Arzthaftung: Schmerzensgeld für nicht erkannten Darmkrebs

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Eine Patientin erhält 70.000 Euro Schmerzengeld von ihrem behandelnden Arzt, weil dieser den Krebs in ihrem Darm nicht erkannt hat. Erst neun Monate nach der ersten Untersuchung ist durch Zufall festgestellt worden, dass die Frau an Darmkrebs leidet. In dieser Zeit hat der Krebs bereits gestreut.

Erkennt ein Arzt eine Darmkrebserkrankung nicht, kann dies ein Schmerzensgeld von 70.000 EUR begründen.

Anwalt für Haftungsrecht - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin

Arzt erkennt Darmkrebs nicht

Das folgt aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig in einem Arzthaftpflichtprozess. Der Arzt hatte bei der Patientin trotz ihrer zum Teil heftigen Blutungen aus dem Anus lediglich Hämorrhoiden und eine Analfissur diagnostiziert, ohne eine Darmspiegelung gemacht zu haben. Erst als sich die Patientin neun Monate später wegen eines anderen Leidens im Krankenhaus befand, wurde der Darmkrebs entdeckt. Er hatte jetzt bereits Metastasen in der Leber entwickelt.

Dem Arzt war nach den Ausführungen der Richter ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen, weil er die erforderliche Darmspiegelung nicht durchgeführt hat. Weil dieser Fehler in gravierender Weise gegen die Regeln der ärztlichen Kunst verstoßen habe, greife zugunsten der Patientin eine sogenannte Beweislastumkehr: Nicht die Patientin habe beweisen müssen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und ihren gesundheitlichen Folgen bestanden habe. Vielmehr habe der Arzt den Beweis führen müssen, dass die um neun Monate verspätete Diagnose nicht für den weiteren Krankheitsverlauf der Erblasserin ursächlich geworden sei. Dies, so die Richter, sei dem Arzt nicht gelungen.

Patient darf auf abschließende Diagnose vertrauen

Der Schmerzensgeldanspruch sei auch nicht durch ein Mitverschulden der Patientin gemindert. Auch wenn sie weiterhin aus dem Anus geblutet habe, habe sie deswegen nicht unbedingt nochmals zum Arzt gehen müssen. Zugunsten der Patientin sei zu berücksichtigen, dass sie zuvor bei dem Internisten wegen ihrer rektalen Blutungen abschließend behandelt worden sei. Sie habe hierfür auch eine Diagnose erhalten, die gerade nicht auf Krebs lautete. Hierauf habe die Patientin eine Zeit lang vertrauen dürfen.

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