Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 11. Jan. 2018 - 7 Sa 95/17

bei uns veröffentlicht am11.01.2018

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 18. Mai 2017 (15 Ca 571/16) teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24. November 2016 nicht zum 31. Dezember 2016, sondern zum 31. Dezember 2017 beendet worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Klägers im Übrigen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Beklagte zu 22 %, der Kläger zu 78 %.

Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt die Beklagte zu 15 %, der Kläger zu 85 %.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien haben in der Berufungsinstanz über das Beendigungsdatum aufgrund einer Kündigung der Beklagten vom 24. November 2016 sowie über einen Anspruch auf Nachteilsausgleich bzw. einen Abfindungsanspruch gestritten.

2

Die Beklagte war bis zum 31. Dezember 2016 Betreiberin eines Hafenterminals im Bereich Container, Massengutumschlag, Projekt und Stückgut und RO/RO Verladung.

3

Der bei Klagerhebung 61jährige schwerbehinderte Kläger war bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern seit dem 1. März 1987 als technischer Angestellter in der Schiffsabfertigung beschäftigt mit einer zuletzt erzielten Monatsvergütung von € 7.166,00.

4

Auf das Arbeitsverhältnis fand der Rahmentarifvertrag für die technischen Angestellten in den Stückgut-Kaibetrieben (im Weiteren: RTV technische Angestellte) und die dazu jeweils abgeschlossenen Sonderbestimmungen Anwendung. Der RTV technische Angestellte enthält für die Kündigungsfristen unter § 15 die folgenden Regelungen:

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1. Für die Kündigung gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen.

6

Bei 15jährigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses beträgt die beiderseitige Kündigungsfrist neun Monate zum Ende eines Kalenderhalbjahres, wenn der Arbeitnehmer das 50. Lebensjahr vollendet hat.

7

Soweit Sozialpläne abgeschlossen wurden, beträgt die Kündigungsfrist einen Monat zum Monatsende.

8

2. […]

9

Da der Mietvertrag für die Nutzung des Betriebsgeländes zum 31. Dezember 2016 auslief und eine Laufzeitverlängerung nicht zustande kam, wurde der Terminalbetrieb zum 31. Dezember 2016 stillgelegt. Die Beklagte kündigte allen beschäftigten Arbeitnehmern betriebsbedingt zum 31. Dezember 2016, darunter auch dem Kläger. Gegen die Kündigung vom 24. November 2016 (vgl. Anlage K 2, Bl. 12 f d.A.) hat sich der Kläger mit seiner am 2. Dezember 2016 bei Gericht eingegangenen Klage gewehrt, zuletzt allerdings nur noch auf die Feststellung einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst zum 31. Dezember 2017.

10

Den Kündigungen waren Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich vorangegangen. Diese scheiterten nach fünf Sitzungen der Einigungsstelle in der sechsten Sitzung am 14. September 2016. Am selben Tag wurde gegen die Stimmen des Betriebsrates durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan beschlossen (vgl. Anlage B 3, Bl. 51 ff d.A.).

11

Dieser enthält unter „§ 1 persönlicher Geltungsbereich, Ausschlusstatbestände“ folgende Regelungen:

12

(1) […]

13

(2) Keine Leistungen nach den Bestimmungen dieses Sozialplans erhalten Mitarbeiter (Ausschlusstatbestände),

14

15

** die entweder unmittelbar nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder im Anschluss an eine mögliche Bezugnahme von Arbeitslosengeld I (unabhängig von der tatsächlichen Bezugnahme des Arbeitslosengeldes) eine Altersrente (gekürzt oder ungekürzt) aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nehmen können (sog. „ rentennahe Arbeitnehmer“), wobei eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen gemäß §§ 37, 236a SGB VI sowie eine Altersrente für Frauen gemäß § 237a SGB VI außer Betracht bleibt.“

16

§ 4 des Sozialplans beinhaltet Regelungen zur Berechnung der zu zahlenden Abfindungen.

17

Der Sozialplan wurde vom Betriebsrat angefochten. Das Beschlussverfahren (Arbeitsgericht Hamburg 29 BV 23/16 = 7 TaBV 3/17) ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

18

Der Kläger hat vorgetragen, in seinem Fall gelte die tarifvertragliche Kündigungsfrist zum 31. Dezember 2017. Denn die tarifvertragliche Regelung zur pauschalen Abkürzung von Kündigungsfristen bei abgeschlossenem Sozialplan verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen §§ 1, 7 Abs. 2 AGG. Die Tarifvertragsparteien hätten ungleiche Lebenssachverhalte gleich behandelt und benachteiligten dadurch ältere Arbeitnehmer. Dies sei auch deshalb gleichbehandlungswidrig und altersdiskriminierend, weil der vorliegende Sozialplan keine adäquate Kompensation vorsehe. Die Dotierung des Sozialplans mit ca. € 2 Mio. unterschreite die Vergütungsersparnis durch die abgekürzten Kündigungsfristen. Insbesondere diejenigen Arbeitnehmer, die wegen Rentennähe gar keine Sozialplanabfindung erwerben, würden durch die abgekürzte Kündigungsfrist doppelt benachteiligt. Dem Kläger stehe außerdem ein Anspruch auf einen Nachteilsausgleich zu. Die Beklagte habe nicht den Abschluss eines Interessenausgleichs versucht. Die Frage, mit welchen Fristen gekündigt werde dürfe, sei von der Einigungsstelle ausgeklammert und nicht definiert worden. Vor dem Hintergrund der besonderen tariflichen Regelung hätte es aber zwingend Bestandteil der Vereinbarung über den möglichen Ausgleich von Nachteilen sein müssen, sich zu den Kündigungsregelungen zu erklären.

19

Der Kläger hat beantragt,

20

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.11.2016 zum 31.12.2016 aufgelöst ist, sondern bis zum 31.12.2017 fortbesteht;

21

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 31.12.2016 hinaus zu im Übrigen unveränderten Arbeitsbedingungen als technischen Angestellten in der Schiffsabfertigung weiter zu beschäftigen,

22

hilfsweise, für den Fall der Ablehnung der Klaganträge zu 1) und 2),

23

3. die Beklagte zu verurteilen, eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Abfindung an den Kläger zu zahlen, mindestens in Höhe von € 68.353,18.

24

Die Beklagte hat beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Die Beklagte hat vorgetragen, § 15 RTV technische Angestellte verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Einen Nachteilsausgleich könne der Kläger wegen der umfangreich geführten Interessenausgleichsverhandlungen nicht beanspruchen.

27

Mit Urteil vom 18. Mai 2017 ist die Klage abgewiesen worden. Die wirksame Kündigung habe das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2016 beendet. Die Regelung in § 15 Ziff. 1 Abs. 3 RTV technische Angestellte sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt unwirksam. Die Norm sei hinreichend bestimmt. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht gegeben. Es liege ein hinreichender sachlicher Grund für die gegebene Ungleichbehandlung vor. Durch die Voraussetzung des Abschlusses eines Sozialplans komme das Vertrauen in die Betriebspartner zum Ausdruck, eine Regelung unter Beachtung der schützenswerten Interessen auch der älteren Arbeitnehmer herbeizuführen. Die Regelung verstoße ferner nicht gegen §§ 1, 7 Abs. 2 AGG. Auch hier sei der weite Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen. Die tarifliche Regelung zur verkürzten Kündigungsfrist knüpfe an eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung an. Dadurch habe eine zeitliche Flexibilisierung ermöglicht werden sollen, verbunden mit der Erwartung, durch den Sozialplan werde eine Milderung von Nachteilen der von Kündigung Betroffenen gewährleistet sein. Schließlich sei die Regelung nicht dahingehend auszulegen, dass nur solche Sozialpläne Voraussetzung für die Anwendbarkeit der kurzen Kündigungsfrist seien, deren Dotierung die durch die kurze Kündigungsfrist ersparte Vergütungssumme berücksichtige. Auch sei die Abkürzung der Kündigungsfristen auf einen Monat nicht zu beanstanden. Diese Regelung weiche nicht mehr als um das Dreifache vom gesetzlichen Leitbild ab, welches vorliegend in § 113 InsO zu finden sei. Eine ergänzende Tarifauslegung im Wege der teleologischen Reduktion gebiete kein anderes Ergebnis. Ein Nachteilsausgleich stehe dem Kläger nicht zu. Ein Interessenausgleich sei hinreichend versucht worden. Wegen der Einzelheiten der Urteilsbegründung wird hierauf Bezug genommen (Bl. 333 ff d.A.).

28

Das Urteil ist dem Kläger am 5. Juli 2017 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit Schriftsatz vom 7. August 2017 (einem Montag) Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 4. September 2017, beim Landesarbeitsgericht am selben Tag eingegangen, begründet.

29

Der Kläger trägt vor, das Arbeitsgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Es habe nicht geprüft, ob durch die streitige Tarifnorm eine Gleichbehandlung sichergestellt sei und ob sich ein möglicher Vorteil der Tarifnorm („bei Anwendung von Sozialplänen“) tatsächlich eingestellt habe. Ein Vorteil ergebe sich nicht schon daraus, dass die Betriebsparteien die Ersparnis des Arbeitgebers durch die Verkürzung der Kündigungsfristen bei ihren Verhandlungen über die Höhe der Abfindung in ihre Überlegungen einstellten. Tatsächlich biete der Sozialplan vorliegend sogar keinerlei Vorteil für den Kläger. Vielmehr habe er den Nachteil, dass die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld (für den Kläger 24 Monate) bereits in der Zeit „verbraucht“ sei, in der die Beklagte das Entgelt für 12 Monate fortzahlen müsste. Zudem erhalte er aus dem Sozialplan keinen angemessenen Ausgleich. Die Nettoabfindung sei – auf der Grundlage seines monatlichen Nettoentgelts von zuletzt € 4.655,11 – nach 5,6 Monaten verbraucht. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld stehe er aber für 21 Monate ohne Einkommen dar, bevor er eine vorgezogene Schwerbehindertenrente in Anspruch nehmen könnte. Die Beklagte sei nicht befugt, die verkürzte Kündigungsfrist ohne den gleichzeitigen „Vorteil“ eines angemessenen Sozialplans anzuwenden. Das ergebe sich aus der Auskunft des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe e.V. (Anl. K 6, Bl. 400 f. d.A.). Hieraus folge, dass der Sozialplan mindestens die ansonsten anwendbare erweiterte Kündigungsfrist ausgleichen müsse. Das sei aber nicht erfolgt. Auch hätten die Betriebsparteien nicht die von den Tarifvertragsparteien geforderte Berücksichtigung der längeren Kündigungsfrist beachtet, denn dann hätten sie als entscheidendes Kriterium für eine erhöhte Abfindung die Vollendung des 50. Lebensjahres vorgesehen und nicht eine Spanne vom 46. bis zum 52,99. Lebensjahr. Der Sozialplan beinhalte eine Benachteiligung wegen des Alters, indem bereits für Mitarbeiter ab dem 46. Lebensjahr ein Abfindungsfaktor von 0,25 vorgesehen sei, obwohl für sie ansonsten nur eine Kündigungsfrist von 6 Monaten bestehe. Das führe letztlich dazu, dass für diese Mitarbeitergruppe mit der Abfindungszahlung mehr als die Hälfte der Regelkündigungsfrist abgedeckt sei, für den Kläger hingegen weniger als die Hälfte. Der 46jährige werde somit überproportional gegenüber dem Kläger begünstigt. Darin liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Der Kläger habe einen Anspruch auf Anpassung der Sozialplanleistung entsprechend seiner individuellen Besonderheit der ansonsten anwendbaren verlängerten Kündigungsfrist. Diese Anpassung könne nur durch Zahlung der Entgelte für den Kläger bis zum 31. Dezember 2017 erfolgen. Der Kläger habe ferner mangels ausreichenden Versuchs der Beklagten zum Abschluss eines Interessenausgleichs weiter den bereits erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs in Höhe von mindestens € 68.353,18. Höchst hilfsweise habe er einen Anspruch auf eine „Gesamtabfindung“ in Höhe von € 50.369,66 brutto. Diese errechne sich mit dem Abfindungsfaktor 0,32 aus dem Sozialplan, dem Entgelt des Klägers und dem Schwerbehindertenzuschlag. Zwar würde diese nur geringfügige Erhöhung des ihm nach dem Sozialplan zustehenden Abfindung nicht dem tatsächlichen Ausgleichsanspruch gerecht, bewege sich aber noch in dem angenommenen Sozialplanniveau, für die Gruppe der über 50jährigen mit längerer Kündigungsfrist den gewählten Höchstfaktor zu berücksichtigen.

30

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 18.05.2017, 15 Ca 571/16,

31

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.11.2016 zum 31.12.2016 aufgelöst ist, sondern bis zum 31.12.2017 fortbesteht;

32

2. die Beklagte zu verurteilen, eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Abfindung an den Kläger zu zahlen, mindestens in Höhe von € 68.353,18;

33

3. höchst vorsorglich bzw. hilfsweise:

34

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Gesamtabfindungsbetrag von € 50.369,66 brutto zu zahlen.

35

Die Beklagte beantragt,

36

die Berufung zurückzuweisen.

37

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Berufung sei nicht begründet. Die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2016 beendet. Der Kläger habe weder einen Anspruch auf einen Nachteilsausgleich in Höhe von € 68.353,18 brutto noch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 50.369,66 brutto. Im Rahmen der sechs Einigungsstellensitzungen seien Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs geführt worden. Thema hierbei sei auch die tarifliche Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende gewesen, was aus den Entwürfen der Arbeitgeberin zu einem Interessenausgleich folge (Anlagen B 15 bis B 17). Bis zuletzt habe keine Einigung über einen Interessenausgleich erreicht werden können. In der Sitzung am 14. September 2016 habe der Einigungsstellenvorsitzende in Anbetracht der geführten Verhandlungen über die von der Beklagten geplante Betriebsänderung die Einschätzung geäußert, dass eine Einigung über den Interessenausgleich aussichtslos sei. Dieser Auffassung hätten beide Betriebsparteien nicht widersprochen. Im Ergebnis sei sodann durch Beschluss in der Einigungsstelle das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen festgestellt worden. Keiner habe eine weitere Aussprache oder weitere Verhandlungen verlangt. Das folge auch aus dem Protokoll der Einigungsstellensitzung vom 14. September 2016 (Anlage B 2). Das Arbeitsverhältnis sei zum 31. Dezember 2016 beendet worden. Anhaltspunkte dahingehend, dass die verkürzte Kündigungsfrist nur auf diejenigen Arbeitnehmer angewendet werden könne, die eine Abfindung in der vom Kläger geforderten Höhe erhielten, gebe es nicht. Voraussetzung sei lediglich der Abschluss eines Sozialplans. Dass nur bestimmte bzw. bestimmt dotierte Sozialpläne dem Anwendungsbereich von § 15 Ziff. 1 Abs. 3 RTV technische Angestellte unterfallen sollen, sei nicht richtig. Ein dahingehender Wille der Tarifvertragsparteien sei nicht erkennbar. § 15 Ziff. 1 Abs. 3 RTV technische Angestellte sei auch nicht unwirksam. Die Norm sei hinreichend bestimmt, verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG und auch nicht gegen §§ 7, 1 AGG. Eine inhaltsgleiche Regelung sei vom Bundesarbeitsgericht bereits für wirksam erachtet worden (BAG, 2 AZR 537/02). Ausreichend sei es, wenn die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen seien, dass die Vereinheitlichung der Kündigungsfristen bei Vorliegen eines Sozialplans auch Vorteile für die Arbeitnehmer mit sich bringen und der Schutz älterer Arbeitnehmer von den Betriebsparteien berücksichtigt werden könne. Auch könne die Regelung zu den verkürzten Kündigungsfristen nicht isoliert betrachtet werden. Diese habe insoweit zu Vorteilen an anderer Stelle zugunsten der Arbeitnehmer geführt, so insbesondere zu sehr langen Kündigungsfristen außerhalb der Anwendung von Sozialplänen. Außerdem sei der erhebliche Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien zu beachten. Weder das Alter noch die Betriebszugehörigkeit müssten bei der Bemessung von Kündigungsfristen berücksichtigt werden. Da alle mit der gleichen Frist im Fall eines Sozialplans gekündigt würden, gebe es auch keine Benachteiligung älterer Arbeitnehmer. Schließlich wäre eine Ungleichbehandlung vorliegend sachlich gerechtfertigt. So werde es dem Arbeitgeber ermöglicht, bei anstehenden Betriebsänderungen schnell handeln zu können, ohne die Arbeitnehmer über mehrere Monate weiter beschäftigen oder vergüten zu müssen, obwohl der Bedarf an der Arbeitsleistung längst entfallen sei. Eine teleologische Reduktion der streitgegenständlichen tariflichen Norm komme nicht in Betracht. Auch komme es nicht darauf an, ob der Sozialplan hinreichend dotiert sei. Für die Anwendung der tariflichen Kündigungsfrist in § 15 Ziff. 1 Abs. 3 RTV technische Angestellte sei nur maßgeblich, ob ein Sozialplan wirksam abgeschlossen sei. Die Frage der ausreichenden Dotierung sei allein im Anfechtungsverfahren zu entscheiden. Darüber hinaus benachteilige der Sozialplan den Kläger nicht wegen seines Alters. Ob der Kläger tatsächlich eine Abfindung aus dem Sozialplan erhalte, stehe derzeit noch nicht fest. Der Kläger habe nämlich – was unstreitig ist – bislang noch keine Auskunft über seine Rentenberechtigung erteilt. Somit stehe nicht fest, ob er unter den Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 2 des Sozialplans falle. Der Nachweis über die Rentenberechtigung sei aber – was ebenfalls unstreitig ist – Voraussetzung für die Zahlung einer etwaigen Abfindung (§ 7 Abs. 2 des Sozialplans). Sollte der Kläger nach der Bezugnahme von Arbeitslosengeld eine Altersrente in Anspruch nehmen können, erhalte er keine Abfindung. Sei das nicht der Fall, werde ihm die Abfindung aus dem Sozialplan ausgezahlt.

38

Ergänzend wird auf den weiteren Sachvortrag der Parteien in ihren Schriftsätzen und Anlage sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

39

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ist zulässig und teilweise begründet.

1.

40

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 64 Abs. 1, 2 b ArbGG statthaft. Sie wurde im Sinne der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet.

2.

41

Das Rechtsmittel hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat erst zum 31. Dezember 2017, nicht bereits zum 31. Dezember 2016 geendet. Die tarifliche Bestimmung über die Abkürzung der sonst geltenden Kündigungsfristen in § 15 Ziff. 1 Abs. 3 RTV für technische Angestellte verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, §§ 7, 1 AGG und ist unwirksam. Der Kläger hat aber weder einen Anspruch auf einen Nachteilsausgleich in Höhe von € 68.353,18 brutto noch auf die hilfsweise geltend gemachte Abfindung in Höhe von € 50.369,66 brutto.

42

Im Einzelnen:

a)

43

Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat erst zum 31. Dezember 2017, nicht bereits zum 31. Dezember 2016 geendet.

aa)

44

Die tarifliche Regelung § 15 Ziff. 1 Abs. 3 RTV für technische Angestellte verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, was zur Unwirksamkeit der Bestimmung führt. Sie beinhaltet eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung von Ungleichem bzw. eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Gleichem.

45

aaa)

46

Die Tarifvertragsparteien sind bei ihrer tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar tarifgebunden. Durch den Abschluss von Tarifverträgen üben die Tarifvertragsparteien nämlich weder Staatsgewalt im Sinne von Art. 1 Abs. 3 GG aus noch werden mit Tarifverträgen staatliche Regelungskonzepte verfolgt (BAG, 26. April 2017, 10 AZR 856/15; m.w.N.; zit. nach juris). Der Abschluss von Tarifverträgen und die damit bewirkte Normsetzung ist vielmehr kollektiv ausgeübte Privatautonomie. Die Tarifvertragsparteien regeln auf dieser Grundlage, mit welchen tarifpolitischen Forderungen sie für ihre Mitglieder tarifvertragliche Regelungen mit welchem Tarifvertragspartner setzen wollen und letztlich vereinbaren (BAG, 26. April 2017, 10 AZR 856/15; m.w.N.; zit. nach juris).

47

Gleichwohl müssen die Tarifvertragsparteien auf Grund der Schutzpflichten der Grundrechte bei ihrer tariflichen Normsetzung den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 beachten (BAG, 21.4.2005, 6 AZR 440/04; 27.5.2004, 6 AZR 129/03; zit. nach juris). Die Grundrechtsgewährung ist nicht auf die bloße Abwehr staatlicher Eingriffe beschränkt, sondern verpflichtet darüber hinaus den Staat dazu, die Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, dass die einzelnen grundrechtlichen Gewährleistungen wirksam werden können. Deshalb trifft den Staat die Schutzpflicht, einer Grundrechtsverletzung durch andere Grundrechtsträger entgegenzuwirken (BAG, 26. April 2017, 10 AZR 856/15; m.w.N.; zit. nach juris). Dementsprechend verpflichtet die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte die Rechtsprechung dazu, solchen Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen oder eine unangemessene Beschränkung eines grundrechtlichen Freiheitsrechts zur Folge haben (BAG, 26. April 2017, 10 AZR 856/15; 27.5.2004, 6 AZR 129/03; zit. nach juris).

48

Als selbständigen Grundrechtsträgern kommt den Tarifvertragsparteien aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie haben eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen. Bei der Lösung tarifpolitischer Konflikte sind sie nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Vereinbarung zu treffen. Auch deckt die Tarifautonomie einen Regelungsverzicht (BAG, 21.4.2005, 6 AZR 440/04; zit. nach juris). Allgemein genügt es, wenn für eine getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (BAG, 7.7.2015, 10 AZR 939/13; 15.42015, 4 AZR 796/13; zit. nach juris).

49

Allein aus der Ungleichbehandlung vergleichbarer Fallgruppen folgt noch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Ein darauf bezogener Verstoß liegt erst vor, wenn die Ungleichbehandlung nicht in ausreichendem Maße gerechtfertigt werden kann. Eine Tarifnorm verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes ist nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung (BAG, 19.7.2011, 3 AZR 398/09; 29.11.2001, 4 AZR 762/00; zit. nach juris).

50

bbb)

51

Gemessen hieran hält § 15 Abs. 1 Ziff. 3 RTV technische Angestellte einer Überprüfung anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht stand. Die Tarifvertragsparteien durften nicht regeln, dass die Kündigungsfrist für alle Arbeitnehmer ungeachtet der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit einen Monat – zum Monatsende – beträgt, sofern ein Sozialplan abgeschlossen wurde. Für die so gegebene unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern, die eine betriebsbedingte Kündigung einmal bei Abschluss eines Sozialplans (kurze Kündigungsfrist) und einmal bei Fehlen eines Sozialplans (nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Kündigungsfristen) erhalten, bzw. die gegebene Gleichbehandlung von Arbeitnehmern unabhängig von der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit (trotz im Regelfall erfolgender Differenzierung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit) gibt es – auch unter Berücksichtigung des Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien – keinen hinreichenden sachlichen Grund, der diese Regelung sachlich rechtfertigen könnte.

i)

52

In den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG fällt nicht nur die Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte, sondern auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem (BAG, 23.4.2008, 2 AZR 21/07; BVerfG, 13.5.1986, 1 BvL 55/83; zit. nach juris). Es kommt darauf an, ob eine Regelung für einen Teil der Betroffenen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht zur Folge hätte, dass ihr gegenüber die gleichartige Behandlung nicht mehr zu rechtfertigen wäre (BAG, 23.4.2008, 2 AZR 21/07; BVerfG, 13.5.1986, 1 BvL 55/83; zit. nach juris).

53

Vorliegend ist zum einen eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Fallgruppen gegeben. So kann Mitarbeitern, die betriebsbedingt gekündigt werden, ohne dass ein Sozialplan abgeschlossen worden ist, nach der Regelung in § 15 Ziff. 1 Abs. 1 RTV technische Angestellte nur mit den gesetzlichen (von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängigen) Regelkündigungsfristen bzw. mit der Frist des § 15 Ziff. 1 Abs. 2 RTV technische Angestellte gekündigt werden. Im Fall des Abschlusses eines Sozialplans kann den betroffenen Mitarbeitern nach § 15 Ziff. 1 Abs. 3 RTV technische Angestellte hingegen mit der verkürzten Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden. Je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit (und je nach Lebensalter) führt dies zu ganz erheblichen Unterschieden in Bezug auf die Dauer der Kündigungsfrist und damit auf die Dauer des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Im vorliegenden Fall ergibt sich ein Unterschied von 12 Monaten. Ferner liegt eine Gleichbehandlung von Ungleichem vor. So können – wie vorliegend erfolgt – die Arbeitsverhältnisse aller Mitarbeiter bei Abschluss eines Sozialplans mit der gleichen kurzen Frist von einem Monat (zum Monatsende) gekündigt werden unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit und unabhängig vom Alter.

ii)

54

Diese Gleichbehandlung bzw. Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt. Es besteht vorliegend zwischen den vorgenannten Fallgruppen kein Unterschied von solcher Art und solchem Gewicht, dass die gegebene erhebliche Ungleichbehandlung (bzw. Gleichbehandlung von Ungleichem) gerechtfertigt bzw. angemessen erscheint. Hinreichende Gründe für die zum Teil erhebliche Abweichung von den sonst geltenden gestaffelten Kündigungsfristen (je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses und Lebensalter) sind nicht gegeben. Die Tarifvertragsparteien haben die Gleichheiten bzw. Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse nicht ausreichend berücksichtigt, die aber so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet und einer differenzierenden Regelung hätten zugeführt werden müssen.

55

Grundsätzlich liegt es zwar in der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien, für alle Mitarbeiter eine gleich lange Kündigungsfrist vorzusehen. Hier stellt allerdings die Regelung der Dauer der Kündigungsfrist bei Vorliegen eines Sozialplans den Ausnahmefall zum sonst geltenden Normalfall dar. Für den Regelfall einer Kündigung haben die Tarifvertragsparteien eine Differenzierung der Dauer der Kündigungsfrist in Abhängigkeit zur Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses (und des Alters, so in Abs. 2) vorgenommen, d.h. ungleiche Fristen für ungleich lange Betriebszugehörigkeiten bestimmt. Nur bei Abschluss eines Sozialplans soll mit der einheitlich kurzen Kündigungsfrist von einem Monat gekündigt werden dürfen. Damit haben sie zum Ausdruck gebracht, dass unterschiedliche Fallgruppen gegeben sind, die sie mit verschieden langen Kündigungsfristen versehen haben.

56

Der einzige Unterschied der unterschiedlich geregelten Fallgruppen ist der Abschluss bzw. das Vorliegen eines Sozialplans. Fallen die Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich eines Sozialplans, darf der Arbeitgeber von der kurzen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende Gebrauch machen. Dieser Umstand genügt als Sachgrund nicht, um die unterschiedliche Dauer und den zum Teil erheblichen Eingriff in die ansonsten geltenden tariflichen (bzw. gesetzlichen) Kündigungsfristen bzw. die zum Teil erhebliche Abkürzung der für den Regelfall anwendbaren Kündigungsfristen (je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit) zu rechtfertigen. Dies kann die gegebene Ungleichbehandlung von Gleichem bzw. Gleichbehandlung von Ungleichem nicht in hinreichend angemessener Form rechtfertigen (anders BAG, 18.9.2003, 2 AZR 537/02, zit. nach juris):

(i)

57

Richtig ist, dass nach § 622 Abs. 4 S. 1 BGB alle Kündigungsfristen tarifdispositiv sind. So soll es den Tarifvertragsparteien ermöglicht werden, Besonderheiten einzelner Wirtschaftsbereiche und Beschäftigtengruppen zu berücksichtigen (EK/Müller-Glöge, 17. Aufl., § 622 Rn. 19). Ziel einer Abkürzung der gesetzlichen Kündigungsfristen in einem Tarifvertrag kann hiernach sein, solchen Besonderheiten gerecht werden zu wollen. Welches Ziel eine Tarifnorm verfolgt, ergibt sich aus dem Normzweck. Dieser ist dem in der Norm zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen der Tarifvertragsparteien, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist, zu entnehmen. Dabei können gerade die systematische Stellung einer Vorschrift im Tarifvertrag und ihr sachlich-logischer Zusammenhang mit anderen Vorschriften diesen Sinn und Zweck freilegen (vgl. BAG, 18.2.2016, 6 AZR 700/14, m.w.N.; zit. nach juris). Nur so ist eine gerichtliche Überprüfung des Vorliegens einer sozialpolitischen Zielsetzung als Voraussetzung für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung auf einer objektivierbaren Grundlage möglich.

58

Besonderheiten einzelner Wirtschaftsbereiche und Beschäftigtengruppen sind vorliegend aber weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik erkennbar oder vorgetragen. Besonderheiten von Beschäftigtengruppen scheiden als Differenzierungsziel ohnehin von vornherein aus, da die Regelung in § 15 Abs. 3 RTV technische Angestellte hierauf erkennbar nicht abstellt. Aber auch Besonderheiten des Wirtschaftsbereichs dahingehend, dass ein besonderes Flexibilisierungsinteresse auf Arbeitgeberseite vorliegt, sind nicht ersichtlich. Dass in Hafenumschlagsbetrieben auf Veränderungen der wirtschaftlichen Lage besonders schnell reagiert werden müsste und die Arbeitgeber bei Anwendung der üblichen gesetzlichen Kündigungsfristen im Regelfall besonders hart betroffen wären, indem sie im Regelfall Mitarbeiter noch vergüten müssten, obwohl der Beschäftigungsbedarf längst entfallen ist, ist nicht dargelegt worden oder ersichtlich. Im Gegenteil, Hafenumschlagsbetriebe sind geprägt von langfristiger Planung und einem in der Regel langfristigen Bestand, begleitet von erheblichen notwendigen Investitionen in die Anlagegüter, um einen Hafenumschlagsbetrieb überhaupt betreiben zu können. Entsprechend existierte der B. Terminal seit 1999 (www.b. …), ausgestattet mit einem Pachtvertrag, der bis zum 31. Dezember 2018 hätte laufen können.

