Ergebnis gelangen, es sei gleichwohl kein atypischer Fall gegeben, wird es im Weiteren zu beachten haben, dass der angefochtene Bescheid insoweit rechtswidrig ist, als durch die Verfügungssätze 4 und 5 die Fälligkeit des gesamten Darlehensbetrags am 31.12.2007 und der Anfall von Verzugszinsen für den Fall der nicht rechtzeitigen Tilgung geregelt wird.

23

Für die Tilgung einer den Kosten der Unterkunft und Heizung zuzuordnenden Leistung als Gesamtbetrag zu einem Fälligkeitsdatum, an dem ausgehend vom Zeitpunkt der Bescheiderteilung nicht absehbar ist, ob der Leistungsberechtigte sich noch im Leistungsbezug befindet - was hier der Fall war -, mangelt es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage im SGB II. Im Hinblick auf die Tilgung eines Mietkautionsdarlehens aus der Regelleistung hat der erkennende Senat dies nach der Rechtslage bis zum 31.3.2011 selbst für eine ratenweise Abzahlung befunden (BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 26/10 R - BSGE 110, 288 = SozR 4-1200 § 46 Nr 3, RdNr 15). So war im Gegensatz zur Darlehensgewährung für einen einmaligen Bedarf iS des § 23 Abs 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes über moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt(vom 24.12.2003, BGBl I 2954) in § 22 Abs 3 SGB II für das Mietkautionsdarlehen ebenso wie für das Mietschuldendarlehen nach § 22 Abs 5 SGB II keine Tilgungsregelung im SGB II vorgesehen. Eine solche ist auch nach der Neufassung des § 22 Abs 5 SGB II durch das Gesetz zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze nicht eingefügt worden. Eine analoge Anwendung der Tilgungsregelung des § 23 Abs 1 S 3 SGB II hat der erkennende Senat ebenfalls abgelehnt. Wie beim Mietkautionsdarlehen liegen der Tilgungsregelung des § 23 Abs 1 S 3 SGB II und dem Darlehen für Mietschulden andere Tatbestände zugrunde(BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 26/10 R - BSGE 110, 288 = SozR 4-1200 § 46 Nr 3, RdNr 16). Erst durch § 42a SGB II ist zum 1.4.2011 eine Aufrechnungsregelung insoweit geschaffen worden. Abgesehen davon, dass diese Regelung nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG eine "echte Rechtsänderung" ist (BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 26/10 R - BSGE 110, 288 = SozR 4-1200 § 46 Nr 3, RdNr 16), sieht auch § 42a Abs 4 SGB II erst nach Beendigung des Leistungsbezugs die Fälligkeit des gesamten noch nicht getilgten Darlehensbetrags vor. Diese Art der Tilgung eines Darlehens für Mietschulden während des laufenden Leistungsbezugs wäre nur zu Lasten der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts möglich. Dies führt im vorliegenden Fall zu einer nicht mehr ausgleichbaren Unterdeckung des Existenzminimums, denn der Aufrechnungsbetrag von 1518,62 Euro übersteigt das Vierfache der Regelleistung.

24

Da es somit bereits an einer rechtmäßigen Verfügung zur Tilgung des Darlehens mangelt, ist auch die Verfügung über die Zahlung von Verzugszinsen rechtswidrig und aufzuheben.

25

4. Auch die Höhe der Darlehensbelastung ist vom Beklagten unzutreffend bestimmt worden. Dabei ist das LSG allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Kläger nur ein Darlehen von 506,21 Euro zu bewilligen war. Vielmehr ist ein Darlehen zur Deckung von Mietschulden unabhängig vom Kopfteilprinzip gleichmäßig auf diejenigen Personen aufzuteilen, die - jedenfalls in einer Konstellation wie der vorliegenden - aus dem Mietvertrag verpflichtet sind. Somit entfällt auf den Kläger eine Darlehensbelastung in Höhe von 1138,96 Euro.

26

Die laufenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind nach gefestigter Rechtsprechung des BSG im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen nutzen (stRspr des BSG seit 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28; zuletzt vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 63, RdNr 26 und vom 22.8.2013 - B 14 AS 85/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 71, RdNr 20). Hintergrund für dieses auf die Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17, juris RdNr 10) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf dem Grunde nach abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.

27

Bei der Leistung für Mietschulden als einmaliger Leistung für Unterkunft ist jedoch keine Kopfteilung vorzunehmen. Die mit dem Grundsicherungsrecht nach dem SGB II befassten Senate des BSG haben eine Abweichung vom Kopfteilprinzip für diejenigen Fälle bejaht, in denen bei objektiver Betrachtung eine andere Aufteilung angezeigt ist (vgl nur BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, juris RdNr 28; BSG vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4, juris RdNr 19; für eine vorübergehende, auf unter sechs Monate beschränkte Ortsabwesenheit eines Partners BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 19; s auch BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 19, hierzu zustimmend Anm Sonnhoff, SGb 2014, 339; BSG vom 22.8.2013 - B 14 AS 85/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 71, RdNr 23). So liegt es auch bei der Mietschuldenübernahme.

28

Würde das Darlehen gemäß § 22 Abs 5 SGB II kopfteilig auf die Mitglieder beider - vom Beklagten angenommener - Bedarfsgemeinschaften verteilt, so folgte hieraus letztlich eine faktische Mithaftung der nicht am Mietvertrag Beteiligten, insbesondere auch der Kinder einer Bedarfsgemeinschaft, für unerfüllte Mietvertragsforderungen. Unter Berücksichtigung der Neuregelung des § 42a Abs 1 S 3 SGB II träfe eine Rückzahlungsverpflichtung dann auch das nicht durch den Mietvertrag verpflichtete Bedarfsgemeinschaftsmitglied unabhängig davon, ob eine Einwirkungsmöglichkeit auf die Zahlungsmoral des mietvertraglich Verpflichteten besteht. Abgesehen davon könnten sich aus der Möglichkeit, die Verpflichtungen aus Mietverträgen auf Dritte zu verlagern, erhebliche Fehlanreize für die Mietvertragspartner ergeben. Daher erscheint es allein sachgerecht, nur die durch den Mietvertrag zivilrechtlich verpflichteten Personen - unter Berücksichtigung des internen Schuldnerausgleichs bei gesamtschuldnerischer Haftung - als Darlehensnehmer anzusehen (ebenso Krauß in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 366, Stand III/14; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 253), soweit sie - wie hier - die Wohnung gemeinsam nutzen (vgl die Fallkonstellation in BSG vom 22.8.2012 - B 14 AS 1/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 65 RdNr 2, 18)und im Leistungsbezug nach dem SGB II stehen. Nach diesen Grundsätzen konnte der Kläger, der den Mietvertrag gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin geschlossen hatte, ein Darlehen von 1138,96 Euro (= die Hälfte der Mietschulden von 2277,92 Euro) beanspruchen.

29

5. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 wird in der Hauptsache klarstellend dahingehend berichtigt, dass der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 30. April 2009 jeweils weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 87,75 Euro zu erbringen sind.

Der Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in der Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009.

2

Die Klägerin zu 1 (geb 1960) sowie die mit ihr zusammenlebenden Söhne A (geb 1994), Kläger zu 2, und D (geb 1987 <22 Jahre>; im Folgenden: D) bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die KdU, welche der Beklagte direkt an den Vermieter zahlte, beliefen sich für die 63 qm große Wohnung auf 526,50 Euro monatlich (Kaltmiete in Höhe von 406,50 Euro, Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Hausmeisterpauschale in Höhe von 12 Euro, SAT-Antennenpauschale in Höhe von 8 Euro). Der Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1 und ihren Söhnen als Bedarfsgemeinschaft SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.11.2008 bis 30.4.2009. Unter Berücksichtigung eines geringen Einkommens der Klägerin zu 1 aus Beschäftigung sowie des Kindergeldes bewilligte er jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die KdU übernahm er in tatsächlicher Höhe und berücksichtigte den "Kopfanteilen" entsprechend bei jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft KdU in Höhe von 175,50 Euro (Bescheid vom 13.10.2008). Nach vorangegangenen Sanktionen entzog er dem Sohn D die SGB II-Leistungen wegen des Abbruchs einer Bildungsmaßnahme für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 vollständig (bestandskräftiger Bescheid vom 6.1.2009).

3

Für den bewilligten Zeitraum errechnete der Beklagte die SGB II-Leistungen mehrfach neu (Bescheide vom 6.1., 1.2., 18.2. und 18.3.2009) und setzte den auf D entfallenden KdU-Anteil für die Monate Februar bis April 2009 mit "0 Euro" fest. Mit dem von den Klägern (erstmals) mit Widerspruch angefochtenen weiteren Bescheid vom 2.4.2009 bewilligte er die SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung des wechselnden Einkommens der Klägerin zu 1 und der Sanktion für D für den streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 erneut (dabei ergab sich für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 jeweils ein verbleibender Betrag an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; KdU wurden in bisheriger Höhe übernommen; für D entfielen wegen des "Minderungsbetrags aufgrund von Sanktionen" die KdU vollständig). Den Widerspruch, mit dem die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 den Wegfall des KdU-Anteils für D beanstandeten, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009).

4

Das SG hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 weitere KdU-Leistungen in Höhe von 175,50 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom 16.8.2010). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 22.3.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der von den Klägern angefochtene Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 sei ein sogenannter Zweitbescheid, der ungeachtet der zuvor über denselben Gegenstand getroffenen bestandkräftigen Regelungen erneut den Rechtsweg eröffnet habe. Der Beklagte habe spätestens im Widerspruchsbescheid erneut über die den Klägern zustehende KdU entschieden. Er habe hervorgehoben, dass er die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Sanktion und auf die Höhe der KdU für die Kläger als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erneut und intensiv geprüft habe. Hierbei habe er sich bewusst dafür entschieden, den durch die Sanktion entstandenen KdU-Anteil der Bedarfsgemeinschaft als Ausfall zuzuordnen. Auf die Inhalte der ab 6.1.2009 ergangenen Bescheide und deren (fragliche) Bekanntgabe komme es daher nicht an. Für die Zeit vom 1.2. bis zum 30.4.2009 bestehe ein Anspruch der Kläger auf Übernahme des jeweils hälftigen KdU-Anteils ohne Abzug des Kopfanteils für D. Es könne offen bleiben, ob D im streitigen Zeitraum noch Mitglied der dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft gewesen sei. Für eine Obliegenheit der Kläger zur Kostensenkung fehle es an einer Kostensenkungsaufforderung. Selbst wenn man eine solche als bereits mit den ab 1.6.2009 erteilten Bescheiden verbundene ansehe, fehle eine zeitliche Vorgabe zur Reduzierung. Auch sei es nur bei einer absehbar längerfristigen und endgültigen Veränderung in der Mitgliederzahl der Bedarfsgemeinschaft für die verbliebenen Mitglieder möglich und zumutbar, die Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung durch nur zwei Personen anzupassen. Seien die KdU-Aufwendungen daher angemessen oder als unangemessene Kosten zu übernehmen und habe die Bedarfsgemeinschaft fortbestanden, stehe der Anrechnung eines "fiktiven" Kopfanteils entgegen, dass die (tatsächlichen) Aufwendungen der Kläger nicht mehr gedeckt seien. Die Aufteilung nach Kopfanteilen setze voraus, dass der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Der anteilige Wegfall bei der Übernahme der Wohnungsaufwendungen führe zu einer (vorübergehenden) Unterdeckung eines bisher durch die gemeinsame Nutzung der Wohnung gedeckten Bedarfs. Dann bestehe ein Anspruch auf Tragung der tatsächlichen bzw angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch den SGB II-Träger, weil die Verpflichtung der Leistungsberechtigten zur Zahlung der KdU im Außenverhältnis unverändert fortbestehe. Den übrigen Mitgliedern dürfe nicht (mittelbar) ein Fehlverhalten zugerechnet werden, auf das sie jedenfalls bei über 18jährigen Mitgliedern ihrer Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich keinen rechtlich relevanten Einfluss hätten. Es bestehe ein ungelöster Wertungswiderspruch, weil die Umsetzung einer Sanktion anderen Kriterien zu genügen habe als die Senkung unangemessener KdU. Während eine Sanktion rasch umgesetzt werden müsse, werde bei der Senkung der KdU eine Zeitspanne eingeräumt, um dem konkreten Wohnbedarf in seinen rechtlichen wie tatsächlichen Aspekten Rechnung zu tragen.

5

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, es bestehe kein Anlass für eine Abweichung von dem Prinzip des Individualanspruchs. Eine Lücke im eigenen Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft liege nicht vor. Wegen der Höhe der durch die Sanktion entstehenden Mietschulden bestehe in der Regel kein Kündigungsgrund. In vergleichbaren Fallkonstellationen werde die Aufteilung der KdU nach Kopfteilen auf die Nutzer der Wohnung ausnahmslos bestätigt ("fiktiver" Kopfanteil), obwohl auch dort das Argument hinsichtlich der Außenwirkung zum Vermieter und möglicher Wohnungslosigkeit greife. Das angefochtene Urteil verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Jugendliche einen Wohnungsverlust nur durch eine Arbeitsaufnahme oder ein Darlehen vermeiden könnten. Dies sei auch den in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Jugendlichen zumutbar, weil deren Sanktionierung ansonsten regelmäßig und teilweise "ins Leere laufe".

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

8

Sie führen aus, die Aufteilung nach Kopfteilen sei nicht wegen einer gemeinsamen Nutzung der Wohnung, sondern deshalb gerechtfertigt, weil der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Eine strikte Anwendung des Kopfteilprinzips führe dazu, dass die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in "sippenhaftähnlicher Weise" für ein Fehlverhalten eines anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft haften würden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Kläger in dem hier streitigen Zeitraum jeweils Anspruch auf höhere Aufwendungen für KdU in der zuerkannten Höhe haben.

10

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009, mit dem der Beklagte KdU für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 weiterhin nur in Höhe der bisher zuerkannten Leistungen von je 175,50 Euro bewilligt hat. Ausgehend von dem objektiven Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids und dem Klageantrag ist Streitgegenstand hingegen nicht die direkte Auszahlung der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung an den Vermieter der Kläger. Der Beklagte hat mit der Bestimmung eines anderen Empfängers der den Klägern bewilligten Leistungen lediglich die Auszahlungsmodalitäten modifiziert, nicht jedoch die Bewilligung der Leistungen dem Grunde und der Höhe nach verändert. Das zuvor behandelte Begehren der Kläger auf höhere Leistungen umfasst nicht die Auszahlung der gesamten Leistungen an sie. Der Beklagte hat die Bestimmung eines anderen Empfängers zudem im Bescheid vom 2.4.2009 in einem selbstständigen Verfügungssatz geregelt. Insoweit haben die Kläger den Bescheid jedoch nicht angefochten (vgl hierzu Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 12).

11

Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid vom 2.4.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 zurecht mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Wegen des sanktionsbedingten Wegfalls der KdU für D im streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 ist ihr Begehren auf höhere KdU gerichtet, als diese in den vorangegangenen Bescheiden für den streitigen Zeitraum jeweils bewilligt wurden. Das LSG hat zurecht angenommen, dass es sich bei dem angefochtenen Bescheid vom 2.4.2009 um einen Zweitbescheid handelte, mit dem der Beklagte die Individualansprüche für den streitigen Zeitraum erneut und in vollem Umfang überprüfbar geregelt hat. Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 können jeweils höhere Leistungen in der von den Vorinstanzen angenommenen Höhe beanspruchen. Insofern ist - als Besonderheit des SGB II - zu berücksichtigen, dass kein Anspruch der Bedarfsgemeinschaft oder Teilen der Bedarfsgemeinschaft als solcher existiert, sondern Anspruchsinhaber jeweils - individuell - die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (grundlegend BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12). Mit dem Bescheid vom 2.4.2009 hat der Beklagte - in getrennt zu betrachtenden Verfügungen - Einzelansprüche der Klägerin zu 1 und ihrer beiden Söhne bewilligt. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ist daher dahin zu korrigieren, dass der ausgeurteilte Gesamtbetrag in Höhe von 175,50 Euro jeweils anteilig auf die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 verteilt wird.

12

Die Kläger haben den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Insofern haben sie keine Einwände gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben, mit dem das SG ausdrücklich nur weitere KdU zugesprochen hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die in den Bewilligungsbescheiden gleichfalls geregelte Höhe der Regelleistung sowie die Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin zu 1, das schon ihren eigenen Regelbedarf nicht deckte, nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Bei den KdU handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

13

2. Die materielle Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 beurteilt sich nach § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X). Wegen § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 S 1 SGB III ist diese Rechtsfolge zwingend. Haben sich Veränderungen in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen ergeben, die dazu führen, dass der Verwaltungsakt dem Grunde oder der Höhe nach so nicht mehr ergehen dürfte, so liegt eine wesentliche Änderung vor (Brandenburg in jurisPK-SGB X, 2013, § 48 RdNr 60). Eine Änderungswirkung zugunsten des Berechtigten liegt vor, wenn die Änderung nach objektiver Betrachtungsweise "per saldo" einen Vorteil bewirkt (BSG SozR 2200 § 1255a Nr 19).

14

Dies ist hier ausgehend von den Individualansprüchen der Kläger zu 1 und 2 auf SGB II-Leistungen der Fall. Gegenüber den Verhältnissen, die dem Bewilligungsbescheid vom 13.10.2008 und den weiteren Änderungsbescheiden zugrundelagen, mit denen der Beklagte den Klägern jeweils 175,50 Euro als KdU bewilligte, ist eine Änderung eingetreten, weil sie für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 Ansprüche auf weitere KdU-Leistungen in Höhe von 87,75 Euro hatten. Bezogen auf die Kläger zu 1 und 2 wird durch den tatsächlichen Wegfall des bisher an den Vermieter direkt überwiesenen KdU-Anteils für D auf der Grundlage der Kürzung des Individualanspruchs des D durch den Bescheid vom 2.4.2009 zeitgleich eine wesentliche Änderung bewirkt, weil bei ihnen ein höherer Bedarf an KdU entstand, den sie nicht durch Einkommen oder Vermögen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft decken konnten. Dieser Sonderfall rechtfertigt eine Abweichung vom "Kopfteilprinzip".

15

3. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die für einen Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen notwendigen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach vorlagen. Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt, dass sie zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II gehörten und dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme der KdU hatten. Beide hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Die im Jahre 1960 geborene Klägerin zu 1 war erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II), hatte das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II aber noch nicht erreicht(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II). Der 1994 geborene Kläger zu 2 lebte mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft, beide waren hilfebedürftig, der Kläger zu 2 verfügte - mit Ausnahme des Kindergeldes - über kein eigenes Einkommen oder Vermögen, die Klägerin zu 1 erzielte in dem hier in Rede stehenden Zeitraum nur das berücksichtigte Einkommen, welches schon ihren eigenen Bedarf nicht deckte (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II).

16

4. a) Die Kläger können in dem hier streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 die Übernahme der KdU in tatsächlicher Höhe und jeweils zur Hälfte unmittelbar aus § 22 Abs 1 S 1 SGB II beanspruchen.

17

Nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Von § 22 Abs 1 S 1 SGB II erfasst sind sämtliche Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag bzw einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung für die Unterkunft ergeben und tatsächlich gezahlt werden(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 19 ff zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung; BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 15 ff zu den Kosten eines Kabelanschlusses). Angeknüpft wird an die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Mietzinszahlung im Rahmen des Mietverhältnisses. Ausreichend ist, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 21 RdNr 16 ff; BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 15).

18

b) Von den tatsächlichen und - mit den Überlegungen des LSG - zumindest als angemessenen zu unterstellenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im streitigen Zeitraum in Höhe von 526,50 Euro ist nicht der auf D entfallende Anteil an den KdU abzuziehen. Zwar sind die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (stRspr BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28; BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07AS 7/07 R - juris RdNr 19; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9 = SGb 2010, 163 ff, RdNr 18 f; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 19; BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 18). Hintergrund für dieses auf die Rechtsprechung des BVerwG (vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.

19

Bei der Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf KdU begrenzend festgeschrieben ist. Insofern findet sich in § 22 Abs 1 SGB II keine bedarfsbeschränkende Festlegung des Gesetzgebers auf das Prinzip der anteiligen Verteilung der KdU nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen. Bei den KdU greift der Individualisierungsgrundsatz mit der Anknüpfung an die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, deren Angemessenheit als begrenzend wirkt. Es besteht ein Unterschied zu den Regelleistungen nach dem SGB II, bei denen eine anspruchsbegrenzende Pauschalierung der Bedarfe gesetzlich vorgesehen ist.

20

In Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerwG, das eine Korrektur des Grundsatzes der Pro-Kopf-Aufteilung zugelassen hat, wenn und soweit der Hilfefall durch "sozialhilferechtlich bedeutsame Umstände" gekennzeichnet war, die "ohne weiteres objektivierbar" und "dem Träger der Sozialhilfe möglicherweise sogar bereits bekannt" waren (BVerwGE 79, 17 ff, zB Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, die ein anerkennenswertes Maß an Unterkunftsbedarf in der Person der oder des Hilfebedürftigen oder eines anderen Mitglieds der Haushaltsgemeinschaft ausmachten), hat es auch das BSG als möglich und notwendig angesehen, im Einzelfall vom "Kopfteilprinzip" abzuweichen (BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4, RdNr 19 "Sonderfälle"). Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hat der 14. Senat des BSG bei gemeinsam in einer Wohnung, aber nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bejaht, wenn eine andere Aufteilung aufgrund eines Vertrags bei objektiver Betrachtung aufgrund eines schon vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit vereinbarten notariellen Vertrags und der daraus folgenden Stellung als Eigentümer angezeigt sei (BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - RdNr 28, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; bereits angedeutet in BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12, RdNr 19). Weiter haben die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG eine Abweichung vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfanteilen" in Fallgestaltungen erörtert, in denen durch eine Berücksichtigung der KdU nach Kopfanteilen eine Bedarfsunterdeckung in Frage stand (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; vgl hierzu auch Frank in GK-SGB II § 22 RdNr 19, Stand März 2010).

21

c) Hier sind die Voraussetzungen für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen gegeben, die auch bei gemeinsamer Nutzung der Wohnung durch eine Bedarfsgemeinschaft vorliegen können (vgl zur Übernahme der KdU bei vorübergehender Ortsabwesenheit eines Partners: BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42).

22

Aus "bedarfsbezogenen Gründen", nämlich wegen des vollständigen Wegfalls der KdU-Leistungen für D, entstanden der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 in dem streitigen Zeitraum höhere Kosten für die Wohnung und Heizung. Sie konnten schon deshalb nicht darauf verwiesen werden, den KdU-Anteil von D zu verlangen, weil der Beklagte mit dem rechtskräftigen Bescheid vom 6.1.2009 sowie mit dem Bewilligungsbescheid vom 2.4.2009 als der zur Sicherstellung des Existenzminimums zuständige Träger den vollständigen Wegfall des KdU-Anteils für D in dem hier streitigen Zeitraum verfügte. Zwar ist zweifelhaft, ob dies berechtigt war. § 31 Abs 5 S 6 SGB II iVm § 31 Abs 3 S 6 SGB II sieht vor, dass der zuständige Träger bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 vH der nach § 20 maßgebenden Regelleistung in angemessenen Umfang ergänzende Sachleistungen und geldwerte Leistungen erbringen kann und diese nach § 31 Abs 3 S 7 SGB II erbringen soll, wenn der Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt. Letzteres war hier der Fall, weil auch der minderjährige Bruder des Klägers in der Bedarfsgemeinschaft lebte. D hat jedoch - ausgehend von den seitens der Beteiligten nicht gerügten, bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) - den Sanktionsbescheid vom 6.1.2009 und den seinen Individualanspruch betreffenden Teil des Bescheides vom 2.4.2009 nicht angegriffen, ohne dass die Klägerin zu 1 bei ihrem volljährigen Sohn hierauf Einfluss hatte. Nach dem Inhalt der vom LSG in Bezug genommenen Bewilligungsbescheide war bei D auch kein Einkommen oder Vermögen vorhanden, aus dem er den auf ihn entfallenden KdU-Anteil während des Sanktionszeitraums hätte bestreiten können. Dem Beklagten war daher bekannt, dass der durch die von ihm veranlasste Sanktion eine Bedarfsunterdeckung bei den KdU auch bei den Klägerin zu 1 und dem minderjährigen Kläger zu 2 eingetreten war.

23

d) Die Kläger können auch nicht darauf verwiesen werden, ihren tatsächlichen mietvertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig nachzukommen und eine weitere Erhöhung der hier nach den Feststellungen des LSG bereits vorhandenen Mietschulden hinzunehmen. Im Bereich der KdU sind die existenzsichernden Leistungen dergestalt geregelt, dass ein Anspruch auf Übernahme der KdU-Aufwendungen nicht erst besteht, wenn eine Kündigung des Mietverhältnisses unmittelbar bevorsteht. Es besteht mit dieser Maßgabe eine Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Deckung des (hier vorübergehend erhöhten) individuellen Bedarfs jedes Grundrechtsträgers (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, juris RdNr 137; Wersig in info also 2011, 51 ff, 52).

24

Der Einwand des Beklagten, dass durch die Erhöhung des KdU-Anteils für die Kläger die Sanktionierung von D "abgemildert" werde, kann aus Rechtsgründen zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Klägerin zu 1 ist wegen der vom SGB II vorgesehenen Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft zum Einsatz ihres Einkommens und Vermögens auch für D verpflichtet. Eine darüberhinausgehende faktische Mithaftung für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des volljährigen Kindes durch Hinnahme einer Bedarfsunterdeckung ist nicht vorgesehen (vgl zur Vermeidung von personenübergreifenden Sanktionsfolgen: Geiger in info also 2010, 3 ff; Berlit in Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kapitel 28, RdNr 34). Zudem ist die Sanktion für D nicht vollständig entfallen, weil auch der Regelbedarf teilweise gekürzt bzw als Sachleistung erbracht worden ist. Ob ein KdU-Anteil in diesen Fallgestaltungen zu übernehmen ist, muss einzelfall- und bedarfsbezogen geprüft werden. Die von dem Beklagten als mögliche Folge beschriebene Ungleichbehandlung des D mit nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Angehörigen lebenden Personen bei einer Sanktionierung liegt schon deshalb nicht vor, weil eine andere Ausgangslage gegeben ist und wirkt sich im Übrigen auch nicht auf den Anspruch der Klägerin zu 1 und den minderjährigen Kläger zu 2 aus.

25

Unschädlich ist schließlich, dass bei der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 eine höhere Belastung durch KdU während des Mietverhältnisses eingetreten ist. § 22 Abs 1 S 1 SGB II enthält keine Beschränkung der zu übernehmenden tatsächlichen Unterkunftskosten auf solche Kosten, die bereits bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu zahlen waren(zu einer möglicherweise zivilrechtlich unwirksamen Staffelmietvereinbarung: BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 61 zu erhöhten Mietkosten wegen einer Modernisierungsmaßnahme nach Eintritt der Hilfebedürftigkeit).

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Weiter gehende Leistungen sind ausgeschlossen.

(2) Solange sich Leistungsberechtigte, insbesondere bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet erweisen, mit den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 ihren Bedarf zu decken, kann das Bürgergeld bis zur Höhe des Regelbedarfs für den Lebensunterhalt in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden.

(3) Nicht vom Regelbedarf nach § 20 umfasst sind Bedarfe für

1.
Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,
2.
Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie
3.
Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten.
Leistungen für diese Bedarfe werden gesondert erbracht. Leistungen nach Satz 2 werden auch erbracht, wenn Leistungsberechtigte keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung benötigen, den Bedarf nach Satz 1 jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln nicht voll decken können. In diesem Fall kann das Einkommen berücksichtigt werden, das Leistungsberechtigte innerhalb eines Zeitraumes von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden wird. Die Leistungen für Bedarfe nach Satz 1 Nummer 1 und 2 können als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen.

(4) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können als Darlehen erbracht werden, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Satz 1 gilt auch, soweit Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen nach § 11 Absatz 3 Satz 4 vorzeitig verbraucht haben.

(5) Soweit Leistungsberechtigten der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. Die Leistungen können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.

(6) In Fällen des § 22 Absatz 5 werden Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung nur erbracht, wenn der kommunale Träger die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung zugesichert hat oder vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden konnte.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

Tenor

Auf die Revisionen des Antragstellers und des Antragsgegners wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. August 2012 geändert.

In der Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) werden in der Überschrift die Wörter "und Zwölften" und § 6 Abs 2 Buchstabe d für unwirksam erklärt.

Es wird festgestellt, dass die Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) für Leistungsempfänger nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch nicht gilt.

Im Übrigen werden die Revisionen des Antragstellers und des Antragsgegners zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt zwei Drittel der Kosten des Antragstellers.

Tatbestand

1

Gegenstand der Normenkontrolle ist die vom Senat des Landes Berlin erlassene "Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" (Wohnaufwendungenverordnung - WAV, hier in der Fassung vom 3.4.2012, GVBl 2012, 99).

2

1. Mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453) räumte der (Bundes-)Gesetzgeber den Ländern bei materiell ansonsten im Wesentlichen unveränderter Rechtslage zur Übernahme von Unterkunftskosten die Befugnis ein, die Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS von § 22 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zum Gegenstand kommunaler Rechtsetzung zu machen. Demgemäß können die Länder die Kreise und kreisfreien Städte nach § 22a Abs 1 Satz 1 SGB II durch Gesetz ermächtigen oder verpflichten, durch "Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind". Entsprechendes gilt für die Länder Berlin und Hamburg, die (durch Landesgesetz) bestimmen, "welche Form der Rechtsetzung an die Stelle einer nach Satz 1 vorgesehenen Satzung tritt" (§ 22a Abs 1 Satz 3 SGB II). Genügen hierauf beruhende untergesetzliche Normen weiteren Anforderungen, so bindet das nach Maßgabe der ebenfalls mit dem RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführten Regelung des § 35a Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) auch die Träger der Sozialhilfe. Danach gilt: "Hat ein Kreis oder eine kreisfreie Stadt eine Satzung nach den §§ 22a bis 22c des Zweiten Buches erlassen, so gilt sie für Leistungen für die Unterkunft nach § 35 Absatz 1 und 2 des zuständigen Trägers der Sozialhilfe entsprechend, sofern darin nach § 22b Absatz 3 des Zweiten Buches Sonderregelungen für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung getroffen werden und dabei zusätzlich auch die Bedarfe älterer Menschen berücksichtigt werden".

3

2. Gestützt auf eine diese Befugnisse wahrnehmende Rechtsverordnungsermächtigung in § 8 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch des Landes Berlin(hier idF des Gesetzes vom 13.7.2011, GVBl 344) ist vom Senat des Landes Berlin mit Wirkung zum 1.5.2012 die im Streit stehende WAV mit Regelungen zu besonderen Bedarfen für Unterkunft und Heizung auszugsweise wie folgt erlassen worden:

        

"§ 6

Besondere Bedarfe für Unterkunft und Heizung

zur Bestimmung der individuellen Angemessenheit

        

(1) Sofern die tatsächlichen Aufwendungen der Leistungsberechtigten den Richtwert gemäß § 4 überschreiten, gelten wegen besonderer Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22b Absatz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zur individuellen Bestimmung der Angemessenheit abweichend von den Richtwerten nach § 4 die in den Absätzen 2 bis 9 getroffenen Sonderregelungen.

        

(2) In besonders begründeten Einzelfällen können die Richtwerte nach § 4 aus sozialen Gründen und in Härtefällen um bis zu Zehn vom Hundert überschritten werden, insbesondere bei

        

a) Alleinerziehenden,

b) Längerer Wohndauer (mindestens 15 Jahre),

c) wesentlichen sozialen Bezügen (z. B. Schulweg von Kindern, Betreuungseinrichtungen, Kindertagesstätten),

d) über 60-jährigen Hilfeempfangenden,

e) Schwangeren,

f) Personen, die in absehbarer Zeit kostendeckende Einkünfte haben."

4

3. Der 1957 geborene, im Land Berlin - dem Antragsgegner - lebende Antragsteller bezieht eine ab dem 1.1.2009 laufend zahlbare Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne zeitliche Begrenzung in Höhe von anfänglich ca 150 Euro (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 17.11.2009) sowie seit dem 1.1.2010 laufende Leistungen nach dem SGB XII (Bescheid des Bezirksamts Treptow-Köpenick von Berlin vom 9.12.2009). Der Antragsteller ist alleinstehend und bewohnt eine Zwei-Zimmer-Wohnung von 49 qm Größe. Hierfür gewährte ihm der Antragsgegner nach zwischenzeitlicher Ankündigung von Leistungsabsenkungen und Hinweisen auf das Inkrafttreten der WAV - nach der für einen 1-Personenhaushalt von einem Bruttowarm-Richtwert von maximal 408 Euro auszugehen war - jedenfalls bis zum 31.12.2012 Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von seinen Angaben zufolge zuletzt 444 Euro monatlich einschließlich Heiz- und Betriebskostenvorauszahlungen.

5

Mit seinem am 6.5.2012 gestellten Normenkontrollantrag begehrte der Antragsteller, die WAV für unwirksam zu erklären. Sämtliche Mietbestandteile seien nicht zutreffend in die WAV eingestellt worden. Der Berliner Wohnungsmarkt befinde sich in einer Phase stetig steigender Mietpreise, weshalb die Angebote insbesondere in zentralen Bereichen deutlich über dem Betrag lägen, der von Leistungsbeziehern, deren Ansprüche nach der WAV bestimmt würden, aufgewandt werden könnte.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat den Antrag als unzulässig verworfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt (Urteil vom 7.8.2012): Der Antragsteller sei nicht antragsbefugt. Die Antragsbefugnis setze die schon im Rahmen der Zulässigkeit abschließend zu treffende Feststellung voraus, dass die zur Überprüfung gestellte Norm ein subjektiv-öffentliches Recht des Antragstellers betreffe. Daran fehle es, da die Voraussetzungen einer Geltungserstreckung für die von dem Antragsteller beanspruchten Leistungen nach dem SGB XII nicht vorlägen und er deshalb in den Geltungsbereich der WAV nicht einbezogen sei. Die Härtefallregelungen des § 6 Abs 2 WAV trügen dem besonderen Bedarf älterer Menschen nicht Rechnung und genügten deshalb den Anforderungen des § 35a SGB XII nicht.

7

4. Der Antragsteller hat - ebenso wie der Antragsgegner - die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und macht geltend: Das LSG überdehne die Anforderungen an die Zulässigkeit eines Normenkontrollverfahrens nach § 55a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Entgegen dessen Auffassung komme es nur darauf an, ob - entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) - subjektive Rechte eines Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein könnten. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Er sei in seinen Rechten betroffen, weil die WAV nach der Intention des Verordnungsgebers und der Verwaltungspraxis auf ihn angewendet werden solle und werde. In der Sache halte er daran fest, dass die WAV den gesetzlichen Vorgaben der §§ 35, 35a SGB XII und der §§ 22a bis 22c SGB II nicht genüge. Insbesondere sei die Datenbasis mangelhaft, auch sei Wohnraum zu derartigen Preisen im Gebiet des Antragsgegners nicht verfügbar. Dessen Revision sei mangels Beschwer durch das Urteil des LSG unzulässig.

8

Der Antragsteller beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. August 2012 aufzuheben und die Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) für unwirksam zu erklären,
hilfsweise,
die Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung - WAV) des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl 2012, 99) für unwirksam zu erklären, soweit sie sich auch Geltung gegenüber Leistungsberechtigten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch beimisst,
sowie die Revision des Antragsgegners zurückzuweisen.

9

Der Antragsgegner sieht in der Verwerfung des Normenkontrollantrags ebenfalls einen Verstoß gegen § 35a SGB XII und beantragt unter Verteidigung der WAV auch im Übrigen,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. August 2012 aufzuheben und den Normenkontrollantrag des Antragstellers abzulehnen,
hilfsweise,
die Revision des Antragstellers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Antragstellers hat teilweise Erfolg, die des Antragsgegners bleibt ohne Erfolg. In der Sache zu Recht hat das LSG entschieden, dass § 6 Abs 2 Buchst d der WAV unwirksam ist und diese deshalb auf Leistungsberechtigte nach dem SGB XII keine Anwendung findet; insoweit war die WAV für unwirksam zu erklären und auszusprechen, dass sie für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII nicht gilt (dazu unten 4. bis 8.). Das feststellen zu lassen, ist der Antragsteller auch antragsbefugt (dazu unten 3. b). Für eine weitergehende Überprüfung der WAV bestand hingegen kein Rechtsschutzbedürfnis.

11

1. Zuständig zur Entscheidung des Rechtsstreits ist der erkennende 14. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) als Spruchkörper für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Streitigkeiten über die Gültigkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm nach § 22a Abs 1 SGB II im Normenkontrollverfahren gemäß § 55a SGG bilden eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende iS von § 51 Abs 1 Nr 4a SGG auch dann, wenn sie wie hier von einem Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII unter Berufung auf nachteilige Auswirkungen der angegriffenen Norm auf seine Ansprüche nach § 35 SGB XII geführt werden.

12

a) Nach der gesetzlichen Konzeption ergehen untergesetzliche Rechtsnormen nach § 22a Abs 1 SGB II auch dann als Vorschriften auf der Grundlage nur des SGB II, wenn sie iS von § 35a Satz 1 Halbs 2 SGB XII nach § 22b Abs 3 SGB II "Sonderregelungen für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung enthalten" und dabei die "Bedarfe älterer Menschen berücksichtigt werden" und sie infolgedessen Geltungswirkung für die Leistungen nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII entfalten. Schon nach dem Wortlaut von § 35a Satz 1 Halbs 2 SGB XII liegt die Rechtsgrundlage für die (auch) die Bindungswirkung nach dem SGB XII auslösenden Festsetzungen von Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II ausschließlich in § 22b Abs 3 SGB II und nicht in einer eigenständigen Anordnung des SGB XII. Auch ansonsten enthält das SGB XII keine Regelung vergleichbar der des § 22a Abs 1 SGB II, die als selbstständige Befugnis zur Einführung einer untergesetzlichen Normgebung für die Unterkunftsleistungen nach dem SGB XII anzusehen sein könnte. Wie die Materialien erweisen, folgte das der bewussten Entscheidung, den Sozialhilfeträgern insoweit keine eigene Satzungsermächtigung zu erteilen (BT-Drucks 17/3404 S 126).

13

Ob damit etwaigen verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf die Bindung von Sozialhilfeträgern durch die nach § 22a Abs 1 SGB II zur Normsetzung berufenen Körperschaften ausreichend Rechnung getragen ist, mag offen bleiben(daran eher Zweifel hegend Stölting in jurisPK-SGB XII, § 35a RdNr 8). Jedenfalls der Gesetzgeber ist ersichtlich davon ausgegangen, dass die rechtliche Grundlage auch von Sonderregelungen mit Wirkung für Ansprüche nach § 35 SGB XII allein in den §§ 22a bis 22c SGB II zu sehen ist. Folgerichtig wird vertreten, dass der SGB II-Normgeber die Bindungswirkungen für das SGB XII weder ausdrücklich anzuordnen habe noch sie ausschließen könne; vermeidbar seien sie nur über den Verzicht auf die sie auslösenden Regelungsgehalte (vgl Berlit in Bieritz-Harder/Conradis/Thie, SGB XII, 9. Aufl 2012, § 35a RdNr 7).

14

Systematisch im Einklang damit ist die Normenkontrolle nach § 55a SGG nur eröffnet für die Gültigkeit von Satzungen oder anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, "die nach § 22a Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden sind". Auch das lässt sich nur dahin verstehen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers untergesetzliche Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II ungeachtet ihrer Bindungswirkungen für das SGB XII in formaler Hinsicht ausschließlich dem Rechtskreis des SGB II zuzuordnen sind.

15

b) Diese Zuordnung begründet die Zuständigkeit der Senate für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch dann, wenn über einen auf die mögliche Rechtsbetroffenheit über § 35a SGB XII gestützten Normenkontrollantrag nach § 55a SGG zu befinden ist. Welchem der in § 51 Abs 1 SGG enumerativ aufgeführten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten der Rechtsstreit zuzuordnen ist, richtet sich danach, ob das Rechtsverhältnis, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, seiner Natur nach einem dieser Rechtsgebiete zuzuordnen ist. Entscheidend ist dabei, welche Rechtssätze für das jeweilige Begehren prägend sind (vgl zum Ganzen GmSOGB Beschluss vom 4.6.1974 - GmS-OGB 2/73 - BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2, Beschluss vom 10.4.1986 - GmS-OGB 1/85 - SozR 1500 § 51 Nr 39 = BGHZ 97, 312 und Beschluss vom 10.7.1989 - GmS-OGB 1/88 - SozR 1500 § 51 Nr 53 = BGHZ 108, 284; vgl auch BSG Beschluss vom 6.9.2007 - B 3 SF 1/07 R - SozR 4-1720 § 17a Nr 3 RdNr 9 sowie Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 51 RdNr 4 f und Ulmer in Hennig, SGG, § 51 RdNr 3, Stand: Oktober 2013). Demgemäß liegt eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende dann vor, wenn das klägerische Begehren durch Rechtsvorschriften des SGB II geprägt wird (vgl BSG Beschluss vom 1.4.2009 - B 14 SF 1/08 R - SozR 4-1500 § 51 Nr 6 RdNr 15; zu weiteren Fallkonstellationen s auch Groß in Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 51 RdNr 11). Das ist nach der dargelegten gesetzlichen Konzeption im Verhältnis zwischen den §§ 22a bis 22c SGB II einerseits und § 35a SGB XII andererseits auch dann der Fall, wenn die Überprüfung einer untergesetzlichen Norm iS von § 22a Abs 1 SGB II wegen ihrer Auswirkungen auf die Leistungen für die Unterkunft nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII begehrt wird.

16

c) Bestätigt wird dies weiter durch die Ausgestaltung des Normenkontrollverfahrens nach § 55a SGG im Übrigen, wie es durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführt worden ist(zu den Motiven insoweit vgl BT-Drucks 17/3404 S 131). Zu entscheiden über Anträge nach § 55a SGG ist danach von den LSG - im ersten Rechtszug(§ 29 Abs 2 Nr 4 SGG) - in jeweils zu bildenden eigenen Senaten (§ 31 Abs 2 SGG idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG). Für deren Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern ist in den Materialien verwiesen auf die Besetzung der Kammern für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BT-Drucks 17/3404 S 131 mit Verweis auf § 12 Abs 5 Satz 1 SGG in der bis zum 24.10.2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444). Auch das belegt zum einen, dass sich die Spruchkörperzuständigkeit in Verfahren nach § 55a SGG allein nach dem Angriffsgegenstand richtet, maßgeblich also nur ist, ob es sich um eine "nach § 22a Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und dem dazu ergangenen Landesgesetz" erlassene Norm handelt oder nicht. Zum anderen erweisen die Vorstellungen über die Besetzung der hierfür zu bildenden Senate, dass Antragsverfahren nach § 55a SGG als Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch dann anzusehen sind, wenn die Antragsteller im Leistungsbezug nach dem SGB XII stehen.

17

2. Streitgegenstand ist die WAV in der Fassung, wie sie der mündlichen Verhandlung des LSG am 7.8.2012 zugrunde gelegen hat. Als Norm des Landesrechts obliegen die Feststellung ihres Inhalts und ihre Auslegung, von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich allein dem LSG (§§ 162, 202 SGG iVm § 560 Zivilprozessordnung, vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 34 RdNr 16 mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 28 RdNr 27). Beim BSG angefallen ist das Verfahren demzufolge ausschließlich mit dem Rechtsstand, wie er Gegenstand der Entscheidung des LSG war, also in der vom Senat des Landes Berlin beschlossenen Fassung der WAV vom 3.4.2012 (GVBl 2012, 99). Nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist die Norm demnach hingegen in der Fassung ihrer am 1.8.2013 in Kraft getretenen Fortschreibung durch die Erste Verordnung zur Fortschreibung der Wohnaufwendungenverordnung (WAV-Fortschreibungsverordnung 2013) vom 16.7.2013 (GVBl 2013, 348) mit den Änderungen in den Anlagen 1 und 2.

18

3. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht.

19

a) Insbesondere ist zunächst neben der Revision des durch das Urteil des LSG formell beschwerten Antragstellers auch die Revision des Antragsgegners zulässig. Zwar hat dieser vor dem LSG formell obsiegt und muss wegen der Bindungswirkung der Entscheidung auch nicht besorgen, vom Antragsteller gegenwärtig erneut mit einem Normenkontrollantrag überzogen zu werden (zur Beschwer bei Prozess- statt Sachurteilen ansonsten vgl BSG Urteil vom 26.10.1989 - 4 RA 90/88 - RdNr 9, HV-INFO 1990, 102 unter Hinweis auf BSGE 24, 134, 135 = SozR Nr 7 zu § 85 SGG; vgl hierzu auch BVerwG Urteil vom 12.1.2012 - 7 C 5/11 - BVerwGE 141, 311, 323 f); dem stünde der Mangel der Antragsbefugnis bei unveränderter Fassung der WAV auch weiterhin entgegen.

20

Auf diese Sperrwirkung beschränken sich die Folgen des angegriffenen Urteils indes nicht. Nach dessen tragenden Gründen kann sich vielmehr der Antragsteller in der Sache dem Antragsgegner gegenüber darauf berufen, dass § 6 WAV in der zur Überprüfung gestellten Fassung keine Regelung zur Berücksichtigung der Bedarfe älterer Menschen iS von § 35a Satz 1 SGB XII trifft und die WAV deshalb - anders als dieser meint - auf ihn keine Anwendung findet. Diese Wirkung kommt der einen Normenkontrollantrag gegen eine Satzung ablehnenden Entscheidung nicht nur in einem erneuten Normenkontrollverfahren, sondern in jedem Verfahren zwischen den Beteiligten zu, bei dem es auf die Gültigkeit dieser Satzung ankommt (vgl zu § 47 Verwaltungsgerichtsordnung: BVerwG Beschluss vom 2.9.1983 - 4 N 1/83 - BVerwGE 68, 12, 15 unter Hinweis auf BGH Urteil vom 8.5.1980 - III ZR 27/77 - BGHZ 77, 338; vgl auch BVerwG Beschluss vom 10.5.1995 - 8 B 32/95 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr 71). Ungeachtet der Erfolglosigkeit des Normenkontrollantrags des Antragstellers muss der Antragsgegner deshalb nach dem Urteil des LSG besorgen, dass ihm in der Sache jedenfalls im Verhältnis zum Antragsteller bei Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des LSG (§ 141 Abs 1 Nr 1 SGG) in nachfolgenden Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren über von ihm zu gewährende Leistungen nach § 35 SGB XII die Berufung auf die WAV versagt ist. Das begründet eine die Zulässigkeit seiner Revision rechtfertigende Beschwer.

21

b) Zu Unrecht hat das LSG angenommen, dass dem Antragsteller die Antragsbefugnis für den Normenkontrollantrag fehlt und der Antrag deshalb als unzulässig zu verwerfen ist; dem ist nicht zu folgen.

22

Antragsbefugt für Normenkontrollanträge nach § 55a SGG ist gemäß dessen Abs 2 Satz 1 jede natürliche Person, "die geltend macht, durch die Anwendung der Rechtsvorschrift in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden". Diese Voraussetzungen sind im Wesentlichen wörtlich (zu Unterschieden Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 55a RdNr 7)den entsprechenden Anforderungen in § 47 Abs 2 Satz 1 VwGO für das verwaltungsgerichtliche Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO entnommen, das im Gesamten Vorbild für § 55a SGG war(vgl BT-Drucks 17/3404 S 132; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 147 f; Luik in Hennig, SGG, § 55a RdNr 3, Stand der Einzelkommentierung Mai 2013). Diese Übereinstimmung auch der Zulässigkeitsvoraussetzungen schließt es aus, dass der Gesetzgeber den Zugang zum Normenkontrollverfahren nach § 55a SGG an andere und insbesondere strengere Anforderungen hat binden wollen als sie für die Normenkontrolle nach § 47 VwGO gelten. Maßgebend auch für die Auslegung von § 55a Abs 2 Satz 1 SGG ist damit, dass die Zugangsvoraussetzungen für das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO den Anforderungen an die Klagebefugnis nach § 42 Abs 2 VwGO nachgebildet sind(vgl BT-Drucks 13/3993 S 10) und deshalb ständiger Rechtsprechung des BVerwG zufolge an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs 2 Satz 1 VwGO keine höheren Anforderungen zu stellen sind als nach § 42 Abs 2 VwGO(stRspr; vgl zuletzt nur BVerwG Urteil vom 18.4.2013 - 5 CN 1/12 - BVerwGE 146, 217 RdNr 16 mwN). Auch im Antragsverfahren nach § 55a SGG fehlt es an der Antragsbefugnis daher nur dann, wenn unter Zugrundelegung des Antragsvorbringens Rechte des Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können(zu § 47 Abs 2 Satz 1 VwGO stRspr; vgl nur BVerwG, aaO, mwN; ebenso für § 55a Abs 2 Satz 1 SGG Luik in Hennig, SGG, § 55a RdNr 23, Stand der Einzelkommentierung Mai 2013; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 55a RdNr 7; Hintz in Hintz/Lowe, SGG, 2012, § 55a RdNr 12 ff).

23

Eröffnet ist ein Antragsverfahren nach § 55a SGG demgemäß stets dann, wenn das Antragsvorbringen es zumindest als möglich erscheinen lässt, dass die in der zur Prüfung gestellten Norm getroffenen Festsetzungen hinter den gegenwärtig bereits aufgebrachten oder absehbar aufzubringenden tatsächlichen Aufwendungen des Antragstellers für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II) zurückbleiben und ihr deshalb bestimmende Wirkung für einen Anspruch des Antragstellers auf existenzsichernde Leistungen zukommen kann. Das gilt auch, soweit wie hier Ansprüche nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII in Rede stehen.

24

Nicht auszuschließen ist zwar, dass die Geltungserstreckungsvoraussetzungen nach § 35a Satz 1 SGB XII nach dem Inhalt der angegriffenen Norm nicht vorliegen und diese deshalb keine Geltungswirkung für den Leistungsbezug nach dem SGB XII entfaltet. Indes ist für die Antragsbefugnis ohne Bedeutung, ob die Norm die in ihr angelegten Wirkungen tatsächlich hat und der Antragsteller deshalb des Schutzes im Normenkontrollverfahren bedarf. Das Antragsverfahren nach § 55a SGG dient nicht nur dem Individualrechtsschutz, sondern zugleich der objektiven Rechtskontrolle(zu § 47 VwGO BVerwG Beschluss vom 18.7.1989 - 4 N 3/87 - BVerwGE 82, 225, 230; BVerwG Urteil vom 9.4.2008 - 4 CN 1/07 - BVerwGE 131, 100, RdNr 13, jeweils mwN; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl 2010, § 47 RdNr 31 ff; Gerhardt/Bier in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juli 2005, § 47 RdNr 3). Daher setzt die Erklärung einer Rechtsvorschrift für unwirksam im Normenkontrollverfahren nach § 55a SGG eine Verletzung eigener Rechte des Antragstellers nicht voraus(zu § 47 VwGO BVerwG Urteil vom 9.4.2008, aaO, RdNr 13). Diese Ausgestaltung der Normenkontrolle als auch der objektiven Rechtskontrolle dienendes Verfahren wäre konterkariert, wenn die tatsächliche Betroffenheit in eigenen Rechten im Gewand der Antragsbefugnis zur Voraussetzung für die Einleitung des Normenkontrollverfahrens erhoben würde. Erscheint wie vorliegend schon nach der Bezeichnung ("Verordnung … nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch") und dem Regelungsinhalt (§ 6 Abs 2 Buchst d WAV) der zur Prüfung gestellten Norm sowie mehrfachen Aufforderungen zur Absenkung der Aufwendungen für die Unterkunft ihre Geltungserstreckung auf Ansprüche nach § 35 Abs 1 und 2 SGB XII jedenfalls nicht offenkundig ausgeschlossen, überspannt es die Zulässigkeitsanforderungen des § 55a Abs 2 Satz 1 SGG, wenn der Normenkontrollantrag gleichwohl als unzulässig verworfen wird.

25

c) Sachentscheidungshindernisse sind schließlich ebenfalls nicht durch die Fortschreibung der WAV zum 1.8.2013 durch die WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 entstanden; dadurch ist das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an der Unwirksamkeitserklärung nicht entfallen. Zum einen lässt die Fortschreibung der Angemessenheitsgrenzen der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den Bestand der übrigen Regelungen ohnehin unberührt, hier also den des § 6 Abs 2 Buchst d WAV. Zum anderen sind die durch die Neufassung verdrängten Werte nicht förmlich aufgehoben und gelten deshalb für den Zeitraum seit Inkrafttreten der WAV ab 1.5.2012 bis zum 31.7.2013 auch weiterhin. Jedenfalls solange eine Rechtsvorschrift solche Wirkungen zu äußern vermag, kann sie Gegenstand einer Normenkontrolle sein (vgl zu § 47 VwGO BVerwG Beschluss vom 5.6.2003 - 4 BN 19/03 - RdNr 1 unter Hinweis auf BVerwG Beschluss vom 2.9.1983 - 4 N 1/83 - BVerwGE 68, 12).

26

4. In der Sache ist die WAV mit der für die Geltungserstreckung nach § 35a SGB XII notwendigen Regelung zu den besonderen Wohnbedarfen älterer Menschen in § 6 Abs 2 Buchst d unwirksam, weil sie den Anforderungen an die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II, die wie bei der Konkretisierung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch die Verwaltung eine realitätsgerechte Erfassung des Unterkunftsbedarfs erfordern(dazu sogleich unter 5.) und die für Sonderregelungen für besondere Bedarfe nach § 22b Abs 3 SGB II ebenso gelten(dazu unter 6.), nicht genügt (dazu unter 7.). Insoweit ist die WAV deshalb für unwirksam zu erklären und auszusprechen, dass sie für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII nicht gilt; weitergehende Prüfungen sind dagegen hier nicht veranlasst (dazu unter 8.).

27

5. Die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II erfordert die realitätsgerechte Erfassung des Unterkunftsbedarfs in gleicher Weise, wie es der Verwaltung bei der Bestimmung des abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegeben ist.

28

a) Mit den durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführten §§ 22a bis 22c SGB II hat der Gesetzgeber die Grundlage dafür geschaffen, die abstrakt angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung anstatt durch die ansonsten dazu berufene Verwaltung auch im Wege untergesetzlicher Normsetzung bestimmen zu können. Leitend dafür war die Überzeugung, dass die Konkretisierung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung in der Praxis noch immer Schwierigkeiten aufwerfe und eine bundeseinheitliche Regelung durch Verordnung nach § 27 Nr 1 SGB II(zuletzt idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) nicht zweckmäßig erscheine; demgegenüber biete die Normsetzungslösung die beste Gewähr dafür, die regionalen Besonderheiten des Wohnungsmarktes transparent und zugleich rechtssicher abbilden zu können (vgl BT-Drucks 17/3404 S 44). Eine entsprechende landesrechtliche Ermächtigung vorausgesetzt, können demgemäß seither alle der abstrakten Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zuzurechnenden Bestimmungen durch untergesetzliche Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II vorgenommen werden, sofern diese 1. mindestens die Mindestinhalte nach § 22b Abs 1 Satz 1 SGB II enthalten und 2. bei ihrem Erlass die in den §§ 22a bis 22c SGB II im Weiteren bezeichneten Verfahrensvorgaben eingehalten sind. Inhaltlich getroffen werden müssen danach mindestens Bestimmungen darüber, (1.) welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt wird und (2.) in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterkunft als angemessen anerkannt werden (§ 22b Abs 1 Satz 1 SGB II). Abgebildet werden sollen hierdurch jedenfalls die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt (§ 22a Abs 3 Satz 1 SGB II) und zwar nach Möglichkeit unter Berücksichtigung insbesondere von Mietspiegeln, qualifizierten Mietspiegeln und Mietdatenbanken und/oder von geeigneten eigenen statistischen Datenerhebungen und -auswertungen der Normgeber oder Erhebungen Dritter (§ 22c Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB II).

29

b) Bezugspunkt der damit eröffneten untergesetzlichen Normsetzungsbefugnis ist die durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG inhaltlich unverändert gebliebene (zu Einzelheiten vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 5) Regelung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, wonach Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind. Die hiernach erforderliche Konkretisierung der Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, auf die in der Gesetzesbegründung verwiesen ist, erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung der Grundsicherungssenate des BSG in einem mehrstufigen Verfahren: Zunächst ist zu überprüfen, ob die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft dem entsprechen, was für eine nach abstrakten Kriterien als angemessen geltende Wohnung auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzubringen ist (abstrakte Angemessenheitsprüfung). Übersteigen die tatsächlich aufzubringenden Wohnkosten die abstrakt ermittelte Referenzmiete, ist entsprechend der Vorgaben in § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II(hier idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Mietmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar ist, es ihm also möglich ist, die Kosten für die Unterkunft auf das abstrakt angemessene Maß zu senken (konkrete Angemessenheit) (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19 ff; zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 18).

30

c) Gegenstand auch der untergesetzlichen Normgebung nach § 22a Abs 1 SGB II ist damit die Konkretisierung des durch § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegebenen Begriffs der "Angemessenheit" der Bedarfe für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II). Dieser Begriff unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff uneingeschränkter richterlicher Kontrolle (stRspr seit BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 21, 24; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 20; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 19 f). Zu seiner Ausfüllung ist jedenfalls der abstrakt als angemessen anzuerkennende Mietpreis unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten konkret zu ermitteln (sog Referenzmiete; stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 17; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 44; zur abstrakt angemessenen Wohnungsgröße vgl dagegen BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 12). Erforderlich dazu sind im Einzelnen überprüfbare Erhebungen und Auswertungen, die eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergeben (so genanntes schlüssiges Konzept, vgl grundlegend insbesondere BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18 ff; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - FEVS 60, 145, 149, juris RdNr 16; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 44). Unzureichend zur Erfassung der sozialen Wirklichkeit sind hingegen Schätzungen pauschaler Werte "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage; das würde den Anforderungen zur Ermittlung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nicht gerecht (zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171). Das verbietet sich bei der Bestimmung des Unterkunftsbedarfs genauso (vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21).

31

d) Diese Maßgaben gelten für die untergesetzliche Normsetzung nach §§ 22a bis 22c SGB II nicht anders. Schon der Gesetzeswortlaut bietet keinen Anhalt dafür, dass den Normgebern insoweit andere und von den Gerichten nur in reduziertem Maß gerichtlich zu kontrollierende Spielräume zustehen könnten als der Verwaltung. Im Gegenteil sind die Vorgaben zum Vergleichsmaßstab (§ 22a Abs 3 Satz 1 SGB II), zu den Norminhalten (§ 22b Abs 1 SGB II), zur Datengrundlage (§ 22c Abs 1 SGB II) und den Begründungsanforderungen (§ 22b Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II) im Einzelnen in so enger Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gefasst, dass unterschiedliche Konkretisierungsaufträge und/oder Entscheidungsspielräume im Verhältnis zwischen untergesetzlicher Normsetzung einerseits und verwaltungsmäßigem Vollzug andererseits durch den Gesetzeswortlaut nicht zu belegen sind(ebenso Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 146). Soweit demgegenüber nach den Materialien die Zielvorgabe des § 22a Abs 3 Satz 1 SGB II nur als ein für die objektive Rechtmäßigkeit der Normsetzung unbeachtlicher Programmsatz anzusehen sein soll(vgl BT-Drucks 17/3404 S 100; dem folgend auch Piepenstock in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 22a RdNr 36), hat dies jedenfalls im Normtext selbst keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (gegen diese Qualifizierung auch Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, §§ 22a-22c SGB II RdNr 9; Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22a RdNr 26; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22a RdNr 11). Das lässt sich auch nicht darauf stützen, dass der untergesetzlichen Normsetzung durch § 22a Abs 3 Satz 2 SGB II die Berücksichtigung von Folgewirkungen aufgegeben ist, die sich uU als Maßstab der Angemessenheitsbestimmung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht notwendig alle wiederfinden. Auch wenn über die Bedeutung dessen hier nicht im Einzelnen zu befinden ist, trägt das jedenfalls nicht den Schluss, dass die nach § 22a Abs 3 Satz 1 SGB II für die Normgebung maßgeblichen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes durch wertende Entscheidung der Normgeber ersetzt werden könnten.

32

Die Normsetzungsermächtigung der untergesetzlichen Normgeber durch § 22a Abs 1 SGB II eröffnet solche Spielräume gleichfalls nicht(so aber wohl Groth in Groth/Luik/Siebel-Hufmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 1. Aufl 2011, RdNr 367). In der Wahrnehmung dieser Ermächtigung konkretisieren die Normgeber in gleicher Weise wie die Verwaltung die die Unterkunft als Teil des physischen Existenzminimums umfassende verfassungsrechtliche Garantie des menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz (, vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 223 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 131 mwN) und haben deshalb die dafür maßgebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Nach der Kompetenzordnung des GG sind demgemäß die Wertentscheidungen über die Leistungshöhe mit Blick auf den Entwicklungsstand des Gemeinwesens und die bestehenden Lebensbedingungen allein dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten (vgl BVerfG, aaO, S 222 ff bzw RdNr 133 ff). Soweit dazu von Verfassungs wegen die soziale Wirklichkeit zu erfassen ist, unterliegt schon er strikten Anforderungen (vgl BVerfG, aaO, S 224 ff bzw RdNr 138 ff). Um so weniger können von diesen Anforderungen die freigestellt werden, von denen die gesetzgeberischen Vorgaben administrativ umzusetzen sind. Das können auch die untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II nicht für sich beanspruchen. Sie sind zwar in besonderer Weise mit den Verhältnissen vor Ort vertraut und können deshalb bessere Kenntnis von den Gegebenheiten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt haben als dies aus der Bundesperspektive möglich wäre (vgl BT-Drucks 17/3404 S 100). Zu eigenen wertenden Entscheidungen sachlich-politischer Art über den zur Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu deckenden Unterkunftsbedarf reicht indes ihre demokratische Legitimation nicht. Wertsetzungen solcher Art sind ausschließlich dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst vorbehalten (vgl BVerfG, aaO, S 224 ff bzw RdNr 138).

33

In keinem geringeren Maß als es der Verwaltung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegeben ist, haben demgemäß auch die untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II die soziale Wirklichkeit im Hinblick auf den Unterkunftsbedarf zeit- und realitätsgerecht zu erfassen und dazu auf Verfahren zurückzugreifen, die zu dessen Bemessung im Grundsatz tauglich sind(ebenso Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22a RdNr 9 ff; Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22a RdNr 6 f; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 146). Unzulässig auch für die Normsetzung nach den §§ 22a bis 22c SGB II dagegen sind Schätzungen pauschaler Werte "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage; sie laufen dem verfassungsrechtlichen Auftrag zu realitätsgerechter Ermittlung zuwider (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171).

34

6. Die aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums abzuleitenden Verfahrensanforderungen an die Konkretisierung des abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs durch untergesetzliche Normsetzung gelten auch für Sonderregelungen für besondere Bedarfe nach § 22b Abs 3 SGB II.

35

a) Nach § 22b Abs 3 SGB II sollen in den Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II Sonderregelungen getroffen werden für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung, und zwar insbesondere für Personen, die einen erhöhten Raumbedarf haben wegen (1.) einer Behinderung oder (2.) der Ausübung ihres Umgangsrechts. Nach den Materialien soll dies gelten für Personen mit einem typischerweise besonders abgesenkten oder erhöhten Bedarf für Unterkunft und Heizung, einerseits etwa bei Bestehen einer Behinderung oder andererseits während der Berufsfindungsphase (BT-Drucks 13/3404 S 101 f). Ob sich solche Umstände in Normen nach § 22a Abs 1 SGB II und damit notwendigerweise abstrakt fassen lassen, ist von den Grundsicherungssenaten des BSG und auch in der Literatur bisher skeptisch beurteilt worden(BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 23; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - NZS 2013, 389, juris RdNr 15; ebenso in diese Richtung zur Sozialhilfe BSG Urteil vom 14.4.2011 - B 8 SO 19/09 R - SozR 4-3500 § 29 Nr 2 RdNr 17; in der Literatur: Groth in Groth/Luik/Siebel-Hufmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 1. Aufl 2011, RdNr 372; Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, §§ 22a-22c SGB II RdNr 13). Zweifelhaft erscheinen mag auch, ob ohne ausdrückliche Entscheidung des Bundesgesetzgebers abstrakte, nicht wohnungsmarktbezogene Bedarfsabsenkungen zulässig sein könnten (vgl Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22b RdNr 40; Knickrehm aaO; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22b RdNr 11). Sind aber Regelungen iS von § 22b Abs 3 SGB II getroffen, müssen sie auf hinreichend realitätsgerechte und nachvollziehbare Erhebungen zum typischen Wohnbedarf der jeweils betroffenen Gruppen von Personen mit besonderen Bedarfen für Unterkunft (und ggf Heizung) gestützt sein und kenntlich machen, von welchem Sonderbedarf der Normgeber dabei ausgegangen ist.

36

b) Der Funktion nach ist mit dem Auftrag zur Schaffung von Regelungen auch für besondere Bedarfslagen für Unterkunft und Heizung im Rahmen der untergesetzlichen Normgebung iS von § 22a Abs 1 SGB II das Ziel verfolgt, die Berücksichtigung solcher Bedarfe nach Möglichkeit partiell von der Ebene der konkreten auf die der abstrakten Angemessenheit (vor) zu verlagern. Nach dem auch insoweit unverändert gebliebenen Regelungskonzept des § 22 SGB II sind durch persönliche Lebensumstände von Leistungsberechtigten bedingte besondere Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Rahmen der konkreten Angemessenheit nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II(bis zur Änderung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706: § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II) zu berücksichtigen (eingehend hierzu zuletzt vgl etwa BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 29 ff). Diese Maßgabe gilt ohne Einschränkung auch im Verhältnis zu normativ bestimmten Angemessenheitswerten nach § 22b Abs 1 SGB II. Schon Wortlaut und Materialien bieten keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass der Regelung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II insoweit nur noch Teilgeltung zukommen könnte. Jedenfalls wäre ein solches Verständnis systematisch nicht vertretbar, nachdem Öffnungsklauseln für atypische Sonderlagen schon verfassungsrechtlich zwingend geboten sind (zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 252 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 204 ff) und Regelungen nach § 22b Abs 3 SGB II weder zum unverzichtbaren ("In der Satzung soll") noch zum abschließenden ("Dies gilt insbesondere") Inhalt untergesetzlicher Normen nach § 22a Abs 1 SGB II erhoben worden sind. Bereits daraus wird deutlich, dass die Verpflichtung zur Berücksichtigung besonderer Unterkunftsbedarfe nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II durch die Rechtsetzungsbefugnis nach § 22b Abs 3 SGB II nicht ersetzt worden ist. Ungeachtet dessen wäre der Bundesgesetzgeber zu einer solchen Verlagerung auf den untergesetzlichen Normgeber von Verfassungs wegen auch nicht befugt gewesen, weil die Entscheidung über die Schaffung und Ausgestaltung von Öffnungsklauseln zur Deckung atypischer Bedarfe im Bereich des Existenzminimums nach der Kompetenzordnung des GG allein ihm vorbehalten und eine Delegation dieser Kompetenz auf hierzu nicht legitimierte Körperschaften unzulässig ist (zur Kompetenzordnung des GG und zu Legitimationsgrenzen grundlegend BVerfG Beschluss vom 5.12.2002 - 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98 - BVerfGE 107, 59 ).

37

c) Anlass und Raum für eigenständige Regelungen zugunsten von Personengruppen mit besonderen Bedarfen für Unterkunft und Heizung im Rahmen der untergesetzlichen Normgebung nach §§ 22a bis 22c SGB II bleibt danach nur, soweit bei ihnen typischerweise besondere Anforderungen etwa in Bezug auf Raumgröße, Wohnstandard oder -lage bestehen und wegen ihrer Schutzwürdigkeit die Berücksichtigung dessen bereits auf der Ebene der abstrakten Angemessenheitsbestimmung angezeigt erscheint. Auch darin sind die Regelungen - wie die Normsetzung nach § 22a Abs 1 SGB II überhaupt - indes beschränkt auf die Berücksichtigung (typischer) tatsächlicher Lebens- und Wohnverhältnisse vor Ort. Das ergibt schon das systematische Zusammenspiel von § 22b Abs 3 SGB II einerseits und § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II andererseits. Da die Normsetzungsbefugnis nach § 22b Abs 3 SGB II dem Zweck nach an die Verpflichtung zur Berücksichtigung von Besonderheiten gemäß § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II anknüpft und Personen mit typischerweise besonderen Unterkunftsbedarfen von den (wenngleich eingeschränkten) Nachweislasten im Verfahren nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II(vgl etwa BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 29 ff und RdNr 33) freistellen soll, spricht bereits das dagegen, dass nach § 22b Abs 3 SGB II weitere Umstände berücksichtigt werden könnten als nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II beachtlich wären, also nicht den tatsächlichen Lebens- und Wohnverhältnissen vor Ort zuzurechnen sind. Dagegen stehen im Weiteren auch die dargelegten kompetenzrechtlichen Schranken der Normsetzung nach den §§ 22a bis 22c SGB II; auch in Bezug auf § 22b Abs 3 SGB II konnte der Bundesgesetzgeber den untergesetzlichen Normgebern Befugnisse nur zur Berücksichtigung besonderer Gegebenheiten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt einräumen, nicht aber zu wertenden Entscheidungen etwa im Hinblick auf den mit Rücksicht auf die Lebensbedingungen in Deutschland als im Allgemeinen angemessen anzusehenden Unterkunftsbedarf Alleinerziehender(vgl zu Fragen in diesem Zusammenhang auch Stölting, SGb 2013, 543, 545 in Besprechung von BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 = SGb 2013, 539).

