Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 01. Nov. 2018 - 12 A 224/17
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Höhe des Ruhegehaltssatzes des Klägers bzw. das Bestehen von Schadensersatzansprüchen des Klägers im Zusammenhang mit der Erteilung einer falschen Versorgungsauskunft.
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Der am 29. März 1954 geborene Kläger stand als Richter (Besoldungsgruppe R1) im Dienst des Landes Schleswig-Holstein. Im Januar 2014 wurde bei ihm eine Schwerbehinderung festgestellt.
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Mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 bat er das damalige Ministerium für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein (im Folgenden: Ministerium) um Erteilung einer Auskunft über die Höhe des zu erwartenden Ruhegehalts. Er bat außerdem darum, ihm die Höhe der voraussichtlichen Ruhestandsbezüge auf der Basis seiner aktuellen Bezüge bei einem Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des 31. März 2016, des 30. Juni 2017 und des 30. November 2019 mitzuteilen. Falls Abschläge zu berücksichtigen seien, bat er um Mitteilung der jeweiligen Höhe. Mit gleichem Schreiben beantragte er außerdem die Feststellung seiner ruhegehaltfähigen Dienstzeiten. Dem Schreiben fügte er eine dienstliche Erklärung über seinen Beschäftigungsverlauf bei.
- 4
Mit Bescheid vom 8. Januar 2016 entschied das Ministerium über die Anerkennung bestimmter ruhegehaltfähigen Dienstzeiten des Klägers.
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Mit Schreiben vom 22. Februar 2016 übersandte das Ministerium dem Kläger jeweils ein Exemplar der vom Beklagten im Wege der Amtshilfe durchgeführten Berechnung seines Ruhegehaltssatzes für die von ihm angegebenen Zeitpunkte des Eintritts in den Ruhestand. Das Ministerium wies darauf hin, dass die Berechnung unter dem Vorbehalt des Gleichbleibens der ihr zugrunde liegenden Rechtslage und der Richtigkeit der Angaben in der vom Kläger abgegebenen dienstlichen Erklärung vom 16. Dezember 2015 erfolgt sei.
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Auf der ersten Seite aller drei Versorgungsauskünfte fand sich die Aussage, dass zum Zeitpunkt der unterstellten Zurruhesetzung (Ablauf des 31. März 2016, des 30. Juni 2017 und des 30. November 2019) der maßgebliche Ruhegehaltssatz 71,75 % betrage. In der Berechnung auf der zweiten Seite der Auskünfte wurde in allen Fällen eine ruhegehaltfähige Dienstzeit im Justizdienst bis zum 30. November 2019 angesetzt. Als Ergebnis der Berechnung wurde wiederum jeweils ein Ruhegehaltssatz von 71,75 % ausgewiesen. Aus der Auskunft zum Ablauf des 31. März 2016 ergab sich zudem ein Versorgungsabschlag gemäß § 16 Abs. 2 SHBeamtVG in Höhe von 4,5 % des Ruhegehalts. Die beiden weiteren Auskünfte wiesen keinen derartigen Versorgungsabschlag aus.
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Mit Schreiben vom 29. November 2016 beantragte der Kläger gegenüber dem Ministerium, ihn zum Ablauf des 31. Juli 2017 in den Ruhestand zu versetzen und ihm ab dem 1. August 2017 ungekürzte Ruhestandsbezüge zu gewähren. Er wolle aufgrund seiner Schwerbehinderung von der Möglichkeit Gebrauch machen, vorzeitig und ohne einen Versorgungsabschlag in den Ruhestand zu gehen.
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Mit Bescheid vom 7. Januar 2017 wurde der Kläger mit Ablauf des Monats Juli 2017 in den Ruhestand versetzt.
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Mit Bescheid vom 19. Juli 2017 setzte der Beklagte den Ruhegehaltssatz des Klägers mit 69,97 % fest.
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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 7. August 2017 Widerspruch ein. Die ihm übersandten Versorgungsauskünfte seien bestandskräftig. Darüber hinaus habe er den Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des 31. Juli 2017 nur deshalb beantragt, weil ihm klar und eindeutig mitgeteilt worden sei, dass er bereits ab dem 31. März 2016 einen Ruhegehaltssatz von 71,75 % erhalten werde und jedenfalls nach dem 30. Juni 2017 kein Versorgungsabschlag vorgenommen werde.
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Er habe stets betont, dass er Einschränkungen hinsichtlich der Höhe der Ruhestandsbezüge vermeiden wolle. Dies sei in seinem Antrag vom 29. November 2016 zum Ausdruck gekommen, in dem er ausdrücklich die Zahlung ungekürzter Ruhestandsbezüge beantragt habe. Die Voranfrage nach der Höhe der zu erwartenden Ruhestandsbezüge habe allein dem Zweck gedient, den Zeitpunkt zu ermitteln, ab dem der Versorgungshöchstwert von 71,75 % ohne Abzüge erreicht sein werde. Das durch die Versorgungsmitteilungen vermittelte Vertrauen, dass dies ab dem 30. Juni 2017 der Fall sein werde, sei schutzwürdig. Andernfalls hätte er länger gearbeitet. Dieses schutzwürdige Vertrauen rechtfertige zudem die Prüfung von Zahlungsforderungen unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruches.
- 12
Mit Bescheid vom 22. November 2017 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ausgehend von einer ruhegehaltfähigen Dienstzeit von 39 Jahren und zwei Tagen habe sich ein Ruhegehaltssatz in Höhe von 69,97 % ergeben. Soweit der Kläger eine weitergehende Berücksichtigung von Studien- und Prüfungszeiten begehre, wies der Beklagte darauf hin, dass für diese Festsetzung die Personaldienststelle des Klägers zuständig sei, an deren Bescheid vom 8. Januar 2016 er gebunden sei.
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Die Versorgungsauskunft, mit der dem Kläger bei einem Ruhestandsbeginn mit Ablauf des 30. Juni 2017 die Festsetzung eines Ruhegehaltssatzes in Höhe von 71,75 % in Aussicht gestellt worden sei, sei fehlerhaft gewesen, weil bei jeder Berechnungsvariante von einer Dienstzeit bis zum 30. November 2019 ausgegangen worden sei. Dies sei auf der zweiten Seite der Auskünfte auch deutlich erkennbar gewesen. Dieser Eingabefehler habe dem Kläger bei einer angemessen Überprüfung der erteilten Auskünfte auffallen müssen. Er könne deshalb kein schutzwürdiges Vertrauen in die Versorgungsauskünfte geltend machen. Darüber hinaus handle es sich nicht um der Bestandskraft fähige Bescheide.
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Am 21. Dezember 2017 hat der Kläger Klage erhoben.
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Er wiederholt und vertieft seinen Vortrag aus seinem Widerspruchsschreiben. Die ihm übersandten Entscheidungen zur zu erwartenden Höhe des Ruhegehalts bänden den Dienstherrn. Er habe den Eintritt in den Ruhestand zum Ablauf des 31. Juli 2017 nur deshalb beantragt, weil er aufgrund der Versorgungsauskunft davon ausgegangen sei, dass er bereits ab dem 31. März 2016 einen Ruhegehaltssatz von 71,75 % erreichen werde und bei einer Versetzung in den Ruhestand zum Ablauf des 31. Juli 2017 auch kein Versorgungsabschlag angesetzt werde.
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Die Berechnung der Höhe der Ruhestandsbezüge sei auch fehlerhaft, weil die Zeit seines Studiums nicht in vollem Umfang berücksichtigt worden sei. Würden die bislang unberücksichtigt gebliebenen 3 Jahre und 53 Tage einbezogen, ergäbe sich daraus der volle Ruhegehaltssatz. Die gegenteilige Entscheidung vom 8. Januar 2016 sei rechtswidrig ergangen.
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Er beantragt,
- 18
unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Juli 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids von 22. November 2017 den Beklagten zu verpflichten, ihm Ruhestandsbezüge auf der Basis des Ruhegehaltssatzes von 71,75 % zu zahlen,
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hilfsweise,
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den Beklagten zu verurteilen, ihm – dem Kläger – 571,55 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank ab dem 1. Januar 2018 und ab dem 1. Januar 2018 monatlich (weitere) 117,00 € brutto zu zahlen,
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weiterhin hilfsweise,
- 22
den Beklagten zu verurteilen, ihn – den Kläger – mit Wirkung ab 1. August 2017 im Wege des Schadensersatzes durch Zahlung eines monatlichen Differenzbetrages so zu stellen, als stünden ihm Versorgungsbezüge in Höhe von 71,75 % zu und die rückständigen Zahlbeträge mit 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.
- 23
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 25
Zur Begründung verweist er auf seinen Widerspruchsbescheid.
- 26
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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A. Der Hauptantrag des Klägers ist nach der durch ihn im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Klarstellung seines Klagebegehrens dahingehend zu verstehen, dass er nicht auf die Gewährung von Schadensersatz gerichtet ist. Vielmehr verfolgt der Kläger damit das Begehren, dass ihm ein Ruhegehaltssatz in Höhe von 71,75 % zuerkannt wird. Das ergibt sich auch aus seinem in der mündlichen Verhandlung wiederholten Vortrag, dass er bei einer weiterreichenden Anerkennung seiner Studienzeiten den vollen Ruhegehaltssatz erreicht hätte.
- 28
B. Die Klage ist zulässig (hierzu I.), aber unbegründet (hierzu II.).
- 29
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg auch für das mit den Hilfsanträgen geltend gemachte Schadensersatzbegehren eröffnet.