(ii)

59

Auch im Übrigen ist kein hinreichender sachlicher Grund gegeben, um die zum Teil erheblichen Unterschiede der Länge der Kündigungsfristen rechtfertigen zu können, selbst unter Berücksichtigung der Gestaltungsfreiheit und Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien, die ihnen grundgesetzlich gewährt wird (Art. 9 Abs. 3 GG). Zu berücksichtigen ist, dass nicht nur ein die Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund vorliegen, sondern Ungleichbehandlung und der rechtfertigende Grund müssen auch in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BAG, 10.3.1994, 2 AZR 605/93; zit. nach juris). Die Tarifautonomie gilt nicht schrankenlos (BAG, 10.3.1994, 2 AZR 605/93; zit. nach juris). Dabei gilt es im Blick zu behalten, dass vorliegend die Ungleichbehandlung durch die Tarifvertragsparteien allein für den Fall gegeben ist, dass ein Sozialplan abgeschlossen wurde.

60

Für den Fall, dass die Tarifvertragsparteien selbst eine Regelung treffen, haben sie selbst für die Einhaltung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes Sorge zu tragen. Das ist Ausfluss der ihnen grundgesetzlich eingeräumten Regelungsmacht in Form von Tarifverträgen (Art. 9 Abs. 3 GG). Sieht der Tarifvertrag eine Ungleichbehandlung vor, halten die Tarifvertragsparteien es aber im Grunde selbst für erforderlich, dass ein Ausgleich für diese Ungleichbehandlung geschaffen werden muss, dann müssen sie kraft ihrer Tarifmacht und aufgrund ihrer Regelungsverantwortung auch für einen solchen Ausgleich sorgen.

61

Vorliegend haben die Tarifpartner gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, vor allem indem Mitarbeiter mit gleich langer Betriebszugehörigkeit in einem Fall (Fehlen eines Sozialplans) nur mit einer Kündigungsfrist von bis zu 9 Monaten zum Kalenderhalbjahr und im anderen Fall (Vorliegen eines Sozialplans) mit einer sehr kurzen Frist von nur einem Monat zum Monatsende gekündigt werden können. Indem das Merkmal „Abschluss eines Sozialplans“ in die Regelung aufgenommen wurde, wird deutlich, dass die Tarifpartner davon ausgingen, ein Ausgleich für die zum Teil erhebliche Abkürzung der sonst geltenden Kündigungsfristen sowie für die sich hieraus ergebende Ungleichbehandlung sei erforderlich und dass ein solcher durch die Betriebspartner in einem Sozialplan erfolgen würde. Mit dem Merkmal „Abschluss eines Sozialplans“ haben die Tarifpartner aber selbst keinen Sachgrund für die Ungleichbehandlung und keine eigene Ausgleichsregelung geschaffen, obwohl sie eine solche offenbar für notwendig hielten, um die Ungleichbehandlung rechtfertigen zu können. Sie sind ihrer Regelungsverantwortung nicht hinreichend gerecht geworden:

62

Allein das Abstellen auf den Abschluss eines Sozialplans ist kein Ausgleich und somit per se kein hinreichender Grund für die geschaffene Ungleichbehandlung. Zwar bedeutet eine Betriebsänderung, die mit einem Sozialplan einhergeht, eine wirtschaftliche Belastung für die Unternehmen. Außerdem erhält der Arbeitgeber mitunter bei einer Betriebsstilllegung keine Gegenleistung mehr, wenn die Kündigungsfristen länger laufen als noch Beschäftigungsmöglichkeiten vorhanden sind. Diese Umstände könnten geeignet sein, die streitige Regelung zu rechtfertigen. Allerdings wiegen sie nicht schwer genug, um von einer verhältnismäßigen Regelung ausgehen zu können. Zunächst ist zu beachten, dass nicht jedes Unternehmen, das eine Betriebsänderung durchführt, aus einer wirtschaftlichen Not heraus handelt. Oftmals geht es um reine Restrukturierung, um das Unternehmen neu, vermeintlich besser aufzustellen und Kosten zu sparen. Ferner konnten die Tarifvertragsparteien nicht annehmen, dass typischerweise ein angemessener Ausgleich der ungleichen Behandlung bei der Dauer der Kündigungsfristen bzw. der gleichen Behandlung aller Arbeitnehmer ohne Ansehung der Betriebszugehörigkeitszeiten in dem jeweiligen Sozialplan erfolgen würde. Die Umstände, die einer Betriebsänderung zugrunde liegen, insbesondere die wirtschaftliche Finanzkraft des jeweiligen Unternehmens, der Hintergrund der Betriebsänderung und die nach Ansicht der Betriebsparteien auszugleichenden Nachteile, über die sie nach eigenem Ermessen und Beurteilungsspielraum entscheiden können, sind derart unterschiedlich, dass völlig unklar ist, ob und in welchem Umfang die zum Teil erheblichen Nachteile, die durch die Abkürzung der Kündigungsfristen auf einen Monat zum Monatsende entstehen können, im jeweiligen Fall zum Ausgleich gelangen. Dabei liegt der Nachteil nicht nur in der kürzeren Dauer des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer erleidet hierdurch einen entsprechenden Einkommensverlust, Verluste in der Rentenversicherung und der Zeitraum, der ggf. noch bis zum Rentenbezug zu überbrücken ist, verlängert sich.

63

Auch der Umstand, dass rentennahe Jahrgänge grundsätzlich von Sozialplanabfindungen ausgenommen werden können, führt dazu, dass die Tarifvertragsparteien nicht darauf vertrauen und auch nicht annehmen durften, die Betriebspartner würden insbesondere mit Blick auf die am härtesten betroffenen Arbeitnehmer für einen angemessenen Ausgleich der Ungleichbehandlung sorgen. Am härtesten betroffen von der tariflichen Regelung über die Abkürzung der Kündigungsfristen auf einen Monat zum Monatsende sind vorliegend typischerweise ältere Arbeitnehmer, die eine lange Betriebszugehörigkeit aufweisen bzw. solche, die zusätzlich das 50. Lebensjahr vollendet haben und somit eigentlich von der längsten tariflich vorgesehenen Kündigungsfrist profitieren sollen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es zulässig, rentennahe Jahrgänge von jeglicher Sozialplanleistung auszunehmen, da sie wirtschaftlich abgesichert sind (vgl. nur BAG, 11.11.2008, 1 AZR 475/07, m.w.N.; zit. nach juris). Trifft vorliegend beides zusammen, d.h. die Abkürzung der langen Kündigungsfristen auf einen Monat zum Monatsende und ein Ausschluss von Sozialplanleistungen wegen Rentennähe bzw. Rentenberechtigung, so sind solche Arbeitnehmer doppelt nachteilig betroffen. Die zu vermutende Annahme der Tarifvertragsparteien, der Sozialplan werde für einen Ausgleich der Abkürzung der Kündigungsfristen sorgen und damit eine Rechtfertigung für die Abkürzung der Kündigungsfristen begründen, schlägt hier fehl. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts kann dem auch nicht mit dem Argument begegnet werden, es fänden nur „Verschiebungen“ von Abfindungsleistungen statt, denn das ändert nichts daran, dass es generell eine Reihe von Mitarbeitern geben kann, die aufgrund der tariflichen Regelung in § 15 Abs. 3 RTV technische Angestellte weder formellen Kündigungsschutz durch eine lange Kündigungsfrist genießen noch eine Abfindung erhalten.

64

Ferner ist ein hinreichendes Differenzierungsziel nicht erkennbar. Ziel der streitigen tariflichen Regelung ist es, Flexibilisierung auf Arbeitgeberseite zu schaffen. Das mag zwar ein grundsätzlich legitimes Interesse der Arbeitgeber sein. Allerdings wiegt auch dieses Interesse nicht schwer genug, um den zum Teil erheblichen Eingriff in die sonst geltenden Kündigungsfristen rechtfertigen zu können. Die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer sind nicht ausreichend berücksichtigt worden, da keinerlei inhaltliche Voraussetzungen für den Sozialplan aufgestellt wurden, aufgrund dessen Existenz mit der kurzen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden darf. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann den Arbeitnehmer empfindlich treffen. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwingt ihn, einen neuen Arbeitsplatz zu suchen und sich auf neue Arbeitsbedingungen einzustellen, möglicherweise sogar den Wohnort zu wechseln. Ob er einen neuen Arbeitsplatz mit gleichem Verdienst und gleichwertigen Bedingungen findet, hängt wesentlich auch davon ab, wieviel Zeit ihm für die Arbeitsplatzsuche zur Verfügung steht. Dem sollen die Kündigungsfristen Rechnung tragen. Der Gekündigte kann schon vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Stelle suchen und die erforderlichen Dispositionen im privaten Bereich treffen. Er erhält die Chance, sofort nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Stelle anzutreten. Die Chance wächst mit der Dauer der Kündigungsfrist (vgl. hierzu BVerfG, 30.5.1990 1 BvL 2/83; zit. nach juris). Auch werden noch Sozialversicherungsbeiträge, insbesondere Rentenbeiträge basierend auf dem aktuellen Monatsentgelt, gezahlt. Zwar verteuern lange Kündigungsfristen an sich Kündigungen. Das gilt allerdings für jegliche Kündigung, dennoch sieht der Tarifvertrag vorliegend - unter Verweis auf die gesetzlichen Fristen i.V.m. der langen Frist gemäß § 15 Ziff. 1 Abst. 3 RTV technische Angestellte - grundsätzlich gestaffelte Kündigungsfristen vor. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Abkürzung der Kündigungsfrist auf einen Monat zum Monatsende sich bei Arbeitnehmern mit längeren Betriebszugehörigkeiten ganz erheblich von dem gesetzlichen Leitbild in § 622 Abs. 2 BGB entfernt, ohne dass hinreichende gewichtige Gründe erkennbar sind. Die Tarifautonomie kann nicht schrankenlos gewährt werden (vgl. BAG, 7 AZR 140/15, 26.10.2016; zit. nach juris). Ist die Grenze der Verhältnismäßigkeit, wie vorliegend, überschritten, dann können tarifliche Regelungen auch für unwirksam erachtet werden. Zwar ist es den Tarifvertragsparteien nach § 622 Abs. 4 S. 1 BGB generell erlaubt, von den gesetzlichen Kündigungsfristen abzuweichen. Mit §622 Abs. 4 S. 1 BGB hat der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien unter den darin genannten Umständen die Möglichkeit gegeben, branchenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen (vgl. BAG, 18.9.2014, 6 AZR 636/13; zit. nach juris). Solche branchenspezifischen Besonderheiten, die allein bei Vorliegen eines Sozialplans die Abkürzung der Kündigungsfristen auf einen Monat zum Monatsende rechtfertigen könnten, sind aber – wie bereits ausgeführt – weder erkennbar noch vorgetragen.

65

Schließlich ist festzustellen, dass Abfindungen aus einem Sozialplan und Kündigungsfristen unterschiedliche Zielrichtungen haben. Die Kündigungsfrist bietet einen formellen Kündigungsschutz. Die Staffelung der Kündigungs-fristen durch § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB verfolgt das Ziel, länger beschäftigten und damit betriebstreuen, typischerweise älteren Arbeitnehmern durch längere Kündigungsfristen einen verbesserten Kündigungsschutz zu gewähren (BAG, 18.9.2014, 6 AZR 636/13; zit. nach juris). Es soll die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz aus einem noch bestehenden Arbeitsverhältnis heraus in einer materiell noch abgesicherten Position erleichtert und auch die Betriebstreue belohnt werden. Der Sozialplan dient dem Ausgleich oder der Milderung der Nachteile, die durch eine Betriebsänderung entstehen. Er hat eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihm enthaltenen Leistungen, vor allem Sozialplanabfindungen, sind kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste. Vielmehr sollen sie die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Nachteile eines Arbeitsplatzverlustes infolge einer Betriebsänderung ausgleichen oder zumindest abmildern (BAG, 26.9.2017, 1 AZR 137/15; 8.12.2015, 1 AZR 595/14; zit. nach juris). Insoweit haben die Tarifvertragsparteien Regelungsinstrumente mit unterschiedlichen Zwecken zueinander ins Verhältnis gesetzt, wobei es insbesondere nicht Aufgabe eines Sozialplans ist, Nachteile auszugleichen, die durch eine tarifliche Regelung entstehen, sondern lediglich solche, die durch eine Betriebsänderung verursacht werden (§ 112 BetrVG).

66

Soweit die Arbeitgeberin auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23. April 2008 (2 AZR 21/07) abstellt, ändert dies an dem gefundenen Ergebnis nichts. Dort ging es um die Regelung kurzer Kündigungsfristen für Kleinbetriebe, vor allem unter Hinweis auf deren geringe wirtschaftliche Tragkraft. Eine entsprechende Sachlage ist vorliegend nicht gegeben.

67

Insgesamt ist damit die festgestellte Ungleichbehandlung (bzw. Gleichbehandlung von Ungleichem) nicht hinreichend gerechtfertigt.

68

bbb)

69

Die tarifliche Bestimmung über die Abkürzung der sonst geltenden Kündigungsfristen in § 15 Ziff. 1 Abs. 3 RTV technische Angestellte verstößt ferner gegen §§ 7, 1 AGG, was ebenfalls zur Unwirksamkeit bzw. Unanwendbarkeit der Regelung führt.

i)

70

Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, u.a. wegen des Alters, benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare Benachteiligungen ebenso wie mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich (BAG, 18.2.2014, 3 AZR 833/12, zit. nach juris).

ii)

71

Vorliegend ist eine mittelbare Diskriminierung durch die Regelung in § 15 Abs. 3 RTV technische Angestellte gegeben.

(i)

72

Der sachliche Anwendungsbereich des AGG nach dessen § 2 Abs. 1 Nr. 2 ist eröffnet, da die Berechnung von Kündigungsfristen nach einem Tarifvertrag in Rede steht und es somit um Entlassungsbedingungen in kollektiv-rechtlichen Vereinbarungen geht. Ebenso ist der persönliche Anwendungsbereich eröffnet (§ Abs. 1 Nr. 1 AGG).

(ii)

73

Die Regelung in § 15 Abs. 3 RTV technische Angestellte benachteiligt ältere Arbeitnehmer mittelbar. Bei Vorliegen eines Sozialplans, unter dessen Anwendungsbereich die betroffenen Arbeitnehmer fallen, verkürzt sich die Kündigungsfrist auf einen Monat zum Monatsende. Hiervon betroffen sind Arbeitnehmer unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Betriebszugehörigkeit. Die regelhaft mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit zunehmende Dauer der Kündigungsfrist (bis zu 9 Monate zum Kalenderhalbjahresende) wird unterschiedlich stark verkürzt, wirkt sich aber typischerweise am stärksten bei den älteren Arbeitnehmern aus, da langjährig Beschäftigte typischerweise ein höheres Lebensalter aufweisen. Jüngere Arbeitnehmer mit typischerweise kürzeren Kündigungsfristen sind von der Abkürzung der Kündigungsfristen entweder gar nicht oder aber wesentlich weniger betroffen als ältere Arbeitnehmer.

74

(iii)

75

Diese mittelbare Benachteiligung wegen des Alters ist nicht gerechtfertigt.

76

Eine mittelbare Benachteiligung eines verpönten Merkmals kann nach § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG durch ein legitimes Ziel und die Wahl verhältnismäßiger Mittel zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt sein. Rechtmäßige Ziele i.S.v. § 3 Abs. 2 AGG können alle nicht diskriminierenden und auch im Übrigen legalen Ziele sein. Die differenzierende Maßnahme muss geeignet und erforderlich sein, um das legitime Ziel zu erreichen, und einen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte des Benachteiligten darstellen (BAG, 29.1.2014, 6 AZR 943/11; 15.11.2012, 6 AZR 359/11; zit. nach juris). Letztlich ist § 3 Abs. 2 AGG eine spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG (BAG, 29.1.2014, 6 AZR 943/11; zit. nach juris). Sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, handelt es sich im Fall der mittelbaren Benachteiligung schon tatbestandlich nicht um eine Benachteiligung i.S.v. § 7 Abs. 1 AGG (BAG, 29.1.2014, 6 AZR 943/11; zit. nach juris).

77

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Ziel dann rechtmäßig, wenn es nicht seinerseits diskriminierend und im Übrigen legal ist (BAG, 9.12.2015, 4 AZR 684/12, m.w.N.; zit. nach juris). Ein solches legitimes Regelungsziel muss der Unterscheidung überprüfbar zugrunde liegen, wenn es auch nicht in der Regelung selbst ausdrücklich benannt sein muss. Es muss sich aber aus dem Kontext der Differenzierungsmaßnahme ableiten lassen. Die zur Erreichung dieses Ziels gewählten Mittel müssen erforderlich sein, d.h. es darf keine die Benachteiligten weniger treffenden Möglichkeiten geben, das Ziel zu erreichen. Dabei sind die Anforderungen an die Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung nicht höher als diejenigen an die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung (BAG, 9.12.2015, 4 AZR 684/12, m.w.N.; zit. nach juris). Bei der Prüfung der Angemessenheit ist die aus der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie resultierende Gestaltungsbefugnis der Tarifvertragsparteien zu beachten. Das Erfordernis einer Rechtfertigung entfällt dadurch zwar nicht. Jedoch ist aufgrund der weitreichenden Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien und deren Einschätzungsprärogative bzgl. der sachlichen Gegebenheiten, der betroffenen Interessen und der Rechtsfolgen deren Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung zu berücksichtigen (BAG, 17.6.2009, 7 AZR 112/08; zit. nach juris).

78

Gemessen an den vorstehenden Kriterien ist die dargestellte mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer nicht gerechtfertigt. Insbesondere stellt die differenzierende Maßnahme keinen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte der Benachteiligten dar. Zwar gilt auch hier, dass den Tarifvertragsparteien eine Generalisierungs- und Typisierungsbefugnis bei Schaffung einer Regelung zukommt. Sie haben aber das angestrebte Ziel nicht mit verhältnismäßigen Mitteln verfolgt, wie sich bereits aus den obigen Ausführungen zu Art. 3 Abs. 1 GG ergibt:

79

Zwar mag das Ziel der streitigen tariflichen Regelung, für Flexibilisierung auf Arbeitgeberseite zu sorgen, als legitim anzuerkennen sei. Allerdings wiegt dieses Interesse nicht schwer genug, um den zum Teil erheblichen Eingriff in die sonst geltenden Kündigungsfristen (bis zu 9 Monaten zum Kalenderhalbjahresende) rechtfertigen zu können. Die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer sind nicht ausreichend berücksichtigt worden, da keinerlei inhaltliche Voraussetzungen für den Sozialplan aufgestellt wurden, aufgrund dessen Existenz mit der kurzen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden darf. Allein das Tatbestandsmerkmal „Abschluss eines Sozialplans“ schafft keinen hinreichend angemessen Ausgleich im Hinblick auf die zum Teil massiv abgekürzten Kündigungsfristen.

80

Auch hier gilt, dass die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses den Arbeitnehmer empfindlich treffen kann. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwingt ihn, einen neuen Arbeitsplatz zu suchen und sich auf neue Arbeitsbedingungen einzustellen, möglicherweise sogar den Wohnort zu wechseln. Ob er einen neuen Arbeitsplatz mit gleichem Verdienst und gleichwertigen Bedingungen findet, hängt wesentlich auch davon ab, wieviel Zeit ihm für die Arbeitsplatzsuche zur Verfügung steht. Dem sollen die Kündigungsfristen Rechnung tragen. Der Gekündigte kann schon vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Stelle suchen und die erforderlichen Dispositionen im privaten Bereich treffen. Er erhält die Chance, sofort nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Stelle anzutreten. Die Chance wächst mit der Dauer der Kündigungsfrist (vgl. hierzu BVerfG, 30.5.1990 1 BvL 2/83; zit. nach juris). Auch werden noch Sozialversicherungsbeiträge, insbesondere Rentenbeiträge basierend auf dem aktuellen Monatsentgelt, gezahlt.

81

Das Vorliegen eines Sozialplans ohne jegliche inhaltlichen Vorgaben in dem Tarifvertrag stellt kein verhältnismäßiges Mittel dar. Völlig unklar ist, in welchem Umfang bei welchen Altersgruppen welche materiellen Sozialplanregelungen getroffen werden. Zwar kann im Regelfall angenommen werden, dass die Betriebspartner angemessene Sozialplanmittel zur Verfügung stellen. Auch ist nur ein solcher Sozialplan wirksam, der zumindest einen hinreichenden Ausgleich der Nachteile, die eine Betriebsänderung mit sich bringt, schafft (vgl. BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris). Allerdings ist – wie bereits dargelegt – ein Ausschluss rentennaher Jahrgänge von jeglichen Sozialplanleistungen möglich (siehe oben). Solche Arbeitnehmer erhalten sodann keinerlei Ausgleich, mithin auch nicht für die erheblich abgekürzten Kündigungsfristen. Dem kann nicht mit dem Argument begegnet werden, diese Arbeitnehmer seien abgesichert durch mögliche Rentenzahlungen. Denn Rentenzahlungen schaffen keinen Ausgleich für abgekürzte Kündigungsfristen. Zudem können nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch solche Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen ausgenommen werden, die zunächst keine Rentenzahlungen, sondern nur Arbeitslosengeld mit sich anschließendem möglichen Rentenbezug beziehen (vgl. nur BAG, 11.11.2008, 1 AZR 475/07; zit. nach juris). Das gilt zudem für solche Arbeitnehmer, die nach dem Arbeitslosengeldbezug nur vorgezogen in Rente gehen können und damit dauerhaft von einem geringeren Rentenbezug betroffen sind. Außerdem führt die Abkürzung der Kündigungsfrist zu geringeren Rentenpunkten, was ebenfalls ein Nachteil ist, der nicht durch Sozialplanabfindungen typischerweise für ältere Arbeitnehmer hinreichend ausgeglichen wird.

cc)

82

Folge der Ungleichbehandlung ist, dass sich der Kläger auf die längere tarifliche Kündigungsfrist von 9 Monaten zum Kalenderhalbjahresende berufen kann. Sein Arbeitsverhältnis endete erst zum 31. Dezember 2017. Die Ungleichbehandlung kann vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ beseitigt werden.

83

aaa)

84

Bei gleichheitswidrigen Tarifverträgen haben die Gerichte für Arbeitssachen die Verwerfungskompetenz. Allerdings stellt sich stets die Frage, ob die Entscheidung, auf welche Art und Weise die Benachteiligung beseitigt wird, aufgrund der Gewährleistung der Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG den Tarifvertragsparteien obliegt oder ob die Gerichte für Arbeitssachen eine Anpassung „nach oben“ vornehmen dürfen, indem sie die für die Bessergestellten geltenden Tarifbestimmungen auf die Benachteiligten erstrecken (BAG, 10.11.2011, 6 AZR 481/09; m.w.N.; zit. nach juris). Eine Anpassung „nach oben“ für die Vergangenheit ist bisher grundsätzlich nur bei Nichtigkeit einer Ausnahmeregelung erfolgt, wenn nach dem Regelungstatbestand unter Berücksichtigung der Zusatzbelastung des Arbeitgebers anzunehmen war, dass die Tarifvertragsparteien die Regelung auch mit erweitertem Anwendungsbereich getroffen hätten (vgl. BAG, 7.3.1995, 3 AZR 282/94; zit. nach juris) oder die Benachteiligung für die Vergangenheit nur durch eine Anpassung „nach oben“ beseitigt werden konnte (BAG, 10.11.2011, 6 AZR 481/09; m.w.N.; zit. nach juris).

85

Vorliegend kann, da die Kündigung des Klägers in der Vergangenheit liegt, seine Benachteiligung nur durch die Anpassung nach oben beseitigt werden mit der Folge, dass er einen Anspruch auf Einhaltung der sonst für ihn geltenden tariflichen Kündigungsfrist hat, d.h. der Frist von 9 Monaten zum Kalenderhalbjahresende.

86

bbb)

87

Auch wegen der mittelbaren Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters hat er einen Anspruch auf die Kündigungsfristen nach Maßgabe der Regelungen für die begünstigte Gruppe.

88

Nach § 7 Abs. 2 AGG führt ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG zur Unwirksamkeit der verbotswidrigen Regelung (BAG, 9.12.2015, 4 AZR 684/12, m.w.N.; zit. nach juris). Rechtsfolge einer – mittelbaren – Benachteiligung ist die Nichtanwendung allein der diskriminierenden Regelung. Besteht diese in einer Ausgrenzung der diskriminierten Arbeitnehmer aus dem Geltungsbereich einer vergleichbare Arbeitnehmer begünstigenden Regelung und sind bisher keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung getroffen, so dass die Regelung das einzig gültige Bezugssystem bleibt, ist regelmäßig auf die Angehörigen der durch diese Diskriminierung benachteiligten Gruppe die gleiche Regelung wie auf die begünstigten Arbeitnehmer anzuwenden, um die Benachteiligung zu beseitigen (BAG, 9.12.2015, 4 AZR 684/12,; 25.3.2015, 5 AZR 458/13; EuGH 19.6.2014, C-501/12; zit. nach juris).

89

Auch hiernach war daher eine Anpassung nach oben vorzunehmen. Der Kläger hat einen Anspruch auf Einhaltung der sonst für ihn geltenden tariflichen Kündigungsfrist hat, d.h. der Frist von 9 Monaten zum Kalenderhalbjahresende.

b)

90

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs in Höhe der geltend gemachten € 68.353,18 brutto nach § 113 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 BetrVG, der im Berufungsverfahren – im Gegensatz zum erstinstanzlichen Verfahren – als Hauptantrag und nicht als Hilfsantrag begehrt worden ist.

91

Zwar hat die Beklagte mit der Betriebsstilllegung eine Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG geplant. Sie hatte sich jedoch vor deren Durchführung ausreichend um einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat bemüht.

92

Nach § 113 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 BetrVG kann ein Arbeitnehmer vom Unternehmer die Zahlung einer Abfindung verlangen, wenn dieser eine Betriebsänderung durchführt, ohne über sie zuvor einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und der Arbeitnehmer infolge der Maßnahme entlassen wird oder andere wirtschaftliche Nachteile erleidet. Der Anspruch aus § 113 Abs. 3 BetrVG dient vornehmlich der Sicherung des sich aus § 111 S. 1 BetrVG ergebenen Verhandlungsanspruchs des Betriebsrats und schützt dabei mittelbar die Interessen der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer. Er entsteht, sobald der Unternehmer mit der Durchführung der Betriebsänderung begonnen hat, ohne bis dahin einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben (BAG, 22.9.2016, 2 AZR 276/16; 14.4.2015, 1 AZR 794/13; zit. nach juris). Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend unterrichten und mit ihm mit dem ernsthaften Willen zu einer Verständigung über die geplante Betriebsstillegung beraten. Dazu muss er sich mit den vom Betriebsrat vorgeschlagenen Alternativen zu der geplanten Betriebsänderung befassen und argumentativ auseinandersetzen. Können sich die Betriebsparteien nicht auf einen Interessenausgleich verständigen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Einigungsstelle anzurufen. Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich besteht nicht, wenn die Betriebsparteien vor Beginn der Betriebsänderung einen Interessenausgleich vereinbaren oder der Verhandlungsanspruch des Betriebsrats in dem Einigungsstellenverfahren erfüllt wird. Letzteres setzt nicht voraus, dass die Einigungsstelle das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen durch einen förmlichen Beschluss feststellt (BAG, 22.9.2016, 2 AZr 276/16; 16.8.2011, 1 AZR 44/10; zit. nach juris).

93

Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger kein Nachteilsausgleich zu. Die Beklagte hat die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich rechtzeitig eingeleitet. Sie hat mit dem Betriebsrat vor Stilllegung des Betriebs zum 31. Dezember 2016 und vor Ausspruch der Kündigungen der Arbeitnehmer aufgrund der Stilllegung in sechs Sitzungen der Einigungsstelle über die Betriebsstilllegung gesprochen, ihn insbesondere über die beabsichtigte Betriebsstilllegung rechtzeitig informiert. Aufgrund der Verhandlungen und verschiedener Entwürfe der Arbeitgeberin über den Abschluss eines Interessenausgleichs (u.a. vom 26. November 2015, 15. Juni 2016 und 9. September 2016, Anlagen B 15 bis B 17, Bl. 296 ff d.A.) hat sie sich ernsthaft um den Abschluss eines Interessenausgleichs bemüht, bevor sie mit der Umsetzung der Betriebsstilllegung durch Ausspruch der Kündigungen begonnen hat. Die Beklagte hatte den Betriebsrat umfassend über die geplante Betriebsänderung unterrichtet, indem mitgeteilt wurde, dass der Betrieb zum 31. Dezember 2016 aufgrund der Beendigung des Pachtvertrags stillgelegt werden solle. Sie hatte sodann nach ergebnislosen Verhandlungen mit dem Betriebsrat die Einigungsstelle angerufen. Diese hat sechsmal getagt, bevor die Betriebsparteien die Verhandlungen über einen Interessenausgleich in der sechsten Sitzung am 14. September 2016 für gescheitert erklärt haben bzw. ein entsprechender Beschluss in der Einigungsstelle ergangen ist (Anl. B 2, Bl. 140 ff d.A.). Dass der Verhandlungsanspruch des Betriebsrats durch die Erörterungen in der Einigungsstelle nicht erfüllt worden wäre, ist nicht erkennbar. Ist damit der Versuch eines Interessenausgleichs ernsthaft unternommen worden, scheidet ein Anspruch auf einen Nachteilsausgleich aus.

c)

94

Der Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch auf Zahlung einer „Gesamtabfindung“ in Höhe von € 50.369,66 brutto.

95

Anspruchsgrundlage kann nur der Sozialplan vom 14. September 2015 sein. Dieser sieht für die Altersgruppe des Klägers einen Faktor von 0,25 pro Jahr der Betriebszugehörigkeit vor, der Kläger errechnet den vorgenannten Anspruch allerdings mit dem höchsten Faktor des Sozialplans 0,32.