38

d) Dem Regelungsauftrag und den aus der Kompetenzordnung des GG sich ergebenden Regelungsschranken genügen Normgeber demgemäß mit Sonderregelungen iS von § 22b Abs 3 SGB II nur, wenn sie dazu den jeweils in den Blick genommenen Sonderbedarf nach den Verhältnissen des jeweils örtlich maßgebenden Wohnungsmarktes in Bezug insbesondere auf Größe, Ausstattung oder Lage des benötigten Wohnraums zeit- und realitätsgerecht typisierend erfassen und dazu wie auch im Übrigen auf Verfahren zurückgreifen, die zu dieser Bemessung im Grundsatz tauglich sind(vgl zu dieser Anforderung im Allgemeinen oben 5.c). Sind diese Anforderungen nicht gewahrt, berührt das nicht nur die objektive Rechtmäßigkeit entsprechender Festsetzungen. Damit ist aus der Perspektive betroffener Normadressaten nicht nur der Schutzzweck des § 22b Abs 3 SGB II selbst verfehlt, im Interesse von Personengruppen typisierbare Sonderbedarfe regelmäßig(vgl Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22b RdNr 38) bereits auf der Ebene der abstrakten Angemessenheitsbestimmung aufzugreifen und dadurch die angemessene Bedarfsdeckung ohne Rückgriff auf § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zu erleichtern. Die Bedarfsdeckung kann durch empirisch unzureichend gestützte untergesetzliche Angemessenheitsgrenzen vielmehr sogar erschwert sein, weil auf der Grundlage eines hinreichend geeigneten Verfahrens abstrakt bestimmte Angemessenheitsgrenzen grundsätzlich die Vermutung der Richtigkeit in sich tragen und Leistungsberechtigte deshalb erhöhten Darlegungslasten ausgesetzt sein können, wollen sie diesen Wert erschüttern; zumindest müssen sie im Prozess dann dartun, inwieweit sich die normativ bestimmten Werte nach § 22b Abs 3 SGB II nicht auf zutreffende Ermittlungen zur abstrakt angemessenen Referenzmiete stützen können(vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 36; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 30, 32; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 38).

39

7. Den so umschriebenen Maßstäben wird die WAV mit ihrer für die Geltungserstreckung nach § 35a SGB XII notwendigen Regelung zu den besonderen Wohnbedarfen älterer Menschen in § 6 Abs 2 Buchst d in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.

40

a) Soweit nach § 6 Abs 2 Buchst d iVm mit § 6 Abs 1 WAV bei "über 60-jährigen Hilfeempfangenden", deren tatsächlichen Aufwendungen die "Richtwerte" nach § 4 WAV und damit die abstrakt angemessenen Kosten von Unterkunft und Heizung nach dieser Vorschrift überschreiten, diese Richtwerte in "besonders begründeten Einzelfällen … aus sozialen Gründen und in Härtefällen um bis zu Zehn vom Hundert" überschritten werden "können", verstößt das bei wortgetreuer Auslegung gegen die aufgezeigte bundesrechtliche Rechtslage schon deshalb, weil die Überschreitung der abstrakten Angemessenheitswerte danach als auf höchstens 10 % beschränkt anzusehen und deshalb für weitergehende atypische Fälle kein Raum sein könnte.

41

Sollte das im Lichte insbesondere der bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben anders zu verstehen sein, fehlt es jedenfalls an einer eigenständigen Sonder"Regelung" iS des § 22b Abs 3 SGB II; darauf hat bereits das LSG zutreffend hingewiesen. Normative Wirkung im Sinne des Regelungsauftrags nach § 22b Abs 3 SGB II kann der Bestimmung abstrakt angemessener Bedarfe für Personengruppen mit typischerweise(vgl BT-Drucks 17/3404 S 101) besonderen Bedarfen für Unterkunft und Heizung nur zukommen, wenn für sie nach im Einzelnen erfassbaren tatbestandlichen Voraussetzungen und Grenzen abstrakt bestimmte und für alle Normadressaten deshalb unmittelbar nachvollziehbare Werte vorgegeben sind. Daran fehlt es hier in doppelter Hinsicht.

42

Zum einen sind schon die Voraussetzungen für die Erhöhung der allgemeinen Richtwerte nach § 4 WAV nicht umrissen, sondern es ist auf die Umstände des Einzelfalls verwiesen ("in besonders begründeten Einzelfällen"). Wenn nicht angenommen werden soll, dass schlechthin alle über 60-jährigen Leistungsberechtigten Anspruch auf erhöhte Leistungen für Unterkunft und Heizung haben sollen, trifft die Norm somit schon nach dem Tatbestand gerade selbst keine Sonderregelung iS von § 22b Abs 3 SGB II, sondern sie überweist dies der Beurteilung der Verwaltung im Einzelfall. Das gilt zum anderen auch deshalb, weil auch unbedingte Rechtsfolgen anzuerkennender Sonderbedarfe nicht in der Norm selbst angeordnet sind, sondern die Entscheidung im Einzelfall dem Ermessen der Verwaltung überantwortet ist ("können die Richtwerte … überschritten werden"). § 6 Abs 2 WAV trifft damit nicht selbst eigene Bestimmungen iS von § 22b Abs 3 SGB II, sondern delegiert die Entscheidung über die hiernach zu berücksichtigenden besonderen Bedarfe in jedem Einzelfall auf die Verwaltung. Abgesehen davon, dass diese dazu nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II ohnehin berufen ist und sich im Hinblick hierauf sonach die Frage nach der Rechtswirkung der 10 %-Grenze stellt, verfehlt die Norm schon damit den umrissenen Schutzauftrag des § 22b Abs 3 SGB II, die Angehörigen von Personengruppen mit typischerweise besonderen Wohnbedarfen nach Möglichkeit bereits durch abstrakt-generell wirkende Typisierungen von den Anforderungen des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II freizustellen.

43

b) Verfehlt ist dieser Auftrag weiter deshalb, weil - in der Konsequenz der Ausgestaltung liegend - die "Sonderregelungen" des § 6 Abs 2 WAV ersichtlich in keiner Weise auf Erhebungen gestützt sind, die im dargelegten Sinne zeit- und realitätsgerecht eine typisierende Erfassung der umfassten Sonderbedarfe nach den Verhältnissen des Berliner Wohnungsmarktes in Bezug insbesondere auf Größe, Ausstattung oder Lage des benötigten Wohnraums erlauben könnten. Solche Erhebungen weisen schon die Materialien nach § 22b Abs 2 Satz 1 SGB II nicht nach(vgl GVBl 2012, 103 ff), jedenfalls steht hiergegen der Umstand, dass für schlechthin jede der in § 6 Abs 2 WAV im Einzelnen aufgeführten und sehr verschiedenen Personengruppen eine Erhöhungsmöglichkeit um bis zu 10 % vorgesehen ist, obwohl ihnen zum Teil tatbestandlich fassbare Sonderbedarfe schon gar nicht zugrunde liegen können. In besonderer Weise augenfällig ist das für die Gruppe der "Personen, die in absehbarer Zeit kostendeckende Einkünfte haben" (§ 6 Abs 2 Buchst f WAV), gilt aber auch für die sonstigen Gruppen. Sollte nicht anzunehmen sein, dass die Werte danach auf - im Wege der untergesetzlichen Normsetzung unzulässigen - politischen Setzungen beruhen, können sie jedenfalls allenfalls "Schätzungen ins Blaue" sein, was zur Konkretisierung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II schlechterdings unzureichend und deshalb auch im Rahmen untergesetzlicher Normgebung unzulässig ist(zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171; zu § 22 Abs 1 SGB II vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21).

44

8. Erfolg hat hiernach die Revision des Antragstellers, soweit die WAV - bezogen auf sein Interesse, nicht gemäß § 35a SGB XII in deren Geltungsbereich einbezogen zu werden - in Bezug auf die Sonderbedarfsregelung für die "über 60-jährigen Hilfeempfangenden" in § 6 Abs 2 Buchst d wegen Verstoßes gegen § 22b Abs 3 SGB II nach § 55a Abs 5 Satz 2 Halbs 1 SGG für unwirksam zu erklären ist; in diesem Umfang ist zugleich die Revision des Antragsgegners zurückzuweisen.

45

Ohne Erfolg ist der Antragsteller hingegen mit dem weitergehenden Begehren geblieben, die WAV auch im Übrigen für unwirksam zu erklären. Hierfür fehlt es nach dem Ausspruch zu § 6 Abs 2 Buchst d WAV offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise an einem anzuerkennenden Rechtsschutzinteresse, denn wegen der Ungültigkeit jedenfalls dieses Normteils fehlt es an jeder möglichen Anknüpfungsgrundlage für eine Geltungserstreckung der WAV auf den dauerhaft aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschiedenen Antragsteller nach Maßgabe von § 35a SGB XII; insoweit verfolgt er mit seinem weitergehenden Begehren Interessen, die zur Verbesserung seiner Rechtsstellung offenkundig nicht beitragen können und über die danach im hier anhängigen Normenkontrollverfahren (zu weiteren anhängigen Revisionsverfahren zur WAV vgl B 4 AS 34/13 R, B 4 AS 52/13 R sowie B 14 AS 53/13 R) nicht entschieden zu werden braucht.

46

Zur Vermeidung weiterer Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten über die Geltungswirkung der WAV für Ansprüche des Antragstellers hat der Senat deshalb jedoch den Ausspruch zu § 6 Abs 2 Buchst d WAV zum einen mit der Feststellung verbunden, dass die WAV für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII nicht gilt und dies zum anderen dadurch verdeutlicht, dass er die Worte "und Zwölften" in der Überschrift der WAV für unwirksam erklärt hat.

47

9. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Die Revision des Antragsgegners gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. September 2013 - L 36 AS 1987/13 NK - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die vom Senat des Landes Berlin, dem Antragsgegner, erlassene "Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" (Wohnaufwendungenverordnung - WAV, hier in der Fassung vom 3.4.2012, GVBl 99).

2

Mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453) räumte der (Bundes-)Gesetzgeber den Ländern bei materiell ansonsten im Wesentlichen unveränderter Rechtslage zur Übernahme von Unterkunfts- und Heizkosten die Befugnis ein, die Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS von § 22 Abs 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zum Gegenstand kommunaler Rechtsetzung zu machen. Demgemäß können die Länder die Kreise und kreisfreien Städte nach § 22a Abs 1 Satz 1 SGB II durch Gesetz ermächtigen oder verpflichten, "durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind". Entsprechendes gilt für die Länder Berlin und Hamburg, die (durch Landesgesetz) bestimmen, "welche Form der Rechtsetzung an die Stelle einer nach Satz 1 vorgesehenen Satzung tritt" (§ 22a Abs 1 Satz 3 SGB II).

3

Gestützt auf eine diese Befugnisse wahrnehmende Rechtsverordnungsermächtigung in § 8 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: AG-SGB II) des Landes Berlin(hier idF des Gesetzes vom 13.7.2011, GVBl 344) ist vom Senat des Landes Berlin am 3.4.2012 mit Wirkung vom 1.5.2012 die im Streit stehende WAV erlassen worden, die auszugsweise wie folgt lautet:

4

"§ 1

Anwendungsbereich

Diese Verordnung regelt, in welcher Höhe im Land Berlin Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen im Sinne des § 22 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch sind. Die Regelungen erfolgen auf der Grundlage der §§ 22a bis 22c des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch.

        

§ 2

Begriffsbestimmungen

(1) Zu den tatsächlichen Aufwendungen im Sinne des § 22 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für Mietwohnungen gehören die Nettokaltmiete, die kalten Betriebskosten gemäß der Betriebskostenverordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2346) in der jeweils geltenden Fassung, die Heizkosten, die Warmwasserbereitungskosten, die nicht aufgrund dezentraler Warmwassererzeugung im Sinne des § 21 Absatz 7 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch entstehen, und sonstige mietvertraglich geschuldete Leistungen (Bruttowarmmiete). Ebenso gehören dazu auch einmalig anfallende Nachzahlungen, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind.

(…)     

        

§ 3

Datengrundlagen

(1) Die Bestimmung der angemessenen Wohnfläche gemäß § 22b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch erfolgt auf der Grundlage der anerkannten Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau und ergänzend der Wohnungsbauförderungsbestimmungen.

(2) Die Bestimmung der angemessenen Höhe der Aufwendungen für die Unterkunft gemäß § 22b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch erfolgt gemäß § 22c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch auf der Grundlage des jeweils gültigen Berliner Mietspiegels als qualifiziertem Mietspiegel gemäß § 558d BGB und der jeweils mit dem Berliner Mietspiegel veröffentlichten Betriebskostenübersicht.

(3) Die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für die Heizung gemäß § 22b Absatz 1 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch erfolgt auf der Grundlage des von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten bundesweiten Heizspiegels in der jeweils geltenden Fassung. Zur Ermittlung der Erhöhung der Richtwerte für Wohnungen mit nicht dezentraler Warmwassererzeugung im Sinne des § 21 Absatz 7 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch werden ebenfalls die Werte des bundesweiten Heizspiegels zu Grunde gelegt.

(4) Die als angemessen anerkannte Wohnfläche und die Höhe der als angemessen anerkannten Aufwendungen für die Unterkunft sind der Tabelle A der Anlage 1 zu dieser Verordnung zu entnehmen. Die Höhe der als angemessen anerkannten Heizkosten sind der Tabelle B der Anlage 1 zu dieser Verordnung zu entnehmen.

        

§ 4

Gesamtangemessenheitsgrenze

Auf der Grundlage des Konzepts zu dieser Verordnung wird gemäß § 22b Absatz 1 Satz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch eine Gesamtangemessenheitsgrenze gebildet. Die Richtwerte für angemessene monatliche Bruttowarmmieten und für angemessene monatliche Aufwendungen bei selbst bewohntem Wohneigentum sind der Tabelle A der Anlage 2 zu dieser Verordnung zu entnehmen. Wird der Wohnraum mit anderen als in der Tabelle A der Anlage 2 zu dieser Verordnung genannten Heizenergieträgern beheizt, sind die nach Bedarfsgemeinschaftsgröße und Gebäudefläche höchsten maßgeblichen Richtwerte zu Grunde zu legen. Erfolgt die Warmwassererzeugung nicht dezentral im Sinne des § 21 Absatz 7 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, ist der Richtwert nach der Tabelle A der Anlage 2 zu dieser Verordnung um den entsprechenden Zuschlag nach der Tabelle B der Anlage 2 zu dieser Verordnung zu erhöhen.

(…)     

        

§ 6

Besondere Bedarfe für Unterkunft und Heizung

zur Bestimmung der individuellen Angemessenheit

(1) Sofern die tatsächlichen Aufwendungen der Leistungsberechtigten den Richtwert gemäß § 4 überschreiten, gelten wegen besonderer Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22b Absatz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zur individuellen Bestimmung der Angemessenheit abweichend von den Richtwerten nach § 4 die in den Absätzen 2 bis 9 getroffenen Sonderregelungen.

(…)"   

5

Nach dem mit der WAV als Begründung gemäß § 22b Abs 2 SGB II veröffentlichten Konzept zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung(GVBl 2012, 103 ff) wird als Grundlage für die Beurteilung der Angemessenheit von Heizkosten der von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellte bundesweite Heizspiegel herangezogen. Für den jeweils in den Richtwert als Bruttowarmmiete einfließenden Grenzwert werden nach diesem Konzept die Werte aus der Spalte "zu hoch" des bundesweiten Heizspiegels zugrunde gelegt.

6

Am 1.8.2013 trat die Erste Verordnung zur Fortschreibung der Wohnaufwendungenverordnung (WAV-Fortschreibungsverordnung 2013) vom 16.7.2013 (GVBl 348) in Kraft, durch die die Anlagen 1 und 2 zur WAV vom 3.4.2012 neu gefasst wurden, diese im Übrigen aber unverändert blieb. Am 1.3.2014 trat die Zweite Verordnung zur Fortschreibung der Wohnaufwendungenverordnung (WAV-Fortschreibungsverordnung 2014) vom 11.2.2014 (GVBl 63) in Kraft, durch die die Tabelle B der Anlage 1 und die Anlage 2 zur WAV vom 3.4.2012 in der durch die WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 geänderten Fassung neu gefasst wurden; im Übrigen blieb die WAV unverändert. Jeweils ist in der den Fortschreibungsverordnungen beigegebenen Begründung nach § 22b Abs 2 SGB II ausgeführt, dass das mit der WAV veröffentlichte Konzept zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung weiter gilt.

7

Die miteinander verheirateten, im Land Berlin - dem Antragsgegner - lebenden Antragsteller beziehen seit dem 2.5.2011 Arbeitslosengeld II nach dem SGB II. Sie bewohnen seit dem 16.5.2011 - inzwischen zusammen mit ihrer 2012 geborenen, Sozialgeld nach dem SGB II beziehenden Tochter - eine angemietete ca 68 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung, die über eine mit Erdgas betriebene Etagenheizung verfügt. Die Warmwasserbereitung erfolgt über einen Gas-Durchlauferhitzer. Für die Wohnung war bis zum 31.12.2012 eine Bruttokaltmiete iHv monatlich 546,08 Euro zu zahlen (Nettokaltmiete 443,69 Euro und Vorauszahlung für kalte Betriebskosten 102,39 Euro). An den Gasversorger waren Abschläge zunächst iHv monatlich 69 Euro und ab August 2012 iHv monatlich 79 Euro zu zahlen, sodass die Bruttowarmmiete zunächst 615,08 Euro und ab August 2012 625,08 Euro im Monat betrug. Nach einer Kostensenkungsaufforderung vom 19.8.2011 anerkannte das für die Antragsteller zuständige Jobcenter ab 1.3.2012 mit Rücksicht auf die bevorstehende Geburt der Tochter einen Gesamtbedarf für Unterkunft und Heizung iHv monatlich 542 Euro, der dem Richtwert für eine angemessene Bruttowarmmiete für einen Drei-Personen-Haushalt nach den Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII des Landes Berlin vom 10.2.2009 entsprach. Gegen die Bewilligungsentscheidungen für die Zeit ab 1.5.2012 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 30.10.2012 erhoben die Antragsteller Klage vor dem Sozialgericht Berlin, die dort unter dem Aktenzeichen S 169 AS 30680/12 noch anhängig ist. Durch Änderungsbescheid vom 21.5.2013 erhöhte das Jobcenter den anerkannten Gesamtbedarf der Antragsteller (und ab 2.8.2012 ihrer Tochter) für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.5.2012 bis 31.10.2012 auf monatlich 579 Euro unter Hinweis auf den "Richtwert Bruttowarm" für eine aus drei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft bei einer Gebäudefläche von 100 bis 250 qm und einer Beheizung mit Erdgas nach der Anlage 2 (zu § 4), Tabelle A (zu § 4 Satz 2 bis 4) der WAV vom 3.4.2012. Mit ihrem bereits am 14.6.2012 gestellten Normenkontrollantrag vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) begehren die Antragsteller, die WAV für unwirksam zu erklären, weil sie nicht den Voraussetzungen der §§ 22a bis 22c SGB II entspreche.

8

Das LSG hat im vorliegenden Normenkontrollverfahren entschieden, dass die WAV vom 3.4.2012 unwirksam ist und dass diese Feststellung für den Zeitraum vom 1.5.2012 bis 31.7.2013 getroffen wird (Urteil vom 4.9.2013). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der in vollem Umfang zulässige Normenkontrollantrag sei begründet, weil die formell rechtmäßige WAV eine unzulängliche Regelung einer Gesamtangemessenheitsgrenze auf der Grundlage eines Bruttowarmmietenkonzepts getroffen habe, die zur Unwirksamkeit der WAV führe. Zwar habe sich der Verordnungsgeber für ein Bruttowarmmietenkonzept entscheiden dürfen. Die Bildung der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 Satz 1 iVm § 3 WAV entspreche indes nicht der Ermächtigung, denn sie folge - jedenfalls für die Heizkosten - nicht in ausreichendem Maße den Anforderungen aus § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II an die Bestimmung abstrakt angemessener Bedarfe auf belastbarer Datengrundlage. Wenn aber nur ein Wert (Bedarf für Bruttokaltmiete) dem gebotenen Modus der Herleitung und Ermittlung folge, der andere ergebnisrelevante Wert (Bedarf für Heizung) hingegen nicht, könne die Summe regelmäßig die abstrakt angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nicht ermächtigungskonform darstellen.

9

Der Verordnungsgeber habe in § 3 Abs 3 WAV für die Heizkosten auf die Werte des bundesweiten Heizspiegels zurückgegriffen, die als Grenzwerte indes die individuelle Prüfung tatsächlich anfallender Heizkosten auslösen, als Unwirtschaftlichkeitsgrenze aber nicht der Bestimmung der abstrakt angemessenen Heizkosten dienen würden. Dies schließe es aus, die Grenzwerte unter Wahrung der § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zu entnehmenden Grundsätze zur Bestimmung abstrakt angemessener Bedarfe, die allein Gegenstand der Verordnungsermächtigung seien, und im Weiteren dann zur Bildung der Richtwerte (Gesamtangemessenheitsgrenze) heranzuziehen. Eine Gesamtangemessenheitsgrenze, die Austauscheffekte zwischen unangemessen hohen Bedarfen für Unterkunft oder Heizung zulasse, sei nur hinnehmbar, wenn alle Elemente eines zusammengesetzten Bedarfs realitätsnah bestimmt seien. Daran fehle es hier. Die Heranziehung eines Grenzwerts zu hoher Heizkosten zur Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze eröffne regelhaft ein Aufstockungspotenzial für Bruttokaltmieten, die über den abstrakt angemessenen Werten lägen. In diesem Sinne "infiziere" der Verzicht auf die Bildung einer abstrakten Angemessenheitsgrenze für Heizkosten die Angemessenheitsbestimmung für die Bruttokaltmiete und verzerre deren Ergebnisse, sodass die Leistungen, die sich aus der Gesamtbedarfsbestimmung der WAV ergäben, im Einzelfall nicht mehr den nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II maßgebenden Bedarfen entsprächen.

10

Die Auswirkungen dieser dem § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht entsprechenden Bildung der Richtwerte seien nicht zu vernachlässigen und deshalb insgesamt zu beanstanden. Denn der Betrag des Grenzwerts nach dem Heizspiegel, der "in die Bruttokaltmiete fließe", wenn diese "zu hoch" und der Heizkostenbedarf durchschnittlich sei, sei als substanzielle Verschiebung der im Rahmen des schlüssigen Konzepts gewonnenen Angemessenheitswerte zu bewerten, der jede filigrane Überlegung zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten ad absurdum führe.

11

Dass die Gesamtangemessenheitsgrenze keinen Bestand habe, führe insgesamt zur Unwirksamkeit der WAV in ihrer ursprünglichen Fassung vom 3.4.2012. Dies sei eindeutig für die Regelungen, die auf der Gesamtangemessenheitsgrenze aufbauen oder sie ergänzen würden. Doch auch für die anderen Regelungen lägen die Voraussetzungen einer Abtrennbarkeit nicht vor. Es könne insbesondere nicht festgestellt werden, dass der Verordnungsgeber zumindest die Bruttokaltmiete so wie geschehen festgelegt haben würde, wenn die Unwirksamkeit der ausgehend von diesen Werten im Weiteren in der WAV bestimmten Gesamtangemessenheitsgrenzen bekannt gewesen sein würde. Zum einen würde der Verordnungsgeber von seinen Gestaltungsmöglichkeiten anders Gebrauch gemacht haben können. Zum anderen sei die Festlegung der Bruttokaltmiete im Rahmen eines schlüssigen Konzepts kein reiner Erkenntnisakt, an dessen Ende nur ein bestimmtes Ergebnis stehen könne, vielmehr könne die zutreffende Beachtung normativer und das Erkenntnisverfahren betreffender Vorgaben zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

12

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Antragsgegner, dass die materiell-rechtlichen Erwägungen des LSG zu den bundesrechtlichen Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II einer Überprüfung nicht standhalten. Die Bestimmung der angemessenen Heizkosten sei auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfolgt (Hinweis auf Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23). Auch deren Einbeziehung in die Gesamtangemessenheitsgrenze stehe mit Bundesrecht in Einklang. Denn nach der Rechtsprechung des BSG handele es sich beim Grenzwert des bundesweiten Heizspiegels nicht nur um einen die Unwirtschaftlichkeit indizierenden Grenzwert, sondern um den Wert, bis zu dem die Heizkosten als angemessen gelten sollten, sofern hierzu keine konkreteren regionalen Daten vorlägen. Eine grundsicherungsrechtlich schlüssige Ermittlung eines Durchschnittwerts bei Heizkosten scheide indes aus. Durch die Einbeziehung der so bestimmten Heizkosten in die nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II zulässige Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze (Bruttowarmmiete) könne die existenzsichernde Bedarfsdeckung in allen Einzelfällen erreicht werden. Eine andere Lösung sei für die Bestimmung angemessener Heizkosten gemäß den vom BSG aufgestellten Grundsätzen nicht ersichtlich.

13

Der Antragsgegner beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. September 2013 - L 36 AS 1987/13 NK - aufzuheben und den Normenkontrollantrag der Antragsteller abzulehnen.

14

Die Antragsteller beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass die WAV vom 3.4.2012 unwirksam ist (dazu unten 3. bis 7.). Zu Recht hat das LSG diese Feststellung nur für den Zeitraum vom 1.5.2012 bis 31.7.2013 getroffen (dazu unten 1. und 2.).

16

1. Streitgegenstand ist die WAV in der Fassung vom 3.4.2012, die das LSG für die Zeit vom 1.5.2012 bis 31.7.2013 für unwirksam erklärt hat. Beim BSG angefallen ist das Normenkontrollverfahren demnach mit dem Rechtsstand, wie er Gegenstand der Entscheidung des LSG war, also in der vom Senat des Landes Berlin beschlossenen Fassung der WAV vom 3.4.2012 (GVBl 99). Nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist dagegen die WAV in der Fassung ihrer am 1.8.2013 in Kraft getretenen Fortschreibung durch die WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 vom 16.7.2013 (GVBl 348) mit den Änderungen in den Anlagen 1 und 2 und ihrer am 1.3.2014 in Kraft getretenen Fortschreibung durch die WAV-Fortschreibungsverordnung 2014 vom 11.2.2014 (GVBl 63) mit den Änderungen in den Anlagen 1 und 2.

17

Denn als Norm des Landesrechts obliegen die Feststellung ihres Inhalts und ihre Auslegung, von Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich allein dem LSG (§§ 162, 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz iVm § 560 Zivilprozessordnung). Das LSG hat, ohne dass dies dem Senat Anlass zu Beanstandungen bietet, insoweit ausgeführt, dass durch den Erlass der WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 ein zeitlich abgegrenzter Regelungskomplex entstanden sei, der durch die Geltung anderer Mietwerte gekennzeichnet sei, und dass die WAV in ihrer ursprünglichen Fassung partiell am 1.8.2013 außer Kraft getreten sei. Die WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 bilde eine Zäsur, durch die für die Zukunft eine inhaltlich abweichende Regelung geschaffen worden sei. Diese Ausführungen des LSG beanspruchen Geltung der Sache nach auch für die WAV-Fortschreibungsverordnung 2014, die im Zeitpunkt der Entscheidung des LSG noch nicht in Kraft getreten war.

18

Aufgrund des Urteils des Senats vom 17.10.2013 (B 14 AS 70/12 R - SozR 4-4200 § 22a Nr 1) gilt die WAV nicht (mehr) für Leistungsempfänger nach dem SGB XII. Durch das Urteil wurden in der Überschrift der WAV die Wörter "und Zwölften" und § 6 Abs 2 Buchst d WAV für unwirksam erklärt. Insoweit ist die WAV nicht mehr Gegenstand des Normenkontrollverfahrens.

19

2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Der statthafte Normenkontrollantrag nach § 55a Abs 1 SGG der Antragsteller, denen unter Hinweis auf die Regelungen der WAV Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen erbracht worden sind, ist vollen Umfangs zulässig, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat.

20

Die Antragsteller sind insbesondere für ihr Begehren, die WAV vom 3.4.2012 für unwirksam zu erklären, antragsbefugt (vgl zu den Anforderungen an die Antragsbefugnis für Normenkontrollanträge nach § 55a SGG näher Urteil des Senats vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - SozR 4-4200 § 22a Nr 1 RdNr 22 bis 24 mwN). Weder ihrer Antragsbefugnis noch ihrem Rechtsschutzbedürfnis steht entgegen, dass ihr vor dem LSG gestellter Normenkontrollantrag allein die WAV in ihrer ursprünglichen Fassung mit den bis zum 31.7.2013 geltenden Anlagen 1 und 2 betraf. Insoweit hat der Senat bereits entschieden (Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R, aaO, RdNr 25 mwN), dass zum einen die Fortschreibung der Angemessenheitsgrenzen der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den Bestand der übrigen Regelungen der WAV ohnehin unberührt lässt und zum anderen die durch die Neufassung verdrängten Werte nicht förmlich aufgehoben sind und deshalb für den Zeitraum seit Inkrafttreten der WAV ab 1.5.2012 bis zum 31.7.2013 weiterhin gelten. Solange Rechtsvorschriften solche Wirkungen zu äußern vermögen, können sie Gegenstand einer Normenkontrolle sein.

21

3. Die WAV ist zwar nach bundesrechtlichen wie nach landesrechtlichen Maßstäben formell rechtmäßig. Das LSG hat die formelle Rechtmäßigkeit nach landesrechtlichen Maßstäben geprüft und bejaht, ohne dass dies dem Senat Anlass zu Beanstandungen bietet.

22

Die WAV ist indes materiell rechtswidrig und vom LSG zu Recht für unwirksam erklärt worden. Denn die Anforderungen an die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II, die nach Bundesrecht wie bei der Konkretisierung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch die Verwaltung eine realitätsgerechte Erfassung der Bedarfe für Unterkunft und ggf Heizung erfordern(dazu unter 4.) und die für die Bestimmung der angemessenen Heizkosten nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II im Rahmen einer Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II ebenso gelten(dazu unter 5.), werden nicht erfüllt (dazu unter 6.). Die Verfehlung dieser höherrangigen bundesrechtlichen Anforderungen betrifft die WAV in ihrem Kern. Sie ist deshalb insgesamt unwirksam; eine nur teilweise Unwirksamkeit kommt nicht in Betracht (dazu unter 7.).

23

4. Die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II erfordert die realitätsgerechte Erfassung der Bedarfe für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II) in gleicher Weise, wie es der Verwaltung bei der Konkretisierung der abstrakt angemessenen Bedarfe nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegeben ist(vgl zu den Anforderungen an die Wahrnehmung der Normsetzungskompetenz nach § 22a Abs 1 SGB II näher Urteil des Senats vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R, aaO, RdNr 27 bis 33 mwN).

24

a) Mit den durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführten §§ 22a bis 22c SGB II hat der Gesetzgeber die Grundlage dafür geschaffen, die abstrakt angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung anstatt durch die ansonsten dazu berufene Verwaltung auch im Wege untergesetzlicher Normsetzung bestimmen zu können. Eine entsprechende landesrechtliche Ermächtigung vorausgesetzt, können demgemäß seither alle der abstrakten Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zuzurechnenden Bestimmungen durch untergesetzliche Normen iS von § 22a Abs 1 SGB II getroffen werden. Inhaltlich getroffen werden müssen mindestens Bestimmungen darüber, (1.) welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt wird und (2.) in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterkunft als angemessen anerkannt werden (§ 22b Abs 1 Satz 1 SGB II). Abgebildet werden sollen hierdurch die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt (§ 22a Abs 3 Satz 1 SGB II) und zwar nach Möglichkeit unter Berücksichtigung insbesondere von Mietspiegeln, qualifizierten Mietspiegeln und Mietdatenbanken und/oder von geeigneten eigenen statistischen Datenerhebungen und -auswertungen der Normgeber oder Erhebungen Dritter (§ 22c Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB II).

25

b) Bezugspunkt der damit eröffneten untergesetzlichen Normsetzungsbefugnis ist die durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG inhaltlich unverändert gebliebene Regelung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 f; zu Einzelheiten vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 5, Stand: X/2012), wonach Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind.

26

c) Gegenstand auch der untergesetzlichen Normgebung nach § 22a Abs 1 SGB II ist damit die Konkretisierung des durch § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegebenen Begriffs der "Angemessenheit" der Bedarfe für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II). Dieser Begriff unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff uneingeschränkter richterlicher Kontrolle (stRspr, zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 19 f). Zu seiner Ausfüllung ist jedenfalls der abstrakt als angemessen anzuerkennende Mietpreis unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten konkret zu ermitteln (so genannte Referenzmiete; stRspr, zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R, aaO, RdNr 44). Erforderlich dazu sind im Einzelnen überprüfbare Erhebungen und Auswertungen, die eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergeben (so genanntes schlüssiges Konzept, grundlegend BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18 ff; zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R, aaO, RdNr 44). Unzureichend zur Erfassung der sozialen Wirklichkeit sind hingegen Schätzungen pauschaler Werte "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage; das würde den Anforderungen zur Ermittlung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nicht gerecht (zur Regelleistung nach § 20 SGB II aF vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 237 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 171). Das verbietet sich bei der Bestimmung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung gleichermaßen wie bei der Bestimmung der Regelbedarfe (vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21).

27

d) Diese Maßgaben gelten für die untergesetzliche Normsetzung nach §§ 22a bis 22c SGB II nicht anders. Schon der Gesetzeswortlaut bietet keinen Anhalt dafür, dass den Normgebern insoweit andere und von den Gerichten nur in reduziertem Maß gerichtlich zu kontrollierende Spielräume zustehen könnten als der Verwaltung. Im Gegenteil sind die Vorgaben zum Vergleichsmaßstab (§ 22a Abs 3 Satz 1 SGB II), zu den Norminhalten (§ 22b Abs 1 SGB II), zur Datengrundlage (§ 22c Abs 1 SGB II) und den Begründungsanforderungen (§ 22b Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II) im Einzelnen in so enger Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gefasst, dass unterschiedliche Konkretisierungsaufträge und/oder Entscheidungsspielräume im Verhältnis zwischen untergesetzlicher Normsetzung einerseits und verwaltungsmäßigem Vollzug andererseits durch den Gesetzeswortlaut nicht zu belegen sind(ebenso Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 146). Soweit demgegenüber nach den Gesetzesmaterialien die Zielvorgabe des § 22a Abs 3 Satz 1 SGB II nur als ein für die objektive Rechtmäßigkeit der Normsetzung unbeachtlicher Programmsatz anzusehen sein soll(vgl BT-Drucks 17/3404 S 100; dem folgend auch Piepenstock in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 22a RdNr 36), hat dies jedenfalls im Normtext selbst keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (gegen diese Qualifizierung auch Berlit in Münder, LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22a RdNr 26; Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, §§ 22a-22c SGB II RdNr 9; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22a RdNr 11, 24). Das lässt sich auch nicht darauf stützen, dass der untergesetzlichen Normsetzung durch § 22a Abs 3 Satz 2 SGB II die Berücksichtigung von Folgewirkungen aufgegeben ist, die sich uU als Maßstab der Angemessenheitsbestimmung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht notwendig alle wiederfinden. Denn dies trägt jedenfalls nicht den Schluss, dass die nach § 22a Abs 3 Satz 1 SGB II für die Normsetzung maßgeblichen Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt durch wertende Entscheidung der Normgeber ersetzt werden könnten. Dagegen spricht auch, dass in § 22b Abs 1 Satz 4 SGB II den untergesetzlichen Normgebern die Unterteilung ihrer Gebiete ermöglicht wird, "um die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt realitätsgerecht abzubilden", und dadurch die Maßgeblichkeit dieser Verhältnisse für die Normsetzung erneut betont wird, ohne Abweichungen zuzulassen.

28

Die Normsetzungsermächtigung der untergesetzlichen Normgeber durch § 22a Abs 1 SGB II eröffnet solche Spielräume gleichfalls nicht(so aber wohl Groth in Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 1. Aufl 2011, RdNr 367: "Ausübung normativen Ermessens"; skeptisch zum Bestehen eines normativen Gestaltungsspielraums dagegen Axer, SGb 2013, 669, 671; ablehnend Wettlaufer, VSSR 2013, 221, 250). In der Wahrnehmung dieser Ermächtigung konkretisieren die Normgeber in gleicher Weise wie die Verwaltung die die Unterkunft als Teil des physischen Existenzminimums umfassende verfassungsrechtliche Garantie des menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz (, vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 223 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 131 mwN) und haben deshalb die dafür maßgebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Nach der Kompetenzordnung des GG sind demgemäß die Wertentscheidungen über die Leistungshöhe mit Blick auf den Entwicklungsstand des Gemeinwesens und die bestehenden Lebensbedingungen allein dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten (vgl BVerfG, aaO, S 222 ff bzw RdNr 133 ff). Soweit dazu von Verfassungs wegen die soziale Wirklichkeit zu erfassen ist, unterliegt schon er strikten Anforderungen (vgl BVerfG, aaO, S 224 ff bzw RdNr 138 ff). Um so weniger können von diesen Anforderungen die freigestellt werden, von denen die gesetzgeberischen Vorgaben administrativ umzusetzen sind. Das können auch die untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II nicht für sich beanspruchen. Sie sind zwar in besonderer Weise mit den Verhältnissen vor Ort vertraut und können deshalb bessere Kenntnis von den Gegebenheiten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt haben als dies aus der Bundesperspektive möglich wäre (vgl BT-Drucks 17/3404 S 100). Zu eigenen wertenden Entscheidungen sachlich-politischer Art über den zur Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu deckenden Bedarf für Unterkunft und Heizung reicht indes ihre demokratische Legitimation nicht. Wertsetzungen solcher Art sind ausschließlich dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst vorbehalten (vgl BVerfG, aaO, S 224 ff bzw RdNr 138 ff).

29

In keinem geringeren Maß als es der Verwaltung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegeben ist, haben demgemäß auch die untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II die soziale Wirklichkeit im Hinblick auf den Bedarf für Unterkunft und ggf Heizung(vgl § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II) zeit- und realitätsgerecht zu erfassen und dazu auf Verfahren zurückzugreifen, die zu dessen Bemessung im Grundsatz tauglich sind (ebenso Berlit in Münder, aaO, § 22a RdNr 6 ff; Krauß, Sozialrecht aktuell 2011, 144, 146; Luik in Eicher, aaO, § 22a RdNr 9 ff, § 22b RdNr 2).

30

5. Diese aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums abzuleitenden Verfahrensanforderungen an die Konkretisierung abstrakt angemessener Bedarfe durch untergesetzliche Normsetzung gelten uneingeschränkt für die Bestimmung der angemessenen Heizkosten nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II und die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II.

31

a) Nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II kann durch den untergesetzlichen Normgeber - neben den Mindestbestimmungen des § 22b Abs 1 Satz 1 SGB II - auch die Höhe des als angemessen anerkannten Verbrauchswertes oder der als angemessen anerkannten Aufwendungen für die Heizung bestimmt werden. Bei einer solchen Bestimmung kann nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II sowohl eine Quadratmeterhöchstmiete als auch eine Gesamtangemessenheitsgrenze unter Berücksichtigung der in § 22b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II genannten Werte gebildet werden.

32

Ob sich ein angemessener Bedarf für Heizung in Normen nach § 22a Abs 1 SGB II und damit notwendigerweise abstrakt fassen lässt, ist in der Rechtsprechung des BSG und auch in der Literatur zumindest derzeit aus praktischen Gründen skeptisch bis ablehnend beurteilt worden(vgl zuletzt BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 21; Berlit in Münder, aaO, § 22b RdNr 14: "Problem der bedarfsgerechten Abgeltung des Heizungsbedarfs"; Luik in Eicher, aaO, § 22b RdNr 5: nur, "wenn hierfür valide Daten vorliegen"). Wegen ihrer Abhängigkeit vom individuellen Verbrauch, von der Wohnungsbeschaffenheit sowie den Witterungsverhältnissen hielt auch der Gesetzgeber die Heizkosten für dynamischer als die Unterkunftskosten und daher schwerer schematisch zu erfassen; deshalb sieht § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II die Festlegung von Angemessenheitswerten für die Heizung nur optional ("kann") vor(BT-Drucks 17/3404 S 101).

33

Werden aber Regelungen iS von § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II und hieran anknüpfend im Rahmen eines Bruttowarmmietenkonzepts nach § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II getroffen, müssen sie auf hinreichend realitätsgerechte und nachvollziehbare Erhebungen zum abstrakt angemessenen Bedarf für Heizung im maßgeblichen Vergleichsraum gestützt sein(vgl auch die "Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen", hrsg vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2013, S 25 f, 28, 38 f, 48 f: Bestimmung abstrakter Angemessenheitsgrenzen für die Heizkosten möglichst auf Basis lokaler Daten aus dem Geltungsbereich der Satzung).

34

b) Die auch für Heizkosten vorgesehene Prüfung ihrer Angemessenheit hat nach Wortlaut und Systematik des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, wie der Senat bereits im Einzelnen dargelegt hat(stRspr, zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 17), grundsätzlich getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen. Dieser Trennung entspricht die Regelung des § 22b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II, die für eine untergesetzliche Normsetzung Bestimmungen zur angemessenen Höhe der Aufwendungen für die Unterkunft als Mindestinhalt vorschreibt(Satz 1 Nr 2), nicht aber für die Höhe der angemessenen Aufwendungen für die Heizung (Satz 2).

35

Auch der Anspruch auf Leistungen für Heizung als Teil der Gesamtleistung besteht grundsätzlich in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie angemessen sind (stRspr, zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 19). Eine Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Heizung begegnet indes praktischen Schwierigkeiten: Ein abstrakt angemessener Heizkostenpreis pro Quadratmeter für eine "einfache" Wohnung (gestaffelt nach abstrakt angemessenen Wohnungsgrößen) im unteren Segment des konkreten Wohnungsmarktes, dh für alle entsprechenden Wohnungen im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum, müsste auf der Grundlage differenzierter Daten ausgehend von einem als angemessen anzusehenden Heizverhalten des Einzelnen noch klimatische Bedingungen, wechselnde Energiepreise, die "typischen" Energieträger, vor allem aber den im entsprechenden Mietsegment "typischen" Gebäudestandard und den technischen Stand einer als "typisch" anzusehenden Heizungsanlage erfassen. Der Rückgriff auf einen weniger ausdifferenzierten Wert als Quadratmeterhöchstgrenze würde eine unzulässige Pauschalierung von Heizkosten bedeuten (stRspr, zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 21).

36

Da gleichwohl auch hinsichtlich der Aufwendungen für Heizung unangemessen hohe Kosten vom Träger der Grundsicherung nicht gezahlt werden müssen, eine abstrakte Festlegung aus den genannten Gründen aber schwierig ist, hat im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II eine Prüfung der Heizkosten auf ihre Angemessenheit hin orientiert an den Verhältnissen des Einzelfalles zu erfolgen. Dabei ist regelmäßig dann von unangemessen hohen Heizkosten auszugehen, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden, die der Senat den von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten "Kommunalen Heizspiegeln" bzw dem "Bundesweiten Heizspiegel" entnimmt (stRspr, zuletzt: BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 22). An der Heranziehung eines solchen Grenzwertes ist aus Gründen der Praktikabilität festzuhalten, solange der jeweils örtlich zuständige Träger der Grundsicherung keine im dargestellten Sinne differenzierte Datenermittlung für den konkreten Vergleichsraum durchgeführt hat, die zuverlässige Schlüsse auf einen Wert für grundsicherungsrechtlich angemessene Heizkosten in seinem Zuständigkeitsbereich zulässt (BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 22).

37

Die aus den dargestellten praktischen Schwierigkeiten abgeleitete Notwendigkeit, den Grenzwert des Heizspiegels im Einzelfall heranzuziehen, erhellt, dass die Werte des bundesweiten (oder kommunalen) Heizspiegels etwas anderes als die Bestimmung abstrakt angemessener Heizkosten sind. Der Grenzwert markiert nicht angemessene Heizkosten, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass im Einzelfall von unangemessenen Heizkosten auszugehen ist; das Überschreiten des Grenzwertes kann lediglich als Indiz für die fehlende Angemessenheit angesehen werden. Eine Absenkung der zu zahlenden Heizkosten kann auch bei Überschreiten des Grenzwertes nur aufgrund einer Angemessenheitsprüfung im Einzelfall erfolgen und die in Folge dieser Einzelfallprüfung zu zahlenden Heizkosten ergeben sich ohnehin nicht aus dem Heizspiegel. Die Werte des Heizspiegels geben nicht das tatsächliche Preisniveau auf dem Wohnungsmarkt wieder und sind deshalb nicht im Sinne eines abstrakt angemessenen Quadratmeterhöchstwerts für Heizkosten zu verstehen (BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 23, 25, 32).

38

Der Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II hat demnach, bezieht er auch die Aufwendungen für die Heizung nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II in seine Regelungen ein, eine Datenermittlung zur Bestimmung eines differenzierten abstrakt angemessenen Wertes der Heizkosten im in Bezug zu nehmenden Wohnsegment durchzuführen(vgl bereits BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 33).

39

c) Diese Anforderungen an die Bestimmung abstrakt angemessener Aufwendungen für die Heizung nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II schlagen auf die Anforderungen an die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze iS des § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II durch. Für die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze bedarf es nicht nur der realitätsgerechten Bestimmung, in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterkunft als abstrakt angemessen anerkannt werden, sondern auch der realitätsgerechten Bestimmung der als abstrakt angemessen anerkannten Aufwendungen für die Heizung (ebenso Berlit in Münder, aaO, § 22b RdNr 25 f). Nur beides zusammen kann eine rechtmäßige normative Bestimmung der Gesamtangemessenheitsgrenze im Rahmen eines Bruttowarmmietenkonzepts leisten, innerhalb dessen abweichend von der zu § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II ergangenen Rechtsprechung die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht getrennt, sondern ohne Rücksicht auf ihre jeweilige Angemessenheit bis zur einheitlich bestimmten Obergrenze als angemessen anzuerkennen sind(vgl BT-Drucks 17/3404 S 101).

40

Dass die beschriebenen praktischen Schwierigkeiten einer auf einer hinreichend differenzierten, methodisch akzeptablen Datengrundlage beruhenden Bestimmung abstrakt angemessener Aufwendungen für die Heizung auch auf die Möglichkeit der Bildung einer abstrakten Gesamtangemessenheitsgrenze durchschlagen, hat der Senat zuletzt in seinem Urteil vom 12.6.2013 deutlich gemacht (B 14 AS 60/12 R, aaO, RdNr 21). Schon zuvor hat der Senat in seinem Urteil vom 2.7.2009 (B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 19), auf das sich der Antragsgegner bezieht, für die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze das Erfordernis der Festlegung eines verlässlich ermittelten abstrakt angemessenen Heizkostenpreises pro Quadratmeter für eine "einfache" Wohnung im unteren Segment des Wohnungsmarktes formuliert. Hieran ist festzuhalten.

41

Der Gesetzgeber hat in Kenntnis dieser Rechtsprechung durch § 22b Abs 1 Satz 2 und 3 SGB II zum Ausdruck gebracht, die Bestimmung abstrakt angemessener Aufwendungen für die Heizung und die Bildung einer abstrakten Gesamtangemessenheitsgrenze durch untergesetzliche Normen für möglich zu halten. Die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze für Unterkunfts- und Heizkosten ist nach dem Gesetz zulässig und für ihre Umsetzung durch untergesetzliche Normgeber sind durch die Rechtsprechung keine unerfüllbaren Anforderungen zu formulieren. Doch da der Gesetzgeber des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG zugleich an § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II festgehalten hat(vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 f), bewirkt die Ermächtigung, § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch untergesetzliche Normen zu konkretisieren, keine Lockerung der Verfahrensanforderungen, die aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit in § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II folgen. Aus diesen Anforderungen ergibt sich, dass dem Grenzwert aus einem bundesweiten (oder kommunalen) Heizkostenspiegel nicht die Funktion eines Quadratmeterhöchstwerts für angemessene Aufwendungen für Heizung im Sinne des SGB II zukommt (BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R, aaO, Leitsatz 1). Er scheidet daher auch als in die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze einfließender Wert aus (vgl zu diesem Grundproblem der Ermittlung einer Gesamtangemessenheitsgrenze bereits die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. zur Ausführung einer Satzungsermächtigung bei den Kosten der Unterkunft und Heizung im SGB II und XII, NDV 2011, 349, 351).

42

6. Diesen Maßstäben wird die WAV mit ihren Regelungen zur angemessenen Höhe der Aufwendungen für die Heizung und zur Gesamtangemessenheitsgrenze nicht gerecht.

43

a) Mit der WAV ist nach ihrer Überschrift und ihrem § 1 Satz 1 von der untergesetzlichen Normsetzungsermächtigung in der Weise Gebrauch gemacht worden, dass in ihr nicht nur die nach § 22b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II erforderlichen Bestimmungen zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft getroffen sind, sondern auch die durch § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II ermöglichten Bestimmungen zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Heizung Aufnahme in die Verordnung gefunden haben. Zur Regelung auch der angemessenen Aufwendungen für Heizung war der Antragsgegner bundesrechtlich nicht verpflichtet. Da er sich aber für die Aufnahme auch von Bestimmungen zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Heizung entschieden hat, müssen diese den beschriebenen Anforderungen entsprechen, die an die Bestimmung abstrakt angemessener Bedarfe für Unterkunft und Heizung auf belastbarer Datengrundlage zu stellen sind.

44

Diesen Anforderungen werden die Bestimmungen der WAV zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Heizung nicht gerecht, weil sie nicht auf einer hinreichend differenzierten Datengrundlage beruhen. Nach § 3 Abs 3 Satz 1 WAV erfolgt die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für die Heizung gemäß § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II auf der Grundlage des von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten bundesweiten Heizspiegels in der jeweils geltenden Fassung. Ausweislich der Begründung zur WAV gemäß § 22b Abs 2 SGB II(GVBl 2012, 103 ff) werden als Grundlage für die Beurteilung der Angemessenheit von Heizkosten die Werte aus der Spalte "zu hoch" des bundesweiten Heizspiegels von 2011 zugrunde gelegt.

45

Der Rückgriff auf diesen bundesweiten Grenzwert ist indes etwas anderes als die Ermittlung eines abstrakt angemessenen Bedarfs auf der Grundlage erhobener oder ausgewerteter lokaler Daten. In der Begründung zur WAV ist zwar zutreffend ausgeführt, dass der Grenzwert unangemessenes Heizen indiziert. Unzutreffend ist aber der dort formulierte und statt für eine Einzelfallprüfung für eine normative Bestimmung gezogene Schluss, die Angemessenheit der Heizkosten sei solange zu bejahen, wie diese unter dem Grenzwert lägen. Dies entspricht entgegen den Ausführungen in der Begründung zur WAV - wie unter 5. dargestellt - nicht höchstrichterlicher Rechtsprechung. Denn während die Rechtsprechung des BSG zur Heranziehung des sich aus dem Heizspiegel ergebenden Grenzwerts die konkret-individuelle Angemessenheitsprüfung der Heizkosten zum Gegenstand hat, ist Gegenstand der WAV die abstrakt-generelle Bestimmung angemessener Heizkosten für das Land Berlin. Die Werte aus der Spalte "zu hoch" des bundesweiten Heizspiegels repräsentieren aber nicht die Höhe der abstrakt angemessenen Aufwendungen für Heizung im Land Berlin. Sie sind als Datengrundlage für die normative Bestimmung der Höhe der als angemessen anerkannten Aufwendungen für die Heizung auf der Ermächtigungsgrundlage des § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II von vornherein ungeeignet. Ob anderes bei einer Berücksichtigung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung abweichend von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch eine monatliche Pauschale gelten könnte, bedarf hier keiner Entscheidung; der Antragsgegner hat von der Ermächtigung zur Pauschalierung in § 22a Abs 2 SGB II keinen Gebrauch gemacht.

46

Damit stellt die WAV für die Bestimmung angemessener Aufwendungen für Heizung auf einen bundesweiten Wert ab, der unangemessen hohe Heizkosten im Einzelfall indiziert und deshalb rechtswidrig zu hoch ist, um als Grundlage für die abstrakte Angemessenheitsbestimmung im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum dienen zu können, für die allein das Bundesrecht die Länder und Kommunen in § 22a Abs 1 iVm § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II zur untergesetzlichen Normsetzung ermächtigt. Durch die so genannte Satzungslösung in § 22a Abs 1 SGB II ist zu einer Normsetzung für die Bestimmung regional angemessener Unterkunfts- und ggf auch Heizkosten ermächtigt worden(vgl BT-Drucks 17/3404 S 99). Werden auch Aufwendungen für die Heizung in diese untergesetzliche Normsetzung einbezogen, wozu das Bundesrecht nach § 22b Abs 1 Satz 2 SGB II nicht verpflichtet, müssen sie deshalb auf der Grundlage von Daten des örtlichen Vergleichsraums als angemessen bestimmt werden.

47

b) Mit der WAV wird nach § 2 Abs 1 Satz 1 und § 4 ein Bruttowarmmietenkonzept verfolgt. Auf dessen Grundlage wird gemäß § 22b Abs 1 Satz 3 SGB II eine Gesamtangemessenheitsgrenze gebildet. In deren Bildung fließen die nach § 3 Abs 3 WAV auf der Grundlage des bundesweiten Heizspiegels bestimmten Aufwendungen für Heizung ein.

48

Die durch den Antragsgegner rechtswidrig bestimmte Höhe der Aufwendungen für Heizung führt zur Rechtswidrigkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV. Denn nur die Zusammenfassung je für sich - unter Beachtung der Verfahrensanforderungen an eine realitätsgerechte Bedarfsbemessung - rechtmäßig bestimmter Höhen der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und für Heizung ergibt eine ermächtigungskonforme untergesetzliche abstrakte Gesamtangemessenheitsgrenze. Entspricht auch nur einer der beiden Werte für die Aufwendungen - Bruttokaltmiete und Heizkosten - nicht den rechtlichen Anforderungen, bewirkt dies die Rechtswidrigkeit der ermittelten Richtwerte für angemessene Bruttowarmmieten insgesamt, die die Gesamtangemessenheitsgrenze nach der WAV bilden.

49

Nach der Begründung zur WAV (GVBl 2012, 103 ff) werden für den jeweils in den Richtwert als Bruttowarmmiete einfließenden Grenzwert für Heizkosten die Werte aus der Spalte "zu hoch" des bundesweiten Heizspiegels zugrunde gelegt. Die Richtwerte zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheit von Bruttowarmmieten werden nach der Begründung sodann auf dieser Grundlage aus dem Produkt von abstrakt angemessener Wohnungsgröße und dem jeweiligen angemessenen qm-Preis für eine Bruttowarmmiete ermittelt. Soweit in der Begründung ausgeführt ist (unter Ziffer 2 am Ende), dass die Angemessenheitsprüfung sich allein auf das Ergebnis des Produkts (Richtwert), nicht jedoch auf die einzelnen Faktoren des Produkts beziehe (so genannte Produkttheorie), stimmt dies insoweit mit der Rechtsprechung des BSG überein - nach der für die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft abzustellen ist auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche einerseits und Ausstattung bzw Standard andererseits, die sich in der Wohnungsmiete niederschlagen, weshalb nicht alle berücksichtigungsfähigen Faktoren jeweils im Bereich der Angemessenheit liegen müssen (stRspr, zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R, aaO, RdNr 31) -, als es nicht jeweils auf die angemessene Wohnfläche und auf angemessene Kosten je Quadratmeter ankommt, sondern die Angemessenheit des Produkts aus Wohnungsgröße und Preis genügt. Damit sollen interne Ausgleiche im Einzelfall ermöglicht werden: Eine Wohnung kann größer sein, wenn ihr qm-Preis günstiger ist; ihr qm-Preis kann teurer sein, wenn sie kleiner ist.

50

Diese Ausrichtung der Produkttheorie ändert aber nichts daran, dass das, was an Bemessungsfaktoren in den jeweiligen angemessenen qm-Preis für die Unterkunft und für die Heizung Eingang gefunden hat, abstrakt angemessen sein muss. Interne Ausgleiche derart, dass die tatsächliche Bruttokaltmiete höher sein kann, wenn die tatsächlichen Heizkosten geringer sind und umgekehrt, sind auch im Konzept einer angemessenen Bruttowarmmiete angelegt. Diese Wirkungen bei der Anwendung einer Gesamtangemessenheitsgrenze im Rahmen der Angemessenheitsprüfung im Einzelfall rechtfertigen es indes nicht, bereits bei der Bildung dieser abstrakten Grenze Faktoren zu berücksichtigen, die ihrerseits nicht den Verfahrensanforderungen an die realitätsgerechte Bemessung abstrakt angemessener Bedarfe genügen. Nur bis zu einer abstrakten Gesamtangemessenheitsgrenze, die gebildet ist aus dem Produkt von abstrakt angemessener Wohnungsgröße und abstrakt angemessenen qm-Preis, der seinerseits aus der Summe von abstrakt angemessener Bruttokaltmiete und abstrakt angemessenen Heizkosten zusammen gesetzt ist, sind bei der Prüfung der Angemessenheit geltend gemachter Bedarfe für Unterkunft und Heizung interne Ausgleiche im Einzelfall möglich. Diese für Leistungen nach dem SGB II beanspruchende Personen begünstigenden Wirkungen der Produkttheorie bewirken mithin nicht ihrerseits eine Absenkung der Verfahrensanforderungen bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, auch nicht für den untergesetzlichen Normgeber nach § 22a Abs 1 SGB II.

51

7. Die WAV vom 3.4.2012 ist insgesamt rechtswidrig und ist zutreffend vom LSG nach § 55a Abs 5 Satz 2 Halbs 1 SGG insgesamt für unwirksam erklärt worden. Sie enthält keine abtrennbaren Regelungen, die für sich isoliert betrachtet eigenständig und rechtmäßig sind und deshalb unter Berücksichtigung der Ziele des Normgebers als Teilregelungen bestehen bleiben könnten (vgl zur Abteilbarkeit von Normen eines Normgefüges bei der objektiven Prüfung im Normenkontrollverfahren nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung, an das sich das Verfahren nach § 55a SGG anlehnt, Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom 18.7.1989 - 4 N 3/87 - BVerwGE 82, 225 = juris RdNr 22, 26 bis 28; BVerwG Beschluss vom 4.6.1991 - 4 NB 35/89 - BVerwGE 88, 268 = juris RdNr 15 bis 16, 24 bis 31; BVerwG Urteil vom 19.9.2002 - 4 CN 1/02 - BVerwGE 117, 58 = juris RdNr 12 bis 13; BVerwG Urteil vom 17.2.2005 - 7 CN 6/04, juris RdNr 15; BVerwG Urteil vom 9.4.2008 - 4 CN 1/07 - BVerwGE 131, 100 = juris RdNr 13). Hierfür streitet auch der der Rechtsprechung des BVerwG zu entnehmende Grundsatz, dass die Teilunwirksamkeit zur Gesamtunwirksamkeit eine von besonderen Umständen abhängende Ausnahme darstellt (vgl BVerwG Beschluss vom 24.4.2013 - 4 BN 22/13 - juris RdNr 3 mwN). Eine solche Ausnahme kommt hier nicht in Betracht, weil mit der Rechtswidrigkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV auf der Grundlage des durch den Antragsgegner verfolgten Bruttowarmmietenkonzepts die WAV in ihrem Kern betroffen ist. Diese steht und fällt mit der Gesamtangemessenheitsgrenze, auf die die weiteren Verordnungsregelungen bezogen sind.

52

a) Insbesondere ist die Bestimmung der angemessenen Höhe der Bruttokaltmiete nach § 3 Abs 2 WAV durch die rechtswidrige Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für die Heizung nach § 3 Abs 3 WAV sowie der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV "infiziert". Zutreffend hat das LSG insoweit - auch unter Hinweis auf die aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen ersichtliche Entstehungsgeschichte der WAV - ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der Verordnungsgeber zumindest die Referenzmiete bruttokalt nach § 3 Abs 2 WAV so wie geschehen festgelegt haben würde, wenn die Unwirksamkeit der ausgehend hiervon im Weiteren in der WAV bestimmten Gesamtangemessenheitsgrenzen bekannt gewesen sein würde. Denn aus der Entstehungsgeschichte der WAV ergibt sich, dass das Bruttowarmmietenkonzept vom Antragsgegner verfolgt worden ist, um Kostensenkungsverfahren, die durch die festgelegten Bruttokaltmieten erforderlich werden könnten, weitgehend zu vermeiden. Die Bruttokaltmiete ist ersichtlich in Kenntnis des Aufstockungspotentials eines hohen Werts für Heizkosten im Rahmen einer Gesamtangemessenheitsgrenze festgelegt worden und danach so eng mit dieser Grenze verflochten, dass ihre Abtrennbarkeit unter Berücksichtigung der Ziele des Normgebers ausscheidet.

53

Es ist die Folge des vom Antragsgegner zugrunde gelegten Bruttowarmmietenkonzepts, dass die Gesamtangemessenheitsgrenze insgesamt rechtswidrig und unwirksam ist, wenn nur einer der zu ihrer Bildung herangezogenen Werte rechtswidrig ist. Mit der Unwirksamkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV geht einher, dass auch die anderen zu ihrer Bildung nach § 3 WAV herangezogenen Werte, einschließlich der als angemessen anerkannten Wohnfläche nach § 3 Abs 1 WAV, diese Unwirksamkeit teilen, selbst wenn sie für sich isoliert betrachtet rechtmäßig ermittelt sein sollten, weil sie mangels Abtrennbarkeit als Teilregelungen bei Unwirksamkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze keinen Bestand haben können. Mit der Unwirksamkeit der Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV ist die Regelung zu ihren Datengrundlagen in § 3 WAV insgesamt unwirksam.

54

Damit aber weist die WAV keinen wirksamen Mindestinhalt nach § 22b Abs 1 Satz 1 SGB II mehr auf, den eine auf die §§ 22a bis 22c SGB II gestützte untergesetzliche Norm nach Bundesrecht aufzuweisen hat. Die Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit von §§ 3 und 4 WAV führen schon deshalb zur Unwirksamkeit der übrigen Regelungen der WAV, die aber auch ohnehin alle auf die den Kern der WAV bildenden Regelungen in §§ 3 und 4 WAV bezogen und neben diesen nicht eigenständig lebensfähig sind.

55

Dies gilt auch für die Sonderregelung des § 6 WAV zu die Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 4 WAV überschreitenden besonderen Bedarfe für Unterkunft und Heizung, die an das Überschreiten des rechtswidrig bestimmten Richtwerts nach § 4 WAV anknüpft. Mangels Abtrennbarkeit dieser Regelung kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich darauf an, ob - was das LSG geprüft und bejaht hat - § 6 WAV auch deshalb unwirksam ist, weil er seinerseits keine allein ermächtigungskonforme Bestimmung abstrakt angemessener besonderer Bedarfe enthält. Doch weicht die Prüfung des LSG nicht von den bundesrechtlichen Anforderungen an Sonderregelungen für besondere Bedarfe nach § 22b Abs 3 SGB II ab, die der Senat in seinem Urteil vom 17.10.2013 formuliert hat (B 14 AS 70/12 R, aaO, RdNr 34 bis 38).

56

b) Der Gesamtunwirksamkeit der WAV steht nicht entgegen, dass diese mit ihrer Anknüpfung an zu hohe Werte für Heizkosten im Rahmen einer Gesamtangemessenheitsgrenze für Leistungen nach dem SGB II beanspruchende Personen potentiell begünstigend wirkt. Auch ist nicht dem Argument des Antragsgegners in seiner Revision zu folgen, die Bestimmung angemessener Heizkosten als Bestandteil der Gesamtangemessenheitsgrenze auf der Grundlage des bundesweiten Heizspiegels führe zur Bedarfsdeckung in allen Einzelfällen und die Einbeziehung offensichtlich hoher Werte zu einer grundsicherungsrechtlich sicheren Lösung. Denn angemessen sind weder zu niedrig noch zu hoch bemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Vielmehr werden diese nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II allenfalls in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Der Korridor angemessener Aufwendungen wird nach oben durch die tatsächlichen Aufwendungen und nach unten durch eine mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum unvereinbare Bedarfsanerkennung begrenzt. In diesem Korridor gibt es einerseits keine feststehende Obergrenze der Angemessenheit, andererseits nicht die Möglichkeit, höhere als nach den maßgeblichen Verhältnissen des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt angemessene Aufwendungen anzuerkennen, denn diese Verhältnisse sind realitätsgerecht abzubilden. Von dieser Vorgabe der Angemessenheit befreit auch nicht die Ermächtigung zu untergesetzlicher Normsetzung in § 22a Abs 1 SGB II(vgl § 22a Abs 3 Satz 1, § 22b Abs 1 Satz 4 SGB II).

57

In einem - wie hier - zulässig angestrengten Normenkontrollverfahren nach § 55a SGG als neben dem Individualrechtsschutz der objektiven Rechtskontrolle dienenden Verfahren kommt es entscheidend ohnehin nicht auf die Wirkungen der zur Überprüfung gestellten Normen, auf ihre Vorteile oder Nachteile im Einzelfall, sondern auf ihre Übereinstimmung mit dem höherrangigen Recht an, denn es ist nach § 55a Abs 1 SGG über ihre Gültigkeit und nicht über eine individuelle Rechtsverletzung zu entscheiden. Es kann deshalb die untergesetzliche normative Bestimmung angemessener Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht dadurch in dem objektiven Rechtsbeanstandungsverfahren nach § 55a SGG vor rechtlicher Kritik geschützt werden, dass sie weitergehende als die durch das höherrangige Gesetzesrecht in § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgegebenen angemessenen Bedarfe berücksichtigt(vgl zum Normenkontrollverfahren als objektivem Rechtsbeanstandungsverfahren Axer, SGb 2013, 669, 672; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 55a RdNr 2, 19, 22; Luik, ZFSH/SGB 2013, 683, insbes 687 f; Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 55a RdNr 2, 18).

58

c) Auch unangemessen zu hoch bemessene Bedarfe können zudem auf längere Sicht nachteilige Wirkungen haben, weil sie geeignet sind, die Marktverhältnisse zu verzerren und auf dem örtlichen Wohnungsmarkt preissteigernd zu wirken (zu den Wirkungszusammenhängen zwischen Kosten der Unterkunft und lokalen Wohnungsmärkten vgl Forschungen Heft 142: "Kosten der Unterkunft und die Wohnungsmärkte. Auswirkungen der Regelungen zur Übernahme der Kosten der Unterkunft auf Transferleistungsempfänger und Kommunen", hrsg vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, 2009).

59

Schließlich können unangemessen zu hoch bemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung, für die der Antragsgegner die Finanzierungslast nicht allein trägt, auch bewirken, dass die zweckgebundene Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 46 Abs 5 SGB II zu hoch ausfällt(vgl zur Möglichkeit von Schadenersatzansprüchen des Bundes BSG Urteil vom 15.12.2009 - B 1 AS 1/08 KL - BSGE 105, 100 = SozR 4-1100 Art 104a Nr 1).

60

8. Da die WAV vom 3.4.2012 insgesamt unwirksam ist, besteht für den Senat kein Anlass, sich auf "Fehlersuche" zu begeben (vgl dazu BVerwG Urteil vom 17.4.2002 - 9 CN 1/01 - BVerwGE 116, 188 = juris RdNr 42 bis 44), ob die WAV oder einzelne ihrer Regelungen auch aus anderen rechtlichen Gründen rechtswidrig sein könnten, und auch keine Veranlassung zur Prüfung, ob nicht abtrennbare Teilregelungen der WAV mit höherrangigem Recht bei isolierter Betrachtung vereinbar sein könnten (noch enger Axer, SGb 2013, 669, 672: "keine Kompetenz zu allgemeinen rechtsgutachtlichen Ausführungen"; weniger streng BVerwG Beschluss vom 11.12.2002 - 4 BN 16/02 - BVerwGE 117, 239 = juris RdNr 8: Weiterprüfung als "nobile officium"). Insbesondere besteht kein Anlass zur revisionsgerichtlichen Prüfung, ob die Bestimmung der angemessenen Höhe der Aufwendungen für die Unterkunft nach § 3 Abs 2 WAV rechtlicher Kontrolle standhält. Vielmehr ist es dem Antragsgegner überlassen, ob und in welcher Weise durch eine erneute Ausübung der Normsetzungsermächtigung in §§ 22a bis 22c SGB II iVm § 8 AG-SGB II der Weg zur Bestimmung der Höhe angemessener Aufwendungen für Unterkunft und ggf Heizung im Land Berlin durch Erlass einer neuen Verordnung beschritten wird.