- 30
Die abdrängende Sonderzuweisung des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO greift vorliegend nicht ein. Nach § 40 Abs. 2 Satz 2 VwGO bleiben davon die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts unberührt.
- 31
Nach § 54 Abs. 1 BeamtStG ist für alle Klagen der Ruhestandsbeamten der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Davon erfasst werden auch Klagen wegen einer Verletzung der Fürsorgepflicht oder anderer Pflichten des Dienstherrn, auch wenn auf einen Ausgleich in Geld geklagt wird (W.-R.Schenke/Ruthig, in: Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2017, § 40 Rn. 74, 76; Wysk, in: Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 40 Rn. 66
).
- 32
II. Die Klage ist sowohl hinsichtlich des Hauptantrags (hierzu 1.) als auch der Hilfsanträge (hierzu 2.) unbegründet.
- 33
1. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Festsetzung des Ruhegehaltssatzes des Klägers auf 69,97 % ist rechtmäßig verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
- 34
Der Kläger hat die für die Erreichung des höchsten Ruhegehaltssatzes erforderlichen Dienstzeiten nicht zurückgelegt. Soweit er eine weitergehende Anerkennung seiner Studienzeiten fordert, ist der diesbezügliche Bescheid über die Anerkennung von Vordienstzeiten vom 8. Januar 2016 bestandskräftig. Dass die der Festsetzung des Ruhegehaltssatzes im Bescheid vom 19. Juli 2017 zugrunde liegenden Berechnungen fehlerhaft sind, hat der Kläger weder vorgetragen, noch ist dies sonst ersichtlich.
- 35
2. Auch die Hilfsanträge sind unbegründet. Die Ablehnung der Gewährung von Schadensersatz an den Kläger durch den Beklagten ist rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Das Rechtsinstitut des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt. Es findet seinen Rechtsgrund im Beamtenverhältnis und begründet einen unmittelbar gegen den Dienstherrn gerichteten Ersatzanspruch für Schäden, die aus einer Verletzung der aus dem Beamtenverhältnis folgenden Pflichten – etwa der Fürsorgepflicht aus § 45 BeamtStG – entstehen. Als im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis wurzelndes und insofern "quasi-vertragliches" Institut gewährleistet der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch Sekundärrechtsschutz für Pflichtverletzungen aus dem Beamtenverhältnis, wie dies § 280 Abs. 1 BGB für vertragliche Schuldverhältnisse vorsieht (grundlegend BVerwG, Urteil vom 24. August 1961 – II C 165.59 –, NJW 1961, 2364 <2365 ff.>; jüngst BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 – 2 C 19/17 –, juris, Rn. 9 f.; zur Schadensersatzpflicht bei Erteilung von falschen Auskünften BVerwG, Urteil vom 21. September 2006 – 2 C 7/06 –, NVwZ 2007, 342 <343 Rn. 16>).
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Die Geltendmachung eines solchen Schadensersatzanspruchs ist vorliegend nicht durch § 3 Abs. 1 SHBeamtVG oder § 3 Abs. 2 SHBeamtVG ausgeschlossen (hierzu a). Dem Kläger steht auch ein Schadensersatz dem Grunde nach zu (hierzu b). Aufgrund des Grads des Mitverschuldens des Klägers ist dieser Anspruch jedoch auf Null zu mindern (hierzu c).
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a) Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht durch § 3 Abs. 1 SHBeamtVG (hierzu<1>) oder § 3 Abs. 2 SHBeamtVG (hierzu<2>) ausgeschlossen. Diese Vorschriften stehen der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen einer Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die zu versorgungsrechtlichen Nachteilen des Beamten geführt hat, nicht entgegen.
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(1) Nach § 3 Abs. 1 SHBeamtVG wird die Versorgung der Beamtinnen und Beamten und ihrer Hinterbliebenen durch Gesetz geregelt. Die Vorschrift schließt die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs bei Pflichtverletzungen des Dienstherrn, die zu versorgungsrechtlichen Nachteilen des Beamten geführt haben, nicht aus.
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Verschiedene Verwaltungsgerichte vertreten allerdings die Auffassung, dass in der vorliegenden vergleichbaren Fallgestaltungen ein Schadensersatzanspruch aufgrund der in § 3 SHBeamtVG (bzw. vergleichbarer Vorschriften des Bundes und der Länder) verankerten strikten Gesetzesbindung der Versorgung nicht in Betracht komme. Zwar könne die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht unmittelbar und selbstständig Rechtsgrundlage für Zahlungsansprüche des Beamten gegen den Dienstherrn sein. Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergebe sich aber, dass die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht darüber hinausgehe, was dem Beamten oder früheren Beamten durch spezialgesetzliche Regelung abschließend eingeräumt sei. Insbesondere sei die Versorgung des Beamten grundsätzlich abschließend durch die beamtenversorgungsrechtlichen Regelungen konkretisiert. Deshalb sei ein Rückgriff auf die allgemeine Fürsorgepflicht ausgeschlossen, um die durch Spezialvorschriften im Einzelnen nach Art und Umfang begrenzten Ansprüche zu erweitern (VG München, Urteil vom 17. Februar 2004 – M 5 K 02.4284 –, juris, Rn. 30; im Anschluss daran VG Düsseldorf, Urteil vom 31. Mai 2010 – 23 K 485/08 –, juris, Rn. 31; VG Ansbach, Urteil vom 30. November 2010 – AN 1 K 09.01731 –, juris, Rn. 41; VG Regensburg, Urteil vom 28. September 2016 – RO 1 K 15.2046 –, BeckRS 2016, 131125, Rn. 34 ff.).
- 41
Dieser Auffassung folgt die Kammer jedoch nicht. Zwar ergibt sich aus dem in den genannten Entscheidungen unmittelbar oder mittelbar in Bezug genommenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2000 tatsächlich, dass die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht über das hinausgeht, was dem Beamten oder früheren Beamten durch spezialgesetzliche Regelung abschließend eingeräumt ist (BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2000 – 2 C 39.99 –, juris, Rn. 14).
- 42
Diese Aussage bezieht sich aber nur auf primäre Leistungspflichten des Dienstherrn. Das Bundesverwaltungsgericht stellt in der Entscheidung an anderer Stelle ausdrücklich klar, dass Ansprüche, die aus der Verletzung einer Rechtspflicht hergeleitet werden, prinzipiell dem Haftungsrecht zugeordnet sind. Zwar könnten sich aus einer Verletzung der Fürsorgepflicht Schadensersatzansprüche ergeben. Der mit § 45 BeamtStG inhaltsgleiche § 95 Absatz 1 Satz 1 LBG SH a.F. bestimme indessen nicht selbst die Voraussetzungen und den Inhalt derartiger Ansprüche. Ob diese bestünden, beurteile sich nach den allgemeinen Vorschriften (BVerwG, Urteil vom 21 Dezember 2000 – 2 C 39.99 –, juris, Rn. 13, 16).
- 43
Die Gegenauffassung geht also darüber hinweg, dass die Gewährung von Schadensersatz nicht zu Versorgungsansprüchen in gesetzlich nicht vorgesehener Höhe führt, sondern zum Ausgleich eines Vermögensschadens, der dem Beamten durch die Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn entstanden ist. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatz wegen einer Verletzung der Fürsorgepflicht – auch im Bereich der Versorgung – bejaht (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2005 – 2 C 5/04 -, juris, Rn. 55 ff. sowie die Nachweise unter 2.). Dem sind andere Gerichte gefolgt – teils unter ausdrücklicher Ablehnung der Gegenauffassung – gefolgt (VGH München, Beschluss vom 22. September 2017 – 3 ZB 15.2495 –, juris, Rn. 8; VGH Kassel, Beschluss vom 2. April 2015 – 1 A 2036/13.Z, juris, Rn. 8; VG Gießen, Urteil vom 15. August 2013 – 5 K 2950/12.GI, juris, Rn. 17 ff.; VG Wiesbaden, Urteil vom 20. Juni 2011 – 3 K 1349/09.WI –, juris, Rn. 42 f.; s.a. Plog/Wiedow, BBG, § 3 BeamtVG Rn. 77
).
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(2) Auch § 3 Abs. 2 SHBeamtVG schließt einen Schadensersatzanspruch des Klägers nicht aus (im Ergebnis wie hier VGH Kassel, Beschluss vom 2. April 2015 – 1 A 2036/13.Z, juris, Rn. 8; OLG Stuttgart, Urteil vom 31. März März 2004 – 4 U 216/03 –, BeckRS 2006, 14299, Rn. 34 ff.; VG Wiesbaden, Urteil vom 20. Juni 2011 – 3 K 1349/09.WI, juris, Rn. 41). Das gilt unabhängig davon, ob eine Versorgungsauskunft unter diese Vorschrift fällt (dafür VG Ansbach, Urteil vom 30. November 2010 – AN 1 K 09.01731 –, juris, Rn. 39; Wittmer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, § 3 BeamtVG Rn. 23
).
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Denn danach sind lediglich Zusicherungen, Vereinbarungen und Vergleiche, die dem Beamten eine höhere als die ihm gesetzlich vorgesehene Versorgung verschaffen sollen, unwirksam, so dass der Beamte aus ihnen keine Ansprüche geltend machen kann (vgl. Plog/Wiedow, BBG, § 3 BeamtVG Rn. 126
; Wittmer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, § 3 BeamtVG Rn. 31 ). Vorliegend macht der Kläger jedoch keinen Anspruch aus der – möglicherweise nach § 3 Abs. 2 SHBeamtVG unwirksamen – Versorgungsauskunft selbst geltend, sondern aus der Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn durch die Erteilung dieser – falschen – Versorgungsauskunft.