96

Ob der Kläger hierauf einen Anspruch haben könnte, kann dahinstehen, da ihm derzeit keinerlei Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aus dem Sozialplan zusteht. Denn der Kläger hat die Voraussetzungen von § 7 des Sozialplans noch nicht erfüllt. Voraussetzung für die Zahlung einer Abfindung nach § 7 Abs. 2 des Sozialplans ist, dass der Mitarbeiter, der – wie der Kläger – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 57. Lebensjahr vollendet hat, Auskunft über seine Rentenberechtigung hinsichtlich einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung unter Vorlage eines entsprechenden Nachweises der Deutschen Rentenversicherung erbringt. Leistungen aus dem Sozialplan werden erst nach Eingang des Nachweises gewährt. Dieser Auskunfts- und Nachweispflicht ist der Kläger – trotz entsprechender Hinweise der Beklagten – bislang nicht nachgekommen. Damit ist jedweder Anspruch auf Zahlung einer Abfindung jedenfalls zur Zeit nicht fällig und somit nicht durchsetzbar. Das gilt auch für einen niedrigeren, mit dem Faktor 0,25 zu berechnenden Abfindungsanspruch des Klägers.

II.

97

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.

98

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 11. Jan. 2018 - 7 Sa 95/17

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 11. Jan. 2018 - 7 Sa 95/17

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Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 11. Jan. 2018 - 7 Sa 95/17 zitiert 22 §§.

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(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 7 Benachteiligungsverbot


(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. (2) Bestim

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 112 Interessenausgleich über die Betriebsänderung, Sozialplan


(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 1 Ziel des Gesetzes


Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 622 Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen


(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. (2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die K

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 111 Betriebsänderungen


In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 113 Nachteilsausgleich


(1) Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeit

Insolvenzordnung - InsO | § 113 Kündigung eines Dienstverhältnisses


Ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, kann vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluß des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündig

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 236a Altersrente für schwerbehinderte Menschen


(1) Versicherte, die vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, haben frühestens Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie 1. das 63. Lebensjahr vollendet haben,2. bei Beginn der Altersrente als schwerbehinderte Menschen (§ 2 Abs. 2

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 37 Altersrente für schwerbehinderte Menschen


Versicherte haben Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie 1. das 65. Lebensjahr vollendet haben,2. bei Beginn der Altersrente als schwerbehinderte Menschen (§ 2 Abs. 2 Neuntes Buch) anerkannt sind und3. die Wartezeit von 35 J

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 237a Altersrente für Frauen


(1) Versicherte Frauen haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie 1. vor dem 1. Januar 1952 geboren sind,2. das 60. Lebensjahr vollendet,3. nach Vollendung des 40. Lebensjahres mehr als zehn Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder

Referenzen - Urteile

Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 11. Jan. 2018 - 7 Sa 95/17 zitiert oder wird zitiert von 19 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 11. Jan. 2018 - 7 Sa 95/17 zitiert 18 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landesarbeitsgericht Hamburg Beschluss, 16. Nov. 2017 - 7 TaBV 3/17

bei uns veröffentlicht am 16.11.2017

Tenor Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. Februar 2017 (29 BV 23/16) abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle über d

Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Sept. 2017 - 1 AZR 137/15

bei uns veröffentlicht am 26.09.2017

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 29. Januar 2015 - 8 Sa 435/14 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Apr. 2017 - 10 AZR 856/15

bei uns veröffentlicht am 26.04.2017

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. September 2015 - 2 Sa 96/15 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Okt. 2016 - 7 AZR 140/15

bei uns veröffentlicht am 26.10.2016

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 9. Dezember 2014 - 17 Sa 892/14 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Sept. 2016 - 2 AZR 276/16

bei uns veröffentlicht am 22.09.2016

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2016 - 15 Sa 1953/15 - t

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Feb. 2016 - 6 AZR 700/14

bei uns veröffentlicht am 18.02.2016

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 23. April 2014 - 3 Sa 50/13 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 09. Dez. 2015 - 4 AZR 684/12

bei uns veröffentlicht am 09.12.2015

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Mai 2012 - 12 Sa 1125/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 07. Juli 2015 - 10 AZR 939/13

bei uns veröffentlicht am 07.07.2015

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 27. September 2013 - 8 Sa 636/12 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 15. Apr. 2015 - 4 AZR 796/13

bei uns veröffentlicht am 15.04.2015

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 25. Juli 2013 - 4 Sa 166/13 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 14. Apr. 2015 - 1 AZR 794/13

bei uns veröffentlicht am 14.04.2015

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 7. August 2013 - 11 Sa 56/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Beklagte zur Zah

Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. März 2015 - 5 AZR 458/13

bei uns veröffentlicht am 25.03.2015

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 25. März 2013 - 8 Sa 1081/12 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Sept. 2014 - 6 AZR 636/13

bei uns veröffentlicht am 18.09.2014

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Mai 2013 - 7 Sa 511/12 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Feb. 2014 - 3 AZR 833/12

bei uns veröffentlicht am 18.02.2014

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 14. März 2012 - 8 Sa 783/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 29. Jan. 2014 - 6 AZR 943/11

bei uns veröffentlicht am 29.01.2014

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Juli 2011 - 8 Sa 300/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 15. Nov. 2012 - 6 AZR 359/11

bei uns veröffentlicht am 15.11.2012

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. März 2011 - 2 Sa 1246/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Jan. 2012 - 7 AZR 112/08

bei uns veröffentlicht am 18.01.2012

Tenor I. Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Oktober 2007 - 17 Sa 809/07 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 10. Nov. 2011 - 6 AZR 481/09

bei uns veröffentlicht am 10.11.2011

Tenor 1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. April 2009 - 2 Sa 1689/08 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Juli 2011 - 3 AZR 398/09

bei uns veröffentlicht am 19.07.2011

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. Januar 2009 - 7 Sa 956/08 - wird zurückgewiesen.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 11. Jan. 2018 - 7 Sa 95/17.

Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 25. Jan. 2018 - 3 Sa 101/17

bei uns veröffentlicht am 25.01.2018

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg, Az. 27 Ca 524/16, vom 21. Juni 2017 wird teilweise, und zwar hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. aus der Berufungsbegründung vom 13. Oktober 2017, zurückgewiesen. Di

Referenzen

Versicherte haben Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie

1.
das 65. Lebensjahr vollendet haben,
2.
bei Beginn der Altersrente als schwerbehinderte Menschen (§ 2 Abs. 2 Neuntes Buch) anerkannt sind und
3.
die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben.
Die vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente ist nach Vollendung des 62. Lebensjahres möglich.

(1) Versicherte, die vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, haben frühestens Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie

1.
das 63. Lebensjahr vollendet haben,
2.
bei Beginn der Altersrente als schwerbehinderte Menschen (§ 2 Abs. 2 Neuntes Buch) anerkannt sind und
3.
die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben.
Die vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente ist frühestens nach Vollendung des 60. Lebensjahres möglich.

(2) Versicherte, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, haben Anspruch auf diese Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres; für sie ist die vorzeitige Inanspruchnahme nach Vollendung des 60. Lebensjahres möglich. Für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1951 geboren sind, werden die Altersgrenze von 63 Jahren und die Altersgrenze für die vorzeitige Inanspruchnahme wie folgt angehoben:

Versicherte Geburtsjahr GeburtsmonatAnhebung um Monateauf Altervorzeitige Inanspruchnahme möglich ab Alter
JahrMonatJahrMonat
1952
Januar1631601
Februar2632602
März3633603
April4634604
Mai5635605
Juni – Dezember6636606
19537637607
19548638608
19559639609
19561063106010
19571163116011
195812640610
195914642612
196016644614
196118646616
196220648618
19632264106110.

Für Versicherte, die
1.
am 1. Januar 2007 als schwerbehinderte Menschen (§ 2 Abs. 2 Neuntes Buch) anerkannt waren und
2.
entweder
a)
vor dem 1. Januar 1955 geboren sind und vor dem 1. Januar 2007 Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes vereinbart haben
oder
b)
Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben,
werden die Altersgrenzen nicht angehoben.

(3) Versicherte, die vor dem 1. Januar 1951 geboren sind, haben unter den Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 auch Anspruch auf diese Altersrente, wenn sie bei Beginn der Altersrente berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht sind.

(4) Versicherte, die vor dem 17. November 1950 geboren sind und am 16. November 2000 schwerbehindert (§ 2 Abs. 2 Neuntes Buch), berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht waren, haben Anspruch auf diese Altersrente, wenn sie

1.
das 60. Lebensjahr vollendet haben,
2.
bei Beginn der Altersrente
a)
als schwerbehinderte Menschen (§ 2 Abs. 2 Neuntes Buch) anerkannt oder
b)
berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht sind und
3.
die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben.

(1) Versicherte Frauen haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie

1.
vor dem 1. Januar 1952 geboren sind,
2.
das 60. Lebensjahr vollendet,
3.
nach Vollendung des 40. Lebensjahres mehr als zehn Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und
4.
die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt
haben.

(2) Die Altersgrenze von 60 Jahren wird bei Altersrenten für Frauen für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1939 geboren sind, angehoben. Die vorzeitige Inanspruchnahme einer solchen Altersrente ist möglich. Die Anhebung der Altersgrenzen und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrenten bestimmen sich nach Anlage 20.

(3) Die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente für Frauen wird für Frauen, die

1.
bis zum 7. Mai 1941 geboren sind und
a)
am 7. Mai 1996 arbeitslos waren, Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus, Vorruhestandsgeld oder Überbrückungsgeld der Seemannskasse bezogen haben oder
b)
deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 7. Mai 1996 erfolgt ist, nach dem 6. Mai 1996 beendet worden ist,
2.
bis zum 7. Mai 1944 geboren sind und aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchstabe b des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS-V), die vor dem 7. Mai 1996 genehmigt worden ist, aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden sind oder
3.
vor dem 1. Januar 1942 geboren sind und 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei § 55 Abs. 2 nicht für Zeiten anzuwenden ist, in denen Versicherte wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe versicherungspflichtig waren,
wie folgt angehoben:
Versicherte Geburtsjahr GeburtsmonatAnhebung um Monateauf Altervorzeitige Inanspruchnahme möglich ab Alter
JahrMonatJahrMonat
vor 19410600600
1941
Januar-April1601600
Mai-August2602600
September-Dezember3603600
1942
Januar-April4604600
Mai-August5605600
September-Dezember6606600
1943
Januar-April7607600
Mai-August8608600
September-Dezember9609600
1944
Januar-April106010600
Mai116011600

Einer vor dem 7. Mai 1996 abgeschlossenen Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht eine vor diesem Tag vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses oder Bewilligung einer befristeten arbeitsmarktpolitischen Maßnahme gleich. Ein bestehender Vertrauensschutz wird insbesondere durch die spätere Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses oder den Eintritt in eine neue arbeitsmarktpolitische Maßnahme nicht berührt.

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. Februar 2017 (29 BV 23/16) abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle über den Sozialplan vom 14. September 2016, zugestellt am 22. September 2016, teilweise unwirksam ist, soweit solche Arbeitnehmer in § 1 Abs. 2 des Sozialplans von einer Sozialplanabfindung ausgeschlossen wurden, die nach Bezug von Arbeitslosengeld I eine vorgezogene (gekürzte) Altersrente in Anspruch nehmen können.

Im Übrigen wird der Antrag des Beteiligten zu 1) abgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für beide Beteiligte zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten haben über die Wirksamkeit eines von der Einigungsstelle beschlossenen Sozialplans gestritten.

2

Der Beteiligte zu 1) (nachfolgend „Betriebsrat“) ist der bei der Beteiligten zu 2) (nachfolgend „Arbeitgeberin“) gebildete fünfköpfige Betriebsrat. Die Arbeitgeberin gehört zum Konzern einer mittelständischen, inhabergeführten Unternehmensgruppe mit Sitz im Hamburger Hafen und den Schwerpunkten Hafenlogistik und Hafendienstleistungen.

3

Die Arbeitgeberin betrieb im Hamburger Hafen über viele Jahre einen Terminalbetrieb für den Umschlag von konventionellem Stückgut und Projektladung. Zuletzt beschäftigte sie dort noch etwa 50 bis 60 Arbeitnehmer mit einer durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit von 27,66 Jahren.

4

Der Betrieb wurde zum 31. Dezember 2016 geschlossen. Hintergrund der Betriebsstilllegung ist die (vorzeitige) Rückgabe der Terminalflächen an die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH), auf welchen u.a. die Arbeitgeberin ihren Terminalbetrieb unterhielt. Die Arbeitgeberin hatte mit der FHH bzw. H. (H. P. A.) im Jahr 2009 Verträge geschlossen, nach denen die bis zum 31. Dezember 2018 laufenden Pachtverträge vorzeitig gelöst werden konnten, allerdings nicht vor dem 31. Dezember 2012. Im Gegenzug wurden Entschädigungszahlungen vereinbart. In einer Vereinbarung vom 20. Dezember 2012 wurde sodann zwischen der H. und u.a. der Arbeitgeberin vereinbart, dass das Pachtverhältnis zum 31. Dezember 2016 enden würde. In § 2 dieser Vereinbarung wurde geregelt, dass die Arbeitgeberin der H. mitteilt, welche Anstrengungen sie unternommen hat, um die in § 6 der Rahmenvereinbarung beschriebene Verantwortung für die bestehenden Arbeitsplätze zu übernehmen. Ebenso verpflichtete sich die Arbeitgeberin hier, einen detaillierten Interessenausgleich und Sozialplan über die mit der Rückgabe der Mietfläche verbundene Betriebsänderung vorzubereiten und darin konkrete Maßnahmen darzustellen, um die Verlagerung und/oder den Abbau der Arbeitsplätze sozialverträglich zu gestalten, und – soweit möglich – eine Weiterbeschäftigung innerhalb der B.-Unternehmensgruppe anzubieten. Für die vorzeitige Rückgabe der Pachtflächen an die FHH erhielt die Arbeitgeberin – neben weiteren Unternehmen der B.-Unternehmensgruppe – eine Entschädigungszahlung.

5

Ausweislich einer gutachterlichen Äußerung nach § 81 Abs. 3 LHO des Rechnungshofs der FHH vom 9. Dezember 2014 erfolgten die Entschädigungszahlungen an die Arbeitgeberin im Hinblick auf die vorzeitige Rückgabe der Pachtflächen des Terminalbetriebs zu 37 % nach den AVB Hl (allgemeine Vertragsbedingungen für Hafen- und Industriegrundstücke). Zu 17 % erfolgten die Entschädigungszahlungen für Abbruch- und Räumungskosten sowie in einem Umfang von 46 % als Kompensationen für Planungsunsicherheiten, entgangene Geschäfte und Standortnachteile (Anl. A 11, Bl. 165 ff d.A., dort S. 24 = Bl. 190 d.A.).

6

Am 14. September 2016 beschloss die Einigungsstelle einen dem Betriebsrat am 22. September 2016 zugestellten Sozialplan mit einem Volumen von etwa € 2 Mio. (Anlage A 32, Bl. 357 bis 365 d. A.). Der Sozialplan regelt in § 4 die Höhe der Abfindungen, die Mitarbeiter für den Verlust des Arbeitsplatzes erhalten sollen. Je nach Altersgruppe belaufen sich die Berechnungsfaktoren auf 0,15, 0,25 und 0,32 Bruttomonatsentgelte pro Beschäftigungsjahr für den Grundbetrag der Abfindung. Das führt bei der größten Arbeitnehmergruppe der 53- bis 61-Jährigen zu einer durchschnittlichen Abfindung in Höhe von etwa € 29.500,00 netto, mit der durchschnittlich ein wirtschaftlicher Verlust von etwa 22 Monaten Arbeitslosigkeit kompensiert werden kann.

7

§ 1 des Sozialplans regelt den persönlichen Geltungsbereich sowie Ausschlusstatbestände. Hier heißt es in Absatz 2:

8

„(2) Keine Leistungen nach den Bestimmungen dieses Sozialplans erhalten Mitarbeiter (Ausschlusstatbestände),
...
die aus Gründen ausscheiden, die nicht mit der Stilllegung des Betriebes zusammenhängen, insbesondere Mitarbeiter,

9

...
Die entweder unmittelbar nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder im Anschluss an eine mögliche Bezugnahme von Arbeitslosengeld I (unabhängig von der tatsächlichen Bezugnahme des Arbeitslosengelde) eine Altersrente (gekürzt oder ungekürzt) aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nehmen können (sog. „rentennahe Arbeitnehmer“), wobei eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen gemäß §§ 37, 236a SGB VI sowie eine Altersrente für Frauen gem. § 237a SGB VI außer Betracht bleibt.“

10

Wegen der weiteren Regelungen des Sozialplans wird auf die Anlage A 32 (Bl. 357 bis 365 d. A.) Bezug genommen.

11

In einer Abfindungsaufstellung der Arbeitgeberin (Anl. AG 2, Bl. 449 f. d.A.) sind 72 Vorgänge aufgelistet. In diese Tabelle sind sämtliche Arbeitnehmer aufgenommen worden, die von der Stilllegung betroffen waren, auch solche mit befristeten Arbeitsverhältnissen, die nach den Sozialplanregelungen keine Abfindungen erhalten haben (§ 1 Abs. 2, erster Unterpunkt des Sozialplans). Ebenso sind die Arbeitnehmer enthalten, die aufgrund der Rentennähe von Abfindungszahlungen ausgeschlossen sind (siehe oben zitierte Regelung). Hierbei handelt es sich um 9 Arbeitnehmer, denen ohne die Ausschlussklausel insgesamt eine Abfindungssumme von € 339.275,93 zugestanden hätte. Von der Sozialplansumme gemäß den Berechnungen der Arbeitgeberin in der Auflistung der Anlage AG 2 in Höhe von € 1.958.392,88 waren aufgrund der ausgeschlossenen rentennahen Jahrgänge insgesamt € 1.619.116,95 zur Auszahlung bestimmt.

12

§ 21 Ziffer 1 des RTV-Hafen lautet:

13

㤠21
Kündigung

14

Zwischen dem Hafeneinzelarbeiter und dem Hafeneinzelbetrieb sowie zwischen dem Gesamthafenarbeiter und dem zuständigen Verwaltungsträger des Gesamthafenbetriebs beträgt die Kündigungsfrist für beide Seiten 4 Wochen.

15

Hat das Arbeitsverhältnis einschließlich der Ausbildungszeit bei demselben Arbeitgeber 5 Jahre bestanden, so erhöht sich diese Kündigungsfrist auf einen Monat zum Monatsende.

16

Hat das Arbeitsverhältnis einschließlich der Ausbildungszeit bei demselben Arbeitgeber 10 Jahre bestanden, so erhöht sich diese Kündigungsfrist auf 3 Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres.

17

Hat das Arbeitsverhältnis einschließlich der Ausbildungszeit 15 Jahre bei demselben Arbeitgeber bestanden, beträgt diese Kündigungsfrist 6 Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres.

18

Hat das Arbeitsverhältnis einschließlich der Ausbildungszeit 15 Jahre bei demselben Arbeitgeber bestanden und hat der Hafenarbeiter das 50. Lebensjahr vollendet, beträgt diese Kündigungsfrist 9 Monate zum Ende eines Kalenderhalbjahres.

19

Bei Anwendung von Sozialplänen regeln sich die Kündigungsfristen nach Abs. 2 dieser Ziffer.“

20

Die Arbeitsverhältnisse der von der Betriebsstilllegung betroffenen Arbeitnehmer wurden unter Anwendung der in § 21 Ziff. 1 Abs. 5 verkürzten tariflichen Kündigungsfrist im November 2016 zum 31. Dezember 2016 gekündigt. Nahezu alle Arbeitnehmer haben eine Kündigungsschutzklage erhoben und dabei insbesondere gerügt, dass die ordentliche tarifliche Kündigungsfrist gekürzt worden sei.

21

Mit seiner am 05. Oktober 2016 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Antragsschrift hat der Betriebsrat die Feststellung begehrt, dass der Spruch der Einigungsstelle unwirksam ist.

22

Der Betriebsrat hat vorgetragen, der Sozialplan sei unterdotiert. Den Arbeitnehmern entstünden Nachteile im Umfang von ca. € 25 Mio. Der Gesellschafter der Arbeitgeberin habe von der Freien und Hansestadt Hamburg im Jahr 2009 für die vorzeitige Rückgabe von Pachtflächen im Hamburger Hafen für drei Unternehmen eine Entschädigungsleistung von etwa 150 Mio. € vertraglich zugesichert und weitgehend tatsächlich erhalten. Der größte Teil sei der Arbeitgeberin zugeflossen. Diese Zahlung habe auch Kosten einer Betriebsschließung beinhaltet, u.a. auch die eines Sozialplans. Die Einigungsstelle sei zu Unrecht dem Vortrag der Arbeitgeberin gefolgt, dass eine Insolvenz drohe und keine liquiden Mittel mehr vorhanden seien. Der Gesellschafter der Arbeitgeberin habe dieser Gelder entzogen, um seiner Sozialplanpflicht zu entgehen, indem er selbst € 42.393.634,20 zum 31. Dezember 2010 durch Buchungen auf ein Verlustvortragskonto der Kommanditisten und auf Kapitalkonten II der Kommanditisten entnommen und indem die Arbeitgeberin gemäß seiner Verfügung anderen Unternehmen des Konzerns unbesicherte Darlehen in Höhe von mehr als € 50 Mio. gewährt habe, die zum Zeitpunkt der Schließung nicht mehr werthaltig gewesen seien. Dies sei bei der Dotierung des Sozialplans zu berücksichtigen. Angesichts der Aussichten der vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt, denen mehrheitlich entweder eine längere Zeit der Arbeitslosigkeit drohe oder nur deutlich schlechter vergütete andere Arbeitsplätze vermittelt werden könnten, bewirke das beschlossene Sozialplanvolumen keine angemessene Milderung der den Arbeitnehmern entstehenden Nachteile. Außerdem sei dem Betriebsrat im Einigungsstellenverfahren kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden. Wegen der Einzelheiten des Vortrags wird auf den Schriftsatz vom 4. Oktober 2016, dessen Anlagen (Bl. 1 ff d.A.) sowie den Schriftsatz vom 19.12.2016 (Bl. 410 ff d.A.) verwiesen.

23

Der Betriebsrat hat beantragt,

24

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle über einen Sozialplan vom 14.09.2016, zugestellt am 22.09.2016, unwirksam ist.

25

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

26

den Antrag des Betriebsrats abzuweisen.

27

Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, der Sozialplan sei nicht unwirksam. Insbesondere sei die Untergrenze der Sozialplanleistungen nicht unterschritten worden mit der Folge, dass keine Unterdotierung und kein Ermessensfehlgebrauch der Einigungsstelle festzustellen seien. Die Einigungsstelle habe Regelungen getroffen, die eine substantielle Milderung der wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer darstelle. Der Sozialplan orientiere sich an Abfindungsfaktoren, die bereits Gegenstand eines früheren Einigungsstellenspruchs gewesen seien. Mit den Abfindungen (vgl. Anl. AG 2, Bl. 449 f. d.A.) könnten mehrere Monate Arbeitslosigkeit ausgeglichen werden, so in der größten Gruppe der betroffenen Arbeitnehmer, der 53- bis 61-jährigen, eine Dauer von durchschnittlich 22 Monaten. Das sei ausreichend, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt gut seien, zumindest in der Logistik- und Baubranche. Selbst wenn man von einer Unterdotierung des Sozialplans ausgehe, würde das nicht zur Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle führen, da eine Unterschreitung der Grenze des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG aufgrund der wirtschaftlichen Lage der Arbeitgeberin gerechtfertigt wäre. Ein höheres Sozialplanvolumen sei wirtschaftlich unvertretbar gewesen. Die Arbeitgeberin habe nämlich kurz vor der Insolvenz gestanden. Das Sozialplanvolumen sei nur deshalb möglich gewesen, weil der mittelbare Alleingesellschafter den Sozialplan erheblich bezuschusst habe. Das Vermögen der B. Group und das des Gesellschafters Dr. K. seien nicht zu berücksichtigen. Eine Durchgriffshaftung komme nicht in Betracht. Die Rechtfigur des qualifiziert faktischen Konzerns sei von der Rechtsprechung aufgegeben worden. In Betracht komme nur noch eine sog. Existenzvernichtungshaftung mit der Rechtsfolge eines Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung des Gesellschaftsvermögens durch den Allein- oder Mehrheitsgesellschafter. Voraussetzung sei aber eine Insolvenz, die dadurch herbeigeführt oder vertieft wäre. An dieser Voraussetzung fehle es vorliegend. Zudem fehle es an der weiteren Voraussetzung eins missbräuchlichen, kompensationslosen Eingriffs in das im Gläubigerinteresse zweckgebundene Gesellschaftsvermögen. Vor allem die Darlehensvergabe im Jahr 2009 an andere B.-Gesellschaften sei nicht missbräuchlich und kompensationslos gewesen. Die Schuldner seien bis dato ihren Verpflichtungen aus den Darlehen stets nachgekommen. Bei Vergabe der Darlehen sei auch nicht absehbar gewesen, dass diese Jahre später im Wert hätten abgeschrieben werden müssen. Tatsächlich habe die Gesellschafterseite nach 2009 eine Reihe von existenzerhaltenden Maßnahmen zugunsten der Arbeitgeberin vorgenommen. Die Entschädigungsleistungen der H. P. A. seien nur zum Teil an die Arbeitgeberin gezahlt worden. Zudem sei diese im Wesentlichen dazu bestimmt gewesen, die Arbeitgeberin für den Verlust des erheblichen Betriebsvermögens zu entschädigen. Die Entschädigungszahlungen seien sodann reinvestiert worden, teilweise in den Hafenbetrieb, teilweise in den Kauf von Schiffen. Die Entschädigungszahlungen seien nicht mit der Zielsetzung erfolgt, die Kosten eines Sozialplans zu finanzieren. Das sei nie Gegenstand der Verhandlungen mit der FHH gewesen. Schließlich sei dem Betriebsrat in der Einigungsstelle ausreichend Gehör gewährt worden. Insbesondere sei ihm, was unstreitig ist, mehrfach angeboten worden, die wirtschaftliche Situation der Arbeitgeberin für die letzten 5 Jahre durch einen eigenen wirtschaftlichen Sachverständigen überprüfen zu lassen. Das habe dem Betriebsrat nicht genügt, da er der Meinung gewesen sei, die letzten 5 Jahre seien für eine Überprüfung nicht ausreichend. Hierauf komme es aber auch nicht an, da bei der Überprüfung des Spruchs der Einigungsstelle eine reine Ergebniskontrolle vorzunehmen sei.

28

Mit Beschluss vom 2. Februar 2017 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen. Dies hat es im Wesentlichen damit begründet, dass der von der Einigungsstelle beschlossene Sozialplan die Grenze des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG nicht unterschreite und damit mangels Ermessensfehler wirksam sei. Die vorgesehenen Leistungen stellten eine substantielle Milderung der mit der Betriebsänderung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile dar. Die vorgesehenen und errechenbaren Abfindungsbeträge begründeten eine spürbare Milderung der Nachteile der Arbeitnehmer. So könne die größte Arbeitnehmergruppe der 53- bis 61-Jährigen mit der durchschnittlichen Abfindung von etwa € 29.500,00 netto durchschnittlich einen wirtschaftlichen Verlust von etwa 22 Monaten Arbeitslosigkeit kompensieren. Das genüge. Von einer dauerhaften Arbeitslosigkeit habe die Einigungsstelle nicht ausgehen müssen. Wegen der Begründung des Beschlusses im Einzelnen wird auf dessen Gründe Bezug genommen (Bl. 456 ff d.A.).

29

Der Beschluss ist dem Betriebsrat am 1. März 2017 zugestellt worden. Hiergegen hat er am 27. März 2017 Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 13. Juni 2017, am 14. Juni 2017 beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingegangen, begründet nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 16. Juni 2017.

30

Der Betriebsrat trägt vor, die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei fehlerhaft. Der Sozialplan sei unterdotiert. Mehr als 10% der betroffenen Arbeitnehmer erhielten – wegen der Möglichkeit eines (vorzeitigen) Rentenbezugs nach Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld I – nicht nur keine Abfindung, sondern müssten auch noch eine Verkürzung ihrer ordentlichen Kündigungsfrist hinnehmen, ohne dass die Einigungsstelle diese konkrete Situation älterer Arbeitnehmer behandelt oder gewürdigt hätte. Diese Arbeitnehmer würden nicht einmal eine substantielle Milderung ihrer Nachteile erfahren (s. im Einzelnen SS des Betriebsrats vom 13. Juni 2017, dort S. 31 ff = Bl. 544 d.A.). Der Sozialplan sei auch unterdotiert, da das Volumen des Sozialplans geringer sei als die Summe, die die Arbeitgeberin allein durch die Verkürzung der Kündigungsfrist erspart habe. Hierbei handele es sich um eine Summe in Höhe von insgesamt € 2.113.684,08. Weiter sei der Sozialplan unterdotiert, weil die FHH der Arbeitgeberin mindestens € 100 Mio. Entschädigungszahlungen für die vorzeitige Lösung des Pachtvertrags gezahlt habe, von denen mehr als € 10 Mio. für einen Sozialplan vorgesehen gewesen seien, das IST-Volumen des Sozialplans aber nicht einmal € 2 Mio. betrage, ohne dass die Einigungsstelle die von der FHH zur Verfügung gestellten Gelder in ihre Überlegungen einbezogen habe. Anfang 2016 seien (unstreitig) noch Rückstellungen für einen Sozialplan in der Bilanz der Arbeitgeberin mit € 8,5 Mio. ausgewiesen gewesen. Dennoch sei die Einigungsstelle allein dem Vortrag der Arbeitgeberin gefolgt, dass eine Insolvenzgefahr drohe und keine liquiden Mittel mehr vorhanden gewesen sein. Auch ohne wirtschaftlichen Sachverstand sei aber anhand der Geschäftsberichte der von dem Gesellschafter gehaltenen Unternehmen ersichtlich, dass dieser der Arbeitgeberin Gelder entzogen und diese Gelder anderen Unternehmen seiner Unternehmensgruppe zur Verfügung gestellt habe, u.a. als unbesicherte Darlehen in zweistelliger Millionenhöhe. Damit sei der Gesellschafter den sich abzeichnenden Verpflichtungen aus dem Sozialplan entgangen. Bei der Dotierung des Sozialplans und dessen wirtschaftlicher Vertretbarkeit seien das Vermögen der B. Group sowie das Vermögen des Gesellschafters Dr. K. zu berücksichtigen, da er u.a. durch die genannten Darlehensvergaben missbräuchlich das zweckgebundene Gesellschaftsvermögen geschädigt habe. Der Betriebsrat halte auch daran fest, dass die Untergrenze von § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG verletzt, der Sozialplan insgesamt unterdotiert sei, allein schon wegen der Kürzung der tariflichen ordentlichen Kündigungsfristen. Zum Teil erlitten die Arbeitnehmer hier einen Verlust in Höhe eines Jahresbruttogehalts. Schließlich habe die Einigungsstelle das rechtliche Gehör des Betriebsrats verletzt. Es hätte zwingend noch der von ihm benannte Sachverständige gehört werden müssen.