61

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind

1.
angemessener Hausrat; für die Beurteilung der Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs von Bürgergeld maßgebend,
2.
ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person; die Angemessenheit wird vermutet, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt,
3.
für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge; zudem andere Formen der Altersvorsorge, wenn sie nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördert werden,
4.
weitere Vermögensgegenstände, die unabhängig von der Anlageform als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnet werden; hierbei ist für jedes angefangene Jahr einer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit, in dem keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung, an eine öffentlich-rechtliche Versicherungseinrichtung oder an eine Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe entrichtet wurden, höchstens der Betrag nicht zu berücksichtigen, der sich ergibt, wenn der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltende Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung nach § 158 des Sechsten Buches mit dem zuletzt festgestellten endgültigen Durchschnittsentgelt gemäß Anlage 1 des Sechsten Buches multipliziert und anschließend auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag aufgerundet wird,
5.
ein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern; bewohnen mehr als vier Personen das Hausgrundstück beziehungsweise die Eigentumswohnung, erhöht sich die maßgebende Wohnfläche um jeweils 20 Quadratmeter für jede weitere Person; höhere Wohnflächen sind anzuerkennen, sofern die Berücksichtigung als Vermögen eine besondere Härte bedeuten würde,
6.
Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung von angemessener Größe bestimmt ist, und das Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung Menschen mit Behinderungen oder pflegebedürftigen Menschen zu Wohnzwecken dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde sowie
7.
Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung für die betroffene Person eine besondere Härte bedeuten würde.

(2) Von dem zu berücksichtigenden Vermögen ist für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 15 000 Euro abzusetzen. Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen.

(3) Für die Berücksichtigung von Vermögen gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit wird Vermögen nur berücksichtigt, wenn es erheblich ist. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind.

(4) Vermögen ist im Sinne von Absatz 3 Satz 2 erheblich, wenn es in der Summe 40 000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 15 000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt; Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Bei der Berechnung des erheblichen Vermögens ist ein selbst genutztes Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung abweichend von Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 nicht zu berücksichtigen. Es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Liegt erhebliches Vermögen vor, sind während der Karenzzeit Beträge nach Satz 1 an Stelle der Freibeträge nach Absatz 2 abzusetzen. Der Erklärung ist eine Selbstauskunft beizufügen; Nachweise zum vorhandenen Vermögen sind nur auf Aufforderung des Jobcenters vorzulegen.

(5) Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs.

(6) Ist Bürgergeld unter Berücksichtigung des Einkommens nur für einen Monat zu erbringen, gilt keine Karenzzeit. Es wird vermutet, dass kein zu berücksichtigendes Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Absatz 4 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. Juli 2010 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Jobcenter die Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1.7.2008 bis zum 31.3.2009 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II).

2

Die im Jahr 1950 geborene Klägerin ist seit 2002 ohne Beschäftigung und bezieht nach Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe seit dem 1.1.2005 Arbeitslosengeld II. Sie bewohnt seit dem Jahr 1985 eine 76,83 qm große Drei-Zimmer-Wohnung in Freiburg. Für die Wohnung bezahlt sie seit dem 1.11.2007 monatlich 497 Euro Kaltmiete, eine Heizkosten- und Warmwasserpauschale von 37,50 Euro sowie Betriebskosten. Der für die Stadt Freiburg erstellte qualifizierte Mietspiegel 2007 weist für die Zeit ab 1.3.2007 für eine 45 qm große Wohnung einen durchschnittlichen "Basismietpreis" von 7,51 Euro je qm aus, der Mietspiegel 2009 von 7,87 Euro. Für bestimmte Ausstattungsvarianten erfolgen prozentuale Zu- und Abschläge von diesem Basismietpreis. Ab 1.1.2005 zahlte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden auch: Beklagter) der Klägerin die vollen Kosten der Unterkunft sowie anteilige Kosten der Heizung, damals insgesamt 570,18 Euro monatlich. Mit Schreiben vom 8.8.2005 wurde der Klägerin vom Beklagten mitgeteilt, ihre Kosten der Unterkunft seien unangemessen hoch, und sie wurde unter anderem aufgefordert, die Kosten zu senken. Angemessen seien maximal 5,62 Euro je qm, für 45 qm also insgesamt 252,90 Euro. Eine ähnliche Aufforderung erging mit Schreiben des Beklagten vom 9.3.2006. Der Beklagte zahlte aber weiterhin die vollen Kosten der Unterkunft. Unter dem 17.7.2007 schlossen die Beteiligten zur Senkung der unangemessenen Miete eine Vereinbarung, in der sich die Klägerin bereit erklärte, ab Oktober 2007 die überhöhten Kosten als Eigenanteil zu übernehmen. Ein Versuch des Beklagten, an die Klägerin eine geringere Leistung für die Unterkunft zu zahlen, führte zu einem Klageverfahren, aufgrund dessen der Beklagte schließlich weiterhin bis zum 31.3.2008 die vollen Kosten der Unterkunft zahlte. Für die Zeit vom 1.4. bis 30.9.2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen in Höhe von 786,64 Euro monatlich, davon Leistungen für Unterkunft und Heizung von 439,64 Euro (Kaltmiete 290,70 Euro plus Nebenkosten 117,97 Euro = 408,67 Euro plus Heizkosten 30,97 Euro; Bescheid vom 25.3.2008) und für die Zeit vom 1.10.2008 bis 31.3.2009 in derselben Höhe (weiterer Bescheid vom 25.3.2008). Mit Bescheiden vom 18.5.2008 änderte der Beklagte diese Bescheide und bewilligte wegen Anhebung der Regelleistung von 347 auf 351 Euro insgesamt Leistungen von 790,64 Euro ab 1.7.2008. Die gegen diese letzten Bescheide erhobenen Widersprüche wurden zurückgewiesen (Widerspruchsbescheide vom 15.7.2008).

3

Die dagegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht (SG) verbunden und nach einem Teilanerkenntnis des Beklagten hinsichtlich einer angemessenen Kaltmiete von 305,10 Euro monatlich für die Zeit vom 1.11.2008 bis 31.3.2009 im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 10.7.2009). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.7.2010) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe die zulässigerweise allein umstrittenen Kosten der Unterkunft zutreffend festgesetzt. Für einen Ein-Personen-Haushalt sei eine Wohnfläche von 45 qm nach dem landesrechtlich geregelten Wohnungsbindungsrecht angemessen. Die Größe der Wohnung der Klägerin von 74 qm überschreite diesen Wert erheblich und ihre tatsächliche Miete liege deutlich über der angemessenen Referenzmiete von 290,70 bzw 305,10 Euro pro Monat aus dem Produkt von Mietpreis und Quadratmeter. Der räumliche Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Durchschnittsmiete sei vorliegend die Stadt Freiburg. Die von dem Beklagten zugrunde gelegte Miethöhe von 6,46 Euro bzw 6,78 Euro und die sich daraus (x 45 qm =) ergebenden Obergrenzen von 290,70 bzw 305,10 Euro entsprächen dem Mietniveau in der Stadt Freiburg im unteren Segment des Wohnungsmarktes für Wohnungen bis 45 qm. Der Mietspiegel der Stadt Freiburg sei als schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (ua Hinweis auf BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - und BSG vom 22.9.2009 - B 14 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30) für die Ermittlung einer Vergleichsmiete geeignet und der Beklagte habe aus ihm die richtigen Schlüsse gezogen. Auszugehen sei von den ermittelten Basismietpreisen von 7,51 Euro im Mietspiegel 2007 und 7,87 Euro in dem Mietspiegel 2009 pro Quadratmeter für eine zwischen 1961 und 1977 errichtete Standardwohnung mit 45 qm in einem Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen pro Hauseingang, normaler Beschaffenheit mit durchschnittlicher Wohnungsausstattung. Von diesen Beträgen seien entsprechend der Systematik des Mietspiegels Abschläge zu machen von 6 % für eine überwiegend einfache Bodenausstattung, 4 % für das Fehlen einer Gegensprechanlage und eines Türöffners sowie 5 % für die Lage an einer Durchgangsstraße. Die Untersuchungen des "Runden Tisches zu den Auswirkungen der Hartz-Gesetze in Freiburg" seien nicht geeignet, diese auf empirischer Grundlage gewonnenen Wertungen und Einschätzungen des örtlichen Wohnungsmarktes in Frage zu stellen.

4

Die Sechs-Monats-Frist des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II sei abgelaufen, der Beklagte habe die Klägerin mit Schreiben vom 8.8.2005 und 9.3.2006 darauf hingewiesen, dass ihre Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien, und die Klägerin habe sich verpflichtet, ab Oktober 2007 den unangemessenen Teil der Kosten der Unterkunft selbst zu tragen. Der Klägerin sei ein Umzug im Vergleichsraum der Stadt Freiburg möglich und zumutbar. Weder sei keine angemessene Wohnung zu finden noch ständen gesundheitliche Gründe einem Umzug entgegen. Dass die Klägerin möglicherweise im Jahr 2013 abschlagsfrei Altersrente in Anspruch nehmen könne, führe zu keiner anderen Beurteilung. Die Heizung und sonstigen Nebenkosten habe der Beklagte abzüglich des Betrages für die Warmwasserbereitung in vollem Umfang übernommen, sodass die Klägerin insofern nicht beschwert sei.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das LSG habe § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht richtig angewandt. Es habe zu Unrecht das Konzept des Beklagten als plausibles Konzept anerkannt. Insbesondere sei ungeklärt, ob Wohnungen wie das LSG sie für angemessen halte, überhaupt existierten. Dagegen spreche ua eine Untersuchung der Stadt Freiburg aus dem Jahr 2004. Die Ablehnung ihres Beweisantrages verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens aus Art 6 Europäische Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), weil ihr eine Beweislast aufgebürdet worden sei, die objektiv nicht zu erbringen gewesen sei. Eine Wohnung von 45 qm sei für sie nicht angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (- 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175), insbesondere im Vergleich mit einem jungen Menschen müsse ihre "Lebensleistung" berücksichtigt werden und, dass sie kurz vor dem Erreichen des Rentenalters stehe. Bei einem Umzug müsse sie ihr soziales Umfeld aufgeben, weil es nicht möglich sei, in dem von ihr bewohnten Stadtteil zu dem von dem Beklagten angegebenen Preis eine Wohnung zu mieten. Nach einem Beschluss des Gemeinderats vom 5.5.2009 sei bei älteren Menschen die Wohnungsdauer - mindestens 15 Jahre - zu berücksichtigen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. Juli 2010 und des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Juli 2009 aufzuheben, die Bescheide des Beklagten vom 18. Mai 2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15. Juli 2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. März 2009 monatlich Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 645,94 Euro zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Auf die Revision der Klägerin ist das Urteil des LSG vom 5.7.2010 aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Denn aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung vom 1.7.2008 bis zum 31.3.2009 hat.

10

Nach dem angefochtenen Urteil des LSG, das die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen hat, hat die Klägerin nach den angefochtenen Bescheiden des Beklagten in der Veränderung durch deren Teilanerkenntnis vor dem SG, monatlich nur Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.7. bis 31.10.2008 in Höhe von 439,64 Euro (Kaltmiete 290,70 Euro plus kalte Nebenkosten 117,97 Euro = 408,67 Euro plus Kosten der Heizung 30,97 Euro) und für die Zeit vom 1.11.2008 bis zum 31.3.2009 von 454,04 Euro (Erhöhung der Kaltmiete um 14,40 Euro auf 305,10 Euro aufgrund des Teilanerkenntnisses). Als Ergebnis des Revisionsverfahrens ist es jedoch möglich, dass die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung hat, weil dem LSG hinsichtlich der Herleitung der einzelnen Beträge nicht gefolgt werden kann.

11

Streitgegenstand des Verfahrens sind allein Ansprüche der Klägerin auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.7.2008 bis zum 31.3.2009 und die letzten diese Ansprüche regelnden Bescheide des Beklagten vom 18.5.2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15.7.2008. An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert.

12

Die Klägerin lebt nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 Sozialgerichtsgesetz) allein in ihrer Wohnung und gehört dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil sie das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, der insofern vom 1.7.2008 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde).

13

Rechtsgrundlage für die vorliegend der Höhe nach umstrittenen Leistungen für Unterkunft und Heizung sind §§ 19, 22 SGB II. Danach werden im Rahmen des Arbeitslosengeldes II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, der insofern vom 1.7.2008 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (stRspr vgl nur BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 12 mwN). Zwischen der Leistung für die Unterkunft (dazu 1.) und der Leistung für die Heizung (dazu 2.) ist zu unterscheiden, wie schon dem Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals "Leistungen" sowie der Rechtsprechung des Senats (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 18) zu entnehmen ist.

14

1. Die Klägerin könnte gegen den Beklagten einen höheren Anspruch auf Leistung für die Unterkunft als die ihr bewilligten 408,67 Euro monatlich für die Zeit vom 1.7. bis zum 31.10.2008 und 423,07 Euro monatlich für die Zeit vom 1.11.2008 bis zum 31.3.2009 haben.

15

Zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft, auf die der dem Grunde nach leistungsberechtigte Hilfebedürftige Anspruch hat, ist in mehreren Schritten vorzugehen: Zunächst ist die angemessene Leistung für die Unterkunft unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren abstrakt zu ermitteln (dazu a). Dann ist - falls insofern vom Hilfebedürftigen Einwände vorgebracht werden - zu prüfen, ob in dem örtlichen Vergleichsraum eine solche abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte angemietet werden können (dazu b). Soweit die Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft, also die von ihm zu zahlende Nettokaltmiete plus kalte Betriebskosten, die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft des Hilfebedürftigen (entsprechend a) übersteigen, sind erstere nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel längstens für sechs Monate(dazu c) (vgl ua BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19 ff; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 12 ff; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27: Mietspiegel als schlüssiges Konzept; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29; zuletzt: BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 20 ff).

16

a) Ob die abstrakt ermittelte, angemessene Leistung für die Unterkunft der Klägerin monatlich nicht höher als die ihr bewilligten 408,67 Euro für die Zeit vom 1.7. bis zum 31.10.2008 und 423,07 Euro für die Zeit vom 1.11.2008 bis zum 31.3.2009 ist, kann nicht festgestellt werden.

17

Die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft ist entsprechend der soeben aufgeführten Rechtsprechung unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln: (1) Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. (2) Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen. (3) Im nächsten Schritt ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraumes zu zahlen ist, um die nach der Produkttheorie angemessene Nettokaltmiete zu ermitteln. (4) Zu der Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen.

18

(1) Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende wie die Klägerin in Baden-Württemberg allgemein und damit auch in Freiburg 45 qm.

19

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376: "Wohnungsförderungsgesetz") wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen" des jeweiligen Landes.

20

Nach den Feststellungen des LSG hat das Land Baden-Württemberg zwar keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Ein-Personen-Haushalte von einer Wohnfläche von 45 qm auszugehen. An dieser Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 22).

21

(2) Als den maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum hat das LSG zu Recht die Stadt Freiburg zugrunde gelegt und insbesondere auf deren Einwohnerzahl von über 200 000 hingewiesen (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 24).

22

(3) Welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards als angemessen auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums Stadt Freiburg für die Zeit vom 1.7.2008 bis zum 31.3.2009 zugrunde zu legen ist, kann aufgrund der Feststellungen des LSG nicht bestimmt werden.

23

Dass von einem einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnungsstandard, der hinsichtlich Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt, auszugehen ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 24; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 25).

24

Zur Ermittlung der diesem einfachen Wohnungsstandard angemessenen Kaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt ist zu überprüfen, ob das LSG seiner Entscheidung ein sogenanntes schlüssiges Konzept zugrunde gelegt hat bzw ein solches der überprüften Entscheidung des SG bzw dem Bescheid des Beklagten zugrunde lag. In Ermangelung eines anderen schlüssigen Konzepts hat das LSG zutreffend zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete auf die Freiburger Mietspiegel 2007 und 2009 zurückgegriffen. Qualifizierte Mietspiegel iS des § 558d Bürgerliches Gesetzbuch - wie diese Mietspiegel - können Grundlage der Bestimmung der angemessenen Miete nach § 22 Abs 1 SGB II sein(vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen RdNr 27 mwN).

25

Dem LSG kann insofern gefolgt werden, als es bei der Anwendung der Mietspiegel nicht besondere Baualtersklassen herausgegriffen, sondern die in den Mietspiegeln angeführte Standardwohnung (errichtet in der Zeit zwischen 1961 und 1977, in einem Mehrfamilienhaus mit mindestens fünf Wohnungen pro Hauseingang, normale Art und Beschaffenheit, mit durchschnittlicher Wohnungsausstattung) zugrunde gelegt hat. Des Weiteren ist es gemäß den Mietspiegeln von einer Kaltmiete pro Quadratmeter von 7,51 Euro im Jahr 2008 und von 7,87 Euro im Jahr 2009 für eine Wohnfläche von 45 qm ausgegangen.

26

Ob das weitere Vorgehen des LSG, von diesen Durchschnittsbeträgen entsprechend der Systematik der Mietspiegel Abschläge zu machen von zB 6 % für eine überwiegend einfache Bodenausstattung, geeignet ist, um dem angemessenen einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnungsstandard Rechnung zu tragen, könnte zweifelhaft sein, weil statistische Nachweise fehlen, denen entnommen werden kann, dass es entsprechende Wohnungen in ausreichender Zahl in Freiburg gibt. Das entsprechende Ermittlungsdefizit liegt auch dem Vorbringen der Klägerin zugrunde, dass für die von Seiten des LSG aus den Mietspiegeln abgeleiteten angemessenen Nettokaltmieten keine Wohnung auf dem Wohnungsmarkt zu bekommen sei, also auf den noch offenen, weiteren Prüfungspunkt b).

27

(4) Die kalten Betriebskosten, die zu der so ermittelten - abstrakt angemessenen - Nettokaltmiete noch hinzuzurechnen sind, müssen, damit zunächst die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft ermittelt wird, ebenfalls abstrakt ermittelt werden. Dazu kann auf Betriebskostenübersichten zurückgegriffen werden, möglichst allerdings auf örtliche Übersichten wegen der regionalen Unterschiede insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen (vgl nur BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 33 f).

28

Dem wird das Urteil des LSG nicht gerecht, weil das LSG einen Betrag von 117,97 Euro monatlich zugrunde gelegt hat. Dies ist der Betrag, den der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden neben der Kaltmiete und der Pauschale für die Heizkosten und Warmwasserbereitung als weitere Betriebskosten berücksichtigt hat. Dass dieser Betrag den abstrakten angemessenen kalten Betriebskosten für eine 45-qm-Wohnung in Freiburg entspricht, ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen.

29

b) Ob im örtlichen Vergleichsraum "Stadt Freiburg" auch eine Wohnung mit einfachem Wohnungsstandard und bis zu 45 qm Wohnfläche ausgehend von den vom LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegten abstrakt ermittelten, angemessenen Leistungen für die Unterkunft für die Zeit vom 1.7. bis zum 31.12.2008 in Höhe von 408,67 Euro monatlich (Kaltmiete für 45 qm x 6,46 Euro/qm = 290,70 Euro plus Betriebskosten in Höhe von 117,97 Euro) und für die Zeit vom 1.1. bis zum 31.3.2009 in Höhe von 423,07 Euro monatlich (Kaltmiete für 45 qm x 6,78 Euro/qm = 305,10 Euro plus Betriebskosten in Höhe von 117,97 Euro) tatsächlich hätte angemietet werden können, kann vom Senat unabhängig von den Ausführungen zu den kalten Betriebskosten (siehe zuvor) aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden.

30

Eine objektive Unmöglichkeit, eine Wohnung zu dem nach dem Mietspiegel angemessenen Quadratmeterpreis zu finden, hat der 4. Senat des BSG schon in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - abgesehen von Ausnahmefällen - grundsätzlich verneint, weil es in Deutschland derzeit keine allgemeine Wohnungsnot gibt und allenfalls in einzelnen Regionen Mangel an ausreichendem Wohnraum besteht (BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 36). Dem schließt sich der erkennende Senat zumindest dann an, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und entweder der Durchschnittswert dieses Mietspiegels angewandt wird oder dem Mietspiegel Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können. Denn dann kann davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft gibt.

31

Das LSG hat seiner Entscheidung aber nicht den Durchschnitts- oder entsprechend der Terminologie des Freiburger Mietspiegels "Basismietpreis" von 7,51 Euro im Mietspiegel 2007 und 7,87 Euro in dem Mietspiegel 2009 für eine zwischen 1961 und 1977 errichtete Standardwohnung mit 45 qm in einem Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen pro Hauseingang, normaler Beschaffenheit mit durchschnittlicher Wohnungsausstattung zugrunde gelegt, sondern eine fiktive Wohnung mit bestimmten Abschlägen, um dem angemessenen einfachen, im unteren Marktsegment liegenden Wohnungsstandard Rechnung zu tragen. Diese Abschläge führten nach der Berechnung des LSG für das Jahr 2008 zu einer abstrakt angemessenen Kaltmiete pro Quadratmeter von 6,46 Euro und für das Jahr 2009 von 6,78 Euro. Dass es Wohnungen zu diesen abstrakt angemessenen Quadratmeter-Nettokaltmieten im örtlichen Vergleichsraum Freiburg in einer bestimmten Häufigkeit gab, ist vom LSG nicht festgestellt worden.

32

Von daher kann das auf die Anmietbarkeit solcher Wohnungen abzielende Revisionsvorbringen der Klägerin und die Entscheidung, ob durch dieses die obige Tatsachenvermutung (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr 9 ff) erschüttert wird, dahingestellt bleiben, zumal es sich im Wesentlichen um neuen, im Revisionsverfahren unzulässigen Tatsachenvortrag handelt (vgl nur § 163 SGG). Ebenfalls dahingestellt bleiben kann die von der Klägerin in diesem Zusammenhang erhobene Rüge einer Verletzung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens nach Art 6 EMRK, weil sie die Nichtexistenz angemessener Wohnungen habe beweisen sollen. Derartiges wird von der Klägerin nicht verlangt, sondern nur eine Erschütterung des oben dargestellten Anscheinsbeweises (vgl zum Beweis negativer Tatsachen oder Tatbestandsmerkmale: Greger in Zöller, ZPO, 28. Aufl 2010, Vor § 284 RdNr 24 und Laumen in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl 2011, § 286 RdNr 64).

33

c) Gründe, warum die Klägerin über den abgelaufenen Sechs-Monats-Zeitraum des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II hinaus einen höheren Anspruch auf Leistung für die Unterkunft als die nach den obigen Ausführungen abstrakt angemessenen Beträge haben sollte(oben a), wenn eine solche Wohnung auch hätte angemietet werden können (oben b), sind nicht zu erkennen.

34

Soweit die Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft (Nettokaltmiete plus Betriebskosten) die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft übersteigen, sind die Aufwendungen nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

35

Der Ablauf der Sechs-Monats-Frist ergibt sich aus dem Leistungsbezug der Klägerin seit dem 1.1.2005 und dem vorliegend umstrittenen Zeitraum vom 1.7.2008 bis 31.3.2009. Durch Schreiben des Beklagten vom 8.8.2005 und 9.3.2006 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass ihre Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien. Unter dem 17.7.2007 haben die Beteiligten sogar eine Vereinbarung zur Senkung der unangemessenen Miete geschlossen, in der sich die Klägerin bereit erklärte, ab Oktober 2007 die überhöhten Kosten als Eigenanteil zu übernehmen.

36

Gründe, warum der Klägerin eine Kostensenkung durch Umzug, Untervermietung oder auf andere Weise nicht möglich oder nicht zumutbar ist, hat das LSG nicht festgestellt. Es hat vielmehr ausgeführt, der Klägerin sei ein Umzug im Vergleichsraum Stadt Freiburg möglich und zumutbar, insbesondere ständen diesem keine gesundheitlichen Gründe entgegen.

37

Einem Umzug entgegenstehende Gründe, wie eine Behinderung oder die Ausübung des Umgangsrechts mit einem Kind (vgl § 22b Abs 3 Satz 2 SGB II idF des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes - BGBl I 2011, 453; ähnlich schon BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 33 ff; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 33), liegen nach den Feststellungen des LSG bei der Klägerin nicht vor. Der Verweis der Klägerin auf ihr Alter, ihren möglichen baldigen Renteneintritt und ihre "Lebensleistung" beinhaltet keine Gründe, die eine Ausnahme und insbesondere die von der Klägerin begehrte Erhöhung ihrer Wohnfläche um 15 qm zu rechtfertigen vermögen.

38

Soweit die Klägerin ausführt, bei einem Umzug müsse sie ihr soziales Umfeld aufgeben, weil es nicht möglich sei, in dem von ihr bewohnten Stadtteil zu dem von dem Beklagten angegebenen Preis eine Wohnung anzumieten, ist zu bedenken, dass jeder Umzug in gewissem Maße mit einer Veränderung des sozialen Umfeldes einhergeht und dies eine normale Folge ist, die sich aus der gesetzlichen Regelung ergibt. Das "Aufrechterhalten des sozialen Umfeldes", eine "affektive Bindung" an einen bestimmten Stadtteil oder ein Alter von zB 56 Jahren stehen einem Umzug nicht entgegen (BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 33).

39

Die Ausführungen der Klägerin zu einem angeblichen Gemeinderatsbeschluss hinsichtlich der Berücksichtigung der Wohnungsdauer bei älteren Menschen sind neuer, im Revisionsverfahren unzulässiger Tatsachenvortrag (vgl nur § 163 SGG).

40

Aus der in dieses Verfahren eingeführten Begründung in dem noch anhängigen Revisionsverfahren B 14 AS 107/10 R und die Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (- 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175) folgt nichts Anderes, weil es keinen festgestellten individuellen Grund in der Person der Klägerin gibt, aus dem eine andere Bemessung der Leistung für die Unterkunft folgt oder der einer Kostensenkung nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II entgegensteht.

41

2. Die Klägerin hat Anspruch auf eine Leistung für die Heizung im streitigen Zeitraum von 31,17 Euro monatlich (Heizkosten und Warmwasserpauschale von 37,50 Euro abzüglich einer Pauschale für die Warmwasserbereitung von 6,33 Euro).

42

Die Prüfung der Angemessenheit der Leistung für die Heizung hat nicht nur getrennt von der für die Unterkunft zu erfolgen, sondern auch nach eigenen Regeln: Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung ist - mangels anderer Zahlen - so lange zu bejahen, wie die Kosten unter dem Grenzbetrag eines bundesweiten oder kommunalen Heizspiegels liegen (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 25; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 23 ff). Abzuziehen ist jedoch bei einer Warmwasserbereitung über die Heizung der Anteil, der für die Warmwasserbereitung im Rahmen der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist (vgl nur BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5).

43

Als von der Klägerin tatsächlich zu zahlende Heizkosten- und Warmwasserpauschale hat das LSG 37,50 Euro monatlich festgestellt. Deren Angemessenheit ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, weil der Jahresbetrag dieser Pauschale inklusiv der Kosten der Warmwasserbereitung (37,50 x 12 = 450) unter dem jeweils niedrigsten Grenzbetrag der bundesweiten Heizspiegel für die Abrechnungsjahre 2008 (14,60 Euro/qm x 45 qm = 657 Euro) und 2009 (12,10 Euro/qm x 45 qm = 544,50 Euro) liegt.

44

Von diesen 37,50 Euro sind 6,33 Euro für die Warmwasserbereitung abzuziehen und nicht 6,63 Euro, wie das LSG ebenso wie der Beklagte ohne Herleitung dieses Betrags angenommen haben. In dem schon genannten Urteil des BSG vom 27.2.2008, auf das sich das LSG bezieht, wird kein anzurechnender Betrag für die Warmwasserbereitung bei einer Regelleistung von 351 Euro genannt, wie sie vorliegend an die Klägerin gezahlt wurde. Nach der Berechnung in dem Urteil des BSG ist bei einer Regelleistung von 347 Euro eine Pauschale von 6,26 Euro zugrunde zu legen (vgl die Tabelle in RdNr 25). Zum hier maßgeblichen Zeitraum ab 1.7.2008 war die Regelleistung von 347 Euro auf 351 Euro erhöht worden, also um ca 1,15 %. Übertragen auf die Pauschale von 6,26 Euro sind 1,15 % 7,2 Cent, sodass die für die Warmwasserbereitung von der Regelleistung abzuziehende Pauschale mit (6,26 plus 0,07 =) 6,33 Euro zu errechnen ist (ebenso Brehm/Schifferdecker, SGb 2010, 331, 335).

45

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2009 bis 30.6.2010.

2

Der im Jahr 1947 geborene, zunächst selbständige Kläger mietete zum 1.12.2008 eine Wohnung mit einer Größe von 75 qm in A./Landkreis R. an. Hierfür entrichtete er monatlich eine Grundmiete in Höhe von 380 Euro zzgl einer Vorauszahlung auf Betriebskosten in Höhe von 80 Euro.

3

Nach einem Herzinfarkt meldete er sein Gewerbe zum 31.12.2008 ab und beantragte am 8.1.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

4

Der Beklagte, der zum 1.1.2012 Optionskommune nach § 6a Abs 2 SGB II geworden ist, bewilligte dem Kläger ab dem 30.12.2008 Kosten für Unterkunft und Heizung, zunächst bis 31.7.2009 in Höhe von monatlich 470,77 Euro auf Grundlage der tatsächlichen Grundmiete in Höhe von 380 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 66,81 Euro. Ab 1.8.2009 bewilligte er monatlich einen Betrag in Höhe von 335,77 Euro, wobei er unter Beibehaltung der anderen Beträge nur noch eine Grundmiete von 245 Euro anerkannte (Bescheid vom 21.1.2009). Im Zuge der Bewilligung ab 30.12.2008 forderte der Beklagte den Kläger zudem auf, die Unterkunftskosten zu senken. Die Kaltmiete von 380 Euro würde um 135 Euro über den angemessenen Mietkosten liegen. Nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten könne der Beklagte ab 1.8.2009 nur noch die angemessene Kaltmiete von 245 Euro zzgl Nebenkosten anerkennen (Schreiben vom 21.1.2009).

5

Die Leistungsbewilligung wurde mehrfach geändert, zuletzt wurden dem Kläger für Dezember 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer Kaltmiete von 245 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 61,75 Euro bewilligt (Änderungsbescheide vom 7.4.2009, 10.8.2009, 16.11.2009). Für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger Kosten für Unterkunft und Heizung in derselben Höhe (Bescheid vom 10.12.2009).

6

Der Beklagte wies die gegen die Bewilligung für Dezember 2009 und für den Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2010 eingelegten Widersprüche als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 6.4.2010).

7

Während des Verfahrens vor dem SG reduzierte der Beklagte die Bewilligung ab 1.6.2010 um verringerte kalte Nebenkosten und stellte die Leistungen ab 1.7.2010 ein, nachdem der Kläger zu diesem Zeitpunkt aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten verzogen war (Änderungsbescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010).

8

Das SG hat den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 weitere Kosten der Unterkunft bis zu einem Betrag von 338,80 Euro monatlich zzgl Heizkosten zu gewähren. Im Übrigen hat es die auf die Übernahme der tatsächlichen Kosten gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 22.11.2011). Die vom Beklagten zugrunde gelegte Mietobergrenze sei unzutreffend, da der Beklagte nicht über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Mietkosten im Sinne der Rechtsprechung des BSG verfüge. Da es mangels hinreichender Datenbasis nicht mehr möglich sei, die angemessene Kaltmiete für die streitige Zeit zu ermitteln, seien die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen, begrenzt auf die Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) und der Wohngeldverordnung (WoGV) einschließlich eines Zuschlags von 10 %. Dies führe beim Kläger zu einer Referenzmiete von 338,80 Euro.

9

Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 31.5.2010 monatlich weitere 69,84 Euro und für den Monat Juni 2010 weitere 71,64 Euro zu gewähren (Urteil vom 7.11.2012). Der Tenor der angefochtenen Entscheidung sei ohne inhaltliche Änderung lediglich zur Klarstellung neu gefasst worden; das SG habe in seiner Entscheidung die Heizkosten mit monatlich 61,75 Euro berücksichtigt, es habe damit im Ergebnis eine Leistung für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 400,55 Euro zugesprochen. Zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung habe der Beklagte zunächst als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 45 qm zugrunde gelegt. Der Beklagte habe als Vergleichsraum den Bereich der Region W., L. und A. mit ca 75 000 Einwohnern herangezogen. Für diesen sei jedoch in der Anlage zum Mietpreisspiegel keine einheitliche angemessene Mietobergrenze vorgesehen. Ob von dem Erfordernis eines einheitlichen Wertes der angemessenen Miete in Bereichen des ländlichen Raumes abgewichen und Vergleichsräume mit nach Gemeinden differenzierten Mietobergrenzen gebildet werden dürften, könne dahingestellt bleiben, da jedenfalls dem vom Beklagten im streitigen Zeitraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde gelegen habe. Die für einen Mietspiegel erforderliche statistisch aufgearbeitete Zusammenstellung der vorkommenden Mieten läge dem Mietpreisspiegel nicht zugrunde. Grundlage sei das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Feststellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen von den Mietpreisen bei Neuabschlüssen. Von den beteiligten Gemeinden seien keine Erhebungen durchgeführt worden. Der Mietpreisspiegel sei mangels Nachprüfbarkeit nicht ausreichend für die Begründung eines schlüssigen Konzepts. Darüber hinaus sei die Gemeinde A., in welcher der Kläger gewohnt habe, in Tabelle 4 des Mietpreisspiegels 2009, in welcher die jeweiligen Ortszu- bzw -abschläge bezogen auf das Referenzniveau der Stadt W. aufgelistet seien, nicht aufgeführt. Es sei damit nicht nachvollziehbar, wie die Mietobergrenzen für den damaligen Wohnort des Klägers ermittelt worden seien. Dem Senat sei es auch nicht mehr möglich, aufgrund eigener Ermittlungen ein schlüssiges Konzept für den streitigen Zeitraum zu erstellen, es fehle an der erforderlichen Datenbasis. Es seien damit die tatsächlichen Aufwendungen bis zur Angemessenheitsgrenze der Tabellenwerte in § 12 WoGG und ein Zuschlag von 10 % hinzuzurechnen. Es habe auch eine wirksame Kostensenkungsaufforderung vorgelegen.

10

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er folge zwar der Feststellung des LSG, dass er im vorliegenden Fall über kein schlüssiges Konzept verfüge sowie dass die Aufwendungen bis zur Höhe der Tabellenwerte aus § 12 WoGG zu übernehmen seien. Nicht gefolgt werden könne aber der Hinzurechnung eines Zuschlages von 10 %.

11

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Konstanz vom 22. November 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 insoweit aufzuheben, als Leistungen für Unterkunft und Heizung von mehr als 308 Euro monatlich zuzüglich der Heizkosten zu bewilligen sind.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Bei fehlendem schlüssigen Konzept sei sowohl nach § 8 WoGG als auch nach § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" von 10 % gerechtfertigt.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet.

15

Die Vorinstanzen haben den Beklagten zu Recht zu einer weiteren Leistungsgewährung an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 verurteilt. Der Kläger ist grundsätzlich leistungsberechtigt, sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (§§ 7, 22 SGB II).

16

1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 16.11.2009 und 10.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.4.2010, gemäß § 96 SGG in der Gestalt der Bescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010. Im Streit stehen die darin geregelten Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1.12.2009 bis 30.6.2010. Bereits der Kläger hat den Streitgegenstand durch seine Klage zum SG bezüglich der Kosten der Unterkunft und Heizung wirksam beschränkt. Die übrigen abtrennbaren Regelungsinhalte der gegenständlichen Bescheide sind nicht angegriffen worden. Zudem ist nach den Urteilen des SG und des LSG die Verurteilung zu weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 39,04 Euro (Monate Dezember 2009 bis Mai 2010) bzw 40,84 Euro (Monat Juni 2010) rechtskräftig geworden. Der Beklagte wendet sich lediglich gegen die Verurteilung zu einer Leistung von weiteren 30,80 Euro monatlich. Da der Kläger selbst keine Revision eingelegt hat, sind die gegenständlichen Bescheide bestandskräftig geworden, soweit mit diesen die Leistungen ab 1.7.2010 eingestellt sowie höhere Leistungen abgelehnt wurden.

17

Die Leistungen für Unterkunft und Heizung bilden abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert (vgl BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).

18

2. Das SG und LSG haben den Beklagten zu Recht zu einer Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer höheren Bruttokaltmiete als die vom Beklagten in Höhe von monatlich 308 Euro anerkannte verurteilt. Der Kläger erfüllt nach den Feststellungen des LSG die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 SGB II.

19

Sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Diese werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als bei der pauschalierten Regelleistung - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die tatsächlichen Kosten nicht in beliebiger Höhe erstattungsfähig, sondern nur insoweit, als sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung limitiert somit die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist, also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessene Mietobergrenze nicht überschreitet (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 14; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59). Die Angemessenheit für die Kosten der Unterkunft und die für die Kosten der Heizung sind getrennt voneinander festzustellen.

20

Auch wenn der Beklagte im Revisionsverfahren davon ausgeht, über kein schlüssiges Konzept zu verfügen und sich mit der Heranziehung der Tabellenwerte nach § 12 WoGG einverstanden erklärt, entbindet dies die Gerichte nicht davon, zunächst die angemessenen Unterkunftskosten anhand eines vorrangigen schlüssigen Konzeptes zu ermitteln(vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 17; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - RdNr 26).

21

3. Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende wie den Kläger in Baden-Württemberg 45 qm. Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376: "Wohnraumförderungsgesetz") wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen" des jeweiligen Landes. Nach den Feststellungen des LSG hat das Land Baden-Württemberg zwar keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Ein-Personen-Haushalte von einer Wohnfläche von 45 qm auszugehen. An dieser Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 22).

22

4. Die Heranziehung des Vergleichsraums, den der Beklagte zugrunde gelegt hat, ist nicht zu beanstanden. Als örtlicher Vergleichsraum ist in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgebend, ohne dass hierfür der kommunalverfassungsrechtliche Begriff der "Gemeinde" entscheidend sein muss. Bei besonders kleinen Gemeinden, etwa im ländlichen Raum, die über keinen repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen, kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen. Entscheidend ist es, für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 21; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 15). Dies ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hier der Fall. Die Festlegung des Vergleichsraums entspricht den vom Senat hierzu entwickelten Kriterien.

23

5. Dem Leistungsberechtigten muss es möglich sein, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines schlüssigen Konzeptes zu ermitteln (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17 ff). Auf Grundlage des konkreten Vergleichsraums hat das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass der Beklagte über kein eigenständiges schlüssiges Konzept verfügt (§ 163 SGG).

24

Das LSG ist sodann in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass ein schlüssiges Konzept auch nicht mehr entwickelt werden kann und es sich um einen Ausfall von lokalen Erkenntnismöglichkeiten handelt. Der erkennende Senat hat ausdrücklich betont, dass die umfassende Ermittlung der Daten sowie die Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts Angelegenheit des Grundsicherungsträgers ist und bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig ist. Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein schlüssiges Konzept auf Aufforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne ein schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen (vgl BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 21; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 25). Liegen aber keine Ermittlungsergebnisse vor, brauchen insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen nachträglich durchgeführt zu werden. Die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen ist in diesen Fällen begrenzt, sofern nachvollziehbare Darlegungen dazu erfolgen, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Der erkennende Senat hat hierzu betont, dass auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen erkennbar sein muss, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat. Erst wenn solche Feststellungen erfolgt sind, ist ein Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG zu rechtfertigen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 18; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17). Diesen Anforderungen zur Feststellung eines Erkenntnisausfalles ist das LSG gerecht geworden. Schon für die Wohnortgemeinde des Klägers liegen keinerlei nachvollziehbare Daten für die Ermittlung der Mietobergrenze vor. Im Übrigen ist Grundlage des "Mietpreisspiegels" des Beklagten das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Erstellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen.

25

6. Im Falle eines Erkenntnisausfalls zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt(stRspr, vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).

26

a) Für die bis 31.12.2008 geltende Regelung in § 8 WoGG aF ist nach der Rechtsprechung des BSG wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung zur Bestimmung der angemessenen Bruttokaltmiete(vgl § 9 Abs 1 WoGG aF) auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27 im Anschluss an BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21). Zu dem Sicherheitszuschlag hat der Senat ausgeführt, dass er im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich ist, denn beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts kann nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27). Der erkennende Senat hat zudem entschieden, dass dabei ein Zuschlag in Höhe von 10 % zu den Werten der rechten Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG aF angemessen und ausreichend ist(vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).

27

b) Die Einbeziehung eines "Sicherheitszuschlages" hat auch im Falle der Heranziehung von § 12 WoGG zu erfolgen. Die von der Rechtsprechung der zuständigen Senate für die Geltung von § 8 WoGG aF angestellten Erwägungen sind auf § 12 WoGG zu übertragen. Denn trotz der Anhebung der Tabellenwerte in § 12 WoGG im Vergleich zu den Werten aus § 8 WoGG aF hat sich nichts daran geändert, dass es sich bei der Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten anhand des WoGG nur um eine abstrakte, allein der Deckelung der zu übernehmenden Aufwendungen dienende Begrenzung handelt, die unabhängig von den konkreten Umständen im Vergleichsraum erfolgt. Denn über letztere fehlen gerade ausreichende Erkenntnisse. Der Sicherheitszuschlag ist auch im Rahmen von § 12 WoGG erforderlich, da die in § 12 WoGG festgeschriebenen Werte ebenso wenig wie die in § 8 WoGG aF den Anspruch erheben, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden(vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, § 12 RdNr 14, 65. Lfg Mai 2011). Der Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, aaO, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die nach § 11 WoGG zu berücksichtigende Miete den in § 12 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist. Beide Regelungen verfolgen damit verschiedene Ziele; auf die Werte aus § 12 WoGG ist daher nur als Berechnungsgrundlage zur Bemessung der angemessenen Miete abzustellen und dem Sinn und Zweck von § 22 Abs 1 S 1 SGB II nach mittels des "Sicherheitszuschlages" anzupassen. Aufgrund der unterschiedlichen Zweckbestimmung hat es für die Bestimmung des Zuschlages bei § 12 WoGG damit keine Bedeutung, dass mit der Wohngeldreform 2009 die Werte aus § 8 WoGG um 10 % angehoben wurden. Durch die Anhebung sollte dem Zweck des WoGG entsprechend die Anzahl derjenigen Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger verringert werden, deren Miete aufgrund der allgemeinen Mietsteigerungen die Höchstbeträge überschreitet (vgl dazu BT-Drucks 16/8918, S 1, 49). Hinweise darauf, dass die Erhöhung der Werte unter Berücksichtigung der Mietpreissteigerungen in einem Umfang erfolgt wäre, der den Sicherheitszuschlag entbehrlich machen könnte, ergeben sich aus der Gesetzesbegründung nicht.

28

c) Soweit damit feststeht, dass auch im Rahmen von § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen ist, ist weiter dessen Höhe zu bestimmen. Der Senat schließt sich insoweit den Entscheidungen der Tatsacheninstanzen an, dass eine Erhöhung für den streitgegenständlichen Zeitraum um 10 % zu erfolgen hat. Die Höhe des Zuschlages ist ebenso wie die Heranziehung der abstrakten Werte aus § 12 WoGG nach abstrakten Kriterien zu bestimmen. Auf regionale Unterschiede hat der Gesetzgeber bereits durch die Festlegung der Mietenstufen in der WoGV reagiert; bei Änderung der Verhältnisse können diese entsprechend angepasst werden (vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 22). Die Höhe des Zuschlages soll möglichst sicherstellen, dass der Leistungsempfänger mit dem ihm dann im Ergebnis zustehenden Betrag für die Kosten der Unterkunft in die Lage versetzt wird, im örtlichen Vergleichsraum möglichst sicher eine Unterkunft zu finden, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht. Es soll durch die Höhe des Zuschlages eine angemessene Abgrenzung einerseits zu nur einfachstem Standard wie andererseits zu einem bereits gehobenen Standard erfolgen. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 12 WoGG einen Zuschlag in Höhe von 10 % zurzeit als angemessen.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung des Klägers in der Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010.

2

Der 1970 geborene Kläger bewohnt eine 55 qm große Wohnung in H. Ab dem 1.8.2009 betrug die monatliche Grundmiete 270 Euro. Die Betriebskostenvorauszahlung belief sich auf 100 Euro monatlich sowie die Heizkostenvorauszahlung auf 53 Euro monatlich. Die Warmwasseraufbereitung erfolgte zentral über die Heizungsanlage.

3

Die Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend: Beklagter) gewährte dem Kläger für die Zeit vom 1.8.2009 bis 31.1.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, ua Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 416,21 Euro (370 Euro Bruttokaltmiete + 53 Euro Heizkostenvorauszahlung abzüglich eines Warmwasserabschlages in Höhe von 6,79 Euro). Mit Schreiben vom 22.7.2009 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass die monatliche Kaltmiete in Höhe von 270 Euro sowie die monatlichen kalten Nebenkosten in Höhe von 100 Euro den von ihm für angemessen erachteten Umfang überstiegen und forderte zur Kostensenkung auf. Der angemessene Höchstbetrag für die Kaltmiete belaufe sich auf 213,75 Euro (45 qm x 4,75 Euro/qm) sowie für die kalten Nebenkosten auf 90 Euro (45 qm x 2 Euro/qm). Er beabsichtige, ab dem 1.2.2010 nur noch die angemessenen Unterkunftskosten zu berücksichtigen.

4

Mit Bescheid vom 13.1.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, wovon mtl 349,96 Euro auf die Kosten der Unterkunft und Heizung (Nettokaltmiete 213,75 Euro + 90 Euro kalte BK + Heizkosten 46,21 Euro) entfielen. Auf den gegen die Höhe der bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung erhobenen Widerspruch des Klägers änderte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 13.1.2010 teilweise ab und gewährte - unter Berücksichtigung monatlicher Heizkosten von 46,53 Euro (Heizkosten 53 Euro abzüglich Warmwasser in Höhe von 6,47 Euro) - nunmehr Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 350,28 Euro. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 1.3.2010).

5

Das SG hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 13.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.3.2010 verurteilt, dem Kläger von Februar bis Juli 2010 Leistungen nach dem SGB II unter Zugrundelegung einer angemessenen Nettokaltmiete in Höhe von 237,50 Euro und angemessenen Betriebskosten in Höhe von 100 Euro zuzüglich angemessener Heizkosten zu bewilligen (Urteil vom 17.11.2010). Das LSG hat die von dem Beklagten erhobene Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird, dem Kläger weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 33,75 Euro monatlich für die Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 zu bewilligen (Urteil vom 16.5.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das SG habe zutreffend eine Grundmiete von 237,50 Euro monatlich als angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II angesehen. Es sei dabei richtigerweise von einer angemessenen Wohnungsgröße von 50 qm für einen Alleinstehenden ausgegangen. Zur Überzeugung des Senats sei die angemessene Wohnfläche im Rahmen der Produkttheorie anhand der im streitigen Bewilligungszeitraum aktuell gültigen Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zur Belegung von gefördertem Wohnraum zu bestimmen. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des BSG, wonach für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze in Ermangelung anderweitiger Erkenntnisquellen grundsätzlich an die anerkannten Wohnraumgrößen für Wohngeldberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau und deshalb an die für die Belegung von gefördertem Wohnraum maßgebenden Vorschriften anzuknüpfen sei. Für die Belegung von gefördertem Wohnraum seien ab dem 1.1.2010 in Nordrhein-Westfalen die in Nr 8.2 der Wohnungsnutzungsbestimmungen (WNB) angesetzten Werte maßgeblich, mithin für einen Ein-Personen-Haushalt 50 qm. Andere Erkenntnisquellen zur Bestimmung der angemessenen Wohnraumgröße im unteren Segment des Wohnungsmarktes seien nicht ersichtlich. Auch das BSG gehe von einer möglichen Dynamisierung der Werte als Folge von Änderungen der maßgeblichen Verwaltungsvorschriften aus. Es habe dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine überragende Bedeutung beigemessen und eine Heranziehung anderweitiger Verwaltungsregelungen zur Bestimmung der Wohnflächen nur dann für vertretbar angesehen, wenn aktuelle Verwaltungsvorschriften zu § 10 WoFG nicht existierten, was vorliegend jedoch nicht der Fall sei. Hierbei habe das BSG an die Rechtsprechung des BVerwG angeknüpft. Durch die Anhebung des Wertes von 45 qm auf 50 qm im Land Nordrhein-Westfalen sei lediglich eine Anpassung an die in anderen Bundesländern übliche Praxis erfolgt. Weiter habe das SG den Vergleichsraum mit dem Stadtgebiet der kreisangehörigen Stadt H. zutreffend festgestellt. Unter Zugrundelegung dessen könne vorliegend als den Wohnungsstandard widerspiegelnder, abstrakt angemessener Quadratmeterpreis ein Betrag von 4,75 Euro/qm angesetzt werden, dessen Angemessenheit zwischen den Beteiligten unstreitig gestellt sei. Die Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 100 Euro monatlich habe der Beklagte in voller Höhe zu übernehmen.

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II. Das LSG habe sich zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche zu Unrecht auf Nr 8.2 der WNB gestützt. Vielmehr sei auch nach Inkrafttreten der WNB weiterhin auf die Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz und mithin auf eine angemessene Wohnfläche für Alleinstehende von 45 qm abzustellen. Dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers. Diesem habe bei Einführung des SGB II zum 1.1.2005 die damalige Situation vor Augen gestanden. Anhaltspunkte für eine sich am Wohnungsbauförderungsrecht orientierende Dynamisierung seien nicht ersichtlich. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die für Hilfebedürftige angemessene Wohnfläche sich mit der Zeit ändern solle, zumal § 22 Abs 1 SGB II und das Wohnraumförderungsrecht unterschiedliche Zwecke verfolgten. Auch Gründe der Rechtssicherheit und Praktikabilität sprächen nicht für die Anwendung der aktuellen WNB. Im Übrigen fehle es für die Anpassung der abstrakt angemessenen Wohnfläche an der Notwendigkeit. Im Gegensatz zu der Höhe der Regelleistung dürfte sich an der Fläche, die ein Mensch für ein menschenwürdiges Dasein benötige, nichts mehr ändern. Soweit in bestimmten Situationen ein erhöhter Wohnflächenbedarf bestehe, habe dies bereits nach altem Recht berücksichtigt werden können.

7

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Aachen vom 17. November 2010 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die Ausführungen der Vorinstanzen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung (§ 170 Abs 2 S 2 SGG)begründet. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, in welcher Höhe dem Kläger in der Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen.

11

1.a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 13.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.3.2010, mit dem der Beklagte dem Kläger im streitigen Zeitraum ua Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 350,28 Euro (213,75 Euro Nettokaltmiete, 90 Euro kalte Betriebskosten, 53 Euro Heizkosten abzüglich 6,47 Euro Warmwasserabschlag) bewilligt hat und gegen den der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) vorgeht. Da sich vorliegend nur der Beklagte mit der Berufung gegen das beide Beteiligte beschwerende Urteil des SG gewandt hat, war ein über die Verurteilung hinausgehender Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung schon nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.

12

b) Der Kläger hat den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Bei diesen handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - RdNr 11 - SozR 4-4200 § 22 Nr 46; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr 11 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

13

2. Unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen hat das BSG jedoch den Anspruch des Klägers auf Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Insoweit mangelt es jedoch an hinreichenden Feststellungen des LSG. Das LSG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass durch das "Unstreitigstellen" bestimmter Teilaspekte des Anspruchs auf Leistungen der Unterkunft und Heizung - hier der abstrakt angemessenen Nettokaltmiete und den abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten - es einer weiteren Darlegung dieser Aspekte nicht bedurfte.

14

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 21; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 20; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung weiter nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 20; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 15, 17; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 14 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

15

Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese - falls vom Leistungsberechtigten entsprechende sachliche Gründe vorgebracht werden - solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 2 SGB II aF, der durch die Einführung des neuen S 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706 - ohne inhaltliche Änderung zu S 3 wurde; vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 29; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 30).

16

Der Senat folgt dem LSG bei der Festlegung der angemessenen Wohnungsgröße und des Vergleichsraums. Diese Feststellungen allein genügen allerdings nicht zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete.

17

3. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße für einen Ein-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 50 qm zu berücksichtigen ist. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist - entsprechend der vom LSG vorgenommenen Auslegung des Landesrechts - in Nordrhein-Westfalen ab dem 1.1.2010 auf die in Nr 8.2 der WNB (MBl NRW 2010, 1) festgesetzten Werte zurückzugreifen. Diese sehen für einen Ein-Personen-Haushalt anstelle von bisher 45 qm eine Wohnfläche von 50 qm vor.

18

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; zuletzt BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 17 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Maßgeblich sind die im streitigen Zeitraum gültigen Bestimmungen (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 14 f; BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 86/09 R - RdNr 18; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr 17). Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtete sich damit grundsätzlich nach den Werten, die die Länder aufgrund von § 10 Wohnraumförderungsgesetz vom 13.9.2001 (BGBl I 2379) (bzw zu der vorherigen Vorschrift des § 5 Abs 2 Wohnungsbindungsgesetz) festgelegt hatten. Maßgeblich für Nordrhein-Westfalen war damit Ziff 5.7.1 der Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG) vom 8.3.2002 in der geänderten Fassung vom 21.9.2006 (Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport, Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8.3.2002, 396, 400; vgl nur BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 - RdNr 16; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr 17). Zum 1.1.2010 ist im Zuge der Föderalismusreform mit dem Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG-NRW) (Art 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen vom 8.12.2009) das WoFG in Nordrhein-Westfalen abgelöst worden. Gleichzeitig sind mit dem Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009 Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB, MBl NRW 2010, 1) zum Vollzug der Teile 4 bis 6 des WFNG NRW erlassen worden und in Kraft getreten. Diese ersetzen die bisherigen VV-WoBindG. Nach Nr 19 S 2 der WNB treten die VV-WoBindG mit Ausnahme der Nr 8 bis 8b.3 und 22 und der Anlage mit Ablauf des 31.12.2009 außer Kraft. Für die Belegung von gefördertem Wohnraum (vgl § 18 WFNG NRW, der Nachfolgevorschrift zu § 27 WoFG - vgl LT-Drucks 14/9394, S 96) sind ab dem 1.1.2010 daher die in Nr 8.2 der WNB angesetzten Werte für Wohnflächen maßgeblich.

19

Dass - wie der Beklagte einwendet - der mit der Angemessenheitsprüfung verbundene Zweck im Rahmen des § 22 SGB II mit den Zwecken des sozialen Wohnungsbaus nicht übereinstimme, wird durch den Rückgriff auf die von den Ländern erlassenen Vorschriften zum sozialen Wohnungsbau ohnehin bewusst in Kauf genommen(vgl bereits BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 15). Insoweit kommt dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine überragende Bedeutung zu. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, ist eine Heranziehung anderweitiger Verwaltungsregelungen zur Bestimmung der Wohnfläche nur dann vertretbar, wenn aktuelle Verwaltungsvorschriften zu § 10 WoFG nicht existieren(vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R). Dies ist auf die Situation in NRW im streitigen Zeitraum zu übertragen. Das WFNG-NRW ist zum 1.1.2010 an die Stelle des WoFG und somit auch des § 10 WoFG getreten. Mit § 18 WFNG-NRW existiert für den Wohnungsberechtigungsschein eine Nachfolgevorschrift zu § 27 WoFG(vgl LT-Drucks 14/9394, 96), der in Abs 4 auf die Bestimmungen der Länder zur maßgeblichen Wohnungsgröße verwies. Welche Wohnungsgröße iS des § 18 Abs 2 WFNG-NRW in der Regel angemessen ist, bestimmt nunmehr Ziffer 8.2 der WNB. Mithin existiert eine aktuelle Bestimmung zur Wohnungsfläche im sozialen Wohnungsbau, die anzuwenden ist.

20

Zudem ist zu berücksichtigen, dass Leistungsberechtigte nach dem SGB II zumindest Teil der Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung sind. Hierauf hat bereits der ebenfalls für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständige 14. Senat des BSG hingewiesen (BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 86/09 R - RdNr 19). Demnach folgt aus § 1 Abs 2 WoFG, dass Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung Haushalte sind, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind; insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen. Hierzu gehören auch Haushalte, deren Mitglieder Leistungen nach dem SGB II beziehen. Nichts anderes ergibt sich aus der im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschrift des § 2 WFNG-NRW.

21

Auch liegt der Schluss nahe, dass - soweit in Nordrhein-Westfalen die Vorschriften über die Wohnflächen gegenüber der bisherigen Regelung erhöht werden - eine entsprechende Anzahl kleinerer Wohnungen für Mieterhaushalte im sozialen Wohnungsbau tatsächlich nicht vorhanden ist. Hieraus folgt, dass solche Wohnungen dann aber auch nicht für Leistungsberechtigte nach dem SGB II zur Verfügung stehen (vgl BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 86/09 R - RdNr 18).

22

Demgegenüber ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 22 SGB II(BT-Drucks 15/1516, S 57) - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht, dass die Ermittlung der angemessenen Wohnfläche keinen Veränderungen unterworfen werden sollte. Es heißt dort lediglich, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung wie in der Sozialhilfe in tatsächlicher, angemessener Höhe berücksichtigt werden, wobei sie den am Maßstab der Sozialhilfepraxis ausgerichteten - angemessenen - Umfang nur dann und solange übersteigen dürfen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder zuzumuten ist, die Aufwendungen für die Unterkunft zu senken. Wie der Beklagte selbst ausführt, entsprach es der sozialhilferechtlichen Praxis, die durch das BVerwG bestätigt wurde (vgl BVerwG Urteil vom 21.1.1993 - 5 C 3/91 - BVerwGE 92, 1, 3; BVerwG Urteil vom 17.11.1994 - 5 C 11/93 - BVerwGE 97, 110, 112 f), dass die Frage nach der sozialhilferechtlich angemessenen Wohnfläche anhand der Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften unter Rückgriff auf die Verwaltungsvorschriften der Länder zu § 5 Abs 2 WoBindG zu beantworten war. Diese Vorschriften wurden sodann zum 1.1.2002 durch das WoFG mit entsprechenden Durchführungsbestimmungen abgelöst, auf die in der Folgezeit grundsätzlich abzustellen war (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, aaO). Nicht anders verhält es sich, wenn durch den Übergang der Gesetzeskompetenz vom Bund auf die Länder landesrechtliche Vorschriften das WoFG abgelöst haben und entsprechende neue Durchführungsvorschriften erlassen worden sind.

23

Auch die Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 26.10.2010 (BT-Drucks 17/3404, S 101) geht grundsätzlich von der Maßgeblichkeit der aktuellen Vorschriften zum sozialen Wohnungsbau aus. Durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) ist zum 1.4.2011 die Möglichkeit des Verordnungsgebers auf Grundlage des § 27 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) eine bundeseinheitliche Bestimmung angemessener Wohnungsgrößen durch Verordnung zu erlassen (vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 18; Urteile vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 16 und - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 14) -, weggefallen. Stattdessen können die Länder, die Kreise und kreisfreien Städte nun durch Gesetz ermächtigt oder verpflichtet werden, durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind (vgl § 22a SGB II). In der Satzung ist auch zu bestimmen, welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt wird (vgl § 22b Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II). Nach der Gesetzesbegründung soll sich die Festlegung angemessener Wohnflächen an den Wohnflächen orientieren, die auf dem örtlichen Markt für Haushalte im Niedrigeinkommensbereich ohne Transferleistungen üblich sind. In Ballungsräumen könne in der Regel davon ausgegangen werden, dass die von Personen im Niedrigeinkommensbereich bewohnten Wohnungen durchschnittlich kleiner seien als die Werte der aktuellen Wohnungsbauförderung. Seien belastbare Daten hierzu nicht verfügbar, könnten der Festsetzung hilfsweise die landesrechtlichen Wohnraumförderbestimmungen zugrunde gelegt werden (vgl dazu BSGE 97, 254 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 3).

24

4. Nach den Feststellungen des LSG ist die Heranziehung des Stadtgebiets der Stadt H. als maßgeblicher Vergleichsraum nicht zu beanstanden. Es handelt sich danach um einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich (zu den Anforderungen an den maßgeblichen Vergleichsraum siehe nur BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR § 22 Nr 19, RdNr 21).

25

5. Der Senat kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG jedoch nicht abschließend beurteilen, ob der von den Vorinstanzen zugrunde gelegte Quadratmeterpreis von 4,75 Euro und mithin eine monatliche Nettokaltmiete von 237,50 Euro abstrakt angemessen sind.

26

Eine rechtliche Einschränkung des Prüfungsumfangs durch das "Unstreitigstellen" bestimmter unselbstständiger Berechnungselemente innerhalb eines einheitlichen Anspruchs auf die abstrakte Rechtsfrage, welche Wohnungsgröße im Rahmen der Anwendung der Produkttheorie zugrunde zu legen ist, ist nicht möglich. Das "Unstreitigstellen" solcher Teilaspekte hat nicht zur Folge, dass das Gericht hieran gebunden ist (vgl BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG Urteil vom 23.8.2011 - B 14 AS 165/10 R - RdNr 16 - SozR 4-4200 § 11 Nr 43). Derartige Erklärungen entbinden das Gericht nicht davon darzulegen, welchen Streitstoff es nach eigener Überzeugungsbildung für maßgebend hält. Durch entsprechende Erklärungen geben die Beteiligten lediglich zum Ausdruck, dass sie von einem bestimmten Sachverhalt ausgehen und die tatsächlichen Grundlagen des Rechtsstreits insoweit aus ihrer Sicht geklärt sind. Dies steuert die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 13; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 68/07 R - BSGE 102, 258 = SozR 4-4225 § 1 Nr 1, RdNr 10). Nur wenn die Annahme naheliegt, dass weitere oder abweichende Tatsachen für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung sind, muss das Gericht in eine weitere Ermittlung des tatsächlichen Streitstoffs einsteigen. Von der Pflicht zur nachvollziehbaren Darlegung einzelner Anspruchselemente entbinden solche Erklärungen jedoch hingegen nicht.

27

Hieran fehlt es vorliegend, denn das LSG hat es unterlassen nachvollziehbar darzulegen, warum der vom Beklagten angesetzte Quadratmeterpreis von 4,75 Euro abstrakt angemessen ist und insofern den vom BSG aufgestellten Anforderungen an ein schlüssiges Konzept (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 26; vgl auch BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 7 und BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42) entspricht. Diese Feststellung ist jedoch - gemeinsam mit Feststellungen zur angemessenen Wohnungsgröße und zum Vergleichsraum - zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 SGB II unerlässlich. Dies wird das LSG im wiederöffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

28

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Mai 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II), insbesondere Leistungen für Unterkunft und Heizung für Juni 2006.

2

Der im Jahr 1965 geborene, alleinstehende Kläger bewohnt eine 55,86 qm große Wohnung in Bernburg (Saale). Im strittigen Zeitraum betrugen pro Monat seine Kaltmiete 285,61 Euro, seine Vorauszahlung für die Betriebskosten 37,10 Euro und für die Heizkosten einschließlich Warmwasserbereitung 54,92 Euro, insgesamt 377,63 Euro. Mit Bescheid vom 24.11.2004 bewilligte die Agentur für Arbeit Bernburg dem Kläger Leistungen für Januar bis Juni 2005 und wies darauf hin, die unangemessenen Kosten der Unterkunft würden für längstens sechs Monate übernommen. Der damalige Landkreis Bernburg, ein zugelassener kommunaler Träger und Rechtsvorgänger des jetzigen Beklagten, der ebenfalls ein zugelassener kommunaler Träger ist (im Weiteren: der Beklagte), führte mit Schreiben vom 5.1.2005 aus, die Größe der Wohnung übersteige die angemessene Wohnfläche von 50 qm, als Kaltmiete seien 4 Euro pro qm, für die Betriebs- und Heizkosten seien 2,10 Euro pro qm angemessen, insgesamt also (50 x 6,1 =) 305 Euro.

3

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 1.7. bis 31.12.2005 letztlich pro Monat eine "Kaltmiete" von 212,98 Euro und für Heiz- und Nebenkosten 92,02 Euro (Bescheid vom 8.7.2005, Änderungsbescheide vom 27.9.2005 und vom 24.11.2005) und für die Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006 dieselben Beträge (Bescheid vom 27.12.2005). Die Widersprüche des Klägers wurden zurückgewiesen (für das Jahr 2005: Widerspruchsbescheid vom 7.3.2006; für das Jahr 2006: Widerspruchsbescheid vom 8.3.2006).

4

Das Sozialgericht hat die Klagen verbunden und abgewiesen (Urteil vom 17.11.2008). Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Kläger ua die Nebenkostenabrechnung seines Vermieters vom 20.12.2005 für das Jahr 2004 vorgelegt, nach der er innerhalb von zwei Wochen 100,67 Euro nachzahlen musste, und das Verfahren ausdrücklich auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Das Landessozialgericht (LSG) hat den Beklagten unter Änderung der genannten Bescheide verurteilt, dem Kläger pro Monat für Juli bis Dezember 2005 und für Februar bis Juli 2006 jeweils weitere 52 Euro und für Januar 2006 weitere 153 Euro als Leistungen für die Unterkunft und Heizung zu zahlen und die Berufung des Klägers im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 9.5.2012). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei Berechtigter iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Als angemessene Wohnfläche für Ein-Personen-Haushalte sei im Land Sachsen-Anhalt von 50 qm aufgrund der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsbaus in Sachsen-Anhalt auszugehen. Ob als örtlicher Vergleichsraum auf den früheren Landkreis Bernburg abzustellen sei, insbesondere im Hinblick auf die Kreisstadt Bernburg (Saale), in der der Kläger lebe, und die kleineren kreisangehörigen Gemeinden, könne dahinstehen.

5

Die Ermittlungen und Vorgaben des Beklagten für den Landkreis Bernburg, einschließlich der Stadt Bernburg (Saale), erfüllten in den strittigen Jahren 2005 und 2006 nicht die Anforderungen an ein "schlüssiges Konzept" nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG): Der herangezogene Mietspiegel stamme aus dem Jahr 1999 und sei kein qualifizierter Mietspiegel nach § 558d Bürgerliches Gesetzbuch, die Daten der befragten Wohnungsanbieter seien unzureichend und ein Vergleich von Werten innerhalb des Konzepts des Beklagten zeige, dass es in sich widersprüchlich sei. Die eigenen Ermittlungen des Senats beim statistischen Landesamt und dem Verband der Wohnungswirtschaft hätten nicht zu einer validen Datengrundlage geführt. Der Beklagte habe die vom Senat gestellten Fragen nicht beantworten können und sei seiner Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht nachgekommen. Aus der Erarbeitung eines schlüssigen Konzepts für das Jahr 2012 durch den Beklagten ergebe sich nichts anderes, weil dieses keine Aussagekraft für das Jahr 2005 habe, da sich der Wohnungsmarkt, die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr, das Vorhandensein von Arbeitsplätzen in kürzerer Zeit verändere.

6

Die Aufwendungen des Klägers für seine Unterkunft seien jedoch nicht unbegrenzt zu übernehmen. Nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29) gebe es eine "Angemessenheitsgrenze nach oben", die aus den Tabellenwerten nach § 8 Wohngeldgesetz in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (WoGG aF) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % abzuleiten sei. Bernburg (Saale) gehöre zur Mietenstufe II, deren Höchstbetrag für Kaltmiete einschließlich kalter Betriebskosten belaufe sich danach für Ein-Personen-Haushalte auf 280 Euro, zuzüglich 10 % ergäben sich 308 Euro pro Monat. Die höheren Aufwendungen des Klägers seien nicht zu übernehmen, insofern sei seine Berufung zurückzuweisen.

7

Die Heizkosten errechneten sich ausgehend von einer Vorauszahlung von 54,92 Euro abzüglich der Kosten für die Warmwasserbereitung von 5,97 Euro mit 48,95 Euro pro Monat, im Juli 2006 jedoch mit 48,70 Euro aufgrund der Erhöhung der Regelleistung. Für den Januar 2006 sei als weiterer Bedarf die Nebenkostenabrechnung des Vermieters in Höhe von 100,67 Euro zu berücksichtigen. Mithin ergebe sich als monatlicher Anspruch des Klägers für Juli bis Dezember 2005 und für Februar bis Juni 2006 insgesamt 356,95 Euro, gerundet 357 Euro, für Juli 2006 356,70 Euro, gerundet 357 Euro, für Januar 2006 457,62 Euro, gerundet 458 Euro. Abzüglich der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung von monatlich 305 Euro verblieben die ausgeurteilten Restansprüche.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte unter Vorlage eines "Schlüssigen Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft im Salzlandkreis" aus dem Jahr 2012 die Verletzung formellen und materiellen Rechts: Das LSG habe § 22 Abs 1 SGB II verletzt, weil es zur Bestimmung der Angemessenheit auf § 8 WoGG aF zurückgegriffen habe, obwohl ein schlüssiges Konzept habe erarbeitet werden können. Es habe seine Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG verletzt, weil es weitere Ermittlungen zum schlüssigen Konzept habe anstellen, das angekündigte schlüssige Konzept des Beklagten aus dem Jahr 2012 abwarten und ggf ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Außerdem habe es die Bestimmung des örtlichen Vergleichsraums unzutreffenderweise dahingestellt sein lassen.