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b) Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach liegen vor. Der Kläger hat vor der Beschreitung des Rechtswegs einen Antrag auf Gewährung von Schadensersatz beim Beklagten gestellt (hierzu aa). Der Dienstherr des Klägers hat seine Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger verletzt (hierzu bb). Daran trifft den Dienstherrn auch ein Verschulden (hierzu cc). Die Pflichtverletzung des Dienstherrn hat auch zu einem (konkreten) Schaden geführt (hierzu dd). Zwischen der Pflichtverletzung des Dienstherrn und dem Schaden des Klägers besteht auch ein adäquater Kausalzusammenhang (hierzu ee). Der Kläger hat auch nicht gegen seine Schadensabwendungspflicht verstoßen (hierzu ff).
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aa) Der Kläger hat vor Beschreitung des Rechtswegs ein Begehren auf Schadensersatz gegenüber seinem Dienstherrn geltend gemacht (zu diesem Erfordernis VG Schleswig, Urteil vom 29. März 2017 – 12 A 182/16 –, juris, Rn. 24).
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Dies ist auch im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens möglich (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2001 – 2 C 48/00 –, juris, Nr. 15). Im Widerspruch des Klägers heißt es ausdrücklich, dass das durch die Versorgungsauskünfte nach seiner Auffassung erzeugte schutzwürdige Vertrauen „die Prüfung von Zahlungsforderungen unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruches rechtfertigen“ dürfte. Der Beklagte hat über dieses Begehren auch entschieden, indem er in seinem Widerspruchsbescheid vom 22. November 2017 das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens des Klägers auf den Inhalt der Versorgungsauskünfte verneint hat.
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bb) Der Dienstherr des Klägers hat, handelnd durch das Ministerium und den Beklagten, seine Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger durch die Erteilung der bezüglich der Zeitpunkte des Eintritts in den Ruhestand zum 31. März 2016 und zum 30. Juni 2017 – unstreitig – fehlerhaften Versorgungsauskünfte verletzt.
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(1) Nach § 45 BeamtStG hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten zu sorgen. Zwar folgt aus der Fürsorgepflicht keine allgemeine Belehrungs- und Beratungspflicht (vgl. nur B. Hoffmann, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, § 45 BeamtStG Rn. 19
m.w.N.). Entschließt der Dienstherr sich jedoch, seinen Bediensteten von sich aus Auskunft zu erteilen oder diese zu belehren, müssen diese Auskünfte sachlich und rechtlich richtig, umfänglich und nicht missverständlich erteilt werden. Dadurch soll der Beamte vor nachteiligen Fehlschlüssen aus den Mitteilungen des Dienstherrn bewahrt werden (BVerwG, Urteil vom 21. September 2006 – 2 C 7/06 –, NVwZ 2007, 342 <343 Rn. 16>; Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, § 10 Rn. 19). Das gilt für Versorgungsauskünfte jedenfalls dann, wenn diese erkennbar im Hinblick auf eine ins Auge gefasste Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand erbeten werden (VGH Kassel, Beschluss vom 2. April 2015 – 1 A 2036/13.Z –, juris, Rn. 7; VG Gießen, Urteil vom 15. August 2013 – 5 K 2950/12.GI –, juris, Rn. 20; Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, § 10 Rn. 63).
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Vorliegend hat der Dienstherr – entsprechend seiner damaligen Praxis (vgl. LT-Drs. 17/1267, S. 22) – auf Bitten des Klägers von sich aus die Versorgungsauskünfte erteilt (die diesbezügliche gesetzliche Anspruchsgrundlage in § 56 Abs. 9 SHBeamtVG gab es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht). Die Versorgungsauskunft hinsichtlich des Eintritts in den Ruhestand mit Ablauf des 30. Juni 2017 war sachlich unrichtig, weil sie dem Kläger einen Ruhegehaltssatz von 71,75 % in Aussicht stellte, der aber nur bei einer über dieses Datum hinausgehenden Dienstzeit als Richter zu erreichen gewesen wäre.
- 52
Die Versorgungsauskünfte holte der Kläger auch erkennbar im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand ein. Das ergibt sich zwanglos aus seinem Schreiben vom 16. Dezember 2015 und wird auch vom Beklagten nicht infrage gestellt.
- 53
(2) Eine Verletzung der Fürsorgepflicht ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Ministerium dem Kläger die Versorgungsauskünfte mit dem Hinweis übermittelte, die Berechnung stehe unter dem Vorbehalt des Gleichbleibens der ihnen zugrunde liegende Rechtslage und der Richtigkeit der Angaben in der vom Kläger abgegebenen dienstlichen Erklärung vom 16. Dezember 2015.
- 54
Abgesehen davon, dass der Dienstherr sich durch die Kennzeichnung seiner Auskunft als unverbindlich nicht umfassend von einer Haftung freizeichnen kann (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 2. April 2015 – 1 A 2036/13.Z –, juris, Rn. 7; VG Wiesbaden, Urteil vom 20. Juni 2011 – 3 K 1349/09.WI –, juris, Rn. 44), sind vorliegend beide Konstellationen, auf die sich der Vorbehalt bezog, nicht einschlägig. Weder hat sich die Rechtslage geändert, noch beruhte die Fehlberechnung auf den Angaben in der dienstlichen Erklärung des Klägers vom 16. Dezember 2015. Insbesondere gab er darin nicht etwa als Ende seiner Dienstzeit als Richter den 30. November 2019 an.
- 55
cc) Der Dienstherr hat seine Fürsorgepflicht auch schuldhaft verletzt. Die Durchführung der Berechnung des Ruhegehaltssatzes zu allen drei Zeitpunkten der möglichen Zurruhesetzung unter Zugrundelegung einer Dienstzeit des Klägers als Richter bis zum 30. November 2019 erfolgte unter Außerachtlassung der hinsichtlich der Erstellung der Versorgungsauskünfte erforderlichen Sorgfalt und mithin fahrlässig.
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dd) Die Pflichtverletzung des Beklagten hat auch zu einem Schaden beim Kläger geführt. Das tatsächliche Ruhegehalt des Klägers ist geringer als es gewesen wäre, wenn er bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze am 30. November 2019 im Dienst geblieben wäre. Sein Ruhegehalt ist bei dem vom Beklagten festgesetzten Ruhegehaltssatz von 69,97 % geringer, als es bei einem Ruhegehaltssatz von 71,75 % gewesen wäre.
- 57
ee) Die Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn durch die Erteilung der falschen Versorgungsauskünfte war auch adäquat kausal für die Entstehung dieses Schadens. Das Gericht sieht keinen Anlass dafür, an der Darstellung des Klägers zu zweifeln, dass er sich bei Erteilung zutreffender Versorgungsauskünfte erst zu einem Zeitpunkt in den Ruhestand hätte versetzen lassen, in dem der volle Ruhegehaltssatz erreicht worden wäre.
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Das ergibt sich im Übrigen aus seinem Schreiben an den Beklagten vom 16. Dezember 2015 und aus seinem Antrag auf Versetzung in den Ruhestand vom 29. November 2016, in dem er beantragte, ihm ab dem 1. August 2017 „ungekürzte Ruhestandsbezüge zu gewähren“, obwohl sich aus der Versorgungsauskunft für diesen Zeitpunkt kein Versorgungsabschlag ergab. Darüber hinaus heißt es in einem von ihm vorgelegten Schreiben an das – unzuständige – Finanzverwaltungsamt Schleswig-Holstein, an das er sich ursprünglich zur Einholung der Versorgungsauskünfte gewandt hatte, dass seine „Entscheidung über den Zeitpunkt des Beginns des Ruhestands […] von der Höhe der Ruhestandsbezüge ab[hängt]“. Die Beklagte hat die diesbezüglichen Aussagen des Klägers auch nicht bestritten.
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ff) Der Kläger hat auch nicht gegen seine Schadensabwendungspflicht verstoßen. Auch im Beamtenrecht tritt nach dem in § 839 Abs. 3 BGB enthaltenen Rechtsgedanken eine Ersatzpflicht für rechtswidriges staatliches Handeln dann nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels gegen das nunmehr als rechtswidrig beanstandete staatliche Verhalten abzuwenden, wenn also für den Nichtgebrauch eines Rechtsmittels kein hinreichender Grund bestand (BVerwG, Urteil vom 18. April 2002 – 2 C 19.01 –, juris, Rn. 12). Das war vorliegend nicht der Fall.
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Eine Klage auf Festsetzung eines Ruhegehaltssatzes in Höhe von 71,75 % hat der Kläger mit seinem – erfolglosen – Hauptantrag verfolgt. Auch eine Anfechtung seines Antrags auf Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand hätte keine Aussicht auf Erfolg gehabt, weil er sich lediglich in einem für die Anfechtung dieser Erklärung unbeachtlichen Motivirrtum befand (vgl. VG Gießen, Urteil vom 15. August 2013 – 5 K 2950/12.GI –, juris, Rn. 25).