31

Der Betriebsrat beantragt,

32

den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 02.02.2017 unter dem Az.: 29 BV 23/16 abzuändern und
festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle über einen Sozialplan vom 14.09.2016, zugestellt am 22.09.2ß16, unwirksam ist.

33

Die Arbeitgeberin beantragt,

34

die Beschwerde zurückzuweisen.

35

Die Arbeitgeberin verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts und trägt vor, die verkürzten Kündigungsfristen führten nicht dazu, dass die Mitarbeiter durch den Sozialplan benachteiligt würden. Hätte die Arbeitgeberin keinen Interessenausgleich und Sozialplan abschließen müssen, hätte sie bereits Anfang des Jahres Kündigungen aussprechen können. Auch unter Berücksichtigung der langen tariflichen Kündigungsfristen wären in diesem Fall alle Mitarbeiter zum 31. Dezember 2016 gekündigt worden, sie hätten dann aber keine Abfindung erhalten. Ferner verlange auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht, dass ein von der Einigungsstelle aufgestellter Sozialplan zumindest die tariflich angeordneten Verkürzungen der Kündigungsfristen kompensieren müsse. Soweit einige Mitarbeiter aufgrund ihrer Rentennähe von Sozialplanleistungen ausgeschlossen worden seien, sei dies nach § 10 S. 3 Nr. 6 AGG zulässig. Grund hierfür sei die Überbrückungsfunktion des Sozialplans. Sobald ein Mitarbeiter wirtschaftlich bis zum Bezug einer Altersrente – ggf. nach Bezug von Arbeitslosengeld – abgesichert sei, bestehe kein „Überbrückungserfordernis“, so dass es zulässig sei, ihn von den Sozialplanleistungen auszuschließen. Das habe das Bundesarbeitsgericht mehrfach ausdrücklich für zulässig erachtet und gelte unabhängig davon, mit welcher Kündigungsfrist ein Mitarbeiter aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide. Die Absicherung der rentennahen Mitarbeiter erfolge nämlich nicht durch die Dauer der Kündigungsfrist, sondern dadurch, dass sie zeitnah nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Anspruch auf eine Altersrente hätten. Sofern der Betriebsrat weiterhin der Auffassung sei, dass die Milderung der Nachteile „nicht angemessen“ sei, so verkenne er nach wie vor das Ermessen der Einigungsstelle sowie den Umfang der gerichtlichen Kontrolle von Einigungsstellensprüchen. Eine Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle komme überhaupt nur dann in Betracht, wenn nicht einmal eine spürbare Milderung der entstandenen Nachteile erreicht werde. Das sei vorliegend aber nicht der Fall. Selbst wenn es aber der Fall wäre, wäre eine Unterschreitung der Grenzen des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG aufgrund der wirtschaftlichen Lage der Arbeitgeberin gerechtfertigt. Ein höher dotierter Sozialplan wäre für die Arbeitgeberin aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar gewesen. Die wirtschaftliche Lage sei so prekär gewesen, dass diese kurz vor der Insolvenz gestanden habe. Hätte nicht der mittelbare Alleingesellschafter weitere Zuwendungen getätigt und sich für die Finanzierung der Arbeitgeberin eingesetzt, so hätte jedwedes Sozialplanvolumen zu einer Illiquidität, bilanziellen Überschuldung und Schmälerung des Eigenkapitals geführt. Das werde letztlich auch vom Betriebsrat nicht bestritten. Auch sei dessen Auffassung falsch, der Gesellschafter Dr. K. habe dem Unternehmen missbräuchlich finanzielle Mittel entzogen. Insbesondere seien die Voraussetzungen eines existenzvernichtenden Eingriffs nicht gegeben. Es mangele sowohl an einer Insolvenz der Arbeitgeberin als auch an vorsätzlichen, missbräuchlichen und kompensationslosen Eingriffen in das im Gläubigerinteresse zweckgebundene Gesellschaftsvermögen. Deshalb sei das Vermögen der B. Group und das Vermögen des Gesellschafters Dr. K. bei der Sozialplandotierung nicht zu berücksichtigen gewesen. Zudem träfe die Behauptung des Betriebsrats nicht zu, die Entschädigungszahlung der FHH habe auch dazu gedient, die Nachteile auszugleichen oder zu mildern, die die bei der Arbeitgeberin beschäftigten Mitarbeiter aufgrund der Betriebsratsschließung zu erwarten gehabt hätten. Schließlich sei dem Betriebsrat in der Einigungsstelle ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden.

36

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten, der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

37

Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig, aber überwiegend unbegründet.

A.

38

Die Beschwerde des Betriebsrats ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und im Übrigen form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO). Inhaltlich bezieht sie sich in der Begründung ausreichend genau auf die Gründe des arbeitsgerichtlichen Beschlusses, denn sie setzt sich mit der Begründung des Arbeitsgerichts hinreichend auseinander.

B.

39

Die Beschwerde ist überwiegend unbegründet. Festzustellen war lediglich die Teilunwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle und zwar im Hinblick auf die Regelung in § 1 Abs. 2 des Sozialplans, soweit auch die Mitarbeiter von einer Sozialplanabfindung ausgeschlossen wurden, die nach dem Arbeitslosengeldbezug nur eine vorgezogene Altersrente (mit Abschlägen) in Anspruch nehmen können. Im Übrigen ist der Sozialplan wirksam, die Beschwerde des Betriebsrats insoweit unbegründet.

40

Im Einzelnen:

1.

41

Der Feststellungsantrag des Betriebsrats ist zulässig.

42

Die Betriebsrat hat innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG beim Arbeitsgericht geltend gemacht, die Einigungsstelle habe mit ihrem Spruch vom 14. September 2016 die Grenzen des Ermessens überschritten, der Spruch sei unwirksam. Der schriftlich abgefasste Spruch ist dem Betriebsrat am 22. September 2016 zugestellt worden; sein Antrag, gerichtet auf Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs, ist am 5. Oktober 2016 beim Arbeitsgericht eingegangen.

43

Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs ist zulässig, weil die gerichtliche Entscheidung über die Unwirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs nur rechtsfeststellende, aber keine rechtsgestaltende Bedeutung hat. Aus diesem Grunde kann nur die Feststellung der Unwirksamkeit beantragt werden und nicht die Aufhebung des Einigungsstellenspruchs (vgl. BAG, 1 ABR 16/93; zit. nach juris).

2.

44

Der Antrag des Betriebsrats ist überwiegend unbegründet.

45

Der Spruch der Einigungsstelle enthält zwar einen Rechtsverstoß im Hinblick auf den Ausschluss solcher rentennaher Arbeitnehmer von einer Sozialplanabfindung, die nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I nur eine vorgezogene, gekürzte Altersrente in Anspruch nehmen können. Insoweit war die Teilunwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle festzustellen.

46

Im Übrigen konnte allerdings weder ein Rechtsverstoß festgestellt werden noch hat die Einigungsstelle die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschritten.

a)

47

Sprüche der Einigungsstelle unterliegen einer umfassenden Rechtskontrolle (vgl. BAG, 1 ABR 16/93; 4.5.1993, 1 ABR 57/92; zit. nach juris).

48

Entscheidet die Einigungsstelle im Rahmen einer Regelungsstreitigkeit über die Anwendung von Rechtsnormen, so unterliegt ihr Spruch insoweit einer unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die Gerichte für Arbeitssachen haben die Rechtslage selbst zu prüfen und zu entscheiden, ob der Spruch der Einigungsstelle wirksam ist (vgl. 11.7.2000, 1 ABR 43/99; BAG, 1 ABR 16/93; zit. nach juris). Dabei hat die Einigungsstelle vorrangiges zwingendes Recht zu beachten, so u.a. § 75 BetrVG und die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).

49

Im Übrigen hat die Einigungsstelle gemäß § 76 Abs. 5 BetrVG ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen zu fassen. Ob der Spruch die Grenzen des der Einigungsstelle eingeräumten Ermessens gewahrt hat, beurteilt sich allein danach, ob sich die getroffene Regelung als solche innerhalb dieser Grenzen hält. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die dem Spruch zugrunde liegenden Erwägungen der Einigungsstelle folgerichtig waren und eine erschöpfende Würdigung zum Inhalt haben (vgl. BAG, 1 ABR 16/93; 27.10.1992, 1 ABR 4/92; zit. nach juris). Geht es um einen Sozialplan, ist Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle nach § 76 Abs. 5 Satz 4, § 112 Abs. 5 BetrVG, ob sich der Spruch der Einigungsstelle als angemessener Ausgleich der Belange des Betriebs und Unternehmens auf der einen und der betroffenen Arbeitnehmer auf der anderen Seite erweist. Maßgeblich ist auch hier allein die getroffene Regelung als solche. Eine Überschreitung der Grenzen des Ermessens muss in der Regelung selbst als Ergebnis des Abwägungsvorgangs liegen. Auf die von der Einigungsstelle angestellten Erwägungen kommt es nicht an (BAG, 22.01.2013, 1 ABR 85/11; zit. nach juris). Die insoweit erforderliche Überprüfung des Einigungsstellenspruchs steht den Gerichten für Arbeitssachen in vollem Umfang zu.

50

Gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dient der Sozialplan dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen. Das Gesetz gibt dabei keiner der beiden Alternativen „Ausgleich” oder „Milderung” den Vorzug. Vielmehr stehen beide grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander. Ein Sozialplan muss deshalb nicht in erster Linie die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer möglichst vollständig ausgleichen, mit der Folge, dass nur dann, wenn dies nicht möglich erscheint, eine bloße Milderung ausreichend wäre. Dementsprechend besitzen die Betriebsparteien und die Einigungsstelle nach ständiger Rechtsprechung und einhelliger Auffassung im Schrifttum einen weiten Ermessensspielraum bei der Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang sie die Nachteile einer Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer ausgleichen wollen (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris, m.w.N.). Sie können im Rahmen ihres Ermessens von einem Nachteilsausgleich gänzlich absehen und nach der Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden und sind nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile entschädigen zu wollen (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris, m.w.N.). Ein Sozialplan ist folglich nicht allein deswegen ermessensfehlerhaft, weil er nicht sämtliche mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile der Arbeitnehmer vollständig ausgleicht, obwohl dies dem Unternehmen wirtschaftlich möglich wäre. Allerdings darf er nicht den Normzweck des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verfehlen, die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer zumindest zu mildern (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris).

51

Aus dieser Funktion des Sozialplans ergeben sich Folgen für die Ober- und die Untergrenze der in ihm vorgesehenen Leistungen. Weil der Sozialplan einerseits in keinem Fall mehr als einen Ausgleich der mit der Betriebsänderung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer bewirken soll, stellt der für den vollständigen Ausgleich dieser Nachteile benötigte Leistungsumfang den höchstmöglichen Sozialplanbedarf dar. Dieser ist damit zugleich die Obergrenze für die Bemessung der Sozialplanleistungen durch die Einigungsstelle nach § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG. Die sozialen Belange der Arbeitnehmer rechtfertigen in keinem Fall höhere Leistungen als sie ein vollständiger Ausgleich aller wirtschaftlichen Nachteile verlangt (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris). Weil der Sozialplan andererseits jedenfalls eine Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer bewirken soll, muss er - unter dem Vorbehalt seiner wirtschaftlichen Vertretbarkeit - zumindest so dotiert sein, dass seine Leistungen als eine solche „Milderung” angesehen werden können. Dazu genügt nicht bereits jede Leistung zugunsten der Arbeitnehmer, unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Wert. Es muss sich vielmehr im Verhältnis zu den mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteilen um eine „spürbare” Entlastung der Arbeitnehmer handeln. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verlangt eine substantielle Milderung der mit der Betriebsänderung einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile. Andernfalls sind die sozialen Belange der Arbeitnehmer i.S.d. § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG nicht hinreichend berücksichtigt. Wo genau diese Untergrenze für Sozialplanleistungen verläuft, lässt sich nicht schematisch angeben, sondern kann nur mit Rücksicht auf die Verhältnisse im Einzelfall, insbesondere das Gewicht der die Arbeitnehmer treffenden Nachteile festgestellt werden. Auch die für den Fall der betriebsbedingten Kündigung unter bestimmten Voraussetzungen in § 1a Abs. 2 KSchG vorgesehene Höhe der Abfindung von 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ist insoweit kein tauglicher Maßstab. Der mit dieser Regelung verfolgte Zweck einer Vermeidung von Kündigungsschutzklagen und die dafür erforderliche Anreizfunktion einer Abfindung spielen im Zusammenhang mit der Dotierung eines Sozialplans keine Rolle (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris).

52

Ergeben sich somit sowohl die Ober- als auch die Untergrenze des Volumens der Sozialplanleistungen aus dem Ausgleichs- bzw. Milderungsbedarf der Arbeitnehmer, so sind diese Grenzen unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens zu ermitteln. Dies kommt in § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG schon sprachlich zum Ausdruck, wo die sozialen Belange der Arbeitnehmer und die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das Unternehmen - anders als in § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG - nicht von vornherein auf dieselbe Ebene gestellt werden, und ist Folge des mit § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verbundenen Normzwecks: Der Ausgleichs- und Milderungsbedarf der Arbeitnehmer bemisst sich nach den ihnen entstehenden Nachteilen und nicht nach der Wirtschaftskraft des Unternehmens (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris). Der wirtschaftlichen Vertretbarkeit der aus dem Entlastungsbedarf der Arbeitnehmer folgenden Belastungen für den Arbeitgeber kommt in diesem Zusammenhang allerdings gemäß § 112 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 BetrVG eine Korrekturfunktion zu. Die Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung verlangt von der Einigungsstelle, von einem vollständigen Ausgleich aller wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer abzusehen, wenn dies den Fortbestand des Unternehmens gefährden würde. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung stellt damit eine zusätzliche Ermessensgrenze für die Einigungsstelle dar (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris). Ist der für angemessen erachtete Ausgleich von Nachteilen der Arbeitnehmer für das Unternehmen wirtschaftlich nicht vertretbar, ist das Sozialplanvolumen bis zum Erreichen der Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit zu mindern (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris).

53

Die gebotene Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens kann die Einigungsstelle sogar zum Unterschreiten der aus § 112 Abs. 1 Satz 2 folgenden Untergrenze des Sozialplans zwingen. Erweist sich auch eine noch substantielle Milderung der mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile als für das Unternehmen wirtschaftlich unvertretbar, ist es nach § 112 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 BetrVG zulässig und geboten, von einer solchen Milderung abzusehen (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris).

54

Für die gerichtliche Kontrolle der Sozialplandotierung durch die Einigungsstelle bedeutet dies, dass der Anfechtende die Überschreitung einer dieser Ermessensgrenzen dartun muss. Ficht der Arbeitgeber den Sozialplan wegen Überdotierung an, so hat er entweder darzulegen, dass dessen Regelungen zu einer Überkompensation der eingetretenen Nachteile führen und deshalb schon die Obergrenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verletzen, oder dass sie jedenfalls die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für das Unternehmen überschreiten. Sollte dies mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse allein des Arbeitgebers zu bejahen sein, liegt darin ein Ermessensfehler der Einigungsstelle aber nur, falls nicht ein Berechnungsdurchgriff auf Gesellschafter rechtlich geboten ist (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris; vgl. auch Fitting, BetrVG, 28. Aufl. 2016, §§ 112, 112a Rn. 258 m.w.N.). Ficht der Betriebsrat den Sozialplan wegen Unterdotierung an, so hat er darzulegen, dass dessen Regelungen die Untergrenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verletzen, weil sie nicht nur keinen Ausgleich, sondern nicht einmal eine substantielle Milderung der für die Arbeitnehmer entstandenen Nachteile darstellen. Erst wenn ihm darin zu folgen ist, stellt sich die Frage, ob eine Unterschreitung der Grenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG mit Rücksicht auf deren wirtschaftliche Unvertretbarkeit für das Unternehmen gerechtfertigt ist. Sollte dies mit Blick auf die Verhältnisse allein des Arbeitgebers zu bejahen sein, liegt ein Ermessensfehler der Einigungsstelle in diesem Fall nur dann vor, wenn statt der isolierten Betrachtung ein Berechnungsdurchgriff auf wirtschaftlich besser gestellte Konzernoberge-sellschaften geboten ist (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris).

55

Hat die Einigungsstelle Regelungen getroffen, die sowohl eine substantielle Milderung der wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer darstellen als auch für das Unternehmen wirtschaftlich vertretbar sind, so hat sie sich innerhalb des ihr gesetzlich eingeräumten Ermessens gehalten. Die gerichtliche Feststellung einer Unwirksamkeit der von ihr getroffenen Regelungen wegen Über- oder Unterdotierung des Sozialplans scheidet unter dieser Voraussetzung aus (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris).

b)

56

Ausgehend von diesen Grundsätzen zeigt sich zunächst, dass der per Spruch beschlossene Sozialplan in § 1 Abs. 2 rechtsunwirksam ist, soweit Arbeitnehmer von der Sozialplanabfindung ausgeschlossen wurden, die nach Bezug von Arbeitslosengeld I eine vorgezogene, gekürzte Rente in Anspruch nehmen können und für die dadurch entstehenden Nachteile keinerlei Ausgleich bzw. Milderung erhalten. Die Unwirksamkeit der vorgenannten Regelung folgt aus einem Verstoß gegen § 75 BetrVG, §§ 1, 7 AGG. Dabei bewirkt die Unwirksamkeit der vorgenannten Bestimmung nur eine Teilunwirksamkeit des Sozialplans, nicht dessen Gesamtunwirksamkeit.

aa)

57

§ 1 Abs. 2 des Sozialplans ist teilunwirksam, soweit Arbeitnehmer von der Sozialplanabfindung ausgeschlossen wurden, die nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I eine vorgezogene, gekürzte Rente in Anspruch nehmen können, weil hierin ein Verstoß gegen § 75 BetrVG, §§ 1, 7 AGG vorliegt. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

58

aaa)

59

Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungs-gebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; zit. nach juris). Sind diese erfüllt, ist auch der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt und umgekehrt.

60

bbb)

61

Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung kann aber nach § 10 AGG unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig sein. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gestatten die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; zit. nach juris).

62

ccc)

63

Nach § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG können die Betriebsparteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen, in der sie die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigen, oder auch Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausschließen, weil diese, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld I, rentenberechtigt sind. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber den Betriebsparteien einen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum eröffnet, der es ihnen unter den in der Vorschrift bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, das Lebensalter als Bemessungskriterium für die Sozialplanabfindung heranzuziehen (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; zit. nach juris).

(1)

64

Mit der Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG wollte der Gesetzgeber den Betriebsparteien entsprechend dem zukunftsgerichteten Entschädigungscharakter von Sozialplanleistungen ermöglichen, diese bei „rentennahen“ Arbeitnehmern stärker an den tatsächlich eintretenden wirtschaftlichen Nachteilen zu orientieren, die ihnen durch den bevorstehenden Arbeitsplatzverlust und eine darauf zurückgehende Arbeitslosigkeit drohen. Durch diese Gestaltungsmöglichkeit kann das Anwachsen der Abfindungshöhe, das mit der Verwendung der Parameter Betriebszugehörigkeit und/oder Lebensalter bei der Bemessung der Abfindung zwangsläufig verbunden ist, bei abnehmender Schutzbedürftigkeit im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit zu Gunsten der jüngeren Arbeitnehmer begrenzt werden (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; 23.3.2010, 1 AZR 832/08; zit. nach juris).

(2)

65

§ 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG erfasst nach seinem Wortlaut nur den Ausschluss von älteren Arbeitnehmern, die entweder unmittelbar nach dem Ausscheiden oder im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld I durch den Bezug einer Altersrente wirtschaftlich abgesichert sind. Die Vorschrift ist gleichermaßen anwendbar, wenn die betroffenen Arbeitnehmer zwar nicht unmittelbar nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I rentenberechtigt sind, die Abfindung aber ausreichend bemessen ist, um die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen, die sie in der Zeit nach der Erfüllung ihres Arbeitslosengeldanspruchs bis zum frühestmöglichen Bezug einer Altersrente erleiden. Dies ist stets der Fall, wenn die Abfindungshöhe für diesen Zeitraum den Betrag der zuletzt bezogenen Arbeitsvergütung erreicht. Die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer sind dann wirtschaftlich so gestellt, als wäre das Arbeitsverhältnis bis zu dem Zeitpunkt fortgesetzt worden, in dem sie nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I nahtlos eine Altersrente beziehen können (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; 23.3.2010, 1 AZR 832/08; zit. nach juris).

(3)

66

Die Ausgestaltung des durch § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG eröffneten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraums unterliegt allerdings noch einer weiteren Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 10 Satz 2 AGG. Die von den Betriebsparteien gewählte Sozialplangestaltung muss geeignet sein, das mit § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG verfolgte Ziel tatsächlich zu fördern und darf die Interessen der benachteiligten (Alters-)Gruppe nicht unverhältnismäßig stark vernachlässigen.

67

ddd)

68

Der in § 1 Abs. 2 des Sozialplans geregelte Ausschluss von Abfindungsansprüchen für solche Arbeitnehmer, die unmittelbar nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder im Anschluss an eine mögliche Bezugnahme von Arbeitslosengeld I (unabhängig von der tatsächlichen Bezugnahme des Arbeitslosengeldes) eine Altersrente (gekürzt oder ungekürzt) aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nehmen können (sog. „rentennahe Arbeitnehmer“), verstößt gegen das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG.

(1)

69

Die Einigungsstelle hat zwei Gruppen „rentennaher Arbeitnehmer“ von Abfindungsansprüchen ausgenommen. Zum einen die Arbeitnehmer, die eine ungekürzte Regelaltersrente in Anspruch nehmen können, und zum anderen die, die nur eine gekürzte Altersrente (unter Hinnahme von zum Teil erheblichen Abschlägen, z. T. bis zu 9,9 %; so z.B. unbestritten der Fall bei den Mitarbeitern I., V. und W.) in Anspruch nehmen können. Dabei wurde zwar nicht direkt an ein Lebensalter angeknüpft, sondern an die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Rente. Dies wiederum knüpft aber stets an ein bestimmtes Lebensalter an (Vollendung eines bestimmten Lebensjahres, nämlich des 67., 65., 63., 62. Lebensjahres, vgl. §§ 35 ff SGB VI). Damit stützt sich die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Altersrente auf ein Kriterium, das untrennbar mit dem Alter der Arbeitnehmer verbunden ist. Das wiederum hat zur Folge, dass vorliegend der Ausschluss von Sozialplanabfindungen eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung darstellt (vgl. EuGH, 26.2.2015, C-515/13; 12.10.2010, C-499/08; zit. nach juris).

(2)

70

Diese Ungleichbehandlung ist nur im Hinblick auf die Arbeitnehmer gerechtfertigt, die eine ungekürzte Regelaltersrente in Anspruch nehmen können. Hier liegen die Voraussetzungen des § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG vor. Hinsichtlich der Arbeitnehmer, die nur eine gekürzte, vorgezogene Rente in Anspruch nehmen können, ist das jedoch nicht der Fall.

71

Von dem Ausschlusstatbestand in § 1 Abs. 2 des Sozialplans sind die Arbeitnehmer erfasst, die nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und ggf. den Bezug von Arbeitslosengeld I die volle Regelaltersrente oder eine vorgezogene, gekürzte Rente beanspruchen können. Beide Gruppen waren bis zum möglichen Bezug einer (gekürzten) Rente wirtschaftlich abgesichert. Der Ausschluss von jeglicher Abfindungsleistung mag auch in Bezug auf beide Gruppen der „rentennahen Arbeitnehmer“ angemessen und erforderlich im Sinne von § 10 S. 3 Nr. 6 AGG gewesen sein. Im Hinblick auf die Gruppe, die nur eine vorgezogene, gekürzte Altersrente in Anspruch nehmen können, fehlt es jedoch an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.

(a)

72

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben Sozialpläne eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Geldleistungen in Form einer Abfindung stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlustes ausgleichen oder zumindest abmildern. Die Betriebsparteien können diese Nachteile aufgrund ihres Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums in typisierter und pauschalierter Form ausgleichen (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; 7.6.2011, 1 AZR 34/10; zit. nach juris). Dazu können sie die übermäßige Begünstigung, die ältere Beschäftigte mit langjähriger Betriebszugehörigkeit bei einer am Lebensalter und an der Betriebszugehörigkeit orientierten Abfindungsberechnung erfahren, durch eine Kürzung für rentennahe Jahrgänge zurückführen, um eine aus ihrer Sicht verteilungsgerechte Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Betriebsänderung zu Gunsten der jüngeren Arbeitnehmer zu ermöglichen (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; 23.3.2010, 1 AZR 832/08; zit. nach juris).

(b)

73

Die Erstreckung der Abfindungsregel in § 4 des Sozialplans auch auf Arbeitnehmer, die eine Altersrente in Anspruch nehmen können, hätte Beschäftigte mit längeren Beschäftigungszeiten überproportional begünstigt. Die Betriebsparteien konnten bei diesen Arbeitnehmern typisierend davon ausgehen, dass diese (ggf. nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I) wegen der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer (vorgezogenen) Altersrente weitgehend wirtschaftlich abgesichert sind. Eine vergleichbare Absicherung konnten die Betriebsparteien bei den rentenferneren Jahrgängen nicht prognostizieren. Selbst wenn diese eine Anschlussbeschäftigung finden (bzw. gefunden haben), verlieren die entlassenen Arbeitnehmer ihre bisherige kündigungsschutzrechtliche Stellung und gehören bei künftigen Personalreduzierungen regelmäßig zu den Beschäftigten, denen wegen ihrer kurzen Betriebszugehörigkeit vorrangig gekündigt wird. Überdies können sie regelmäßig bei der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses nicht ihr bisheriges Arbeitsentgelt erzielen, was, ebenso wie die vorangehenden Zeiten einer Arbeitslosigkeit, zu Nachteilen in ihrer Rentenbiografie führt (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; zit. nach juris). Hätten die rentenberechtigten Mitarbeiter auch eine Abfindung – wenn auch für die über 61jährigen mit einem reduzierten Faktor – erhalten, so wären sie gegenüber den jüngeren Arbeitnehmern deutlich besser gestellt. Die Abfindung wäre nämlich nicht erforderlich, um sie wirtschaftlich abzusichern und längere, über den Bezug von Arbeitslosengeld I hinausgehende Zeiträume zu überbrücken.

(c)

74

Die Interessen der Arbeitnehmergruppe, die eine ungekürzte Altersrente in Anspruch nehmen können, sind von der Einigungsstelle auch hinreichend beachtet worden. Zwar erhalten sie keinerlei Abfindung. Dies ist jedoch deshalb nicht unangemessen, weil sie (ggf. nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I) eine ungekürzte Regelaltersrente beanspruchen können und damit dauerhaft wirtschaftlich ebenso abgesichert sind, als wären sie von der Betriebsstilllegung nicht betroffen. Zudem ist typisierend davon auszugehen, dass sie mit Erreichen der Regelaltersrente ohnehin aus dem Erwerbsleben ausscheiden.

75

Dies trifft jedoch auf die Arbeitnehmergruppe nicht zu, die nur eine gekürzte Altersrente (nach Bezug von Arbeitslosengeld I) in Anspruch nehmen kann. Die Interessen dieser benachteiligten Altersgruppe sind unverhältnismäßig stark – sowohl im Vergleich zu den jüngeren Arbeitnehmern mit einem Abfindungsanspruch als auch im Vergleich zu den Mitarbeitern, die eine volle Regelaltersrente beanspruchen können – vernachlässigt worden. Die von einer vorgezogenen Altersrente betroffenen Mitarbeiter haben zum überwiegenden Teil eine Kürzung der Rente in Höhe von 9,9 % hinzunehmen (folgend aus § 77 Abs. 2 SGB VI) und sind damit dauerhaft erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen ausgesetzt, ohne dass sie irgendeinen Ausgleich hierfür, ggf. auch nur in pauschaliertem Umfang, erhielten. Auch wenn nur begrenzt Sozialplanmittel zur Verfügung standen, ist die Nichtberücksichtigung der Interessen dieser Arbeitnehmergruppe nicht verhältnismäßig. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass das zur Verfügung gestellte Sozialplanvolumen von 2 Mio. Euro durch die Ausschlusstatbestände nach dem unbestrittenen Sachvortrag des Betriebsrats nicht voll ausgeschöpft wurde, sondern gerade um die Summen, die grundsätzlich – d.h. ohne Ausschlusstatbestand in § 1 Abs. 2 des Sozialplans – an die rentennahen Jahrgänge zu zahlen gewesen wären, eingespart wurde mit der Folge, dass nicht etwa 2 Mio. Euro (genau: € 1.958.392,88 – Tabelle AG 2), sondern nur ein um etwa € 339.00,00 (genau: 339.275,93) reduzierter Betrag an Abfindungszahlungen zu leisten waren (d.h. € 1.619.116,95). Der dauerhafte Verlust von knapp 10 % der Rente erscheint auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Nachteile, die den jüngeren Mitarbeitern durch längere Arbeitslosigkeit und/oder eine Anschlussbeschäftigung zu schlechteren Konditionen entstehen können, derart erheblich, dass ein vollständiger Ausschluss von jeglicher Sozialplanleistung unangemessen ist (anders aber: BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; zit. nach juris). Insbesondere erweist sich ihre Situation auch erheblich schlechter als die Situation der voll rentenberechtigten Mitarbeiter.