9

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Mai 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Im Rahmen eines Teilvergleichs hat der Beklagte sich verpflichtet, an den Kläger wegen der Nebenkostenabrechnung dessen Vermieters weitere 100,67 Euro für Januar 2006 als Leistungen für die Unterkunft und Heizung zu zahlen, und haben sich die Beteiligten hinsichtlich weiterer Leistungen für die Unterkunft und Heizung für die Monate Juli 2005 bis Mai 2006 sowie Juli 2006 dem Ausgang des Rechtsstreits für den Monat Juni 2006 unterworfen.

Entscheidungsgründe

12

Auf die Revision des Beklagten ist das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 9.5.2012 aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet, weil aufgrund der Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden kann, ob der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Übernahme von weiteren Leistungen für Unterkunft und Heizung hat (§ 170 Abs 1, 2 SGG).

13

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist aufgrund des Teilvergleichs der Beteiligten im Revisionsverfahren nur noch das Begehren des allein revisionsführenden Beklagten, das Urteil des LSG, dem Kläger für Juni 2006 weitere 52 Euro als Leistungen für Unterkunft und Heizung zu zahlen, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

14

2. Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. An der Zulässigkeit eines auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkten Rechtsmittels (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18)hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert (BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

15

3. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten und vom LSG zugesprochenen Anspruch auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung sind § 19 Satz 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 1, § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Die Grundvoraussetzungen für die Leistungsgewährung nach § 7 SGB II erfüllte der im Leistungsbezug nach dem SGB II stehende Kläger, wie sich aus den Feststellungen des LSG ergibt.

16

Zu den im Rahmen des Arbeitslosengeldes II zu erbringenden Leistungen gehören auch solche für die Unterkunft und Heizung, die in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zwischen der Leistung für die Unterkunft und der Leistung für die Heizung ist zu unterscheiden, wie schon dem Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals Leistungen sowie der Rechtsprechung des BSG zu entnehmen ist, sie sind aber keine eigenständigen Streitgegenstände (vgl nur BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 18).

17

4. Die Leistung für die Heizung hat das LSG ausgehend von einer Vorauszahlung von 54,92 Euro abzüglich der Kosten für die Warmwasserbereitung von 5,97 Euro (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) mit 48,95 Euro pro Monat zutreffend bestimmt; von den Beteiligten sind insoweit keine Bedenken erhoben worden.

18

5. Soweit das LSG hinsichtlich der Leistung für die Unterkunft auf die Tabellenwerte nach dem WoGG zurückgegriffen hat, ist das Urteil jedoch mangels ausreichender Feststellungen zum zugrunde gelegten örtlichen Vergleichsraum aufzuheben.

19

Zur Bestimmung der Leistung für die Unterkunft ist zunächst der abstrakt angemessene Bedarf unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln. Liegen die tatsächlichen Aufwendungen der leistungsberechtigten Person über diesem Betrag, ist der konkret angemessene Bedarf zu prüfen, einschließlich der Zumutbarkeit einer Kostensenkung und der Durchführung eines Kostensenkungsverfahrens (vgl ua BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19 ff; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 12 ff; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 20 ff).

20

Bei der Ermittlung des abstrakt angemessenen Bedarfs für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen und unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro qm Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums zu zahlen ist. Zu der so ermittelten Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen (vgl BSG aaO). Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben für die Zeit vor dem 1.1.2009 durch die Tabellenwerte der rechten Spalte zu § 8 WoGG aF plus einem Sicherheitszuschlag von 10 % (vgl nur BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff mwN).

21

Die angemessene Wohnfläche für den Kläger als Alleinstehenden beträgt 50 qm, wie das LSG unter Zugrundelegung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsbaus in Sachsen-Anhalt, RdErl des Ministeriums für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen (MRS) vom 23.2.1993, MBl Sachsen-Anhalt Nr 27/1993, S 1285 sowie RdErl des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr (MWV) vom 10.3.1995, MBl für Sachsen-Anhalt Nr 31/1995, S 1133) zutreffend ausgeführt hat und wogegen von Seiten der Beteiligten keine Einwände erhoben wurden.

22

Dem LSG kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit es einerseits die Bestimmung eines örtlichen Vergleichsraums ausdrücklich dahingestellt gelassen hat sowie andererseits das Vorliegen eines "schlüssigen Konzepts" des Beklagten zur Ermittlung der Nettokaltmiete verneint und auf die Erfolglosigkeit eigener Ermittlungsversuche verwiesen hat. Denn die Entscheidung über ein schlüssiges Konzept oder den Erfolg eigener Ermittlungen setzt die Festlegung eines - örtlichen - Vergleichsraums voraus, auf den sich diese Beurteilung bezieht (ebenso BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17). Insofern mag zwar eine Wahlfeststellung, zB die Wohnortgemeinde, der Bezirk des Beklagten usw, zulässig sein, nicht aber, wie vorliegend, ein völliges Dahingestelltlassen (vgl zu den rechtlichen Vorgaben für die Festlegung eines Vergleichsraums BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 20 ff; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 24; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand der Kommentierung Oktober 2012, K § 22 RdNr 96 ff).

23

Ausgehend von der Bestimmung eines solchen örtlichen Vergleichsraums wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob sich aufgrund der ursprünglichen Ermittlungen und möglicher weiterer Angaben des Beklagten sowie dritter Stellen für die strittige Zeit Juni 2006 ein "schlüssiges Konzept" nach der Rechtsprechung des BSG (vgl insbesondere BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30)ermitteln lässt. Dabei ist zu beachten, dass es im Wesentlichen eine Aufgabe des beklagten Grundsicherungsträgers ist, für seinen Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu ermitteln, und insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume keine unverhältnismäßig aufwändigen Ermittlungen durchgeführt werden müssen. Dies entbindet jedoch das LSG nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten für den maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nicht entwickelt werden kann (vgl nur BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 mwN).

24

Dass ein einfacher und mehrere Jahre zurückliegender Mietspiegel, unzureichende Datenerhebungen bei befragten Wohnungsanbietern und ein in sich widersprüchliches "Konzept" nicht ausreichen, wie vorliegend vom LSG festgestellt und keinem Beteiligten gerügt, entspricht der Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17 mwN). Inwieweit das vom Beklagten im Laufe des Revisionsverfahrens vorgelegte "Schlüssige Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft im Salzlandkreis" aus dem Jahr 2012 verwertbar ist oder nicht, wird das LSG ebenfalls nach Bestimmung des örtlichen Vergleichsraums zu prüfen haben, zumal der Kreis Bernburg nur ein Teil dieses neuen Kreises ist.

25

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Klägerin im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen zustehen.

2

Die alleinstehende Klägerin bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum eine 48 qm große Wohnung in München. Sie hatte eine mietvertragliche Verpflichtung in Höhe von 745 Euro (690 Euro Nettokaltmiete zzgl 55 Euro Betriebskosten) monatlich. Die Vorauszahlung für die Gasversorgung betrug 97 Euro im Monat (lediglich im Februar 2008: 107 Euro wegen einer Nachforderung; Bruttowarmmiete 835,67 Euro).

3

Ende August 2006 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihre Nettokaltmiete die zulässige Höchstgrenze von 397,30 Euro monatlich überschreite. Die Klägerin wurde aufgefordert, sich bis Ende Februar 2007 um eine Minderung der Unterkunftskosten zu bemühen. Ab dem 1.3.2007 werde die Unterkunftsleistung auf die angemessene Höhe abgesenkt.

4

Für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.5.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II, welches Leistungen für KdUH in Höhe von 813 Euro monatlich umfasste (Bescheid vom 29.11.2006 idF des Bescheides vom 19.12.2006). Ab 1.3.2007 senkte er die Leistungen für die Kaltmiete auf die von ihm als angemessen befundene Mietobergrenze herab (Bescheide vom 13.2.2007). Für den Zeitraum bis 31.5.2007 hat das LSG mit dem hier angefochtenen Urteil vom 11.7.2012 diese Entscheidung des Beklagten aufgehoben. Hiergegen sind die Beteiligten nicht in die Revision gegangen.

5

Für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin schlussendlich Leistungen für KdUH in Höhe von 496,45 Euro für ihre brutto-kalten Mietaufwendungen (441,45 Euro Nettokaltmiete + 55 Euro Betriebskosten) und übernahm im Verlaufe des Gerichtsverfahrens ihre Aufwendungen für Gas abzüglich der Warmwasserpauschale in tatsächlicher Höhe (Bescheid vom 23.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 und des Änderungsbescheides vom 14.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008, dieser in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009). Ebenso verfuhr der Beklagte für den Zeitraum vom 1.12.2007 bis zum 31.5.2008 (Bescheid vom 22.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008). Durch Bescheid vom 7.5.2008 (in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009) setzte der Beklagte diese Praxis für den Leistungszeitraum vom 1.6.2008 bis zum 30.11.2008 zunächst fort. Ab dem 1.7.2008 erhöhte er jedoch den Leistungsanteil für die Bruttokaltmiete der Klägerin auf 504,21 Euro (Nettokaltmiete 449,21 Euro + 55 Euro kalte Nebenkosten) und wies unter Einbeziehung dieser Änderung (Bescheid vom 3.7.2008) den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 25.9.2008 zurück (idF der Änderungsbescheide vom 15.12.2008 und 29.4.2009).

6

Das SG hat die miteinander verbundenen Klagen auf Übernahme der tatsächlichen Mietaufwendungen abgewiesen (Urteil vom 26.11.2009). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG geändert. Soweit es den Zeitraum vom 1.3. bis 31.5.2007 betrifft, hat es die Bescheide wie benannt aufgehoben. Zudem hat es den Beklagten unter Abänderung der weiteren Bescheide verurteilt, der Klägerin über die bereits bewilligten Leistungen hinaus KdUH in Höhe von 9,88 Euro für den Monat Februar 2008 - für eine Heizkostennachforderung - und in Höhe von jeweils 0,12 Euro für die Monate Juli bis November 2008 wegen unzutreffender Anwendung der Rundungsregelung zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zwar fehle es dem Beklagten an einem schlüssigen, nachvollziehbaren Konzept zur Ermittlung der angemessenen KdUH iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die vom Beklagten für einen Ein-Personen-Haushalt übernommenen Aufwendungen der Klägerin für die Bruttokaltmiete in Höhe von 496,45 Euro im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.6.2008 und 504,21 Euro im Zeitraum vom 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 seien jedoch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. G K angemessen gewesen. Die für den Mietspiegel 2007 der Stadt München erhobenen und vom Sachverständigen ausgewerteten Daten betreffend Wohnungen "um die 50 qm" - in der Gestalt von gewichteten 243 Wohnungen zwischen 46 und 54 qm - bildeten eine geeignete Grundlage zur Berechnung der angemessenen Aufwendungen für die Bruttokaltmiete iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Erfassung lediglich von Bestandsmieten und die Nichtberücksichtigung preisgebundenen Wohnraums stünden dem nicht entgegen. Zudem beruhe der Mietspiegel 2007 auf dem für den streitgegenständlichen Zeitraum aussagekräftigsten Zahlenmaterial, welches selbst auf einer repräsentativen Stichprobe fuße. Die Auswertung des Datenmaterials durch den Sachverständigen habe unter Anwendung statistisch anerkannter Methoden stattgefunden und ergeben, dass mit den gewährten Mitteln ausreichend angemessener Wohnraum im Stadtgebiet München gefunden werden könne. Es drohe auch keine Konzentration von Leistungsempfängern in bestimmten sozialen Brennpunkten/Stadtbezirken. Ebenso wenig könne unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der Klägerin festgestellt werden, dass eine abstrakt angemessene Wohnung nicht tatsächlich auf dem Wohnungsmarkt hätte angemietet werden können. Zutreffend erfolgt sei auch der Abzug der Warmwasserpauschale aus den vom Beklagten übernommenen monatlichen Abschlägen für die Versorgung der Klägerin mit Erdgas (Urteil vom 11.7.2012).

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe den Begriff der Angemessenheit des § 22 SGB II rechtsfehlerhaft angewandt. Zutreffende Konsequenz aus der Feststellung, der Beklagte verfüge über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Miete, hätte die Annahme einer Unmöglichkeit zur Kostensenkung sowie der Verurteilung zur Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen sein müssen. Die vom Beklagten herangezogene Mietobergrenze sei zu gering. Bei seinen Ermittlungen habe das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht zutreffend umgesetzt. Die erhobenen und ermittelten Daten seien nicht repräsentativ. Zudem käme es bei Übertragung der Daten zu einer "Ghettoisierung". Die Annahme, zur gewährten Mietobergrenze sei 1/5 der Wohnungen in München generell zu diesem Preis verfügbar, sei unzutreffend. Bereits die dem Sachverständigen gestellten Fragen seien teilweise problematisch. Die Beweisanordnung sei schon durch die Bezugnahme auf den Mietspiegel vorbestimmt gewesen. Das LSG habe bei der Fragestellung antizipiert, dass die Rohdaten des Mietspiegels und eine diesbezügliche Konzentration auf 20 % des maßgeblichen Wohnraums geeignet seien, ein zutreffendes Bild des Mietmarkts im streitgegenständlichen Zeitraum zu zeichnen. Die 20 %-Grenze sei willkürlich gezogen. Tatsächlich dürften nicht nur 5,3 % der Gesamtbevölkerung Wohnungen im unteren Marktsegment suchen, sodass ein Verweis auf die vom LSG in die Auswertung nicht einbezogenen Sozialwohnungen problematisch sei. Dies zeige sich bereits daran, dass nicht Ortsansässige auf solche Wohnungen mindestens fünf Jahre warten müssten. Im Gutachten unberücksichtigt geblieben seien auch Aspekte, die zu einer Erhöhung der Quadratmeterpreisberechnung geführt hätten, wie zB ein Zuschlag für eine Küche. Auch bei absoluter Betrachtung sei die Stichprobe viel zu gering, um daraus die Verfügbarkeit von Wohnraum ableiten zu können. Es gäbe auf dem Münchener Mietmarkt nicht etwa 20 % Wohnungen um 50 qm, sondern nur zwischen 1,31 % und 4,8 %. Das LSG habe zudem in entscheidungserheblicher Art und Weise gegen § 103 SGG verstoßen, indem es einem Antrag auf Vernehmung des Haus- und Grundbesitzervereins München und Umgebung eV, gesetzlich vertreten durch Rechtsanwalt S, als Sachverständigen keine Folge geleistet habe. Das LSG habe auch, obwohl die Klägerin nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, keinerlei Hinweis darauf gegeben, dass eine weitere Beweisaufnahme aus seiner Sicht entbehrlich sei.

8

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 und Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 26. November 2009 sowie Änderung der Bescheide des Beklagten vom 23. April 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. August 2007, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2007 und in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 sowie des Änderungsbescheides vom 29. April 2009, des Bescheides vom 22. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008, diese in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. April 2009 und des Bescheides vom 7. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Juli 2008, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15. Dezember 2008 sowie 29. April 2009, zu verurteilen, ihr über die bereits im Urteil des Landessozialgerichts zuerkannten Leistungen hinaus für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis 30. November 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Zugrundelegung der tatsächlichen Mietzahlungsverpflichtung zu gewähren.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Das LSG sei der Rechtsprechung des BSG gefolgt, als es selbst Ermittlungen zur Angemessenheit der Mietobergrenze vorgenommen habe. Die Zugrundelegung einer 20 %-Grenze durch das LSG fülle das durch die Rechtsprechung des BSG vorgegebene "untere Marktsegment" aus. Zudem habe das LSG keine Abschläge bei der Miete berücksichtigt, sondern dies vielmehr für unzulässig erachtet. Die erhobenen Daten seien entgegen der Auffassung der Klägerin auch repräsentativ. Regressionsmietspiegel, wie der für München erstellte, kämen mit einer kleineren Stichprobe als sog Tabellenmietspiegel aus. Die im Mietspiegel erfassten Bestandsmieten seien lediglich solche aus den letzten vier Jahren vor der Stichprobe. Die Daten für den Mietspiegel seien zwar im Auftrag der Stadt München, aber durch ein unabhängiges Marktforschungsinstitut erhoben und ausgewertet worden.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

12

Die Entscheidung des LSG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat der Klägerin schlussendlich im hier streitigen Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe iS des § 22 Abs 1 SGB II erbracht.

13

1. Streitgegenstand sind höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis 30.11.2008, als sie in den Bescheiden des Beklagten für die Zeiträume vom 1.6.2007 bis 30.11.2007, 1.12.2007 bis 31.5.2008 und 1.6.2008 bis 30.11.2008 festgestellt worden sind.

14

Nicht Streitgegenstand ist die Höhe der Leistungen für den vorhergehenden Zeitraum ab dem 1.3.2007. Der erkennende Senat brauchte daher nicht darüber zu befinden, ob sich das LSG zur Begründung seiner Aufhebungsentscheidung zutreffend auf § 45 SGB X gestützt hat oder nicht § 48 SGB X hätte zugrundelegen müssen. Denn es liegt nahe, bei der Umsetzung einer angekündigten Absenkung der Leistungen für Unterkunft von einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse auszugehen. Die Klägerin hat sich jedoch in ihrer Revision nicht gegen die Höhe der Leistungen in diesem Zeitraum gewandt - obwohl sie niedriger waren, als ihre tatsächlichen Aufwendungen - und der unterlegene Beklagte ist nicht in die Revision gegangen. Das Urteil des LSG ist insoweit rechtskräftig geworden.

15

Ebenfalls rechtskräftig geworden ist die Entscheidung des LSG im Hinblick auf die zu Lasten des Beklagten vorgenommene Anwendung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist) und die Verurteilung zur Zahlung eines Betrags von 9,88 Euro für die Gaskostennachforderung im Monat Februar 2008. Der Beklagte ist auch hiergegen nicht in die Revision gegangen.

16

2. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin ihre Anfechtungs- und Leistungsklage auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt hat (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl auch BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11). Hieran hat sich - wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat - durch die Neufassung des § 19 SGB II aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) für laufende Verfahren über vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte - wie es auch hier der Fall ist - nichts geändert (BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 11; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

17

3. An dem Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 22 SGB II an die einkommens- und vermögenslose, alleinstehende Klägerin bestehen nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG keine Zweifel.

18

4. Die der Klägerin von dem Beklagten bewilligten Leistungen für Unterkunft in Höhe von 496,45 Euro für ihre Mietaufwendungen (brutto/kalt) ab dem 1.6.2007 und 504,21 Euro (ebenfalls brutto/kalt) ab dem 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Rechtsgrundlage für die hier umstrittene Höhe der Leistungen sind §§ 19, 22 SGB II. Danach werden im Rahmen des Alg II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als im Hinblick auf den pauschalierten Regelbedarf - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, zur Bestimmung der Leistungshöhe auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die Leistungen nicht in beliebiger Höhe zu erbringen, sondern nur insoweit, als die tatsächlichen Aufwendungen für Miete und Heizung angemessen sind. Die Angemessenheit begrenzt somit die zu erbringenden Leistungen der Höhe nach. Die Begrenzung der Leistungen für KdU - die Aufwendungen der Klägerin für Heizkosten hat der Beklagte schlussendlich in tatsächlicher Höhe abzüglich der Warmwasserpauschale erbracht - ab dem 1.6.2007 auf die vom Beklagten befundene Höhe ist im vorliegenden Fall rechtmäßig.

19

a) Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 12). Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze ist daher auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen (vgl BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 17). Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des BSG zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist.

20

aa) Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße hat das LSG hier zutreffend mit 50 qm bestimmt. Es hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückgegriffen, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 12). Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen festlegen, bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt. Der erkennende Senat sieht diesen Anknüpfungspunkt zwar als problematisch an (vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität ist aber wenigstens solange, wie nicht eine Satzung über die angemessenen KdU iS von §§ 22a ff SGB II vorliegt, in welcher grundsätzlich andere Wohnraumgrößen festgelegt werden können(vgl § 22b Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), an diesem Maßstab festzuhalten. Nach den Bestimmungen des Freistaates Bayern in den Wohnraumförderbestimmungen (Wohnraumförderbestimmungen der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 11.11.2002 und vom 4.12.2007 ) ist auch für die Stadt München eine angemessene Wohnungsgröße von 50 qm für einen Ein-Personen-Haushalt zugrunde zu legen.

21

bb) Das LSG hat auch zutreffend erkannt, dass die für Leistungsberechtigte infrage kommende Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen muss, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 13). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen. Das BSG hat jedoch auch klargestellt, dass die Referenzwohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Standard abbilden, von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand gehören, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung auch der hinter einem qualifizierten Mietspiegel stehenden Daten unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet(BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 29; s auch BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - RdNr 23; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - , RdNr 14). Diesen Voraussetzungen wird die Entscheidung des LSG hier gerecht, wenn das Gericht die hinter dem qualifizierten Mietspiegel für die Stadt München liegenden Daten aus den Jahren 2007 heranzieht. Denn die Daten dieses Mietspiegels umfassen weder Wohnungen in einfacher Wohnlage (Wohnungen in abgelegenen Gebieten mit unzureichender Infrastruktur und/oder Nähe zu größeren Gewerbe- und Industriegebieten, Entsorgungs- oder militärischen Anlagen) noch Wohnungen mit einfachster Ausstattung, deren Toilette, Küche oder Bad von anderen Mietparteien mitbenutzt werden, die nicht über Küche und Toilette verfügen und Wohnungen im Untergeschoss (Mietspiegel München 2007, S 5, 11 und Mietspiegel München 2009, S 4, 5, 11).

22

cc) Auch soweit das LSG die gesamte Stadt München als maßgeblichen Vergleichsraum angesehen hat, sind Rechtsfehler nicht erkennbar. Der Senat hat bereits für Großstädte wie München entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Hiervon kann nach den Feststellungen des LSG bei dem vom Mietspiegel München umfassten Stadtgebiet ausgegangen werden; die Beteiligten haben hiergegen auch keine Revisionsrügen erhoben.

23

dd) Das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze sowie das Ergebnis der Überprüfung sind ebenfalls grundsätzlich nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Überprüfung der vom Beklagten angenommenen Referenzmiete, zur Bestimmung also, wie hoch die angemessenen Aufwendungen für eine Wohnung einfachen Standards einer bestimmten Größe in einem bestimmten Vergleichsraum sind, ist es Ziel, einen Mietpreis hierfür zu ermitteln, um so die angemessenen Aufwendungen bestimmen zu können ("Referenzmiete", vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17).

24

Eine pauschale bundeseinheitliche Grenze (Quadratmeterpreis) scheidet hierbei aus. Es ist auf die konkreten Verhältnisse abzustellen. Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16) auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; vgl auch BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 7). Entscheidend ist jedoch, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zugrunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist.

25

Dabei ist es zuvörderst Angelegenheit der Grundsicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten sind (vgl § 40 Abs 1 SGB II iVm § 20 SGB X). Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit von ihm vorzulegen. Entscheidet der Leistungsträger - wie auch hier - ohne eine hinreichende Datengrundlage, führt dies entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch nicht ohne Weiteres dazu, dass automatisch die Leistungen für KdU in tatsächlich entstehender Höhe zu übernehmen wären. Vielmehr ist die Verwaltung im Rahmen ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1, 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und auf Verlangen des Gerichts eine ggf unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, geht diese Ermittlungspflicht zwar nicht ohne Weiteres auf das SG über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht schlüssig erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind (idS BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, juris RdNr 27; vgl auch BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 34). Andererseits haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate jedoch bereits entschieden, dass dann, wenn Datenmaterial für den Vergleichsraum vorhanden ist, etwa noch auswertbare Daten, die die Grundlage für die Erstellung zumindest eines qualifizierten Mietspiegels geboten haben, diese im Rahmen der Amtsermittlungspflicht der Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Überprüfung der von dem Beklagten gewählten Angemessenheitsgrenze heranzuziehen sind (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

26

Gemessen an diesen Vorgaben ist es nicht zu beanstanden, dass das Tatsachengericht hier die für die Ermittlung der angemessenen KdU erforderlichen Daten vom Grundsicherungsträger eingeholt bzw angefordert und diese anschließend durch einen Sachverständigen hat auswerten lassen. Das LSG durfte sich ebenfalls im Rahmen seiner Ermittlungen hinsichtlich der Anknüpfungstatsachen (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO) an dem Datenbestand orientieren, der für die Erstellung des Mietspiegels für die Stadt München erhoben wurde.

27

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Tatsachenvorgabe auch nicht mit durchgreifenden Zweifeln behaftet. Das BSG vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich die Grundsicherungsträger für die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze (ausschließlich) an dieser Art des Datenbestandes orientieren dürfen. Für das gerichtliche Ermittlungsverfahren gelten keine strengeren Anforderungen (BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 25; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

28

ee) Ebenso genügt das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze von 496,45 Euro vom 1.6.2007 bis 30.6.2008 und ab dem 1.7.2008 von 504,21 Euro brutto kalt sowie das Ergebnis der Überprüfung im konkreten Fall den Vorgaben des BSG. Der erkennende Senat hat entschieden, dass ein Konzept ein planmäßiges Vorgehen iS einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Raum sei (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Von der Schlüssigkeit eines Konzepts ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 20):

-       

Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen,

-       

es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

-       

Angaben über den Beobachtungszeitraum,

-       

Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),

-       

Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

-       

Validität der Datenerhebung,

-       

Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

-       

Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

29

Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Durch den Rückgriff des LSG auf die Daten des Münchner Mietspiegels 2007 wird die Datenerhebung auf ein bestimmtes Gebiet (hier: die Stadt München) begrenzt - der Vergleichsraum ist damit genau eingegrenzt und es werden nicht nur Mieten bestimmter Stadtbezirke in die Auswertung einbezogen, sondern Daten über das gesamte Stadtgebiet erhoben (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Einer Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke, die auf eine nur begrenzte Nutzung des Datenbestandes oder eine nur begrenzte Datenerhebung zurückzuführen sein könnte, ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG auch nicht festzustellen. Abgesehen davon, dass die entgegengesetzte Behauptung der Klägerin eine - der Revision entzogene (vgl § 163 SGG) - Tatsachenbehauptung darstellt, erfolgt hier nach den Feststellungen des LSG keine Begrenzung des Raumes der Datenerhebung auf besonders "heruntergekommene" und daher "billige" Stadtbezirke, sondern die Ermittlung bezieht sich auf das Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw räumlichen Vergleichsraum. Zwar folgt aus dieser Betrachtung nach dem Sachverständigengutachten, dass in einigen Stadtbezirken Münchens Wohnungen mit einer Größe "um 50 qm" und einer Bruttokaltmiete bis zu 450 Euro nicht zu finden sind. Dieses Ergebnis betrifft jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Frage, ob die Datenerhebung über den gesamten Vergleichsraum erfolgt ist. Soweit sie hier die Forderung des BSG nach einer Vermeidung von Ghettoisierung behandelt, hat der Senat im Übrigen Zweifel, ob angesichts des vom LSG festgestellten Vorhandenseins von Wohnungen zu einem Mietzins noch unterhalb der von dem Beklagten als Referenzgröße angenommenen (450 Euro ./. rund 500 Euro) in 18 von 26 Stadtbezirken das Risiko einer Ghettobildung besteht.

30

Nicht zu beanstanden ist auch die Vorgehensweise des LSG auf den Datenbestand des qualifizierten Mietspiegels für München zurückzugreifen, obwohl bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist und Wohnraum nicht berücksichtigt wird, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, weil §§ 558 ff BGB nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung findet. Mit der Entscheidung des BSG, dass die hinter einem Mietspiegel liegenden Daten grundsätzlich geeignet sind, auch die grundsicherungsrechtliche Angemessenheitsgrenze zu bestimmen (s nur BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29), ist die Konsequenz verknüpft, dass alsdann keine Angebotsmieten in die Datenerhebung einfließen müssen (anderes für andere Datenquellen: BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 25 RdNr 20; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 24; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 102 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 22). Die hiervon ausgehenden Wirkungen auf die Mietpreisgrenze werden jedoch dadurch gemindert, dass im Rahmen der Datenauswertung lediglich solche Mieten berücksichtigungsfähig sind, die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart wurden (vgl § 558 Abs 2 BGB; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 3). Dadurch wird erreicht, dass nur aktuell zu zahlende Mieten der Datenerhebung zugrunde gelegt werden. Gewährleistet wird durch den Rückgriff auf die Daten des Mietspiegels zudem, dass Wohnraum, dessen Miete keinen zuverlässigen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten bringen kann, wie es etwa für Wohnraum in Wohnheimen oder Herbergen und Gefälligkeitsmietverhältnissen (zB Vereinbarung von besonders niedrigen Mieten zwischen Verwandten) der Fall ist, nicht berücksichtigt wird.

31

Der Rechtsprechung des BSG folgend hat das LSG auch zutreffend die Bruttokaltmiete als Beobachtungsgegenstand der Datenerhebung gewählt (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23 zur Nettokaltmiete als Vergleichsbasis; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34; BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Dieses Vorgehen gewährleistet für die Leistungsberechtigten die Möglichkeit innerhalb des die Angemessenheit bestimmenden Produkts aus Wohnungsgröße und Ausstattung tatsächlich frei wählen zu können; die Möglichkeiten der Produkttheorie also ausschöpfen zu können. Ebenso wenig ist es hier zu beanstanden, dass durch den Rückgriff auf die Bruttokaltmiete sämtliche kalten Nebenkosten in die Überprüfung der vom Beklagten zugrunde gelegten Angemessenheitsgrenze eingeflossen sind. Denn bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten im Vergleichsraum kommt es nicht darauf an, ob existenzsicherndes Wohnen in (gedachten) Wohnungen möglich ist, in denen der in den Betriebskostenarten, wie zB Kosten für Straßen- und Gehwegreinigung, Hausreinigung, Gartenpflege und Schneebeseitigung durch Dritte, Gemeinschaftsantenne/Kabelanschluss und Aufzug, zum Ausdruck kommende Wohnungsstandard nicht gewährleistet ist. Es geht vielmehr darum "die Wirklichkeit", also die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums, abzubilden (vgl nur BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 21). Dort, wo statistische Daten zur Bestimmung der kalten Nebenkosten gerade im unteren Wohnsegment nicht vorliegen, hat es das BSG daher für zulässig befunden, auf bereits vorliegende Daten zurückzugreifen. Eine weitergehende Gewichtung hat das BSG nicht vorgenommen, weil nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 34 zu Betriebskostenübersichten und die Bildung eines Durchschnittswertes). Aus der Heranziehung von Werten aus allen Mietverhältnissen folgt zwar - weil er den gesamten Mietmarkt erfasst - in der Tendenz ein höherer Bruttokaltmietpreis, als dies bei Auswertung nur des Teilsegments der Fall wäre, auf das Leistungsberechtigte nach dem SGB II zu verweisen sind. Sofern eine entsprechend differenzierte Datenlage aber nicht vorliegt, also eine Auswertung des Teilsegments mit vernünftigem Aufwand ausscheidet, ist eine solche Vergröberung erforderlich, um mit ausreichender Sicherheit zu gewährleisten, dass in jedem Marktsegment - auch in dem in Bezug zu nehmenden unteren Segment - eine genügende Anzahl an Mietverhältnissen zu diesem Preis vorhanden ist. Dies wirkt sich im Übrigen auch nur zugunsten der Leistungsberechtigten aus.

32

Ebenfalls zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG hat das LSG bei der Bestimmung des Beobachtungsgegenstandes eine Größenbeschränkung vorgenommen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris; vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen zur Bestimmung der Wohnungsgröße nach den maßgeblichen Wohnraumfördervorschriften verwiesen. Im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, dass das LSG die Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes durch den Sachverständigen auf Wohnungen "um die 50 qm" gebilligt hat. Eine Beschränkung auf die Wohnungen, die exakt eine Größe von 50 qm aufweisen, würde zu einer zu starken Reduzierung der in die Betrachtung einzubeziehenden Wohnungen führen. Die Gewichtung auf 243 Wohnungen unter Berücksichtigung der aus dem Datenbestand entfernten Wohnungen begegnet ebenfalls keinen Bedenken, da hinter den gelöschten Datensätzen der ursprünglich 331 Wohnungen auch für das schlüssige Konzept nicht heranzuziehende Wohnungen waren.

33

Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das LSG die Begrenzung der Datenerhebung auf die Zeitpunkte 1.7.2007 und 1.7.2008 vorgenommen hat. Das BSG hat es insoweit für die Datenerhebung im Rahmen eines schlüssigen Konzepts für erforderlich gehalten, dass "Angaben über den Beobachtungszeitraum" gemacht werden können (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Auch ist das im Beobachtungszeitraum verwendete Zahlenmaterial nach den Feststellungen des LSG hinreichend aussagekräftig. Die für den Münchner Mietspiegel 2007 verwendeten Daten wurden zwar zum Stichdatum 1.1.2006 erhoben. Der Sachverständige hat die Werte für den hier noch streitgegenständlichen Zeitraum jedoch in vertretbarer Art und Weise nach anerkannter wissenschaftlicher Methodik für die weiteren zugrunde gelegten Stichdaten 1.7.2007 und 1.7.2008 fortgeschrieben. Die Klägerin wurde hierdurch nicht schlechter gestellt, als sich aus den Ausführungen des LSG zu der für den Münchner Mietspiegel 2011 erfolgten Datenerhebung ergibt, da die Stichprobe keinen solchen Preisanstieg ergeben hat, wie nach der Hochrechnung der Ergebnisse des Mietspiegels 2007 erwartet.

34

Soweit das LSG auf die Daten des Mietspiegels für München zurückgegriffen hat, hält dies, wie oben bereits ausgeführt, einer Überprüfung Stand. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" hat das LSG hier eine "Stichprobe" zur Basis seiner Überprüfung der Angemessenheitsgrenze des Beklagten gemacht (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 24). Insoweit gilt, dass eine Anlehnung hinsichtlich des Stichprobenumfangs und der Auswertung etc an den für Mietspiegel geltenden Standard nicht zu beanstanden ist (vgl zum Stichprobenumfang: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 38 f). Im Hinblick auf einen qualifizierten Mietspiegel hat der erkennende Senat bereits darauf hingewiesen, dass bei dessen Erstellung die Repräsentativität der Stichprobe durch die Annahme der Chance gleicher Wahrscheinlichkeit der Abbildung der im Detail unbekannten Realität der Grundgesamtheit des Gesamtwohnungsbestandes fingiert werde (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 24; s auch Gautzsch, Sozialrecht aktuell 2011, S 137, 139) und eine umfassende verfahrensrechtliche Absicherung durch die beteiligten Interessengruppen stattfinde. Daher sei die Repräsentativität und Validität der Datenerhebung für einen Mietspiegel auch im Rahmen des schlüssigen Konzepts regelmäßig als ausreichend anzusehen (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 28). Einwände gegen die Methodik der Erhebung der Daten für den Münchner Mietspiegel 2007 sind nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Allein die Kritik an den gezogenen Schlüssen genügt insoweit nicht, um die statistische Methodik der Datenerhebung in Frage zu stellen.

35

Denn es handelt sich auch bei der für den Raum München gezogenen Stichprobe des Regressionsmietspiegels 2007 um eine repräsentative Stichprobe. Beim Regressionsmietspiegel wird davon ausgegangen, dass die Miete einer Wohnung sich aus der Bewertung ihrer Wohnwertmerkmale durch die Marktpartner ergibt und dieser Zusammenhang mit einer mathematischen Gleichung beschrieben werden kann. Jedes Merkmal leistet dabei einen Beitrag zum Mietpreis der Wohnung (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 40). Daher kommen Regressionsmietspiegel im Vergleich zum Tabellenmietspiegel mit einer kleineren Stichprobe aus. Denn der Regressionsmietspiegel nutzt die Informationen der gesamten Stichprobe und nicht nur von Teilmengen, wie sie hinter den jeweiligen Tabellenfeldern des Tabellenmietspiegels stehen (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 39). Für die Stichprobe gilt, dass sie proportional vorzunehmen ist, also dass in einer solchen Stichprobe alle wesentlichen Teilmengen der Grundgesamtheit in ähnlichen Proportionen auch enthalten sind (Börstinghaus/Clar, Mietspiegel, 1997, RdNr 650; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 35). Das LSG hat im Anschluss an den von ihm ernannten Sachverständigen aus einer Stichprobe von mehr als 3000 Wohnungen im gesamten Münchener Stadtgebiet 331 Wohnungen "um die 50 qm" (bestimmt als gewichteter Wohnungsbestand zwischen 46 und 54 qm) zugrunde gelegt. Dieses Verfahren der Stichprobe entspricht dem aktuellen Stand der Forschung, wie auch das LSG in seinem Urteil ausgeführt hat.

36

Dass die für die Erstellung des Münchener Mietspiegels 2007 erhobenen Daten und für das Urteil des LSG zugrunde gelegten Wohnungen "um die 50 qm" keine qualitativen Merkmale einfachen Standards aufwiesen, steht der Auswertung und Verwendung dieser Daten nicht entgegen, denn offensichtlich weisen diese Wohnungen einen höheren als den unteren Standard auf und bewegen sich dennoch im maßgeblichen Preissektor. Umgekehrt ist anzunehmen, dass Wohnungen, die einen geringeren Standard aufweisen, zu noch günstigeren Konditionen angemietet werden können. Die vom LSG verwendete Datengrundlage ist auf diese Art und Weise zugunsten der Klägerin vergrößert worden. Die vom Sachverständigen vorgenommene und vom LSG akzeptierte Gewichtung der Wohnungen um 50 qm, die dazu beiträgt, dass die Stichprobe letztlich 243 Wohnungen umfasst, führt im Übrigen dazu, dass Wohnungen, die nicht dem Standard entsprechen, der im Rahmen der Überprüfung durch das "schlüssige Konzept" zugrunde zu legen ist, aus der Auswertung von vornherein ausgeschieden worden sind.

37

Dass das LSG von den ermittelten Wohnungen "um die 50 qm" letztlich die unteren 20 % des preislichen Segments zur Grundlage seiner Entscheidung über die Angemessenheit gemacht hat, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Die Grenzziehung nach der Höhe des Mietpreises im Vergleichsraum ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, weil die Stichprobe eine klare Definition des Untersuchungsgegenstandes nach "unten" und nach der Größe beinhaltet - anders als wenn ausschließlich ausgehend vom Mietpreis die Höhe der angemessenen Mietaufwendungen bestimmt wird. Es sind hier bereits bei der Datenerhebung lediglich Wohnungen mit mehr als einfachstem Standard in einer Größe von 46 bis 54 qm zugrunde gelegt worden. In die Erhebung einbezogen werden damit zugleich auch Daten für Wohnungen mittleren, gehobenen und luxuriösen Standards. Um diese bei der Auswertung alsdann wieder auszuscheiden, denn sie sind für Leistungsbezieher im Grundsicherungsrecht nicht angemessen, kann auf die Grenze "20%" zurückgegriffen werden. Dies entspricht einer Orientierung an den unteren 20 % der Einkommensbezieher. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG überschreitet im Vergleichsraum München auch mindestens 1/5 der Wohnungen mit grundsicherungsrechtlich zugrunde zu legendem Standard nicht die festgestellte Mietobergrenze, die der Beklagte gewählt hat, sondern liegt noch unter dieser.

38

Soweit die Klägerin vorbringt, für den vom Beklagten festgesetzten und vom LSG bestätigten Bruttokaltmietpreis sei es tatsächlich nicht möglich, in München eine Wohnung um 50 qm anzumieten, hält diese Behauptung einer Überprüfung unter systematischen Gesichtspunkten nicht Stand. Das BSG hält daran fest, dass dann, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und ihm Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können, davon auszugehen ist, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 36; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 30). Soweit die Klägerin in der Ergänzung ihrer Revisionsbegründung auf die Daten des Münchner Vereins Haus und Grund eV abstellt, rügt sie im Grunde die Auswahl der Datengrundlage, die hier jedoch, wie ausgeführt, nicht zu beanstanden ist.

39

ff) Darin, dass das Berufungsgericht einem schriftsätzlich angekündigten Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Unternehmen "Haus & Grund", vertreten durch Herrn Rechtsanwalt S, nicht gefolgt ist, liegt auch kein Verstoß gegen die Sachermittlungspflicht (vgl § 103 SGG). Das LSG musste sich nicht gedrängt fühlen, dem Beweisantrag der Klägerin nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nachzukommen. Gemäß § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO obliegt es dem Tatsachengericht, dem Sachverständigen den der Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalt - hier den für die Erstellung des Münchner Mietspiegels 2007 erhobenen Datenbestand - vorzugeben. Daraus folgt, dass auch ein anderer als der vom Gericht ernannte Sachverständige seine sachverständigen Schlussfolgerungen aus diesem Datenbestand hätte ableiten müssen. Dass bei Anwendung derselben oder einer anderen mathematisch-statistischen Methode grundlegend andere Ergebnisse gefolgt wären, ist weder von der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich.

40

Dass das LSG eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigte, bedurfte auch keines ausdrücklichen Hinweises an die Klägerin. Eine Hinweispflicht besteht in erster Linie nur dann, wenn ein Beteiligter ausdrücklich um einen entsprechenden Hinweis bittet (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 109 RdNr 9a). Im Übrigen hat sich aus der Ladung des Gerichts zum Termin ergeben, dass eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigt war. Die Tatsacheninstanzen sind zudem nicht verpflichtet, auf das Stellen eines Beweisantrages - wie hier ohnehin schriftsätzlich seitens der Klägerin angekündigt - hinzuwirken (vgl BSG Beschluss vom 5.5.2010 - B 5 R 26/10 B - juris RdNr 10) oder zu einer in Aussicht genommenen Beweiswürdigung Hinweise zu geben (BSG Beschluss vom 31.8.1993 - 2 BU 61/93; BSG Beschluss vom 6.3.2003 - B 11 AL 129/02 B - HVBG-INFO 2003, 1724; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 99). Darauf liefe ein solcher von der Klägerin verlangter Hinweis jedoch hinaus.

41

b) Die Festsetzung der Leistungshöhe unterhalb der tatsächlichen Aufwendungen beruht auch auf einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung (vgl zur Kostensenkungsaufforderung BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 38)iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 mWv 1.8.2006, BGBl I 1706). Danach sind die tatsächlichen Mietaufwendungen - soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen - als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

42

Der Beklagte hat die Klägerin mehrfach, erstmals mit Schreiben vom 29.8.2006, aufgefordert, die KdU zu senken und nach dem Unterlassen jeglicher Kostensenkungsversuche durch die Klägerin eine Absenkung auf die von ihm als angemessen erachtete Höhe der kalten Nettomietaufwendungen in Höhe von 397,30 Euro zum 1.3.2007 angekündigt. Dabei ist es für den hier nur noch streitigen Zeitraum ab dem 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 ohne Bedeutung, dass der Beklagte die "Sechsmonatsfrist" iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II, in der dem Leistungsberechtigten in der Regel die Möglichkeit eingeräumt wird, die nach Auffassung des Beklagten zu hohen Aufwendungen zu senken, zunächst unzutreffend berechnet hatte. Jedenfalls ab dem 1.6.2007 konnte der Beklagte die Unterkunfts- und Heizkosten absenken, denn die Klägerin war über die vom Beklagten als zutreffend befundene Angemessenheitsgrenze hinreichend informiert und ihr war die Kostensenkung auch nicht unmöglich.

43

Der Beklagte hat zwar in seiner Kostensenkungsaufforderung als Referenzmiete eine Nettokaltmiete benannt. Diese Angabe muss in dem hier streitigen Zeitraum jedoch noch als zulässig und ausreichend angesehen werden, um von einer zutreffenden Kostensenkungsaufforderung iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II ausgehen zu können. Noch 2009 hatte der erkennende Senat es offen gelassen, ob die Vergleichsmiete eine Netto- oder eine Bruttokaltmiete sein müsse (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff). Erst 2010 hat der 14. Senat eindeutig bestimmt, dass die Angemessenheitsgrenze durch eine genau zu benennende Bruttokaltmiete zu definieren ist (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; s auch BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34).

44

Unschädlich ist auch, dass der Beklagte die Angemessenheitsgrenze im Verlaufe des Gerichtsverfahrens geändert hat. Denn dies ist einerseits Ergebnis der Auseinandersetzungen der Beteiligten vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und andererseits stellt das Schreiben des Grundsicherungsträgers über die Unangemessenheit der Unterkunftskosten und die Aufforderung zur Kostensenkung lediglich ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion dar. Hält der Leistungsempfänger die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend bzw einschlägig, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche KdU angemessen sind (vgl nur BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 19, unter Hinweis auf BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - juris RdNr 34). Insofern stellt die Kostensenkungsaufforderung seitens des Grundsicherungsträgers lediglich ein "Angebot" dar, in einen Dialog über die angemessenen KdU einzutreten (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40).

45

Gründe, die der Klägerin eine Kostensenkung unzumutbar machen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hat sich nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) auch nicht um eine Kostensenkung bemüht oder anderweitig nachgewiesen, dass es ihr nicht möglich oder zumutbar war, Wohnraum zu der vom Beklagten vorgegebenen Mietobergrenze anzumieten.

46

5. Der Abzug der Kosten für die Warmwasserbereitung von den tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin für die Gaslieferung/Heizung in Höhe von 6,22 Euro für den Monat Juni 2007, 6,26 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2007 bis einschließlich Juni 2008 und 6,33 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2008 bis November 2008 ist nicht zu beanstanden. Höhere Leistungen wegen der Heizkostennachforderung für den Monat Februar 2008 und unter Berücksichtigung der Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II, wie durch das LSG geschehen, stehen der Klägerin nicht zu. Sie hat insoweit auch keine Einwände gegen die Entscheidung des LSG erhoben.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Klägerin im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen zustehen.

2

Die alleinstehende Klägerin bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum eine 48 qm große Wohnung in München. Sie hatte eine mietvertragliche Verpflichtung in Höhe von 745 Euro (690 Euro Nettokaltmiete zzgl 55 Euro Betriebskosten) monatlich. Die Vorauszahlung für die Gasversorgung betrug 97 Euro im Monat (lediglich im Februar 2008: 107 Euro wegen einer Nachforderung; Bruttowarmmiete 835,67 Euro).

3

Ende August 2006 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihre Nettokaltmiete die zulässige Höchstgrenze von 397,30 Euro monatlich überschreite. Die Klägerin wurde aufgefordert, sich bis Ende Februar 2007 um eine Minderung der Unterkunftskosten zu bemühen. Ab dem 1.3.2007 werde die Unterkunftsleistung auf die angemessene Höhe abgesenkt.

4

Für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.5.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II, welches Leistungen für KdUH in Höhe von 813 Euro monatlich umfasste (Bescheid vom 29.11.2006 idF des Bescheides vom 19.12.2006). Ab 1.3.2007 senkte er die Leistungen für die Kaltmiete auf die von ihm als angemessen befundene Mietobergrenze herab (Bescheide vom 13.2.2007). Für den Zeitraum bis 31.5.2007 hat das LSG mit dem hier angefochtenen Urteil vom 11.7.2012 diese Entscheidung des Beklagten aufgehoben. Hiergegen sind die Beteiligten nicht in die Revision gegangen.

5

Für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin schlussendlich Leistungen für KdUH in Höhe von 496,45 Euro für ihre brutto-kalten Mietaufwendungen (441,45 Euro Nettokaltmiete + 55 Euro Betriebskosten) und übernahm im Verlaufe des Gerichtsverfahrens ihre Aufwendungen für Gas abzüglich der Warmwasserpauschale in tatsächlicher Höhe (Bescheid vom 23.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 und des Änderungsbescheides vom 14.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008, dieser in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009). Ebenso verfuhr der Beklagte für den Zeitraum vom 1.12.2007 bis zum 31.5.2008 (Bescheid vom 22.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008). Durch Bescheid vom 7.5.2008 (in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009) setzte der Beklagte diese Praxis für den Leistungszeitraum vom 1.6.2008 bis zum 30.11.2008 zunächst fort. Ab dem 1.7.2008 erhöhte er jedoch den Leistungsanteil für die Bruttokaltmiete der Klägerin auf 504,21 Euro (Nettokaltmiete 449,21 Euro + 55 Euro kalte Nebenkosten) und wies unter Einbeziehung dieser Änderung (Bescheid vom 3.7.2008) den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 25.9.2008 zurück (idF der Änderungsbescheide vom 15.12.2008 und 29.4.2009).

6

Das SG hat die miteinander verbundenen Klagen auf Übernahme der tatsächlichen Mietaufwendungen abgewiesen (Urteil vom 26.11.2009). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG geändert. Soweit es den Zeitraum vom 1.3. bis 31.5.2007 betrifft, hat es die Bescheide wie benannt aufgehoben. Zudem hat es den Beklagten unter Abänderung der weiteren Bescheide verurteilt, der Klägerin über die bereits bewilligten Leistungen hinaus KdUH in Höhe von 9,88 Euro für den Monat Februar 2008 - für eine Heizkostennachforderung - und in Höhe von jeweils 0,12 Euro für die Monate Juli bis November 2008 wegen unzutreffender Anwendung der Rundungsregelung zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zwar fehle es dem Beklagten an einem schlüssigen, nachvollziehbaren Konzept zur Ermittlung der angemessenen KdUH iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die vom Beklagten für einen Ein-Personen-Haushalt übernommenen Aufwendungen der Klägerin für die Bruttokaltmiete in Höhe von 496,45 Euro im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.6.2008 und 504,21 Euro im Zeitraum vom 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 seien jedoch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. G K angemessen gewesen. Die für den Mietspiegel 2007 der Stadt München erhobenen und vom Sachverständigen ausgewerteten Daten betreffend Wohnungen "um die 50 qm" - in der Gestalt von gewichteten 243 Wohnungen zwischen 46 und 54 qm - bildeten eine geeignete Grundlage zur Berechnung der angemessenen Aufwendungen für die Bruttokaltmiete iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Erfassung lediglich von Bestandsmieten und die Nichtberücksichtigung preisgebundenen Wohnraums stünden dem nicht entgegen. Zudem beruhe der Mietspiegel 2007 auf dem für den streitgegenständlichen Zeitraum aussagekräftigsten Zahlenmaterial, welches selbst auf einer repräsentativen Stichprobe fuße. Die Auswertung des Datenmaterials durch den Sachverständigen habe unter Anwendung statistisch anerkannter Methoden stattgefunden und ergeben, dass mit den gewährten Mitteln ausreichend angemessener Wohnraum im Stadtgebiet München gefunden werden könne. Es drohe auch keine Konzentration von Leistungsempfängern in bestimmten sozialen Brennpunkten/Stadtbezirken. Ebenso wenig könne unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der Klägerin festgestellt werden, dass eine abstrakt angemessene Wohnung nicht tatsächlich auf dem Wohnungsmarkt hätte angemietet werden können. Zutreffend erfolgt sei auch der Abzug der Warmwasserpauschale aus den vom Beklagten übernommenen monatlichen Abschlägen für die Versorgung der Klägerin mit Erdgas (Urteil vom 11.7.2012).

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe den Begriff der Angemessenheit des § 22 SGB II rechtsfehlerhaft angewandt. Zutreffende Konsequenz aus der Feststellung, der Beklagte verfüge über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Miete, hätte die Annahme einer Unmöglichkeit zur Kostensenkung sowie der Verurteilung zur Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen sein müssen. Die vom Beklagten herangezogene Mietobergrenze sei zu gering. Bei seinen Ermittlungen habe das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht zutreffend umgesetzt. Die erhobenen und ermittelten Daten seien nicht repräsentativ. Zudem käme es bei Übertragung der Daten zu einer "Ghettoisierung". Die Annahme, zur gewährten Mietobergrenze sei 1/5 der Wohnungen in München generell zu diesem Preis verfügbar, sei unzutreffend. Bereits die dem Sachverständigen gestellten Fragen seien teilweise problematisch. Die Beweisanordnung sei schon durch die Bezugnahme auf den Mietspiegel vorbestimmt gewesen. Das LSG habe bei der Fragestellung antizipiert, dass die Rohdaten des Mietspiegels und eine diesbezügliche Konzentration auf 20 % des maßgeblichen Wohnraums geeignet seien, ein zutreffendes Bild des Mietmarkts im streitgegenständlichen Zeitraum zu zeichnen. Die 20 %-Grenze sei willkürlich gezogen. Tatsächlich dürften nicht nur 5,3 % der Gesamtbevölkerung Wohnungen im unteren Marktsegment suchen, sodass ein Verweis auf die vom LSG in die Auswertung nicht einbezogenen Sozialwohnungen problematisch sei. Dies zeige sich bereits daran, dass nicht Ortsansässige auf solche Wohnungen mindestens fünf Jahre warten müssten. Im Gutachten unberücksichtigt geblieben seien auch Aspekte, die zu einer Erhöhung der Quadratmeterpreisberechnung geführt hätten, wie zB ein Zuschlag für eine Küche. Auch bei absoluter Betrachtung sei die Stichprobe viel zu gering, um daraus die Verfügbarkeit von Wohnraum ableiten zu können. Es gäbe auf dem Münchener Mietmarkt nicht etwa 20 % Wohnungen um 50 qm, sondern nur zwischen 1,31 % und 4,8 %. Das LSG habe zudem in entscheidungserheblicher Art und Weise gegen § 103 SGG verstoßen, indem es einem Antrag auf Vernehmung des Haus- und Grundbesitzervereins München und Umgebung eV, gesetzlich vertreten durch Rechtsanwalt S, als Sachverständigen keine Folge geleistet habe. Das LSG habe auch, obwohl die Klägerin nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, keinerlei Hinweis darauf gegeben, dass eine weitere Beweisaufnahme aus seiner Sicht entbehrlich sei.

8

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 und Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 26. November 2009 sowie Änderung der Bescheide des Beklagten vom 23. April 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. August 2007, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2007 und in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 sowie des Änderungsbescheides vom 29. April 2009, des Bescheides vom 22. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008, diese in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. April 2009 und des Bescheides vom 7. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Juli 2008, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15. Dezember 2008 sowie 29. April 2009, zu verurteilen, ihr über die bereits im Urteil des Landessozialgerichts zuerkannten Leistungen hinaus für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis 30. November 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Zugrundelegung der tatsächlichen Mietzahlungsverpflichtung zu gewähren.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Das LSG sei der Rechtsprechung des BSG gefolgt, als es selbst Ermittlungen zur Angemessenheit der Mietobergrenze vorgenommen habe. Die Zugrundelegung einer 20 %-Grenze durch das LSG fülle das durch die Rechtsprechung des BSG vorgegebene "untere Marktsegment" aus. Zudem habe das LSG keine Abschläge bei der Miete berücksichtigt, sondern dies vielmehr für unzulässig erachtet. Die erhobenen Daten seien entgegen der Auffassung der Klägerin auch repräsentativ. Regressionsmietspiegel, wie der für München erstellte, kämen mit einer kleineren Stichprobe als sog Tabellenmietspiegel aus. Die im Mietspiegel erfassten Bestandsmieten seien lediglich solche aus den letzten vier Jahren vor der Stichprobe. Die Daten für den Mietspiegel seien zwar im Auftrag der Stadt München, aber durch ein unabhängiges Marktforschungsinstitut erhoben und ausgewertet worden.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

12

Die Entscheidung des LSG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat der Klägerin schlussendlich im hier streitigen Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe iS des § 22 Abs 1 SGB II erbracht.

13

1. Streitgegenstand sind höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis 30.11.2008, als sie in den Bescheiden des Beklagten für die Zeiträume vom 1.6.2007 bis 30.11.2007, 1.12.2007 bis 31.5.2008 und 1.6.2008 bis 30.11.2008 festgestellt worden sind.

14

Nicht Streitgegenstand ist die Höhe der Leistungen für den vorhergehenden Zeitraum ab dem 1.3.2007. Der erkennende Senat brauchte daher nicht darüber zu befinden, ob sich das LSG zur Begründung seiner Aufhebungsentscheidung zutreffend auf § 45 SGB X gestützt hat oder nicht § 48 SGB X hätte zugrundelegen müssen. Denn es liegt nahe, bei der Umsetzung einer angekündigten Absenkung der Leistungen für Unterkunft von einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse auszugehen. Die Klägerin hat sich jedoch in ihrer Revision nicht gegen die Höhe der Leistungen in diesem Zeitraum gewandt - obwohl sie niedriger waren, als ihre tatsächlichen Aufwendungen - und der unterlegene Beklagte ist nicht in die Revision gegangen. Das Urteil des LSG ist insoweit rechtskräftig geworden.

15

Ebenfalls rechtskräftig geworden ist die Entscheidung des LSG im Hinblick auf die zu Lasten des Beklagten vorgenommene Anwendung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist) und die Verurteilung zur Zahlung eines Betrags von 9,88 Euro für die Gaskostennachforderung im Monat Februar 2008. Der Beklagte ist auch hiergegen nicht in die Revision gegangen.

16

2. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin ihre Anfechtungs- und Leistungsklage auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt hat (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl auch BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11). Hieran hat sich - wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat - durch die Neufassung des § 19 SGB II aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) für laufende Verfahren über vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte - wie es auch hier der Fall ist - nichts geändert (BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 11; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

17

3. An dem Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 22 SGB II an die einkommens- und vermögenslose, alleinstehende Klägerin bestehen nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG keine Zweifel.

18

4. Die der Klägerin von dem Beklagten bewilligten Leistungen für Unterkunft in Höhe von 496,45 Euro für ihre Mietaufwendungen (brutto/kalt) ab dem 1.6.2007 und 504,21 Euro (ebenfalls brutto/kalt) ab dem 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Rechtsgrundlage für die hier umstrittene Höhe der Leistungen sind §§ 19, 22 SGB II. Danach werden im Rahmen des Alg II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als im Hinblick auf den pauschalierten Regelbedarf - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, zur Bestimmung der Leistungshöhe auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die Leistungen nicht in beliebiger Höhe zu erbringen, sondern nur insoweit, als die tatsächlichen Aufwendungen für Miete und Heizung angemessen sind. Die Angemessenheit begrenzt somit die zu erbringenden Leistungen der Höhe nach. Die Begrenzung der Leistungen für KdU - die Aufwendungen der Klägerin für Heizkosten hat der Beklagte schlussendlich in tatsächlicher Höhe abzüglich der Warmwasserpauschale erbracht - ab dem 1.6.2007 auf die vom Beklagten befundene Höhe ist im vorliegenden Fall rechtmäßig.

19

a) Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 12). Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze ist daher auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen (vgl BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 17). Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des BSG zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist.

20

aa) Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße hat das LSG hier zutreffend mit 50 qm bestimmt. Es hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückgegriffen, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 12). Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen festlegen, bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt. Der erkennende Senat sieht diesen Anknüpfungspunkt zwar als problematisch an (vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität ist aber wenigstens solange, wie nicht eine Satzung über die angemessenen KdU iS von §§ 22a ff SGB II vorliegt, in welcher grundsätzlich andere Wohnraumgrößen festgelegt werden können(vgl § 22b Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), an diesem Maßstab festzuhalten. Nach den Bestimmungen des Freistaates Bayern in den Wohnraumförderbestimmungen (Wohnraumförderbestimmungen der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 11.11.2002 und vom 4.12.2007 ) ist auch für die Stadt München eine angemessene Wohnungsgröße von 50 qm für einen Ein-Personen-Haushalt zugrunde zu legen.

21

bb) Das LSG hat auch zutreffend erkannt, dass die für Leistungsberechtigte infrage kommende Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen muss, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 13). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen. Das BSG hat jedoch auch klargestellt, dass die Referenzwohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Standard abbilden, von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand gehören, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung auch der hinter einem qualifizierten Mietspiegel stehenden Daten unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet(BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 29; s auch BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - RdNr 23; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - , RdNr 14). Diesen Voraussetzungen wird die Entscheidung des LSG hier gerecht, wenn das Gericht die hinter dem qualifizierten Mietspiegel für die Stadt München liegenden Daten aus den Jahren 2007 heranzieht. Denn die Daten dieses Mietspiegels umfassen weder Wohnungen in einfacher Wohnlage (Wohnungen in abgelegenen Gebieten mit unzureichender Infrastruktur und/oder Nähe zu größeren Gewerbe- und Industriegebieten, Entsorgungs- oder militärischen Anlagen) noch Wohnungen mit einfachster Ausstattung, deren Toilette, Küche oder Bad von anderen Mietparteien mitbenutzt werden, die nicht über Küche und Toilette verfügen und Wohnungen im Untergeschoss (Mietspiegel München 2007, S 5, 11 und Mietspiegel München 2009, S 4, 5, 11).

22

cc) Auch soweit das LSG die gesamte Stadt München als maßgeblichen Vergleichsraum angesehen hat, sind Rechtsfehler nicht erkennbar. Der Senat hat bereits für Großstädte wie München entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Hiervon kann nach den Feststellungen des LSG bei dem vom Mietspiegel München umfassten Stadtgebiet ausgegangen werden; die Beteiligten haben hiergegen auch keine Revisionsrügen erhoben.

23

dd) Das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze sowie das Ergebnis der Überprüfung sind ebenfalls grundsätzlich nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Überprüfung der vom Beklagten angenommenen Referenzmiete, zur Bestimmung also, wie hoch die angemessenen Aufwendungen für eine Wohnung einfachen Standards einer bestimmten Größe in einem bestimmten Vergleichsraum sind, ist es Ziel, einen Mietpreis hierfür zu ermitteln, um so die angemessenen Aufwendungen bestimmen zu können ("Referenzmiete", vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17).

24

Eine pauschale bundeseinheitliche Grenze (Quadratmeterpreis) scheidet hierbei aus. Es ist auf die konkreten Verhältnisse abzustellen. Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16) auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; vgl auch BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 7). Entscheidend ist jedoch, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zugrunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist.

25

Dabei ist es zuvörderst Angelegenheit der Grundsicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten sind (vgl § 40 Abs 1 SGB II iVm § 20 SGB X). Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit von ihm vorzulegen. Entscheidet der Leistungsträger - wie auch hier - ohne eine hinreichende Datengrundlage, führt dies entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch nicht ohne Weiteres dazu, dass automatisch die Leistungen für KdU in tatsächlich entstehender Höhe zu übernehmen wären. Vielmehr ist die Verwaltung im Rahmen ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1, 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und auf Verlangen des Gerichts eine ggf unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, geht diese Ermittlungspflicht zwar nicht ohne Weiteres auf das SG über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht schlüssig erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind (idS BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, juris RdNr 27; vgl auch BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 34). Andererseits haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate jedoch bereits entschieden, dass dann, wenn Datenmaterial für den Vergleichsraum vorhanden ist, etwa noch auswertbare Daten, die die Grundlage für die Erstellung zumindest eines qualifizierten Mietspiegels geboten haben, diese im Rahmen der Amtsermittlungspflicht der Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Überprüfung der von dem Beklagten gewählten Angemessenheitsgrenze heranzuziehen sind (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

26

Gemessen an diesen Vorgaben ist es nicht zu beanstanden, dass das Tatsachengericht hier die für die Ermittlung der angemessenen KdU erforderlichen Daten vom Grundsicherungsträger eingeholt bzw angefordert und diese anschließend durch einen Sachverständigen hat auswerten lassen. Das LSG durfte sich ebenfalls im Rahmen seiner Ermittlungen hinsichtlich der Anknüpfungstatsachen (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO) an dem Datenbestand orientieren, der für die Erstellung des Mietspiegels für die Stadt München erhoben wurde.

27

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Tatsachenvorgabe auch nicht mit durchgreifenden Zweifeln behaftet. Das BSG vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich die Grundsicherungsträger für die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze (ausschließlich) an dieser Art des Datenbestandes orientieren dürfen. Für das gerichtliche Ermittlungsverfahren gelten keine strengeren Anforderungen (BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 25; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

28

ee) Ebenso genügt das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze von 496,45 Euro vom 1.6.2007 bis 30.6.2008 und ab dem 1.7.2008 von 504,21 Euro brutto kalt sowie das Ergebnis der Überprüfung im konkreten Fall den Vorgaben des BSG. Der erkennende Senat hat entschieden, dass ein Konzept ein planmäßiges Vorgehen iS einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Raum sei (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Von der Schlüssigkeit eines Konzepts ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 20):

-       

Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen,

-       

es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

-       

Angaben über den Beobachtungszeitraum,

-       

Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),

-       

Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

-       

Validität der Datenerhebung,

-       

Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

-       

Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

29

Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Durch den Rückgriff des LSG auf die Daten des Münchner Mietspiegels 2007 wird die Datenerhebung auf ein bestimmtes Gebiet (hier: die Stadt München) begrenzt - der Vergleichsraum ist damit genau eingegrenzt und es werden nicht nur Mieten bestimmter Stadtbezirke in die Auswertung einbezogen, sondern Daten über das gesamte Stadtgebiet erhoben (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Einer Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke, die auf eine nur begrenzte Nutzung des Datenbestandes oder eine nur begrenzte Datenerhebung zurückzuführen sein könnte, ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG auch nicht festzustellen. Abgesehen davon, dass die entgegengesetzte Behauptung der Klägerin eine - der Revision entzogene (vgl § 163 SGG) - Tatsachenbehauptung darstellt, erfolgt hier nach den Feststellungen des LSG keine Begrenzung des Raumes der Datenerhebung auf besonders "heruntergekommene" und daher "billige" Stadtbezirke, sondern die Ermittlung bezieht sich auf das Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw räumlichen Vergleichsraum. Zwar folgt aus dieser Betrachtung nach dem Sachverständigengutachten, dass in einigen Stadtbezirken Münchens Wohnungen mit einer Größe "um 50 qm" und einer Bruttokaltmiete bis zu 450 Euro nicht zu finden sind. Dieses Ergebnis betrifft jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Frage, ob die Datenerhebung über den gesamten Vergleichsraum erfolgt ist. Soweit sie hier die Forderung des BSG nach einer Vermeidung von Ghettoisierung behandelt, hat der Senat im Übrigen Zweifel, ob angesichts des vom LSG festgestellten Vorhandenseins von Wohnungen zu einem Mietzins noch unterhalb der von dem Beklagten als Referenzgröße angenommenen (450 Euro ./. rund 500 Euro) in 18 von 26 Stadtbezirken das Risiko einer Ghettobildung besteht.

30

Nicht zu beanstanden ist auch die Vorgehensweise des LSG auf den Datenbestand des qualifizierten Mietspiegels für München zurückzugreifen, obwohl bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist und Wohnraum nicht berücksichtigt wird, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, weil §§ 558 ff BGB nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung findet. Mit der Entscheidung des BSG, dass die hinter einem Mietspiegel liegenden Daten grundsätzlich geeignet sind, auch die grundsicherungsrechtliche Angemessenheitsgrenze zu bestimmen (s nur BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29), ist die Konsequenz verknüpft, dass alsdann keine Angebotsmieten in die Datenerhebung einfließen müssen (anderes für andere Datenquellen: BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 25 RdNr 20; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 24; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 102 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 22). Die hiervon ausgehenden Wirkungen auf die Mietpreisgrenze werden jedoch dadurch gemindert, dass im Rahmen der Datenauswertung lediglich solche Mieten berücksichtigungsfähig sind, die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart wurden (vgl § 558 Abs 2 BGB; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 3). Dadurch wird erreicht, dass nur aktuell zu zahlende Mieten der Datenerhebung zugrunde gelegt werden. Gewährleistet wird durch den Rückgriff auf die Daten des Mietspiegels zudem, dass Wohnraum, dessen Miete keinen zuverlässigen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten bringen kann, wie es etwa für Wohnraum in Wohnheimen oder Herbergen und Gefälligkeitsmietverhältnissen (zB Vereinbarung von besonders niedrigen Mieten zwischen Verwandten) der Fall ist, nicht berücksichtigt wird.