- 61
b) Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist jedoch in Anwendung des Rechtsgedankens des § 254 BGB (zu dieser Möglichkeit BVerwG, Urteil vom 30. Januar 1997 – 2 C 10/96 –, juris, Rn. 20; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 254 Rn. 5) wegen seines Mitverschuldens auf Null zu mindern.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist insoweit in erster Linie das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben. Die unter diesem Gesichtspunkt vorzunehmende Abwägung kann zwar bei besonderen Fallgestaltungen zu dem Ergebnis führen, dass einer der Beteiligten allein für den Schaden aufkommen muss, eine vollständige Überbürdung des Schadens auf einen der Beteiligten ist aber unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung nur ausnahmsweise in Betracht zu ziehen (BGH, Urteil vom 28 April 2015 – VI ZR 206/14 –, NJW-RR 2015, 1056 f. Rn. 10 m.w.N.; Lorenz, in: BeckOK BGB, § 254 Rn. 52 <1. August 2018>). Ein solcher Ausnahmefall ist hier jedoch gegeben.
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Der Kläger durfte sich nicht darauf verlassen, dass sein Dienstherr den Anspruch auf Erteilung einer fehlerfreien Auskunft erfüllt hatte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger Volljurist ist und als Richter tätig war. Daran ändert auch seine Erklärung in der mündlichen Verhandlung nichts, dass er vor dem Erhalt des Versorgungsbescheids keine Kenntnisse des Beamtenversorgungsrechts hatte. Es war ihm jedenfalls zumutbar, die Darstellung in der Versorgungsauskunft in tatsächlicher Hinsicht zu kontrollieren und die Schlüssigkeit der Ermittlung des Ruhegehaltssatzes anhand der angeführten Rechtsvorschrift nachzuvollziehen (vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 20. Juni 2011 – 3 K 1349/09.WI –, juris, Rn. 47). Das gilt insbesondere deshalb, weil die angedachten Zeitpunkte des Eintritts in den Ruhestand (31. März 2016, 30. Juni 2017 und 30. November 2019) einen Zeitraum von über dreieinhalb Jahren umfassten, die Versorgungsauskünfte jedoch stets einen grundsätzlichen Ruhegehaltssatz von 71,75 % auswiesen, bei dem nur im Falle der Zurruhesetzung zum 31. März 2016 ein Versorgungsabschlag zu berücksichtigen gewesen wäre.
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Musste sich dem Kläger eine Überprüfung der Auskünfte also aufdrängen, so hätte er im Rahmen dieser Überprüfung auch feststellen können und müssen, dass die Versorgungsauskünfte hinsichtlich seines möglichen Eintritts in den Ruhestand zum 31. März 2016 und zum 30. Juni 2017 von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgingen, indem ihnen eine Dienstzeit im Justizdienst bis zum 30. November 2019 – also über das jeweilige Datum der Zurruhesetzung hinaus – zu Grunde lag. Dieser Umstand wäre auch bei einer nur oberflächlichen tatsächlichen Überprüfung der Auskünfte erkennbar gewesen.
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Weil der Kläger aber selbst eine ansatzweise Prüfung entweder unterließ oder jedenfalls nicht in ausreichendem Maße durchführte, tritt der Verursachungsanteil des Beklagten vollständig hinter dem des Klägers zurück.
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C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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D. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO und § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 01. Nov. 2018 - 12 A 224/17
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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 01. Nov. 2018 - 12 A 224/17 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.
(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.
(1) Für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis sowie für Klagen des Dienstherrn ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
(2) Vor allen Klagen ist ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn die Maßnahme von der obersten Dienstbehörde getroffen worden ist. Ein Vorverfahren ist nicht erforderlich, wenn ein Landesgesetz dieses ausdrücklich bestimmt.
(3) Den Widerspruchsbescheid erlässt die oberste Dienstbehörde. Sie kann die Entscheidung für Fälle, in denen sie die Maßnahme nicht selbst getroffen hat, durch allgemeine Anordnung auf andere Behörden übertragen. Die Anordnung ist zu veröffentlichen.
(4) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Abordnung oder Versetzung haben keine aufschiebende Wirkung.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Tatbestand
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Der Kläger beansprucht von der Beklagten Schadensersatz wegen verspäteter Beförderung.
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Die Beklagte, in deren Diensten der 1956 geborene Kläger seit dem Jahr 1981 steht, beschäftigte ihn unter Gewährung von Sonderurlaub seit März 1994 auf der Grundlage eines privatrechtlichen Arbeits- und Anstellungsvertrages bei der Deutsche Telekom AG und deren Tochterunternehmen. 1995 beförderte sie den Kläger zum Technischen Fernmeldehauptsekretär (Besoldungsgruppe A 8 BBesO) und 2016 zum Technischen Postbetriebsinspektor (Besoldungsgruppe A 9 BBesO).
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Im November 2011 beantragte der Kläger gegenüber der Beklagten, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, wie er stünde, wenn er im Rahmen der konzernweit durchgeführten Beförderungsrunde 2009 in ein Amt der Besoldungsgruppe A 9 BBesO befördert worden wäre. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe die für eine Beförderung in den Jahren 2009 und 2010 nach der damaligen Praxis notwendige Mindestwartezeit nicht erfüllt.
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Nach Widerspruch im Mai 2012 hat der Kläger im Oktober 2012 Untätigkeitsklage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen hat, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei verwirkt. Auf die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids verpflichtet, den Kläger im Wege des Schadensersatzes besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als ob er zum 1. März 2009 in ein Amt der Besoldungsgruppe A 9 BBesO befördert worden wäre.
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Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
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das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. April 2016 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 2. Oktober 2014 zurückzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt dadurch revisibles Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), dass es angenommen hat, dem geltend gemachten beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch stehe der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB nicht entgegen. Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch, weil er es schuldhaft unterlassen hat, den Schadenseintritt durch Gebrauch eines zumutbaren Rechtsmittels im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB abzuwenden.
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Diese Prüfung ist vorrangig vor einem Rückgriff auf das - vom Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellte - Rechtsinstitut der Verwirkung, das - neben einem längeren Zeitraum der Untätigkeit (sog. Zeitmoment) voraussetzt, dass auf Seiten des Verpflichteten (hier: des Dienstherrn) - oder eines Dritten - ein schützenswertes Vertrauen vorliegt, der Anspruch werde nicht mehr geltend gemacht, und dass dieses Vertrauen auch betätigt wurde, indem der Verpflichtete - oder der Dritte - sich darauf eingerichtet hat (sog. Umstandsmoment, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. August 1996 - 2 C 23.95 - BVerwGE 102, 33 S. 36; BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15 - BGHZ 211, 105 Rn. 40 f. m.w.N.). Ob diese Voraussetzungen im Streitfall zu bejahen wären, ist nicht entscheidungserheblich.
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1. Das Rechtsinstitut des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. August 1961 - 2 C 165.59 - BVerwGE 13, 17 <18 ff.>, vom 19. März 2015 - 2 C 12.14 - BVerwGE 151, 333 Rn. 9 sowie vom 20. Oktober 2016 - 2 C 30.15 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 78 Rn. 18, jeweils m.w.N.). Es findet seinen Rechtsgrund im Beamtenverhältnis und begründet einen unmittelbar gegen den Dienstherrn gerichteten Ersatzanspruch für Schäden, die aus einer Verletzung der aus dem Beamtenverhältnis folgenden Pflichten entstehen. Als im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis wurzelndes und insofern "quasi-vertragliches" Institut gewährleistet der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch Sekundärrechtsschutz für Pflichtverletzungen aus dem Beamtenverhältnis, wie dies § 280 Abs. 1 BGB für vertragliche Schuldverhältnisse vorsieht (vgl. zur Bezugnahme auf Grundsätze der positiven Vertragsverletzung im Arbeitsrecht BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Januar 2010 - 2 BvR 811/09 - BayVBl 2010, 303 Rn. 9).
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Der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch war ursprünglich auf Verletzungen der Fürsorgepflicht bezogen. Er ist in der Rechtsprechung aber nachfolgend auch auf andere Pflichtverletzungen ausgedehnt worden, insbesondere auf die Verletzung der Auswahlgrundsätze aus Art. 33 Abs. 2 GG (BVerwG, Urteile vom 25. August 1988 - 2 C 51.86 - BVerwGE 80, 123 <124 f.> und vom 19. März 2015 - 2 C 12.14 - BVerwGE 151, 333 Rn. 10).
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Ein Beamter kann danach von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch eine Nichtbeförderung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamts den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Beamten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, dem Beamten das Amt ohne diesen Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre und dieser es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <101 f.>, vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 Rn. 15, vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 - BVerwGE 145, 185 Rn. 9 und vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 - BVerwGE 148, 217 Rn. 42).
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar hat die Beklagte den Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers verletzt (2.) und dies zu vertreten (3.). Diese Rechtsverletzung ist für den vom Kläger erlittenen Schaden auch kausal (4.). Der Kläger hat aber nicht die ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Verhinderung des Schadenseintritts ausgeschöpft (5.).
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2. Die Nichteinbeziehung des Klägers in die Bewerberauswahl von Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 9 BBesO in der Beförderungsrunde des Jahres 2009 wegen Nichterfüllung der anhand des allgemeinen Dienstalters berechneten Mindestwartezeit war mit Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BBG und § 5 Abs. 3 Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG - in der Fassung vom 14. September 1994 (BGBl. I S. 2325) nicht vereinbar.
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Art. 33 Abs. 2 GG sowie die einfach-rechtlichen Konkretisierungen in den Beamtengesetzen gewährleisten jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt im statusrechtlichen Sinne nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Der Grundsatz der Bestenauswahl ist demnach von der Verfassung verbindlich und vorbehaltlos vorgeschrieben. Andere Kriterien können bei der Vergabe öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn sie ebenfalls Verfassungsrang haben (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR 2457/04 - BVerfGK 12, 265 <268>). Art. 33 Abs. 2 GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes; dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität sollen gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Leistungsgrundsatzes gewährleistet werden. Zum anderen trägt die Vorschrift dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Jeder Bewerber um ein öffentliches Amt hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 19 f. und vom 19. Dezember 2014 - 2 VR 1.14 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 65 Rn. 16 ff.).