76

Ferner ist zu beachten, dass der Ausschluss der Arbeitnehmer, die nur eine vorgezogene Rente beanspruchen können, von jeglicher Abfindung einen Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG bewirkt. Zwar hat der EuGH im Urteil vom 6. Dezember 2012 (C-152/11) bestätigt, dass eine Sozialplanregelung, die nach Alter unterscheidet, gerechtfertigt sein kann. So ist in dem vorgenannten Fall ausgeführt worden, dass eine Ungleichbehandlung von älteren Arbeitnehmern bei der Berechnung der Sozialplanabfindung durch ein legitimes Ziel i.S.v. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt sein kann, wenn der Sozialplan die Gewährung eines Ausgleichs für die Zukunft, den Schutz der jüngeren Arbeitnehmer sowie die Unterstützung bei ihrer beruflichen Wiedereingliederung und eine gerechte Verteilung der begrenzten finanziellen Mittel bezweckt. Eine in Abhängigkeit von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit berechnete Abfindung könne bei Arbeitnehmern, die im Zeitpunkt der Entlassung durch den möglichen Bezug einer vorgezogenen gesetzlichen Altersrente wirtschaftlich abgesichert sind, gemindert werden (EuGH, 6.12.2012, C-152/11; zit. nach juris). Vorliegend geht es aber nicht um eine Minderung einer Abfindung, sondern um jeglichen Ausschluss von einer Abfindung, obwohl durch die gekürzte, vorgezogene Rente ein erheblicher dauerhafter wirtschaftlicher Nachteil gegeben ist. Zwar mag der Ausschluss von rentennahen Jahrgängen von einer Sozialplanabfindung mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in Einklang stehen, sofern eine ungekürzte Altersrente beansprucht werden kann. Das ist mit dem Zweck eines Sozialplans, einen Ausgleich für die Zukunft, den Schutz der jüngeren Arbeitnehmer sowie die Unterstützung bei ihrer beruflichen Wiedereingliederung zu gewähren und begrenzte finanzielle Mittel gerecht zu verteilen, vereinbar. Allerdings darf der Schutz solcher Arbeitnehmer, die nur eine gekürzte, mit Abschlägen versehene Altersrente in Anspruch nehmen können, nicht vollständig vernachlässigt werden. Diese benötigen deshalb zumindest einen gewissen Schutz in Form eines finanziellen Ausgleichs, weil sie entweder dauerhaft Rentenkürzungen hinzunehmen haben oder weil sie eine Beschäftigung bis zur Regelaltersrente aufnehmen möchten und bei der Suche ggf. längere Zeit benötigen als die Zeitspanne, für welche sie Arbeitslosengeld I beziehen. Dem kommen auch die Ausführungen des EuGH im Fall Andersen nahe (EuGH, 12.10.2010, C-499/08; zit. nach juris). Dort ist der Ausschluss von Entlassungsentschädigungen (die gesetzlich nur für Arbeitnehmer mit einer bestimmten Betriebszugehörigkeit vorgesehen waren) wegen des Anspruchs auf eine vorgezogene, aber reduzierte Altersrente für unzulässig und unvereinbar mit der Richtlinie 2000/78 erklärt worden. Die Entlassungsentschädigung diente dabei dem Zweck, Arbeitnehmer stärker zu schützen, deren Übergang in eine andere Beschäftigung sich aufgrund der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit als schwierig darstellte. Die Entlassungsentschädigung sollte sie bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung unterstützen. Dabei beruhte der Ausschluss von einer (gesetzlichen) Entlassungsentschädigung, die die Arbeitnehmer eigentlich hätten beanspruchen können, auf dem Umstand, dass sie eine vorgezogene Betriebsrente in Anspruch nehmen konnten. Entschieden sie sich, diese nicht zu beziehen, sondern weiter zu arbeiten, erhielten sie dennoch keine Entschädigungszahlung. D.h. die Regelung lief darauf hinaus, entlassenen Arbeitnehmern, die auf dem Arbeitsmarkt bleiben wollten, diese Abfindung allein aus dem Grund vorzuenthalten, dass sie u. a. aufgrund ihres Alters eine gekürzte Rente in Anspruch nehmen konnten. Sie erschwerte Arbeitnehmern, die bereits eine Altersrente beziehen konnten, die weitere Ausübung ihres Rechts, zu arbeiten, weil sie beim Übergang in ein neues Beschäftigungsverhältnis – im Gegensatz zu anderen Arbeitnehmern mit gleich langer Betriebszugehörigkeit – keine Entlassungsabfindung erhielten. Ferner konnte die Regelung diese Arbeitnehmer zwingen, eine niedrigere Altersrente anzunehmen als die, die sie beanspruchen könnten, wenn sie bis in ein höheres Alter berufstätig blieben, was für sie einen auf lange Sicht erheblichen Einkommensverlust nach sich zöge (zu allem: EuGH, 12.10.2010, C-499/08; zit. nach juris).Das führte gemäß der Entscheidung des EuGH zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der berechtigten Interessen der Arbeitnehmer, die sich in dieser Situation befanden. Der EuGH hielt diesen Ausschluss von der Entlassungsentschädigung für unverhältnismäßig, auch weil die vorgezogene Rente sehr viel niedriger war als die Regelrente. Es habe für diese Arbeitnehmer die Gefahr bestanden, dass die betroffenen Arbeitnehmer eine niedrigere Altersrente annehmen müssen, was für sie einen erheblichen Einkommensverlust bedeutet hätte. Da dieser Effekt nicht anderweitig entschärft worden war, ging der EuGH von einem Verstoß gegen die Vorgaben der Richtlinie 2000/78 aus (EuGH, 12.10.2010, C-499/08; zit. nach juris). Der EuGH hat darüber hinaus aber auch betont, dass Rentenberechtigte im Übrigen zulässigerweise von der Entlassungsentschädigung ausgenommen werden durften. Das gilt im vorliegenden Fall – wie bereits beschrieben – für die rentennahen Jahrgänge, die eine ungekürzte Regelaltersrente in Anspruch nehmen können. Soweit es um die Fälle der nur gekürzten Rente geht und eine Entschärfung der wirtschaftlichen Nachteile auch nicht in anderer Form als einer Sozialplanabfindung erfolgt ist, liegt jedoch eine Unvereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vor.

77

Die Situation dieser Arbeitnehmer ist vergleichbar mit denen in dem vom EuGH entschiedenen und soeben dargestellten Fall. Zwar mag die Zielrichtung der vom EuGH entschiedenen Regelung im dänischen Recht und die einer Sozialplanabfindung etwas unterschiedlich gelagert sein. Beide beinhalten aber den Zweck, wirtschaftliche Nachteile in Folge einer Entlassung abmildern und Überbrückungshilfe leisten zu wollen, sind also zukunftsgerichtet ausgestaltet, um den Arbeitnehmer finanziell für einen gewissen Zeitraum zu unterstützen, bis eine andere wirtschaftliche Absicherung (z.B. in Form eines neuen Arbeitsplatzes) gefunden ist. Zudem werden vorliegend – ähnlich wie im obigen Fall des EuGH – Arbeitnehmer von einer Sozialplanabfindung allein deshalb ausgenommen, weil sie eine vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen können, die allerdings dauerhaft zu erheblichen Einkommenseinbußen (im Vergleich zu einer Vollrente) führt. Dem können sie nur entgehen, wenn sie sich für die Weiterarbeit entscheiden. Dabei erhalten sie aber keine Überbrückungshilfe in Form einer – wenn auch reduzierten oder pauschalierten – Abfindung im Gegensatz zu den jüngeren Mitarbeitern. Außerdem ist zu beachten, dass sie nach dem Ablauf des Bezugs von Arbeitslosengeld I nicht Leistungen gemäß der sog. Hartz IV Regelungen beanspruchen können, um die Zeit zu überbrücken, die sie ggf. noch für die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz benötigen. Insoweit gilt, dass die Betroffenen in der Regel eine Aufforderung erhalten, einen Rentenantrag zu stellen (§§ 5 Abs. 3 SGB II, 12 a SGB II). Tun sie dies nicht, so kann der Leistungsträger für „Hartz IV“ den Rentenantrag für den Betroffenen stellen (§ 5 Abs. 3 SGB II). Es gilt der Nachranggrundsatz der Leistungen nach dem SGB II (vgl. Bayr. LSG, 21.11.2016, L 11 AS 721/16 B ER, zit. nach juris), d.h.: besteht ein Anspruch auf eine (vorgezogene) Altersrente, so ist diese vorrangig vor Leistungen nach dem SGB II zu beantragen, da so die Hilfebedürftigkeit vermieden, beseitigt oder jedenfalls gemindert werden kann (vgl. § 7 Abs. 4 SGB II, wonach Leistungen nach dem SGB II nicht erhält, wer Rente wegen Alters bezieht). Hat demnach ein solcher Arbeitnehmer keine privaten Reserven, wird er faktisch in die vorgezogene Altersrente gezwungen, die dauerhaft erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich führt. Dies könnte vermieden oder zumindest abgemildert werden, wenn auch er eine Sozialplanabfindung – ggf. auch gekürzt oder pauschaliert – erhält.

78

Der Beklagten ist in diesem Zusammenhang zwar zuzugestehen, dass das Bundesarbeitsgericht auch den Ausschluss solcher rentennaher Jahrgänge von Abfindungsleistungen für gerechtfertigt gehalten hat, die nur eine vorgezogene Altersrente beziehen konnten (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; zit. nach juris). In seinem Urteil vom 9. Dezember 2014 (1 AZR 102/13; zit. nach juris) hat das Bundesarbeitsgericht allerdings betont, dass der vollständige Ausschluss solcher Arbeitnehmer, die (nach Bezug von Arbeitslosengeld I) eine vorgezogene Rente in Anspruch nehmen konnten, in dem zu entscheidenden Fall deshalb gerechtfertigt und noch als angemessen zu bewerten gewesen sei, weil die Arbeitnehmer nur von einer Versetzung betroffen waren und die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen wirtschaftlichen Nachteile durch eine bis zum Erreichen der Altersgrenze begrenzte Weiterarbeit an einem anderen Standort vermeidbar gewesen sei. Im Unterschied zum vorliegenden Fall waren jene (rentennahe) Arbeitnehmer faktisch nicht zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Rente gezwungen. Hier ist jedoch genau das der Fall. Dies stellt nach der Bewertung durch die Kammer eine unverhältnismäßige Maßnahme dar, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das ursprünglich zur Verfügung gestellte Sozialplanvolumen von 2 Mio. Euro nicht voll ausgeschöpft, sondern genau um die Summen gekürzt wurde, die den rentennahen Jahrgängen ohne Ausschlusstatbestand zugestanden hätte.

(d)

79

Abschließend soll ergänzend noch darauf hingewiesen werden, dass ein Verstoß wegen einer Diskriminierung beruhend auf einer Schwerbehinderung nicht gegeben ist. Die Altersrente für schwerbehinderte Menschen (§§ 37, 236 a SGB VI) bleibt nach § 1 Abs. 2 des Sozialplans bei der Regelung des Ausschlusstatbestands ausdrücklich außer Betracht, führt also nicht zu dem Ausschluss von einer Sozialplanabfindung.

bb)

80

Im Übrigen erweist sich der Sozialplan als wirksam, insbesondere konnten in Anwendung der unter B 2. a) dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Ermessensfehler nicht festgestellt werden. Alle anderen Mitarbeiter erhalten entweder einen angemessenen Ausgleich bzw. Milderung der infolge der Betriebsstillegung eintretenden wirtschaftlichen Nachteile oder sind – wie bereits dargestellt – zu Recht von der Sozialplanabfindung ausgenommen worden (soweit ihnen nämlich ein Anspruch auf eine ungeschmälerte Regelaltersrente zusteht, s.o.).

81

aaa)

82

Der von der Einigungsstelle beschlossene Sozialplan unterschreitet die Grenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht. Die in ihm vorgesehenen Leistungen stellen eine substantielle Milderung der mit der Betriebsänderung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile für die (übrigen) Arbeitnehmer dar.

83

Bei der Bemessung der den Arbeitnehmern entstehenden Nachteile darf die Einigungsstelle pauschale und typische Annahmen zugrunde legen. Deshalb konnte sie hinsichtlich der Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt gemäß § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG nach deren Alter differenzieren (vgl. BAG a.a.O., Rn. 38). Sie hat dementsprechend in § 4 Abs. (5) des Sozialplans vier Altersgruppen gebildet und diesen unterschiedliche Faktoren zur Berechnung vorgesehener Abfindungen zugeordnet. Die Abfindungen entsprechen dem Produkt aus der Dauer der Betriebszugehörigkeit, der Höhe der Monatsvergütung und einem “Multiplikator”. Dieser beträgt für die Gruppe der 53- bis 60-Jährigen 0,32, für die Gruppe der 46- bis 52-Jährigen, für die Gruppe der 61 und mehr Jahre alten Arbeitnehmer 0,25 und für die Gruppe der 45 und weniger Jahre alten Arbeitnehmer 0,15. Diese Altersdifferenzierungen als solche erscheinen nicht unangemessen (vgl. zu einer inhaltlich gleichen Sozialplanregelung BAG, 1 ABR 23/03; zit. nach juris) und werden vom Betriebsrat nicht in Zweifel gezogen.

84

Die sich auf diese Weise errechnenden absoluten Abfindungsbeträge stellen nämlich trotz der relativ kleinen “Multiplikatoren” und auch angesichts einer möglicherweise längeren Zeit der Arbeitslosigkeit eine spürbare Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer dar. Dies beruht vor allem darauf, dass mit den geringen “Multiplikatoren” vielfach lange Beschäftigungszeiten einhergehen. Das führt bei der größten Arbeitnehmergruppe der 53- bis 61-Jährigen zu einer durchschnittlichen Abfindung in Höhe von etwa € 29.500,00 netto, mit der durchschnittlich ein wirtschaftlicher Verlust von etwa 22 Monaten Arbeitslosigkeit kompensiert werden kann. Diese Zeit erscheint als ausreichend, um einen neuen, ggf. auch geringer dotierten Arbeitsplatz finden zu können (vgl. BAG, 1 ABR 23/03; zit. nach juris - wo eine Überbrückung von lediglich neun Monaten Arbeitslosigkeit als spürbare Milderung der wirtschaftlichen Nachteile angesehen wurde). So hat der Vertreter der Agentur für Arbeit in der Einigungsstelle ausgeführt, dass selbst für die älteren Arbeitnehmer gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt bestünden, insbesondere in der Transport- und Logistikbranche.

85

Angesichts dessen kann im Hinblick auf die (übrigen) Arbeitnehmer nicht davon gesprochen werden, der Spruch der Einigungsstelle habe die Untergrenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verletzt und die sozialen Belange der Arbeitnehmer i.S.v. § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG nicht hinreichend berücksichtigt. Dazu hätte der Betriebsrat darlegen müssen, anhand welcher tatsächlichen Umstände, etwa angesichts gerade hier bestehender besonderer und untypischer Verhältnisse die Regelungen des Sozialplans im Streitfall nicht einmal als Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der Betroffenen i.S.v. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sollten angesehen werden können. Solche Umstände sind seinem Vorbringen nicht zu entnehmen. Insbesondere musste die Einigungsstelle – wie bereits ausgeführt – nicht davon ausgehen, dass ein Verlust des Arbeitsplatzes bei der Arbeitgeberin unumgänglich zu einer dauerhaften Arbeitslosigkeit der entlassenen Mitarbeiter führen würde, was möglicherweise Zweifel an der ausreichenden Milderungsfunktion des Sozialplans begründen könnte. Vielmehr erscheint die Annahme vertretbar, dass die Betroffenen nach einer gewissen Zeit einen anderen, und sei es einen geringer dotierten Arbeitsplatz finden können.

86

Die Regelungen zur Ermittlung der Abfindungen in § 4 des Einigungsstellenspruchs und das vor allem durch sie festgelegte Gesamtvolumen des Sozialplans halten damit der gerichtlichen Überprüfung stand (vgl. BAG, 1 ABR 23/03; zit. nach juris).

87

bbb)

88

Hieran ändert auch der vom Betriebsrat angeführte Umstand nichts, dass die Mitarbeiter mit einer verkürzten tariflichen Frist von nur einem Monat zum Monatsende gekündigt wurden. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dies keine Regelung ist, die in dem Sozialplan enthalten ist. Der Sozialplan ist nur Voraussetzung dafür, dass aufgrund der tariflichen Regelung generell mit einer kurzen Frist gekündigt werden kann. Soweit der Betriebsrat rügt, die Einigungsstelle habe sich mit diesem Umstand nicht auseinandergesetzt, was zu einem Ermessensfehler führe, kann dem nicht gefolgt werden. So ist in dem Protokoll der Einigungsstelle vom 21. September 2016 (Anl. A 31, Bl. 343 ff) auf Seite 8 (Bl. 350 d.A.) ausgeführt, dass die Arbeitgeberin darauf hingewiesen hatte, dass die Verhandlungen über den Sozialplan keinen Aufschub vertrügen, weil die anzuwendenden Kündigungsfristen wegen § 2 Nr. 4 RTV Hafen von dem Abschluss eines Sozialplans abhingen. Zwar mag hier nicht die korrekte tarifliche Norm der verkürzten Kündigungsfristen zitiert worden sein. Es wird aber deutlich, dass das Thema der verkürzten Kündigungsfristen Inhalt der Erörterungen der Einigungsstelle waren. Wird dann ein Spruch gefällt, so kann angenommen werden, dass die Einigungsstelle entweder die Nachteile verbunden mit einer verkürzten Kündigungsfrist nicht ausgleichen wollte, was zulässig ist. Oder aber sie sah die Nachteile als ausreichend kompensiert durch die Abfindungsregelungen an, da ein erheblicher Zeitraum einer möglichen Arbeitslosigkeit – wie dargestellt – mit Hilfe der Abfindung überbrückt, d.h. die wirtschaftlichen Nachteile insoweit abgemildert werden können. Der vom Betriebsrat geführte Einwand, der Sozialplan sei auch deshalb unterdotiert, da das Volumen des Sozialplans geringer sei als die Summe, die die Arbeitgeberin allein durch die Verkürzung der Kündigungsfrist erspart habe, verfängt nicht. Bei der Frage der Unterdotierung geht es allein um die Frage, ob die durch die Betriebsänderung eingetretenen Nachteile im Sinne einer Überbrückungsfunktion ausreichend ausgeglichen oder zumindest hinreichend gemildert sind. Diese zukunftsgerichtete Bewertung hat vorliegend zu dem Ergebnis geführt, dass das (mit Ausnahme der rentennahen Mitarbeiter, die nur eine vorgezogene Rente in Anspruch nehmen können) der Fall ist.

89

Ob tatsächlich mit der kurzen Frist hätte gekündigt werden dürfen, ist eine Rechtsfrage, die sich vorliegend nicht stellt, sondern die die betroffenen Arbeitnehmer im Rahmen einer individuellen Kündigungsschutz- oder Feststellungsklage klären lassen können, was die Mitarbeiter – soweit erkennbar – auch tun. Auch aus diesem Umstand wird deutlich, dass diese Frage für die Wirksamkeit des Sozialplans keine Rolle spielen kann. Denn wird individualrechtlich festgestellt, dass die kurzen Fristen nicht angewandt werden durften, sondern mit der langen Frist hätte gekündigt werden müssen, entfiele der Einwand des Betriebsrats im Hinblick auf die Unterdotierung des Sozialplans. Schließlich würde die Bewertung dieses Umstandes als Unterdotierung des Sozialplans dazu führen, dass der Sozialplan ggf. rückwirkend unwirksam (da „unterdotiert“) würde, nämlich wenn sich der Arbeitgeber entschließt, von der verkürzten tariflichen Frist Gebrauch zu machen – wohingegen das nicht der Fall wäre, wenn er sich nach Abschluss des Sozialplans dafür entscheidet, die regulären Kündigungsfristen anzuwenden. Von solchen Zufälligkeiten und einseitigen Entscheidungen des Arbeitgebers kann aber nicht die Wirksamkeit eines Spruchs der Einigungsstelle abhängig sein.

90

ccc)

91

Mit seiner Rüge, ihm sei im Einigungsstelleverfahren nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden, dringt der Betriebsrat ebenfalls nicht durch, weil die gerichtliche Kontrolle des Einigungsstellenspruchs eine reine Ergebniskontrolle ist (vgl. BAG, 24.8.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris). Im Übrigen erscheint dieser Einwand angesichts mehrerer Termine der Einigungsstelle und mehrerer schriftsätzlicher Stellungnahmen des Betriebsrats zweifelhaft. Zudem wurde ihm unbestritten die Möglichkeit eingeräumt, ein Gutachten eines Wirtschaftssachverständigen in Bezug auf die letzten 5 Jahre einzuholen. Hiervon hat der Betriebsrat aber Abstand genommen, da ihm dieser Zeitraum für nicht ausreichend erschien.

92

ddd)

93

Soweit der Betriebsrat rügt, rentennahe Jahrgänge würden keine Milderung der wirtschaftlichen Nachteile erfahren, ist im Hinblick auf die Mitarbeiter, die nur eine gekürzte Rente in Anspruch nehmen können und von einer Sozialplanabfindung ausgeschlossen worden sind, bereits festgestellt, dass ein Rechtsverstoß gegeben ist (siehe oben unter B, 2. b). Ob insoweit auch ein Ermessensfehler der Einigungsstelle vorliegt, kann dahinstehen.

94

Soweit es um die Mitarbeiter geht, die eine ungekürzte Altersrente in Anspruch nehmen können (ggf. nach Bezug von ALG I) und deshalb von der Sozialplanabfindung ausgeschlossen wurden, ist ebenfalls bereits ausgeführt worden, dass dieser Ausschlusstatbestand zu Recht erfolgt ist (siehe oben unter B, 2. b). Damit scheidet zugleich ein Ermessensfehlgebrauch der Einigungsstelle aus.

95

eee)

96

Auf die vom Betriebsrat aufgeworfene Frage eines Durchgriffs auf Vermögenswerte der Obergesellschaft bzw. des Gesellschafters Dr. K. kommt es nicht an, da eine Unterdotierung des Sozialplans, soweit der Spruch der Einigungsstelle wirksam ist, insgesamt nicht gegeben ist.

c)

97

Die festgestellte Unwirksamkeit von § 1 Abs. 2 des Sozialplans in Bezug auf die Arbeitnehmer, die (nach Arbeitslosengeldbezug) eine vorgezogene, gekürzte Altersrente in Anspruch nehmen können, bewirkt nicht die Gesamtunwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle.

98

Entsprechend der heranzuziehenden Regelung in § 139 BGB hat die Teilnichtig-keit eines Rechtsgeschäfts dessen Gesamtnichtigkeit zur Folge, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre (BAG, 24.8.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach juris) und der verbleibende Teil ohne die unwirksamen Bestimmungen keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (BAG, 11.1.2011, 1 ABR 104/09; 26.8.2008, 1 ABR 16/07; 22.3.2005, 1 ABR 64/03; zit. nach juris). Die Weitergeltung der von der Teilnichtigkeit nicht betroffenen Regelungen folgt aus dem Normencharakter einer Betriebsvereinbarung.

99

Zwar ist im Regelfall, sofern das Verteilungsvolumen betroffen ist, von einer Gesamtunwirksamkeit eines Sozialplans auszugehen. Bei dem Beschluss über einen Sozialplan ist das sich aus den Sozialplanleistungen ergebende Gesamtvolumen des Sozialplans nämlich von maßgeblicher Bedeutung. Dieses Gesamtvolumen kann in erheblicher Weise verändert werden, wenn von Sozialplanleistungen ausgeschlossene Arbeitnehmer aufgrund der Unwirksamkeit des Ausschlusses nunmehr anspruchsberechtigt wären. Außerdem könnten bei Kenntnis der Teilnichtigkeit einer Regelung die Sozialplanleistungen insgesamt anders verteilt worden sein (vgl. BAG, 25.1.2000, 1 ABR 1/99; zit. nach juris).

100

Hier stellt der Spruch der Einigungsstelle aber zunächst auch bei einem Wegfall des in § 1 Abs. 2 enthaltenen Ausschlusstatbestands in Bezug auf die Arbeitnehmer, die eine vorgezogene, gekürzte Altersrente in Anspruch nehmen können, insgesamt eine noch sinnvolle und in sich geschlossene Regelung dar. Die Teilnichtigkeit hat lediglich zur Folge, dass die bislang von Sozialplanabfindungen ausgeschlossenen Mitarbeiter einen Anspruch erhalten. Im Übrigen ändert sich nichts. Des Weiteren ist nicht anzunehmen, dass die Einigungsstelle bei Kenntnis der (Teil-)Unwirksamkeit des Ausschlusstatbestands in Bezug auf die rentennahen Arbeitnehmer mit Anspruch auf eine vorgezogene Altersrente die Verteilung anders vorgenommen, insbesondere andere Faktoren beschlossen hätte. Für die betroffene Gruppe der über 61jährigen ist eine (reduzierte) Abfindungsformel aufgenommen worden und zunächst auch ein entsprechendes Sozialplanvolumen, so jedenfalls nach dem unbestrittenen Sachvortrag des Betriebsrats, zur Verfügung gestellt worden. Hieraus wird deutlich, dass die Einigungsstelle grundsätzlich auch die Interessen der über 61jährigen einbezogen hat und die möglichen wirtschaftlichen Nachteile abmildern wollte. Ferner ist zu beachten, dass ein Sozialplanvolumen von knapp 2 Mio. Euro (unstreitig) von der Arbeitgeberseite zur Verfügung gestellt worden war. Der insoweit vom Betriebsrat im Schriftsatz vom 13. Juni 2017 (Bl. 506 ff d.A.) dargestellten Berechnung und Darlegung des zur Verfügung gestellten Volumens ist die Arbeitgeberin nicht entgegen getreten. Dabei hat der Betriebsrat insbesondere unwidersprochen ausgeführt, dass in der Anlage AG 2 der Arbeitgeberin sämtliche sich nach dem Sozialplan rechnerisch ergebenden Abfindungen aufgeführt sind – auch die solcher Arbeitnehmer, die aufgrund einer Rentennähe keine Abfindung erhalten haben. Dabei handelte es sich um 9 Arbeitnehmer (wovon 7 Arbeitnehmer Anspruch auf eine vorgezogene, gekürzte Altersrente haben). Das von der Arbeitgeberin dargelegte und insoweit grundsätzlich zur Verfügung gestellte Abfindungsvolumen betrug € 1.958.392,88. Nach Abzug der von einer Abfindung wegen Rentennähe ausgeschlossenen Mitarbeiter verbliebe eine nur zu zahlende Abfindungssumme von € 1.619.11695. D.h. die Ausschlusstatbestände haben zu einer entsprechenden Einsparung bei der Arbeitgeberin geführt, das ursprünglich angesetzte Sozialplanvolumen gemäß den Berechnungen der Arbeitgeberin wurde nicht voll ausgeschöpft. Vielmehr steht noch ein Auszahlungsvolumen zur Verfügung. Da nur 7 Arbeitnehmer von der Teilnichtigkeit betroffen sind (zu Unrecht von einer Sozialplanabfindung ausgeschlossen wurden), verbleibt genug des grundsätzlich zur Verfügung gestellten Sozialplanvolumens, um auch diesen Mitarbeitern eine Abfindung gemäß den Berechnungsparametern des Sozialplans zukommen zu lassen, ohne dass das Gesamtvolumen überschritten oder gar gesprengt würde. Damit ist das Verteilungsvolumen insgesamt weder zu Lasten der Arbeitgeberin berührt noch zu Lasten der sonst anspruchsberechtigten Mitarbeiter. Von einer anderen Verteilung der zur Verfügung gestellten Mittel bei Kenntnis der Teilunwirksamkeit des Sozialplans musste vor diesem Hintergrund nicht ausgegangen werden.

III.

101

Wegen grundsätzlicher Bedeutung war die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 92, 72 Abs. 2 ArbGG).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, kann vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluß des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Kündigt der Verwalter, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. September 2015 - 2 Sa 96/15 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch über die Bezahlung von Mehrarbeitszuschlägen für die Monate Mai bis August 2014.

2

Die Beklagte bietet bundesweit Sicherheitsdienstleistungen an. Der bei ihr beschäftigte Kläger war im Streitzeitraum als Sicherheitsmitarbeiter im Schichtdienst eingesetzt. Seine Tätigkeit bestand in der Bewachung von Objekten der US-Streitkräfte in Rheinland-Pfalz.

3

Nach Ziff. 1. des Arbeitsvertrags vom 27. November 2007 sind „die zwischen dem … und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgeschlossenen Tarifverträge für das Bundesland Rheinland-Pfalz ohne Einschränkung anwendbar.“ Die Landesgruppe Rheinland-Pfalz/Saarland des Bundesverbands, der seit Mitte 2011 „Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW)“ heißt, schloss mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Landesbezirk Rheinland-Pfalz und Saarland, den Tarifvertrag vom 7. März 2014 für Sicherheitsdienstleistungen in den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Saarland (im Folgenden TV-SD) ab. Dieser trat mit Wirkung zum 1. Januar 2014 in Kraft und enthält ua. folgende Regelung:

        

§ 5   

Sonn-, Feiertags- und Mehrarbeitszuschläge

        

 1.     

Für die Arbeit an Sonntagen ist ein Zuschlag von 25 % zum Stundengrundentgelt zu zahlen. Als Sonntagsarbeit gilt Arbeit in der Zeit von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr.

        

…       

        
        

 4.     

Übersteigt die monatliche Arbeitszeit die im Mantelrahmentarifvertrag vom 30. August 2011 für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland jeweils angegebene monatliche Regelarbeitszeit, ist ein Zuschlag von 25 % zum Stundengrundentgelt zu zahlen.“

4

Im Mantelrahmentarifvertrag vom 30. August 2011 für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden MRTV) heißt es auszugsweise:

        

§ 6   

Arbeitszeit

        

1.1.   

Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit soll 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann ohne Vorliegen von Arbeitsbereitschaft auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 12 Kalendermonaten im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Darüber hinaus kann die Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über 10 Stunden täglich verlängert werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt.

        

1.2.   

Die tägliche Ruhezeit beträgt 11, mindestens jedoch 9 Stunden. Eine Verkürzung der 11-stündigen Ruhezeit ist nur dann zulässig, wenn ein Ausgleich innerhalb von 3 Monaten vorgenommen wird.

        

1.3.   