31

Der Rechtsprechung des BSG folgend hat das LSG auch zutreffend die Bruttokaltmiete als Beobachtungsgegenstand der Datenerhebung gewählt (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23 zur Nettokaltmiete als Vergleichsbasis; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34; BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Dieses Vorgehen gewährleistet für die Leistungsberechtigten die Möglichkeit innerhalb des die Angemessenheit bestimmenden Produkts aus Wohnungsgröße und Ausstattung tatsächlich frei wählen zu können; die Möglichkeiten der Produkttheorie also ausschöpfen zu können. Ebenso wenig ist es hier zu beanstanden, dass durch den Rückgriff auf die Bruttokaltmiete sämtliche kalten Nebenkosten in die Überprüfung der vom Beklagten zugrunde gelegten Angemessenheitsgrenze eingeflossen sind. Denn bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten im Vergleichsraum kommt es nicht darauf an, ob existenzsicherndes Wohnen in (gedachten) Wohnungen möglich ist, in denen der in den Betriebskostenarten, wie zB Kosten für Straßen- und Gehwegreinigung, Hausreinigung, Gartenpflege und Schneebeseitigung durch Dritte, Gemeinschaftsantenne/Kabelanschluss und Aufzug, zum Ausdruck kommende Wohnungsstandard nicht gewährleistet ist. Es geht vielmehr darum "die Wirklichkeit", also die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums, abzubilden (vgl nur BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 21). Dort, wo statistische Daten zur Bestimmung der kalten Nebenkosten gerade im unteren Wohnsegment nicht vorliegen, hat es das BSG daher für zulässig befunden, auf bereits vorliegende Daten zurückzugreifen. Eine weitergehende Gewichtung hat das BSG nicht vorgenommen, weil nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 34 zu Betriebskostenübersichten und die Bildung eines Durchschnittswertes). Aus der Heranziehung von Werten aus allen Mietverhältnissen folgt zwar - weil er den gesamten Mietmarkt erfasst - in der Tendenz ein höherer Bruttokaltmietpreis, als dies bei Auswertung nur des Teilsegments der Fall wäre, auf das Leistungsberechtigte nach dem SGB II zu verweisen sind. Sofern eine entsprechend differenzierte Datenlage aber nicht vorliegt, also eine Auswertung des Teilsegments mit vernünftigem Aufwand ausscheidet, ist eine solche Vergröberung erforderlich, um mit ausreichender Sicherheit zu gewährleisten, dass in jedem Marktsegment - auch in dem in Bezug zu nehmenden unteren Segment - eine genügende Anzahl an Mietverhältnissen zu diesem Preis vorhanden ist. Dies wirkt sich im Übrigen auch nur zugunsten der Leistungsberechtigten aus.

32

Ebenfalls zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG hat das LSG bei der Bestimmung des Beobachtungsgegenstandes eine Größenbeschränkung vorgenommen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris; vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen zur Bestimmung der Wohnungsgröße nach den maßgeblichen Wohnraumfördervorschriften verwiesen. Im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, dass das LSG die Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes durch den Sachverständigen auf Wohnungen "um die 50 qm" gebilligt hat. Eine Beschränkung auf die Wohnungen, die exakt eine Größe von 50 qm aufweisen, würde zu einer zu starken Reduzierung der in die Betrachtung einzubeziehenden Wohnungen führen. Die Gewichtung auf 243 Wohnungen unter Berücksichtigung der aus dem Datenbestand entfernten Wohnungen begegnet ebenfalls keinen Bedenken, da hinter den gelöschten Datensätzen der ursprünglich 331 Wohnungen auch für das schlüssige Konzept nicht heranzuziehende Wohnungen waren.

33

Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das LSG die Begrenzung der Datenerhebung auf die Zeitpunkte 1.7.2007 und 1.7.2008 vorgenommen hat. Das BSG hat es insoweit für die Datenerhebung im Rahmen eines schlüssigen Konzepts für erforderlich gehalten, dass "Angaben über den Beobachtungszeitraum" gemacht werden können (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Auch ist das im Beobachtungszeitraum verwendete Zahlenmaterial nach den Feststellungen des LSG hinreichend aussagekräftig. Die für den Münchner Mietspiegel 2007 verwendeten Daten wurden zwar zum Stichdatum 1.1.2006 erhoben. Der Sachverständige hat die Werte für den hier noch streitgegenständlichen Zeitraum jedoch in vertretbarer Art und Weise nach anerkannter wissenschaftlicher Methodik für die weiteren zugrunde gelegten Stichdaten 1.7.2007 und 1.7.2008 fortgeschrieben. Die Klägerin wurde hierdurch nicht schlechter gestellt, als sich aus den Ausführungen des LSG zu der für den Münchner Mietspiegel 2011 erfolgten Datenerhebung ergibt, da die Stichprobe keinen solchen Preisanstieg ergeben hat, wie nach der Hochrechnung der Ergebnisse des Mietspiegels 2007 erwartet.

34

Soweit das LSG auf die Daten des Mietspiegels für München zurückgegriffen hat, hält dies, wie oben bereits ausgeführt, einer Überprüfung Stand. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" hat das LSG hier eine "Stichprobe" zur Basis seiner Überprüfung der Angemessenheitsgrenze des Beklagten gemacht (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 24). Insoweit gilt, dass eine Anlehnung hinsichtlich des Stichprobenumfangs und der Auswertung etc an den für Mietspiegel geltenden Standard nicht zu beanstanden ist (vgl zum Stichprobenumfang: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 38 f). Im Hinblick auf einen qualifizierten Mietspiegel hat der erkennende Senat bereits darauf hingewiesen, dass bei dessen Erstellung die Repräsentativität der Stichprobe durch die Annahme der Chance gleicher Wahrscheinlichkeit der Abbildung der im Detail unbekannten Realität der Grundgesamtheit des Gesamtwohnungsbestandes fingiert werde (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 24; s auch Gautzsch, Sozialrecht aktuell 2011, S 137, 139) und eine umfassende verfahrensrechtliche Absicherung durch die beteiligten Interessengruppen stattfinde. Daher sei die Repräsentativität und Validität der Datenerhebung für einen Mietspiegel auch im Rahmen des schlüssigen Konzepts regelmäßig als ausreichend anzusehen (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 28). Einwände gegen die Methodik der Erhebung der Daten für den Münchner Mietspiegel 2007 sind nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Allein die Kritik an den gezogenen Schlüssen genügt insoweit nicht, um die statistische Methodik der Datenerhebung in Frage zu stellen.

35

Denn es handelt sich auch bei der für den Raum München gezogenen Stichprobe des Regressionsmietspiegels 2007 um eine repräsentative Stichprobe. Beim Regressionsmietspiegel wird davon ausgegangen, dass die Miete einer Wohnung sich aus der Bewertung ihrer Wohnwertmerkmale durch die Marktpartner ergibt und dieser Zusammenhang mit einer mathematischen Gleichung beschrieben werden kann. Jedes Merkmal leistet dabei einen Beitrag zum Mietpreis der Wohnung (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 40). Daher kommen Regressionsmietspiegel im Vergleich zum Tabellenmietspiegel mit einer kleineren Stichprobe aus. Denn der Regressionsmietspiegel nutzt die Informationen der gesamten Stichprobe und nicht nur von Teilmengen, wie sie hinter den jeweiligen Tabellenfeldern des Tabellenmietspiegels stehen (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 39). Für die Stichprobe gilt, dass sie proportional vorzunehmen ist, also dass in einer solchen Stichprobe alle wesentlichen Teilmengen der Grundgesamtheit in ähnlichen Proportionen auch enthalten sind (Börstinghaus/Clar, Mietspiegel, 1997, RdNr 650; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 35). Das LSG hat im Anschluss an den von ihm ernannten Sachverständigen aus einer Stichprobe von mehr als 3000 Wohnungen im gesamten Münchener Stadtgebiet 331 Wohnungen "um die 50 qm" (bestimmt als gewichteter Wohnungsbestand zwischen 46 und 54 qm) zugrunde gelegt. Dieses Verfahren der Stichprobe entspricht dem aktuellen Stand der Forschung, wie auch das LSG in seinem Urteil ausgeführt hat.

36

Dass die für die Erstellung des Münchener Mietspiegels 2007 erhobenen Daten und für das Urteil des LSG zugrunde gelegten Wohnungen "um die 50 qm" keine qualitativen Merkmale einfachen Standards aufwiesen, steht der Auswertung und Verwendung dieser Daten nicht entgegen, denn offensichtlich weisen diese Wohnungen einen höheren als den unteren Standard auf und bewegen sich dennoch im maßgeblichen Preissektor. Umgekehrt ist anzunehmen, dass Wohnungen, die einen geringeren Standard aufweisen, zu noch günstigeren Konditionen angemietet werden können. Die vom LSG verwendete Datengrundlage ist auf diese Art und Weise zugunsten der Klägerin vergrößert worden. Die vom Sachverständigen vorgenommene und vom LSG akzeptierte Gewichtung der Wohnungen um 50 qm, die dazu beiträgt, dass die Stichprobe letztlich 243 Wohnungen umfasst, führt im Übrigen dazu, dass Wohnungen, die nicht dem Standard entsprechen, der im Rahmen der Überprüfung durch das "schlüssige Konzept" zugrunde zu legen ist, aus der Auswertung von vornherein ausgeschieden worden sind.

37

Dass das LSG von den ermittelten Wohnungen "um die 50 qm" letztlich die unteren 20 % des preislichen Segments zur Grundlage seiner Entscheidung über die Angemessenheit gemacht hat, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Die Grenzziehung nach der Höhe des Mietpreises im Vergleichsraum ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, weil die Stichprobe eine klare Definition des Untersuchungsgegenstandes nach "unten" und nach der Größe beinhaltet - anders als wenn ausschließlich ausgehend vom Mietpreis die Höhe der angemessenen Mietaufwendungen bestimmt wird. Es sind hier bereits bei der Datenerhebung lediglich Wohnungen mit mehr als einfachstem Standard in einer Größe von 46 bis 54 qm zugrunde gelegt worden. In die Erhebung einbezogen werden damit zugleich auch Daten für Wohnungen mittleren, gehobenen und luxuriösen Standards. Um diese bei der Auswertung alsdann wieder auszuscheiden, denn sie sind für Leistungsbezieher im Grundsicherungsrecht nicht angemessen, kann auf die Grenze "20%" zurückgegriffen werden. Dies entspricht einer Orientierung an den unteren 20 % der Einkommensbezieher. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG überschreitet im Vergleichsraum München auch mindestens 1/5 der Wohnungen mit grundsicherungsrechtlich zugrunde zu legendem Standard nicht die festgestellte Mietobergrenze, die der Beklagte gewählt hat, sondern liegt noch unter dieser.

38

Soweit die Klägerin vorbringt, für den vom Beklagten festgesetzten und vom LSG bestätigten Bruttokaltmietpreis sei es tatsächlich nicht möglich, in München eine Wohnung um 50 qm anzumieten, hält diese Behauptung einer Überprüfung unter systematischen Gesichtspunkten nicht Stand. Das BSG hält daran fest, dass dann, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und ihm Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können, davon auszugehen ist, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 36; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 30). Soweit die Klägerin in der Ergänzung ihrer Revisionsbegründung auf die Daten des Münchner Vereins Haus und Grund eV abstellt, rügt sie im Grunde die Auswahl der Datengrundlage, die hier jedoch, wie ausgeführt, nicht zu beanstanden ist.

39

ff) Darin, dass das Berufungsgericht einem schriftsätzlich angekündigten Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Unternehmen "Haus & Grund", vertreten durch Herrn Rechtsanwalt S, nicht gefolgt ist, liegt auch kein Verstoß gegen die Sachermittlungspflicht (vgl § 103 SGG). Das LSG musste sich nicht gedrängt fühlen, dem Beweisantrag der Klägerin nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nachzukommen. Gemäß § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO obliegt es dem Tatsachengericht, dem Sachverständigen den der Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalt - hier den für die Erstellung des Münchner Mietspiegels 2007 erhobenen Datenbestand - vorzugeben. Daraus folgt, dass auch ein anderer als der vom Gericht ernannte Sachverständige seine sachverständigen Schlussfolgerungen aus diesem Datenbestand hätte ableiten müssen. Dass bei Anwendung derselben oder einer anderen mathematisch-statistischen Methode grundlegend andere Ergebnisse gefolgt wären, ist weder von der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich.

40

Dass das LSG eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigte, bedurfte auch keines ausdrücklichen Hinweises an die Klägerin. Eine Hinweispflicht besteht in erster Linie nur dann, wenn ein Beteiligter ausdrücklich um einen entsprechenden Hinweis bittet (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 109 RdNr 9a). Im Übrigen hat sich aus der Ladung des Gerichts zum Termin ergeben, dass eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigt war. Die Tatsacheninstanzen sind zudem nicht verpflichtet, auf das Stellen eines Beweisantrages - wie hier ohnehin schriftsätzlich seitens der Klägerin angekündigt - hinzuwirken (vgl BSG Beschluss vom 5.5.2010 - B 5 R 26/10 B - juris RdNr 10) oder zu einer in Aussicht genommenen Beweiswürdigung Hinweise zu geben (BSG Beschluss vom 31.8.1993 - 2 BU 61/93; BSG Beschluss vom 6.3.2003 - B 11 AL 129/02 B - HVBG-INFO 2003, 1724; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 99). Darauf liefe ein solcher von der Klägerin verlangter Hinweis jedoch hinaus.

41

b) Die Festsetzung der Leistungshöhe unterhalb der tatsächlichen Aufwendungen beruht auch auf einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung (vgl zur Kostensenkungsaufforderung BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 38)iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 mWv 1.8.2006, BGBl I 1706). Danach sind die tatsächlichen Mietaufwendungen - soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen - als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

42

Der Beklagte hat die Klägerin mehrfach, erstmals mit Schreiben vom 29.8.2006, aufgefordert, die KdU zu senken und nach dem Unterlassen jeglicher Kostensenkungsversuche durch die Klägerin eine Absenkung auf die von ihm als angemessen erachtete Höhe der kalten Nettomietaufwendungen in Höhe von 397,30 Euro zum 1.3.2007 angekündigt. Dabei ist es für den hier nur noch streitigen Zeitraum ab dem 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 ohne Bedeutung, dass der Beklagte die "Sechsmonatsfrist" iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II, in der dem Leistungsberechtigten in der Regel die Möglichkeit eingeräumt wird, die nach Auffassung des Beklagten zu hohen Aufwendungen zu senken, zunächst unzutreffend berechnet hatte. Jedenfalls ab dem 1.6.2007 konnte der Beklagte die Unterkunfts- und Heizkosten absenken, denn die Klägerin war über die vom Beklagten als zutreffend befundene Angemessenheitsgrenze hinreichend informiert und ihr war die Kostensenkung auch nicht unmöglich.

43

Der Beklagte hat zwar in seiner Kostensenkungsaufforderung als Referenzmiete eine Nettokaltmiete benannt. Diese Angabe muss in dem hier streitigen Zeitraum jedoch noch als zulässig und ausreichend angesehen werden, um von einer zutreffenden Kostensenkungsaufforderung iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II ausgehen zu können. Noch 2009 hatte der erkennende Senat es offen gelassen, ob die Vergleichsmiete eine Netto- oder eine Bruttokaltmiete sein müsse (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff). Erst 2010 hat der 14. Senat eindeutig bestimmt, dass die Angemessenheitsgrenze durch eine genau zu benennende Bruttokaltmiete zu definieren ist (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; s auch BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34).

44

Unschädlich ist auch, dass der Beklagte die Angemessenheitsgrenze im Verlaufe des Gerichtsverfahrens geändert hat. Denn dies ist einerseits Ergebnis der Auseinandersetzungen der Beteiligten vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und andererseits stellt das Schreiben des Grundsicherungsträgers über die Unangemessenheit der Unterkunftskosten und die Aufforderung zur Kostensenkung lediglich ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion dar. Hält der Leistungsempfänger die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend bzw einschlägig, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche KdU angemessen sind (vgl nur BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 19, unter Hinweis auf BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - juris RdNr 34). Insofern stellt die Kostensenkungsaufforderung seitens des Grundsicherungsträgers lediglich ein "Angebot" dar, in einen Dialog über die angemessenen KdU einzutreten (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40).

45

Gründe, die der Klägerin eine Kostensenkung unzumutbar machen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hat sich nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) auch nicht um eine Kostensenkung bemüht oder anderweitig nachgewiesen, dass es ihr nicht möglich oder zumutbar war, Wohnraum zu der vom Beklagten vorgegebenen Mietobergrenze anzumieten.

46

5. Der Abzug der Kosten für die Warmwasserbereitung von den tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin für die Gaslieferung/Heizung in Höhe von 6,22 Euro für den Monat Juni 2007, 6,26 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2007 bis einschließlich Juni 2008 und 6,33 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2008 bis November 2008 ist nicht zu beanstanden. Höhere Leistungen wegen der Heizkostennachforderung für den Monat Februar 2008 und unter Berücksichtigung der Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II, wie durch das LSG geschehen, stehen der Klägerin nicht zu. Sie hat insoweit auch keine Einwände gegen die Entscheidung des LSG erhoben.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 18. Februar 2009 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten Jobcenter Leistungen für die Unterkunft und Heizung ausgehend von der von ihm tatsächlich gezahlten Bruttokaltmiete nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

2

Der Kläger bewohnt seit dem Jahr 2001 eine 48 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung in Bremen-W, für die er eine Bruttokaltmiete von 378,24 Euro zu zahlen hat. Bis zum 31.12.2004 bezog er Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), als Kosten der Unterkunft waren 245 Euro anerkannt, nachdem eine ihm eingeräumte insgesamt achtmonatige Frist zur Beschaffung einer sozialhilferechtlich angemessenen Wohnung abgelaufen war. Die Rechtsvorgängerin des jetzigen Beklagten (im Folgenden: "Beklagter") bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.6.2005 Leistungen nach dem SGB II, darunter 245 Euro für die Unterkunft und 31 Euro für die Heizung monatlich (Bescheid vom 28.11.2004, Widerspruchsbescheid vom 2.5.2005).

3

Das Verwaltungsgericht (VG) Bremen - Kammer für Sozialgerichtssachen - hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 28.7.2006). Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Beklagte am 22.11.2006 dem Kläger für die umstrittene Zeit Leistungen für die Unterkunft in Höhe von 265 Euro monatlich bewilligt. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) der Freien Hansestadt Bremen - Senat für Sozialgerichtssachen - hat unter Änderung der angefochtenen Bescheide den Beklagten verurteilt, dem Kläger vom 1.1. bis zum 30.6.2005 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 291,50 Euro zu bewilligen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 18.2.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Streitgegenstand sei nur die Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, bei deren Prüfung in mehreren Schritten vorzugehen sei(Hinweis auf BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2; BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3).

4

Die angemessene Wohnungsgröße für Ein-Personen-Haushalte reiche in der Stadt Bremen bis 48 qm nach der Neufassung der Richtlinien zur Durchführung der vertraglich vereinbarten Förderung der Modernisierung von Mietwohnungen in der Freien Hansestadt Bremen vom 10.5.2004 (Amtsblatt der Freien Hansestadt Bremen 417). Der Wohnungsstandard müsse nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen. Der räumliche Vergleichsmaßstab sei so zu wählen, dass der Leistungsberechtigte in seinem sozialen Umfeld verbleiben könne. Bei einer Großstadt wie Bremen mit rund 548 000 Einwohnern sei eine Differenzierung geboten. Angemessen als räumlicher Vergleichsmaßstab sei vorliegend der Stadtbezirk Bremen-West, in dem der Stadtteil W liege, in dem der Kläger wohne. In Bremen-West wohnten ca 88 600 Einwohner, er umfasse 15 Ortsteile, in denen ein Umzug zumutbar sei und er sei im Hinblick auf Wohnbebauung und Mietniveau ähnlich strukturiert. Die Ortsteile seien durch öffentliche Verkehrsmittel gut miteinander verbunden.

5

Für die Stadt Bremen liege weder ein einfacher noch ein qualifizierter Mietspiegel vor. Der Beklagte habe auch kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung des Mietniveaus für eine sozialrechtlich angemessene Wohnung für Ein-Personen-Haushalte im Stadtbezirk Bremen-West erstellt. Das vom Beklagten vorgelegte Ergebnis einer Recherche aufgrund von Wohnungsanzeigen genüge den Anforderungen für ein schlüssiges Konzept nicht. Dem "GEWOS-Gutachten", in dem eine umfassende Erhebung des Mietwohnungsbestandes in Bremen erfolgt sei, könne der zu ermittelnde abstrakt angemessene Mietzins für den Stadtbezirk Bremen-West nicht entnommen werden, denn die Angaben zum Mietniveau bezögen sich auf die ganze Stadt. Daher seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ( Hinweis auf die Urteile vom 7.11.2006, aaO) zur Bestimmung des abstrakt angemessenen Mietzinses die Werte der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz(in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954, im Folgenden: WoGG aF) zugrunde zu legen. Diese Werte seien durch die in den GEWOS-Gutachten über die Mietsituation in Bremen enthaltenen Erkenntnisse zu modifizieren. Der Beklagte habe vorliegend bei der Bemessung der Leistung für die Unterkunft § 8 WoGG aF und die Mietstufe IV angewandt, aber nicht die äußere rechte Spalte (Bezugsfertigkeit ab 1.1.1992), sondern die zweite von rechts (Bezugsfertigkeit vom 1.1.1966 bis zum 31.12.1991) und einen Betrag von 265 Euro als angemessen angesehen. Dem könne aufgrund der Untersuchungen des GEWOS-Institutes nicht gefolgt werden, weil ein unausgeglichenes Verhältnis zwischen der Anzahl der nach dem SGB II hilfebedürftigen alleinstehenden Personen und dem Bestand an Wohnraum zu diesem Mietpreis vorgelegen habe. Als angemessener Wohnungsbestand für Alleinstehende mit bis zu 50 qm seien insgesamt 16 100 Einheiten ermittelt worden, von denen 13 100 bis 14 500 von Haushalten nach dem SGB II und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bewohnt wurden und weitere 310 Wohnungen leer standen. Die Anzahl der nicht angemessen wohnenden Alleinstehenden habe 5000 bis 5500 Personen betragen, für die folglich nur 1600 bis 3000 Wohnungen zur Verfügung gestanden hätten. Nach dem GEWOS-Gutachten und den Ausführungen der Sachverständigen S würde sich durch eine Anhebung der Mietobergrenze um 10 vH die Anzahl der angemessenen Wohnungen von 16 100 auf 24 000 erhöhen und ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Nachfrage und angemessenem Wohnungsbestand für Alleinstehende ergeben. Der angemessene Mietzins für den Kläger betrage daher monatlich (265 + 26,50 =) 291,50 Euro. Zwar beziehe sich das GEWOS-Gutachten auf die gesamte Stadt Bremen, der Übertragung auf den Stadtbezirk West stünden aber keine durchgreifenden Hinderungsgründe entgegen.

6

Entgegen der Ansicht des Klägers beinhalte § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954, im Folgenden: SGB II aF) keine Regel, nach der eine Absenkung der Unterkunftskosten erst sechs Monate nach Bezug von Leistungen nach dem SGB II möglich sei. Für den Kläger habe die Möglichkeit eines Umzugs bestanden, wie sich aus dem GEWOS-Gutachten und den Erläuterungen der Sachverständigen ergebe. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, ihm günstigen Wohnraum nachzuweisen. Vielmehr sei es eine Obliegenheit des Klägers gewesen, sich um eine angemessene Unterkunft zu bemühen. Ein Umzug in eine kostengünstigere Wohnung sei dem Kläger auch zuzumuten gewesen. Dagegensprechende Gründe seien weder vorgetragen worden, noch ersichtlich.

7

Mit der - vom BSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend: Nach den Feststellungen des OVG liege für die Stadt Bremen kein einfacher und kein qualifizierter Mietspiegel vor, auch habe der Beklagte kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung des Mietniveaus. Demgemäß sei der Bemessung der Leistung für die Unterkunft des Klägers zumindest der Mietzins nach der rechten Spalte in § 8 WoGG aF in Höhe von 325 Euro zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 %, also 357,50 Euro zugrunde zu legen(Hinweis ua auf BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3). Wäre das OVG seiner Verpflichtung nachgekommen, der Bemessung der Leistung für die Unterkunft ein schlüssiges Konzept zugrunde zu legen und sich ggf von dem Beklagten vorlegen zu lassen, hätte es den Beklagten verpflichten müssen, die tatsächlichen Unterkunftskosten des Klägers zu übernehmen.

8

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 18. Februar 2009 und den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 28. Juli 2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 28. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2005 und den Bescheid vom 22. November 2006 zu ändern
und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen für die Unterkunft und die Heizung in Höhe von 423,24 Euro vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 monatlich zu zahlen.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Auf die Revision des Klägers ist das Urteil des OVG der Freien Hansestadt Bremen aufzuheben, weil der rechtlichen Auffassung des OVG in mehreren Punkten nicht gefolgt werden kann. Der Rechtsstreit ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) zurückzuverweisen, weil eine endgültige Entscheidung seitens des BSG mangels ausreichender Feststellungen nicht möglich ist.

11

Streitgegenstand des Verfahrens ist nach den Anträgen des Klägers in den Vorinstanzen die "Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten" und der diesen Anspruch regelnde Bescheid des Beklagten vom 28.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.5.2005 und der im Laufe des Berufungsverfahrens ergangene Änderungsbescheid vom 22.11.2006. Eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Leistungen für die Unterkunft und Heizung ist zulässig, soweit es sich bei der Verfügung über diese Leistungen um eine abtrennbare Verfügung (Verwaltungsakt iS des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) des Gesamtbescheides handelt. Eine weitere Aufspaltung des Streitgegenstandes in die Leistungen für die Unterkunft und für die Heizung ist rechtlich nicht möglich, weil diese Leistungen eng miteinander verknüpft sind, zB über die Wohnungsgröße (vgl mit weiterer Begründung: BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 18 ff). Hierin hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über frühere Bewilligungsabschnitte nichts geändert.

12

Die aufgezeigten Voraussetzungen für eine Beschränkung des Streitgegenstandes sind vorliegend erfüllt, weil insbesondere der Widerspruchsbescheid eine abtrennbare Verfügung über die Leistung für die Unterkunft und Heizung enthält. Soweit der vor dem VG und dem OVG nicht anwaltlich vertretene Kläger in seinen Sachanträgen "die tatsächlichen Unterkunftskosten" begehrt hat, ist hierin bei sachgerechter Auslegung seiner Anträge (vgl § 123 Sozialgerichtsgesetz) keine Beschränkung des Streitgegenstandes und Ausschluss der Leistung für die Heizung zu sehen, sodass sich für die streitgegenständliche Zeit aufgrund der tatsächlichen Bruttokaltmiete von 378,24 Euro plus des zu zahlenden Vorschusses für die Heizung von 45 Euro ein Betrag von 423,24 Euro ergibt.

13

Ob der Kläger zu dem dem Grunde nach anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II gehört, kann nicht abschließend beurteilt werden, weil das Urteil des OVG zu einigen Grundvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (Alter, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit) keine Feststellungen hinsichtlich des Klägers enthält.

14

Die vorliegend umstrittenen Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, das insofern vom 1.1.2005 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (ständige Rechtsprechung vgl nur BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 12 mwN). Zwischen der Leistung für die Unterkunft und der Leistung für die Heizung ist zu unterscheiden, wie schon im Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals Leistungen sowie der Rechtsprechung des BSG zu entnehmen ist (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 18).

15

Die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistung für die Heizung kann vom Senat nicht beurteilt werden, weil das Urteil des OVG insofern keine weitergehenden Feststellungen enthält, außer der dem Kläger von dem Beklagten bewilligten 31 Euro.

16

Der Kläger könnte gegen den Beklagten einen Anspruch auf eine höhere Leistungen für die Unterkunft (Nettokaltmiete plus kalte Betriebskosten) als die ihm vom OVG zugesprochenen 291,50 Euro monatlich für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.6.2005 haben, weil die Herleitung des Betrags nicht frei von Rechtsfehlern ist.

17

Zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft, auf die der dem Grunde nach Leistungsberechtigte Anspruch hat, ist in mehreren Schritten vorzugehen: Zunächst ist die angemessene Leistung für die Unterkunft unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren abstrakt zu ermitteln (dazu 1.). Dann ist - falls insofern vom Leistungsberechtigten Einwände vorgebracht werden - zu prüfen, ob in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum eine solche abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte angemietet werden können (dazu 2.). Soweit die Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft übersteigen, sind erstere solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 Satz 2 SGB II aF, der durch die Einführung des neuen Satzes 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706, ohne inhaltliche Änderung zu Satz 3 wurde; zu dieser Voraussetzung unter 3.; vgl zu allen Voraussetzungen ua BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19 ff; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 12 ff; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29; zuletzt: BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 20 ff).

18

1. Die Höhe der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft des Klägers kann aufgrund der Feststellungen des OVG nicht beurteilt werden.

19

Die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft ist entsprechend der soeben aufgezeigten Rechtsprechung in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln: a) Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. b) Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen. c) Im nächsten Schritt ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro qm Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraumes zu zahlen ist, um die nach der Produkttheorie angemessene Nettokaltmiete zu ermitteln. d) Zu der so ermittelten Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen.

20

a) Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende in Bremen 48 qm.

21

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (ständige Rechtsprechung seit BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376, "Wohnraumförderungsgesetz", im Folgenden: WoFG) wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen des jeweiligen Landes".

22

Nach den Feststellungen des OVG ist nach der Neufassung der Richtlinien zur Durchführung der vertraglich vereinbarten Förderung der Modernisierung von Mietwohnungen in der Freien Hansestadt Bremen vom 20.5.2004 (Abl 417 ff) für einen Ein-Personen-Haushalt eine Wohnungsgröße bis 48 qm angemessen. An diese Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II aus den genannten Gründen anzuknüpfen.

23

b) Der für den Kläger maßgebliche örtliche Vergleichsraum kann nach den derzeitigen Feststellungen des OVG nicht auf den Stadtbezirk Bremen-West beschränkt werden.

24

Zur Begründung dieses von ihm angenommenen örtlichen Vergleichsraums hat das OVG angeführt, dass bei einer Großstadt wie Bremen mit rund 548 000 Einwohnern eine Differenzierung geboten sei. Das Mietniveau sei in den einzelnen Stadtteilen unterschiedlich hoch, es gebe Stadtteile, in denen 77 % der Mietwohnungen auf geringem Niveau liegen.

25

Nach der Rechtsprechung des BSG ist Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes zunächst der Wohnort des Leistungsberechtigten. Der Vergleichsraum muss einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung umfassen, um ein entsprechendes Wohnungsangebot aufzuweisen und die notwendigen abstrakten Ermittlungen zu ermöglichen. Des Weiteren muss er aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur, insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit, einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Das BSG hat als solche Vergleichsräume die Städte München mit rund 1,36 Mio Einwohnern (BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19) und Berlin mit rund 3,4 Mio Einwohnern angesehen (BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 24). Es hat darauf hingewiesen, dass eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke oder Ortsteile mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum das Risiko einer Gettoisierung birgt.

26

Dem folgend kann aus der Einwohnerzahl der Stadt Bremen kein zwingender Grund für eine weitere Unterteilung der Stadt abgeleitet werden. Dagegen spricht vielmehr die Feststellung des OVG, in bestimmten Stadtteilen würden 77 % der Mietwohnungen auf geringem Niveau liegen, was möglicherweise die Gefahr einer Gettoisierung birgt, und die weiteren Ausführungen des OVG zum maßgeblichen Datenbestand, bei denen oftmals auf die gesamte Stadt Bremen zurückgegriffen wurde. Ob die Stadt Bremen insgesamt die Voraussetzungen eines Vergleichsraumes erfüllt, wird das LSG zu prüfen haben.

27

c) Welche unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards angemessene Nettokaltmiete pro qm Wohnfläche auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraumes für den Kläger zugrunde zu legen ist, kann aufgrund der Feststellungen des OVG nicht bestimmt werden.

28

Unabhängig von der Beantwortung der Frage nach dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum (siehe zuvor) gibt es nach den Feststellungen des OVG für die Stadt Bremen weder einen einfachen noch einen qualifizierten Mietspiegel, und der Beklagte hat auch kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung des Mietniveaus für eine angemessene Wohnung für Ein-Personen-Haushalte aufgestellt. Ob aus dem GEWOS-Gutachten, das eine umfassende Erhebung des Mietwohnungsbestandes für die gesamte Stadt Bremen enthält, entsprechende Zahlen abgeleitet werden können, ggf in Verbindung mit weiteren Ermittlungen (vgl zB die Anhörung der Sachverständigen S und ihre sehr differenzierten Angaben zum Wohnungsbestand für Alleinstehende in Bremen), kann vom Senat mangels weiterer Feststellungen nicht beurteilt werden (vgl auch BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16).

29

Nur wenn es nicht möglich ist, auf diesem Wege eine angemessene Nettokaltmiete zu bestimmen, kann zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft auf die Tabelle zu § 8 WoGG aF zurückgegriffen werden. Dieser Rückgriff auf § 8 WoGG führt jedoch nicht zu einem geeigneten Maßstab zur Bestimmung der angemessenen Leistung für die Unterkunft iS des § 22 SGB II, sondern beinhaltet nur eine Angemessenheitsgrenze nach oben, weswegen auch die rechte Spalte in der Tabelle zugrunde zu legen ist(BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2; BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 15; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 21 f, 27).

30

Gegen ein "Mischverfahren" wie es das OVG angewandt hat, bei dem von Werten aus der Tabelle nach § 8 WoGG aF ausgegangen wird und diese aufgrund bestimmter lokaler Erkenntnisse verändert werden, um ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Nachfrage und angemessenem Wohnungsbestand zu erreichen, spricht schon, dass ihm keine systematische Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete zugrunde liegt. Offen bleibt zB, warum von den Werten der zweiten Spalte von rechts in der Tabelle ausgegangen wird und nicht von denen in der ganz rechten oder dritten von rechts.

31

d) Feststellungen zu den abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten fehlen.

32

2. Ob in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum eine solche abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte gemietet werden können, kann mangels entsprechender Feststellungen nicht beurteilt werden (vgl BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - , zur Veröffentlichung vorgesehen).

33

3. Ob die Aufwendungen des Klägers für seine Unterkunft (Bruttokaltmiete von 378,24 Euro), wenn sie die abstrakt angemessene Leistung für seine Unterkunft übersteigen, nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II aF zu berücksichtigen sind, weil es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar war, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, kann ebenfalls nicht abschließend entschieden werden.

34

Das OVG hat insofern zu Recht auf die schon durch den Sozialhilfeträger erfolgten Kostensenkungsinformationen hingewiesen (BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 23; BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 24). Individuelle Gründe, die seitens des Klägers einer Kostensenkung entgegenstehen, hat das OVG nicht festgestellt.

35

4. Der Rechtsstreit ist an das LSG Niedersachsen-Bremen zurückzuverweisen. Zwar hat das OVG der Freien Hansestadt Bremen "das Urteil erlassen" (vgl § 170 Abs 2 Satz 2 SGG am Ende) und nicht das LSG Niedersachsen-Bremen. Die früheren §§ 50a ff SGG, nach denen aufgrund Landesrechts die Sozialgerichtsbarkeit in bestimmten sozialrechtlichen Materien durch besondere Spruchkörper der Verwaltungsgerichte ausgeübt wurde(eingeführt durch Gesetz vom 9.12.2004, BGBl I 3302), sind jedoch mit Wirkung vom 1.1.2009 aufgehoben. Die Übergangsregelung in § 206 Abs 2 SGG sieht vor, dass Verfahren, die am 1.1.2009 bei den besonderen Spruchkörpern der Verwaltungsgerichte anhängig sind, bei diesen anhängig bleiben und entsprechend der bisherigen Rechtslage fortgeführt werden; für Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung eines besonderen Spruchkörpers, die nach dem 31.12.2008 ergehen, ist jedoch das LSG zuständig. Entsprechend dieser vom Gesetzgeber getroffenen Regel, die anhängigen Verfahren in der jeweiligen Instanz in den besonderen Spruchkörpern zu belassen, nach Abschluss einer Instanz diese aber der üblichen Zuständigkeitsregelung zu unterwerfen, ist nunmehr für das zurückverwiesene Verfahren das LSG zuständig.

36

5. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft (KdU) und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006.

2

Die verheirateten Kläger leben seit 24 Jahren in der Gemeinde G (ca 11 000 Einwohner) im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. G grenzt direkt an das Stadtgebiet der Stadt Freiburg im Breisgau (ca 220 000 Einwohner), die den Stadtkreis Freiburg bildet. Die Kläger bewohnen seit 2004 eine knapp 80 qm große, ihrem Sohn gehörende Drei-Zimmer-Wohnung, für die sie eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 572 Euro entrichten. Der Beklagte bewilligte seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen KdU und Heizung (Bescheid vom 27.11.2004), wies die Kläger aber gleichzeitig darauf hin, dass die Wohnung unangemessen teuer sei und die tatsächlichen Unterkunftskosten nur für eine Übergangszeit von längstens sechs Monaten übernommen werden könnten. Ab 1.7.2005 könne nur noch ein Betrag in Höhe von 306,60 Euro entsprechend einem Mietpreis von 5,11 Euro/qm für eine 60 qm große Wohnung in einem Zweipersonenhaushalt als Kaltmiete anerkannt werden. Einen erneuten Hinweis auf die für angemessen erachtete Miete sowie zur Senkung der Unterkunftskosten enthielt der Bescheid des Beklagten vom 29.4.2005, mit dem Leistungen für die Zeit vom 1.6.2005 bis 30.11.2005 bewilligt wurden. Der Antrag der Kläger auf Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006, mit dem der Beklagte für den Bewilligungszeitraum vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro monatlich zuzüglich Nebenkosten bewilligte, war ohne Erfolg (Bescheid vom 3.7.2006; Widerspruchsbescheid vom 27.7.2006). Für den weiteren Bewilligungszeitraum vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 erkannte der Beklagte gleichfalls nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro an (Bescheid vom 24.5.2006; Widerspruchsbescheid vom 3.7.2006).

3

Das SG hat den Beklagten unter Änderung der Bewilligungsbescheide und Aufhebung des Bescheids vom 3.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006 verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 unter Berücksichtigung einer Kaltmiete in Höhe von 572 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom 18.7.2008). Ihnen sei es nicht möglich gewesen, die Wohnkosten auf das tatsächlich angemessene Maß zu senken, weil sie von dem Beklagten nicht zutreffend belehrt worden seien.

4

Das LSG hat den Beklagten unter Abänderung des Urteils des SG verurteilt, den Klägern im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Zugrundelegung von Unterkunftskosten einschließlich kalter Nebenkosten in Höhe von monatlich 446,25 Euro zu gewähren, im Übrigen die Klage abgewiesen sowie die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Eine wirksame Kostensenkungsaufforderung liege vor. Der Beklagte habe in dem vorliegend streitigen Zeitraum aber kein schlüssiges Konzept für die Ermittlung der angemessenen KdU und Heizung. Der von ihm angenommene Quadratmeterpreis beruhe auf Erfahrungen, Bestätigung durch die sozialhilferechtliche Rechtsprechung zum BSHG, Beobachtung des Wohnungsmarktes und der Berücksichtigung des Freiburger Mietspiegels. Für den Vergleichsraum existiere kein Mietspiegel. Für den streitigen Zeitraum von 12/2005 bis 11/2006 könne der Beklagte - auch unter Mithilfe des Gerichts - ein schlüssiges Konzept nicht mehr erarbeiten oder ein bisheriges Konzept durch Verfeinerung bzw Ergänzung der Datenerhebung verändern. Auch das Gericht könne unter Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen und -mittel im Rahmen der Amtsermittlung, insbesondere auch Einholung eines Sachverständigengutachtens, für die inzwischen vier bzw fünf Jahre zurückliegenden Zeiträume weder ein schlüssiges Konzept noch eine entsprechende Datengrundlage ermitteln. Es seien daher grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger, "nach oben" begrenzt durch die Tabellenwerte zu § 8 WoGG (Höchstbetrag der Tabelle), maßgebend, die um einen - hier angemessenen fünfprozentigen - "Sicherheitszuschlag" zu erhöhen seien. Für die Höhe des Zuschlags sei maßgeblich, dass der Ort G einerseits zu einem eher ländlich geprägten Vergleichsraum im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehöre und andererseits die bestehende räumliche und infrastrukturelle Verbindung zur Großstadt Freiburg aufweise. Ein Vergleich mit dem Mietspiegel der Stadt Freiburg ergebe, dass der Zuschlag angemessen sei. Soweit die Aufwendungen der Kläger den angemessenen Mietpreis von 446,25 Euro überstiegen, handele es sich um unangemessene Kosten, die grundsätzlich nicht mehr übernommen würden. Der Senat habe den von den Klägern im Schriftsatz vom 21.6.2010 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 22.6.2010 gestellten Beweisanträgen nicht nachgehen müssen, weil diese unzulässig seien.

5

Mit ihren Revisionen machen die Kläger eine Verletzung von § 22 SGB II, §§ 103, 128 SGG geltend. Der Beklagte habe im streitigen Zeitraum die tatsächliche Nettokaltmiete in Höhe von monatlich 572 Euro zu übernehmen. Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die vom Beklagten festgesetzte Angemessenheitsgrenze fehlerhaft sei. Dies führe zur Unwirksamkeit der Kostensenkungsaufforderung, weil dieser Wert auch dort genannt werde mit der Folge, dass die tatsächlichen Kosten zu übernehmen seien. Wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis komme, dass die fehlerhaft bezifferte Angemessenheitsgrenze "nicht ursächlich" dafür sei, dass sie keine angemessene Wohnung gefunden hätten, weil sie gar nicht versucht hätten, eine andere Wohnung zu finden oder die Kosten zu senken, sei dies schlicht falsch. Sie hätten sich - wie ihre Dokumentation belege - umfangreich um eine günstigere Wohnung bemüht. Das LSG habe es versäumt, sachgerechte Ermittlungen zur Situation auf dem einschlägigen Wohnungsmarkt im streitigen Zeitraum anzustellen, obwohl umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung gestanden habe (Hinweis auf Gutachten zum Mietspiegel 2007 der Stadt Freiburg i.Br., Gemeinderatsdrucksache G-09/024, Untersuchung des Amtes für Statistik der Stadt Freiburg i.Br. aus 2004, Untersuchung des "Runden Tisches" der Stadt Freiburg i.Br. aus 2006 und Studie des Immobilienverbandes Deutschland von 2008). Ein Rückgriff auf § 8 WoGG sei deshalb unzulässig. Bei Auswertung der Erkenntnisquellen hätte das Berufungsgericht festgestellt, dass die tatsächlichen KdU angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II gewesen seien.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Juli 2008 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG im Wesentlichen für zutreffend. Die Stadt Freiburg i.Br. sei als Referenz- und Vergleichsmaßstab für den Flächenlandkreis Breisgau-Hochschwarzwald nicht tauglich.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

10

1. Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom 3.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006, mit dem der Beklagte den Überprüfungsantrag der Kläger in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 betreffend die KdU und Heizung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 abgelehnt hat. Weiterer Verfahrensgegenstand ist der Bewilligungsbescheid vom 24.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.7.2006, wobei auch hier nur höhere Leistungen der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 im Streit sind. Bei den Leistungen der Unterkunft und Heizung handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl zur Nichtberücksichtigung der Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte: BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).

11

2. Ob die Kläger einen Anspruch auf (teilweise) Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 SGB X und damit verbundenen höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 sowie für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 in Abänderung des Bescheides vom 24.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.7.2006 haben, lässt sich aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Zwar sind die Kläger Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014), weil dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des LSG zu entnehmen ist, dass sie im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch das 65. Lebensjahr vollendet haben (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II) waren und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Es fehlen jedoch Feststellungen sowohl zu den KdU als auch zu den Heizkosten.

12

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 14, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

13

Zwar reichen die Feststellungen des LSG zur angemessenen Wohnfläche (3) sowie zum Fehlen eines tragfähigen schlüssigen Konzepts des Beklagten (4) aus, nicht jedoch diejenigen zum Erkenntnisausfall zur Höhe der angemessenen Unterkunftskosten (5). Das LSG ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass die Kostensenkungsaufforderungen des Beklagten nicht bereits zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit der Kostensenkung führen (6). Sollte das LSG - nach weiterer Prüfung - auf die Tabellenwerte nach § 8 WoGG zurückgreifen, ist die Höhe des vom LSG zu den Tabellenwerten erhobenen Zuschlags zu korrigieren (7).

14

3. Das LSG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 60 qm zu berücksichtigen ist. Das Land Baden-Württemberg hat keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Zweipersonenhaushalte von einer Wohnfläche von 60 qm auszugehen. An diese Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen.

15

4. Nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) lag dem von dem Beklagten im streitigen Zeitraum im Vergleichsraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde, das den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG gerecht wird (vgl nur BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18 ff). Die weitere Feststellung des LSG, dass sich für den streitigen Zeitraum eine entsprechende Datengrundlage zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete nicht mehr ermitteln lässt und insofern ein Erkenntnisausfall vorliegt, reicht für eine Überprüfung durch den Senat aber nicht aus.

16

5. Zwar hat der erkennende Senat für den Fall des Ausfalls von lokalen Erkenntnismöglichkeiten aufgrund von fehlenden Ermittlungen des Grundsicherungsträgers eine Begrenzung der Amtsermittlungspflicht der Sozialgerichte für zulässig erachtet und ausdrücklich betont, dass es im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger sei, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu ermitteln (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 23; BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 26; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 21). Insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume (vgl zum Fehlen von Ermittlungsmöglichkeiten etwa durch Zeitablauf BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 27) brauchen deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden. Dies entbindet jedoch nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen muss erkennbar sein, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat.

17

Hieran fehlt es vorliegend. Zwar können die Feststellungen des LSG, dass ein Mietspiegel und weitere Erkenntnismöglichkeiten und -mittel nicht vorhanden seien, insbesondere - hier - auch ein Sachverständigengutachten für die inzwischen mehrere Jahre zurückliegenden Zeiträume nicht mehr eingeholt werden könne, einen Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG rechtfertigen. Den Ausführungen des LSG kann jedoch nicht zweifelsfrei entnommen werden, auf welchen Vergleichsraum sich diese Feststellungen beziehen, inwieweit es im streitigen Zeitraum - also den Jahren 2005 und 2006 - konkret an einer hinreichenden Datengrundlage fehlt und hierauf aufbauend, warum hierdurch wiederum die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts für die hier denkbaren Vergleichsräume ausscheidet. Obgleich hierzu im sozialgerichtlichen Verfahren von den Beteiligten unterschiedliche Auffassungen vertreten worden sind, hat das LSG im Ergebnis offen gelassen, wie sich der Vergleichsraum im konkreten Fall darstellt. Auch wenn davon auszugehen ist, dass jedenfalls die Gemeinde G als Wohnort der Kläger Teil des Vergleichsraums ist, muss das LSG als Tatsacheninstanz anhand der allgemeinen rechtlichen Vorgaben für die Festlegung des Vergleichsraums (vgl hierzu BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 20 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 24) bestimmen, ob hier weitere Umlandgemeinden, Teile von Freiburg bzw das gesamte Stadtgebiet von Freiburg in die Festlegung des Vergleichsraums einzubeziehen sind. Nur vor diesem Hintergrund ist erkennbar, ob die Feststellung des Erkenntnisausfalls auf einem zutreffenden rechtlichen Maßstab zur Bestimmung eines Vergleichsraums erfolgt ist. Das LSG wird mithin im wiedereröffneten Berufungsverfahren zunächst den Vergleichsraum zu bestimmen haben.

18

6. Der Senat folgt dem Berufungsgericht aber darin, dass die Kostensenkungsaufforderung des Beklagten nicht zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit der Kostensenkung führt.

19

Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 2 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der durch die Einführung des neuen S 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706 - ohne inhaltliche Änderung zu S 3 wurde). Die Kläger wurden mit den Bewilligungsbescheiden vom 27.11.2004 und 29.4.2005 durch die Angabe der aus Sicht des Beklagten angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 306,60 Euro sowie über die aus seiner Sicht bestehende Rechtslage hinreichend informiert. Dies ist ausreichend. Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits mehrfach entschieden haben, stellt § 22 Abs 1 S 2 SGB II keine über eine Aufklärungs- und Warnfunktion hinausgehenden Anforderungen(BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 29; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 7, RdNr 20 ff; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 40; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 16). Der Streit darüber, ob die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage zu klären, welche Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II abstrakt angemessen sind(BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, RdNr 34).

20

7. Kommt das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu dem Ergebnis, dass ein schlüssiges Konzept für den festgelegten Vergleichsraum nicht erarbeitet werden kann, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden dann wiederum durch die Tabellenwerte zu § 8 WoGG (bzw für Zeiträume ab 1.1.2009 § 12 WoGG) im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt. Wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten (vgl § 5 Abs 1 WoGG aF bzw nunmehr § 9 Abs 1 WoGG) nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei § 8 WoGG auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27 im Anschluss an BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26, RdNr 21). Der Sicherheitszuschlag ist im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich. Denn es kann beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27).

21

Vor diesem Hintergrund ist das LSG vorliegend von unzutreffenden Kriterien zur Bestimmung des Zuschlags ausgegangen. Die in § 8 WoGG festgeschriebenen Werte erheben nicht den Anspruch, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden. Der Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/ Dietrich/Fröba, WoGG, Loseblatt, 65. Lfg Mai 2011, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die tatsächliche Miete den in § 8 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist.

22

Bei der Bestimmung des Zuschlages ist daher zu beachten, dass es sich nicht um eine einzelfallbezogene Anwendung auf einen konkreten, tatsächlichen Sachverhalt, die dem LSG unter Beachtung der Verhältnisse des regionalen Wohnungsmarktes obliegt, handelt. Vielmehr ist er unter Berücksichtigung genereller, abstrakter Kriterien festzulegen. Ein Rückgriff auf die regionalen Verhältnisse kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil gerade erst der Ausfall der Erkenntnismöglichkeiten im räumlichen Vergleichsgebiet zur Anwendung von § 8 WoGG führt. Bereits durch die jeweiligen im WoGG verankerten Mietenstufen fließen regionale Unterschiede in die Bestimmung der zu übernehmenden KdU ein. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 8 WoGG (rechte Spalte) einen Zuschlag in Höhe von 10 % als angemessen, aber auch ausreichend(vgl BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; ebenfalls 10 % bejahend: LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 24.4.2007 - L 7 AS 494/05; Urteil vom 11.3.2008 - L 7 AS 332/07; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 26.5.2010 - L 12 <20> SO 37/07; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 26.8.2010 - L 5 AS 4/08; Hessisches LSG Urteil vom 20.12.2010 - L 9 AS 239/08; LSG Sachsen Anhalt Urteil vom 3.3.2011 - L 5 AS 181/07; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 30.9.2011 - L 3 AS 17/09; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 8.12.2011 - L 25 AS 1711/07).

23

8. Da es das LSG unterlassen hat, Feststellungen zu den angemessenen Heizkosten zu treffen, kann der Senat die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen für die Heizung nicht überprüfen. Das LSG wird deshalb im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch die getrennt von den Unterkunftskosten auf ihre Angemessenheit zu prüfenden Heizkosten zu bestimmen haben.

24

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Dezember 2011 geändert.

Die Bescheide des Beklagten vom 29. Juli 2008, 17. September 2008, 6. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2009 werden geändert und der Beklagte wird verurteilt, den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 17,50 Euro für Oktober 2008 zu zahlen.

Die Bescheide des Beklagten vom 24. März 2009, 31. März 2009, 6. Juni 2009, 14. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2009 werden geändert und der Beklagte wird verurteilt, den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils 7 Euro monatlich für August und September 2009 zu zahlen.

Hinsichtlich weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung für November 2008 wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Altenburg zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere für Unterkunft und Heizung im Oktober und November 2008 sowie August und September 2009.

2

Die im Jahr 1982 geborene Klägerin zu 1 und ihr am 2002 geborener Sohn, der Kläger zu 2, bei dem ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, H, RF, Gl festgestellt sind, bewohnten in der strittigen Zeit eine 2,5-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 60,99 m² in K Pro Monat betrug die Grundmiete 322 Euro, hinzu kamen Vorauszahlungen für sonstige Nebenkosten von 22 Euro, Kaltwasser von 53 Euro, Heiz- und Warmwasserkosten von 80 Euro, die zum 1.11.2008 für Kaltwasser auf 61 Euro, Heiz- und Warmwasserkosten auf 92 Euro erhöht wurden (monatliche Aufwendungen insgesamt 477 bzw 497 Euro). Seinem Bescheid vom 20.2.2006 hatte das beklagte Jobcenter als Anlage eine Belehrung über "Rechtsfolgen im Falle unangemessener Aufwendungen für Unterkunft und/oder Heizung" beigefügt und mitgeteilt, den Klägern stehe eine Kaltmiete, einschließlich kalter Betriebskosten von 345 Euro plus Heizkosten ohne Warmwasserbereitung von 60 Euro, insgesamt also 405 Euro pro Monat zu. Von Juli bis September 2006 erbrachte der Beklagte die Leistungen nur noch unter Berücksichtigung dieses Betrags. Von Juli 2007 bis Ende April 2008 lebte eine weitere Person - im Folgenden G - ebenfalls in der Wohnung, ohne mit den Klägern eine Bedarfsgemeinschaft zu bilden, und der Leistungsberechnung wurden dadurch die vollen, auf die Anteile der Kläger entfallenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zugrunde gelegt.

3

Für Oktober 2008 bis März 2009 bewilligte der Beklagte monatliche Leistungen von 405 Euro für Unterkunft und Heizung an die Kläger (Bescheid vom 29.7.2008, Änderungsbescheid vom 17.9.2008). Nachdem die Klägerin zu 1 den Anstieg der Vorauszahlung zum 1.11.2008 angezeigt hatte, lehnte der Beklagte mit weiterem Bescheid vom 29.9.2008 eine Übernahme der erhöhten Vorauszahlung ab. Nachdem G zum 1.12.2008 wieder in die Wohnung eingezogen war, berücksichtigte der Beklagte ab diesem Zeitpunkt wieder anteilig die vollen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung der Kläger, für Oktober und November verblieb es bei den bewilligten Beträgen (Änderungsbescheid vom 6.2.2009). Der schon zuvor eingelegte Widerspruch der Kläger wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 25.2.2009).

4

Der Beklagte bewilligte aufgrund wechselnden Einkommens der Klägerin zu 1 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von April bis September 2009 den Klägern zunächst nur vorläufig, dann vorübergehend endgültig und schließlich für Juli bis September 2009 wieder vorläufig, wobei er für August und September monatlich von "Kosten der Unterkunft und Heizung" in Höhe von 405 Euro ausging (Bescheide vom 24.3.2009, 31.3.2009, 6.6.2009, 14.7.2009; Widerspruchsbescheid vom 15.7.2009).

5

Das Sozialgericht (SG) hat die erhobenen Klagen verbunden und die Bescheide vom 29.7.2008, 17.9.2008, 6.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.2.2009 geändert und den Beklagten verurteilt, an die Kläger "weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft" für Oktober 2008 in Höhe von 44,37 Euro und für November 2008 in Höhe von 50,50 Euro zu zahlen, die Bescheide vom 24.3.2009, 31.3.2009, 6.6.2009, 14.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.7.2009 geändert und den Beklagten verurteilt, an die Kläger "weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft" für August und September 2009 in Höhe von 74 Euro monatlich zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 14.12.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin zu 1 erfülle die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, der Kläger zu 2 bilde mit ihr eine Bedarfsgemeinschaft, da er seinen Lebensunterhalt nicht vollständig aus eigenem Einkommen und Vermögen bestreiten könne. Nach den einschlägigen landesrechtlichen Vorschiften sei für einen Haushalt von zwei Personen von einer Wohnfläche von 60 m² auszugehen. Entgegen der Auffassung der Kläger könne zB für Behinderte oder Alleinerziehende keine generelle Erhöhung der angemessenen Wohnfläche auf 75 m² vorgenommen werden. Der Beklagte habe keinerlei Überlegungen zum Vergleichsraum angestellt und weder die Unterkunftsrichtlinie des Saale-Holzland-Kreises noch dessen späteren Bearbeitungsrichtlinien oder die weiter vorgenommenen Modifizierungen genügten den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Aufgrund des Ausfalls lokaler Erkenntnismöglichkeiten seien die tatsächlichen Aufwendungen der Hilfebedürftigen für Unterkunft und Heizung zu übernehmen, begrenzt durch eine aus den Tabellenwerten des Wohngeldgesetzes (WoGG) abgeleitete Angemessenheitsgrenze nach oben. K sei wie der gesamte Saale-Holzland-Kreis nach der ab 1.1.2009 geltenden Wohngeldverordnung der Mietstufe 2 zuzuordnen, nur die Stadt E sei in der Zeit vorher der Stufe 3 zuzuordnen gewesen. Nach der Tabelle zu § 8 WoGG ergebe sich für zwei Haushaltsmitglieder ein Höchstbetrag von 345 Euro einschließlich kalter Betriebskosten. Nach der Tabelle zu § 12 WoGG in der Fassung vom 24.9.2008 (BGBl I 1856), die ab 1.1.2009 gelte, ergebe sich ein Betrag von 380 Euro. Zusammen mit einem angemessenen Zuschlag von 10 % sei in 2008 von 379,50 Euro und im Jahr 2009 von 418 Euro auszugehen.

6

Im Oktober 2008 habe die Bruttokaltmiete 397 Euro betragen, davon habe der Beklagte 345,13 Euro übernommen, die Differenz zum angemessenen Wert von 379,50 Euro seien 34,37 Euro, die der Beklagte noch zu zahlen habe. Im November 2008 habe die Bruttokaltmiete 405 Euro betragen, davon habe der Beklagte 345,13 Euro übernommen, die Differenz zu dem auch in diesem Monat angemessenen Wert von 379,50 Euro seien ebenfalls 34,37 Euro. Im August und September 2009 habe die Bruttokaltmiete ebenfalls jeweils 405 Euro betragen, davon habe der Beklagte wiederum jeweils 345,13 Euro übernommen. Der angemessene Höchstwert von 418 Euro nach dem WoGG plus Zuschlag liege über den tatsächlichen Aufwendungen, sodass pro Monat nur die Differenz zwischen 405 Euro und 345,13 Euro, also 59,87 Euro vom Beklagten noch zu zahlen seien.

7

Hinsichtlich der getrennt zu berechnenden Heizkosten sei, da ein kommunaler Heizspiegel nicht vorliege, vom bundesweiten Heizspiegel auszugehen. Für das Abrechnungsjahr 2008 ergebe sich bei einer Gasheizung und einer Wohnanlage mit insgesamt ca 710 m² zu beheizender Fläche, wie bei den Klägern, als Grenze der angemessenen Kosten 15,20 Euro je Quadratmeter Wohnfläche und Jahr, umgerechnet auf 60 m² pro Monat seien dies 76 Euro (15,20 : 12 x 60). Ausgehend von den festgestellten Heizkostenvorauszahlungen der Kläger für Oktober 2008 von 80 Euro und für November 2008 von 92 Euro verblieben nach der Kürzung um die Kosten der Warmwasserbereitung von 10,13 Euro (6,33 Euro für die Klägerin zu 1 und 3,80 Euro für den Kläger zu 2) für Oktober 2008 Heizkosten von 69,67 Euro und für November 2008 von 81,87 Euro. Nach Abzug der vom Beklagten tatsächlich gezahlten 59,87 Euro ergebe sich für Oktober ein Restanspruch von 10 Euro und für November von 16,13 Euro, weil für diesen Monat nicht auf die Vorauszahlung, sondern die Grenze der angemessenen Heizkosten von 76 Euro abzustellen sei. Für August und September 2009 ergebe sich nach dem bundesweiten Heizspiegel für das Abrechnungsjahr 2009 ein angemessener Betrag von maximal 74 Euro. Die monatliche Heizkostenvorauszahlung der Kläger von 92 Euro liege auch nach Abzug der Kosten der Warmwasserbereitung von 11 Euro über diesem Grenzbetrag, sodass der Beklagte nur die Differenz zwischen seiner tatsächlichen Zahlung von 59,87 Euro und der Angemessenheitsgrenze von 74 Euro zu übernehmen habe, also 14,13 Euro pro Monat. Die Addition der monatlichen Nachzahlbeträge für die Unterkunft und die Heizung ergebe die tenorierten Beträge, im Übrigen sei die Klage abzuweisen.

8

Mit der vom SG zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 22 SGB II und machen insbesondere geltend: Es sei keine ordnungsgemäße Kostensenkungsaufforderung erfolgt, der Beklagte sei von einer unzutreffenden Wohnfläche ausgegangen, da nicht von 60 m², sondern aufgrund von Sonderregelungen für Behinderte und Alleinerziehende in der Thüringer Verwaltungsvorschrift von 75 m² für die Bedarfsgemeinschaft der Kläger auszugehen sei. Hätte das SG diese erhöhte Wohnfläche seiner Entscheidung zugrunde gelegt, hätte es die Aufwendungen der Kläger für Unterkunft und Heizung dem Beklagten in voller Höhe auferlegen müssen. Die Berechnung der Heizkosten sei unzutreffend, weil der Heizkostenspiegel nach Aussage seiner Verfasser kein geeignetes Instrument für die Einzelfallentscheidung nach dem SGB II sei.

9

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Dezember 2011 zu ändern,

1. die Bescheide des Beklagten vom 29. Juli 2008, 17. September 2008, 6. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2009 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 17,50 Euro für Oktober 2008 und in Höhe von 31,37 Euro für November 2008 zu zahlen sowie

2. die Bescheide des Beklagten vom 24. März 2009, 31. März 2009, 6. Juni 2009, 14. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2009 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils 7 Euro monatlich für August und September 2009 zu zahlen.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Sprungrevision der Kläger ist zum Teil begründet und das Urteil des SG vom 14.12.2011 ist zu ändern. Unter Änderung der entsprechenden Bescheide ist der Beklagte zu verurteilen, den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 17,50 Euro für Oktober 2008 (dazu 3.) und von jeweils 7 Euro monatlich für August und September 2009 (dazu 4.) zu zahlen. Hinsichtlich der begehrten weiteren Leistungen für Unterkunft und Heizung für November 2008 ist der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen (dazu 5.).

12

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist neben der Änderung der angefochtenen Vorentscheidungen das Begehren der allein die Revision führenden Kläger auf vollständige Übernahme ihrer tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in den strittigen Monaten.

13

Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Die Beschränkung des Streitgegenstandes in materiell-rechtlicher Hinsicht allein auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung ist zulässig (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18). Hieran hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453; im Folgenden: SGB II nF) zumindest für laufende Verfahren nichts geändert (BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

14

2. Rechtsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung sind § 19 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 1, Abs 3, § 22 Abs 1, § 28 SGB II. Die Grundvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, erfüllte die Klägerin zu 1 in den streitigen Zeiträumen von Oktober bis November 2008 und August bis September 2009 nach den Feststellungen des SG. Anhaltspunkte für einen Ausschlusstatbestand sind nicht zu erkennen (vgl § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4, 5 SGB II). Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2, ihr in ihrem Haushalt lebender 2002 geborener Sohn, der seine Bedarfe nicht aus eigenem Einkommen decken kann, bilden eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 Nr 1, 4 SGB II).

15

Zu den im Rahmen des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes zu erbringenden Leistungen gehören auch solche für die Unterkunft und Heizung, die in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 Satz 3 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706).

16

3. Für den Oktober 2008 ist der Beklagte unter Änderung seiner Bescheide vom 29.7.2008, 17.9.2008, 6.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.2.2009 zu verurteilen, den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 17,50 Euro für Oktober 2008 zu zahlen. Dieser Betrag folgt aus ihren tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung von 477 Euro (Grundmiete 322 Euro, Vorauszahlungen für sonstige Nebenkosten von 22 Euro, Kaltwasser von 53 Euro und Heizkosten 80 Euro), abzüglich den vom Beklagten bewilligten 405 Euro und den vom SG zugesprochenen weiteren 44,37 Euro sowie den Kosten der Warmwasserbereitung von 10,13 Euro (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) (477 - 405 - 44,37 - 10,13 = 17,50).

17

Die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für die Unterkunft und Heizung im Oktober 2008 sind der Berechnung ihrer Leistungen zugrunde zu legen, weil G erst Ende April 2008 - also keine sechs Monate vorher - aus der gemeinsamen und von den Klägern weiterhin bewohnten Wohnung ausgezogen ist; die Höhe der abstrakt oder konkret angemessenen Aufwendungen ist insofern nicht entscheidungserheblich.

18

Die Regelung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II, nach der unangemessene Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung als Bedarf solange - in der Regel jedoch längstens für sechs Monate - zu berücksichtigen sind, wie es nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, die Aufwendungen zu senken, greift auch bei Änderungen in der Bewohnerzahl, wie zB dem Auszug eines Mitbewohners.

19

§ 22 SGB II über die Leistungen für Unterkunft und Heizung knüpft an die einschlägigen sozialhilferechtlichen Vorschriften im Bundesozialhilfegesetz (BSHG) an (BT-Drucks 15/1516 S 57). Diese enthielten ebenfalls eine derartige "Zumutbarkeitsregelung" (so zB BVerwG vom 30.5.1996 - 5 C 14/95 - BVerwGE 101, 194, Juris RdNr 16 ff) zur Übernahme von unangemessenen Kosten der Unterkunft, nicht aber eine Sechs-Monatsgrenze (vgl § 3 Abs 1 DVO zu § 12 BSHG). Die in Rechtsprechung und Literatur vertretene Länge der Frist für die Übernahme unangemessener Kosten schwankte je nach Einzelfall und reichte bis zu neun Monaten (vgl OVG Hamburg vom 13.7.1993 - Bs IV 142/93: 4 Monate nach Auszug des Ehepartners; OVG Lüneburg vom 28.9.1994 - 4 L 5583/93 - info also 1995, 166, Juris RdNr 43: 6 Monate; Hofmann in LPK-BSHG, 5. Aufl 1998, § 12 RdNr 31: 6 Monate; Wenzel in Fichtner, BSHG, 2. Aufl 2003, § 12 RdNr 13 mwN: 6 bis 9 Monate). Die Regelung soll bezwecken, dass eine leistungsberechtigte Person nicht sofort zB bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit gezwungen ist, ihre bisherige Wohnung aufzugeben (so zum BSHG: BVerwG vom 30.5.1996 - 5 C 14/95, aaO; zum SGB II: BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 23). Dieser Zweck greift ebenso, wenn aus einer Haushaltsgemeinschaft eine Person auszieht und der Unterkunftsbedarf für die verbliebene(n) Person(en) unangemessen hoch ist.

20

Wie auch unter dem BSHG ist der Erhalt einer größeren Wohnung mit Hilfe von Leistungen nach dem SGB II zeitlich nicht unbegrenzt schutzwürdig, vielmehr ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut mit der Wendung "in der Regel jedoch längstens für sechs Monate" eine im Regelfall bestehende Grenze. Dementsprechend hat der Senat, wenn der auswärtige Aufenthalt eines Partners im Vorhinein auf unter sechs Monate beschränkt ist, eine Umzugs-Obliegenheit für den verbliebenen Partner der Bedarfsgemeinschaft verneint (BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 23). Auch nach der Literatur zu § 22 SGB II können Änderungen in der Bewohnerzahl die Übernahme von abstrakt unangemessenen Kosten für eine Übergangszeit rechtfertigen, als angemessener Zeitraum zB nach Auszug eines Mitbewohners zur entsprechenden Neuorientierung werden bis zu sechs Monate angesehen(Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 138). Die Sechs-Monatsfrist ist jedoch kein starrer Zeitraum, vielmehr sind Abweichungen nach oben und nach unten zulässig (Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 12/2012, § 22 RdNr 78), wie schon dem Wortlaut der Norm zu entnehmen ist.

21

Gründe für ein Abweichen von dieser Sechs-Monatsfrist sind vorliegend jedoch weder von Amts wegen zu erkennen, noch von einem Beteiligten geltend gemacht worden. Angesichts des Auszugs des G Ende April 2008 lief die Frist erst Ende Oktober 2008 ab und die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für Unterkunft und Heizung für diesen Monat sind zu erbringen.

22

4. Für August und September 2009 ist der Beklagte unter Änderung seiner Bescheide vom 24.3.2009, 31.3.2009, 6.6.2009, 14.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.7.2009 zu verurteilen, den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils 7 Euro monatlich zu zahlen. Dieser Betrag folgt aus ihren tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung pro Monat von 497 Euro (Grundmiete 322 Euro, Vorauszahlungen für sonstige Nebenkosten von 22 Euro, Kaltwasser von 61 Euro und Heizkosten 92 Euro), abzüglich den vom Beklagten bewilligten 405 Euro und den vom SG zugesprochenen weiteren 74 Euro sowie den Kosten der Warmwasserbereitung von 11 Euro (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) (497 - 405 - 74 - 11 = 7).

23

Der Berechnung der Leistungen sind - aus den zuvor aufgezeigten Gründen - die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für die Unterkunft und Heizung im August und September 2009 zugrunde zu legen, weil G nach seinem zwischenzeitlichen Wiedereinzug ab 1.12.2008 zum 1.5.2009 wieder aus der gemeinsamen und von den Klägern weiterhin bewohnten Wohnung ausgezogen ist und die Sechs-Monatsfrist ab diesem Auszug noch lief.

24

5. Für November 2008 mangelt es an ausreichenden Feststellungen des SG zur Beurteilung, ob den Klägern die beantragten weiteren 31,37 Euro Leistungen für Unterkunft (dafür 25,50 Euro) und Heizung (dafür 5,87 Euro) zustehen. Insoweit ist der Rechtsstreit zurückzuverweisen.

25

Zur Bestimmung der Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, die getrennt zu prüfen sind, auch wenn sie keine eigenständigen Streitgegenstände sind, ist zunächst der jeweils abstrakt angemessene Bedarf unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln. Liegen die tatsächlichen Aufwendungen der leistungsberechtigten Person über diesem Betrag, ist der konkret angemessene Bedarf zu prüfen, einschließlich der Zumutbarkeit einer Kostensenkung und der Durchführung eines Kostensenkungsverfahrens seitens des beklagten Jobcenters (vgl ua BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19 ff; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 12 ff; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 20 ff).