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Die in einem bestimmten Statusamt oder allgemein geleistete Dienstzeit gehört nicht zu den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien. Zwar kann sich das Dienstalter auf die Beurteilung von leistungsbezogenen Gesichtspunkten auswirken, weil sich die durch ein höheres Dienstalter typischerweise zum Ausdruck kommende umfassendere Berufserfahrung häufig leistungsfördernd niederschlagen wird. Es gibt jedoch keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass von einem höheren Dienstalter stets auf einen höheren Leistungsstand und bessere Bewährungsvoraussetzungen geschlossen werden kann. Dementsprechend ist die Berücksichtigung des Dienstalters bei der Besetzung von Beförderungsstellen grundsätzlich nur im Falle eines Leistungsgleichstands mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <151>).
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An das Dienstalter anknüpfende Wartezeitregelungen stehen daher nur dann mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang, wenn sie der sachgerechten Anwendung des Grundsatzes der Bestenauswahl dienen und mit ihnen die praktische Bewährung des Bewerbers im bisherigen Statusamt festgestellt werden soll. Dieser Zweck, die zuverlässige Beurteilung des Leistungsvermögens und eine fundierte Prognose über die voraussichtliche Bewährung in einem höheren Amt zu ermöglichen, setzt dem zeitlichen Umfang solcher "Bewährungszeiten" Grenzen. Sie dürfen nicht länger bemessen sein, als es typischerweise erforderlich ist, um die tatsächlichen Grundlagen für eine Beurteilung und Prognose zu schaffen. Der für eine Regelbeurteilung vorgesehene Zeitraum wird in aller Regel die Obergrenze darstellen (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <152>; Beschluss vom 25. Oktober 2011- 2 VR 4.11 - NVwZ-RR 2012, 241 Rn. 35; Urteil vom 26. September 2012 - 2 C 74.10 - BVerwGE 144, 186 Rn. 23).
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Daran gemessen hat die Beklagte den Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers zum einen dadurch verletzt, dass sie für ihn zum maßgeblichen Zeitpunkt - hier zum Beförderungsstichtag am 1. März 2009 - keine dienstliche Beurteilung oder ein vergleichbares Beurteilungssurrogat erstellt hat, sondern die Vergabe der Beförderungsstellen allein anhand einer an das Dienstalter anknüpfenden Wartezeitregelung ausgerichtet hat. Zum anderen hat sie es rechtswidrig unterlassen, den Kläger über den Ausgang der Beförderungsrunde 2009 zu unterrichten (sog. Konkurrentenmitteilung, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178 <1179>). Die gleichwohl vorgenommenen Ernennungen von statusgleichen Beamten auf Beförderungsämter der Besoldungsgruppe A 9 BBesO ist deshalb mit dem Leistungsgrundsatz (Art. 33 Abs. 2 GG) unvereinbar gewesen.
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3. Die Beklagte hat die Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Klägers auch zu vertreten.
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Für die Haftung des Dienstherrn auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus dem Beamtenverhältnis gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des bürgerlichen Rechts (BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <104> m.w.N.). Zu vertreten hat der Dienstherr danach Vorsatz und Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Von den für die Auswahlentscheidung verantwortlichen Beamten muss verlangt werden, dass sie die Sach- und Rechtslage unter Heranziehung aller ihnen zu Gebote stehenden Hilfsmittel gewissenhaft prüfen und sich aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsauffassung bilden. Dazu gehören auch die Auswertung der Rechtsprechung und ggf. die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage, ob in Aussicht genommene Personalentscheidungen am Maßstab der relevanten Rechtsnormen Bestand haben können (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 Rn. 39).
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Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte den Verstoß gegen den Grundsatz der Bestenauswahl aus Art. 33 Abs. 2 GG jedenfalls als Fahrlässigkeit zu vertreten. Bei sorgfältiger rechtlicher Prüfung hätten die Verantwortlichen erkennen müssen, dass die Anforderung einer allein am Dienstalter orientierten Mindestwartezeit im Statusamt eines Fernmeldehauptsekretärs für eine Beförderung in ein Statusamt nach Besoldungsgruppe A 9 BBesO den in der relevanten Rechtsprechung entwickelten Maßstäben nicht entspricht. Hieran konnte jedenfalls nach den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2004 - 2 C 23.03 - (BVerwGE 122, 147 <151>) und vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - (BVerwGE 124, 99 <102 ff.>) kein vernünftiger Zweifel mehr bestehen.
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4. Dem Kläger ist dadurch ein Schaden entstanden, dass er erst im Jahr 2016 und nicht bereits früher - hier zum 1. März 2009 - in ein Amt der Besoldungsgruppe A 9 BBesO befördert worden ist. Kausalität ist gegeben, wenn der Beamte nach den Gegebenheiten des Einzelfalles ohne den Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG voraussichtlich ausgewählt und befördert worden wäre. Hierfür muss festgestellt werden, welcher hypothetische Kausalverlauf bei rechtmäßigem Vorgehen des Dienstherrn voraussichtlich an die Stelle des tatsächlichen Verlaufs getreten wäre (BVerwG, Urteile vom 19. März 2015 - 2 C 12.14 - BVerwGE 151, 333 Rn. 27 und vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 Rn. 42 f.). Die dazu getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts - jahrelanger Einsatz des Klägers auf einem höherwertigen Dienstposten, faktische Unmöglichkeit nachträglich zu erstellender Leistungsbewertungen für die Zeit bis zum Beförderungsstichtag am 1. März 2009 und Nichtberücksichtigung der späteren (weniger günstigen) dienstlichen Beurteilung des Klägers vom Juli 2011 - lassen keine Rechtsfehler erkennen.
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5. Einem Schadensersatzanspruch des Klägers steht aber der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB entgegen.
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Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt eine Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels gegen das nunmehr als rechtswidrig beanstandete staatliche Verhalten abzuwenden. § 839 Abs. 3 BGB ist eine besondere Ausprägung des Mitverschuldensprinzips, das in allgemeiner Form in § 254 BGB niedergelegt ist und für das gesamte private und öffentliche Haftungsrecht anerkannt ist (vgl. Papier/Shirvani, in: Münchner Kommentar, BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 329 f.).
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Die Vorschrift ist zugleich Ausdruck des Grundsatzes, dass der Primärrechtsschutz Vorrang vor dem Sekundärrechtsschutz hat (BVerwG, Beschlüsse vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 73 Rn. 12 und vom 3. November 2014 - 2 B 24.14 - Buchholz 232.0 § 78 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 7): Bei rechtswidrigem Handeln des Staates soll der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz im Vordergrund stehen. Dem Betroffenen soll die von der Rechtsordnung missbilligte Wahlmöglichkeit genommen werden, entweder den rechtswidrigen Hoheitsakt mit ordentlichen Rechtsschutzmitteln anzugreifen oder aber ihn hinzunehmen und zu liquidieren, d.h. untätig zu bleiben und sich den Schaden finanziell abgelten zu lassen (BGH, Urteil vom 15. November 1990 - III ZR 302/89 - BGHZ 113, 17 <22>; vgl. auch Wöstmann, in: Staudinger, BGB <2013>, § 839 Rn. 335; Papier/Shirvani, a.a.O. § 839 Rn. 330). Der für rechtmäßige hoheitliche Eingriffe geltende Grundsatz "Dulde und liquidiere" gilt nicht im Bereich der Haftung für rechtswidrige Eingriffe (vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 94). Soweit der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB auch im öffentlichen Recht Anwendung findet, gilt daher ebenfalls: es gibt kein "Dulde und liquidiere". Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben soll nur derjenige Schadensersatz erhalten, der sich in gehörigem und ihm zumutbarem Maß für seine eigenen Belange eingesetzt und damit den Schaden abzuwenden versucht hat (vgl. BGH, Urteile vom 29. März 1971 - III ZR 98/69 - BGHZ 56, 57 <63> und vom 4. Juli 2013 - III ZR 201/12 - BGHZ 197, 375 Rn. 22; BVerwG, Beschlüsse vom 6. Juni 2014 a.a.O. Rn. 12 und vom 3. November 2014 a.a.O. Rn. 7).
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Der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB gilt auch beim Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs. Der zu Unrecht nicht einbezogene und nicht ausgewählte Bewerber kann Schadensersatz für die Verletzung seines Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG nur dann beanspruchen, wenn er sich bemüht hat, den eingetretenen Schaden dadurch abzuwenden, dass er rechtliche Schritte im Vorfeld der absehbaren Auswahlentscheidung - durch Erkundigung und Rüge der Nichteinbeziehung in den Bewerberkreis und der Nichtauswahl - oder nach deren Ergehen - durch die Beantragung von Primärrechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO - eingeleitet hat (zu letzterem bereits BVerwG, Urteile vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 Rn. 48, vom 19. März 2015 - 2 C 12.14 - BVerwGE 151, 333 Rn. 11 und vom 20. Oktober 2016 - 2 C 30.15 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 78 Rn. 27, jeweils m.w.N.).