Bei Kurzeinsätzen besteht ein Vergütungsanspruch von mindestens 4 Stunden. Diese Regelung gilt nicht für Beschäftigte mit Arbeitsverträgen, in denen eine kapazitätsorientierte und/oder variable Arbeitszeit vereinbart ist.

        

1.4.   

Die monatliche Regelarbeitszeit kann wie folgt ausgedehnt werden:

                 

bis 31.12.2012

bis zu 248 Stunden

                 

ab 01.01.2013 bis 31.12.2014

bis zu 240 Stunden

                 

ab 01.01.2015 bis 31.12.2015

bis zu 232 Stunden

                 

ab 01.01.2016

bis zu 228 Stunden

        

1.5.   

Für kerntechnische Anlagen gelten die Arbeitszeitregelungen der länderspezifischen Tarifverträge unter Berücksichtigung der Ziffern 1.1., 1.2., 1.7. und 2. dieses Paragrafen.

        

1.6.   

Die monatliche Regelarbeitszeit für Angestellte beträgt 173 Stunden im Durchschnitt des Kalenderjahres.

        

1.7.   

Abweichend von Ziffern 1.1. und 1.4. dieses Paragrafen kann im Werkfeuerwehrdienst und im Objektschutzdienst bei der Bewachung militärischer Anlagen mit Ausnahme von Einrichtungen der US-Armee die 24-stündige Schichtzeit durchgeführt werden. Die 24-Stunden-Schicht kann dann durchgeführt werden, wenn mindestens eine Arbeitsbereitschaft von 50 % (12 Stunden) vorliegt. … Im 24-Stunden-Schichtdienst kann die regelmäßige monatliche Arbeitszeit auf bis zu 12 Schichten im Werkfeuerwehrdienst und auf bis zu 11 Schichten im Objektschutzdienst bei der Bewachung militärischer Anlagen mit Ausnahme der US-Armee ausgedehnt werden. Im Übrigen gelten die Regelungen der Ziffern 1.1. bis 1.8. unverändert.

        

1.8.   

Abweichend von Ziffer 1.2. beträgt die Ruhezeit nach einer 24-Stunden-Schicht in der Regel 24 Stunden.

        

2.    

Länderspezifisch können zu den Ziffern 1.1. bis 1.8. abweichende monatliche Regelarbeitszeiten vereinbart werden. Die in Ziffern 1.1. bis 1.8. festgelegten monatlichen Regelarbeitszeiten sollen dabei nicht überschritten werden. Mehrarbeitszeitzuschläge können länderspezifisch unabhängig von den vorstehenden Regelarbeitszeiten vereinbart werden.

        

3.    

Vollzeitbeschäftigte haben einen Anspruch auf eine monatliche Arbeitszeit von mindestens 173 Stunden, bei Regeldienst in 24-Stunden-Schichten auf mindestens 208 Stunden, im Durchschnitt eines Quartals. Bei Eintritt oder Ausscheiden innerhalb des Quartals gilt als Bezugszeitraum die Zeit der Beschäftigung innerhalb dieses Quartals.

        

…       

        
        

§ 7     

Freizeit

        

1.    

Jeder Arbeitnehmer hat pro Woche Anspruch auf mindestens eine unbezahlte Freischicht. …

        

2.    

Abweichend von § 11 Abs. 3 des Arbeitszeitgesetzes ist für die Arbeit an einem auf einen Werktag fallenden Feiertag kein Ersatzruhetag zu gewähren.“

5

Die von beiden Tarifvertragsparteien unterschriebene Protokollnotiz 2 zum MRTV lautet auszugsweise:

        

„Die Tarifvertragsparteien sind sich über die folgenden Ergänzungen zu § 6 Ziffer 5. des … einig:

        

Arbeitszeitkonten müssen zu Gunsten der Arbeitnehmer mindestens nachstehende Bedingungen enthalten:

        

-       

Im Durchschnitt von 12 Monaten darf die in § 6 Ziffern 1.1. bis 1.8 MRTV festgelegte monatliche Regelarbeitszeit nicht überschritten werden.

        

-       

Vollzeitbeschäftigte haben einen Anspruch auf Vergütung von mindestens 173 Stunden, bei Regeldienst in 24-Stunden-Schichten von mindestens 208 Stunden für jeden Monat.“

6

In einem an alle Mitarbeiter der Bewachungsobjekte in Rheinland-Pfalz gerichteten schriftlichen „Memorandum“ vom 30. Juni 2014 versprach die Geschäftsleitung der Beklagten, für die Monate Juli 2014 und August 2014 ab der 191. Arbeitsstunde einen 25 %igen Zuschlag zum Stundengrundentgelt zu zahlen. Der Kläger leistete im Mai 2014 176,03 Stunden, im Juni 2014 189,01 Stunden, im Juli 2014 192,85 Stunden und im August 2014 194 Stunden.

7

Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen für die ab der 174. Stunde je Monat geleisteten Arbeitsstunden in der Zeit von Mai bis August 2014 verlangt. Er hat gemeint, seine „monatliche Regelarbeitszeit“ betrage nach § 6 Ziff. 1.1. Satz 1 MRTV 173 Stunden. Überdies müsse schon aus Gleichbehandlungsgründen die nach § 6 Ziff. 1.6. MRTV für Angestellte vorgesehene monatliche Regelarbeitszeit von 173 Stunden auch für ihn als Arbeiter gelten.

8

Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 128,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und gemeint, nach § 6 Ziff. 1.1. MRTV gelte für den Kläger - ausgehend von sechs Arbeitstagen pro Woche und einer täglichen Arbeitszeit von acht Stunden - eine monatliche Regelarbeitszeit von 208 Stunden. Die kürzere monatliche Regelarbeitszeit der Angestellten beruhe darauf, dass diese im Gegensatz zu den Sicherheitsmitarbeitern regelmäßig nicht „rund um die Uhr“ und an Wochenenden zur Verfügung stehen müssten.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte aufgrund der Zusage in dem „Memorandum“ zur Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen für die 190 übersteigenden Arbeitsstunden im Juli 2014 und August 2014 verurteilt. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine darüber hinaus gehenden Forderungen weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger in den Monaten Mai bis August 2014 kein weiterer Anspruch auf Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen nach § 5 Ziff. 4. TV-SD zusteht, da seine monatliche Arbeitszeit die im MRTV angegebene monatliche Regelarbeitszeit nicht überstiegen hat. Die in § 6 Ziff. 1.6. MRTV für Angestellte vorgesehene monatliche Regelarbeitszeit von 173 Stunden gilt nicht für das Arbeitsverhältnis des Klägers.

12

I. Der TV-SD findet aufgrund der Verweisung in Ziff. 1. des Arbeitsvertrags vom 27. November 2007 auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung. Der räumliche, fachliche und persönliche Geltungsbereich ist nach § 1 Ziff. 1. bis 3. TV-SD eröffnet.

13

II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen 25 %igen Zuschlag zum Stundenentgelt nach § 5 Ziff. 4. TV-SD. Seine Arbeitszeit hat im Streitzeitraum die monatliche Regelarbeitszeit des Klägers von 208 Stunden nicht überstiegen.

14

1. Die „im Mantelrahmentarifvertrag … jeweils angegebene monatliche Regelarbeitszeit“ iSv. § 5 Ziff. 4. TV-SD ergibt sich aus Wortlaut und Systematik der Regelungen zur „Arbeitszeit“ in § 6 Ziff. 1.1. bis 1.8. MRTV.

15

a) Der MRTV bestimmt in § 6 Ziff. 1.1. Satz 1 MRTV zunächst, dass die „regelmäßige tägliche Arbeitszeit“ acht Stunden nicht überschreiten soll. Im Weiteren finden sich in § 6 Ziff. 1.1. MRTV Regelungen zur Verlängerung der täglichen Arbeitszeit. Ergänzend dazu enthalten § 6 Ziff. 1.2. und Ziff. 1.3. MRTV Bestimmungen zur Dauer der täglichen Ruhezeit und zum Vergütungsanspruch bei Kurzeinsätzen. § 6 Ziff. 1.4. MRTV legt sodann fest, dass die „monatliche Regelarbeitszeit“ bis zu den dort genannten Höchstgrenzen ausgedehnt werden kann. § 6 Ziff. 1.5. bis 1.8. MRTV enthalten differenzierte, jeweils für spezielle Gruppen von Mitarbeitern geltende Vorgaben zur monatlichen Regelarbeitszeit. Der persönliche Geltungsbereich dieser Regelungen korrespondiert dabei teilweise mit den „Begriffsbestimmungen“ in § 3 Ziff. 3. (Sicherheitsmitarbeiter im Werkfeuerwehrdienst), Ziff. 5. (Sicherheitsmitarbeiter in militärischen Anlagen) und Ziff. 6. MRTV (Sicherheitsmitarbeiter in besonderen Bereichen). § 6 Ziff. 2. MRTV schließt in Satz 1 hieran an und sieht vor, dass länderspezifisch „zu den Ziffern 1.1. bis 1.8. abweichende monatliche Regelarbeitszeiten“ vereinbart werden können, wobei gemäß Satz 2 die „in Ziffern 1.1. bis 1.8. festgelegten monatlichen Regelarbeitszeiten“ nicht überschritten werden sollen. Nach § 6 Ziff. 2. Satz 3 MRTV können länderspezifische Vereinbarungen von Mehrarbeitszuschlägen „unabhängig von den vorstehenden Regelarbeitszeiten“ getroffen werden. Die Protokollnotiz 2 zum MRTV greift im ersten Spiegelstrich die „in § 6 Ziff. 1.1. bis 1.8. MRTV festgelegte monatliche Regelarbeitszeit“ auf.

16

b) Der aufgezeigte Regelungszusammenhang in § 6 MRTV macht deutlich, dass in § 6 Ziff. 1.1. bis 1.4. MRTV die monatliche Regelarbeitszeit für alle Arbeitnehmer normiert ist, für die weder die besonderen Bestimmungen des § 6 Ziff. 1.5. bis 1.8. MRTV gelten noch länderspezifisch abweichende Vereinbarungen der Regelarbeitszeit getroffen wurden (§ 6 Ziff. 2. MRTV). Nach der § 6 Ziff. 1.1. bis 1.8. MRTV innewohnenden Tarifsystematik muss mithin, falls keine länderspezifischen Regelungen iSv. § 6 Ziff. 2. MRTV vorliegen, für die Beurteilung, was als zuschlagspflichtige Mehrarbeit iSv. § 5 Ziff. 4. TV-SD iVm. § 6 MRTV anzusehen ist, zunächst die „jeweils“ für die konkret betroffene Arbeitnehmergruppe angegebene monatliche Regelarbeitszeit ermittelt werden(vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 358/10 - Rn. 20 zu § 6 MRTV 2006 iVm. § 8 Ziff. 1. MTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Lande Niedersachsen vom 10. Oktober 2005).

17

c) Die monatliche Regelarbeitszeit des Klägers richtete sich im Streitzeitraum nach § 6 Ziff. 1.1. bis 1.4. MRTV, da für ihn keine davon abweichenden Tarifnormen gelten. Für das Bundesland Rheinland-Pfalz bestanden in der Zeit von Mai bis August 2014 keine von § 6 Ziff. 1.1. bis 1.8. MRTV abweichenden Tarifvorschriften zur monatlichen Regelarbeitszeit iSv. § 6 Ziff. 2. MRTV. Die in § 6 Ziff. 1.5. bis 1.8. MRTV geregelten „monatlichen Regelarbeitszeiten“ galten für den Kläger mangels entsprechender Gruppenzugehörigkeit nicht. „Länderspezifische Regelungen“, auf die § 6 Ziff. 1.5. MRTV für kerntechnische Anlagen verweist, waren für den Kläger, der Einrichtungen der US-Armee bewacht hat, ebenso wenig einschlägig wie die für Angestellte geltende Vorgabe in § 6 Ziff. 1.6. MRTV und die Sonderregelungen in § 6 Ziff. 1.7. und Ziff. 1.8. MRTV.

18

2. Nach § 6 Ziff. 1.1. Satz 1 MRTV belief sich für den Kläger die monatliche Regelarbeitszeit im Streitzeitraum auf 208 Stunden. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm.

19

a) Nach dem - für die Auslegung von Tarifverträgen in erster Linie maßgeblichen - Wortlaut der Tarifregelung (st. Rspr., vgl. BAG 2. November 2016 - 10 AZR 615/15 - Rn. 14) und dem allgemeinen Wortverständnis des Adjektivs „täglich“ läge die Soll-Grenze der monatlichen Regelarbeitszeit bei 56 Stunden pro Woche. Bei wörtlichem Verständnis von § 6 Ziff. 1. Satz 1 MRTV wären daher acht Stunden pro Tag und sieben Tage pro Woche (einschließlich Sonntag) zugrunde zu legen. Daraus ergäben sich als nicht zu überschreitende monatliche Regelarbeitszeit 242 Stunden (8 Stunden x 7 Tage x 13 Wochen ./. 3 Monate).

20

b) Indes bedingt die Tarifsystematik zwingend die Auslegung, dass sich die regelmäßige tägliche Arbeitszeit iSv. § 6 Ziff. 1.1. Satz 1 MRTV nicht auf sieben, sondern nur auf sechs Wochentage - unter Einschluss des Sonntags - verteilt. Dies folgt aus § 7 Ziff. 1. Satz 1 MRTV, wonach grundsätzlich eine Freischicht pro Woche gewährt werden muss. Daraus resultiert eine monatliche Regelarbeitszeit von 208 Stunden (6 Tage x 8 Stunden x 13 Wochen ./. 3 Monate).

21

c) Sinn und Zweck der Arbeitszeitregelung bestätigen dieses der Tarifsystematik folgende Auslegungsergebnis. Objekte müssen zumeist an jedem Tag rund um die Uhr bewacht werden, so dass Sonntagsarbeit unerlässlich ist. Diesen den Bedürfnissen der Kunden entsprechenden besonderen Gegebenheiten im Sicherheitsgewerbe haben die Tarifvertragsparteien durch die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit auf alle Tage einschließlich des Sonntags Rechnung getragen (vgl. auch BAG 22. April 2009 - 5 AZR 629/08 - Rn. 15 zu § 2 Ziff. 2. MTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2005). Dem entspricht es, dass § 7 Ziff. 1. Satz 1 MRTV für die Freischicht keinen bestimmten Wochentag vorgibt.

22

d) Dass die regelmäßige Arbeitszeit im Betrieb der Beklagten im Streitzeitraum abweichend von der Regelung in § 6 Ziff. 1.1. MRTV auf weniger als sechs Tage verteilt gewesen ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat insoweit im Kammertermin vor dem Landesarbeitsgericht lediglich behauptet, er werde - abhängig vom Schichtplan und der Anzahl der verfügbaren Mitarbeiter - sowohl im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche als auch im Rahmen einer Sechs-Tage-Woche, manchmal aber auch nur an zwei oder drei Tagen in der Woche eingesetzt. Daraus ergibt sich indes kein Anhaltspunkt für eine generell von § 6 Ziff. 1.1. MRTV abweichende Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit auf weniger als sechs Wochentage.

23

3. Aus § 6 Ziff. 3. MRTV, wonach Vollzeitbeschäftigte „Anspruch auf eine monatliche Arbeitszeit von mindestens 173 Stunden … im Durchschnitt eines Quartals“ haben, folgt entgegen der Auffassung des Klägers keine monatliche Regelarbeitszeit von 173 Stunden.

24

a) Dagegen spricht bereits der Wortlaut der Tarifvorschrift, die einen „Anspruch auf eine monatliche Arbeitszeit“ sowie deren Mindestumfang und damit der Sache nach einen Beschäftigungsanspruch beschreibt (vgl. BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 236/10 - Rn. 54 ff. zu der entsprechenden Regelung in § 2 Ziff. 1. MTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2005). Soweit der Kläger seine gegenteilige Auffassung auf die Entscheidung des Dritten Senats vom 22. Oktober 2002 (- 3 AZR 664/01 -) stützt, übersieht er, dass dem dort zu beurteilenden Sachverhalt eine andere tarifliche Regelung zugrunde lag.

25

b) Auch die Tarifsystematik steht dem Verständnis des Klägers entgegen. Wie die differenzierten Regelungen in § 6 Ziff. 1.1. bis 1.8. MRTV zeigen, gibt es gerade keine einheitliche monatliche Regelarbeitszeit für alle Vollzeitbeschäftigten. Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien gruppenspezifische Regelungen getroffen und allein für Angestellte in § 6 Ziff. 1.6. MRTV eine monatliche Regelarbeitszeit von 173 Stunden festgeschrieben, die „im Durchschnitt des Kalenderjahres“ zu erreichen ist. Diese Regelung wäre entbehrlich gewesen, wenn sich bereits aus § 6 Ziff. 3. MRTV eine monatliche Regelarbeitszeit von 173 Stunden ergäbe.

26

c) Sinn und Zweck des § 6 Ziff. 3. MRTV bestätigen das hier gefundene Auslegungsergebnis. Angesichts des erheblichen Spielraums, der dem Arbeitgeber in § 6 Ziff. 1.1. bis 1.8. MRTV für den Einsatz der Sicherheitsmitarbeiter eingeräumt wird, trägt § 6 Ziff. 3. MRTV dem Bedürfnis nach einem verstetigten Einkommen dieser Arbeitnehmergruppe Rechnung, indem er mindestens 173 - bzw. bei Regeldienst in 24-Stunden-Schichten mindestens 208 - bezahlte Stunden im Monat garantiert, auch wenn der tatsächliche Arbeitseinsatz geringer war. Ausdrücklich klargestellt wird dies im zweiten Spiegelstrich der Protokollnotiz 2, wonach Vollzeitbeschäftigte Anspruch auf Vergütung von mindestens 173 Stunden, bei Regeldienst in 24-Stunden-Schichten von mindestens 208 Stunden für jeden Monat haben.

27

III. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, in Bezug auf die monatliche Regelarbeitszeit so behandelt zu werden wie der Tarifvertrag es in § 6 Ziff. 1.6. MRTV für Angestellte vorsieht. Die tarifvertragliche Differenzierung bei der Regelarbeitszeit verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

28

1. Ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber bei der tariflichen Normsetzung unmittelbar grundrechtsgebunden sind, ist umstritten (ausf. dazu Däubler TVG Ulber 4. Aufl. Einl. Rn. 207 ff.). Der Senat hat diese Frage in der Vergangenheit offengelassen (zuletzt BAG 11. Dezember 2013 - 10 AZR 736/12 - Rn. 14, BAGE 147, 33 - 40). Er schließt sich nunmehr der Auffassung an, wonach die Tarifvertragsparteien beim Abschluss von Tarifverträgen keiner unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegen (Dieterich FS Schaub 1998 S. 117, 120 ff.; ders. FS Wiedemann 2002 S. 229, 235 ff. Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie S. 236 ff.; ErfK/Schmidt 17. Aufl. Einl. GG Rn. 46 ff.; HWK/Henssler 7. Aufl. Einl. TVG Rn. 15; aus der neueren Rechtsprechung: BAG 22. September 2016 - 6 AZR 432/15 - Rn. 22; 14. September 2016 - 4 AZR 456/14 - Rn. 48; 19. Januar 2016 - 9 AZR 564/14 - Rn. 24; 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 31, BAGE 131, 113). Durch den Abschluss von Tarifverträgen üben die Tarifvertragsparteien weder Staatsgewalt iSv. Art. 1 Abs. 3 GG aus noch werden mit Tarifverträgen staatliche Regelungskonzepte verfolgt. Der Abschluss von Tarifverträgen und die damit bewirkte Normsetzung ist vielmehr kollektiv ausgeübte Privatautonomie. Die Tarifvertragsparteien regeln auf dieser Grundlage, mit welchen tarifpolitischen Forderungen sie für ihre Mitglieder tarifvertragliche Regelungen mit welchem Tarifvertragspartner setzen wollen und letztlich vereinbaren (vgl. BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 51, BAGE 151, 235; JKOS/Krause Tarifvertragsrecht 2. Aufl. § 1 Rn. 57 mwN). Als selbständigen Grundrechtsträgern kommt den Tarifvertragsparteien aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie haben eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen. Bei der Lösung tarifpolitischer Konflikte sind sie nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Vereinbarung zu treffen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (BAG 7. Juli 2015 - 10 AZR 939/13 - Rn. 22; vgl. auch BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 32 mwN, aaO).

29

2. Mit der kollektiv ausgeübten privatautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge ist eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien nicht zu vereinbaren. Sie führte zu einer umfassenden Überprüfung tarifvertraglicher Regelungen am Maßstab der Verhältnismäßigkeit und damit zu einer „Tarifzensur“ durch die Arbeitsgerichte (ErfK/Schmidt 17. Aufl. Einl. GG Rn. 47). Da die Grundrechtsgewährung jedoch nicht auf die bloße Abwehr staatlicher Eingriffe beschränkt ist, sondern darüber hinaus den Staat dazu verpflichtet, die Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, dass die einzelnen grundrechtlichen Gewährleistungen wirksam werden können, trifft den Staat die Schutzpflicht, einer Grundrechtsverletzung durch andere Grundrechtsträger entgegenzuwirken (HWK/Henssler 7. Aufl. Einl. TVG Rn. 16 mwN). Dementsprechend verpflichtet die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte die Rechtsprechung dazu, solchen Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen oder eine unangemessene Beschränkung eines grundrechtlichen Freiheitsrechts zur Folge haben (vgl. BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - zu B II 2 c der Gründe, BAGE 111, 8; 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 31, BAGE 131, 113).

30

3. Gemessen an diesen Grundsätzen führt die Regelung in § 6 Ziff. 1.1. MRTV nicht zu einer mit den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Schlechterstellung der Sicherheitsmitarbeiter im Vergleich zu den Angestellten.

31

a) Eine Verletzung des Art. 3 GG liegt vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird als eine andere, obwohl zwischen den Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können(vgl. BVerfG 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06 - Rn. 76). In Bezug auf die gesetzliche Regelung der Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 BGB aF hat das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung des Art. 3 GG bejaht, weil es weder in Bezug auf die Grundfristen noch auf die Fristen bei längerer Beschäftigungsdauer einen die unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten rechtfertigenden Grund gab(vgl. BVerfG 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 - zu C I 4 und 5 der Gründe, BVerfGE 82, 126).

32

b) Die Regelungen in § 6 Ziff. 1.1. und Ziff. 1.6. MRTV unterscheiden zwischen Sicherheitsmitarbeitern und Angestellten. Für Angestellte beträgt die monatliche Regelarbeitszeit nach § 6 Ziff. 1.6. MRTV 173 Stunden, während sie sich nach § 6 Ziff. 1.1. MRTV für Sicherheitsmitarbeiter auf 208 Stunden beläuft. Entgegen der Auffassung des Klägers haben die Tarifvertragsparteien bei dieser Differenzierung jedoch nicht pauschal an den „Status“ als solchen, also an die Zugehörigkeit zu der Gruppe der Arbeiter und der Angestellten angeknüpft. Sie haben vielmehr in Bezug auf die Dauer der monatlichen Regelarbeitszeit erkennbar die mit den unterschiedlichen Arbeitsaufgaben typischerweise einhergehenden unterschiedlichen Lebenssachverhalte in den Blick genommen. Diese sind geeignet, eine unterschiedliche Behandlung der Sicherheitsmitarbeiter und der Angestellten in Bezug auf die Dauer der monatlichen Regelarbeitszeit zu rechtfertigen.

33

aa) Die Tätigkeit des Sicherheitsmitarbeiters iSv. § 3 Ziff. 1. und Ziff. 2. MRTV ist charakterisiert durch Passivphasen, in denen lediglich seine Präsenz an dem ihm vorgegebenen Ort erforderlich ist, ohne dass er in nennenswertem Umfang operative Tätigkeiten ausüben muss. Diese Einschätzung der tatsächlichen Gegebenheiten durch die Tarifvertragsparteien findet ihren Ausdruck in § 6 Ziff. 1.1. Satz 3 MRTV, der - unter Beachtung der in § 6 Ziff. 1.4. MRTV genannten Grenzen - die Verlängerung der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über zehn Stunden täglich gestattet, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt. Des Weiteren zeigen die Regelungen zur Durchführung der 24-stündigen Schichtzeit in § 6 Ziff. 1.7. MRTV, dass die Tarifvertragsparteien sich bei der Regelung der monatlichen Arbeitszeit des hohen Anteils von „passiven“ Arbeitszeiten bewusst waren, der typisch für das Berufsbild des Sicherheitsmitarbeiters ist. Zugleich haben die Tarifvertragsparteien vollzeitbeschäftigten Sicherheitsmitarbeitern, die Regeldienst in 24-Stunden-Schichten leisten, in § 6 Ziff. 3. MRTV einen Anspruch auf eine monatliche Arbeitszeit von mindestens 208 Stunden eingeräumt. Im Gegensatz dazu wird von Angestellten, die ihre Arbeitsleistung in der Regel in einem Büro erbringen, gewöhnlich erwartet, dass sie während der Arbeitszeit durchgehend aktiv sind. Daraus resultiert eine im Vergleich zu den Sicherheitsmitarbeitern höhere körperliche und geistige Belastung der Angestellten während ihrer Arbeitszeit.

34

bb) Wenn die Tarifvertragsparteien, anknüpfend an diesen Befund, für Sicherheitsmitarbeiter längere Regelarbeitszeiten als für Angestellte vorgesehen haben (zur Berücksichtigung der Belastungsintensität durch die Tarifvertragsparteien vgl. BAG 12. Februar 2015 - 10 AZR 72/14 - Rn. 22), so ist dies nicht aus Gleichbehandlungsgründen zu beanstanden. Die Tarifvertragsparteien haben bei den Regelungen zur Arbeitszeit vielmehr ersichtlich den berufstypischen tatsächlichen Besonderheiten im Wach- und Sicherheitsgewerbe Rechnung getragen. Unter Berücksichtigung dieser faktischen Gegebenheiten, der betroffenen Interessen und des vorgenommenen Ausgleichs haben sie dabei die Grenzen der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie nicht überschritten.

35

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    Schlünder    

        

    Brune    

        

        

        

    R. Bicknase    

        

    Rudolph    

                 

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. September 2015 - 2 Sa 96/15 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch über die Bezahlung von Mehrarbeitszuschlägen für die Monate Mai bis August 2014.

2

Die Beklagte bietet bundesweit Sicherheitsdienstleistungen an. Der bei ihr beschäftigte Kläger war im Streitzeitraum als Sicherheitsmitarbeiter im Schichtdienst eingesetzt. Seine Tätigkeit bestand in der Bewachung von Objekten der US-Streitkräfte in Rheinland-Pfalz.

3

Nach Ziff. 1. des Arbeitsvertrags vom 27. November 2007 sind „die zwischen dem … und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgeschlossenen Tarifverträge für das Bundesland Rheinland-Pfalz ohne Einschränkung anwendbar.“ Die Landesgruppe Rheinland-Pfalz/Saarland des Bundesverbands, der seit Mitte 2011 „Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW)“ heißt, schloss mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Landesbezirk Rheinland-Pfalz und Saarland, den Tarifvertrag vom 7. März 2014 für Sicherheitsdienstleistungen in den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Saarland (im Folgenden TV-SD) ab. Dieser trat mit Wirkung zum 1. Januar 2014 in Kraft und enthält ua. folgende Regelung:

        

§ 5   

Sonn-, Feiertags- und Mehrarbeitszuschläge

        

 1.     

Für die Arbeit an Sonntagen ist ein Zuschlag von 25 % zum Stundengrundentgelt zu zahlen. Als Sonntagsarbeit gilt Arbeit in der Zeit von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr.

        

…       

        
        

 4.     

Übersteigt die monatliche Arbeitszeit die im Mantelrahmentarifvertrag vom 30. August 2011 für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland jeweils angegebene monatliche Regelarbeitszeit, ist ein Zuschlag von 25 % zum Stundengrundentgelt zu zahlen.“

4

Im Mantelrahmentarifvertrag vom 30. August 2011 für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden MRTV) heißt es auszugsweise:

        

§ 6   

Arbeitszeit

        

1.1.   

Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit soll 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann ohne Vorliegen von Arbeitsbereitschaft auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 12 Kalendermonaten im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Darüber hinaus kann die Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über 10 Stunden täglich verlängert werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt.

        

1.2.   

Die tägliche Ruhezeit beträgt 11, mindestens jedoch 9 Stunden. Eine Verkürzung der 11-stündigen Ruhezeit ist nur dann zulässig, wenn ein Ausgleich innerhalb von 3 Monaten vorgenommen wird.

        

1.3.   

Bei Kurzeinsätzen besteht ein Vergütungsanspruch von mindestens 4 Stunden. Diese Regelung gilt nicht für Beschäftigte mit Arbeitsverträgen, in denen eine kapazitätsorientierte und/oder variable Arbeitszeit vereinbart ist.

        

1.4.   

Die monatliche Regelarbeitszeit kann wie folgt ausgedehnt werden:

                 

bis 31.12.2012

bis zu 248 Stunden

                 

ab 01.01.2013 bis 31.12.2014

bis zu 240 Stunden

                 

ab 01.01.2015 bis 31.12.2015

bis zu 232 Stunden

                 

ab 01.01.2016

bis zu 228 Stunden

        

1.5.   

Für kerntechnische Anlagen gelten die Arbeitszeitregelungen der länderspezifischen Tarifverträge unter Berücksichtigung der Ziffern 1.1., 1.2., 1.7. und 2. dieses Paragrafen.

        

1.6.   

Die monatliche Regelarbeitszeit für Angestellte beträgt 173 Stunden im Durchschnitt des Kalenderjahres.

        

1.7.   

Abweichend von Ziffern 1.1. und 1.4. dieses Paragrafen kann im Werkfeuerwehrdienst und im Objektschutzdienst bei der Bewachung militärischer Anlagen mit Ausnahme von Einrichtungen der US-Armee die 24-stündige Schichtzeit durchgeführt werden. Die 24-Stunden-Schicht kann dann durchgeführt werden, wenn mindestens eine Arbeitsbereitschaft von 50 % (12 Stunden) vorliegt. … Im 24-Stunden-Schichtdienst kann die regelmäßige monatliche Arbeitszeit auf bis zu 12 Schichten im Werkfeuerwehrdienst und auf bis zu 11 Schichten im Objektschutzdienst bei der Bewachung militärischer Anlagen mit Ausnahme der US-Armee ausgedehnt werden. Im Übrigen gelten die Regelungen der Ziffern 1.1. bis 1.8. unverändert.