26

Ob als Leistung für die Unterkunft weitere 25,50 Euro zuzusprechen sind, weil das SG nur 379,50 Euro berücksichtigt hat und die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für die Bruttokaltmiete 405 Euro betrugen (Grundmiete von 322 Euro, sonstige Nebenkosten von 22 Euro, Kaltwasserkosten von 61 Euro), kann nicht abschließend beurteilt werden. Zwar hat das SG den abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarf der Kläger zu Recht mit 379,50 Euro bestimmt, jedoch hat es keine Feststellungen dazu getroffen, dass dieser Betrag auch konkret angemessen ist.

27

a) Bei der Ermittlung des abstrakt angemessenen Bedarfs für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen und unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro m² Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums zu zahlen ist. Zu der so ermittelten Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen (vgl BSG aaO). Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben für die Zeit vor dem 1.1.2009 durch die Tabellenwerte der rechten Spalte zu § 8 WoGG aF plus einem Sicherheitszuschlag von 10 % (vgl nur BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff mwN).

28

Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für die Kläger beträgt 60 m². Dass die abstrakte angemessene Wohnungsgröße für Zweipersonenhaushalte in der strittigen Zeit in Thüringen 60 m² waren, hat das SG unter Hinweis auf die "Richtlinie für die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus in besonderen Gebietskulissen zur Innenstadtstabilisierung im Freistaat Thüringen für das Programmjahr 2008" vom 1.4.2008 als auch der als landesrechtliche Ausführungsbestimmung des Freistaates Thüringen nach § 10 Wohnungsförderungsgesetz ergangenen "Verwaltungsvorschrift zum Vollzug der Bindungen geförderter Wohnungen"(Thüringer Staatsanzeiger 2004, 1669) in der Fassung der Änderung vom 7.11.2008 (Thüringer Staatsanzeiger 2008, 1901) zutreffend festgestellt.

29

Entgegen dem Vorbringen der Revision ist die abstrakt angemessene Wohnungsgröße weder wegen der Alleinerziehung der Klägerin zu 1 noch wegen der Behinderung des Klägers zu 2 zu erhöhen, wie der Senat in seinem Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 19 ff ausführlich begründet hat. Gründe, von dieser Auffassung abzuweichen, sind im vorliegenden Verfahren nicht vorgebracht worden oder zu erkennen.

30

Aufgrund eines örtlichen Vergleichsraums - ausgehend vom Wohnort der Kläger und dem Saale-Holzland-Kreis als Zuständigkeitsbezirk des Beklagten - hat das SG zu Recht ein schlüssiges Konzept des Beklagten und die Möglichkeit entsprechender Nachermittlungen verneint.

31

Überlegungen zur Bestimmung eines maßgeblichen örtlichen Vergleichsraums hat der Beklagte nach den Feststellungen des SG keine angestellt, obwohl dies die logische Voraussetzung zur Entwicklung eines schlüssigen Konzepts ist. Das SG hat zwar seinerseits ebenfalls keinen Vergleichsraum ausdrücklich festgelegt, es hat die Antwort auf diese Frage aber im Unterschied zu den Vorinstanzen in den Urteilen des 4. Senats des BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17 und des erkennenden Senats vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - nicht dahinstehen lassen, sondern hat seinen weiteren Überlegungen insbesondere bei der Anwendung des WoGG ausgehend vom Wohnort der Kläger den Zuständigkeitsbereich des Beklagten und damit den Saale-Holzland-Kreis zugrunde gelegt. Es hat damit der Anforderung, dass nur ausgehend von einem bestimmten örtlichen Vergleichsraum ein schlüssiges Konzept aufgestellt und überprüft werden sowie bei dessen Nichtvorliegen nur bezogen auf einen bestimmten örtlichen Vergleichsraum eine Entscheidung aufgrund des WoGG erfolgen kann, noch ausreichend Rechnung getragen.

32

Zutreffenderweise hat das SG des Weiteren ein schlüssiges Konzept (vgl dazu insbesondere BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30)des Beklagten zur Bestimmung der Netto-Kaltmiete und die Möglichkeit, ein solches aufgrund von Beweiserhebungen seitens des Gerichts zu ermitteln, verneint. Die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts ist im Wesentlichen eine Aufgabe des beklagten Grundsicherungsträgers, und insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume müssen seitens der Gerichte keine unverhältnismäßig aufwändigen Ermittlungen durchgeführt werden, was sie aber andererseits nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu entbindet, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten für den maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nicht entwickelt werden kann (vgl nur BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 mwN).

33

Das SG hat ausführlich begründet, wieso die vom Beklagten seiner Entscheidung zugrunde gelegten Unterkunftsrichtlinie und Überarbeitungshinweise nicht die Voraussetzungen für ein schlüssiges Konzept erfüllen, dass es den Beklagten erfolglos um ergänzende Angaben gebeten habe und auch eigene Ermittlungen keinen Erfolg gezeigte hätten. Dem sind die Beteiligten im Laufe des Revisionsverfahrens nicht entgegengetreten.

34

Daran anschließend hat das SG den abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarf der Kläger nach § 8 WoGG und einem Sicherheitszuschlag von 10 % entgegen der Auffassung der Revision mit 379,50 Euro zutreffend ermittelt, weil der Wohnort der Kläger K und der gesamte Saale-Holzland-Kreis mit Ausnahme der sehr weit von K wegliegenden Kreisstadt E der Mietstufe 2 zugeordnet sind.

35

Soweit die Revision meint, schon für November 2008 sei auf das WoGG nF, das erst am 1.1.2009 in Kraft getreten ist, abzustellen, ist dafür keine Begründung zu erkennen.

36

b) Hinsichtlich der konkreten Angemessenheit enthält das Urteil des SG keine weitergehenden Ausführungen und keine speziellen Feststellungen, aufgrund deren die konkrete Angemessenheit des abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs von 379,50 Euro bejaht werden kann.

37

Angesichts des Alters des Klägers zu 2 von sechs Jahren im strittigen November 2008 und seiner schweren Behinderung sowie der Alleinerziehung der Klägerin zu 1 sind hierzu jedoch Feststellungen notwendig. Gegen die konkrete Angemessenheit des niedrigeren, abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs und die Zumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen können Gründe sprechen, die auch einem Umzug entgegenstehen wie Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, Rücksichtnahme auf schulpflichtige Kinder, Alleinerziehung (BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 33 ff; BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 33; BSG vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 30 f). Solche Gründe sind vorliegend gegeben und müssen im Hinblick auf die konkrete Angemessenheit näher geprüft werden.

38

6. Für das wiedereröffnete Verfahren vor dem SG ist auf Folgendes hinzuweisen:

39

a) Soweit die Revision das Vorliegen einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung in Frage stellt, kann dem nicht gefolgt werden, weil die Revision sich allein auf die zugrunde gelegte Wohnfläche von 60 m² bezieht, die nach dem oben Gesagten nicht zu beanstanden ist.

40

Ob die dem Bescheid vom 20.2.2006 seitens des Beklagten als Anlage beigefügte Belehrung über "Rechtsfolgen im Falle unangemessener Aufwendungen für Unterkunft und/oder Heizung" und die Mitteilung, den Klägern stände eine Kaltmiete einschließlich kalter Betriebskosten von 345 Euro plus Heizkosten und Warmwasserbereitung von 60 Euro, insgesamt also 405 Euro zu, den Anforderungen an eine wirksame Kostensenkungsaufforderung allgemein und für den November 2008 insbesondere genügt, kann mangels weiterer Feststellungen des SG nicht beurteilt werden.

41

Aus dem bloßen Zeitablauf kann wohl nichts hergeleitet werden, weil der Beklagte die Leistungsberechnung für die Kläger ab September 2006 nach dem als angemessen angesehenen Betrag von 405 Euro für Unterkunft und Heizung vorgenommen hat. Der Beklagte hat erkennbar gemacht, dass er an der Kostensenkungsaufforderung festhält. Hinsichtlich der Höhe der mitgeteilten Beträge bestehen keine Bedenken, weil die 345 Euro Bruttokaltmiete dem maßgeblichen Betrag aus der WoGG-Tabelle entsprechen und damit nicht offensichtlich unzureichend sind, um in K und Umgebung eine Wohnung zu finden

42

b) Ob die Kläger Anspruch auf den geltend gemachten weiteren Heizkostenbedarf von 5,87 Euro über den nach Auffassung des SG zu berücksichtigenden Bedarf von 76 Euro hinaus haben, kann ebenfalls nicht abschließend entschieden werden.

43

Zu Recht hat das SG zur Bestimmung des abstrakt angemessenen Heizkostenbedarfs, weil es vorliegend keinen kommunalen Heizspiegel gibt, den bundesweiten von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund und gefördert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit erstellten Heizkostenspiegel und dessen rechte Spalte mit "zu hohen Kosten" zugrunde gelegt (vgl nur BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 23 mwN). Das SG hat den bundesweiten Heizkostenspiegel für den November 2008 auch zutreffend angewandt und für eine abstrakt angemessene Wohlfläche von 60 m², die in einem Gebäude mit einer gasbeheizten Wohnfläche von ca 710 m² liegt, einen Betrag von 76 Euro zutreffend errechnet (äußerst rechte Spalte mit 15,20 Euro je m² und Jahr, dividiert durch 12 multipliziert mit 60).

44

Ähnlich wie bei dem Unterkunftsbedarf sind seinem Urteil jedoch keine Feststellungen zur konkreten Angemessenheit dieses Wertes zu entnehmen, obwohl sie angesichts der festgestellten Besonderheiten angezeigt gewesen wären.

45

Das SG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 2012 aufgehoben und der Rechtstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem SGB II in der Zeit vom 1.3.2008 bis 31.7.2008.

2

Der 1950 geborene Kläger bewohnte eine ca 76 qm große Wohnung, für die ihm aufgrund eines Vertrags mit der S GmbH ab 1.1.2008 Kosten in Höhe von 611,24 Euro monatlich entstanden sind (Grundmiete in Höhe von 432,28 Euro abzgl eines Verzichts der Vermieterin in Höhe von 45,14 Euro, Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 122 Euro, Kabelanschlusskosten in Höhe von 12,10 Euro, monatliche Abschlagszahlungen für Frischwasser, Entwässerung, Heizung und Warmwasser in Höhe von 90 Euro). Er bezog ab 1.8.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Nachdem der Beklagte unter Berücksichtigung eines zunächst bestehenden Untermietverhältnisses die tatsächlich geringeren Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen hatte, teilte er dem Kläger mit Schreiben vom 18.9.2007 mit, dass dieser sich um eine Kostensenkung bemühen müsse, weil seine Wohnung unter Berücksichtigung des örtlichen Mietpreisniveaus die angemessene Mietgrenze von 428,85 Euro (Kaltmiete zzgl Nebenkosten) um 101,57 Euro überschreite. Ab 1.3.2008 würden nur noch die angemessenen Unterkunftskosten anerkannt. Entsprechend wurden für den streitigen Zeitraum nur noch die von dem Beklagten für angemessen gehaltenen KdU in Höhe von 479,28 Euro für eine 45-qm-Wohnung gezahlt (Bescheid vom 13.2.2008; Widerspruchsbescheid vom 28.5.2008).

3

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 19.9.2011). Es hat dahinstehen lassen, ob die Ermittlung des vom Beklagten zugrunde gelegten Quadratmeterpreises für den Vergleichsraum Münster den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept entspreche. Nach eigenen, auf dem Mietspiegel für Münster für das Jahr 2007 beruhenden Berechnungen sei ein qm-Preis von lediglich 7,21 Euro (= 324,45 Euro für 45 qm) angemessen. Zudem ergebe sich die Angemessenheit des Quadratmeterpreises aus einem Vergleich mit den Werten der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung.

4

Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 20.6.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, Streitgegenstand seien lediglich Ansprüche auf KdU, weil der Kläger den Streitstoff zulässig bereits mit der Klage hierauf beschränkt habe. Die von dem Beklagten anstelle der tatsächlichen Kosten als angemessen festgesetzten Aufwendungen in Höhe von 428,85 Euro (Bruttokaltmiete) seien nicht als zu gering zu beanstanden. Der Senat lasse dahinstehen, ob die Ermittlungen des Beklagten den Anforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept genügten. Ebenfalls könne offen bleiben, ob eine eigene Berechnung des SG eine ausreichende Beurteilungsgrundlage bilde, wenn der Leistungsträger dieses Berechnungsmodell nicht als "eigenes schlüssiges Konzept" annehme. Der Kläger habe auch dann keinen Anspruch auf höhere KdU-Leistungen, wenn ein schlüssiges Konzept zu verneinen wäre und dem Beklagten die Nachreichung eines solchen Konzepts im Prozess nicht gelinge. Insofern habe das SG in seinen ergänzenden Überlegungen zutreffend darauf hingewiesen, dass die angemessene Miete in diesen Fällen durch die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes begrenzt werde. Für Zeiträume bis 31.12.2008 sei danach der Höchstbetrag der rechten Spalte in § 8 WoGG aF, ggf durch einen Sicherheitszuschlag maßvoll erhöht, heranzuziehen. Der für den Kläger als alleiniges Haushaltsmitglied bei der für Münster geltenden Mietenstufe IV heranzuziehende Wert in § 8 WoGG betrage 325 Euro und liege bei zusätzlicher Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags von 10 % bei 357,50 Euro. Da die mit 428,85 Euro festgesetzten Beträge der Bruttokaltmiete weit über diesen Grenzen lägen, seien die im streitigen Zeitraum gewährten Leistungen keineswegs zu niedrig.

5

Mit seiner vom BSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, der Beklagte habe kein schlüssiges Konzept für die Bewertung der Angemessenheit der KdU angewandt. Das erstinstanzliche Gericht habe deutlich gemacht, dass das von dem Beklagten herangezogene "Konzept zur Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft in den Leistungskreisen SGB II und SGB XII", Stand Mai 2011, keine Anwendung finden könne, weil die zugrunde liegenden Daten erst nach dem streitigen Bewilligungszeitraum erhoben worden seien. Auch die vom SG durchgeführte Berechnung auf der Grundlage des Mietspiegels aus dem Jahr 2007 erscheine fehlerhaft. Entgegen der Rechtsprechung des BSG habe das LSG weder das von dem Beklagten vorgelegte Konzept noch die Berechnung des erstinstanzlichen Gerichts auf seine Schlüssigkeit überprüft. Vielmehr habe es sich trotz der Möglichkeit der Verschaffung einer zuverlässigen Entscheidungsgrundlage auf den Tabellenwert des WoGG gestützt. Insofern beruhe das Berufungsurteil auf einer Abweichung zu der Rechtsprechung des BSG.

6

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 2012 und des Sozialgerichts Münster vom 19. September 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 13. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2008 zu verurteilen, weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der Differenz zwischen den tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung und den bisher von ihm bewilligten Leistungen zu erbringen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Der Beklagte macht geltend, das SG sei gerade nicht von den "unteren Werten" des Mietspiegels ausgegangen, weil das erstinstanzliche Gericht sowohl den Mietspiegel als auch die Dokumentation zum Mietspiegel herangezogen habe. Aufgrund von eigenen Berechnungen, bei denen bei Ein-Personen-Haushalten auf die Basismiete der Baualtersklasse ab 1992 abgestellt worden sei, errechne sich unter Berücksichtigung des gewichteten arithmetischen Mittels ein angemessener Quadratmeterpreis von 7,21 Euro. Er habe eine höhere Grundmiete berücksichtigt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

10

Streitgegenstand sind höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.3.2008 bis 31.7.2008 als der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 13.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.5.2008 festgelegt hat. Der Kläger hat den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Bei diesen handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids (stRspr seit BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; BSGE 110, 52 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

11

Zwar ist der Kläger Berechtigter iS des § 7 Abs 1 SGB II, weil er im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht hatte(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II) und dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des LSG zu entnehmen ist, dass er erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II) war sowie auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Ob der Kläger in dem streitigen Zeitraum vom 1.3.2008 bis 31.7.2008 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen konnte, kann der Senat schon deshalb nicht abschließend beurteilen, weil tatsächliche Feststellungen des LSG zur Festlegung der angemessenen Unterkunftskosten fehlen (§ 163 SGG).

12

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; vgl zuletzt Urteil des Senats vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 19 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

13

Zwar reichen die Feststellungen des LSG zur angemessenen Wohnfläche im hier streitigen Zeitraum und zum maßgeblichen Vergleichsraum, nicht jedoch diejenigen zum Fehlen eines tragfähigen schlüssigen Konzepts des Beklagten und zum Erkenntnisausfall bei der Ermittlung der Höhe der angemessenen Unterkunftskosten. Nach seinen rechtlichen Ausführungen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass bereits dann auf die Werte des WoGG zurückgegriffen werden kann, wenn der von dem Grundsicherungsträger berücksichtigte Wert für die Grundmiete und die Betriebskosten über den Beträgen nach § 8 WoGG liegt. Von diesem rechtlichen Standpunkt hat das LSG keine eigenen Feststellungen zum schlüssigen Konzept des Beklagten für die Stadt Münster vorgenommen und sich auch nicht - etwa durch Bezugnahme auf die Feststellungen und Wertungen des SG - dessen Überlegungen zu eigen gemacht. Anders als das SG, das die von dem Beklagten als angemessen angesehenen Werte durch eigene Berechnungen für Münster anhand eigener Berechnungen nach dem Mietspiegel verifiziert hat, hat das Berufungsgericht ausdrücklich keine eigene Prüfung vorgenommen. Für eine Überprüfung des Anspruchs durch das BSG fehlt es aus diesem Grund an den notwendig im Berufungsurteil zu treffenden Feststellungen (§ 163 SGG).

14

Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben entschieden, dass ein Rückgriff auf die Werte des WoGG - zur Festlegung ausschließlich der abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft im Sinne einer Obergrenze - nur dann zulässig ist, wenn nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen Erkenntnismöglichkeiten und -mittel zur Festlegung der von dem SGB II-Träger zu tragenden angemessenen Aufwendungen der Unterkunft nach einem schlüssigen Konzept nicht mehr vorhanden sind. Zwar hat der erkennende Senat für den Fall des Ausfalls von lokalen Erkenntnismöglichkeiten aufgrund von fehlenden Ermittlungen des Grundsicherungsträgers eine Begrenzung der Amtsermittlungspflicht der Sozialgerichte für zulässig erachtet und ausdrücklich betont, dass es im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger sei, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu ermitteln (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 23; BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 26; BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 21). Insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume brauchen deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden (zum Fehlen von Ermittlungsmöglichkeiten, etwa durch Zeitablauf BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 27 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16). Dies entbindet jedoch nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht (mehr) entwickelt werden kann (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16; vgl auch Urteile des 14. Senats des BSG vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - RdNr 22 ff und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 67 RdNr 32 f).

15

Erst wenn Feststellungen zu den abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II nicht mehr möglich sind, kann ein Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle erfolgen. Wegen der dann nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei § 8 WoGG auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" von 10 vH einzubeziehen(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27 im Anschluss an BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff). Dieses Vorgehen mit dem Ausschluss eines unmittelbaren Rückgriffs auf die Werte der Wohngeldtabelle berücksichtigt die in § 22 Abs 1 S 1 SGB II festgelegte Verpflichtung des Grundsicherungsträgers, die tatsächlich angemessenen Kosten zu übernehmen und dient der Sicherstellung des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf bedarfsdeckende Leistungen im Bereich des Wohnens. Anders als bei den pauschalierten Regelbedarfen lässt sich der Gesetzgeber bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, dass zur Bestimmung der Leistungshöhe auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen ist. Allerdings sind die Leistungen nicht in beliebiger Höhe zu erbringen, sondern nur insoweit, als die tatsächlichen Aufwendungen für Miete und Heizung angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung (vgl nur Urteil des Senats vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 18 ff mwN zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Zwar spricht hier viel dafür, dass die Miete des Klägers in dem streitigen Zeitraum - insbesondere wegen der Wohnungsgröße - die Schwelle der abstrakten Angemessenheit überschritten hat. Andererseits liegen bereits die von dem Beklagten übernommenen Beträge über denjenigen der Tabellenwerte nach § 8 WoGG zuzüglich des "Sicherheitszuschlags" von 10 vH. Unabhängig von den vorstehenden Grundsätzen bei der Ermittlung der abstrakt angemessenen KdU kann auch aus diesem Grund nicht ausgeschlossen werden, dass sich auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts, falls ein solches noch - in erster Linie von dem Beklagten - erstellt werden kann, höhere, an den Mieten im Vergleichsraum orientierte Werte ergeben.

16

Der Senat folgt dem Berufungsgericht darin, dass nicht bereits die Kostensenkungsaufforderung des Beklagten zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit einer Kostensenkung führt. Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706). Der Beklagte hat den Kläger mit dem Schreiben vom 18.9.2007 durch Angabe der aus seiner Sicht angemessenen Mietobergrenze von 428,85 Euro sowie über die bestehende Rechtslage hinreichend informiert. Dies ist ausreichend. Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits entschieden haben, stellt § 22 Abs 1 S 3 SGB II keine über eine Aufklärungs- und Warnfunktion hinausgehenden Anforderungen(BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 29; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 20 ff; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 40; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Der Streit darüber, ob die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage zu klären, welche Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II abstrakt angemessen sind(BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr 34; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 19). Das LSG hat für den Senat bindend festgestellt, dass die gesundheitlichen Leiden des Klägers einer Kostenminderung, insbesondere durch einen Umzug, in dem hier streitigen Zeitraum nicht entgegenstanden.

17

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2009 bis 30.6.2010.

2

Der im Jahr 1947 geborene, zunächst selbständige Kläger mietete zum 1.12.2008 eine Wohnung mit einer Größe von 75 qm in A./Landkreis R. an. Hierfür entrichtete er monatlich eine Grundmiete in Höhe von 380 Euro zzgl einer Vorauszahlung auf Betriebskosten in Höhe von 80 Euro.

3

Nach einem Herzinfarkt meldete er sein Gewerbe zum 31.12.2008 ab und beantragte am 8.1.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

4

Der Beklagte, der zum 1.1.2012 Optionskommune nach § 6a Abs 2 SGB II geworden ist, bewilligte dem Kläger ab dem 30.12.2008 Kosten für Unterkunft und Heizung, zunächst bis 31.7.2009 in Höhe von monatlich 470,77 Euro auf Grundlage der tatsächlichen Grundmiete in Höhe von 380 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 66,81 Euro. Ab 1.8.2009 bewilligte er monatlich einen Betrag in Höhe von 335,77 Euro, wobei er unter Beibehaltung der anderen Beträge nur noch eine Grundmiete von 245 Euro anerkannte (Bescheid vom 21.1.2009). Im Zuge der Bewilligung ab 30.12.2008 forderte der Beklagte den Kläger zudem auf, die Unterkunftskosten zu senken. Die Kaltmiete von 380 Euro würde um 135 Euro über den angemessenen Mietkosten liegen. Nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten könne der Beklagte ab 1.8.2009 nur noch die angemessene Kaltmiete von 245 Euro zzgl Nebenkosten anerkennen (Schreiben vom 21.1.2009).

5

Die Leistungsbewilligung wurde mehrfach geändert, zuletzt wurden dem Kläger für Dezember 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer Kaltmiete von 245 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 61,75 Euro bewilligt (Änderungsbescheide vom 7.4.2009, 10.8.2009, 16.11.2009). Für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger Kosten für Unterkunft und Heizung in derselben Höhe (Bescheid vom 10.12.2009).

6

Der Beklagte wies die gegen die Bewilligung für Dezember 2009 und für den Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2010 eingelegten Widersprüche als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 6.4.2010).

7

Während des Verfahrens vor dem SG reduzierte der Beklagte die Bewilligung ab 1.6.2010 um verringerte kalte Nebenkosten und stellte die Leistungen ab 1.7.2010 ein, nachdem der Kläger zu diesem Zeitpunkt aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten verzogen war (Änderungsbescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010).

8

Das SG hat den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 weitere Kosten der Unterkunft bis zu einem Betrag von 338,80 Euro monatlich zzgl Heizkosten zu gewähren. Im Übrigen hat es die auf die Übernahme der tatsächlichen Kosten gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 22.11.2011). Die vom Beklagten zugrunde gelegte Mietobergrenze sei unzutreffend, da der Beklagte nicht über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Mietkosten im Sinne der Rechtsprechung des BSG verfüge. Da es mangels hinreichender Datenbasis nicht mehr möglich sei, die angemessene Kaltmiete für die streitige Zeit zu ermitteln, seien die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen, begrenzt auf die Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) und der Wohngeldverordnung (WoGV) einschließlich eines Zuschlags von 10 %. Dies führe beim Kläger zu einer Referenzmiete von 338,80 Euro.

9

Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 31.5.2010 monatlich weitere 69,84 Euro und für den Monat Juni 2010 weitere 71,64 Euro zu gewähren (Urteil vom 7.11.2012). Der Tenor der angefochtenen Entscheidung sei ohne inhaltliche Änderung lediglich zur Klarstellung neu gefasst worden; das SG habe in seiner Entscheidung die Heizkosten mit monatlich 61,75 Euro berücksichtigt, es habe damit im Ergebnis eine Leistung für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 400,55 Euro zugesprochen. Zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung habe der Beklagte zunächst als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 45 qm zugrunde gelegt. Der Beklagte habe als Vergleichsraum den Bereich der Region W., L. und A. mit ca 75 000 Einwohnern herangezogen. Für diesen sei jedoch in der Anlage zum Mietpreisspiegel keine einheitliche angemessene Mietobergrenze vorgesehen. Ob von dem Erfordernis eines einheitlichen Wertes der angemessenen Miete in Bereichen des ländlichen Raumes abgewichen und Vergleichsräume mit nach Gemeinden differenzierten Mietobergrenzen gebildet werden dürften, könne dahingestellt bleiben, da jedenfalls dem vom Beklagten im streitigen Zeitraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde gelegen habe. Die für einen Mietspiegel erforderliche statistisch aufgearbeitete Zusammenstellung der vorkommenden Mieten läge dem Mietpreisspiegel nicht zugrunde. Grundlage sei das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Feststellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen von den Mietpreisen bei Neuabschlüssen. Von den beteiligten Gemeinden seien keine Erhebungen durchgeführt worden. Der Mietpreisspiegel sei mangels Nachprüfbarkeit nicht ausreichend für die Begründung eines schlüssigen Konzepts. Darüber hinaus sei die Gemeinde A., in welcher der Kläger gewohnt habe, in Tabelle 4 des Mietpreisspiegels 2009, in welcher die jeweiligen Ortszu- bzw -abschläge bezogen auf das Referenzniveau der Stadt W. aufgelistet seien, nicht aufgeführt. Es sei damit nicht nachvollziehbar, wie die Mietobergrenzen für den damaligen Wohnort des Klägers ermittelt worden seien. Dem Senat sei es auch nicht mehr möglich, aufgrund eigener Ermittlungen ein schlüssiges Konzept für den streitigen Zeitraum zu erstellen, es fehle an der erforderlichen Datenbasis. Es seien damit die tatsächlichen Aufwendungen bis zur Angemessenheitsgrenze der Tabellenwerte in § 12 WoGG und ein Zuschlag von 10 % hinzuzurechnen. Es habe auch eine wirksame Kostensenkungsaufforderung vorgelegen.

10

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er folge zwar der Feststellung des LSG, dass er im vorliegenden Fall über kein schlüssiges Konzept verfüge sowie dass die Aufwendungen bis zur Höhe der Tabellenwerte aus § 12 WoGG zu übernehmen seien. Nicht gefolgt werden könne aber der Hinzurechnung eines Zuschlages von 10 %.

11

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Konstanz vom 22. November 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 insoweit aufzuheben, als Leistungen für Unterkunft und Heizung von mehr als 308 Euro monatlich zuzüglich der Heizkosten zu bewilligen sind.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Bei fehlendem schlüssigen Konzept sei sowohl nach § 8 WoGG als auch nach § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" von 10 % gerechtfertigt.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet.

15

Die Vorinstanzen haben den Beklagten zu Recht zu einer weiteren Leistungsgewährung an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 verurteilt. Der Kläger ist grundsätzlich leistungsberechtigt, sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (§§ 7, 22 SGB II).

16

1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 16.11.2009 und 10.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.4.2010, gemäß § 96 SGG in der Gestalt der Bescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010. Im Streit stehen die darin geregelten Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1.12.2009 bis 30.6.2010. Bereits der Kläger hat den Streitgegenstand durch seine Klage zum SG bezüglich der Kosten der Unterkunft und Heizung wirksam beschränkt. Die übrigen abtrennbaren Regelungsinhalte der gegenständlichen Bescheide sind nicht angegriffen worden. Zudem ist nach den Urteilen des SG und des LSG die Verurteilung zu weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 39,04 Euro (Monate Dezember 2009 bis Mai 2010) bzw 40,84 Euro (Monat Juni 2010) rechtskräftig geworden. Der Beklagte wendet sich lediglich gegen die Verurteilung zu einer Leistung von weiteren 30,80 Euro monatlich. Da der Kläger selbst keine Revision eingelegt hat, sind die gegenständlichen Bescheide bestandskräftig geworden, soweit mit diesen die Leistungen ab 1.7.2010 eingestellt sowie höhere Leistungen abgelehnt wurden.

17

Die Leistungen für Unterkunft und Heizung bilden abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert (vgl BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).

18

2. Das SG und LSG haben den Beklagten zu Recht zu einer Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer höheren Bruttokaltmiete als die vom Beklagten in Höhe von monatlich 308 Euro anerkannte verurteilt. Der Kläger erfüllt nach den Feststellungen des LSG die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 SGB II.

19

Sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Diese werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als bei der pauschalierten Regelleistung - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die tatsächlichen Kosten nicht in beliebiger Höhe erstattungsfähig, sondern nur insoweit, als sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung limitiert somit die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist, also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessene Mietobergrenze nicht überschreitet (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 14; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59). Die Angemessenheit für die Kosten der Unterkunft und die für die Kosten der Heizung sind getrennt voneinander festzustellen.

20

Auch wenn der Beklagte im Revisionsverfahren davon ausgeht, über kein schlüssiges Konzept zu verfügen und sich mit der Heranziehung der Tabellenwerte nach § 12 WoGG einverstanden erklärt, entbindet dies die Gerichte nicht davon, zunächst die angemessenen Unterkunftskosten anhand eines vorrangigen schlüssigen Konzeptes zu ermitteln(vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 17; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - RdNr 26).

21

3. Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende wie den Kläger in Baden-Württemberg 45 qm. Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376: "Wohnraumförderungsgesetz") wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen" des jeweiligen Landes. Nach den Feststellungen des LSG hat das Land Baden-Württemberg zwar keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Ein-Personen-Haushalte von einer Wohnfläche von 45 qm auszugehen. An dieser Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 22).

22

4. Die Heranziehung des Vergleichsraums, den der Beklagte zugrunde gelegt hat, ist nicht zu beanstanden. Als örtlicher Vergleichsraum ist in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgebend, ohne dass hierfür der kommunalverfassungsrechtliche Begriff der "Gemeinde" entscheidend sein muss. Bei besonders kleinen Gemeinden, etwa im ländlichen Raum, die über keinen repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen, kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen. Entscheidend ist es, für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 21; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 15). Dies ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hier der Fall. Die Festlegung des Vergleichsraums entspricht den vom Senat hierzu entwickelten Kriterien.

23

5. Dem Leistungsberechtigten muss es möglich sein, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines schlüssigen Konzeptes zu ermitteln (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17 ff). Auf Grundlage des konkreten Vergleichsraums hat das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass der Beklagte über kein eigenständiges schlüssiges Konzept verfügt (§ 163 SGG).

24

Das LSG ist sodann in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass ein schlüssiges Konzept auch nicht mehr entwickelt werden kann und es sich um einen Ausfall von lokalen Erkenntnismöglichkeiten handelt. Der erkennende Senat hat ausdrücklich betont, dass die umfassende Ermittlung der Daten sowie die Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts Angelegenheit des Grundsicherungsträgers ist und bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig ist. Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein schlüssiges Konzept auf Aufforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne ein schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen (vgl BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 21; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 25). Liegen aber keine Ermittlungsergebnisse vor, brauchen insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen nachträglich durchgeführt zu werden. Die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen ist in diesen Fällen begrenzt, sofern nachvollziehbare Darlegungen dazu erfolgen, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Der erkennende Senat hat hierzu betont, dass auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen erkennbar sein muss, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat. Erst wenn solche Feststellungen erfolgt sind, ist ein Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG zu rechtfertigen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 18; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17). Diesen Anforderungen zur Feststellung eines Erkenntnisausfalles ist das LSG gerecht geworden. Schon für die Wohnortgemeinde des Klägers liegen keinerlei nachvollziehbare Daten für die Ermittlung der Mietobergrenze vor. Im Übrigen ist Grundlage des "Mietpreisspiegels" des Beklagten das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Erstellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen.

25

6. Im Falle eines Erkenntnisausfalls zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt(stRspr, vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).

26

a) Für die bis 31.12.2008 geltende Regelung in § 8 WoGG aF ist nach der Rechtsprechung des BSG wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung zur Bestimmung der angemessenen Bruttokaltmiete(vgl § 9 Abs 1 WoGG aF) auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27 im Anschluss an BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21). Zu dem Sicherheitszuschlag hat der Senat ausgeführt, dass er im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich ist, denn beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts kann nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27). Der erkennende Senat hat zudem entschieden, dass dabei ein Zuschlag in Höhe von 10 % zu den Werten der rechten Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG aF angemessen und ausreichend ist(vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).

27

b) Die Einbeziehung eines "Sicherheitszuschlages" hat auch im Falle der Heranziehung von § 12 WoGG zu erfolgen. Die von der Rechtsprechung der zuständigen Senate für die Geltung von § 8 WoGG aF angestellten Erwägungen sind auf § 12 WoGG zu übertragen. Denn trotz der Anhebung der Tabellenwerte in § 12 WoGG im Vergleich zu den Werten aus § 8 WoGG aF hat sich nichts daran geändert, dass es sich bei der Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten anhand des WoGG nur um eine abstrakte, allein der Deckelung der zu übernehmenden Aufwendungen dienende Begrenzung handelt, die unabhängig von den konkreten Umständen im Vergleichsraum erfolgt. Denn über letztere fehlen gerade ausreichende Erkenntnisse. Der Sicherheitszuschlag ist auch im Rahmen von § 12 WoGG erforderlich, da die in § 12 WoGG festgeschriebenen Werte ebenso wenig wie die in § 8 WoGG aF den Anspruch erheben, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden(vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, § 12 RdNr 14, 65. Lfg Mai 2011). Der Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, aaO, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die nach § 11 WoGG zu berücksichtigende Miete den in § 12 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist. Beide Regelungen verfolgen damit verschiedene Ziele; auf die Werte aus § 12 WoGG ist daher nur als Berechnungsgrundlage zur Bemessung der angemessenen Miete abzustellen und dem Sinn und Zweck von § 22 Abs 1 S 1 SGB II nach mittels des "Sicherheitszuschlages" anzupassen. Aufgrund der unterschiedlichen Zweckbestimmung hat es für die Bestimmung des Zuschlages bei § 12 WoGG damit keine Bedeutung, dass mit der Wohngeldreform 2009 die Werte aus § 8 WoGG um 10 % angehoben wurden. Durch die Anhebung sollte dem Zweck des WoGG entsprechend die Anzahl derjenigen Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger verringert werden, deren Miete aufgrund der allgemeinen Mietsteigerungen die Höchstbeträge überschreitet (vgl dazu BT-Drucks 16/8918, S 1, 49). Hinweise darauf, dass die Erhöhung der Werte unter Berücksichtigung der Mietpreissteigerungen in einem Umfang erfolgt wäre, der den Sicherheitszuschlag entbehrlich machen könnte, ergeben sich aus der Gesetzesbegründung nicht.

28

c) Soweit damit feststeht, dass auch im Rahmen von § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen ist, ist weiter dessen Höhe zu bestimmen. Der Senat schließt sich insoweit den Entscheidungen der Tatsacheninstanzen an, dass eine Erhöhung für den streitgegenständlichen Zeitraum um 10 % zu erfolgen hat. Die Höhe des Zuschlages ist ebenso wie die Heranziehung der abstrakten Werte aus § 12 WoGG nach abstrakten Kriterien zu bestimmen. Auf regionale Unterschiede hat der Gesetzgeber bereits durch die Festlegung der Mietenstufen in der WoGV reagiert; bei Änderung der Verhältnisse können diese entsprechend angepasst werden (vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 22). Die Höhe des Zuschlages soll möglichst sicherstellen, dass der Leistungsempfänger mit dem ihm dann im Ergebnis zustehenden Betrag für die Kosten der Unterkunft in die Lage versetzt wird, im örtlichen Vergleichsraum möglichst sicher eine Unterkunft zu finden, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht. Es soll durch die Höhe des Zuschlages eine angemessene Abgrenzung einerseits zu nur einfachstem Standard wie andererseits zu einem bereits gehobenen Standard erfolgen. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 12 WoGG einen Zuschlag in Höhe von 10 % zurzeit als angemessen.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft (KdU) und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006.

2

Die verheirateten Kläger leben seit 24 Jahren in der Gemeinde G (ca 11 000 Einwohner) im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. G grenzt direkt an das Stadtgebiet der Stadt Freiburg im Breisgau (ca 220 000 Einwohner), die den Stadtkreis Freiburg bildet. Die Kläger bewohnen seit 2004 eine knapp 80 qm große, ihrem Sohn gehörende Drei-Zimmer-Wohnung, für die sie eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 572 Euro entrichten. Der Beklagte bewilligte seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen KdU und Heizung (Bescheid vom 27.11.2004), wies die Kläger aber gleichzeitig darauf hin, dass die Wohnung unangemessen teuer sei und die tatsächlichen Unterkunftskosten nur für eine Übergangszeit von längstens sechs Monaten übernommen werden könnten. Ab 1.7.2005 könne nur noch ein Betrag in Höhe von 306,60 Euro entsprechend einem Mietpreis von 5,11 Euro/qm für eine 60 qm große Wohnung in einem Zweipersonenhaushalt als Kaltmiete anerkannt werden. Einen erneuten Hinweis auf die für angemessen erachtete Miete sowie zur Senkung der Unterkunftskosten enthielt der Bescheid des Beklagten vom 29.4.2005, mit dem Leistungen für die Zeit vom 1.6.2005 bis 30.11.2005 bewilligt wurden. Der Antrag der Kläger auf Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006, mit dem der Beklagte für den Bewilligungszeitraum vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro monatlich zuzüglich Nebenkosten bewilligte, war ohne Erfolg (Bescheid vom 3.7.2006; Widerspruchsbescheid vom 27.7.2006). Für den weiteren Bewilligungszeitraum vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 erkannte der Beklagte gleichfalls nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro an (Bescheid vom 24.5.2006; Widerspruchsbescheid vom 3.7.2006).

3

Das SG hat den Beklagten unter Änderung der Bewilligungsbescheide und Aufhebung des Bescheids vom 3.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006 verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 unter Berücksichtigung einer Kaltmiete in Höhe von 572 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom 18.7.2008). Ihnen sei es nicht möglich gewesen, die Wohnkosten auf das tatsächlich angemessene Maß zu senken, weil sie von dem Beklagten nicht zutreffend belehrt worden seien.

4

Das LSG hat den Beklagten unter Abänderung des Urteils des SG verurteilt, den Klägern im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Zugrundelegung von Unterkunftskosten einschließlich kalter Nebenkosten in Höhe von monatlich 446,25 Euro zu gewähren, im Übrigen die Klage abgewiesen sowie die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Eine wirksame Kostensenkungsaufforderung liege vor. Der Beklagte habe in dem vorliegend streitigen Zeitraum aber kein schlüssiges Konzept für die Ermittlung der angemessenen KdU und Heizung. Der von ihm angenommene Quadratmeterpreis beruhe auf Erfahrungen, Bestätigung durch die sozialhilferechtliche Rechtsprechung zum BSHG, Beobachtung des Wohnungsmarktes und der Berücksichtigung des Freiburger Mietspiegels. Für den Vergleichsraum existiere kein Mietspiegel. Für den streitigen Zeitraum von 12/2005 bis 11/2006 könne der Beklagte - auch unter Mithilfe des Gerichts - ein schlüssiges Konzept nicht mehr erarbeiten oder ein bisheriges Konzept durch Verfeinerung bzw Ergänzung der Datenerhebung verändern. Auch das Gericht könne unter Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen und -mittel im Rahmen der Amtsermittlung, insbesondere auch Einholung eines Sachverständigengutachtens, für die inzwischen vier bzw fünf Jahre zurückliegenden Zeiträume weder ein schlüssiges Konzept noch eine entsprechende Datengrundlage ermitteln. Es seien daher grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger, "nach oben" begrenzt durch die Tabellenwerte zu § 8 WoGG (Höchstbetrag der Tabelle), maßgebend, die um einen - hier angemessenen fünfprozentigen - "Sicherheitszuschlag" zu erhöhen seien. Für die Höhe des Zuschlags sei maßgeblich, dass der Ort G einerseits zu einem eher ländlich geprägten Vergleichsraum im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehöre und andererseits die bestehende räumliche und infrastrukturelle Verbindung zur Großstadt Freiburg aufweise. Ein Vergleich mit dem Mietspiegel der Stadt Freiburg ergebe, dass der Zuschlag angemessen sei. Soweit die Aufwendungen der Kläger den angemessenen Mietpreis von 446,25 Euro überstiegen, handele es sich um unangemessene Kosten, die grundsätzlich nicht mehr übernommen würden. Der Senat habe den von den Klägern im Schriftsatz vom 21.6.2010 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 22.6.2010 gestellten Beweisanträgen nicht nachgehen müssen, weil diese unzulässig seien.

5

Mit ihren Revisionen machen die Kläger eine Verletzung von § 22 SGB II, §§ 103, 128 SGG geltend. Der Beklagte habe im streitigen Zeitraum die tatsächliche Nettokaltmiete in Höhe von monatlich 572 Euro zu übernehmen. Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die vom Beklagten festgesetzte Angemessenheitsgrenze fehlerhaft sei. Dies führe zur Unwirksamkeit der Kostensenkungsaufforderung, weil dieser Wert auch dort genannt werde mit der Folge, dass die tatsächlichen Kosten zu übernehmen seien. Wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis komme, dass die fehlerhaft bezifferte Angemessenheitsgrenze "nicht ursächlich" dafür sei, dass sie keine angemessene Wohnung gefunden hätten, weil sie gar nicht versucht hätten, eine andere Wohnung zu finden oder die Kosten zu senken, sei dies schlicht falsch. Sie hätten sich - wie ihre Dokumentation belege - umfangreich um eine günstigere Wohnung bemüht. Das LSG habe es versäumt, sachgerechte Ermittlungen zur Situation auf dem einschlägigen Wohnungsmarkt im streitigen Zeitraum anzustellen, obwohl umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung gestanden habe (Hinweis auf Gutachten zum Mietspiegel 2007 der Stadt Freiburg i.Br., Gemeinderatsdrucksache G-09/024, Untersuchung des Amtes für Statistik der Stadt Freiburg i.Br. aus 2004, Untersuchung des "Runden Tisches" der Stadt Freiburg i.Br. aus 2006 und Studie des Immobilienverbandes Deutschland von 2008). Ein Rückgriff auf § 8 WoGG sei deshalb unzulässig. Bei Auswertung der Erkenntnisquellen hätte das Berufungsgericht festgestellt, dass die tatsächlichen KdU angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II gewesen seien.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Juli 2008 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG im Wesentlichen für zutreffend. Die Stadt Freiburg i.Br. sei als Referenz- und Vergleichsmaßstab für den Flächenlandkreis Breisgau-Hochschwarzwald nicht tauglich.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

10

1. Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom 3.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006, mit dem der Beklagte den Überprüfungsantrag der Kläger in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 betreffend die KdU und Heizung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 abgelehnt hat. Weiterer Verfahrensgegenstand ist der Bewilligungsbescheid vom 24.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.7.2006, wobei auch hier nur höhere Leistungen der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 im Streit sind. Bei den Leistungen der Unterkunft und Heizung handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl zur Nichtberücksichtigung der Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte: BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).

11

2. Ob die Kläger einen Anspruch auf (teilweise) Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 SGB X und damit verbundenen höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 sowie für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 in Abänderung des Bescheides vom 24.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.7.2006 haben, lässt sich aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Zwar sind die Kläger Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014), weil dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des LSG zu entnehmen ist, dass sie im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch das 65. Lebensjahr vollendet haben (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II) waren und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Es fehlen jedoch Feststellungen sowohl zu den KdU als auch zu den Heizkosten.

12

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 14, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

13

Zwar reichen die Feststellungen des LSG zur angemessenen Wohnfläche (3) sowie zum Fehlen eines tragfähigen schlüssigen Konzepts des Beklagten (4) aus, nicht jedoch diejenigen zum Erkenntnisausfall zur Höhe der angemessenen Unterkunftskosten (5). Das LSG ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass die Kostensenkungsaufforderungen des Beklagten nicht bereits zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit der Kostensenkung führen (6). Sollte das LSG - nach weiterer Prüfung - auf die Tabellenwerte nach § 8 WoGG zurückgreifen, ist die Höhe des vom LSG zu den Tabellenwerten erhobenen Zuschlags zu korrigieren (7).

14

3. Das LSG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 60 qm zu berücksichtigen ist. Das Land Baden-Württemberg hat keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Zweipersonenhaushalte von einer Wohnfläche von 60 qm auszugehen. An diese Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen.

15

4. Nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) lag dem von dem Beklagten im streitigen Zeitraum im Vergleichsraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde, das den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG gerecht wird (vgl nur BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18 ff). Die weitere Feststellung des LSG, dass sich für den streitigen Zeitraum eine entsprechende Datengrundlage zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete nicht mehr ermitteln lässt und insofern ein Erkenntnisausfall vorliegt, reicht für eine Überprüfung durch den Senat aber nicht aus.

16

5. Zwar hat der erkennende Senat für den Fall des Ausfalls von lokalen Erkenntnismöglichkeiten aufgrund von fehlenden Ermittlungen des Grundsicherungsträgers eine Begrenzung der Amtsermittlungspflicht der Sozialgerichte für zulässig erachtet und ausdrücklich betont, dass es im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger sei, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu ermitteln (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 23; BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 26; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 21). Insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume (vgl zum Fehlen von Ermittlungsmöglichkeiten etwa durch Zeitablauf BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 27) brauchen deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden. Dies entbindet jedoch nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen muss erkennbar sein, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat.

17

Hieran fehlt es vorliegend. Zwar können die Feststellungen des LSG, dass ein Mietspiegel und weitere Erkenntnismöglichkeiten und -mittel nicht vorhanden seien, insbesondere - hier - auch ein Sachverständigengutachten für die inzwischen mehrere Jahre zurückliegenden Zeiträume nicht mehr eingeholt werden könne, einen Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG rechtfertigen. Den Ausführungen des LSG kann jedoch nicht zweifelsfrei entnommen werden, auf welchen Vergleichsraum sich diese Feststellungen beziehen, inwieweit es im streitigen Zeitraum - also den Jahren 2005 und 2006 - konkret an einer hinreichenden Datengrundlage fehlt und hierauf aufbauend, warum hierdurch wiederum die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts für die hier denkbaren Vergleichsräume ausscheidet. Obgleich hierzu im sozialgerichtlichen Verfahren von den Beteiligten unterschiedliche Auffassungen vertreten worden sind, hat das LSG im Ergebnis offen gelassen, wie sich der Vergleichsraum im konkreten Fall darstellt. Auch wenn davon auszugehen ist, dass jedenfalls die Gemeinde G als Wohnort der Kläger Teil des Vergleichsraums ist, muss das LSG als Tatsacheninstanz anhand der allgemeinen rechtlichen Vorgaben für die Festlegung des Vergleichsraums (vgl hierzu BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 20 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 24) bestimmen, ob hier weitere Umlandgemeinden, Teile von Freiburg bzw das gesamte Stadtgebiet von Freiburg in die Festlegung des Vergleichsraums einzubeziehen sind. Nur vor diesem Hintergrund ist erkennbar, ob die Feststellung des Erkenntnisausfalls auf einem zutreffenden rechtlichen Maßstab zur Bestimmung eines Vergleichsraums erfolgt ist. Das LSG wird mithin im wiedereröffneten Berufungsverfahren zunächst den Vergleichsraum zu bestimmen haben.

18

6. Der Senat folgt dem Berufungsgericht aber darin, dass die Kostensenkungsaufforderung des Beklagten nicht zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit der Kostensenkung führt.

19

Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 2 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der durch die Einführung des neuen S 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706 - ohne inhaltliche Änderung zu S 3 wurde). Die Kläger wurden mit den Bewilligungsbescheiden vom 27.11.2004 und 29.4.2005 durch die Angabe der aus Sicht des Beklagten angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 306,60 Euro sowie über die aus seiner Sicht bestehende Rechtslage hinreichend informiert. Dies ist ausreichend. Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits mehrfach entschieden haben, stellt § 22 Abs 1 S 2 SGB II keine über eine Aufklärungs- und Warnfunktion hinausgehenden Anforderungen(BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 29; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 7, RdNr 20 ff; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 40; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 16). Der Streit darüber, ob die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage zu klären, welche Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II abstrakt angemessen sind(BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, RdNr 34).

20

7. Kommt das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu dem Ergebnis, dass ein schlüssiges Konzept für den festgelegten Vergleichsraum nicht erarbeitet werden kann, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden dann wiederum durch die Tabellenwerte zu § 8 WoGG (bzw für Zeiträume ab 1.1.2009 § 12 WoGG) im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt. Wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten (vgl § 5 Abs 1 WoGG aF bzw nunmehr § 9 Abs 1 WoGG) nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei § 8 WoGG auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27 im Anschluss an BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26, RdNr 21). Der Sicherheitszuschlag ist im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich. Denn es kann beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27).

21

Vor diesem Hintergrund ist das LSG vorliegend von unzutreffenden Kriterien zur Bestimmung des Zuschlags ausgegangen. Die in § 8 WoGG festgeschriebenen Werte erheben nicht den Anspruch, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden. Der Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/ Dietrich/Fröba, WoGG, Loseblatt, 65. Lfg Mai 2011, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die tatsächliche Miete den in § 8 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist.

22

Bei der Bestimmung des Zuschlages ist daher zu beachten, dass es sich nicht um eine einzelfallbezogene Anwendung auf einen konkreten, tatsächlichen Sachverhalt, die dem LSG unter Beachtung der Verhältnisse des regionalen Wohnungsmarktes obliegt, handelt. Vielmehr ist er unter Berücksichtigung genereller, abstrakter Kriterien festzulegen. Ein Rückgriff auf die regionalen Verhältnisse kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil gerade erst der Ausfall der Erkenntnismöglichkeiten im räumlichen Vergleichsgebiet zur Anwendung von § 8 WoGG führt. Bereits durch die jeweiligen im WoGG verankerten Mietenstufen fließen regionale Unterschiede in die Bestimmung der zu übernehmenden KdU ein. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 8 WoGG (rechte Spalte) einen Zuschlag in Höhe von 10 % als angemessen, aber auch ausreichend(vgl BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; ebenfalls 10 % bejahend: LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 24.4.2007 - L 7 AS 494/05; Urteil vom 11.3.2008 - L 7 AS 332/07; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 26.5.2010 - L 12 <20> SO 37/07; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 26.8.2010 - L 5 AS 4/08; Hessisches LSG Urteil vom 20.12.2010 - L 9 AS 239/08; LSG Sachsen Anhalt Urteil vom 3.3.2011 - L 5 AS 181/07; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 30.9.2011 - L 3 AS 17/09; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 8.12.2011 - L 25 AS 1711/07).

23

8. Da es das LSG unterlassen hat, Feststellungen zu den angemessenen Heizkosten zu treffen, kann der Senat die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen für die Heizung nicht überprüfen. Das LSG wird deshalb im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch die getrennt von den Unterkunftskosten auf ihre Angemessenheit zu prüfenden Heizkosten zu bestimmen haben.

24

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2009 bis 30.6.2010.

2

Der im Jahr 1947 geborene, zunächst selbständige Kläger mietete zum 1.12.2008 eine Wohnung mit einer Größe von 75 qm in A./Landkreis R. an. Hierfür entrichtete er monatlich eine Grundmiete in Höhe von 380 Euro zzgl einer Vorauszahlung auf Betriebskosten in Höhe von 80 Euro.

3

Nach einem Herzinfarkt meldete er sein Gewerbe zum 31.12.2008 ab und beantragte am 8.1.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

4

Der Beklagte, der zum 1.1.2012 Optionskommune nach § 6a Abs 2 SGB II geworden ist, bewilligte dem Kläger ab dem 30.12.2008 Kosten für Unterkunft und Heizung, zunächst bis 31.7.2009 in Höhe von monatlich 470,77 Euro auf Grundlage der tatsächlichen Grundmiete in Höhe von 380 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 66,81 Euro. Ab 1.8.2009 bewilligte er monatlich einen Betrag in Höhe von 335,77 Euro, wobei er unter Beibehaltung der anderen Beträge nur noch eine Grundmiete von 245 Euro anerkannte (Bescheid vom 21.1.2009). Im Zuge der Bewilligung ab 30.12.2008 forderte der Beklagte den Kläger zudem auf, die Unterkunftskosten zu senken. Die Kaltmiete von 380 Euro würde um 135 Euro über den angemessenen Mietkosten liegen. Nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten könne der Beklagte ab 1.8.2009 nur noch die angemessene Kaltmiete von 245 Euro zzgl Nebenkosten anerkennen (Schreiben vom 21.1.2009).

5

Die Leistungsbewilligung wurde mehrfach geändert, zuletzt wurden dem Kläger für Dezember 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer Kaltmiete von 245 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 61,75 Euro bewilligt (Änderungsbescheide vom 7.4.2009, 10.8.2009, 16.11.2009). Für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger Kosten für Unterkunft und Heizung in derselben Höhe (Bescheid vom 10.12.2009).

6

Der Beklagte wies die gegen die Bewilligung für Dezember 2009 und für den Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2010 eingelegten Widersprüche als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 6.4.2010).

7

Während des Verfahrens vor dem SG reduzierte der Beklagte die Bewilligung ab 1.6.2010 um verringerte kalte Nebenkosten und stellte die Leistungen ab 1.7.2010 ein, nachdem der Kläger zu diesem Zeitpunkt aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten verzogen war (Änderungsbescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010).

8

Das SG hat den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 weitere Kosten der Unterkunft bis zu einem Betrag von 338,80 Euro monatlich zzgl Heizkosten zu gewähren. Im Übrigen hat es die auf die Übernahme der tatsächlichen Kosten gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 22.11.2011). Die vom Beklagten zugrunde gelegte Mietobergrenze sei unzutreffend, da der Beklagte nicht über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Mietkosten im Sinne der Rechtsprechung des BSG verfüge. Da es mangels hinreichender Datenbasis nicht mehr möglich sei, die angemessene Kaltmiete für die streitige Zeit zu ermitteln, seien die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen, begrenzt auf die Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) und der Wohngeldverordnung (WoGV) einschließlich eines Zuschlags von 10 %. Dies führe beim Kläger zu einer Referenzmiete von 338,80 Euro.

9

Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 31.5.2010 monatlich weitere 69,84 Euro und für den Monat Juni 2010 weitere 71,64 Euro zu gewähren (Urteil vom 7.11.2012). Der Tenor der angefochtenen Entscheidung sei ohne inhaltliche Änderung lediglich zur Klarstellung neu gefasst worden; das SG habe in seiner Entscheidung die Heizkosten mit monatlich 61,75 Euro berücksichtigt, es habe damit im Ergebnis eine Leistung für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 400,55 Euro zugesprochen. Zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung habe der Beklagte zunächst als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 45 qm zugrunde gelegt. Der Beklagte habe als Vergleichsraum den Bereich der Region W., L. und A. mit ca 75 000 Einwohnern herangezogen. Für diesen sei jedoch in der Anlage zum Mietpreisspiegel keine einheitliche angemessene Mietobergrenze vorgesehen. Ob von dem Erfordernis eines einheitlichen Wertes der angemessenen Miete in Bereichen des ländlichen Raumes abgewichen und Vergleichsräume mit nach Gemeinden differenzierten Mietobergrenzen gebildet werden dürften, könne dahingestellt bleiben, da jedenfalls dem vom Beklagten im streitigen Zeitraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde gelegen habe. Die für einen Mietspiegel erforderliche statistisch aufgearbeitete Zusammenstellung der vorkommenden Mieten läge dem Mietpreisspiegel nicht zugrunde. Grundlage sei das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Feststellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen von den Mietpreisen bei Neuabschlüssen. Von den beteiligten Gemeinden seien keine Erhebungen durchgeführt worden. Der Mietpreisspiegel sei mangels Nachprüfbarkeit nicht ausreichend für die Begründung eines schlüssigen Konzepts. Darüber hinaus sei die Gemeinde A., in welcher der Kläger gewohnt habe, in Tabelle 4 des Mietpreisspiegels 2009, in welcher die jeweiligen Ortszu- bzw -abschläge bezogen auf das Referenzniveau der Stadt W. aufgelistet seien, nicht aufgeführt. Es sei damit nicht nachvollziehbar, wie die Mietobergrenzen für den damaligen Wohnort des Klägers ermittelt worden seien. Dem Senat sei es auch nicht mehr möglich, aufgrund eigener Ermittlungen ein schlüssiges Konzept für den streitigen Zeitraum zu erstellen, es fehle an der erforderlichen Datenbasis. Es seien damit die tatsächlichen Aufwendungen bis zur Angemessenheitsgrenze der Tabellenwerte in § 12 WoGG und ein Zuschlag von 10 % hinzuzurechnen. Es habe auch eine wirksame Kostensenkungsaufforderung vorgelegen.

10

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er folge zwar der Feststellung des LSG, dass er im vorliegenden Fall über kein schlüssiges Konzept verfüge sowie dass die Aufwendungen bis zur Höhe der Tabellenwerte aus § 12 WoGG zu übernehmen seien. Nicht gefolgt werden könne aber der Hinzurechnung eines Zuschlages von 10 %.

11

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Konstanz vom 22. November 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 insoweit aufzuheben, als Leistungen für Unterkunft und Heizung von mehr als 308 Euro monatlich zuzüglich der Heizkosten zu bewilligen sind.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Bei fehlendem schlüssigen Konzept sei sowohl nach § 8 WoGG als auch nach § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" von 10 % gerechtfertigt.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet.

15

Die Vorinstanzen haben den Beklagten zu Recht zu einer weiteren Leistungsgewährung an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 verurteilt. Der Kläger ist grundsätzlich leistungsberechtigt, sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (§§ 7, 22 SGB II).

16

1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 16.11.2009 und 10.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.4.2010, gemäß § 96 SGG in der Gestalt der Bescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010. Im Streit stehen die darin geregelten Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1.12.2009 bis 30.6.2010. Bereits der Kläger hat den Streitgegenstand durch seine Klage zum SG bezüglich der Kosten der Unterkunft und Heizung wirksam beschränkt. Die übrigen abtrennbaren Regelungsinhalte der gegenständlichen Bescheide sind nicht angegriffen worden. Zudem ist nach den Urteilen des SG und des LSG die Verurteilung zu weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 39,04 Euro (Monate Dezember 2009 bis Mai 2010) bzw 40,84 Euro (Monat Juni 2010) rechtskräftig geworden. Der Beklagte wendet sich lediglich gegen die Verurteilung zu einer Leistung von weiteren 30,80 Euro monatlich. Da der Kläger selbst keine Revision eingelegt hat, sind die gegenständlichen Bescheide bestandskräftig geworden, soweit mit diesen die Leistungen ab 1.7.2010 eingestellt sowie höhere Leistungen abgelehnt wurden.

17

Die Leistungen für Unterkunft und Heizung bilden abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert (vgl BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).

18

2. Das SG und LSG haben den Beklagten zu Recht zu einer Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer höheren Bruttokaltmiete als die vom Beklagten in Höhe von monatlich 308 Euro anerkannte verurteilt. Der Kläger erfüllt nach den Feststellungen des LSG die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 SGB II.

19

Sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Diese werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als bei der pauschalierten Regelleistung - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die tatsächlichen Kosten nicht in beliebiger Höhe erstattungsfähig, sondern nur insoweit, als sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung limitiert somit die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist, also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessene Mietobergrenze nicht überschreitet (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 14; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59). Die Angemessenheit für die Kosten der Unterkunft und die für die Kosten der Heizung sind getrennt voneinander festzustellen.

20

Auch wenn der Beklagte im Revisionsverfahren davon ausgeht, über kein schlüssiges Konzept zu verfügen und sich mit der Heranziehung der Tabellenwerte nach § 12 WoGG einverstanden erklärt, entbindet dies die Gerichte nicht davon, zunächst die angemessenen Unterkunftskosten anhand eines vorrangigen schlüssigen Konzeptes zu ermitteln(vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 17; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - RdNr 26).

21

3. Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende wie den Kläger in Baden-Württemberg 45 qm. Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376: "Wohnraumförderungsgesetz") wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen" des jeweiligen Landes. Nach den Feststellungen des LSG hat das Land Baden-Württemberg zwar keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Ein-Personen-Haushalte von einer Wohnfläche von 45 qm auszugehen. An dieser Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 22).

22

4. Die Heranziehung des Vergleichsraums, den der Beklagte zugrunde gelegt hat, ist nicht zu beanstanden. Als örtlicher Vergleichsraum ist in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgebend, ohne dass hierfür der kommunalverfassungsrechtliche Begriff der "Gemeinde" entscheidend sein muss. Bei besonders kleinen Gemeinden, etwa im ländlichen Raum, die über keinen repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen, kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen. Entscheidend ist es, für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 21; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 15). Dies ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hier der Fall. Die Festlegung des Vergleichsraums entspricht den vom Senat hierzu entwickelten Kriterien.

23

5. Dem Leistungsberechtigten muss es möglich sein, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines schlüssigen Konzeptes zu ermitteln (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17 ff). Auf Grundlage des konkreten Vergleichsraums hat das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass der Beklagte über kein eigenständiges schlüssiges Konzept verfügt (§ 163 SGG).

24

Das LSG ist sodann in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass ein schlüssiges Konzept auch nicht mehr entwickelt werden kann und es sich um einen Ausfall von lokalen Erkenntnismöglichkeiten handelt. Der erkennende Senat hat ausdrücklich betont, dass die umfassende Ermittlung der Daten sowie die Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts Angelegenheit des Grundsicherungsträgers ist und bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig ist. Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein schlüssiges Konzept auf Aufforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne ein schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen (vgl BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 21; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 25). Liegen aber keine Ermittlungsergebnisse vor, brauchen insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen nachträglich durchgeführt zu werden. Die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen ist in diesen Fällen begrenzt, sofern nachvollziehbare Darlegungen dazu erfolgen, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Der erkennende Senat hat hierzu betont, dass auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen erkennbar sein muss, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat. Erst wenn solche Feststellungen erfolgt sind, ist ein Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG zu rechtfertigen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 18; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17). Diesen Anforderungen zur Feststellung eines Erkenntnisausfalles ist das LSG gerecht geworden. Schon für die Wohnortgemeinde des Klägers liegen keinerlei nachvollziehbare Daten für die Ermittlung der Mietobergrenze vor. Im Übrigen ist Grundlage des "Mietpreisspiegels" des Beklagten das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Erstellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen.

25

6. Im Falle eines Erkenntnisausfalls zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt(stRspr, vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).

26

a) Für die bis 31.12.2008 geltende Regelung in § 8 WoGG aF ist nach der Rechtsprechung des BSG wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung zur Bestimmung der angemessenen Bruttokaltmiete(vgl § 9 Abs 1 WoGG aF) auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27 im Anschluss an BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21). Zu dem Sicherheitszuschlag hat der Senat ausgeführt, dass er im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich ist, denn beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts kann nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27). Der erkennende Senat hat zudem entschieden, dass dabei ein Zuschlag in Höhe von 10 % zu den Werten der rechten Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG aF angemessen und ausreichend ist(vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).

27

b) Die Einbeziehung eines "Sicherheitszuschlages" hat auch im Falle der Heranziehung von § 12 WoGG zu erfolgen. Die von der Rechtsprechung der zuständigen Senate für die Geltung von § 8 WoGG aF angestellten Erwägungen sind auf § 12 WoGG zu übertragen. Denn trotz der Anhebung der Tabellenwerte in § 12 WoGG im Vergleich zu den Werten aus § 8 WoGG aF hat sich nichts daran geändert, dass es sich bei der Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten anhand des WoGG nur um eine abstrakte, allein der Deckelung der zu übernehmenden Aufwendungen dienende Begrenzung handelt, die unabhängig von den konkreten Umständen im Vergleichsraum erfolgt. Denn über letztere fehlen gerade ausreichende Erkenntnisse. Der Sicherheitszuschlag ist auch im Rahmen von § 12 WoGG erforderlich, da die in § 12 WoGG festgeschriebenen Werte ebenso wenig wie die in § 8 WoGG aF den Anspruch erheben, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden(vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, § 12 RdNr 14, 65. Lfg Mai 2011). Der Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, aaO, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die nach § 11 WoGG zu berücksichtigende Miete den in § 12 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist. Beide Regelungen verfolgen damit verschiedene Ziele; auf die Werte aus § 12 WoGG ist daher nur als Berechnungsgrundlage zur Bemessung der angemessenen Miete abzustellen und dem Sinn und Zweck von § 22 Abs 1 S 1 SGB II nach mittels des "Sicherheitszuschlages" anzupassen. Aufgrund der unterschiedlichen Zweckbestimmung hat es für die Bestimmung des Zuschlages bei § 12 WoGG damit keine Bedeutung, dass mit der Wohngeldreform 2009 die Werte aus § 8 WoGG um 10 % angehoben wurden. Durch die Anhebung sollte dem Zweck des WoGG entsprechend die Anzahl derjenigen Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger verringert werden, deren Miete aufgrund der allgemeinen Mietsteigerungen die Höchstbeträge überschreitet (vgl dazu BT-Drucks 16/8918, S 1, 49). Hinweise darauf, dass die Erhöhung der Werte unter Berücksichtigung der Mietpreissteigerungen in einem Umfang erfolgt wäre, der den Sicherheitszuschlag entbehrlich machen könnte, ergeben sich aus der Gesetzesbegründung nicht.

28

c) Soweit damit feststeht, dass auch im Rahmen von § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen ist, ist weiter dessen Höhe zu bestimmen. Der Senat schließt sich insoweit den Entscheidungen der Tatsacheninstanzen an, dass eine Erhöhung für den streitgegenständlichen Zeitraum um 10 % zu erfolgen hat. Die Höhe des Zuschlages ist ebenso wie die Heranziehung der abstrakten Werte aus § 12 WoGG nach abstrakten Kriterien zu bestimmen. Auf regionale Unterschiede hat der Gesetzgeber bereits durch die Festlegung der Mietenstufen in der WoGV reagiert; bei Änderung der Verhältnisse können diese entsprechend angepasst werden (vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 22). Die Höhe des Zuschlages soll möglichst sicherstellen, dass der Leistungsempfänger mit dem ihm dann im Ergebnis zustehenden Betrag für die Kosten der Unterkunft in die Lage versetzt wird, im örtlichen Vergleichsraum möglichst sicher eine Unterkunft zu finden, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht. Es soll durch die Höhe des Zuschlages eine angemessene Abgrenzung einerseits zu nur einfachstem Standard wie andererseits zu einem bereits gehobenen Standard erfolgen. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 12 WoGG einen Zuschlag in Höhe von 10 % zurzeit als angemessen.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 2012 aufgehoben und der Rechtstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem SGB II in der Zeit vom 1.3.2008 bis 31.7.2008.

2

Der 1950 geborene Kläger bewohnte eine ca 76 qm große Wohnung, für die ihm aufgrund eines Vertrags mit der S GmbH ab 1.1.2008 Kosten in Höhe von 611,24 Euro monatlich entstanden sind (Grundmiete in Höhe von 432,28 Euro abzgl eines Verzichts der Vermieterin in Höhe von 45,14 Euro, Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 122 Euro, Kabelanschlusskosten in Höhe von 12,10 Euro, monatliche Abschlagszahlungen für Frischwasser, Entwässerung, Heizung und Warmwasser in Höhe von 90 Euro). Er bezog ab 1.8.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Nachdem der Beklagte unter Berücksichtigung eines zunächst bestehenden Untermietverhältnisses die tatsächlich geringeren Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen hatte, teilte er dem Kläger mit Schreiben vom 18.9.2007 mit, dass dieser sich um eine Kostensenkung bemühen müsse, weil seine Wohnung unter Berücksichtigung des örtlichen Mietpreisniveaus die angemessene Mietgrenze von 428,85 Euro (Kaltmiete zzgl Nebenkosten) um 101,57 Euro überschreite. Ab 1.3.2008 würden nur noch die angemessenen Unterkunftskosten anerkannt. Entsprechend wurden für den streitigen Zeitraum nur noch die von dem Beklagten für angemessen gehaltenen KdU in Höhe von 479,28 Euro für eine 45-qm-Wohnung gezahlt (Bescheid vom 13.2.2008; Widerspruchsbescheid vom 28.5.2008).