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Rechtsmittel im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Senat teilt, alle Rechtsbehelfe, die sich gegen eine Amtspflichtverletzung richten und sowohl deren Beseitigung oder Berichtigung als auch die Abwendung oder Verringerung des Schadens zum Ziel haben und herbeizuführen geeignet sind (vgl. bereits BGH, Urteil vom 21. März 1963 - III ZR 8/62 - VersR 1963, 849 <851> unter Berufung auf das Urteil vom 9. Juli 1958 - V ZR 5/57 - BGHZ 28, 104 <106>). Der Begriff des Rechtsmittels ist nicht auf die in den Verfahrensvorschriften vorgesehenen Behelfe beschränkt, sondern umfasst auch andere, rechtlich mögliche und geeignete - förmliche oder formlose - Rechtsbehelfe (z.B. Gegenvorstellungen, Erinnerungen an die Erledigung eines Antrags, Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden), ist also in einem weiten Sinn zu verstehen (vgl. nur BGH, Urteile vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05 - BGHZ 181, 199 Rn. 25 und vom 4. Juli 2013 - III ZR 201/12 - BGHZ 197, 375 Rn. 18 m.w.N.; s. auch: Wöstmann, in: Staudinger, BGB <2013>, § 839 Rn. 337 ff., 341). Maßgeblich für die Einordnung einer Handlung als Rechtsbehelf in diesem Sinne ist es, ob sie potentiell geeignet ist, den bevorstehenden Schadenseintritt noch abzuwenden. Der Rechtsbehelf muss sich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung selbst richten und ihre Beseitigung beziehungsweise Vornahme bezwecken und ermöglichen (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2008 - III ZR 15/08 - WM 2009, 86 Rn. 24).
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Rechtsmittel in diesem Sinne, die der Durchsetzung des Anspruches auf Beförderung dienen, sind zuvörderst, aber nicht nur die Rechtsbehelfe des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes gegen bevorstehende Ernennungen. Um solchen Primärrechtsschutz gegen die im Jahre 2009 oder später vorgenommenen Beförderungen von einem Statusamt der Besoldungsgruppe A 8 BBesO in ein solches der Besoldungsgruppe A 9 BBesO hat der Kläger nicht nachgesucht. Unterlassener Primärrechtsschutz steht sekundärem beamtenrechtlichen Schadensersatz vorliegend indes deshalb nicht entgegen, weil an die zum Beförderungsstichtag am 1. März 2009 nicht berücksichtigten Beamten keine Konkurrentenmitteilungen versandt worden sind. Ebenso wenig sind die betroffenen Beamten auf anderem individuellen Weg über ihre Nichtbeförderung unterrichtet worden. Unabhängig davon liegt der relevante Zeitpunkt für die Beförderungen im Jahre 2009 vor dem Urteil des Senats zur Gewährung wirkungsvollen Primärrechtsschutzes in Fällen der Rechtsschutzverhinderung bei der Beamtenernennung (BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 31, 59), sodass nach der Ernennung der ausgewählten Beamten ein dagegen gerichtetes Primärrechtsschutzgesuch des Klägers nicht aussichtsreich, jedenfalls aber nicht zumutbar gewesen wäre.
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Unabhängig von der Inanspruchnahme von gerichtlichem Primärrechtsschutz kann zu den Rechtsmitteln im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB im Vorfeld beamtenrechtlicher Beförderungen nicht generell, jedoch je nach den Umständen des Einzelfalls auch der an den Dienstherrn gerichtete Antrag, befördert zu werden, gehören. Wenn - wie dies im Streitfall gegeben war (dazu sogleich) - der Dienstherr in dem von ihm eingerichteten, für alle Betroffenen zugänglichen Intranet über ein von ihm regelmäßig praktiziertes jährliches Beförderungsverfahren jedenfalls in den Grundzügen informiert, hat ein an seinem beruflichen Fortkommen interessierter Beamter die Obliegenheit, sich ggf. über weitere Einzelheiten dieses Verfahrens zu erkundigen, seine Nichteinbeziehung in den zur Beförderung in Aussicht genommenen Personenkreis sowie in die Auswahlentscheidung zu rügen und gegen die drohende Ernennung Anderer mit Mitteln des vorläufigen Rechtsschutzes vorzugehen. Mit einer Erkundigung nach Möglichkeiten seiner Beförderung und der Rüge, er sei in den Kreis der dafür in Aussicht genommenen Personen rechtswidrig nicht einbezogen und nicht ausgewählt worden, bringt der Beamte seinen Anspruch zum Ausdruck, bei der Auswahl insbesondere nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG berücksichtigt zu werden. Mit einem solchen - formlosen - Begehren bekräftigt der Beamte diesen Anspruch mit der Folge, dass der Dienstherr verpflichtet ist zu prüfen, ob der Beamte in die Auswahlentscheidung einzubeziehen und ggf. zu befördern ist. Der Beamte darf schon dabei all das geltend machen, was ihm seiner Auffassung nach den Vorzug gegenüber anderen Bewerbern verschafft. Unter Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes kann der Beamte das angestrebte Ziel der Beförderung weiter verfolgen, wenn der Dienstherr zuvor mit dem Begehren befasst war und - vermeintlich oder tatsächlich - einen anderen Bewerber rechtsfehlerhaft bevorzugt hat (BVerwG, Urteil vom 18. April 2002 - 2 C 19.01 - Buchholz 237.95 § 20 SHLBG Nr. 2 S. 2).
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Die Erkundigungs- und Rügeobliegenheit für an ihrem beruflichen Fortkommen interessierte Beamte hat ihren rechtlichen Grund in dem durch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG geprägten besonderen Dienst- und Treueverhältnis, das Dienstherrn und Beamten verbindet. Ein Beamter, der an seinem beruflichen Fortkommen interessiert ist und sich über Einzelheiten des - hier durch die für die konzernangehörigen Mitarbeiter im Intranet der Telekom zugänglichen "Dienstrechts-Infos" - durch den Dienstherrn bekanntgemachten Beförderungsverfahren im Unklaren ist, hat die Obliegenheit, sich bei seinem Dienstherrn danach zu erkundigen und für den Fall von als unzureichend angesehenen Auskünften diese zu rügen und gegen drohende Ernennungen Anderer mit Mitteln des vorläufigen Rechtsschutzes vorzugehen.
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Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, das diesen Aspekt im Rahmen seiner Ausführungen zum Rechtsinstitut der Verwirkung problematisiert, bedeutet eine solche Erkundigungs- und Rügeobliegenheit nicht, dass dadurch die sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Obliegenheiten bzw. Verpflichtungen im Verhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten "ohne sachliche Rechtfertigung grundlegend verschoben" werden.
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Die grundgesetzliche Vorgabe, dass jedes öffentliche Amt nach Eignung, Befähigung und Leistung zu vergeben ist (Grundsatz der Bestenauswahl, Art. 33 Abs. 2 GG), dient in erster Linie dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung öffentlicher Ämter mit möglichst leistungsfähigen Beamten. Daneben dient die Vorschrift - in zweiter Linie - auch dem berechtigten Interesse des Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen innerhalb des öffentlichen Dienstes; hieraus folgt ihr grundrechtsgleicher Charakter und damit ihre Gewährleistung als subjektives Recht (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - BVerfGE 141, 56 Rn. 31 und BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 12.14 - BVerwGE 151, 333 Rn. 15). Auf der Grundlage dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe sind im Laufe der Jahrzehnte in der beamtenrechtlichen Rechtsprechung - unter Betonung der vorstehend an zweiter Stelle benannten Zielrichtung - eine Vielzahl von rechtlichen Kautelen in Gestalt von formell- und materiell-rechtlichen Anforderungen entwickelt worden, die der Dienstherr im Verfahren der Besetzung von Beförderungsstellen, bei der Erstellung von hierfür in erster Linie maßgeblichen dienstlichen Beurteilungen und bei der Auswahl unter einer Mehrzahl von Bewerbern zu beachten hat (z.B. Mitteilungs-, Dokumentations- und Plausibilisierungspflichten). In einer diese Entwicklung einbeziehenden Gesamtschau der wechselseitigen aus dem Beamtenverhältnis herrührenden (Treue-)Pflichten stellt es keine "grundlegende Verschiebung" der Obliegenheiten und Pflichten in diesem Gesamtgefüge und keine Überforderung eines an seinem beruflichen Fortkommen interessierten Beamten dar, wenn ihm angesonnen wird, sich bei seinem Dienstherrn zu erkundigen, wenn ihm Einzelheiten eines - jedenfalls in den Grundzügen bekannt gemachten - Beförderungsverfahrens unbekannt oder unklar sind. Solche Auskünfte zu erlangen, wird regelmäßig auf einfache Art und Weise möglich sein, in erster Linie durch Nachfrage bei dem zuständigen (dem Beamten regelmäßig bekannten oder jedenfalls leicht zu ermittelnden) Personalsachbearbeiter, hilfsweise oder ergänzend auch beim oder über den Personalrat oder den Betriebsrat bei den Postnachfolgeunternehmen. Kosten, wie bei einer - bei der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ggf. ohnehin notwendig werdenden - Beauftragung eines Mitglieds der rechtsberatenden Berufe wären damit jedenfalls zunächst nicht verbunden.
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Anhaltspunkte dafür, dass den bei der Deutsche Telekom AG und ihren Tochterunternehmen beschäftigten oder in-sich-beurlaubten Beamten solches unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, sind nicht ersichtlich und sind auch im Rechtsgespräch mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht deutlich geworden.