        

1.8.   

Abweichend von Ziffer 1.2. beträgt die Ruhezeit nach einer 24-Stunden-Schicht in der Regel 24 Stunden.

        

2.    

Länderspezifisch können zu den Ziffern 1.1. bis 1.8. abweichende monatliche Regelarbeitszeiten vereinbart werden. Die in Ziffern 1.1. bis 1.8. festgelegten monatlichen Regelarbeitszeiten sollen dabei nicht überschritten werden. Mehrarbeitszeitzuschläge können länderspezifisch unabhängig von den vorstehenden Regelarbeitszeiten vereinbart werden.

        

3.    

Vollzeitbeschäftigte haben einen Anspruch auf eine monatliche Arbeitszeit von mindestens 173 Stunden, bei Regeldienst in 24-Stunden-Schichten auf mindestens 208 Stunden, im Durchschnitt eines Quartals. Bei Eintritt oder Ausscheiden innerhalb des Quartals gilt als Bezugszeitraum die Zeit der Beschäftigung innerhalb dieses Quartals.

        

…       

        
        

§ 7     

Freizeit

        

1.    

Jeder Arbeitnehmer hat pro Woche Anspruch auf mindestens eine unbezahlte Freischicht. …

        

2.    

Abweichend von § 11 Abs. 3 des Arbeitszeitgesetzes ist für die Arbeit an einem auf einen Werktag fallenden Feiertag kein Ersatzruhetag zu gewähren.“

5

Die von beiden Tarifvertragsparteien unterschriebene Protokollnotiz 2 zum MRTV lautet auszugsweise:

        

„Die Tarifvertragsparteien sind sich über die folgenden Ergänzungen zu § 6 Ziffer 5. des … einig:

        

Arbeitszeitkonten müssen zu Gunsten der Arbeitnehmer mindestens nachstehende Bedingungen enthalten:

        

-       

Im Durchschnitt von 12 Monaten darf die in § 6 Ziffern 1.1. bis 1.8 MRTV festgelegte monatliche Regelarbeitszeit nicht überschritten werden.

        

-       

Vollzeitbeschäftigte haben einen Anspruch auf Vergütung von mindestens 173 Stunden, bei Regeldienst in 24-Stunden-Schichten von mindestens 208 Stunden für jeden Monat.“

6

In einem an alle Mitarbeiter der Bewachungsobjekte in Rheinland-Pfalz gerichteten schriftlichen „Memorandum“ vom 30. Juni 2014 versprach die Geschäftsleitung der Beklagten, für die Monate Juli 2014 und August 2014 ab der 191. Arbeitsstunde einen 25 %igen Zuschlag zum Stundengrundentgelt zu zahlen. Der Kläger leistete im Mai 2014 176,03 Stunden, im Juni 2014 189,01 Stunden, im Juli 2014 192,85 Stunden und im August 2014 194 Stunden.

7

Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen für die ab der 174. Stunde je Monat geleisteten Arbeitsstunden in der Zeit von Mai bis August 2014 verlangt. Er hat gemeint, seine „monatliche Regelarbeitszeit“ betrage nach § 6 Ziff. 1.1. Satz 1 MRTV 173 Stunden. Überdies müsse schon aus Gleichbehandlungsgründen die nach § 6 Ziff. 1.6. MRTV für Angestellte vorgesehene monatliche Regelarbeitszeit von 173 Stunden auch für ihn als Arbeiter gelten.

8

Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 128,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und gemeint, nach § 6 Ziff. 1.1. MRTV gelte für den Kläger - ausgehend von sechs Arbeitstagen pro Woche und einer täglichen Arbeitszeit von acht Stunden - eine monatliche Regelarbeitszeit von 208 Stunden. Die kürzere monatliche Regelarbeitszeit der Angestellten beruhe darauf, dass diese im Gegensatz zu den Sicherheitsmitarbeitern regelmäßig nicht „rund um die Uhr“ und an Wochenenden zur Verfügung stehen müssten.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte aufgrund der Zusage in dem „Memorandum“ zur Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen für die 190 übersteigenden Arbeitsstunden im Juli 2014 und August 2014 verurteilt. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine darüber hinaus gehenden Forderungen weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger in den Monaten Mai bis August 2014 kein weiterer Anspruch auf Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen nach § 5 Ziff. 4. TV-SD zusteht, da seine monatliche Arbeitszeit die im MRTV angegebene monatliche Regelarbeitszeit nicht überstiegen hat. Die in § 6 Ziff. 1.6. MRTV für Angestellte vorgesehene monatliche Regelarbeitszeit von 173 Stunden gilt nicht für das Arbeitsverhältnis des Klägers.

12

I. Der TV-SD findet aufgrund der Verweisung in Ziff. 1. des Arbeitsvertrags vom 27. November 2007 auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung. Der räumliche, fachliche und persönliche Geltungsbereich ist nach § 1 Ziff. 1. bis 3. TV-SD eröffnet.

13

II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen 25 %igen Zuschlag zum Stundenentgelt nach § 5 Ziff. 4. TV-SD. Seine Arbeitszeit hat im Streitzeitraum die monatliche Regelarbeitszeit des Klägers von 208 Stunden nicht überstiegen.

14

1. Die „im Mantelrahmentarifvertrag … jeweils angegebene monatliche Regelarbeitszeit“ iSv. § 5 Ziff. 4. TV-SD ergibt sich aus Wortlaut und Systematik der Regelungen zur „Arbeitszeit“ in § 6 Ziff. 1.1. bis 1.8. MRTV.

15

a) Der MRTV bestimmt in § 6 Ziff. 1.1. Satz 1 MRTV zunächst, dass die „regelmäßige tägliche Arbeitszeit“ acht Stunden nicht überschreiten soll. Im Weiteren finden sich in § 6 Ziff. 1.1. MRTV Regelungen zur Verlängerung der täglichen Arbeitszeit. Ergänzend dazu enthalten § 6 Ziff. 1.2. und Ziff. 1.3. MRTV Bestimmungen zur Dauer der täglichen Ruhezeit und zum Vergütungsanspruch bei Kurzeinsätzen. § 6 Ziff. 1.4. MRTV legt sodann fest, dass die „monatliche Regelarbeitszeit“ bis zu den dort genannten Höchstgrenzen ausgedehnt werden kann. § 6 Ziff. 1.5. bis 1.8. MRTV enthalten differenzierte, jeweils für spezielle Gruppen von Mitarbeitern geltende Vorgaben zur monatlichen Regelarbeitszeit. Der persönliche Geltungsbereich dieser Regelungen korrespondiert dabei teilweise mit den „Begriffsbestimmungen“ in § 3 Ziff. 3. (Sicherheitsmitarbeiter im Werkfeuerwehrdienst), Ziff. 5. (Sicherheitsmitarbeiter in militärischen Anlagen) und Ziff. 6. MRTV (Sicherheitsmitarbeiter in besonderen Bereichen). § 6 Ziff. 2. MRTV schließt in Satz 1 hieran an und sieht vor, dass länderspezifisch „zu den Ziffern 1.1. bis 1.8. abweichende monatliche Regelarbeitszeiten“ vereinbart werden können, wobei gemäß Satz 2 die „in Ziffern 1.1. bis 1.8. festgelegten monatlichen Regelarbeitszeiten“ nicht überschritten werden sollen. Nach § 6 Ziff. 2. Satz 3 MRTV können länderspezifische Vereinbarungen von Mehrarbeitszuschlägen „unabhängig von den vorstehenden Regelarbeitszeiten“ getroffen werden. Die Protokollnotiz 2 zum MRTV greift im ersten Spiegelstrich die „in § 6 Ziff. 1.1. bis 1.8. MRTV festgelegte monatliche Regelarbeitszeit“ auf.

16

b) Der aufgezeigte Regelungszusammenhang in § 6 MRTV macht deutlich, dass in § 6 Ziff. 1.1. bis 1.4. MRTV die monatliche Regelarbeitszeit für alle Arbeitnehmer normiert ist, für die weder die besonderen Bestimmungen des § 6 Ziff. 1.5. bis 1.8. MRTV gelten noch länderspezifisch abweichende Vereinbarungen der Regelarbeitszeit getroffen wurden (§ 6 Ziff. 2. MRTV). Nach der § 6 Ziff. 1.1. bis 1.8. MRTV innewohnenden Tarifsystematik muss mithin, falls keine länderspezifischen Regelungen iSv. § 6 Ziff. 2. MRTV vorliegen, für die Beurteilung, was als zuschlagspflichtige Mehrarbeit iSv. § 5 Ziff. 4. TV-SD iVm. § 6 MRTV anzusehen ist, zunächst die „jeweils“ für die konkret betroffene Arbeitnehmergruppe angegebene monatliche Regelarbeitszeit ermittelt werden(vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 358/10 - Rn. 20 zu § 6 MRTV 2006 iVm. § 8 Ziff. 1. MTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Lande Niedersachsen vom 10. Oktober 2005).

17

c) Die monatliche Regelarbeitszeit des Klägers richtete sich im Streitzeitraum nach § 6 Ziff. 1.1. bis 1.4. MRTV, da für ihn keine davon abweichenden Tarifnormen gelten. Für das Bundesland Rheinland-Pfalz bestanden in der Zeit von Mai bis August 2014 keine von § 6 Ziff. 1.1. bis 1.8. MRTV abweichenden Tarifvorschriften zur monatlichen Regelarbeitszeit iSv. § 6 Ziff. 2. MRTV. Die in § 6 Ziff. 1.5. bis 1.8. MRTV geregelten „monatlichen Regelarbeitszeiten“ galten für den Kläger mangels entsprechender Gruppenzugehörigkeit nicht. „Länderspezifische Regelungen“, auf die § 6 Ziff. 1.5. MRTV für kerntechnische Anlagen verweist, waren für den Kläger, der Einrichtungen der US-Armee bewacht hat, ebenso wenig einschlägig wie die für Angestellte geltende Vorgabe in § 6 Ziff. 1.6. MRTV und die Sonderregelungen in § 6 Ziff. 1.7. und Ziff. 1.8. MRTV.

18

2. Nach § 6 Ziff. 1.1. Satz 1 MRTV belief sich für den Kläger die monatliche Regelarbeitszeit im Streitzeitraum auf 208 Stunden. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm.

19

a) Nach dem - für die Auslegung von Tarifverträgen in erster Linie maßgeblichen - Wortlaut der Tarifregelung (st. Rspr., vgl. BAG 2. November 2016 - 10 AZR 615/15 - Rn. 14) und dem allgemeinen Wortverständnis des Adjektivs „täglich“ läge die Soll-Grenze der monatlichen Regelarbeitszeit bei 56 Stunden pro Woche. Bei wörtlichem Verständnis von § 6 Ziff. 1. Satz 1 MRTV wären daher acht Stunden pro Tag und sieben Tage pro Woche (einschließlich Sonntag) zugrunde zu legen. Daraus ergäben sich als nicht zu überschreitende monatliche Regelarbeitszeit 242 Stunden (8 Stunden x 7 Tage x 13 Wochen ./. 3 Monate).

20

b) Indes bedingt die Tarifsystematik zwingend die Auslegung, dass sich die regelmäßige tägliche Arbeitszeit iSv. § 6 Ziff. 1.1. Satz 1 MRTV nicht auf sieben, sondern nur auf sechs Wochentage - unter Einschluss des Sonntags - verteilt. Dies folgt aus § 7 Ziff. 1. Satz 1 MRTV, wonach grundsätzlich eine Freischicht pro Woche gewährt werden muss. Daraus resultiert eine monatliche Regelarbeitszeit von 208 Stunden (6 Tage x 8 Stunden x 13 Wochen ./. 3 Monate).

21

c) Sinn und Zweck der Arbeitszeitregelung bestätigen dieses der Tarifsystematik folgende Auslegungsergebnis. Objekte müssen zumeist an jedem Tag rund um die Uhr bewacht werden, so dass Sonntagsarbeit unerlässlich ist. Diesen den Bedürfnissen der Kunden entsprechenden besonderen Gegebenheiten im Sicherheitsgewerbe haben die Tarifvertragsparteien durch die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit auf alle Tage einschließlich des Sonntags Rechnung getragen (vgl. auch BAG 22. April 2009 - 5 AZR 629/08 - Rn. 15 zu § 2 Ziff. 2. MTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2005). Dem entspricht es, dass § 7 Ziff. 1. Satz 1 MRTV für die Freischicht keinen bestimmten Wochentag vorgibt.

22

d) Dass die regelmäßige Arbeitszeit im Betrieb der Beklagten im Streitzeitraum abweichend von der Regelung in § 6 Ziff. 1.1. MRTV auf weniger als sechs Tage verteilt gewesen ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat insoweit im Kammertermin vor dem Landesarbeitsgericht lediglich behauptet, er werde - abhängig vom Schichtplan und der Anzahl der verfügbaren Mitarbeiter - sowohl im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche als auch im Rahmen einer Sechs-Tage-Woche, manchmal aber auch nur an zwei oder drei Tagen in der Woche eingesetzt. Daraus ergibt sich indes kein Anhaltspunkt für eine generell von § 6 Ziff. 1.1. MRTV abweichende Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit auf weniger als sechs Wochentage.

23

3. Aus § 6 Ziff. 3. MRTV, wonach Vollzeitbeschäftigte „Anspruch auf eine monatliche Arbeitszeit von mindestens 173 Stunden … im Durchschnitt eines Quartals“ haben, folgt entgegen der Auffassung des Klägers keine monatliche Regelarbeitszeit von 173 Stunden.

24

a) Dagegen spricht bereits der Wortlaut der Tarifvorschrift, die einen „Anspruch auf eine monatliche Arbeitszeit“ sowie deren Mindestumfang und damit der Sache nach einen Beschäftigungsanspruch beschreibt (vgl. BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 236/10 - Rn. 54 ff. zu der entsprechenden Regelung in § 2 Ziff. 1. MTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2005). Soweit der Kläger seine gegenteilige Auffassung auf die Entscheidung des Dritten Senats vom 22. Oktober 2002 (- 3 AZR 664/01 -) stützt, übersieht er, dass dem dort zu beurteilenden Sachverhalt eine andere tarifliche Regelung zugrunde lag.

25

b) Auch die Tarifsystematik steht dem Verständnis des Klägers entgegen. Wie die differenzierten Regelungen in § 6 Ziff. 1.1. bis 1.8. MRTV zeigen, gibt es gerade keine einheitliche monatliche Regelarbeitszeit für alle Vollzeitbeschäftigten. Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien gruppenspezifische Regelungen getroffen und allein für Angestellte in § 6 Ziff. 1.6. MRTV eine monatliche Regelarbeitszeit von 173 Stunden festgeschrieben, die „im Durchschnitt des Kalenderjahres“ zu erreichen ist. Diese Regelung wäre entbehrlich gewesen, wenn sich bereits aus § 6 Ziff. 3. MRTV eine monatliche Regelarbeitszeit von 173 Stunden ergäbe.

26

c) Sinn und Zweck des § 6 Ziff. 3. MRTV bestätigen das hier gefundene Auslegungsergebnis. Angesichts des erheblichen Spielraums, der dem Arbeitgeber in § 6 Ziff. 1.1. bis 1.8. MRTV für den Einsatz der Sicherheitsmitarbeiter eingeräumt wird, trägt § 6 Ziff. 3. MRTV dem Bedürfnis nach einem verstetigten Einkommen dieser Arbeitnehmergruppe Rechnung, indem er mindestens 173 - bzw. bei Regeldienst in 24-Stunden-Schichten mindestens 208 - bezahlte Stunden im Monat garantiert, auch wenn der tatsächliche Arbeitseinsatz geringer war. Ausdrücklich klargestellt wird dies im zweiten Spiegelstrich der Protokollnotiz 2, wonach Vollzeitbeschäftigte Anspruch auf Vergütung von mindestens 173 Stunden, bei Regeldienst in 24-Stunden-Schichten von mindestens 208 Stunden für jeden Monat haben.

27

III. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, in Bezug auf die monatliche Regelarbeitszeit so behandelt zu werden wie der Tarifvertrag es in § 6 Ziff. 1.6. MRTV für Angestellte vorsieht. Die tarifvertragliche Differenzierung bei der Regelarbeitszeit verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

28

1. Ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber bei der tariflichen Normsetzung unmittelbar grundrechtsgebunden sind, ist umstritten (ausf. dazu Däubler TVG Ulber 4. Aufl. Einl. Rn. 207 ff.). Der Senat hat diese Frage in der Vergangenheit offengelassen (zuletzt BAG 11. Dezember 2013 - 10 AZR 736/12 - Rn. 14, BAGE 147, 33 - 40). Er schließt sich nunmehr der Auffassung an, wonach die Tarifvertragsparteien beim Abschluss von Tarifverträgen keiner unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegen (Dieterich FS Schaub 1998 S. 117, 120 ff.; ders. FS Wiedemann 2002 S. 229, 235 ff. Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie S. 236 ff.; ErfK/Schmidt 17. Aufl. Einl. GG Rn. 46 ff.; HWK/Henssler 7. Aufl. Einl. TVG Rn. 15; aus der neueren Rechtsprechung: BAG 22. September 2016 - 6 AZR 432/15 - Rn. 22; 14. September 2016 - 4 AZR 456/14 - Rn. 48; 19. Januar 2016 - 9 AZR 564/14 - Rn. 24; 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 31, BAGE 131, 113). Durch den Abschluss von Tarifverträgen üben die Tarifvertragsparteien weder Staatsgewalt iSv. Art. 1 Abs. 3 GG aus noch werden mit Tarifverträgen staatliche Regelungskonzepte verfolgt. Der Abschluss von Tarifverträgen und die damit bewirkte Normsetzung ist vielmehr kollektiv ausgeübte Privatautonomie. Die Tarifvertragsparteien regeln auf dieser Grundlage, mit welchen tarifpolitischen Forderungen sie für ihre Mitglieder tarifvertragliche Regelungen mit welchem Tarifvertragspartner setzen wollen und letztlich vereinbaren (vgl. BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 51, BAGE 151, 235; JKOS/Krause Tarifvertragsrecht 2. Aufl. § 1 Rn. 57 mwN). Als selbständigen Grundrechtsträgern kommt den Tarifvertragsparteien aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie haben eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen. Bei der Lösung tarifpolitischer Konflikte sind sie nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Vereinbarung zu treffen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (BAG 7. Juli 2015 - 10 AZR 939/13 - Rn. 22; vgl. auch BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 32 mwN, aaO).

29

2. Mit der kollektiv ausgeübten privatautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge ist eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien nicht zu vereinbaren. Sie führte zu einer umfassenden Überprüfung tarifvertraglicher Regelungen am Maßstab der Verhältnismäßigkeit und damit zu einer „Tarifzensur“ durch die Arbeitsgerichte (ErfK/Schmidt 17. Aufl. Einl. GG Rn. 47). Da die Grundrechtsgewährung jedoch nicht auf die bloße Abwehr staatlicher Eingriffe beschränkt ist, sondern darüber hinaus den Staat dazu verpflichtet, die Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, dass die einzelnen grundrechtlichen Gewährleistungen wirksam werden können, trifft den Staat die Schutzpflicht, einer Grundrechtsverletzung durch andere Grundrechtsträger entgegenzuwirken (HWK/Henssler 7. Aufl. Einl. TVG Rn. 16 mwN). Dementsprechend verpflichtet die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte die Rechtsprechung dazu, solchen Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen oder eine unangemessene Beschränkung eines grundrechtlichen Freiheitsrechts zur Folge haben (vgl. BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - zu B II 2 c der Gründe, BAGE 111, 8; 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 31, BAGE 131, 113).

30

3. Gemessen an diesen Grundsätzen führt die Regelung in § 6 Ziff. 1.1. MRTV nicht zu einer mit den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Schlechterstellung der Sicherheitsmitarbeiter im Vergleich zu den Angestellten.

31

a) Eine Verletzung des Art. 3 GG liegt vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird als eine andere, obwohl zwischen den Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können(vgl. BVerfG 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06 - Rn. 76). In Bezug auf die gesetzliche Regelung der Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 BGB aF hat das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung des Art. 3 GG bejaht, weil es weder in Bezug auf die Grundfristen noch auf die Fristen bei längerer Beschäftigungsdauer einen die unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten rechtfertigenden Grund gab(vgl. BVerfG 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 - zu C I 4 und 5 der Gründe, BVerfGE 82, 126).

32

b) Die Regelungen in § 6 Ziff. 1.1. und Ziff. 1.6. MRTV unterscheiden zwischen Sicherheitsmitarbeitern und Angestellten. Für Angestellte beträgt die monatliche Regelarbeitszeit nach § 6 Ziff. 1.6. MRTV 173 Stunden, während sie sich nach § 6 Ziff. 1.1. MRTV für Sicherheitsmitarbeiter auf 208 Stunden beläuft. Entgegen der Auffassung des Klägers haben die Tarifvertragsparteien bei dieser Differenzierung jedoch nicht pauschal an den „Status“ als solchen, also an die Zugehörigkeit zu der Gruppe der Arbeiter und der Angestellten angeknüpft. Sie haben vielmehr in Bezug auf die Dauer der monatlichen Regelarbeitszeit erkennbar die mit den unterschiedlichen Arbeitsaufgaben typischerweise einhergehenden unterschiedlichen Lebenssachverhalte in den Blick genommen. Diese sind geeignet, eine unterschiedliche Behandlung der Sicherheitsmitarbeiter und der Angestellten in Bezug auf die Dauer der monatlichen Regelarbeitszeit zu rechtfertigen.

33

aa) Die Tätigkeit des Sicherheitsmitarbeiters iSv. § 3 Ziff. 1. und Ziff. 2. MRTV ist charakterisiert durch Passivphasen, in denen lediglich seine Präsenz an dem ihm vorgegebenen Ort erforderlich ist, ohne dass er in nennenswertem Umfang operative Tätigkeiten ausüben muss. Diese Einschätzung der tatsächlichen Gegebenheiten durch die Tarifvertragsparteien findet ihren Ausdruck in § 6 Ziff. 1.1. Satz 3 MRTV, der - unter Beachtung der in § 6 Ziff. 1.4. MRTV genannten Grenzen - die Verlängerung der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über zehn Stunden täglich gestattet, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt. Des Weiteren zeigen die Regelungen zur Durchführung der 24-stündigen Schichtzeit in § 6 Ziff. 1.7. MRTV, dass die Tarifvertragsparteien sich bei der Regelung der monatlichen Arbeitszeit des hohen Anteils von „passiven“ Arbeitszeiten bewusst waren, der typisch für das Berufsbild des Sicherheitsmitarbeiters ist. Zugleich haben die Tarifvertragsparteien vollzeitbeschäftigten Sicherheitsmitarbeitern, die Regeldienst in 24-Stunden-Schichten leisten, in § 6 Ziff. 3. MRTV einen Anspruch auf eine monatliche Arbeitszeit von mindestens 208 Stunden eingeräumt. Im Gegensatz dazu wird von Angestellten, die ihre Arbeitsleistung in der Regel in einem Büro erbringen, gewöhnlich erwartet, dass sie während der Arbeitszeit durchgehend aktiv sind. Daraus resultiert eine im Vergleich zu den Sicherheitsmitarbeitern höhere körperliche und geistige Belastung der Angestellten während ihrer Arbeitszeit.

34

bb) Wenn die Tarifvertragsparteien, anknüpfend an diesen Befund, für Sicherheitsmitarbeiter längere Regelarbeitszeiten als für Angestellte vorgesehen haben (zur Berücksichtigung der Belastungsintensität durch die Tarifvertragsparteien vgl. BAG 12. Februar 2015 - 10 AZR 72/14 - Rn. 22), so ist dies nicht aus Gleichbehandlungsgründen zu beanstanden. Die Tarifvertragsparteien haben bei den Regelungen zur Arbeitszeit vielmehr ersichtlich den berufstypischen tatsächlichen Besonderheiten im Wach- und Sicherheitsgewerbe Rechnung getragen. Unter Berücksichtigung dieser faktischen Gegebenheiten, der betroffenen Interessen und des vorgenommenen Ausgleichs haben sie dabei die Grenzen der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie nicht überschritten.

35

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    Schlünder    

        

    Brune    

        

        

        

    R. Bicknase    

        

    Rudolph    

                 

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 27. September 2013 - 8 Sa 636/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten tariflichen Zusatzurlaub für im Jahr 2010 geleistete Nachtarbeit.

2

Die Klägerin arbeitet seit 1999 bei der Beklagten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20,5 Stunden an drei Tagen in der Woche als Altenpflegehelferin. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Tarifgebundenheit beider Parteien der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) einschließlich des Besonderen Teils Pflege- und Betreuungseinrichtungen (BT-B) vom 1. August 2006 in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.

3

Die Klägerin leistete im Jahr 2010 in unterschiedlichem Umfang Wechselschichtarbeit, Schichtarbeit und Nachtarbeit. Die Beklagte gewährte ihr hierfür unter Berücksichtigung ihrer Teilzeittätigkeit insgesamt zwei Tage tariflichen Zusatzurlaub für dieses Kalenderjahr. Die durchgeschriebene Fassung des TVöD für den Dienstleistungsbereich Pflege- und Betreuungseinrichtungen im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-B) beinhaltete im Streitzeitraum diesbezüglich folgende Regelungen:

        

§ 7   

        

Sonderformen der Arbeit

        

(1)     

Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan/Dienstplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen die/der Beschäftigte längstens nach Ablauf eines Monats erneut zu mindestens zwei Nachtschichten herangezogen wird. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Nachtschichten sind Arbeitsschichten, die mindestens zwei Stunden Nachtarbeit umfassen.

        

(2)     

Schichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit um mindestens zwei Stunden in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht, und die innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet wird.

        

…       

        
        

(5)     

Nachtarbeit ist die Arbeit zwischen 21 Uhr und 6 Uhr.

        

…       

        
        

§ 26   

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr ...

                 

Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden. …

        

(2)     

Im Übrigen gilt das Bundesurlaubsgesetz mit folgenden Maßgaben:

                 

a)    

Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er bis zum 31. Mai anzutreten.

                 

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

[nicht besetzt]

        

(3)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschichtarbeit und nicht ständiger Schichtarbeit soll bei annähernd gleicher Belastung die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage durch Betriebs-/Dienstvereinbarung geregelt werden.

        

(3.1) 

Beschäftigte erhalten bei einer Leistung im Kalenderjahr von mindestens

                 

150 Nachtarbeitsstunden

1 Arbeitstag

                 

300 Nachtarbeitsstunden

2 Arbeitstage

                 

450 Nachtarbeitsstunden

3 Arbeitstage

                 

600 Nachtarbeitsstunden

4 Arbeitstage

                 

Zusatzurlaub im Kalenderjahr. Nachtarbeitsstunden, die in Zeiträumen geleistet werden, für die Zusatzurlaub für Wechselschicht- oder Schichtarbeit zusteht, bleiben unberücksichtigt.

        

(3.2) 

Bei Anwendung des Absatzes 3.1 werden nur die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit (§ 6) in der Zeit zwischen 21 Uhr und 6 Uhr dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich geleisteten Nachtarbeitsstunden berücksichtigt.

        

(3.3) 

Bei Teilzeitbeschäftigten ist die Zahl der nach Absatz 3.1 geforderten Nachtarbeitsstunden entsprechend dem Verhältnis ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter zu kürzen. Ist die vereinbarte Arbeitszeit im Durchschnitt des Urlaubsjahres auf weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, ist der Zusatzurlaub in entsprechender Anwendung des § 26 Abs. 1 Sätze 4 und 5 zu ermitteln.

        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage, bei Zusatzurlaub wegen Wechselschichtarbeit 36 Tage, nicht überschreiten. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

(5)     

Im Übrigen gilt § 26 mit Ausnahme von Absatz 2 Buchst. b entsprechend.

        

Protokollerklärung zu den Absätzen 1, 2 und 3.1:

        

1.    

Der Anspruch auf Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 bemisst sich nach der abgeleisteten Schicht- oder Wechselschichtarbeit und entsteht im laufenden Jahr, sobald die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt sind. Für die Feststellung, ob ständige Wechselschichtarbeit oder ständige Schichtarbeit vorliegt, ist eine Unterbrechung durch Arbeitsbefreiung, Freizeitausgleich, bezahlten Urlaub oder Arbeitsunfähigkeit in den Grenzen des § 22 unschädlich.

        

2.    

Der Anspruch auf Zusatzurlaub nach Absatz 3.1 bemisst sich nach den abgeleisteten Nachtarbeitsstunden und entsteht im laufenden Jahr, sobald die Voraussetzungen nach Absatz 3.1 Satz 1 erfüllt sind.“

4

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stünden insgesamt vier Tage Zusatzurlaub für das Kalenderjahr 2010 zu. Wegen der insbesondere in den Monaten November und Dezember 2010 erbrachten Nachtarbeitsstunden habe sie Anspruch auf weitere Zusatzurlaubstage. Die Beklagte dürfe die Monate November und Dezember 2010 nicht kalenderjahresübergreifend mit den Monaten Januar und Februar 2011 zu einem „Zusatzurlaubstagszeitraum“ für vier zusammenhängende Monate Schichtarbeit zusammenziehen. Der Zusatzurlaub wegen Nachtarbeitsstunden sei vielmehr nach der tariflichen Regelung auf das Kalenderjahr beschränkt.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihr zwei weitere Tage Zusatzurlaub für das Jahr 2010 zu gewähren.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, der Klägerin stehe für den Zeitraum von November 2010 bis Februar 2011 wegen vier zusammenhängender Monate Schichtarbeit ein weiterer Zusatzurlaubstag für das Jahr 2011 zu. Die Klägerin könne daher für die im November und Dezember 2010 geleisteten Nachtarbeitsstunden gemäß § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B keinen Zusatzurlaubstag verlangen. Es sei kalenderjahresübergreifend eine vorrangige Prüfung der Zusatzurlaubsansprüche für Wechselschicht- oder Schichtarbeit vor der Gewährung von Zusatzurlaub für Nachtarbeit durchzuführen.