3

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 19.9.2011). Es hat dahinstehen lassen, ob die Ermittlung des vom Beklagten zugrunde gelegten Quadratmeterpreises für den Vergleichsraum Münster den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept entspreche. Nach eigenen, auf dem Mietspiegel für Münster für das Jahr 2007 beruhenden Berechnungen sei ein qm-Preis von lediglich 7,21 Euro (= 324,45 Euro für 45 qm) angemessen. Zudem ergebe sich die Angemessenheit des Quadratmeterpreises aus einem Vergleich mit den Werten der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung.

4

Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 20.6.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, Streitgegenstand seien lediglich Ansprüche auf KdU, weil der Kläger den Streitstoff zulässig bereits mit der Klage hierauf beschränkt habe. Die von dem Beklagten anstelle der tatsächlichen Kosten als angemessen festgesetzten Aufwendungen in Höhe von 428,85 Euro (Bruttokaltmiete) seien nicht als zu gering zu beanstanden. Der Senat lasse dahinstehen, ob die Ermittlungen des Beklagten den Anforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept genügten. Ebenfalls könne offen bleiben, ob eine eigene Berechnung des SG eine ausreichende Beurteilungsgrundlage bilde, wenn der Leistungsträger dieses Berechnungsmodell nicht als "eigenes schlüssiges Konzept" annehme. Der Kläger habe auch dann keinen Anspruch auf höhere KdU-Leistungen, wenn ein schlüssiges Konzept zu verneinen wäre und dem Beklagten die Nachreichung eines solchen Konzepts im Prozess nicht gelinge. Insofern habe das SG in seinen ergänzenden Überlegungen zutreffend darauf hingewiesen, dass die angemessene Miete in diesen Fällen durch die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes begrenzt werde. Für Zeiträume bis 31.12.2008 sei danach der Höchstbetrag der rechten Spalte in § 8 WoGG aF, ggf durch einen Sicherheitszuschlag maßvoll erhöht, heranzuziehen. Der für den Kläger als alleiniges Haushaltsmitglied bei der für Münster geltenden Mietenstufe IV heranzuziehende Wert in § 8 WoGG betrage 325 Euro und liege bei zusätzlicher Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags von 10 % bei 357,50 Euro. Da die mit 428,85 Euro festgesetzten Beträge der Bruttokaltmiete weit über diesen Grenzen lägen, seien die im streitigen Zeitraum gewährten Leistungen keineswegs zu niedrig.

5

Mit seiner vom BSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, der Beklagte habe kein schlüssiges Konzept für die Bewertung der Angemessenheit der KdU angewandt. Das erstinstanzliche Gericht habe deutlich gemacht, dass das von dem Beklagten herangezogene "Konzept zur Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft in den Leistungskreisen SGB II und SGB XII", Stand Mai 2011, keine Anwendung finden könne, weil die zugrunde liegenden Daten erst nach dem streitigen Bewilligungszeitraum erhoben worden seien. Auch die vom SG durchgeführte Berechnung auf der Grundlage des Mietspiegels aus dem Jahr 2007 erscheine fehlerhaft. Entgegen der Rechtsprechung des BSG habe das LSG weder das von dem Beklagten vorgelegte Konzept noch die Berechnung des erstinstanzlichen Gerichts auf seine Schlüssigkeit überprüft. Vielmehr habe es sich trotz der Möglichkeit der Verschaffung einer zuverlässigen Entscheidungsgrundlage auf den Tabellenwert des WoGG gestützt. Insofern beruhe das Berufungsurteil auf einer Abweichung zu der Rechtsprechung des BSG.

6

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 2012 und des Sozialgerichts Münster vom 19. September 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 13. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2008 zu verurteilen, weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der Differenz zwischen den tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung und den bisher von ihm bewilligten Leistungen zu erbringen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Der Beklagte macht geltend, das SG sei gerade nicht von den "unteren Werten" des Mietspiegels ausgegangen, weil das erstinstanzliche Gericht sowohl den Mietspiegel als auch die Dokumentation zum Mietspiegel herangezogen habe. Aufgrund von eigenen Berechnungen, bei denen bei Ein-Personen-Haushalten auf die Basismiete der Baualtersklasse ab 1992 abgestellt worden sei, errechne sich unter Berücksichtigung des gewichteten arithmetischen Mittels ein angemessener Quadratmeterpreis von 7,21 Euro. Er habe eine höhere Grundmiete berücksichtigt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

10

Streitgegenstand sind höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.3.2008 bis 31.7.2008 als der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 13.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.5.2008 festgelegt hat. Der Kläger hat den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Bei diesen handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids (stRspr seit BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; BSGE 110, 52 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

11

Zwar ist der Kläger Berechtigter iS des § 7 Abs 1 SGB II, weil er im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht hatte(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II) und dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des LSG zu entnehmen ist, dass er erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II) war sowie auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Ob der Kläger in dem streitigen Zeitraum vom 1.3.2008 bis 31.7.2008 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen konnte, kann der Senat schon deshalb nicht abschließend beurteilen, weil tatsächliche Feststellungen des LSG zur Festlegung der angemessenen Unterkunftskosten fehlen (§ 163 SGG).

12

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; vgl zuletzt Urteil des Senats vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 19 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

13

Zwar reichen die Feststellungen des LSG zur angemessenen Wohnfläche im hier streitigen Zeitraum und zum maßgeblichen Vergleichsraum, nicht jedoch diejenigen zum Fehlen eines tragfähigen schlüssigen Konzepts des Beklagten und zum Erkenntnisausfall bei der Ermittlung der Höhe der angemessenen Unterkunftskosten. Nach seinen rechtlichen Ausführungen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass bereits dann auf die Werte des WoGG zurückgegriffen werden kann, wenn der von dem Grundsicherungsträger berücksichtigte Wert für die Grundmiete und die Betriebskosten über den Beträgen nach § 8 WoGG liegt. Von diesem rechtlichen Standpunkt hat das LSG keine eigenen Feststellungen zum schlüssigen Konzept des Beklagten für die Stadt Münster vorgenommen und sich auch nicht - etwa durch Bezugnahme auf die Feststellungen und Wertungen des SG - dessen Überlegungen zu eigen gemacht. Anders als das SG, das die von dem Beklagten als angemessen angesehenen Werte durch eigene Berechnungen für Münster anhand eigener Berechnungen nach dem Mietspiegel verifiziert hat, hat das Berufungsgericht ausdrücklich keine eigene Prüfung vorgenommen. Für eine Überprüfung des Anspruchs durch das BSG fehlt es aus diesem Grund an den notwendig im Berufungsurteil zu treffenden Feststellungen (§ 163 SGG).

14

Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben entschieden, dass ein Rückgriff auf die Werte des WoGG - zur Festlegung ausschließlich der abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft im Sinne einer Obergrenze - nur dann zulässig ist, wenn nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen Erkenntnismöglichkeiten und -mittel zur Festlegung der von dem SGB II-Träger zu tragenden angemessenen Aufwendungen der Unterkunft nach einem schlüssigen Konzept nicht mehr vorhanden sind. Zwar hat der erkennende Senat für den Fall des Ausfalls von lokalen Erkenntnismöglichkeiten aufgrund von fehlenden Ermittlungen des Grundsicherungsträgers eine Begrenzung der Amtsermittlungspflicht der Sozialgerichte für zulässig erachtet und ausdrücklich betont, dass es im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger sei, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu ermitteln (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 23; BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 26; BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 21). Insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume brauchen deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden (zum Fehlen von Ermittlungsmöglichkeiten, etwa durch Zeitablauf BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 27 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16). Dies entbindet jedoch nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht (mehr) entwickelt werden kann (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16; vgl auch Urteile des 14. Senats des BSG vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - RdNr 22 ff und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 67 RdNr 32 f).

15

Erst wenn Feststellungen zu den abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II nicht mehr möglich sind, kann ein Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle erfolgen. Wegen der dann nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei § 8 WoGG auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" von 10 vH einzubeziehen(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27 im Anschluss an BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff). Dieses Vorgehen mit dem Ausschluss eines unmittelbaren Rückgriffs auf die Werte der Wohngeldtabelle berücksichtigt die in § 22 Abs 1 S 1 SGB II festgelegte Verpflichtung des Grundsicherungsträgers, die tatsächlich angemessenen Kosten zu übernehmen und dient der Sicherstellung des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf bedarfsdeckende Leistungen im Bereich des Wohnens. Anders als bei den pauschalierten Regelbedarfen lässt sich der Gesetzgeber bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, dass zur Bestimmung der Leistungshöhe auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen ist. Allerdings sind die Leistungen nicht in beliebiger Höhe zu erbringen, sondern nur insoweit, als die tatsächlichen Aufwendungen für Miete und Heizung angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung (vgl nur Urteil des Senats vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 18 ff mwN zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Zwar spricht hier viel dafür, dass die Miete des Klägers in dem streitigen Zeitraum - insbesondere wegen der Wohnungsgröße - die Schwelle der abstrakten Angemessenheit überschritten hat. Andererseits liegen bereits die von dem Beklagten übernommenen Beträge über denjenigen der Tabellenwerte nach § 8 WoGG zuzüglich des "Sicherheitszuschlags" von 10 vH. Unabhängig von den vorstehenden Grundsätzen bei der Ermittlung der abstrakt angemessenen KdU kann auch aus diesem Grund nicht ausgeschlossen werden, dass sich auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts, falls ein solches noch - in erster Linie von dem Beklagten - erstellt werden kann, höhere, an den Mieten im Vergleichsraum orientierte Werte ergeben.

16

Der Senat folgt dem Berufungsgericht darin, dass nicht bereits die Kostensenkungsaufforderung des Beklagten zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit einer Kostensenkung führt. Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706). Der Beklagte hat den Kläger mit dem Schreiben vom 18.9.2007 durch Angabe der aus seiner Sicht angemessenen Mietobergrenze von 428,85 Euro sowie über die bestehende Rechtslage hinreichend informiert. Dies ist ausreichend. Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits entschieden haben, stellt § 22 Abs 1 S 3 SGB II keine über eine Aufklärungs- und Warnfunktion hinausgehenden Anforderungen(BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 29; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 20 ff; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 40; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Der Streit darüber, ob die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage zu klären, welche Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II abstrakt angemessen sind(BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr 34; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 19). Das LSG hat für den Senat bindend festgestellt, dass die gesundheitlichen Leiden des Klägers einer Kostenminderung, insbesondere durch einen Umzug, in dem hier streitigen Zeitraum nicht entgegenstanden.

17

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der 1960 geborene, alleinstehende Kläger bezieht von dem beklagten Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende seit dem 1.1.2005 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er bewohnt seit dem 1.9.2004 eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin-Schöneberg. Für diese Altbauwohnung (bezugsfertig ca 1900) mit einer Größe von 58,31 qm, die über eine Öl-Zentralheizung beheizt (bei einer Gesamtwohnfläche von knapp 2000 qm) und mit Warmwasser versorgt wird, zahlte der Kläger im streitigen Zeitraum eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 438,63 Euro. Der Betrag setzte sich zusammen aus einer Nettokaltmiete von 203,63 Euro, einem Modernisierungszuschlag in Höhe von 98,36 Euro, einer Vorauszahlung für die kalten Betriebskosten in Höhe von 76,31 Euro sowie einem nach dem Mietvertrag nicht abdingbaren Betrag für den Kabelanschluss in Höhe von 14,31 Euro und schließlich einer Vorauszahlung für warme Betriebskosten in Höhe von 46,02 Euro.

2

Der Beklagte gewährte dem Kläger bis einschließlich August 2006 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 438,63 Euro. Mit Schreiben vom 1.2.2006 teilte er dem Kläger mit, die KdU seien nicht angemessen. Für Ein-Personen-Haushalte gelte insoweit ein Richtwert von 360 Euro. Die tatsächlichen Kosten würden solange übernommen werden, wie es dem Kläger nicht möglich sei, die Kosten zu senken. Diese Zusage gelte für längstens sechs Monate. Für die Zeit vom 1.9.2006 bis zum 30.11.2006 bewilligte er mit Bescheid vom 29.5.2006 monatliche Leistungen in Höhe von 705 Euro (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie KdU in Höhe von 360 Euro). Widerspruch und Klage gerichtet auf die Übernahme der KdU in Höhe von 438,63 Euro blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19.7.2006; Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15.2.2007).

3

Das hiergegen angerufene Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und in der Sache mit Urteil vom 26.11.2009 zurückgewiesen. Für den Kläger, der im streitigen Zeitraum Berechtigter im Sinne des § 7 Abs 1 SGB II(in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004, BGBl I 2014) gewesen sei, ergäben sich Ansprüche auf weitergehende KdU als von dem Beklagten bewilligt nach Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten nach der sog Produkttheorie nicht. Lediglich die geltend gemachten Heizkosten seien in Höhe von 39,80 Euro (tatsächliche Kosten abzüglich der Pauschale für die Erwärmung von Wasser) in vollem Umfang als wirtschaftlich angemessen anzusehen. Die übrigen geltend gemachten KdU in Höhe von 392,61 Euro, von denen auch die Kosten für den Kabelanschluss und der Modernisierungszuschlag zu den berücksichtigungsfähigen KdU gehörten, seien unangemessen hoch.

4

Hinsichtlich der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße sei die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zu Grunde zu legen, für die in Berlin - in Ermangelung von Richtlinien zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung - Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) - weiterhin auf die (ehemals) geltenden Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau(Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 - WFB 1990 -) vom 16.7.1990 (Amtsblatt für Berlin 1990, 1379 ff) in der Fassung der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 vom 13.12.1992 (VVÄndWFB 1990; Amtsblatt für Berlin 1993, 98 f) - dort Ziffer I.13 - und ergänzend auf die zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) iVm § 27 Abs 1 bis 5 WoFG erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 (Mitteilung Nr 8/2004) zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen - dort Ziffer 8 Abs 1 Satz 3 - abzustellen sei. Maßgebend seien allein die Größen, die sich für 1-Raum Wohnungen ergäben (45 qm).

5

Für die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Hierfür seien die sich aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3109) ergebenden durchschnittlichen Mittelwerte für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten zu Grunde zu legen, der im streitigen Zeitraum gegolten habe, nicht dagegen die Werte aus dem im laufenden Berufungsverfahren veröffentlichten Mietspiegel 2007, auch wenn dieser auf den im Jahre 2006 gezahlten Mieten fuße. Für eine Wohnfläche von vierzig bis unter sechzig Quadratmetern in einfacher Lage ergebe sich eine Nettokaltmiete von gerundet 4,33 Euro pro qm (Summe aus sämtlichen Mittelwerten geteilt durch 9), und also eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von insgesamt 194,85 Euro (4,33 Euro x 45 qm). Weder halte der Senat insoweit nur einzelne der nach Jahren der Bezugsfertigkeit der Wohnungen und ergänzend nach deren Ausstattung mit Sammelheizung und Bad gebildeten Spalten für maßgeblich noch sehe er innerhalb der einzelnen Spalten die angegebenen Spannentiefst- oder -höchstwerte als entscheidend an. Weitere Verfeinerungen mathematisch-statistischer Art würden weder die Akzeptanz noch die Nachvollziehbarkeit erhöhen, mögliche statistisch-wissenschaftliche Ungenauigkeiten durch den Rückgriff allein auf Mittelwerte würden zur Überzeugung des Senats dadurch kompensiert, dass bereits zu Gunsten der Hilfebedürftigen als Richtwert die maximal förderungsfähige Quadratmeterzahl berücksichtigt werde.

6

Zu der Nettokaltmiete seien die angemessenen kalten Betriebskosten, die regelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten seien, unter Zugrundelegung der vom Deutschen Mieterbund (DMB) mit dem "Betriebskostenspiegel 2005" veröffentlichten Angaben (www.mieterbund.de) zu bestimmen, die sich auf 1,79 Euro pro qm (einschließlich Steuern und Abgaben) monatlich beliefen. Es ergebe sich damit eine angemessene Bruttokaltmiete von insgesamt 275,40 Euro. Der Beklagte habe im Verwaltungsverfahren unter Abzug der maximal berücksichtigungsfähigen Heizkosten von 39,80 Euro monatlich Leistungen für eine Bruttokaltmiete in Höhe von 320,20 Euro zuerkannt und damit bereits einen Betrag, der über der angemessenen Bruttokaltmiete in Berlin für diesen Zeitraum liege.

7

Es sei davon auszugehen, dass eine konkrete Unterkunftsalternative zu diesem Mietzins tatsächlich anmietbar sei. Der Kläger habe jedenfalls Bemühungen zur Kostensenkung nicht erkennen lassen. Soweit er erstmals in der mündlichen Verhandlung ohne jede zeitliche Zuordnung und Darlegung vorgetragen habe, sich erfolglos telefonisch bei 200 bis 300 Vermietern um günstigere Wohnungen bemüht zu haben, sei dies nach Überzeugung des Senats unglaubhaft, denn es stehe in krassem Widerspruch zu seinem bisherigen Vortrag.

8

Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner vom LSG zugelassenen Revision. Er rügt, das LSG habe den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Aufwendungen für eine Unterkunft fehlerhaft konkretisiert. Zudem habe das LSG zu Unrecht den Vortrag des Klägers, er habe vergeblich versucht angemessenen Wohnraum anzumieten, als unglaubhaft abgetan ohne eigene Ermittlungen anzustellen, inwieweit es ihm tatsächlich möglich sei, angemessenen Wohnraum anzumieten.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2009 sowie das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Februar 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 29. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2006 zu verurteilen, ihm weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit von September bis November 2006 in Höhe von monatlich 78,63 Euro zu gewähren.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob der Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen kann, als sie der Beklagte bewilligt hat.

13

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 29.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2006, gegen den sich die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) richtet. Streitgegenstand sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von September 2006 bis November 2006, die dieser Bescheid ua regelt. Der Kläger hat den Streitstoff in der Sache schon mit Klageerhebung auf die KdU beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18).

14

2. Der Kläger gehört nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Neben der Regelleistung hat er damit Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung.

15

3. KdU werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Erfasst sind alle Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag für die Unterkunft ergeben (vgl zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 20 zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung mwN). Dazu zählen hier neben der geschuldeten Nettokaltmiete in Höhe von 203,63 Euro und der Vorauszahlung für die "kalten" Betriebskosten in Höhe von 76,31 Euro auch die Kosten für den Kabelanschluss (dazu nur BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18) sowie der Modernisierungszuschlag in Höhe von 98,36 Euro, wie das LSG zutreffend entschieden hat. Soweit der Vermieter die Kosten einer Modernisierungsmaßnahme nach § 559 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf den Mieter abwälzt, gehören diese Kosten, auch wenn sie weiterhin gesondert ausgewiesen sind, zur vertraglich geschuldeten (Kalt-)Miete.

16

4. Die Angemessenheit von KdU ist (getrennt von den Kosten der Heizung, vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23) unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zu Grunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder der Beklagte noch das LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.

17

a) Entgegen der Auffassung des LSG ergibt sich für einen Ein-Personen-Haushalt in Berlin eine maßgebliche Wohnfläche von 50 qm. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 WoFG vom 13.9.2001 (BGBI I 2376) iVm § 5 WoBindG in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (neue Fassung) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG(als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an eine Einzelperson Wohnraum von bis zu 50 qm überlassen werden. An diese Regelungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF, die auch nach Inkrafttreten von § 27 WoFG und § 5 WoBindG nF Grundlage für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind, ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14). Entgegen der Auffassung des LSG sind die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl (sofern sie überhaupt im Regel-Ausnahmeverhältnis zu verstehen wären, wie das LSG meint) für die Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II unbeachtlich. Dies haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits für andere Bundesländer entschieden, in denen neben der Wohnungsgröße auch die Raumzahl entscheidend ist (vgl für Bayern BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 15; für Rheinland-Pfalz BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 34; für Nordrhein-Westfalen BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb für das Land Berlin anderes gelten sollte. Auch auf die (unterschiedlichen) Wohnungsgrößen in den (zum 31.12.1999 außer Kraft getretenen) Richtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für die Förderung der Neuschaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau (WFB 1990 vom 16.7.1990 in der Fassung der VVÄndWFB 1990 vom 13.12.1992) und den Richtlinien über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum (Eigentumsförderungssätze 1999 vom 25.5.1999) kommt es nicht an. Diese mögen Auswirkungen auf die üblichen Wohnungsgrößen im geförderten Wohnungsbau nach 1992 haben (und damit ohnehin nur für ein Teilsegment des in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarktes), es handelt sich aber nicht um Bestimmungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF.

18

b) Zutreffend hat das LSG bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des BSG muss es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der auf Grund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des LSG sprechen, dass es sich bei der Stadt Berlin insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handelt. Die Stadt Berlin ist mit einer Einwohnerzahl von rund 3,4 Millionen (Stand 2006; Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) und einer Fläche von rund 891 qkm zwar nahezu dreimal so groß wie die Stadt München (rund 1,36 Millionen Einwohner bei einer Fläche von rund 310 qkm; Quelle: Statistisches Amt München), für die der 4. Senat des BSG einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen hat ( vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale liegen aber - trotz dieser Größe - auch bezogen auf das Stadtgebiet von Berlin vor. Der öffentliche Nahverkehr ist auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her ausgerichtet. Von den Randlagen aus ergeben sich in die innerstädtischen Bezirke insoweit lediglich Fahrzeiten, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden (vgl § 121 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das Risiko einer Gettoisierung. Außerdem zeigt die Wohnlagenkarte als Anlage zu dem vom LSG in Bezug genommenen Berliner Mietspiegel, dass ohnehin in allen Bezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren (dazu sogleich), vorhanden sind, sodass auch von daher die Bildung eines engeren Vergleichsraums nicht erforderlich erscheint. Es steht nicht zu befürchten, dass mit einem ggf zur Kostensenkung erforderlichen Umzug regelmäßig das nähere soziale Umfeld verlassen werden muss. Soweit ein solcher Umzug über die Orts- oder auch Bezirksgrenzen hinweg im Einzelfall gleichwohl notwendig wird, ist dies im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Hilfebedürftigen hinzunehmen (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 18).

19

c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zu Grunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln ( vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R ).

20

aa) Die Träger der Grundsicherung entscheiden in Berlin über die Angemessenheit von Unterkunftskosten auf Grundlage der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen). Es handelt sich dabei um bloße Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des Beklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (360 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG zu Grunde liegt. Ob zur Ermittlung des Wertes die Produkttheorie unter Zugrundelegung der oben genannten Wohnungsgrößen angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden sind, wird nicht erkennbar und ist von dem Beklagten nicht vorgetragen. Im Übrigen ist der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat (ausdrücklich bereits BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 19).

21

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2005 (vom 22.8.2005, Amtsblatt für Berlin 2005, 3109) bestimmt. Bei diesem Mietspiegel handelt es sich um einen qualifizierten Mietspiegel iS des § 558d BGB. Grundlage für die vorliegende Entscheidung ist dabei der Mietspiegel für das Jahr 2005, denn ein "schlüssiges Konzept", das vorrangig der Grundsicherungsträger vorzulegen hat, muss bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (anders etwa SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 43). Da ein solches Konzept im Rahmen der Angemessenheitsprüfung in der Folge gerichtlich voll überprüfbar ist, sind Ausgangsdaten allerdings zu korrigieren, soweit sich in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren herausstellt, dass es zu nicht vorhersehbaren Preissprüngen gekommen ist. Diese Prüfung wird das LSG ggf nachzuholen haben.

22

Qualifizierte Mietspiegel können - wie auch einfache Mietspiegel - Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach §22 Abs 1 SGB II sein (vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 16; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25 und zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25). Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben(zum Folgenden auch Butzer/Keller, NZS 2009, 65). Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen (wie dies auch bezogen auf den Berliner Mietspiegel der Fall ist) nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist - wie bereits ausgeführt - auch bei der Prüfung nach § 22 Abs 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. Im Hinblick auf das mit dem Mietspiegel nicht erfasste Marktsegment der preisgebundenen Wohnungen bestehen - jedenfalls bezogen auf Berlin - keine weitergehende Bedenken. Mit dem Wegfall der Anschlussförderung für Objekte des Sozialen Wohnungsbaus, bei denen die 15jährige Grundförderung ab dem 1.1.2003 endet (dazu BVerwGE 126, 33), und dem Verzicht auf die entsprechenden Belegungsbindungen sank der Anteil mietpreisgebundener Sozialwohnungen bis Ende 2006 auf knapp 12 % des Gesamtwohnungsbestandes (vgl Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 2007, S 30 unter Bezugnahme auf Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung). Hilfebedürftige werden damit in erster Linie auf die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt angewiesen sein.

23

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig, wovon das LSG im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen ist (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Über das Baualter können zwar sehr vergröbernd Rückschlüsse auf die Bauweise und den Baustandard gezogen werden. Insbesondere liegt der Ausstattungsgrad von Neubauten im Regelfall über dem Ausstattungsgrad in Gebäuden älterer Bauklassen. Gerade Wohnungen, die in der Nachkriegszeit erbaut worden sind, haben häufig einen wesentlich geringeren Ausstattungsgrad. Aus dem Mietspiegel allein lässt sich jedoch nicht ersehen, inwieweit gerade Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, die den Rückschluss zulassen, im konkreten Vergleichsraum sei eine "angemessene" Wohnung tatsächlich anmietbar. Zudem birgt die Verweisung auf bestimmte Bauklassen verdeckt die Gefahr einer Gettoisierung. Solange nicht statistisch valides Material vorliegt, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile einer Stadt - prägen, erscheint es nicht zulässig, allein bestimmte Bauklassen in Bezug zu nehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bauklassen, die den Standard von Neubauten abbilden. Zwar werden eine ganze Anzahl von Neubauten einen Ausstattungsgrad haben, der über das in Bezug zu nehmende Segment nach § 22 SGB II hinausgeht. Eine generelle Festlegung, der Hilfeempfänger sei schlechterdings von der Anmietung einer solchen Wohnung ausgeschlossen, lässt sich aber nicht treffen (vgl auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Erst wenn weitergehendes Material erkennen lässt, dass Gebäude dieser Bauklassen den Mietmarkt des unteren Marktsegments nicht maßgeblich mitprägen, kommt eine Außerachtlassung der Mietpreise für solche Bauklassen in Betracht.

24

Allerdings weist der Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad) gesondert aus. Es handelt sich einerseits um Wohnungen mit "Ofenheizung", bei denen sich der Mieter der Wohnung mit der Versorgung mit Kohlen und der Entsorgung der Asche befassen muss (vgl LG Berlin Urteil vom 15.1.2007 - 67 S 305/06 - juris RdNr 13), und andererseits oder kumulativ um Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder Küche) waschen, aber nicht duschen können. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden. Dem lässt sich nicht mit dem LSG entgegenhalten, diese Werte seien einzubeziehen, um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten. Wenn solche Wohnungen nicht den unteren, sondern den untersten Standard abbilden, gehören sie von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung des qualifizierten Mietspiegels unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet.

25

cc) Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete, wie ihn das LSG vorgenommen hat, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht. Die Bildung arithmetischer Werte bietet gerade bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment abbildet. Die sog Tabellenmethode, nach der der Berliner Mietspiegel erstellt ist, stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen (hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen. Zwischen den einzelnen (insgesamt 113 besetzten) Rasterfeldern bestehen keine Beziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem einzelnen, mit den drei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Einzelne Felder haben also je nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt. Weil die Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird.

26

Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen. Solche Rückschlüsse, die aus weitergehendem Material (das etwa auch der Träger der Grundsicherung auf Grund eigener Erhebungen einführen könnte) getroffen werden, müssen gerichtlich überprüfbar sein. Dies trifft aber auf die Grundlagendaten für qualifizierte Mietspiegel entgegen der Auffassung des LSG zu. Für einen qualifizierten Mietspiegel ist immer eine Primärdatenerhebung erforderlich, also die Erhebung von Daten, die ausschließlich zum Zweck der Mietspiegelerstellung erhoben wurden. Die Daten der Primärdatenerhebung müssen repräsentativ sein, die gezogene Stichprobe muss ein realistisches Abbild des Wohnungsmarktes abgeben (vgl im Einzelnen Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl 2008, § 558d RdNr 7). Die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze muss in einer öffentlich zugänglichen Dokumentation niedergelegt sein (aaO RdNr 10). Es erscheint damit durchaus sinnvoll, solche Grundlagendaten bei Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Konzepts heranzuziehen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Auswertung dieser bereits vorhandenen Daten zu einem erhöhten (über einfache Rechenschritte hinausgehenden) Aufwand bei den Gerichten führen muss. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist in erster Linie der kommunale Träger für solche notwendig erscheinenden Auswertungen im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin der Fall ist.

27

Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.

28

d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Schon der Wortlaut des § 22 Abs 1 SGB II zeigt, dass diese Kosten zu den KdU für einen Hilfebedürftigen gehören und nicht - wie die Heizkosten - getrennt erfasst werden sollen. Zur realistischen Abbildung eines abstrakt angemessenen Mietpreises ist die Einbeziehung des Faktors "kalte Betriebskosten" erforderlich. Dies entspricht den mietrechtlichen Vorgaben im Mietwohnungsbau, an denen sich der Gesetzgeber des SGB II wegen der KdU orientiert. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (vgl nur Blank in Blank/Börstinghaus, aaO, § 556 RdNr 1). Auch der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum kann Betriebskosten nur als gesondert abzurechnende Kosten auf den Mieter abwälzen (vgl § 20 der Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen - Neubaumietenverordnung - BGBl 1990, 2204 idF BGBl I 2003, 2346).

29

Eine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs 1 und 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufstellung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen(BetrKV; vom 25.11.2003, BGBl I 2346 ) normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt angemessenen Kosten iS des § 22 Abs 1 SGB II sind die dort genannten Betriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten. Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. Zutreffend geht das LSG davon aus, dass solche Werte möglichst aktuell sein müssen, um sichere Rückschlüsse auf das Preisniveau im jeweiligen Vergleichsraum zu geben. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell sind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die Werte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen Preisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich.

30

5. Zutreffend hat das LSG die Prüfung der Angemessenheit der Heizkosten getrennt von den übrigen Unterkunftskosten auf Grundlage der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG durchgeführt und die tatsächlichen Aufwendungen als angemessen angesehen.

31

6. Sollten sich die Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung als unangemessen erweisen, könnten dem Kläger höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zustehen. Soweit danach die Aufwendungen für die Unterkunft den den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder in sonstiger Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese Prüfung wird das LSG auf Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung abschließend erneut durchzuführen haben, wobei nicht erkennbar ist, dass die entsprechende Prüfung im angefochtenen Urteil für sich genommen rechtsfehlerhaft war. Die bislang vorgenommenen tatrichterlichen Würdigungen entziehen sich einer eigenständigen Bewertung durch das Revisionsgericht.

32

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Klägerin im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen zustehen.

2

Die alleinstehende Klägerin bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum eine 48 qm große Wohnung in München. Sie hatte eine mietvertragliche Verpflichtung in Höhe von 745 Euro (690 Euro Nettokaltmiete zzgl 55 Euro Betriebskosten) monatlich. Die Vorauszahlung für die Gasversorgung betrug 97 Euro im Monat (lediglich im Februar 2008: 107 Euro wegen einer Nachforderung; Bruttowarmmiete 835,67 Euro).

3

Ende August 2006 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihre Nettokaltmiete die zulässige Höchstgrenze von 397,30 Euro monatlich überschreite. Die Klägerin wurde aufgefordert, sich bis Ende Februar 2007 um eine Minderung der Unterkunftskosten zu bemühen. Ab dem 1.3.2007 werde die Unterkunftsleistung auf die angemessene Höhe abgesenkt.

4

Für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.5.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II, welches Leistungen für KdUH in Höhe von 813 Euro monatlich umfasste (Bescheid vom 29.11.2006 idF des Bescheides vom 19.12.2006). Ab 1.3.2007 senkte er die Leistungen für die Kaltmiete auf die von ihm als angemessen befundene Mietobergrenze herab (Bescheide vom 13.2.2007). Für den Zeitraum bis 31.5.2007 hat das LSG mit dem hier angefochtenen Urteil vom 11.7.2012 diese Entscheidung des Beklagten aufgehoben. Hiergegen sind die Beteiligten nicht in die Revision gegangen.

5

Für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin schlussendlich Leistungen für KdUH in Höhe von 496,45 Euro für ihre brutto-kalten Mietaufwendungen (441,45 Euro Nettokaltmiete + 55 Euro Betriebskosten) und übernahm im Verlaufe des Gerichtsverfahrens ihre Aufwendungen für Gas abzüglich der Warmwasserpauschale in tatsächlicher Höhe (Bescheid vom 23.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 und des Änderungsbescheides vom 14.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008, dieser in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009). Ebenso verfuhr der Beklagte für den Zeitraum vom 1.12.2007 bis zum 31.5.2008 (Bescheid vom 22.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008). Durch Bescheid vom 7.5.2008 (in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009) setzte der Beklagte diese Praxis für den Leistungszeitraum vom 1.6.2008 bis zum 30.11.2008 zunächst fort. Ab dem 1.7.2008 erhöhte er jedoch den Leistungsanteil für die Bruttokaltmiete der Klägerin auf 504,21 Euro (Nettokaltmiete 449,21 Euro + 55 Euro kalte Nebenkosten) und wies unter Einbeziehung dieser Änderung (Bescheid vom 3.7.2008) den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 25.9.2008 zurück (idF der Änderungsbescheide vom 15.12.2008 und 29.4.2009).

6

Das SG hat die miteinander verbundenen Klagen auf Übernahme der tatsächlichen Mietaufwendungen abgewiesen (Urteil vom 26.11.2009). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG geändert. Soweit es den Zeitraum vom 1.3. bis 31.5.2007 betrifft, hat es die Bescheide wie benannt aufgehoben. Zudem hat es den Beklagten unter Abänderung der weiteren Bescheide verurteilt, der Klägerin über die bereits bewilligten Leistungen hinaus KdUH in Höhe von 9,88 Euro für den Monat Februar 2008 - für eine Heizkostennachforderung - und in Höhe von jeweils 0,12 Euro für die Monate Juli bis November 2008 wegen unzutreffender Anwendung der Rundungsregelung zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zwar fehle es dem Beklagten an einem schlüssigen, nachvollziehbaren Konzept zur Ermittlung der angemessenen KdUH iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die vom Beklagten für einen Ein-Personen-Haushalt übernommenen Aufwendungen der Klägerin für die Bruttokaltmiete in Höhe von 496,45 Euro im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.6.2008 und 504,21 Euro im Zeitraum vom 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 seien jedoch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. G K angemessen gewesen. Die für den Mietspiegel 2007 der Stadt München erhobenen und vom Sachverständigen ausgewerteten Daten betreffend Wohnungen "um die 50 qm" - in der Gestalt von gewichteten 243 Wohnungen zwischen 46 und 54 qm - bildeten eine geeignete Grundlage zur Berechnung der angemessenen Aufwendungen für die Bruttokaltmiete iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Erfassung lediglich von Bestandsmieten und die Nichtberücksichtigung preisgebundenen Wohnraums stünden dem nicht entgegen. Zudem beruhe der Mietspiegel 2007 auf dem für den streitgegenständlichen Zeitraum aussagekräftigsten Zahlenmaterial, welches selbst auf einer repräsentativen Stichprobe fuße. Die Auswertung des Datenmaterials durch den Sachverständigen habe unter Anwendung statistisch anerkannter Methoden stattgefunden und ergeben, dass mit den gewährten Mitteln ausreichend angemessener Wohnraum im Stadtgebiet München gefunden werden könne. Es drohe auch keine Konzentration von Leistungsempfängern in bestimmten sozialen Brennpunkten/Stadtbezirken. Ebenso wenig könne unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der Klägerin festgestellt werden, dass eine abstrakt angemessene Wohnung nicht tatsächlich auf dem Wohnungsmarkt hätte angemietet werden können. Zutreffend erfolgt sei auch der Abzug der Warmwasserpauschale aus den vom Beklagten übernommenen monatlichen Abschlägen für die Versorgung der Klägerin mit Erdgas (Urteil vom 11.7.2012).

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe den Begriff der Angemessenheit des § 22 SGB II rechtsfehlerhaft angewandt. Zutreffende Konsequenz aus der Feststellung, der Beklagte verfüge über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Miete, hätte die Annahme einer Unmöglichkeit zur Kostensenkung sowie der Verurteilung zur Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen sein müssen. Die vom Beklagten herangezogene Mietobergrenze sei zu gering. Bei seinen Ermittlungen habe das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht zutreffend umgesetzt. Die erhobenen und ermittelten Daten seien nicht repräsentativ. Zudem käme es bei Übertragung der Daten zu einer "Ghettoisierung". Die Annahme, zur gewährten Mietobergrenze sei 1/5 der Wohnungen in München generell zu diesem Preis verfügbar, sei unzutreffend. Bereits die dem Sachverständigen gestellten Fragen seien teilweise problematisch. Die Beweisanordnung sei schon durch die Bezugnahme auf den Mietspiegel vorbestimmt gewesen. Das LSG habe bei der Fragestellung antizipiert, dass die Rohdaten des Mietspiegels und eine diesbezügliche Konzentration auf 20 % des maßgeblichen Wohnraums geeignet seien, ein zutreffendes Bild des Mietmarkts im streitgegenständlichen Zeitraum zu zeichnen. Die 20 %-Grenze sei willkürlich gezogen. Tatsächlich dürften nicht nur 5,3 % der Gesamtbevölkerung Wohnungen im unteren Marktsegment suchen, sodass ein Verweis auf die vom LSG in die Auswertung nicht einbezogenen Sozialwohnungen problematisch sei. Dies zeige sich bereits daran, dass nicht Ortsansässige auf solche Wohnungen mindestens fünf Jahre warten müssten. Im Gutachten unberücksichtigt geblieben seien auch Aspekte, die zu einer Erhöhung der Quadratmeterpreisberechnung geführt hätten, wie zB ein Zuschlag für eine Küche. Auch bei absoluter Betrachtung sei die Stichprobe viel zu gering, um daraus die Verfügbarkeit von Wohnraum ableiten zu können. Es gäbe auf dem Münchener Mietmarkt nicht etwa 20 % Wohnungen um 50 qm, sondern nur zwischen 1,31 % und 4,8 %. Das LSG habe zudem in entscheidungserheblicher Art und Weise gegen § 103 SGG verstoßen, indem es einem Antrag auf Vernehmung des Haus- und Grundbesitzervereins München und Umgebung eV, gesetzlich vertreten durch Rechtsanwalt S, als Sachverständigen keine Folge geleistet habe. Das LSG habe auch, obwohl die Klägerin nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, keinerlei Hinweis darauf gegeben, dass eine weitere Beweisaufnahme aus seiner Sicht entbehrlich sei.

8

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 und Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 26. November 2009 sowie Änderung der Bescheide des Beklagten vom 23. April 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. August 2007, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2007 und in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 sowie des Änderungsbescheides vom 29. April 2009, des Bescheides vom 22. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008, diese in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. April 2009 und des Bescheides vom 7. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Juli 2008, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15. Dezember 2008 sowie 29. April 2009, zu verurteilen, ihr über die bereits im Urteil des Landessozialgerichts zuerkannten Leistungen hinaus für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis 30. November 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Zugrundelegung der tatsächlichen Mietzahlungsverpflichtung zu gewähren.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Das LSG sei der Rechtsprechung des BSG gefolgt, als es selbst Ermittlungen zur Angemessenheit der Mietobergrenze vorgenommen habe. Die Zugrundelegung einer 20 %-Grenze durch das LSG fülle das durch die Rechtsprechung des BSG vorgegebene "untere Marktsegment" aus. Zudem habe das LSG keine Abschläge bei der Miete berücksichtigt, sondern dies vielmehr für unzulässig erachtet. Die erhobenen Daten seien entgegen der Auffassung der Klägerin auch repräsentativ. Regressionsmietspiegel, wie der für München erstellte, kämen mit einer kleineren Stichprobe als sog Tabellenmietspiegel aus. Die im Mietspiegel erfassten Bestandsmieten seien lediglich solche aus den letzten vier Jahren vor der Stichprobe. Die Daten für den Mietspiegel seien zwar im Auftrag der Stadt München, aber durch ein unabhängiges Marktforschungsinstitut erhoben und ausgewertet worden.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

12

Die Entscheidung des LSG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat der Klägerin schlussendlich im hier streitigen Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe iS des § 22 Abs 1 SGB II erbracht.

13

1. Streitgegenstand sind höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis 30.11.2008, als sie in den Bescheiden des Beklagten für die Zeiträume vom 1.6.2007 bis 30.11.2007, 1.12.2007 bis 31.5.2008 und 1.6.2008 bis 30.11.2008 festgestellt worden sind.

14

Nicht Streitgegenstand ist die Höhe der Leistungen für den vorhergehenden Zeitraum ab dem 1.3.2007. Der erkennende Senat brauchte daher nicht darüber zu befinden, ob sich das LSG zur Begründung seiner Aufhebungsentscheidung zutreffend auf § 45 SGB X gestützt hat oder nicht § 48 SGB X hätte zugrundelegen müssen. Denn es liegt nahe, bei der Umsetzung einer angekündigten Absenkung der Leistungen für Unterkunft von einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse auszugehen. Die Klägerin hat sich jedoch in ihrer Revision nicht gegen die Höhe der Leistungen in diesem Zeitraum gewandt - obwohl sie niedriger waren, als ihre tatsächlichen Aufwendungen - und der unterlegene Beklagte ist nicht in die Revision gegangen. Das Urteil des LSG ist insoweit rechtskräftig geworden.

15

Ebenfalls rechtskräftig geworden ist die Entscheidung des LSG im Hinblick auf die zu Lasten des Beklagten vorgenommene Anwendung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist) und die Verurteilung zur Zahlung eines Betrags von 9,88 Euro für die Gaskostennachforderung im Monat Februar 2008. Der Beklagte ist auch hiergegen nicht in die Revision gegangen.

16

2. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin ihre Anfechtungs- und Leistungsklage auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt hat (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl auch BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11). Hieran hat sich - wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat - durch die Neufassung des § 19 SGB II aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) für laufende Verfahren über vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte - wie es auch hier der Fall ist - nichts geändert (BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 11; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

17

3. An dem Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 22 SGB II an die einkommens- und vermögenslose, alleinstehende Klägerin bestehen nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG keine Zweifel.

18

4. Die der Klägerin von dem Beklagten bewilligten Leistungen für Unterkunft in Höhe von 496,45 Euro für ihre Mietaufwendungen (brutto/kalt) ab dem 1.6.2007 und 504,21 Euro (ebenfalls brutto/kalt) ab dem 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Rechtsgrundlage für die hier umstrittene Höhe der Leistungen sind §§ 19, 22 SGB II. Danach werden im Rahmen des Alg II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als im Hinblick auf den pauschalierten Regelbedarf - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, zur Bestimmung der Leistungshöhe auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die Leistungen nicht in beliebiger Höhe zu erbringen, sondern nur insoweit, als die tatsächlichen Aufwendungen für Miete und Heizung angemessen sind. Die Angemessenheit begrenzt somit die zu erbringenden Leistungen der Höhe nach. Die Begrenzung der Leistungen für KdU - die Aufwendungen der Klägerin für Heizkosten hat der Beklagte schlussendlich in tatsächlicher Höhe abzüglich der Warmwasserpauschale erbracht - ab dem 1.6.2007 auf die vom Beklagten befundene Höhe ist im vorliegenden Fall rechtmäßig.

19

a) Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 12). Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze ist daher auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen (vgl BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 17). Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des BSG zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist.

20

aa) Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße hat das LSG hier zutreffend mit 50 qm bestimmt. Es hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückgegriffen, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 12). Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen festlegen, bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt. Der erkennende Senat sieht diesen Anknüpfungspunkt zwar als problematisch an (vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität ist aber wenigstens solange, wie nicht eine Satzung über die angemessenen KdU iS von §§ 22a ff SGB II vorliegt, in welcher grundsätzlich andere Wohnraumgrößen festgelegt werden können(vgl § 22b Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), an diesem Maßstab festzuhalten. Nach den Bestimmungen des Freistaates Bayern in den Wohnraumförderbestimmungen (Wohnraumförderbestimmungen der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 11.11.2002 und vom 4.12.2007 ) ist auch für die Stadt München eine angemessene Wohnungsgröße von 50 qm für einen Ein-Personen-Haushalt zugrunde zu legen.

21

bb) Das LSG hat auch zutreffend erkannt, dass die für Leistungsberechtigte infrage kommende Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen muss, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 13). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen. Das BSG hat jedoch auch klargestellt, dass die Referenzwohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Standard abbilden, von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand gehören, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung auch der hinter einem qualifizierten Mietspiegel stehenden Daten unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet(BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 29; s auch BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - RdNr 23; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - , RdNr 14). Diesen Voraussetzungen wird die Entscheidung des LSG hier gerecht, wenn das Gericht die hinter dem qualifizierten Mietspiegel für die Stadt München liegenden Daten aus den Jahren 2007 heranzieht. Denn die Daten dieses Mietspiegels umfassen weder Wohnungen in einfacher Wohnlage (Wohnungen in abgelegenen Gebieten mit unzureichender Infrastruktur und/oder Nähe zu größeren Gewerbe- und Industriegebieten, Entsorgungs- oder militärischen Anlagen) noch Wohnungen mit einfachster Ausstattung, deren Toilette, Küche oder Bad von anderen Mietparteien mitbenutzt werden, die nicht über Küche und Toilette verfügen und Wohnungen im Untergeschoss (Mietspiegel München 2007, S 5, 11 und Mietspiegel München 2009, S 4, 5, 11).

22

cc) Auch soweit das LSG die gesamte Stadt München als maßgeblichen Vergleichsraum angesehen hat, sind Rechtsfehler nicht erkennbar. Der Senat hat bereits für Großstädte wie München entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Hiervon kann nach den Feststellungen des LSG bei dem vom Mietspiegel München umfassten Stadtgebiet ausgegangen werden; die Beteiligten haben hiergegen auch keine Revisionsrügen erhoben.

23

dd) Das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze sowie das Ergebnis der Überprüfung sind ebenfalls grundsätzlich nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Überprüfung der vom Beklagten angenommenen Referenzmiete, zur Bestimmung also, wie hoch die angemessenen Aufwendungen für eine Wohnung einfachen Standards einer bestimmten Größe in einem bestimmten Vergleichsraum sind, ist es Ziel, einen Mietpreis hierfür zu ermitteln, um so die angemessenen Aufwendungen bestimmen zu können ("Referenzmiete", vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17).

24

Eine pauschale bundeseinheitliche Grenze (Quadratmeterpreis) scheidet hierbei aus. Es ist auf die konkreten Verhältnisse abzustellen. Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16) auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; vgl auch BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 7). Entscheidend ist jedoch, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zugrunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist.

25

Dabei ist es zuvörderst Angelegenheit der Grundsicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten sind (vgl § 40 Abs 1 SGB II iVm § 20 SGB X). Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit von ihm vorzulegen. Entscheidet der Leistungsträger - wie auch hier - ohne eine hinreichende Datengrundlage, führt dies entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch nicht ohne Weiteres dazu, dass automatisch die Leistungen für KdU in tatsächlich entstehender Höhe zu übernehmen wären. Vielmehr ist die Verwaltung im Rahmen ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1, 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und auf Verlangen des Gerichts eine ggf unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, geht diese Ermittlungspflicht zwar nicht ohne Weiteres auf das SG über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht schlüssig erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind (idS BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, juris RdNr 27; vgl auch BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 34). Andererseits haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate jedoch bereits entschieden, dass dann, wenn Datenmaterial für den Vergleichsraum vorhanden ist, etwa noch auswertbare Daten, die die Grundlage für die Erstellung zumindest eines qualifizierten Mietspiegels geboten haben, diese im Rahmen der Amtsermittlungspflicht der Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Überprüfung der von dem Beklagten gewählten Angemessenheitsgrenze heranzuziehen sind (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

26

Gemessen an diesen Vorgaben ist es nicht zu beanstanden, dass das Tatsachengericht hier die für die Ermittlung der angemessenen KdU erforderlichen Daten vom Grundsicherungsträger eingeholt bzw angefordert und diese anschließend durch einen Sachverständigen hat auswerten lassen. Das LSG durfte sich ebenfalls im Rahmen seiner Ermittlungen hinsichtlich der Anknüpfungstatsachen (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO) an dem Datenbestand orientieren, der für die Erstellung des Mietspiegels für die Stadt München erhoben wurde.

27

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Tatsachenvorgabe auch nicht mit durchgreifenden Zweifeln behaftet. Das BSG vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich die Grundsicherungsträger für die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze (ausschließlich) an dieser Art des Datenbestandes orientieren dürfen. Für das gerichtliche Ermittlungsverfahren gelten keine strengeren Anforderungen (BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 25; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

28

ee) Ebenso genügt das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze von 496,45 Euro vom 1.6.2007 bis 30.6.2008 und ab dem 1.7.2008 von 504,21 Euro brutto kalt sowie das Ergebnis der Überprüfung im konkreten Fall den Vorgaben des BSG. Der erkennende Senat hat entschieden, dass ein Konzept ein planmäßiges Vorgehen iS einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Raum sei (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Von der Schlüssigkeit eines Konzepts ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 20):

-       

Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen,

-       

es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

-       

Angaben über den Beobachtungszeitraum,

-       

Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),

-       

Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

-       

Validität der Datenerhebung,

-       

Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

-       

Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

29

Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Durch den Rückgriff des LSG auf die Daten des Münchner Mietspiegels 2007 wird die Datenerhebung auf ein bestimmtes Gebiet (hier: die Stadt München) begrenzt - der Vergleichsraum ist damit genau eingegrenzt und es werden nicht nur Mieten bestimmter Stadtbezirke in die Auswertung einbezogen, sondern Daten über das gesamte Stadtgebiet erhoben (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Einer Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke, die auf eine nur begrenzte Nutzung des Datenbestandes oder eine nur begrenzte Datenerhebung zurückzuführen sein könnte, ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG auch nicht festzustellen. Abgesehen davon, dass die entgegengesetzte Behauptung der Klägerin eine - der Revision entzogene (vgl § 163 SGG) - Tatsachenbehauptung darstellt, erfolgt hier nach den Feststellungen des LSG keine Begrenzung des Raumes der Datenerhebung auf besonders "heruntergekommene" und daher "billige" Stadtbezirke, sondern die Ermittlung bezieht sich auf das Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw räumlichen Vergleichsraum. Zwar folgt aus dieser Betrachtung nach dem Sachverständigengutachten, dass in einigen Stadtbezirken Münchens Wohnungen mit einer Größe "um 50 qm" und einer Bruttokaltmiete bis zu 450 Euro nicht zu finden sind. Dieses Ergebnis betrifft jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Frage, ob die Datenerhebung über den gesamten Vergleichsraum erfolgt ist. Soweit sie hier die Forderung des BSG nach einer Vermeidung von Ghettoisierung behandelt, hat der Senat im Übrigen Zweifel, ob angesichts des vom LSG festgestellten Vorhandenseins von Wohnungen zu einem Mietzins noch unterhalb der von dem Beklagten als Referenzgröße angenommenen (450 Euro ./. rund 500 Euro) in 18 von 26 Stadtbezirken das Risiko einer Ghettobildung besteht.

30

Nicht zu beanstanden ist auch die Vorgehensweise des LSG auf den Datenbestand des qualifizierten Mietspiegels für München zurückzugreifen, obwohl bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist und Wohnraum nicht berücksichtigt wird, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, weil §§ 558 ff BGB nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung findet. Mit der Entscheidung des BSG, dass die hinter einem Mietspiegel liegenden Daten grundsätzlich geeignet sind, auch die grundsicherungsrechtliche Angemessenheitsgrenze zu bestimmen (s nur BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29), ist die Konsequenz verknüpft, dass alsdann keine Angebotsmieten in die Datenerhebung einfließen müssen (anderes für andere Datenquellen: BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 25 RdNr 20; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 24; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 102 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 22). Die hiervon ausgehenden Wirkungen auf die Mietpreisgrenze werden jedoch dadurch gemindert, dass im Rahmen der Datenauswertung lediglich solche Mieten berücksichtigungsfähig sind, die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart wurden (vgl § 558 Abs 2 BGB; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 3). Dadurch wird erreicht, dass nur aktuell zu zahlende Mieten der Datenerhebung zugrunde gelegt werden. Gewährleistet wird durch den Rückgriff auf die Daten des Mietspiegels zudem, dass Wohnraum, dessen Miete keinen zuverlässigen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten bringen kann, wie es etwa für Wohnraum in Wohnheimen oder Herbergen und Gefälligkeitsmietverhältnissen (zB Vereinbarung von besonders niedrigen Mieten zwischen Verwandten) der Fall ist, nicht berücksichtigt wird.

31

Der Rechtsprechung des BSG folgend hat das LSG auch zutreffend die Bruttokaltmiete als Beobachtungsgegenstand der Datenerhebung gewählt (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23 zur Nettokaltmiete als Vergleichsbasis; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34; BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Dieses Vorgehen gewährleistet für die Leistungsberechtigten die Möglichkeit innerhalb des die Angemessenheit bestimmenden Produkts aus Wohnungsgröße und Ausstattung tatsächlich frei wählen zu können; die Möglichkeiten der Produkttheorie also ausschöpfen zu können. Ebenso wenig ist es hier zu beanstanden, dass durch den Rückgriff auf die Bruttokaltmiete sämtliche kalten Nebenkosten in die Überprüfung der vom Beklagten zugrunde gelegten Angemessenheitsgrenze eingeflossen sind. Denn bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten im Vergleichsraum kommt es nicht darauf an, ob existenzsicherndes Wohnen in (gedachten) Wohnungen möglich ist, in denen der in den Betriebskostenarten, wie zB Kosten für Straßen- und Gehwegreinigung, Hausreinigung, Gartenpflege und Schneebeseitigung durch Dritte, Gemeinschaftsantenne/Kabelanschluss und Aufzug, zum Ausdruck kommende Wohnungsstandard nicht gewährleistet ist. Es geht vielmehr darum "die Wirklichkeit", also die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums, abzubilden (vgl nur BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 21). Dort, wo statistische Daten zur Bestimmung der kalten Nebenkosten gerade im unteren Wohnsegment nicht vorliegen, hat es das BSG daher für zulässig befunden, auf bereits vorliegende Daten zurückzugreifen. Eine weitergehende Gewichtung hat das BSG nicht vorgenommen, weil nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 34 zu Betriebskostenübersichten und die Bildung eines Durchschnittswertes). Aus der Heranziehung von Werten aus allen Mietverhältnissen folgt zwar - weil er den gesamten Mietmarkt erfasst - in der Tendenz ein höherer Bruttokaltmietpreis, als dies bei Auswertung nur des Teilsegments der Fall wäre, auf das Leistungsberechtigte nach dem SGB II zu verweisen sind. Sofern eine entsprechend differenzierte Datenlage aber nicht vorliegt, also eine Auswertung des Teilsegments mit vernünftigem Aufwand ausscheidet, ist eine solche Vergröberung erforderlich, um mit ausreichender Sicherheit zu gewährleisten, dass in jedem Marktsegment - auch in dem in Bezug zu nehmenden unteren Segment - eine genügende Anzahl an Mietverhältnissen zu diesem Preis vorhanden ist. Dies wirkt sich im Übrigen auch nur zugunsten der Leistungsberechtigten aus.

32

Ebenfalls zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG hat das LSG bei der Bestimmung des Beobachtungsgegenstandes eine Größenbeschränkung vorgenommen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris; vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen zur Bestimmung der Wohnungsgröße nach den maßgeblichen Wohnraumfördervorschriften verwiesen. Im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, dass das LSG die Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes durch den Sachverständigen auf Wohnungen "um die 50 qm" gebilligt hat. Eine Beschränkung auf die Wohnungen, die exakt eine Größe von 50 qm aufweisen, würde zu einer zu starken Reduzierung der in die Betrachtung einzubeziehenden Wohnungen führen. Die Gewichtung auf 243 Wohnungen unter Berücksichtigung der aus dem Datenbestand entfernten Wohnungen begegnet ebenfalls keinen Bedenken, da hinter den gelöschten Datensätzen der ursprünglich 331 Wohnungen auch für das schlüssige Konzept nicht heranzuziehende Wohnungen waren.

33

Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das LSG die Begrenzung der Datenerhebung auf die Zeitpunkte 1.7.2007 und 1.7.2008 vorgenommen hat. Das BSG hat es insoweit für die Datenerhebung im Rahmen eines schlüssigen Konzepts für erforderlich gehalten, dass "Angaben über den Beobachtungszeitraum" gemacht werden können (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Auch ist das im Beobachtungszeitraum verwendete Zahlenmaterial nach den Feststellungen des LSG hinreichend aussagekräftig. Die für den Münchner Mietspiegel 2007 verwendeten Daten wurden zwar zum Stichdatum 1.1.2006 erhoben. Der Sachverständige hat die Werte für den hier noch streitgegenständlichen Zeitraum jedoch in vertretbarer Art und Weise nach anerkannter wissenschaftlicher Methodik für die weiteren zugrunde gelegten Stichdaten 1.7.2007 und 1.7.2008 fortgeschrieben. Die Klägerin wurde hierdurch nicht schlechter gestellt, als sich aus den Ausführungen des LSG zu der für den Münchner Mietspiegel 2011 erfolgten Datenerhebung ergibt, da die Stichprobe keinen solchen Preisanstieg ergeben hat, wie nach der Hochrechnung der Ergebnisse des Mietspiegels 2007 erwartet.

34

Soweit das LSG auf die Daten des Mietspiegels für München zurückgegriffen hat, hält dies, wie oben bereits ausgeführt, einer Überprüfung Stand. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" hat das LSG hier eine "Stichprobe" zur Basis seiner Überprüfung der Angemessenheitsgrenze des Beklagten gemacht (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 24). Insoweit gilt, dass eine Anlehnung hinsichtlich des Stichprobenumfangs und der Auswertung etc an den für Mietspiegel geltenden Standard nicht zu beanstanden ist (vgl zum Stichprobenumfang: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 38 f). Im Hinblick auf einen qualifizierten Mietspiegel hat der erkennende Senat bereits darauf hingewiesen, dass bei dessen Erstellung die Repräsentativität der Stichprobe durch die Annahme der Chance gleicher Wahrscheinlichkeit der Abbildung der im Detail unbekannten Realität der Grundgesamtheit des Gesamtwohnungsbestandes fingiert werde (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 24; s auch Gautzsch, Sozialrecht aktuell 2011, S 137, 139) und eine umfassende verfahrensrechtliche Absicherung durch die beteiligten Interessengruppen stattfinde. Daher sei die Repräsentativität und Validität der Datenerhebung für einen Mietspiegel auch im Rahmen des schlüssigen Konzepts regelmäßig als ausreichend anzusehen (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 28). Einwände gegen die Methodik der Erhebung der Daten für den Münchner Mietspiegel 2007 sind nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Allein die Kritik an den gezogenen Schlüssen genügt insoweit nicht, um die statistische Methodik der Datenerhebung in Frage zu stellen.

35

Denn es handelt sich auch bei der für den Raum München gezogenen Stichprobe des Regressionsmietspiegels 2007 um eine repräsentative Stichprobe. Beim Regressionsmietspiegel wird davon ausgegangen, dass die Miete einer Wohnung sich aus der Bewertung ihrer Wohnwertmerkmale durch die Marktpartner ergibt und dieser Zusammenhang mit einer mathematischen Gleichung beschrieben werden kann. Jedes Merkmal leistet dabei einen Beitrag zum Mietpreis der Wohnung (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 40). Daher kommen Regressionsmietspiegel im Vergleich zum Tabellenmietspiegel mit einer kleineren Stichprobe aus. Denn der Regressionsmietspiegel nutzt die Informationen der gesamten Stichprobe und nicht nur von Teilmengen, wie sie hinter den jeweiligen Tabellenfeldern des Tabellenmietspiegels stehen (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 39). Für die Stichprobe gilt, dass sie proportional vorzunehmen ist, also dass in einer solchen Stichprobe alle wesentlichen Teilmengen der Grundgesamtheit in ähnlichen Proportionen auch enthalten sind (Börstinghaus/Clar, Mietspiegel, 1997, RdNr 650; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 35). Das LSG hat im Anschluss an den von ihm ernannten Sachverständigen aus einer Stichprobe von mehr als 3000 Wohnungen im gesamten Münchener Stadtgebiet 331 Wohnungen "um die 50 qm" (bestimmt als gewichteter Wohnungsbestand zwischen 46 und 54 qm) zugrunde gelegt. Dieses Verfahren der Stichprobe entspricht dem aktuellen Stand der Forschung, wie auch das LSG in seinem Urteil ausgeführt hat.

36

Dass die für die Erstellung des Münchener Mietspiegels 2007 erhobenen Daten und für das Urteil des LSG zugrunde gelegten Wohnungen "um die 50 qm" keine qualitativen Merkmale einfachen Standards aufwiesen, steht der Auswertung und Verwendung dieser Daten nicht entgegen, denn offensichtlich weisen diese Wohnungen einen höheren als den unteren Standard auf und bewegen sich dennoch im maßgeblichen Preissektor. Umgekehrt ist anzunehmen, dass Wohnungen, die einen geringeren Standard aufweisen, zu noch günstigeren Konditionen angemietet werden können. Die vom LSG verwendete Datengrundlage ist auf diese Art und Weise zugunsten der Klägerin vergrößert worden. Die vom Sachverständigen vorgenommene und vom LSG akzeptierte Gewichtung der Wohnungen um 50 qm, die dazu beiträgt, dass die Stichprobe letztlich 243 Wohnungen umfasst, führt im Übrigen dazu, dass Wohnungen, die nicht dem Standard entsprechen, der im Rahmen der Überprüfung durch das "schlüssige Konzept" zugrunde zu legen ist, aus der Auswertung von vornherein ausgeschieden worden sind.

37

Dass das LSG von den ermittelten Wohnungen "um die 50 qm" letztlich die unteren 20 % des preislichen Segments zur Grundlage seiner Entscheidung über die Angemessenheit gemacht hat, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Die Grenzziehung nach der Höhe des Mietpreises im Vergleichsraum ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, weil die Stichprobe eine klare Definition des Untersuchungsgegenstandes nach "unten" und nach der Größe beinhaltet - anders als wenn ausschließlich ausgehend vom Mietpreis die Höhe der angemessenen Mietaufwendungen bestimmt wird. Es sind hier bereits bei der Datenerhebung lediglich Wohnungen mit mehr als einfachstem Standard in einer Größe von 46 bis 54 qm zugrunde gelegt worden. In die Erhebung einbezogen werden damit zugleich auch Daten für Wohnungen mittleren, gehobenen und luxuriösen Standards. Um diese bei der Auswertung alsdann wieder auszuscheiden, denn sie sind für Leistungsbezieher im Grundsicherungsrecht nicht angemessen, kann auf die Grenze "20%" zurückgegriffen werden. Dies entspricht einer Orientierung an den unteren 20 % der Einkommensbezieher. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG überschreitet im Vergleichsraum München auch mindestens 1/5 der Wohnungen mit grundsicherungsrechtlich zugrunde zu legendem Standard nicht die festgestellte Mietobergrenze, die der Beklagte gewählt hat, sondern liegt noch unter dieser.

38

Soweit die Klägerin vorbringt, für den vom Beklagten festgesetzten und vom LSG bestätigten Bruttokaltmietpreis sei es tatsächlich nicht möglich, in München eine Wohnung um 50 qm anzumieten, hält diese Behauptung einer Überprüfung unter systematischen Gesichtspunkten nicht Stand. Das BSG hält daran fest, dass dann, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und ihm Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können, davon auszugehen ist, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 36; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 30). Soweit die Klägerin in der Ergänzung ihrer Revisionsbegründung auf die Daten des Münchner Vereins Haus und Grund eV abstellt, rügt sie im Grunde die Auswahl der Datengrundlage, die hier jedoch, wie ausgeführt, nicht zu beanstanden ist.

39

ff) Darin, dass das Berufungsgericht einem schriftsätzlich angekündigten Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Unternehmen "Haus & Grund", vertreten durch Herrn Rechtsanwalt S, nicht gefolgt ist, liegt auch kein Verstoß gegen die Sachermittlungspflicht (vgl § 103 SGG). Das LSG musste sich nicht gedrängt fühlen, dem Beweisantrag der Klägerin nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nachzukommen. Gemäß § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO obliegt es dem Tatsachengericht, dem Sachverständigen den der Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalt - hier den für die Erstellung des Münchner Mietspiegels 2007 erhobenen Datenbestand - vorzugeben. Daraus folgt, dass auch ein anderer als der vom Gericht ernannte Sachverständige seine sachverständigen Schlussfolgerungen aus diesem Datenbestand hätte ableiten müssen. Dass bei Anwendung derselben oder einer anderen mathematisch-statistischen Methode grundlegend andere Ergebnisse gefolgt wären, ist weder von der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich.

40

Dass das LSG eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigte, bedurfte auch keines ausdrücklichen Hinweises an die Klägerin. Eine Hinweispflicht besteht in erster Linie nur dann, wenn ein Beteiligter ausdrücklich um einen entsprechenden Hinweis bittet (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 109 RdNr 9a). Im Übrigen hat sich aus der Ladung des Gerichts zum Termin ergeben, dass eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigt war. Die Tatsacheninstanzen sind zudem nicht verpflichtet, auf das Stellen eines Beweisantrages - wie hier ohnehin schriftsätzlich seitens der Klägerin angekündigt - hinzuwirken (vgl BSG Beschluss vom 5.5.2010 - B 5 R 26/10 B - juris RdNr 10) oder zu einer in Aussicht genommenen Beweiswürdigung Hinweise zu geben (BSG Beschluss vom 31.8.1993 - 2 BU 61/93; BSG Beschluss vom 6.3.2003 - B 11 AL 129/02 B - HVBG-INFO 2003, 1724; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 99). Darauf liefe ein solcher von der Klägerin verlangter Hinweis jedoch hinaus.

41

b) Die Festsetzung der Leistungshöhe unterhalb der tatsächlichen Aufwendungen beruht auch auf einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung (vgl zur Kostensenkungsaufforderung BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 38)iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 mWv 1.8.2006, BGBl I 1706). Danach sind die tatsächlichen Mietaufwendungen - soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen - als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

42

Der Beklagte hat die Klägerin mehrfach, erstmals mit Schreiben vom 29.8.2006, aufgefordert, die KdU zu senken und nach dem Unterlassen jeglicher Kostensenkungsversuche durch die Klägerin eine Absenkung auf die von ihm als angemessen erachtete Höhe der kalten Nettomietaufwendungen in Höhe von 397,30 Euro zum 1.3.2007 angekündigt. Dabei ist es für den hier nur noch streitigen Zeitraum ab dem 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 ohne Bedeutung, dass der Beklagte die "Sechsmonatsfrist" iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II, in der dem Leistungsberechtigten in der Regel die Möglichkeit eingeräumt wird, die nach Auffassung des Beklagten zu hohen Aufwendungen zu senken, zunächst unzutreffend berechnet hatte. Jedenfalls ab dem 1.6.2007 konnte der Beklagte die Unterkunfts- und Heizkosten absenken, denn die Klägerin war über die vom Beklagten als zutreffend befundene Angemessenheitsgrenze hinreichend informiert und ihr war die Kostensenkung auch nicht unmöglich.

43

Der Beklagte hat zwar in seiner Kostensenkungsaufforderung als Referenzmiete eine Nettokaltmiete benannt. Diese Angabe muss in dem hier streitigen Zeitraum jedoch noch als zulässig und ausreichend angesehen werden, um von einer zutreffenden Kostensenkungsaufforderung iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II ausgehen zu können. Noch 2009 hatte der erkennende Senat es offen gelassen, ob die Vergleichsmiete eine Netto- oder eine Bruttokaltmiete sein müsse (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff). Erst 2010 hat der 14. Senat eindeutig bestimmt, dass die Angemessenheitsgrenze durch eine genau zu benennende Bruttokaltmiete zu definieren ist (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; s auch BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34).

44

Unschädlich ist auch, dass der Beklagte die Angemessenheitsgrenze im Verlaufe des Gerichtsverfahrens geändert hat. Denn dies ist einerseits Ergebnis der Auseinandersetzungen der Beteiligten vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und andererseits stellt das Schreiben des Grundsicherungsträgers über die Unangemessenheit der Unterkunftskosten und die Aufforderung zur Kostensenkung lediglich ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion dar. Hält der Leistungsempfänger die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend bzw einschlägig, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche KdU angemessen sind (vgl nur BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 19, unter Hinweis auf BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - juris RdNr 34). Insofern stellt die Kostensenkungsaufforderung seitens des Grundsicherungsträgers lediglich ein "Angebot" dar, in einen Dialog über die angemessenen KdU einzutreten (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40).

45

Gründe, die der Klägerin eine Kostensenkung unzumutbar machen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hat sich nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) auch nicht um eine Kostensenkung bemüht oder anderweitig nachgewiesen, dass es ihr nicht möglich oder zumutbar war, Wohnraum zu der vom Beklagten vorgegebenen Mietobergrenze anzumieten.