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Ob es der Verletzte schuldhaft unterlassen hat, ein Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB einzulegen, hängt davon ab, welches Maß an Umsicht und Sorgfalt von Angehörigen des Verkehrskreises verlangt werden muss, dem der Verletzte angehört (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1990 - III ZR 302/89 - BGHZ 113, 17 <25>). Dies ist hier zu bejahen.
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Die Deutsche Telekom AG hat nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in den fraglichen Zeiträumen - hier ab dem Jahr 2009 - im für die Beschäftigten allgemein zugänglichen Intranet mit den jedenfalls seit dem Jahr 2002 regelmäßig erscheinenden "Dienstrechts-Infos" Hinweise über die wesentlichen Grundzüge ihrer Beförderungspraxis veröffentlicht. Danach hat sie zu bestimmten Stichtagen jährliche Beförderungsverfahren für Beamte des mittleren und gehobenen Dienstes durchgeführt. Diese - auch in der mündlichen Verhandlung des Senats erörterten - Hinweise waren zwar allgemein gehalten und inhaltlich unvollständig. Auch haben sie nicht vorgesehen, die nicht berücksichtigten Beamten über die "Beförderungsmeldungen" und das "Ergebnis der Beförderungsprüfung" zu benachrichtigen. Die im Intranet allen Beamten jedenfalls seit dem Jahr 2002 durchgängig zugänglichen und regelmäßig veröffentlichten "Dienstrechts-Infos" der Telekom enthielten aber - wenn auch in wechselndem Umfang - grundlegende Angaben zu den jährlich wechselnden Beförderungsmeldungen und Beförderungsstichtagen sowie Erläuterungen zur damals von der Beklagten (rechtswidrig) praktizierten Wartezeitregelung für die Beförderung der aus dienstlichem Interesse beurlaubten und in-sich-beurlaubten Beamten. Darüber hinaus wies die Telekom diese Beamten in den "Dienstrechts-Infos“ unter der Rubrik "Intranet" auf einschlägige Navigationslinks hin, deren Titelzeilen u.a. wie folgt lauteten: "Beschäftigungsbedingungen", "Allgemeines Dienst- und Laufbahnrecht" und insbesondere auch "Beförderung im dienstlichen UoB.". Diese Hinweise haben jedem an seinem beruflichen Fortkommen interessierten Beamten - und damit auch dem Kläger - hinreichend Anlass (Anstoßfunktion) gegeben, sich bei der Telekom nach den Einzelheiten des Beförderungsverfahrens zu erkundigen und ggf. eine Nichtberücksichtigung zu rügen. Hätte der Kläger dies bereits im Jahre 2009 vor dem allgemein bekannten Beförderungsstichtag am 1. März 2009 getan, wäre er in der Lage gewesen, seine Rechte weiter zu verfolgen und damit den Schaden abzuwenden.
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Hiernach hat es der Kläger fahrlässig und damit schuldhaft unterlassen, sich im Jahre 2009 über die jährliche Beförderungspraxis und die Einzelheiten, d.h. das konkrete "Wie" und "Wann" des dem Grunde nach durch die "Dienstrechts-Infos" behördenintern für jeden Beschäftigten bekannten Beförderungsverfahrens zu erkundigen und seine Nichteinbeziehung und Nichtauswahl zu rügen. Dazu hat der Kläger aufgrund der im Intranet der Telekom und ihrer Tochterunternehmen veröffentlichten Informationen über die jährliche Beförderungspraxis und das Beförderungsverfahren hinreichend Anlass gehabt. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Kläger früher selbst einmal Betriebsratsmitglied gewesen ist, ihm von daher die regelmäßigen Beförderungsrunden nicht verborgen geblieben sein können (so VG-Urteil, UA S. 10) und er sich auf diese erkennbar rechtswidrige Praxis über lange Jahre eingelassen hat. Erst nachdem die Beklagte dazu übergegangen war, für die beurlaubten und in-sich-beurlaubten Beamten dienstliche Beurteilungen zu erstellen und der Kläger unter dem 14./15. Juli 2011 lediglich mit der Gesamtnote "erfüllt die Anforderungen teilweise" beurteilt worden war, die für die angestrebte Beförderung seinerzeit nicht ausreichte, hat er - im November 2011 - Schadensersatz für die Nichtbeförderung in den Jahren seit 2009 beantragt.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 22.10.2015, zugestellt am 27.10.2015, verurteilt, den Kläger mit Wirkung ab dem 1.4.2014 im Wege des Schadensersatzes durch Zahlung eines monatlichen Differenzbetrages so zu stellen, als stünden ihm Versorgungsbezüge nach Besoldungsgruppe A9 Stufe 10 bei einem Familienzuschlag Stufe 1 und einer Strukturzulage, Art. 33 Satz 1 BayBesG ohne einen Versorgungsabschlag zu und die Zahlbeträge mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit, bei später eintretender Fälligkeit ab dieser, zu verzinsen.
die Klage abzuweisen.
Gründe
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung.
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 4.210,32 Euro festgesetzt.
Gründe
(1) Die Versorgung der Beamten und ihrer Hinterbliebenen wird durch Gesetz geregelt.
(2) Zusicherungen, Vereinbarungen und Vergleiche, die dem Beamten eine höhere als die ihm gesetzlich zustehende Versorgung verschaffen sollen, sind unwirksam. Das Gleiche gilt für Versicherungsverträge, die zu diesem Zweck abgeschlossen werden.
(3) Auf die gesetzlich zustehende Versorgung kann weder ganz noch teilweise verzichtet werden.
Tenor
1. | Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil der Einzelrichterin der 15. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 28.11.2003 – Az. 15 O 386/03 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Ziff. 1 des landgerichtlichen Tenors wie folgt |
abgeändert
wird:
Es wird festgestellt, dass der Kläger einen Anspruch auf das volle Ruhegehalt ohne Minderung wegen vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand hat.
2. | Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen das beklagte Land zu 4/5 und der Kläger zu 1/5. |
3. | Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. |
4. | Die Revision wird nicht zugelassen. |
Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 4.000,– EUR
Gründe
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(1) Die Versorgung der Beamten und ihrer Hinterbliebenen wird durch Gesetz geregelt.
(2) Zusicherungen, Vereinbarungen und Vergleiche, die dem Beamten eine höhere als die ihm gesetzlich zustehende Versorgung verschaffen sollen, sind unwirksam. Das Gleiche gilt für Versicherungsverträge, die zu diesem Zweck abgeschlossen werden.
(3) Auf die gesetzlich zustehende Versorgung kann weder ganz noch teilweise verzichtet werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
- 1
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung ruhegehaltfähiger Dienstzeiten.
- 2
Die am …1952 geborene Klägerin stand bis zu ihrer mit Ablauf des Monats Dezember 2015 erfolgten Versetzung in den Ruhestand im Dienste der Beklagten. Zuletzt hatte sie das statusrechtliche Amt einer wissenschaftlichen Oberrätin (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) inne und war am … (ehemals … ) in A-Stadt tätig.
- 3
Unter dem 04.07.1988 stellte sie beim (seinerzeitigen) Bundesministerium für … einen Antrag auf Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge ab dem 01.10.1988 für einen Zeitraum von zwei Jahren zwecks Teilnahme an einem Forschungsprojekt in den USA.
- 4
In einem Schreiben vom 02.08.1988 teilte das Bundesministerium für … pp. mit, dass es grundsätzlich bereit sei, der Klägerin den Urlaub zu gewähren, aber die Anerkennung des dienstlichen Interesses und damit die Anerkennung des Sonderurlaubs als ruhegehaltfähige Dienstzeit abhängig sei von der Erhebung eines Versorgungszuschlages, zu deren Zahlung sich die Klägerin verpflichten müsse. Auf eine Erhebung könne nur verzichtet werden, wenn besondere dienstliche Gründe dies rechtfertigten. Solche Gründe seien vorliegend nicht erkennbar. Dieses wurde der Klägerin nochmals mit Schreiben vom 09.08.1988 mitgeteilt und bei der Klägerin angefragt, ob sie unter diesen Umständen den Antrag weiter verfolgen wolle.
- 5
Nach weiterem Schriftverkehr zwischen der Dienststelle der Klägerin und dem Bundesministerium für … pp., in dem es um die Darlegung des besonderen dienstlichen Interesses für den Aufenthalt der Klägerin in den USA ging, teilte das Bundesministerium für … pp. der Dienststelle der Klägerin mit Schreiben vom 13.09.1988 und der Klägerin persönlich mit Schreiben vom 19.09.1988 mit, dass der Bundesminister des Inneren nicht zugestimmt habe, dass auf die Erhebung eines Versorgungszuschlages verzichtet werde. Die Zeit des Sonderurlaubs könne als ruhegehaltfähige Dienstzeit nur anerkannt werden, wenn die Klägerin sich verpflichte, den Versorgungszuschlag für die gesamte Zeit des Urlaubs zu entrichten. Das dienstliche Interesse an dem Sonderurlaub werde anerkannt, wobei diese Anerkennung nicht zur Berücksichtigung dieser Zeit als ruhegehaltfähig führe, sondern lediglich verhindere, dass bei Eintritt des Versorgungsfalles auch noch die – damals noch einschlägige – Versorgungsabschlagsregelung des § 14 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) greife. Die Klägerin wurde gebeten mitzuteilen, wann sie den Sonderurlaub antrete. Auf dem Schreiben an die Klägerin persönlich finden sich rechts oben der Vermerk „persönlich ausgehändigt“ und das Datum „26. September 1988“.
- 6
Der der Klägerin ab dem 01.10.1988 gewährte Sonderurlaub wurde auf ihren Wunsch über den 30.09.1990 hinaus bis einschließlich 30.11.1990 verlängert.