46

5. Der Abzug der Kosten für die Warmwasserbereitung von den tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin für die Gaslieferung/Heizung in Höhe von 6,22 Euro für den Monat Juni 2007, 6,26 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2007 bis einschließlich Juni 2008 und 6,33 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2008 bis November 2008 ist nicht zu beanstanden. Höhere Leistungen wegen der Heizkostennachforderung für den Monat Februar 2008 und unter Berücksichtigung der Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II, wie durch das LSG geschehen, stehen der Klägerin nicht zu. Sie hat insoweit auch keine Einwände gegen die Entscheidung des LSG erhoben.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Kuntz wird abgelehnt.

Gründe

 
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 26. Februar 2013 ist zulässig (vgl. § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), sie ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
I.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt.
Im Streit steht hier ein Anspruch des Klägers auf Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form der Übernahme der Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende -SGB II für die Zeit vom 01. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011. Statt des vom Beklagten gewährten Betrages in Höhe von 408,- EUR monatlich möchte der Kläger monatlich 471,47 EUR bekommen, was dem tatsächlich von ihm zu zahlenden Betrag entsprechen würde. Insgesamt sind mithin 380,82 EUR im Streit, so dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt.
II.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des LSG, Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Keine dieser Voraussetzungen liegt vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch weicht das Urteil des SG vom 26. Februar 2013 von Entscheidungen des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG ab, noch liegt ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
III.
1.
Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine oder mehrere Rechtsfragen aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse einer Klärung durch das Berufungsgericht bedürftig und fähig sind. Der Beschwerdeführer müssen daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung, gegebenenfalls sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist, und dass das angestrebte Berufungsverfahren eine Klärung erwarten lässt (s. hierzu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 144 Rdnr. 28 u. § 160 Rdnr. 6; s. u.a. BSG, SozR 1500 § 160a Nr. 60 und SozR 3-1500 § 160 a Nr. 16). Geht es um bereits geklärte Rechtsfragen, so ist darzulegen, aus welchen erheblichen Gründen sich die Notwendigkeit einer Überprüfung der bereits vorliegenden Rechtsprechung ergibt; dies ist etwa dann der Fall, wenn dieser Rechtsprechung in nicht nur geringfügigen Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (BSG, SozR 1500 § 160a Nr. 13). Der Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung).
10 
Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinne wirft die Streitsache jedoch nicht auf. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht, wenn die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist. Gleiches gilt, wenn zwar eine ausdrückliche höchstrichterliche Auseinandersetzung mit der Frage bislang fehlt, die Beantwortung der Frage aber so gut wie unbestritten ist bzw. die Antwort von vornherein praktisch außer Zweifel steht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 144 Rdnr. 28 u. § 160 Rdnr. 8f). Ein solcher Fall liegt hier vor.
11 
Der Kläger beruft sich zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde darauf, die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Angemessenheit im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II verstoße gegen die Verfassung bzw. die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, juris) aufgestellten Anforderungen. Den Grund hierfür benennt er nicht, sondern beruft sich zur Begründung u.a. auf die Urteile des SG Mainz vom 8. Juni 2012 (S 17 AS 1452/09, juris) und des SG Leipzig vom 15. Februar 2013 (S 20 AS 2707/12, juris). Diskutiert wird dort die Frage, ob die Begrenzung der zu übernehmenden Kosten der Unterkunft anhand des Rechtsbegriffs der Angemessenheit dem Parlamentsvorbehalt genügt oder ob insoweit eine konkretere Ausgestaltung unmittelbar durch den Gesetzgeber notwendig gewesen wäre (so das SG Leipzig). Das SG Mainz konkretisiert dies weiter dahingehend, für die vom Bundessozialgericht vorgenommene Auslegung der Norm, bei der zur Bestimmung der Grenze der Angemessenheit eine Orientierung am einfachen Wohnstandard erfolgt, fehle es an einer den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügenden und hinreichend bestimmten parlamentsgesetzlichen Grundlage (SG Mainz aaO Rdnr. 50).
12 
Indes hat das Bundessozialgericht (BSG) zu diesen Fragen - wenn auch nicht ausdrücklich - bereits Stellung genommen. Das BSG hat bereits im Urteil vom 7. November 2006 (B 7b AS 10/06 R, juris Rdnrn. 24 u. 28) ausgeführt, § 22 Abs. 1 SGB II gestehe „nur eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt“ sowie einen „einfachen und im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad“ zu. Diese Rechtsprechung wurde fortan fortgeführt (vgl. nur BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R - juris Rdnr. 20), so dass davon ausgegangen werden muss, dass die Vereinbarkeit des unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit mit verfassungsrechtlichen Anforderungen bereits geprüft wurde. Dass das BSG in einer zukünftigen Entscheidung hiervon abweichen wird, ist aus derzeitiger Sicht nicht zu erwarten, zumal auch das SG Mainz (aaO.) in seiner Entscheidung weiter mit dem Begriff der Angemessenheit agiert, diesen bzw. die Grenze der Unangemessenheit lediglich anders definiert als das BSG. Insoweit beruhen die Bedenken dann allerdings nicht auf einem Widerspruch zum Parlamentsvorbehalt, sondern moniert wird die konkrete Auslegung des Begriffs der Angemessenheit, die aus Sicht des SG Mainz inhaltlich verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge. Eine Änderung der Rechtsprechung lässt dies nicht erwarten. Darüber hinaus lassen sich der vom SG Mainz zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus Sicht des Senats die angeführten Zweifel auch nicht entnehmen.
13 
Dies ergibt sich zum einen daraus, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 darstellt, mit welchen Leistungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch „der Gesetzgeber entsprechend den materiellen Vorgaben des Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein subsidiäres System sozialer Sicherung des Existenzminimums geschaffen hat“ (BVerfG, aaO., juris Rdnr. 147). Bei der Darstellung der verschiedenen Leistungsarten verweist es unmittelbar anschließend auch darauf, „§ 22 Abs. 1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG, aaO., juris Rdnr. 148). Damit bezieht es die in § 22 Abs. 1 SGB II getroffene Regelung in den Kreis der Leistungen ein, die der Gesetzgeber in der Verfassung entsprechender Weise durch die Normen des SGB II gewährt.
14 
Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2011 zur inhaltlichen Ausfüllung des Begriffs der „Angemessenheit“ im § 22 Abs. 1 SGB II durch das Bundessozialgericht Stellung bezogen, auf die aus seiner Sicht bereits zu dieser Zeit gefestigte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen und dessen dreischrittige Prüfung dargestellt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 27. September 2011 - 1 BvR 232/11 - juris Rdnr. 23ff). In diesem Zusammenhang wird an keiner Stelle darauf hingewiesen, es könnte Zweifel an dem normierten unbestimmten Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ geben, woraus nur geschlossen werden kann, dass das Gericht schon damals von der Verfassungsgemäßheit der Regelung ausging (vgl. hierzu Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. § 22 Rdnr. 72).
15 
Eine Änderung der Rechtsprechung durch das Bundessozialgericht steht damit nach derzeitigem Stand praktisch außer Zweifel, so dass die aufgeworfene Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung hat.
2.
16 
Eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt ebenfalls nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt. Dies ist nicht der Fall und wird vom Prozessbevollmächtigten des Klägers auch nicht geltend gemacht.
3.
17 
Zuletzt liegt auch kein Verfahrensmangel vor. Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG muss geltend gemacht werden und die Entscheidung muss auf ihm beruhen können. Der Verfahrensmangel muss außerdem der Beurteilung des LSG unterliegen, das bedeutet, das LSG muss ihn prüfen können. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren (nicht das Widerspruchsverfahren und nicht das Verwaltungsverfahren) regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt, es geht insoweit nicht um die Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Wege zum Urteil oder die Zulässigkeit des Urteils (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 Rdnr. 32 m. w. N.). Mängel dieser Art sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
18 
Die Beschwerde des Klägers war daher zurückzuweisen.
IV.
19 
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.
20 
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war daher mangels Erfolgsaussichten nicht zu gewähren (§ 73a SGG i.V.m. §§ 114 Satz 1, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
21 
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
22 
Das angefochtene Urteil des SG vom 26. Februar 2013 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).

Tenor

Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts F. vom 8. August 2011 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig sind höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hier in der Zeit vom 01.10.2009. bis 31.03.2010.
Die geb. Klägerin zu 1. ist die Ehefrau des 1982 geborenen M. A., der als Student Leistungen nach dem BAföG bezieht. Die Eheleute leben gemeinsam mit dem am 14.12.2007 geborenen Sohn I., dem Kläger zu 2., und der am 03.07.2009 geborenen Tochter M., der Klägerin zu 3. Die Kläger zu 1. bis 3. erhalten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II; der Ehemann ist als Student vom Leistungsbezug ausgeschlossen.
Bis Mitte April 2009 wohnten die Kläger in 79114 F. und bezogen Leistungen von der ARGE F.. Wegen der Schwangerschaft der Klägerin zu 1. wurde die dortige Wohnung zu klein. Die ARGE F. bestätigte die Notwendigkeit des Auszugs. Nachdem die Familie keine passende Wohnung in F. gefunden hatte, wurde der Umzug in das ca. 10 km entfernt liegende M. (ca 8.700 Einwohner) erwogen. Die ARGE F. beteiligte den Beklagten hinsichtlich einer Zusicherung zum Umzug. Diese wurde nicht erteilt, weil die Wohnung nicht angemessen sei (E-Mail vom 25.02.2009, Bl. 2 f VA). Am 15.04.2009 zog die Familie dennoch in die W., 7. M. um. Bei der Wohnung handelt es sich um eine 4-Zimmer-Wohnung mit 85,75 m2 , Baujahr 1984. Die Kaltmiete beträgt 680 EUR, hinzu kommen Kosten in Höhe von 20 EUR für einen Stellplatz und Nebenkosten in Höhe von 210 EUR, worin die Kosten für Heizung und Warmwasser [Sammelheizung mit Strom] sowie Kosten in Höhe von 5 EUR für den Betrieb der Gemeinschaftsantenne/Satellitenanlage enthalten sind. Kosten für einen Kabelanschluss sind in der Miete nicht enthalten, ein Kabelanschluss besteht nicht (Bl. 135 VA). Die Gesamtmiete warm beträgt demnach 910 EUR.
Für den vorhergehenden Zeitraum vom 15.04. bis 30.09.2009 bewilligte der Beklagte für die Antragsteller Arbeitslosengeld (Alg) II und Sozialgeld mit Bescheid vom 08.04.2009 und mehreren Änderungsbescheiden (vom 19.08.2009, 12.01.2010 und 25.05.2011) Für die nach dem Kopfteilsprinzip anteilig gewährten KdU und Heizung ging er - nachdem er vorher noch von einer Kabelgebühr und einer geringeren Mietobergrenze ausgegangen war - letztlich von angemessenen Wohnkosten in Höhe von insgesamt 713,38 EUR aus, die sich aus der Mietobergrenze nach dem ab 01.05.2009 in Kraft getretenen neuen Konzept von 519,30 EUR, pauschalen Heizkosten von 86 EUR abzüglich einer Warmwasserpauschale von 15,92 EUR sowie kalten Nebenkosten von 124 EUR zusammensetzten. Der Widerspruch, mit dem die tatsächlichen Kosten in Höhe von 910 EUR begehrt wurden, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04.02.2010). Die dagegen vor dem Sozialgericht F. (SG) geführte Klage blieb ebenfalls erfolglos (Urteil vom 08.08.2011 - S 7 AS 1218/10). Die Berufung ist im Senat unter dem Az. L 2 AS 3878/11 anhängig (Parallelrechtsstreit wegen vorherigem Zeitraum).
Am 14.09.2009 beantragten die Kläger unter nicht geänderten Bedingungen hinsichtlich der Wohnkosten die Fortzahlung des Alg II (Bl. 97 VA). Mit Bescheid vom 23.09.2009 bewilligte der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.03.2010 weiter. Hinsichtlich der KdU und Heizung bewilligte er 175,95 EUR für die Klägerin zu 1. und für die Kläger zu 2. und 3. je 175,96 EUR monatlich. Hierbei ging der Beklagte zunächst noch davon aus, dass eine nicht zu berücksichtigende Kabelanschlussgebühr in Höhe von 5,11 EUR im Mietpreis enthalten sei. Gegenüber dem vorhergehenden Zeitraum wurde eine auf 20,36 EUR erhöhte Warmwasserpauschale von den pauschalierten Heizkosten in Höhe von 86 EUR in Abzug gebracht (Heizkosten 65,64 EUR vgl. Bl. 103 VA). Mit dem Widerspruch dagegen wendeten sich die Kläger gegen den pauschalen Abzug für Kabelanschluss und begehrten im Übrigen die Anerkennung ihrer vollen Kosten für KdU und Heizung. Mit Änderungsbescheid vom 12.01.2010 (Bl. 182 VA) wurden KdU und Heizung ohne Abzug von Kabelgebühren in Höhe von monatlich 177,22 EUR bzw. 177,24 EUR für die Kläger bewilligt.
Im Übrigen wurde der Widerspruch mit dem Widerspruchsbescheid vom 04.02.2010 (der auch noch den Widerspruch gegen den geänderten Bewilligungsbescheid vom 08.04.2009 für den vorhergehenden Zeitraum betraf) zurückgewiesen. In der Widerspruchsbegründung verteidigte der Beklagte im Wesentlichen sein neues Konzept zur Ermittlung der angemessenen Kaltmiete. Im Rahmen der Erstellung seien 3.226 Datenbestände, die den Ist-Bestand aus den Bereichen des SGB II, SGB XII und AsylbLG mit Stand Oktober 2008 unter dem Gesichtspunkt tatsächliche Kaltmiete und Wohnungsgröße ausgewertet worden, die das untere Preissegment abbildeten. Als räumlicher Vergleichsmaßstab seien 7 Raumschaften gebildet worden. Die den Vergleichsraum für die Kläger bildende Raumschaft „Umland F.“ umfasse die Gemeinden G., G., G., H., M., M. und U.. Auf der Grundlage der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als angemessen betrachteten Wohnungsgröße - 30 bis 45 m² für 1-Personen Haushalte, 45 bis 60 m² für 2-Personen-Haushalte etc. seien die tatsächlichen durchschnittlichen Miet-Quadratmeterpreise für diese Wohnungsgrößen je Raumschaft ermittelt worden. So sei mit einer größtmöglichen Datenmenge eine hinreichende Datengrundlage zur Ermittlung durchschnittlicher Quadratmeterpreise im unteren Segment des Wohnungsmarktes in der jeweiligen Raumschaft erreicht worden. Für den Wohnort der Kläger sei ein durchschnittlicher Quadratmeterpreis von 5,77 EUR im unteren Preissegment für eine 90 m² -Wohnung ermittelt worden. Deshalb betrage die Mietobergrenze 519,30 EUR (vgl. Bl. 186 VA). Der weitere Änderungsbescheid vom 19.01.2010 diesen Zeitraum betreffend hat die Leistungen für KdU und Heizung nicht betroffen (Bl. 196 VA). Den anteilig bewilligten KdU und Heizung hat der Beklagte damit im streitigen Zeitraum vom 01.10.2009. bis 31.03.2010 für angemessen gehaltene Wohnkosten in Höhe von gesamt 708,94 EUR (Mietobergrenze 519,30 EUR, pauschale Heizkosten 86 EUR abzüglich Warmwasserpauschale 20,36 EUR, kalte Nebenkosten 124 EUR) zu Grunde gelegt.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 04.02.2010 den hier streitigen Zeitraum vom 01.10.2009 bis 31.03.2010 betreffend haben die Kläger ebenfalls am 08.03.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) F. (S 7 AS 1219/10) erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass der Beklagte die Datenbasis, auf Grund derer er die Zahlen ermittelt habe, nicht offen lege. Deshalb könne eine Überprüfung des Konzepts nicht erfolgen. Ggf. sei das SG verpflichtet sachgerechte Ermittlungen anzustellen.
Der Beklagte hat im Parallelrechtsstreit S 7 AS 1218/10 die Daten von 166 Bestandswohnungen mit mindestens 60,01 m² der Leistungsbezieher nach dem SGB II, SGB XII und AsylbLG in der Raumschaft „Umland F.“, zu der die Gemeinde M. zähle, mitgeteilt und sein Konzept - Durchschnittswert der Wohnungen von Leistungsbeziehern - erläutert. Ausgehend von den tatsächlichen Kaltmietpreisen dieser Wohnungen seien die tatsächlichen Quadratmeterpreise durch Division ermittelt worden. Wohnungen mit einem Quadratmeterpreis von 8,- EUR und mehr (Kappungsgrenze) seien nicht in die Berechnung eingeflossen, vorliegend 1 Wohnung. Anschließend seien die sich so ergebenden Quadratmeterpreise aller 166 Wohnungen addiert und durch die Anzahl der Wohnungen dividiert worden. Aus dem Produkt des sich auf diese Weise ergebenden Quadratmeterpreises von 5,77 EUR und der maximal angemessenen Wohnungsgröße von 90 m² habe sich die Mietobergrenze von 519,30 EUR ergeben. Zur Nachprüfung und Plausibilisierung sei eine Ergebniskontrolle durch Auswertung der Wohnungsangebote in den unentgeltlichen Anzeigenblättern Schnapp und Zypresse in den Monaten Oktober bis Dezember 2008 erfolgt (die Unterlagen hierzu wurden im Verfahren S 7 AS 1219/10 vorgelegt), die fortgeschrieben werde. So sei festgestellt worden, dass auch tatsächlich Wohnraum in ausreichendem Maße zu den errechneten Mietobergrenzen angeboten werde.
Mit Schriftsatz vom 10.05.2011 hat der Beklagte die Auffassung vertreten, dass mit den erhobenen Daten nicht nur Wohnungen des unteren Preissegments erhoben worden seien, weil sich auch Leistungsempfänger als Erstantragsteller darunter befänden, die erstmalig mit der Tatsache ihrer geänderten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse konfrontiert würden.
10 
Mit Urteil vom 08.08.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass das Konzept des Beklagten den Vorgaben der Rechtsprechung des BSG entspreche. Sowohl die angenommene Wohnungsgröße von 90 m² für einen 4-Personen-Haushalt als auch der gewählte Vergleichsraum sei im Falle einer Kleingemeinde zutreffend gewählt worden. Auch habe der Beklagte mit den 166 Wohnungen im „Umland F.“ einen vergleichbaren Datenbestand ermittelt, nachdem von den Wohnungen mit Warmmieten 1,50 EUR/m² abgezogen worden sei. Ausreichend sei vorliegend, dass ein klar und eindeutig abgrenzbarer Teil des Konzeptes, welcher allein maßgebend für die Entscheidung eines konkreten Falles sei, den Anforderungen eines schlüssigen Konzeptes genüge. Das sei für die Raumschaft „Umland F.“ für einen 4-Personenhaushalt der Fall. Das Konzept weise den vorliegenden Fall betreffend keine durchgreifenden methodischen Fehler auf. Auch wenn nur Wohnungen von Leistungsbeziehern nach dem SGB II, SGB XII und AsylbLG erfasst seien, seien darin auch solche erfasst, die von Personen bewohnt werden, die erstmals Leistungen beantragt haben oder denen ein Umzug nicht zumutbar sei. Deshalb seien auch Wohnungen gehobenen Standards darin zu finden, was die Ermittlung eines Durchschnittswerts rechtfertige. Wohnungen zu dem Preis stünden nach den einschlägigen Anzeigenblättern auch zur Verfügung. Die Kappung bei 8 EUR pro Quadratmeter begegne keinen Bedenken, da es sich nur um 1 Wohnung handele. Zudem seien die Kaltmieten auch bei Warmmietpreisen durch Herausrechnen der Heizkosten zutreffend ermittelt worden. Die Datenmenge sei angesichts einer Einwohnerzahl von weniger als 300.000 ausreichend. Die Gefahr einer Spirale nach unten ergebe sich durch die Bildung eines Durchschnittswerts nicht, weil auch wieder Neu-Leistungsbezieher mit teureren Wohnungen vor dem Durchlaufen eines Kostensenkungsverfahrens mit hinzu kämen und im Übrigen durch eine stetige Überprüfung der Anzeigenblätter vermieden werde.
11 
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger gegen Empfangsbekenntnis am 12.08.2011 zugestellte Urteil hat er am 07.09.2011 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und sein Begehren weiterverfolgt. Das Konzept des Beklagten entspreche nicht der Rechtsprechung des BSG, wie die Cuxhaven-Entscheidung (BSG, Urteil vom 23.08.2011 - B 14 AS 91/10 R) zeige. Bei der Betrachtung des unteren Segments des Wohnungsmarktes müsse der sog. Spann- und Oberwert herangezogen werden, was vorliegend einen Quadratmeterpreis von 8 EUR ergebe. Damit seien die darunter liegenden tatsächlichen Kosten zu übernehmen. Ergänzend haben sich die Kläger auf die vom SG Mainz (Urteil vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09) vertretene Auffassung der Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II berufen
12 
Die Kläger beantragen,
13 
das Urteil des Sozialgerichts F. vom 8. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2009 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Februar 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 höhere Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II anteilig unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Wohnungskosten in Höhe von 910 EUR monatlich zu gewähren,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
17 
Mit Schreiben vom 10.01.2013 hat der Senat die Kläger aufgefordert hinsichtlich der Nebenkosten die Abrechnungen für die Jahre 2009, 2010 und 2011 vorzulegen. Eine Reaktion hierauf ist nicht erfolgt.
18 
Der Senat hat das Konzept des Beklagten als nicht schlüssig im Sinne der Rechtsprechung des BSG eingeschätzt und versucht, dieses im Parallelrechtstreit L 2 AS 3878/11 schlüssig zu machen. Hierzu hat der Senat dem Beklagten vorgegebenen, zu den bereits erhobenen Daten noch die Daten von Wohnungen der Wohnungsgeldbezieher hinzuzunehmen, Ausreißermieten ausgehend vom arithmetischen Mittelwert zu eliminieren und den dann ermittelten Spannenoberwert zu benennen (vgl. Bl. 35 LSG-Akte). Der Beklagte hat daraufhin noch die Wohnungen von Wohngeldbeziehern ermittelt, dann aber nach Ermittlung von Korridoren von plus und minus 20 % aus den verbleibenden Datensätzen wiederum Durchschnittswerte gebildet. So hat er für einen 4-Personen-Haushalt in M. eine Kaltmietobergrenze von 512,40 EUR ermittelt. Eine weitere Nachberechnung unter Zugrundelegung des Spannenoberwerts lehnt der Beklagte ab, ebenso die Vorlage seiner Daten (Schreiben vom 17.12.2013, Bl. 76 LSG-Akte). Während dessen hat das vorliegende Verfahren geruht (Ruhensbeschluss vom 09.04.2013). Das Verfahren ist vom Klägervertreter mit Schreiben vom 07.01.2014 wieder angerufen worden und unter dem Az. L 2 AS 104/14 fortgeführt worden.
19 
Mit Fax vom 18.03.2014 hat der Senat den Bevollmächtigten der Kläger nochmals an den Nachweis der tatsächlichen Heiz- und Nebenkosten erinnert. Der Klägervertreter hat daraufhin mitgeteilt, dass die Klägerin die entsprechenden Unterlagen nicht aufbewahrt habe. Sie werde nach Urlaubsrückkehr des Vermieters am 01.04.2013 nochmals bei diesem nachfragen.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten (2 Band) sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
22 
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf (weitere) höhere KdU und Heizung im streitigen Zeitraum vom 01.10.2009 bis 31.03.2010. Das SG hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
23 
Streitgegenstand sind der Bescheid vom 23.09.2009 in der Form des Änderungsbescheides vom 12.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2010 ausschließlich bezüglich der gewährten KdU und Heizung. Mit den streitgegenständlichen Bescheiden hat der Beklagte den Klägern ausgehend von angemessenen KdU und Heizung für die gesamte Wohnung in Höhe von monatlich 708,94 EUR (519,30 EUR Kaltmiete, 86 EUR pauschalierte Heizkosten abzüglich 20,36 EUR Warmwasserpauschale, 124 EUR sonstige Nebenkosten) kopfanteilig KdU und Heizung im Zeitraum vom 01.10.2009. bis 31.03.2010 gewährt. Die Kläger begehren höhere KdU und haben den Streitgegenstand zulässig hierauf begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R –, juris Rn. 10). Eine weitere Aufspaltung in einzelne Elemente des Bedarfs - etwa in die hier allein streitige Höhe der angemessenen Kaltmiete - ist nicht zulässig (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, juris Rn. 20 m.w.N.).
24 
Die erwerbsfähige und hilfebedürftige Klägerin zu 1. ist Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II, weil sie im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I, 1706) hat sie Anspruch auf Alg II in Form von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind. Die unter 15-jährigen Kinder der Klägerin zu 1., die Kläger zu 2. und 3., die mit ihr zusammenleben, haben als nichterwerbsfähige Leitungsberechtigte (vgl. § 7 Abs. Abs. 1 S. 1 SGB II) Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 02.03.2009, BGBl. I, 416). Danach umfasst das Sozialgeld die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen; mithin sind auch der hilfebedürftige Kläger zu 2. und - ab ihrer Geburt am 03.07.2009 - die hilfebedürftige Klägerin zu 3. Berechtigte für KdU und Heizung. Der Ehemann und Vater der Kläger ist als Studierender gem. § 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen, gleichwohl die KdU und Heizung nach dem Kopfteilsprinzip aufzuteilen.
25 
Leistungen für KdU und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R –, juris mit Hinweis auf: BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; vgl zuletzt Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 19 ff).
26 
Für die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft ist zunächst die angemessene Größe festzulegen. Diese beträgt in Anlehnung an das landesrechtlich geregelte Wohnungsbindungsrecht für 4-Personenhaushalte 90 m² Wohnfläche in Baden-Württemberg (Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums B.-W. zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV-SozWo vom 12.02.2002 [GABl S. 240] i.d.F. der VwV vom 22.01.2004 [GABl S. 248]). Diesen Rahmen übersteigt die Wohnung in der W.str. mit 85,75 m² nicht.
27 
Als maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum hält es der Senat vorliegend für sachgerecht, die Raumschaft „Umland F.“ mit der Gemeinde M. und den weiteren Gemeinden G., G., G., H., M. und U. zu wählen. Das BSG hat entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R; juris Rn. 21; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, juris). Die Gemeinde M. mit 8681 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2012) befindet sich im ländlichen Raum ca. 10 km von F. entfernt und ist zu klein, um einen eigenen Mietwohnungsmarkt abbilden zu können. Von daher begegnet es keinen Bedenken, wenn der Beklagte in seinem Flächenlandkreis mit 1.378,33 km² und vielen Klein- und Kleinstgemeinden, in dem Mietspiegel nicht vorliegen, in sog. Raumschaften Gemeinden im Umkreis von 10 bis 20 km im ländlichen Raum zusammengefasst hat. So umfasst die Raumschaft „Umland F.“ durch ein öffentliches Verkehrsnetz gut angebundene Gemeinden um die Stadt F. herum.
28 
Zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards innerhalb des Vergleichsraums (Referenzmiete) ist ein sog. schlüssiges Konzept zugrunde zu legen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris Rn.16; BSG, Urteil vom 19.03.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 7 Rn. 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris Rn. 7). Entscheidend ist jedoch, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zugrunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R –, juris Rn 24 mwN).
29 
Diesen Anforderungen wird das seit 01.05.2009 offiziell in Kraft getretene Konzept des Beklagten (auch in der auf Veranlassung des Senats nachgebesserten Form) zumindest in einem wesentlichen Punkt nicht gerecht. Der Beklagte hat mit seinem ab Ende 2008 entwickelten Konzept auf Bestandsmieten von Leistungsempfängern nach dem SGB II, SGB XII, AsylbLG in seinem Bezirk zurückgegriffen. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden und stellt eine zulässige Vorgehensweise zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts dar (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, , juris Rn. 24). Die so erfassten 3.226 Datensätze für alle Raumschaften beruhen auf dem Stand Oktober 2008 und bilden nach der früher vertretenen Auffassung des Beklagten das untere Preissegment ab. Für die Raumschaft „Umland F.“ haben sich nach vorheriger Kappung aller Wohnungen über 8 EUR/m² (1 Wohnung im Umland F.) 166 Mietwohnungen ergeben, die mindestens eine Wohnfläche von 60,01 m² Wohnfläche aufweisen. Durch Division der vorher teils rechnerisch ermittelten Kaltmiete durch die tatsächliche Quadratmeterzahl wurde der tatsächliche Quadratmeterpreis der Wohnungen ermittelt. Anschließend wurden die sich so ergebenden tatsächlichen Quadratmeterpreise aller 166 Wohnungen addiert und durch die Anzahl der Wohnungen dividiert und hierdurch ein Quadratmeterpreis von 5,77 EUR ermittelt. Es wurde also ein Durchschnittswert ermittelt. Multipliziert mit der maximal angemessenen Wohnungsgröße von 90 m² ergibt sich die Mietobergrenze von 519,30 EUR. Eine Ergebniskontrolle sei durch die Auswertung einschlägiger Anzeigenblätter erfolgt.
30 
Die Bildung eines Durchschnittswertes bei Wohnungen des unteren Preissegments ist aber rechtlich nicht zulässig, wenn -wie hier - nur die Wohnungen von Leistungsempfängern als Datengrundlage herangezogen werden. So errechnet sich ein Angemessenheitswert, der unter dem Wert liegt, der für einen Teil der Leistungsempfänger als angemessen akzeptiert wird (Spirale nach unten). Um diesen Zirkelschluss zu vermeiden, kann ein Leistungsträger entweder auf alle Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand abstellen, also neben Wohnungen einfachen Standards auch auf solche mittleren und gehobenen Standards, und dann aus den so gewonnenen Mietpreisen einen angemessenen Wert ermitteln. Oder der Leistungsträger kann auch - wie vorliegend - bei der Datenerhebung nur die Wohnungen einfachen Standards zugrunde legen, muss als Angemessenheitsgrenze dann aber die obere Preisgrenze dieses Segments wählen (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, , juris Rn. 24). Das vom Beklagten mit Wirkung zum 01.05.2009 eingeführte Konzept erweist sich damit als nicht schlüssig.
31 
Entgegen der Auffassung des SG und nun auch des Beklagten, dass in dem abgebildeten Wohnsegment von Leistungsbeziehern auch Wohnungen über dem einfachen Standard abgebildet sind, weil Leistungsempfänger noch kein Kostensenkungsverfahren durchlaufen haben und daher noch in einer nicht angemessenen Wohnung leben, geht das BSG davon aus, dass Wohnungen von Leistungsempfängern nach dem SGB II bzw. SGB XII grundsätzlich Wohnungen einfachen Standards sind. Nur in der Rubrik der Wohngeldempfänger könnten Wohnungen enthalten sein, die auch teurer sind als eine nach SGB II oder SGB XII angemessene Wohnung. Für die vom Beklagten aufgestellte These, dass in den Datensätzen auch teurere, für Leistungsbezieher nicht angemessene Wohnungen enthalten sind, ergeben sich keine nachprüfbaren Anhaltspunkte, noch ist etwas über deren Anzahl ausgesagt. Damit handelt es sich um bloße Mutmaßungen, die das Konzept nicht schlüssig werden lassen.
32 
Der Senat hat erfolglos im Parallelrechtsstreit L 2 AS 3787/11 versucht, das Konzept vom Beklagten schlüssig machen zu lassen. Er hat sich, nachdem im Mietrecht ständig „ortsübliche Vergleichsmieten“ zu ermitteln und Vergleiche mit dem bestimmten Mietobjekt anzustellen sind, am im Mietrecht beachteten Gesichtspunkten orientiert und etwa die „Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln“ (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen) sowie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.02.2012 - (VIII ZR 346/10, juris, zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete) herangezogen. Sodann wurde dem Beklagten u.a. aufgegeben, die Datenmenge durch Einbeziehung der Daten von Wohngeldempfängern im Monat Oktober 2008 zu vergrößern (Repräsentativität, vgl. BSG Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, juris Rn. 19; Identität, BSG, Urt. v. 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris, Rn. 17), die Neuauswertung ausreichend zu dokumentieren (Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, 2. Teil I. 10. S. 30), die verwendeten Daten transparent zu machen, den Mietbegriff (Kalt- oder Warmmiete) festzulegen und zu vereinheitlichen (vgl. Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, 2. Teil I. 3. S. 23 f.; BSG Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R , juris Rn. 23). Sodann sollten als „Ausreißermieten“ die Datensätze eliminiert werden, die 20% und mehr über und unter dem arithmetischen Mittel liegen (II. 4. S.41 f der Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, BGH, aaO., juris Rn. 19 unter Hinweis auf Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht). Sodann sollte der Spannenoberwert, dh der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne bzw. die obere Preisgrenze dieses Segments zu Grunde gelegt werden.
33 
Der Vorgabe entsprechend hat der Beklagte die bereits erhobenen Daten um die Daten von Wohngeldbeziehern ergänzt, sodass nun 4.269 Datensätze erfasst sind. Auch wenn sich die Datenmenge für den gesamten Landkreis dadurch um ca. 1000 vergrößert hat, dürfte es sich hierbei angesichts des Bestands von Wohnungen und Räumen im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald von zusammen 119.358 (Bestand an Wohnungen und Räumen in den Stadt und Landkreisen Baden-Württembergs am 31.12.2012, vgl. www.statistik.baden-wuerttemberg.de/veroeffentl/ Statistische_Berichte/3734_12001.pdf) dennoch nicht um eine ausreichend große Datenmenge handeln. Die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes können wiedergegeben sein, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R –, juris Rn. 16). Dies ist bei vorliegend 3,58 % nicht der Fall, auch wenn berücksichtigt wird, dass nicht nach selbstgenutzten Eigentums- und Mietwohnungen unterschieden ist.
34 
Davon unabhängig ist die Berechnung des Beklagten wiederum nicht zulässig, weil er erneut einen Durchschnittswert bildet. Für die Raumschaft Umland F. wurden 53 Datensätze für Wohnungen von Leistungsbeziehern mit einer Größe von 60 bis 75 m² und 78 Datensätze für Wohnungen von 75 bis 90 m² bzw. 90 bis 105 m² vorgelegt. Entsprechend den oben beschriebenen Raumschaften und Wohnflächen je Haushaltsgröße hat der Beklagte wie vom Senat vorgegeben Durchschnittswerte (arithmetisches Mittel) für die Miete je Quadratmeter ermittelt. Ausgehend davon wurden Korridore von plus bzw. minus 20 % von diesem Wert bestimmt. Aus den sich danach (Kaltmiete pro Quadratmeter größer oder gleich dem unteren Korridorwert und zugleich kleiner oder gleich dem oberen Korridorwert) ergebenden Datensätzen wurden jedoch wiederum Durchschnittswerte (arithmetisches Mittel) für die Kaltmiete pro Quadratmeter ermittelt. Danach ergab sich für Wohnungen im Umland F. mit einer Größe über 75 m² ein Durchschnitt innerhalb des Korridors von 5,66 pro Quadratmeter und von 5,70 EUR/m² für Wohnungen mit 60 bis 75 m², damit Werte, die geringfügig unter den bisherigen liegen. Insgesamt errechnete der Beklagte bezogen auf die Wohnsituation der Kläger eine angemessene Kaltmietobergrenze von 512,40 EUR. Diese Berechnung fußt jedoch auf einer erneuten Bildung eines Durchschnittswertes aus Wohnungen von Leistungsbeziehern die mangels nachprüfbarer Erkenntnisse dem unteren Preissegment zugeordnet werden müssen, was der Senat für unzulässig hält. Sie ist nicht mit der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des BSG vereinbar. Es hätte vielmehr zur Vermeidung eines Zirkelschlusses vom Spannenoberwert ausgegangen werden müssen. Eine weitere diesbezügliche Berechnung lehnt der Beklagte ab und auch die angeforderte Dokumentation der einzelnen Schritte der Auswertung stellt er nicht zur Verfügung. Der Senat stellt deshalb fest, dass ein schlüssiges Konzept nicht mehr erstellt werden kann und von einem Erkenntnisausfall bei der Ermittlung der Höhe der angemessenen Unterkunftskosten auszugehen ist.
35 
Der Senat kann auch nicht den als Durchschnittswert plus 20% ermittelten und mitgeteilten Quadratmeterpreis für die Ermittlung der abstrakt angemessenen KdU zu Grunde legen, weil eine vergleichbare Datenbasis nicht vorliegt. Als weiteres Manko des nachgebesserten Konzepts konnte hinsichtlich der Wohnungen von Wohngeldempfängern nicht nach Brutto- und Nettokaltmieten unterschieden werden, während hinsichtlich der übrigen Wohnungen der Beklagte von einer zumindest errechneten Nettokaltmiete ausgegangen ist. Insofern fehlt es bereits an einem einheitlichen Mietbegriff, so dass die Auswertung zu Verzerrungen führen kann. Dies belegt im Übrigen auch ein Vergleich der ermittelten Durchschnittswerte plus 20 %, die als Spannenoberwert angesehen werden könnten, mit den Werten des qualifizierten Mietspiegels der Großstadt F., die für den im allgemeinen als preiswerter einzustufenden ländlichen Raum wider die Erwartung zum Teil erheblich darüber liegen, so z.B. der Wert für eine 30 bis 45 m² große Wohnung im Umland F. mit 8,06 EUR/m² gegenüber dem der Mietspiegel 2009 der Stadt F. für eine Standardwohnung mit 45 m² lediglich eine Basismiete von 7,87 EUR ausweist.
36 
Auf Grund des Ausfalls von weiteren lokalen Erkenntnismöglichkeiten für die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts im räumlichen Vergleichsgebiet erachtet der Senat den Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle als zulässig (BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R, Rn. 16). Die Tabellenwerte des hier maßgeblichen § 12 WoGG (gültig ab 01.01.2009) deckeln die dann grundsätzlich zu übernehmenden tatsächlichen Aufwendungen im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze (BSG aaO Rn. 20). In ihnen sind die - ansonsten ebenfalls abstrakt zu ermittelnden - kalten Betriebskosten enthalten (§ 9 Abs. 1 WoGG). Es ist auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" von 10 % einzubeziehen (BSG, aaO, Rn. 22; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R, bisher nur als Terminbericht vorhanden). Für die Wohnung der Kläger (4 Personen) ergibt sich hieraus für den Wohnort M., der nach der Anlage zu § 1 Abs. 3 der Wohngeldverordnung (WoGV, BGBl. I 2008, 2487-2519 ab 01.01.2009) dem Kreis Breisgau- Hochschwarzwald zugehörig der Mietenstufe III zugeordnet ist, ein Betrag von 556 EUR. Zuzüglich 10 % beträgt die abstrakt angemessene Kaltmiete inklusive Nebenkosten mithin 661 EUR.
37 
Hinzu kommen die angemessenen Heizkosten. Die Prüfung der Angemessenheit der Leistung für die Heizung hat nicht nur getrennt von der für die Unterkunft zu erfolgen, sondern auch nach eigenen Regeln: Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung ist - mangels anderer Zahlen - so lange zu bejahen, wie die Kosten unter dem Grenzbetrag eines bundesweiten oder kommunalen Heizspiegels liegen (BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 25; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 Rn. 23 ff). Grundsätzlich ist bei einer Warmwasserbereitung über die Heizung - wie vorliegend - der Anteil, der für die Warmwasserbereitung im Rahmen der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist, abzuziehen (BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - ; BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R –, juris; BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 16/11 R –, juris).
38 
Die Höhe der Heizkosten der Kläger im streitigen Zeitraum ist unbekannt. Mietvertraglich sind kalte und warme Nebenkosten nur in einer pauschalen Summe von 210 EUR monatlich vereinbart. Die tatsächlichen Kosten lassen sich damit erst durch eine nachträgliche Verbrauchsabrechnung ermitteln, was auch angeblich geschehen ist. Die Nebenkostenabrechnung für den streitigen Zeitraum hatte der Beklagte nicht angefordert, ist von den Klägern auf die Aufforderung des Senats vom 10.01.2013 nicht vorgelegt worden und kann nach Mahnung nun mangels Aufbewahrung nicht mehr vorgelegt werden. Die tatsächlichen Heizkosten sind damit nicht bestimmbar und es ist nicht nachgewiesen, dass diese tatsächlich höher waren, als vom Beklagten pauschal mit 86 EUR (86 m² x 1 EUR) zu Grunde gelegt. Die Beweislast trifft insoweit die Kläger, die einen höheren Anspruch geltend machen. Im Rahmen eines Rechtsstreits über die KdU und Heizung ist es eine Obliegenheit der Kläger, die entsprechenden Unterlagen aufzubewahren und ggf. Nachweis zu erbringen. Dazu sind die Kläger im vorliegenden Verfahren bereits seit dem Widerspruchsverfahren von einem in diesem Rechtsgebiet sehr häufig auftretenden Rechtsanwalt vertreten, der genauestens mit der rechtlichen Materie vertraut ist. Nachdem die Kläger bereits vor über einem Jahr, nämlich im Januar 2013 vom Senat zur Vorlage der Unterlagen aufgefordert worden sind, ist mehr als genügend Zeit vergangen, sich die Nachweise eventuell beim Vermieter wiederzubeschaffen. Die jetzige Urlaubsabwesenheit des Vermieters vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung geht zu Lasten der Kläger. Es besteht auch für den Senat keine Veranlassung, die Entscheidung über den Rechtsstreit zu verschieben und selbst beim Vermieter noch nachzuforschen. Hierbei handelt es sich um Ermittlungen ins Blaue hinein, zu denen keine Verpflichtung besteht. Es ist weder behauptet worden, dass die Heizkosten höher waren, noch steht fest, dass der Vermieter die Unterlagen aufbewahrt hat und diese durch Nachfrage dort beschafft werden könnten.
39 
Aus diesem Grunde greift der Senat auch nicht - was denkbar wäre - ersatzweise auf den niedrigsten Grenzbetrag (BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R, juris Rn. 43) des bundesweiten Heizkostenspiegels von 2011 (Abrechnungsjahr 2010) zurück, obwohl die maximalen abstrakt angemessenen Heizkosten für eine 90 m² Wohnung sich danach in Höhe von 125,25 EUR monatlich errechnen (16,70 EUR x 90 m² für Heizöl) und ein weiterer Abzug für die Warmwasserbereitung nicht gerechtfertigt sein dürfte, da sich die Vergleichswerte in den Tabellen ausschließlich auf die reine Raumwärme beziehen. Auch wenn der bundesweite Heizkostenspiegel gegebenenfalls höhere tatsächliche Kosten deckelt und als Obergrenze angesehen werden kann, besteht hierzu auch deshalb kein Anlass, da die Heizkosten im Bereich des Beklagten - wie dem Senat aus anderen Rechtsstreitigkeiten bekannt ist - zum Teil auch unter den pauschal vom Beklagten erstatteten Heizkosten liegen. „Sicherheitshalber“ sind den Klägern bei Verlust des Nachweises über die tatsächlichen Heizkosten keine höheren als die bereits erstatteten Heizkosten zu gewähren.
40 
Allerdings hat der Beklagte im streitigen Zeitraum den Abzug der Warmwasserpauschale nicht korrekt vorgenommen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R und Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R). Die Werte betragen für zwei Erwachsene in einem Haushalt je 5,82 EUR (= 11,64 EUR) und für die Kinder je 3,88 EUR (= 7,76). Für die Warmwasserbereitung sind daher nur 19,40 EUR statt 20,36 EUR abzuziehen, so dass die Heizkosten nach Abzug noch 66,60 EUR ausmachen.
41 
Zusammenfassend betragen die abstrakt angemessenen KdU und die Heizkosten damit 678,20 EUR.
42 
Die tatsächlichen KdU und Heizung mit insgesamt 910 EUR sind daher - unabhängig davon, ob die Kosten in Höhe von 20 EUR für einen Stellplatz zu übernehmen wären - nicht angemessen. Eine temporäre Übernahme der tatsächlichen Kosten kommt nicht in Betracht, nachdem die Kläger keine Zusicherung für den Umzug erhalten haben und über die Unangemessenheit der Kosten informiert waren.
43 
Auch unter Berücksichtigung der Argumentation in der Entscheidung des SG Mainz (vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09) haben die Kläger keinen Anspruch auf höhere KdU und Heizung. Der Senat hat bereits entschieden, dass er - wie auch schon der 1. und 13. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (vgl. Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - juris; Urteil vom 25.02.2014 - L 13 AS 3088/12 ZVW; ebenso Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 22 Rn. 72) - der Auffassung des SG Mainz nicht folgt. Die vom Sozialgericht Mainz in seiner Entscheidung vom 08.06.2012 geäußerte Auffassung, dass der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verwendete Begriff der „Angemessenheit“ den im Urteil des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 09.02.2010 aufgestellten Anforderungen nicht genüge, ist falsch. Das BVerfG hat in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sog. „schlüssigen Konzept“ die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bereits gebilligt und ausgerechnet in dem vom Sozialgericht Mainz als Beleg für seine irrige Auffassung angeführten Urteil folgendes ausgeführt: „§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 12 Rdnr 148). Damit ist die Entscheidung des Sozialgericht Mainz schon im Ansatz unrichtig, wenn sie aaO Rdnr 62, 68 der Meinung ist, es fehle für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ an einer hinreichenden parlamentsgesetzlichen Grundlage und der Bundesgesetzgeber stehe „demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein entsprechender Rechtsanspruch besteht“. Das ist, wie das Bundesverfassungsgericht klar gestellt hat, bereits in ausreichendem Maße geschehen. Auch in seiner Entscheidung vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11 = info also 2012, 28 = juris Rn. 24 f.) hat das BVerfG das schlüssige Konzept des BSG ersichtlich für geeignet erachtet, den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit auszufüllen. Diese Entscheidung scheint dem Sozialgericht Mainz nicht bekannt gewesen zu sein.
44 
Der Beklagte hat den Klägern anteilige Leistungen für KdU und Heizung ausgehend von angemessenen Kosten in Höhe von insgesamt 708,94 EUR statt abstrakt angemessener in Höhe von 678,20 EUR gewährt. Die Kläger haben somit höhere Leistungen für KdU und Heizung erhalten. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
46 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

Gründe

 
21 
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
22 
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf (weitere) höhere KdU und Heizung im streitigen Zeitraum vom 01.10.2009 bis 31.03.2010. Das SG hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
23 
Streitgegenstand sind der Bescheid vom 23.09.2009 in der Form des Änderungsbescheides vom 12.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2010 ausschließlich bezüglich der gewährten KdU und Heizung. Mit den streitgegenständlichen Bescheiden hat der Beklagte den Klägern ausgehend von angemessenen KdU und Heizung für die gesamte Wohnung in Höhe von monatlich 708,94 EUR (519,30 EUR Kaltmiete, 86 EUR pauschalierte Heizkosten abzüglich 20,36 EUR Warmwasserpauschale, 124 EUR sonstige Nebenkosten) kopfanteilig KdU und Heizung im Zeitraum vom 01.10.2009. bis 31.03.2010 gewährt. Die Kläger begehren höhere KdU und haben den Streitgegenstand zulässig hierauf begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R –, juris Rn. 10). Eine weitere Aufspaltung in einzelne Elemente des Bedarfs - etwa in die hier allein streitige Höhe der angemessenen Kaltmiete - ist nicht zulässig (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, juris Rn. 20 m.w.N.).
24 
Die erwerbsfähige und hilfebedürftige Klägerin zu 1. ist Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II, weil sie im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I, 1706) hat sie Anspruch auf Alg II in Form von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind. Die unter 15-jährigen Kinder der Klägerin zu 1., die Kläger zu 2. und 3., die mit ihr zusammenleben, haben als nichterwerbsfähige Leitungsberechtigte (vgl. § 7 Abs. Abs. 1 S. 1 SGB II) Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 02.03.2009, BGBl. I, 416). Danach umfasst das Sozialgeld die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen; mithin sind auch der hilfebedürftige Kläger zu 2. und - ab ihrer Geburt am 03.07.2009 - die hilfebedürftige Klägerin zu 3. Berechtigte für KdU und Heizung. Der Ehemann und Vater der Kläger ist als Studierender gem. § 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen, gleichwohl die KdU und Heizung nach dem Kopfteilsprinzip aufzuteilen.
25 
Leistungen für KdU und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R –, juris mit Hinweis auf: BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; vgl zuletzt Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 19 ff).
26 
Für die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft ist zunächst die angemessene Größe festzulegen. Diese beträgt in Anlehnung an das landesrechtlich geregelte Wohnungsbindungsrecht für 4-Personenhaushalte 90 m² Wohnfläche in Baden-Württemberg (Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums B.-W. zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV-SozWo vom 12.02.2002 [GABl S. 240] i.d.F. der VwV vom 22.01.2004 [GABl S. 248]). Diesen Rahmen übersteigt die Wohnung in der W.str. mit 85,75 m² nicht.
27 
Als maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum hält es der Senat vorliegend für sachgerecht, die Raumschaft „Umland F.“ mit der Gemeinde M. und den weiteren Gemeinden G., G., G., H., M. und U. zu wählen. Das BSG hat entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R; juris Rn. 21; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, juris). Die Gemeinde M. mit 8681 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2012) befindet sich im ländlichen Raum ca. 10 km von F. entfernt und ist zu klein, um einen eigenen Mietwohnungsmarkt abbilden zu können. Von daher begegnet es keinen Bedenken, wenn der Beklagte in seinem Flächenlandkreis mit 1.378,33 km² und vielen Klein- und Kleinstgemeinden, in dem Mietspiegel nicht vorliegen, in sog. Raumschaften Gemeinden im Umkreis von 10 bis 20 km im ländlichen Raum zusammengefasst hat. So umfasst die Raumschaft „Umland F.“ durch ein öffentliches Verkehrsnetz gut angebundene Gemeinden um die Stadt F. herum.
28 
Zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards innerhalb des Vergleichsraums (Referenzmiete) ist ein sog. schlüssiges Konzept zugrunde zu legen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris Rn.16; BSG, Urteil vom 19.03.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 7 Rn. 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris Rn. 7). Entscheidend ist jedoch, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zugrunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R –, juris Rn 24 mwN).
29 
Diesen Anforderungen wird das seit 01.05.2009 offiziell in Kraft getretene Konzept des Beklagten (auch in der auf Veranlassung des Senats nachgebesserten Form) zumindest in einem wesentlichen Punkt nicht gerecht. Der Beklagte hat mit seinem ab Ende 2008 entwickelten Konzept auf Bestandsmieten von Leistungsempfängern nach dem SGB II, SGB XII, AsylbLG in seinem Bezirk zurückgegriffen. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden und stellt eine zulässige Vorgehensweise zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts dar (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, , juris Rn. 24). Die so erfassten 3.226 Datensätze für alle Raumschaften beruhen auf dem Stand Oktober 2008 und bilden nach der früher vertretenen Auffassung des Beklagten das untere Preissegment ab. Für die Raumschaft „Umland F.“ haben sich nach vorheriger Kappung aller Wohnungen über 8 EUR/m² (1 Wohnung im Umland F.) 166 Mietwohnungen ergeben, die mindestens eine Wohnfläche von 60,01 m² Wohnfläche aufweisen. Durch Division der vorher teils rechnerisch ermittelten Kaltmiete durch die tatsächliche Quadratmeterzahl wurde der tatsächliche Quadratmeterpreis der Wohnungen ermittelt. Anschließend wurden die sich so ergebenden tatsächlichen Quadratmeterpreise aller 166 Wohnungen addiert und durch die Anzahl der Wohnungen dividiert und hierdurch ein Quadratmeterpreis von 5,77 EUR ermittelt. Es wurde also ein Durchschnittswert ermittelt. Multipliziert mit der maximal angemessenen Wohnungsgröße von 90 m² ergibt sich die Mietobergrenze von 519,30 EUR. Eine Ergebniskontrolle sei durch die Auswertung einschlägiger Anzeigenblätter erfolgt.
30 
Die Bildung eines Durchschnittswertes bei Wohnungen des unteren Preissegments ist aber rechtlich nicht zulässig, wenn -wie hier - nur die Wohnungen von Leistungsempfängern als Datengrundlage herangezogen werden. So errechnet sich ein Angemessenheitswert, der unter dem Wert liegt, der für einen Teil der Leistungsempfänger als angemessen akzeptiert wird (Spirale nach unten). Um diesen Zirkelschluss zu vermeiden, kann ein Leistungsträger entweder auf alle Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand abstellen, also neben Wohnungen einfachen Standards auch auf solche mittleren und gehobenen Standards, und dann aus den so gewonnenen Mietpreisen einen angemessenen Wert ermitteln. Oder der Leistungsträger kann auch - wie vorliegend - bei der Datenerhebung nur die Wohnungen einfachen Standards zugrunde legen, muss als Angemessenheitsgrenze dann aber die obere Preisgrenze dieses Segments wählen (BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R –, , juris Rn. 24). Das vom Beklagten mit Wirkung zum 01.05.2009 eingeführte Konzept erweist sich damit als nicht schlüssig.
31 
Entgegen der Auffassung des SG und nun auch des Beklagten, dass in dem abgebildeten Wohnsegment von Leistungsbeziehern auch Wohnungen über dem einfachen Standard abgebildet sind, weil Leistungsempfänger noch kein Kostensenkungsverfahren durchlaufen haben und daher noch in einer nicht angemessenen Wohnung leben, geht das BSG davon aus, dass Wohnungen von Leistungsempfängern nach dem SGB II bzw. SGB XII grundsätzlich Wohnungen einfachen Standards sind. Nur in der Rubrik der Wohngeldempfänger könnten Wohnungen enthalten sein, die auch teurer sind als eine nach SGB II oder SGB XII angemessene Wohnung. Für die vom Beklagten aufgestellte These, dass in den Datensätzen auch teurere, für Leistungsbezieher nicht angemessene Wohnungen enthalten sind, ergeben sich keine nachprüfbaren Anhaltspunkte, noch ist etwas über deren Anzahl ausgesagt. Damit handelt es sich um bloße Mutmaßungen, die das Konzept nicht schlüssig werden lassen.
32 
Der Senat hat erfolglos im Parallelrechtsstreit L 2 AS 3787/11 versucht, das Konzept vom Beklagten schlüssig machen zu lassen. Er hat sich, nachdem im Mietrecht ständig „ortsübliche Vergleichsmieten“ zu ermitteln und Vergleiche mit dem bestimmten Mietobjekt anzustellen sind, am im Mietrecht beachteten Gesichtspunkten orientiert und etwa die „Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln“ (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen) sowie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.02.2012 - (VIII ZR 346/10, juris, zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete) herangezogen. Sodann wurde dem Beklagten u.a. aufgegeben, die Datenmenge durch Einbeziehung der Daten von Wohngeldempfängern im Monat Oktober 2008 zu vergrößern (Repräsentativität, vgl. BSG Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, juris Rn. 19; Identität, BSG, Urt. v. 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris, Rn. 17), die Neuauswertung ausreichend zu dokumentieren (Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, 2. Teil I. 10. S. 30), die verwendeten Daten transparent zu machen, den Mietbegriff (Kalt- oder Warmmiete) festzulegen und zu vereinheitlichen (vgl. Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, 2. Teil I. 3. S. 23 f.; BSG Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R , juris Rn. 23). Sodann sollten als „Ausreißermieten“ die Datensätze eliminiert werden, die 20% und mehr über und unter dem arithmetischen Mittel liegen (II. 4. S.41 f der Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, BGH, aaO., juris Rn. 19 unter Hinweis auf Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht). Sodann sollte der Spannenoberwert, dh der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne bzw. die obere Preisgrenze dieses Segments zu Grunde gelegt werden.
33 
Der Vorgabe entsprechend hat der Beklagte die bereits erhobenen Daten um die Daten von Wohngeldbeziehern ergänzt, sodass nun 4.269 Datensätze erfasst sind. Auch wenn sich die Datenmenge für den gesamten Landkreis dadurch um ca. 1000 vergrößert hat, dürfte es sich hierbei angesichts des Bestands von Wohnungen und Räumen im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald von zusammen 119.358 (Bestand an Wohnungen und Räumen in den Stadt und Landkreisen Baden-Württembergs am 31.12.2012, vgl. www.statistik.baden-wuerttemberg.de/veroeffentl/ Statistische_Berichte/3734_12001.pdf) dennoch nicht um eine ausreichend große Datenmenge handeln. Die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes können wiedergegeben sein, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R –, juris Rn. 16). Dies ist bei vorliegend 3,58 % nicht der Fall, auch wenn berücksichtigt wird, dass nicht nach selbstgenutzten Eigentums- und Mietwohnungen unterschieden ist.
34 
Davon unabhängig ist die Berechnung des Beklagten wiederum nicht zulässig, weil er erneut einen Durchschnittswert bildet. Für die Raumschaft Umland F. wurden 53 Datensätze für Wohnungen von Leistungsbeziehern mit einer Größe von 60 bis 75 m² und 78 Datensätze für Wohnungen von 75 bis 90 m² bzw. 90 bis 105 m² vorgelegt. Entsprechend den oben beschriebenen Raumschaften und Wohnflächen je Haushaltsgröße hat der Beklagte wie vom Senat vorgegeben Durchschnittswerte (arithmetisches Mittel) für die Miete je Quadratmeter ermittelt. Ausgehend davon wurden Korridore von plus bzw. minus 20 % von diesem Wert bestimmt. Aus den sich danach (Kaltmiete pro Quadratmeter größer oder gleich dem unteren Korridorwert und zugleich kleiner oder gleich dem oberen Korridorwert) ergebenden Datensätzen wurden jedoch wiederum Durchschnittswerte (arithmetisches Mittel) für die Kaltmiete pro Quadratmeter ermittelt. Danach ergab sich für Wohnungen im Umland F. mit einer Größe über 75 m² ein Durchschnitt innerhalb des Korridors von 5,66 pro Quadratmeter und von 5,70 EUR/m² für Wohnungen mit 60 bis 75 m², damit Werte, die geringfügig unter den bisherigen liegen. Insgesamt errechnete der Beklagte bezogen auf die Wohnsituation der Kläger eine angemessene Kaltmietobergrenze von 512,40 EUR. Diese Berechnung fußt jedoch auf einer erneuten Bildung eines Durchschnittswertes aus Wohnungen von Leistungsbeziehern die mangels nachprüfbarer Erkenntnisse dem unteren Preissegment zugeordnet werden müssen, was der Senat für unzulässig hält. Sie ist nicht mit der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des BSG vereinbar. Es hätte vielmehr zur Vermeidung eines Zirkelschlusses vom Spannenoberwert ausgegangen werden müssen. Eine weitere diesbezügliche Berechnung lehnt der Beklagte ab und auch die angeforderte Dokumentation der einzelnen Schritte der Auswertung stellt er nicht zur Verfügung. Der Senat stellt deshalb fest, dass ein schlüssiges Konzept nicht mehr erstellt werden kann und von einem Erkenntnisausfall bei der Ermittlung der Höhe der angemessenen Unterkunftskosten auszugehen ist.
35 
Der Senat kann auch nicht den als Durchschnittswert plus 20% ermittelten und mitgeteilten Quadratmeterpreis für die Ermittlung der abstrakt angemessenen KdU zu Grunde legen, weil eine vergleichbare Datenbasis nicht vorliegt. Als weiteres Manko des nachgebesserten Konzepts konnte hinsichtlich der Wohnungen von Wohngeldempfängern nicht nach Brutto- und Nettokaltmieten unterschieden werden, während hinsichtlich der übrigen Wohnungen der Beklagte von einer zumindest errechneten Nettokaltmiete ausgegangen ist. Insofern fehlt es bereits an einem einheitlichen Mietbegriff, so dass die Auswertung zu Verzerrungen führen kann. Dies belegt im Übrigen auch ein Vergleich der ermittelten Durchschnittswerte plus 20 %, die als Spannenoberwert angesehen werden könnten, mit den Werten des qualifizierten Mietspiegels der Großstadt F., die für den im allgemeinen als preiswerter einzustufenden ländlichen Raum wider die Erwartung zum Teil erheblich darüber liegen, so z.B. der Wert für eine 30 bis 45 m² große Wohnung im Umland F. mit 8,06 EUR/m² gegenüber dem der Mietspiegel 2009 der Stadt F. für eine Standardwohnung mit 45 m² lediglich eine Basismiete von 7,87 EUR ausweist.
36 
Auf Grund des Ausfalls von weiteren lokalen Erkenntnismöglichkeiten für die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts im räumlichen Vergleichsgebiet erachtet der Senat den Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle als zulässig (BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R, Rn. 16). Die Tabellenwerte des hier maßgeblichen § 12 WoGG (gültig ab 01.01.2009) deckeln die dann grundsätzlich zu übernehmenden tatsächlichen Aufwendungen im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze (BSG aaO Rn. 20). In ihnen sind die - ansonsten ebenfalls abstrakt zu ermittelnden - kalten Betriebskosten enthalten (§ 9 Abs. 1 WoGG). Es ist auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" von 10 % einzubeziehen (BSG, aaO, Rn. 22; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R, bisher nur als Terminbericht vorhanden). Für die Wohnung der Kläger (4 Personen) ergibt sich hieraus für den Wohnort M., der nach der Anlage zu § 1 Abs. 3 der Wohngeldverordnung (WoGV, BGBl. I 2008, 2487-2519 ab 01.01.2009) dem Kreis Breisgau- Hochschwarzwald zugehörig der Mietenstufe III zugeordnet ist, ein Betrag von 556 EUR. Zuzüglich 10 % beträgt die abstrakt angemessene Kaltmiete inklusive Nebenkosten mithin 661 EUR.
37 
Hinzu kommen die angemessenen Heizkosten. Die Prüfung der Angemessenheit der Leistung für die Heizung hat nicht nur getrennt von der für die Unterkunft zu erfolgen, sondern auch nach eigenen Regeln: Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung ist - mangels anderer Zahlen - so lange zu bejahen, wie die Kosten unter dem Grenzbetrag eines bundesweiten oder kommunalen Heizspiegels liegen (BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 25; BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 Rn. 23 ff). Grundsätzlich ist bei einer Warmwasserbereitung über die Heizung - wie vorliegend - der Anteil, der für die Warmwasserbereitung im Rahmen der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist, abzuziehen (BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - ; BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R –, juris; BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 16/11 R –, juris).
38 
Die Höhe der Heizkosten der Kläger im streitigen Zeitraum ist unbekannt. Mietvertraglich sind kalte und warme Nebenkosten nur in einer pauschalen Summe von 210 EUR monatlich vereinbart. Die tatsächlichen Kosten lassen sich damit erst durch eine nachträgliche Verbrauchsabrechnung ermitteln, was auch angeblich geschehen ist. Die Nebenkostenabrechnung für den streitigen Zeitraum hatte der Beklagte nicht angefordert, ist von den Klägern auf die Aufforderung des Senats vom 10.01.2013 nicht vorgelegt worden und kann nach Mahnung nun mangels Aufbewahrung nicht mehr vorgelegt werden. Die tatsächlichen Heizkosten sind damit nicht bestimmbar und es ist nicht nachgewiesen, dass diese tatsächlich höher waren, als vom Beklagten pauschal mit 86 EUR (86 m² x 1 EUR) zu Grunde gelegt. Die Beweislast trifft insoweit die Kläger, die einen höheren Anspruch geltend machen. Im Rahmen eines Rechtsstreits über die KdU und Heizung ist es eine Obliegenheit der Kläger, die entsprechenden Unterlagen aufzubewahren und ggf. Nachweis zu erbringen. Dazu sind die Kläger im vorliegenden Verfahren bereits seit dem Widerspruchsverfahren von einem in diesem Rechtsgebiet sehr häufig auftretenden Rechtsanwalt vertreten, der genauestens mit der rechtlichen Materie vertraut ist. Nachdem die Kläger bereits vor über einem Jahr, nämlich im Januar 2013 vom Senat zur Vorlage der Unterlagen aufgefordert worden sind, ist mehr als genügend Zeit vergangen, sich die Nachweise eventuell beim Vermieter wiederzubeschaffen. Die jetzige Urlaubsabwesenheit des Vermieters vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung geht zu Lasten der Kläger. Es besteht auch für den Senat keine Veranlassung, die Entscheidung über den Rechtsstreit zu verschieben und selbst beim Vermieter noch nachzuforschen. Hierbei handelt es sich um Ermittlungen ins Blaue hinein, zu denen keine Verpflichtung besteht. Es ist weder behauptet worden, dass die Heizkosten höher waren, noch steht fest, dass der Vermieter die Unterlagen aufbewahrt hat und diese durch Nachfrage dort beschafft werden könnten.
39 
Aus diesem Grunde greift der Senat auch nicht - was denkbar wäre - ersatzweise auf den niedrigsten Grenzbetrag (BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R, juris Rn. 43) des bundesweiten Heizkostenspiegels von 2011 (Abrechnungsjahr 2010) zurück, obwohl die maximalen abstrakt angemessenen Heizkosten für eine 90 m² Wohnung sich danach in Höhe von 125,25 EUR monatlich errechnen (16,70 EUR x 90 m² für Heizöl) und ein weiterer Abzug für die Warmwasserbereitung nicht gerechtfertigt sein dürfte, da sich die Vergleichswerte in den Tabellen ausschließlich auf die reine Raumwärme beziehen. Auch wenn der bundesweite Heizkostenspiegel gegebenenfalls höhere tatsächliche Kosten deckelt und als Obergrenze angesehen werden kann, besteht hierzu auch deshalb kein Anlass, da die Heizkosten im Bereich des Beklagten - wie dem Senat aus anderen Rechtsstreitigkeiten bekannt ist - zum Teil auch unter den pauschal vom Beklagten erstatteten Heizkosten liegen. „Sicherheitshalber“ sind den Klägern bei Verlust des Nachweises über die tatsächlichen Heizkosten keine höheren als die bereits erstatteten Heizkosten zu gewähren.
40 
Allerdings hat der Beklagte im streitigen Zeitraum den Abzug der Warmwasserpauschale nicht korrekt vorgenommen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R und Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R). Die Werte betragen für zwei Erwachsene in einem Haushalt je 5,82 EUR (= 11,64 EUR) und für die Kinder je 3,88 EUR (= 7,76). Für die Warmwasserbereitung sind daher nur 19,40 EUR statt 20,36 EUR abzuziehen, so dass die Heizkosten nach Abzug noch 66,60 EUR ausmachen.
41 
Zusammenfassend betragen die abstrakt angemessenen KdU und die Heizkosten damit 678,20 EUR.
42 
Die tatsächlichen KdU und Heizung mit insgesamt 910 EUR sind daher - unabhängig davon, ob die Kosten in Höhe von 20 EUR für einen Stellplatz zu übernehmen wären - nicht angemessen. Eine temporäre Übernahme der tatsächlichen Kosten kommt nicht in Betracht, nachdem die Kläger keine Zusicherung für den Umzug erhalten haben und über die Unangemessenheit der Kosten informiert waren.
43 
Auch unter Berücksichtigung der Argumentation in der Entscheidung des SG Mainz (vom 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09) haben die Kläger keinen Anspruch auf höhere KdU und Heizung. Der Senat hat bereits entschieden, dass er - wie auch schon der 1. und 13. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (vgl. Urteil vom 21.06.2013 - L 1 AS 3518/11 ZVW - juris; Urteil vom 25.02.2014 - L 13 AS 3088/12 ZVW; ebenso Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 22 Rn. 72) - der Auffassung des SG Mainz nicht folgt. Die vom Sozialgericht Mainz in seiner Entscheidung vom 08.06.2012 geäußerte Auffassung, dass der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verwendete Begriff der „Angemessenheit“ den im Urteil des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 09.02.2010 aufgestellten Anforderungen nicht genüge, ist falsch. Das BVerfG hat in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sog. „schlüssigen Konzept“ die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bereits gebilligt und ausgerechnet in dem vom Sozialgericht Mainz als Beleg für seine irrige Auffassung angeführten Urteil folgendes ausgeführt: „§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher“ (BVerfG 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 12 Rdnr 148). Damit ist die Entscheidung des Sozialgericht Mainz schon im Ansatz unrichtig, wenn sie aaO Rdnr 62, 68 der Meinung ist, es fehle für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ an einer hinreichenden parlamentsgesetzlichen Grundlage und der Bundesgesetzgeber stehe „demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein entsprechender Rechtsanspruch besteht“. Das ist, wie das Bundesverfassungsgericht klar gestellt hat, bereits in ausreichendem Maße geschehen. Auch in seiner Entscheidung vom 27.09.2011 (1 BvR 232/11 = info also 2012, 28 = juris Rn. 24 f.) hat das BVerfG das schlüssige Konzept des BSG ersichtlich für geeignet erachtet, den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit auszufüllen. Diese Entscheidung scheint dem Sozialgericht Mainz nicht bekannt gewesen zu sein.
44 
Der Beklagte hat den Klägern anteilige Leistungen für KdU und Heizung ausgehend von angemessenen Kosten in Höhe von insgesamt 708,94 EUR statt abstrakt angemessener in Höhe von 678,20 EUR gewährt. Die Kläger haben somit höhere Leistungen für KdU und Heizung erhalten. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
46 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.