- 7
Mit Schreiben vom 02.10.2009 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Versorgungsauskunft, weil sie plane, vorzeitig in den Ruhestand (Ablauf des 63. Lebensjahres) zu treten. Die folgende Versorgungsauskunft vom 30.12.2009 enthielt den Hinweis, dass der Ruhegehaltssatz der Klägerin 65,18 % betrage. Der Sonderurlaub in den USA war in dieser Auskunft als ruhegehaltfähig berücksichtigt worden. Ebenso verhielten sich auch auf weitere Anfragen der Klägerin erteilte Versorgungsauskünfte vom 23.07.2013 und vom 03.06.2015. Zwar ist dort der Ruhegehaltssatz mit 65,06 % angegeben. In beiden Auskünften war jedoch der Sonderurlaub der Klägerin als ruhegehaltfähig berücksichtigt worden.
- 8
Mit Bescheid vom 08.12.2015 setzte die Bundesfinanzdirektion … – Servicecenter … – die der Klägerin ab dem 01.01.2016 zustehenden Versorgungsbezüge fest. Der Festsetzung lag ein Ruhegehaltssatz von 62,80 % zugrunde.
- 9
Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 10.05.2016 zurück. Zur Begründung gab sie im Wesentlichen an, dass der Sonderurlaub nicht als ruhegehaltfähig anerkannt werden könne. Das sei in der seinerzeit geführten Korrespondenz klar angesprochen worden und für die Klägerin erkennbar gewesen. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, sie habe auf die Richtigkeit der ihr erteilten Versorgungsauskünfte vertraut und infolgedessen den Entschluss gefasst, vorzeitig auf eigenen Antrag in den Ruhestand zu treten. Sie habe vielmehr positive Kenntnis davon gehabt, dass diese Zeit nicht als ruhegehaltfähig anerkannt werden könne. Sie hätte bereits nach der ersten – fehlerhaften – Auskunft nachfragen müssen bzw. auf den Umstand hinweisen können, dass die Berechnung nicht richtig sei. Der Grund für die fehlerhaften Auskünfte könne nur darauf beruhen, dass im Zuge der Bearbeitung der Anträge auf Erteilung einer Versorgungsauskunft die Personalakten der Klägerin nicht vollständig vorgelegen hätten. Ein Fehlverhalten der Behörde sei nicht zu erkennen.
- 10
Die Klägerin hat unter dem 07.06.2016 Klage erhoben.
- 11
Sie beantragt,
- 12
den Bescheid vom 08.12.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den ihr gewährten Sonderurlaub vom 01.10.1988 bis zum 30.11.1990 als ruhegehaltfähige Dienstzeit anzuerkennen,
- 13
hilfsweise,
- 14
über den Antrag auf Anerkennung der Beurlaubung vom 01.10.1988 bis zum 30.11.1990 als ruhegehaltfähige Dienstzeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
- 15
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Berichterstatter durch Beschluss vom 20.02.2017 zur Entscheidung übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 19
Die Klage hat weder mit ihrem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die hier in Rede stehende Zeit ihres Sonderurlaubs vom 01.10.1988 bis zum 30.11.1990 als ruhegehaltfähig anerkannt wird, noch darauf, dass über ihren Antrag erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entschieden wird..
- 20
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist die Vorschrift des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 BeamtVG. Danach kann die Zeit einer Beurteilung ohne Dienstbezüge berücksichtigt werden, wenn spätestens bei Beendigung des Urlaubs schriftlich zugestanden worden ist, dass diese öffentlichen Belange oder dienstlichen Interessen dient. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Ermessensvorschrift („kann“). Zur regelrechten und gleichmäßigen Ausübung des Ermessens hat der Bundesminister des Inneren unter dem 22.10.1986 Richtlinien erlassen, wann ein Versorgungszuschlag bei einer – wie hier - Beurlaubung ohne Dienstbezüge zu erheben ist und wann davon abgesehen werden kann. Unter Hinweis auf die Tz 6.1.10 BeamtVG VwV, wonach die Zusicherung der Berücksichtigung der Zeit einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge als ruhegehaltfähige Dienstzeit von der Erhebung eines Versorgungszuschlags abhängig gemacht wird, hat er unter Bezug auf Hinweise des Bundesrechnungshofs Fallgruppen aufgeführt, wann die Zeit einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge als ruhegehaltfähige Dienstzeit nicht von der Erhebung eines Versorgungszuschlags abhängig zu machen ist und ausgeführt, dass in anderen Fällen nur mit seiner Zustimmung davon abgesehen werden kann. Diese – als ermessensbindende Richtlinien zu qualifizierenden Regelungen – kommen auch vorliegend zum Tragen. Da die Klägerin keiner der dort aufgeführten Fallgruppe unterfällt, war eine Anerkennung als ruhegehaltfähige Dienstzeit nur mit Zustimmung des Bundesministers des Inneren möglich. Dieser hat, weil die Klägerin der Aufforderung, für die Zeit der Beurlaubung einen Versorgungszuschlag zu zahlen, nicht nachgekommen ist, eine solche aber nicht erteilt.
- 21
Das Gericht hat keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Richtlinien. Dort werden vielmehr unter Berücksichtigung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zulässigerweise die versorgungsrechtlichen Auswirkungen einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge in differenzierender Form geregelt. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass bei der Klägerin die Berücksichtigung des Sonderurlaubs als ruhegehaltfähige Dienstzeit von einem Versorgungszuschlag abhängig gemacht worden ist; denn während der zweijährigen Sonderurlaubszeit stand die Klägerin ihrem Dienstherrn nicht zur Verfügung. Von daher erscheint es sachgerecht, dass dieser dann auch nicht gehalten ist, solche Zeiten später im Rahmen der Versorgungsfestsetzung zu berücksichtigen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn eine besondere (vgl. insoweit das Schreiben an die Klägerin vom 09.08.1988), namentlich eine in den Richtlinien vom 22.10.1986 aufgeführte Fallkonstellation, auf die Klägerin zuträfe. Dies ist indes nicht der Fall.
- 22
Der vom Kläger-Vertreter in der mündlichen Verhandlung gegebene Hinweis, die Klägerin könne sich nicht erinnern, das Schreiben vom 19.09.1988 bekommen zu haben, kann im vorliegenden Zusammenhang, insbesondere zur Begründung des geltend gemachten Anspruches, nicht zum Tragen kommen. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen nicht weiter substantiiert worden ist, spricht maßgeblich gegen die Richtigkeit dieser Behauptung die handschriftliche Notiz auf dem Schreiben vom 19.09.1988 („persönlich ausgehändigt, 26. September 1988“). Insofern streitet eine starke Vermutung für die Annahme des Gegenteils. Im Übrigen änderte dies nichts daran, dass die angefochtenen Bescheide – objektiv – rechtmäßig sind. Auch wenn die Klägerin dieses Schreiben tatsächlich nicht erhalten haben sollte, steht fest, dass der für die Anerkennung der Beurlaubung als ruhegehaltfähige Dienstzeit notwendige Versorgungszuschlag von ihr zu keiner Zeit gezahlt worden ist. Die Klägerin kann insoweit daraus nichts für den von ihr geltend gemachten Anspruch ableiten.
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Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch auch nicht aus den ihr erteilten Versorgungsauskünften herleiten. Eine solche Auskunft erfüllt nicht die Voraussetzungen einer als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Zusicherung iSv § 38 VwVfG. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die beigefügte Berechnung grundsätzlich unverbindlich ist und unter dem Vorbehalt künftiger Sach-und Rechtsänderungen sowie der Richtigkeit und Vollständigkeit der zugrunde liegenden Daten steht (vgl. § 49 Abs. 10 Satz 2 BeamtVG) und insofern keinen Anspruch auf Versorgung begründet. Darüber hinaus wäre eine entsprechende Zusicherung gem. § 3 Abs. 2 BeamtVG unwirksam, weil sie darauf hinausliefe, der Klägerin eine höhere als die ihr gesetzlich zustehende Versorgung zu verschaffen (vgl. auch § 49 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG, wonach Entscheidungen über die Bewilligung von Versorgungsleistungen auf Grund von Kann-Vorschriften erst bei Eintritt des Versorgungsfalles getroffen werden dürfen und vorherige Zusicherungen unwirksam sind).
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Aus den vorstehenden Gründen kann auch der Hilfsantrag der Klägerin keinen Erfolg haben.
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Schließlich bedarf es keiner Klärung, ob die Klägerin ihr Begehren auf den beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.04.2005 – 2 C 5.04 – juris) stützen kann. Einen solchen Anspruch, der darauf zielte, sie versorgungsrechtlich so zu stellen, wie sie stünde, wenn die Beurlaubungszeit vom 01.10.1988 bis zum 30.11.1990 als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu berücksichtigen wäre, hat sie bisher bei der Beklagten nicht geltend gemacht. Mangels der notwendigen Konkretisierung eines Schadensersatzbegehrens gegenüber der Beklagten hat diese auch nicht über ein solches Begehren entschieden, und es hat auch kein entsprechendes Vorverfahren (§ 54 Abs. 2 S. 1 BeamtStG) stattgefunden. Konsequenterweise hat die Klägerin einen beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch auch nicht zum Gegenstand des Klagverfahrens gemacht. Insofern sieht das Gericht keinen Anlass, sich zu den Voraussetzungen der Erfolgsaussichten eines solchen Anspruches zu äußern.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; sie ist gem. §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.
Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
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Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.