7

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Endurteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

9

I. Der auf Gewährung von zwei weiteren Tagen Zusatzurlaub für das Jahr 2010 gerichtete Leistungsantrag ist zulässig. Der Antrag genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Klagen, mit denen der Arbeitgeber zur Gewährung einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen ab einem in der Zukunft liegenden, nicht näher genannten Zeitpunkt verurteilt werden soll, sind zulässig (st. Rspr., zB BAG 18. März 2014 - 9 AZR 669/12 - Rn. 12 mwN).

10

II. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von zwei weiteren Tagen tariflichen Zusatzurlaub für das Jahr 2010. Zwar hat die Klägerin insbesondere in den Monaten November und Dezember 2010 Nachtarbeitsstunden geleistet. Diese bleiben jedoch gemäß § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B für Zusatzurlaubstage unberücksichtigt. Sie wurden in Zeiträumen geleistet, für die der Klägerin Zusatzurlaub wegen Schichtarbeit gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. b TVöD-B zusteht.

11

1. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 16. Juli 2014 (- 10 AZR 752/13 -) eingehend begründet hat, ergibt die Auslegung des § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B, dass mit „Zeiträumen“ die in § 27 Abs. 1 TVöD-B genannten Monatszeiträume gemeint sind, für die dem Beschäftigten Zusatzurlaub für ständige Wechselschicht- bzw. ständige Schichtarbeit zusteht.

12

a) Schon der Wortlaut des § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B spricht für diese Auslegung. Unter „Zeiträumen“ werden im allgemeinen Sprachgebrauch mehr oder weniger ausgedehnte Zeitspannen verstanden, deren Beginn und Ende zeitlich festgelegt sind. Zeitspannen für die Berechnung des Zusatzurlaubs für Wechselschicht- und Schichtarbeit haben die Tarifvertragsparteien in § 27 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b TVöD-B definiert und in diesem Zusammenhang auf „je zwei“ und „je vier zusammenhängende Monate“ abgestellt. Indem die Tarifvertragsparteien in § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B angeordnet haben, dass die in „Zeiträumen“ geleisteten Stunden unberücksichtigt bleiben, „für die Zusatzurlaub für Wechselschicht- und Schichtarbeit zusteht“, haben sie inhaltlich auf die Regelung in Abs. 1 Bezug genommen und damit zum Ausdruck gebracht, dass auf die dort definierten, nach Monaten bemessenen Zeitspannen abzustellen ist (vgl. BAG 16. Juli 2014 - 10 AZR 752/13 - Rn. 14).

13

b) Diese Auslegung wird durch die Tarifsystematik unterstützt. § 27 TVöD-B enthält ein geschlossenes Regelungskonzept zum Zusatzurlaub bei Wechselschicht-, Schicht- und Nachtarbeit. Die einzelnen Regelungen bauen aufeinander auf und bestimmen das Verhältnis der Zusatzurlaubsansprüche zueinander (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 192/11 - Rn. 20 [zu § 27 TVöD-K idF vom 1. August 2006]). Aus § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B ergibt sich ein Nachrangverhältnis des Zusatzurlaubsanspruchs für Nachtarbeitsstunden gegenüber dem Anspruch auf Zusatzurlaub für ständige Wechselschicht- oder Schichtarbeit nach Abs. 1, für dessen Berechnung die dort genannten Zwei- bzw. Viermonatszeiträume maßgeblich sind. Denn nach der Systematik der tariflichen Regelung wird der Zusatzurlaub für geleistete Nachtarbeitsstunden gemäß § 27 Abs. 3.1 Satz 1 TVöD-B nicht zusätzlich, sondern anstelle des Zusatzurlaubs für Wechselschicht- und Schichtarbeit gemäß § 27 Abs. 1 TVöD-B gewährt. Einer Kumulation von Zusatzurlaubstagen steht § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B entgegen. Vorrangig ist stets die Entstehung des Zusatzurlaubs gemäß § 27 Abs. 1 TVöD-B zu prüfen. Erst wenn diese Prüfung ergibt, dass danach kein Zusatzurlaubstag besteht, kommt nachrangig ein Zusatzurlaubstag wegen geleisteter Nachtarbeitsstunden gemäß § 27 Abs. 3.1 TVöD-B in Betracht. Dieses Nachrangverhältnis kann nur dann zum Tragen kommen, wenn für die Berechnung der Zusatzurlaubsansprüche für Nachtarbeitsstunden nach § 27 Abs. 3.1 Satz 1 TVöD-B auf dieselben Zeiträume abgestellt wird, die für den Zusatzurlaub für Wechselschicht- oder Schichtarbeit nach Abs. 1 relevant sind (vgl. BAG 16. Juli 2014 - 10 AZR 752/13 - Rn. 16).

14

c) Dieses Normverständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B. Dieser will Doppelansprüche für zusatzurlaubsbegründende Tätigkeiten in gleichen Zeiträumen verhindern. Hierfür ist es erforderlich, dass für die Bestimmung möglicher Zusatzurlaubsansprüche aus Wechselschicht- und Schichtarbeit einerseits sowie Nachtarbeit andererseits auch die gleichen Zeiträume zugrunde gelegt werden.

15

2. Die Zeiträume iSd. § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B sind nicht auf das Kalenderjahr beschränkt. Die Nachtarbeitsstunden bleiben auch dann unberücksichtigt, wenn sich der zwei- oder viermonatige Zeitraum gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. a oder Buchst. b TVöD-B über den Jahreswechsel erstreckt.

16

a) Der Wortlaut des § 27 Abs. 1 TVöD-B enthält für die vorrangig zu betrachtenden Zeiträume zusammenhängender Monate mit Wechselschicht- und Schichtarbeit keine Beschränkung auf das Kalenderjahr.

17

aa) Allerdings wird in § 27 Abs. 3.1 Satz 1 TVöD-B für den nachrangig zu betrachtenden Zusatzurlaubsanspruch für Nachtarbeit zweimal der Begriff „Kalenderjahr“ verwendet. Ferner bemisst sich nach der Protokollerklärung Nr. 2 zu den Absätzen 1, 2 und 3.1 des § 27 TVöD-B der Anspruch auf Zusatzurlaub nach den abgeleisteten Nachtarbeitsstunden und entsteht im laufenden Jahr, sobald die Voraussetzungen nach § 27 Abs. 3.1 Satz 1 TVöD-B erfüllt sind.

18

bb) Aus diesen Formulierungen lässt sich aber nichts für die Position der Klägerin ableiten. Der Verweis in der Protokollerklärung Nr. 2 allein auf § 27 Abs. 3.1 Satz 1 TVöD-B beinhaltet keine Beschränkung der gemäß § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B zu berücksichtigenden Zeiträume auf das Kalenderjahr. Die Protokollerklärung Nr. 2 besagt nichts zu den Anspruchsvoraussetzungen des Zusatzurlaubs für geleistete Nachtarbeitsstunden. Anderenfalls entstünde nach dem Wortlaut der Protokollerklärung Nr. 2 der Zusatzurlaub stets, sobald die Anspruchsvoraussetzungen nach § 27 Abs. 3.1 Satz 1 TVöD-B erfüllt sind. Nachtarbeitsstunden wären nach § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn zugleich auch die Monatszeiträume gemäß § 27 Abs. 1 TVöD-B erfüllt sind. Eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B hat sich nicht im Wortlaut der Protokollerklärung Nr. 2 niedergeschlagen. Diese stellt vielmehr in Einklang mit der Protokollerklärung Nr. 1 lediglich klar, dass der Anspruch auf Zusatzurlaub bereits tageweise im laufenden Jahr entsteht.

19

b) Da der Zeitraum für die Bemessung des Zusatzurlaubs für Wechselschicht- und Schichtarbeit nicht auf das Kalenderjahr beschränkt ist, gilt dies nach der Systematik der Regelung auch für den Zeitraum des § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B zur Berechnung des Zusatzurlaubs für Nachtarbeit. Das Nachrangverhältnis des Zusatzurlaubs für Nachtarbeit bleibt von der Protokollerklärung Nr. 2 unberührt. Der Anspruch auf Zusatzurlaub wegen geleisteter Nachtarbeitsstunden entsteht damit nicht schon bei Erreichen der Schwellenwerte des § 27 Abs. 3.1 Satz 1 TVöD-B. Erst wenn nach Ablauf der Zeiträume des § 27 Abs. 1 Buchst. a bzw. Buchst. b TVöD-B feststeht, dass dem Beschäftigten kein Zusatzurlaub wegen Wechselschicht- oder Schichtarbeit zusteht, kommt ein Anspruch auf Zusatzurlaub wegen geleisteter Nachtarbeitsstunden nach § 27 Abs. 3.1 Satz 1 TVöD-B in Betracht. Bleiben Nachtarbeitsstunden wegen des Nachrangverhältnisses unberücksichtigt, stellt sich bereits nicht die Frage, zu welchem Zeitpunkt ein Zusatzurlaub wegen Nachtarbeitsstunden nach der Protokollerklärung Nr. 2 entstehen könnte. Die Entstehung ist bereits wegen der in § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B angeordneten Nichtberücksichtigung ausgeschlossen. Dass der Ausschluss erst nach Ablauf der in § 27 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b TVöD-B festgelegten Zeiträume feststeht, ist lediglich Folge des Gleichlaufs mit dem Zeitraum des § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B.

20

c) Es ist Sinn und Zweck dieser tariflichen Regelung, Zusatzurlaubsansprüche wegen Nachtarbeit über das Nachrangverhältnis gegenüber Zusatzurlaubsansprüchen wegen Wechselschicht- und Schichtarbeit hinaus durch die Begrenzung auf das Kalenderjahr auch generell zu beschränken. Wenn in einem Kalenderjahr kein Anspruch auf Zusatzurlaub besteht, weil nicht genügend Nachtarbeitsstunden angefallen sind, können deshalb die in diesem Jahr geleisteten Nachtarbeitsstunden nicht rechnerisch auf das Folgejahr übertragen werden, um zusammen mit dann geleisteten Nachtarbeitsstunden einen Anspruch auf einen Zusatzurlaubstag zu begründen (Zepf/Gussone Das Tarifrecht in Krankenhäusern S. 175). Ferner führt die Beschränkung auf das Kalenderjahr dazu, dass für Nacharbeitsstunden von mehr als 600 Stunden keine weiteren Zusatzurlaubstage, auch nicht im Folgejahr, entstehen. Der Zusatzurlaub wegen im Kalenderjahr geleisteter Nachtarbeitsstunden ist damit auf höchstens vier Tage beschränkt. Eine solche tarifliche Regelung, die eine Beschränkung von Zusatzurlaubsansprüchen wegen Nachtarbeit bezweckt, kann nicht zugleich so verstanden werden, dass sie über eine Entkoppelung des Zusatzurlaubszeitraums für Nachtarbeit von den Zeiträumen des Zusatzurlaubs für Wechselschicht- und Schichtarbeit im Ergebnis zu einer Ausweitung dieser Ansprüche führt. Nach der Tarifauslegung der Klägerin wäre dies aber der Fall. Sie beansprucht für die im November und Dezember 2010 geleisteten Nachtarbeitsstunden gemäß § 27 Abs. 3.1 Satz 1 TVöD-B Zusatzurlaub. Zugleich stünde ihr für den Zeitraum von November 2010 bis Februar 2011 für vier zusammenhängende Monate Schichtarbeit ein weiterer Zusatzurlaubstag gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. b TVöD-B zu. Damit würden die Monate November und Dezember 2010 zu Unrecht doppelt für tarifliche Zusatzurlaubsansprüche berücksichtigt.

21

d) Schließlich spricht auch die Tarifgeschichte dafür, das Entstehen von Zusatzurlaubsansprüchen wegen Nachtarbeit durch kalenderjahresübergreifende Zeiträume, aus denen sich Zusatzurlaubsansprüche für Wechselschicht- oder Schichtarbeit ergeben, zu begrenzen. Die Vorgängerregelung zu § 27 TVöD-B - § 48a Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) - hat den Zusatzurlaub nach der im vorangegangenen Kalenderjahr erbrachten Arbeitsleistung bemessen. Nach § 48a Abs. 2 und Abs. 9 BAT richtete sich der Umfang des Zusatzurlaubs nach der Zahl der Arbeitstage im vorangegangenen Kalenderjahr, an denen ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit geleistet wurde. Der Zusatzurlaub entstand erst mit Beginn des auf die Arbeitsleistung folgenden Urlaubsjahres. Damit war eine kalenderjahresübergreifende Zusammenfassung solcher anspruchsbegründender Zeiten nicht möglich (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT § 48a Erl. 8). Der Anspruch auf Zusatzurlaub für Wechselschicht- und Schichtarbeit gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b TVöD-B entsteht dagegen nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu den Absätzen 1, 2 und 3.1 im laufenden Jahr, sobald die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Für den Zusatzurlaub gemäß § 27 Abs. 1 TVöD-B kommt es dabei nicht auf die im Kalenderjahr, sondern auf die in den festgelegten Monatszeiträumen erbrachte Arbeitsleistung an. Die Tarifvertragsparteien haben damit einen zeitnahen Ausgleich für die mit der Wechselschicht- und Schichtarbeit einhergehenden Belastungen geschaffen. Noch nicht berücksichtigte Zeiten, in denen ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit geleistet wurde, können auch kalenderjahresübergreifend für den Zusatzurlaubsanspruch herangezogen werden (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Mai 2015 § 27 Rn. 12; Dassau/Wiesend-Rothbrust TVöD Krankenhäuser 1. Aufl. § 27 TVöD-K Rn. 26).

22

3. Es begegnet keinen Bedenken, dass § 27 TVöD-B keinen zusätzlichen Ausgleich für Beschäftigte vorsieht, die - wie die Klägerin - ständig Wechselschicht-, Schicht- und Nachtarbeit in einem gemäß § 27 Abs. 3.1 Satz 1 TVöD-B relevanten Umfang leisten. Die Tarifvertragsparteien, denen insoweit eine Einschätzungsprärogative zukommt (BAG 11. Dezember 2013 - 10 AZR 736/12 - Rn. 14, BAGE 147, 33), haben offensichtlich für die Beschäftigten, denen bereits nach § 27 Abs. 1 TVöD-B für ständige Wechselschicht- oder Schichtarbeit bis zu sechs Zusatzurlaubstage im Jahr zustehen, einen über den Zeitzuschlag nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD-B hinausgehenden Ausgleich für geleistete Nachtarbeitsstunden als entbehrlich angesehen (vgl. BAG 16. Juli 2014 - 10 AZR 752/13 - Rn. 20). Dagegen ist nichts einzuwenden. Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - Rn. 21). Tarifvertragsparteien dürfen auch pauschalieren und generalisieren (BAG 14. November 2012 - 10 AZR 903/11 - Rn. 19 mwN).

23

4. Die von der Klägerin im Januar und Juni 2010 geleistete Wechselschichtarbeit ist bei der Ermittlung von Zusatzurlaubstagen für je vier zusammenhängende Monate Schichtarbeit gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. b TVöD-B zu berücksichtigen.

24

a) Wechselschichtarbeit iSv. § 7 Abs. 1 TVöD-B erfüllt zugleich die Voraussetzungen von Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 TVöD-B und ist bei der Berechnung des Zusatzurlaubs für je vier zusammenhängende Monate Schichtarbeit gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. b TVöD-B berücksichtigungsfähig (vgl. Dassau/Wiesend-Rothbrust TVöD Krankenhäuser § 27 TVöD-K Rn. 24 f.). Schichtarbeit ist im Ergebnis ein „Minus“ zu Wechselschichtarbeit. Während bei der Wechselschicht die Arbeitszeit nach einem Schichtplan zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten erfolgt, liegt Schichtarbeit bereits dann vor, wenn der Beginn der Arbeitszeit nach einem Schichtplan sich um mindestens zwei Stunden verschiebt (vgl. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 TVöD-B).

25

b) Ob ein Monat mit Wechselschichtarbeit mit drei Monaten Schichtarbeit zur Erfüllung der Voraussetzung „vier zusammenhängender Monate“ Schichtarbeit nach § 27 Abs. 1 Buchst. b TVöD-B zusammengerechnet werden kann, hängt davon ab, ob sich an den Monat mit Wechselschichtarbeit ein weiterer derartiger Monat anschließt und deshalb nach § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-B ein Anspruch auf einen Tag Zusatzurlaub entsteht. Insofern besteht ein Rangverhältnis, wonach zunächst Zusatzurlaubsansprüche für zwei zusammenhängende Monate mit Wechselschichtarbeit entstehen.

26

aa) Wenn zunächst zwei Monate Wechselschichtarbeit geleistet werden, ist für diese beiden Monate ein Zusatzurlaubstag zu gewähren, auch wenn darauf noch zwei Monate mit Schichtarbeit folgen. Dieses Ergebnis folgt aus der Protokollerklärung Nr. 1 zu den Absätzen 1, 2 und 3.1 des § 27 TVöD-B, wonach der Anspruch auf Zusatzurlaub für Wechselschicht- oder Schichtarbeit entsteht, sobald die Voraussetzungen nach § 27 Abs. 1 TVöD-B erfüllt sind. Diese beiden nachfolgenden Monate mit Schichtarbeit sind dann nicht für die Berücksichtigung von Nachtarbeitszusatzurlaubstagen gesperrt, falls sie nicht nachfolgend noch mit anderen Monaten einen Zeitraum von vier zusammenhängenden Monaten Schichtarbeit ergeben.

27

bb) Wenn auf zwei Monate Schichtarbeit zwei Monate Wechselschichtarbeit folgen, führt der Wortlaut der Protokollerklärung Nr. 1 zu den Absätzen 1, 2 und 3.1 des § 27 TVöD-B allerdings zu keinem eindeutigen Ergebnis. In diesem Fall lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen sowohl für den Anspruch auf einen Zusatzurlaubstag für vier Monate Schichtarbeit als auch diejenigen für einen entsprechenden Anspruch wegen zwei zusammenhängender Monate Wechselschichtarbeit zeitgleich vor. Systematisch wird allerdings in § 27 Abs. 1 TVöD-B der Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit in Buchst. a vor dem Zusatzurlaub für Schichtarbeit in Buchst. b angeführt. Auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung soll der Anspruch auf Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit vorrangig vor solchem für Schichtarbeit entstehen. Die Tarifvertragsparteien haben ersichtlich die Wechselschichtarbeit als besonders belastend eingestuft, da bereits zwei zusammenhängende Monate einen Anspruch auf einen Zusatzurlaubstag begründen, während bei bloßer Schichtarbeit hierfür vier zusammenhängende Monate zu leisten sind. Auch die Regelung in § 27 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-B zeigt die besondere Bedeutung, die der Tarifvertrag dem Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit beimisst. Wenn die Tarifvertragsparteien Wechselschichtarbeit als besonders belastend ansehen, kann es für das vorrangige Entstehen des diesbezüglichen Zusatzurlaubsanspruchs nicht darauf ankommen, ob zwei Monate Wechselschicht am Anfang oder am Ende eines Zeitraums mit weiteren zwei Monaten Schichtarbeit geleistet werden. Sonst würde es zu nicht begründbaren Zufallsergebnissen kommen, die im Tarifvertrag keine innere Rechtfertigung fänden. Dementsprechend sind zwei zusammenhängenden Monaten mit Wechselschichtarbeit vorangehende Monate mit Schichtarbeit ebenfalls nicht für die Berücksichtigung von Nachtarbeitszusatzurlaubstagen gesperrt, falls sie nicht bereits mit anderen vorangehenden Monaten einen Zeitraum von vier zusammenhängenden Monaten Schichtarbeit ergeben.

28

cc) Zur Bestimmung der Urlaubsansprüche ist eine nachträgliche Gesamtbetrachtung durchzuführen. Dabei besteht, neben dem im Urteil des Senats vom 16. Juli 2014 (- 10 AZR 752/13 -) beschriebenen Vorrang von Zusatzurlaubstagen aus Wechselschicht- und Schichtarbeit gegenüber solchen aus Nachtarbeit, ein Vorrang von Zusatzurlaubstagen für Wechselschichtarbeit gegenüber solchen für Schichtarbeit. Zunächst ist zu prüfen, ob ein Anspruch auf Zusatzurlaub für je zwei zusammenhängende Monate Wechselschichtarbeit nach § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-B besteht. Sodann ist hinsichtlich der nicht für die Zuerkennung eines solchen Anspruchs herangezogenen Monate ein Anspruch auf Zusatzurlaub für je vier zusammenhängende Monate Schichtarbeit nach § 27 Abs. 1 Buchst. b TVöD-B zu prüfen. Die dann noch verbleibenden, nicht für einen Anspruch auf Zusatzurlaub für Wechselschicht- und Schichtarbeit herangezogenen Monate sind bei der Prüfung eines Zusatzurlaubs für Nachtarbeit nach § 27 Abs. 3.1 Satz 1 TVöD-B zu berücksichtigen.

29

c) Aufgrund dieses Hierarchieverhältnisses ergeben sich, je nach Fallgestaltung, Zusatzurlaubsansprüche für Nachtarbeit in einem Kalenderjahr gegebenenfalls erst, wenn im darauf folgenden Kalenderjahr eine solche Gesamtbetrachtung angestellt werden kann. Dies würde einen Übertragungsgrund im Sinne von § 27 Abs. 5, § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 Var. 2 TVöD-B darstellen.

30

5. Im Fall der Klägerin ergibt sich demnach folgende Berechnung:

31

a) Januar bis April 2010: Ein Tag Zusatzurlaub für Schichtarbeit gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. b TVöD-B; die Wechselschichtarbeit im Januar 2010 bildet mit der Schichtarbeit im Februar bis April 2010 einen Zeitraum von vier zusammenhängenden Monaten Schichtarbeit.

32

b) Mai bis August 2010: Ein Tag Zusatzurlaub für Schichtarbeit gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. b TVöD-B; die Wechselschichtarbeit im Juni 2010 bildet mit der Schichtarbeit im Mai, Juli und August 2010 einen Zeitraum von vier zusammenhängenden Monaten Schichtarbeit. Soweit die Klägerin vorinstanzlich streitig behauptet hat, auch im Juli und August 2010 Wechselschichtarbeit geleistet zu haben, fehlt es an jedem substanziierten Vortrag hierzu. Die Beklagte hat hingegen unter Bezugnahme auf die vorgelegten Dienstpläne schlüssig dargelegt, dass die Klägerin in diesen Monaten nur Schichtarbeit geleistet habe und die Zahlung einer Wechselschichtzulage versehentlich erfolgt sei. Hierauf hat die nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln darlegungs- und beweisbelastete Klägerin keinen konkreten Vortrag geleistet, aus dem sich Wechselschichtarbeit in diesen Monaten ergeben würde.

33

c) September und Oktober 2010: Ein Tag Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-B.

34

6. Im Hinblick auf die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin an nur drei Tagen in der Woche sind diese drei Tage Zusatzurlaub nach Maßgabe von § 27 Abs. 3.3 Satz 2, § 26 Abs. 1 Satz 4 TVöD-B umzurechnen (3 : 5 x 3 = 1,8). Nach der tariflichen Aufrundungsregelung in § 27 Abs. 3.3 Satz 2, § 26 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 1 TVöD-B ergibt sich somit ein Zusatzurlaubsanspruch im Umfang von zwei Tagen, die der Klägerin bereits gewährt wurden. Weitere Zusatzurlaubsansprüche der Klägerin für das Jahr 2010 bestehen nicht. Die Nachtarbeitsstunden aus den Monaten November und Dezember 2010 sind gemäß § 27 Abs. 3.1 Satz 2 TVöD-B nicht für Zusatzurlaubsansprüche nach § 27 Abs. 3.1 Satz 1 TVöD-B zu berücksichtigen. Sie wurden in Zeiträumen geleistet, für die der Klägerin zusammen mit ihrer Schichtarbeit in den Monaten Januar und Februar 2011 ein Zusatzurlaubstag für Schichtarbeit nach § 27 Abs. 1 Buchst. b TVöD-B im Jahr 2011 zusteht.

35

III. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    Schlünder    

        

        

        

    Schürmann    

        

    A. Effenberger    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 25. Juli 2013 - 4 Sa 166/13 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf ein höheres Bruttoentgelt gegen die Beklagte zu 1. und eine weitere Abfindungszahlung gegen die Beklagte zu 2.

2

Die Klägerin war seit August 1988 bei der Beklagten zu 2. und deren Rechtsvorgängerin im Betrieb S-Straße in M gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 6.962,00 Euro beschäftigt.

3

Zu Beginn des Jahres 2012 gab die Beklagte zu 2. die geplante Schließung dieses Betriebs bekannt. In den nachfolgenden Verhandlungen zwischen ihr sowie dem bei ihr bestehenden Betriebsrat und der zuständigen Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) hatte die Beklagte zu 2. als „Kompensation“ für einen Verzicht auf Betriebsschließung eine Aufhebung des manteltariflichen Sonderkündigungsschutzes sowie die Aufstellung einer Namensliste iSd. § 1 Abs. 5 KSchG verlangt und den Tarifvertragsabschluss von der Zustimmung von mindestens 90 vH der betroffenen Arbeitnehmer zum Verhandlungsergebnis abhängig gemacht. Die IG Metall hatte ihrerseits zusätzliche Leistungen für ihre Mitglieder gefordert.

4

Eine vollständige Betriebsschließung konnte, nachdem die Verhandlungsergebnisse auf einer Mitgliederversammlung der IG Metall am 22. März 2012 mitgeteilt worden waren, abgewendet werden. Von den bisher bei der Beklagten zu 2. beschäftigten Arbeitnehmern sollten 2.000 in vier Folgegesellschaften weiterbeschäftigt und weiteren 1.600 ein Wechsel in eine Transfergesellschaft angeboten werden.

5

Am 4. April 2012 schlossen die Beklagte zu 2. und die IG Metall einen Transfer- und Sozialtarifvertrag (nachfolgend TS-TV), der ua. regelte:

        

„PRÄAMBEL

        

(1)     

Infolge der Restrukturierungsmaßnahmen, die im Interessenausgleich vom 04.04.2012 beschrieben sind, entsteht die Notwendigkeit, die wirtschaftlichen und sozialen Nachteile, die für die Beschäftigten entstehen, abzumildern.

        

(2)     

Dieser Tarifvertrag soll die Bedingungen dafür schaffen, dass durch die Schaffung einer Auffangstruktur die von Entlassung bedrohten Beschäftigten der N GmbH & Co. KG bei ihrer notwendigen beruflichen Neuorientierung unterstützt werden.

                 

Zu diesem Zweck soll die Transfergesellschaft der S AG mit der Einrichtung einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (beE) gem. § 216b SGB III beauftragt werden. Den von der Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten soll nach Maßgabe dieses Tarifvertrages der Abschluss von Transferarbeitsverhältnissen angeboten werden.

        

§ 1

        

GELTUNGSBEREICH

        

Dieser Tarifvertrag gilt

                 

(1)     

räumlich für den Betrieb der Firma N GmbH & Co. KG in M.

                 

(2)     

Persönlich: Für alle Beschäftigten des Betriebes S-Str. in M, sofern sie die individuellen Voraussetzungen für den Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld gemäß den §§ 169 ff SGB III erfüllen.

                 

…       

        
                                   
                                   
        

§ 2

        

EINRICHTUNG EINER BEE

        

Die N GmbH & Co. KG in M beauftragt die Abteilung Global Shared Services Human Resources Services der S AG mit der Einrichtung einer beE für die vom persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfassten Beschäftigten.

        

...     

        

§ 4

        

KOOPERATIONSVEREINBARUNG MIT DER TG

        

Zentrale Aufgabe der Transfergesellschaften ist es, die von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten in neue, nach Inhalt, Qualifikationsanforderung und Einkommen möglichst gleichwertige Arbeitsverhältnisse zu vermitteln und dabei im Interesse der zu fordernden Nachhaltigkeit nach Möglichkeit prekäre Arbeitsverhältnisse zu vermeiden. …

        

§ 5

        

MINDESTBEDINGUNGEN DER TRANSFERARBEITSVERHÄLTNISSE

        

Der Übertritt in die Transfergesellschaft erfolgt auf Basis eines dreiseitigen Vertrages (= drei Vertragsparteien), der die Beendigung des mit der N GmbH & Co. KG bestehenden Arbeitsvertrages und die Begründung eines befristeten Transferarbeitsverhältnisses bei der N gesellschaft mbH beinhaltet.

        

Wesentliche Bestandteile dieses dreiseitigen Vertrages sind:

        

(1)     

Mindestlaufzeit des Transferarbeitsverhältnisses von vierundzwanzig Monaten

        

(2)     

ein Jahresurlaubsanspruch von 20 Tagen auf Basis einer 5-Tagearbeitswoche

        

(3)     

Die Beschäftigten erhalten innerhalb der BeE - unter Anrechnung der Zahlungen der Agentur für Arbeit - ein BeE-Monatsentgelt von monatlich 70 Prozent ihres Bruttomonatseinkommens. Das Bruttomonatseinkommen ist das 13,5-fache des bisherigen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch zwölf.

        

…       

        
        

In dem Dreiseitigen Vertrag wird der Anspruch auf Abfindung und deren Fälligkeit festgehalten (§ 7).

        

...     

        

§ 7

        

ABFINDUNG

        

(1)     

Alle vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfassten Beschäftigten haben mit Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrages (Zustimmung zum Eintritt  in die beE) einen Anspruch auf eine aus dem individuellen Bruttomonatsentgelt errechnete Abfindung:

                 

a.    

Beschäftigte, die vor 01.04.2007 in die N GmbH & Co. KG oder deren Rechtsvorgängerin eingetreten sind, erhalten ein Jahresgehalt als Abfindung (Basis 12 Monatsgehälter).

        

…       

        
        

e.    

Beschäftigte, die zwischen dem 01.04.2010 und vor 01.04.2011 … eingetreten sind, erhalten zwei Monatsgehälter als Abfindung.

        

(2)     

Der Höchstbetrag für eine Abfindung nach Abs. 1 beträgt EUR 110.000,00, … .

        

(3)     

…       

        

(4)     

Die Abfindung ist mit dem Ausscheiden aus der BeE zur Zahlung fällig.

        

…       

        
        

(7)     

Der Anspruch auf Abfindung und deren Fälligkeit ist in den Dreiseitigen Vertrag aufzunehmen.

        

§ 8

        

TARIFSCHIEDSSTELLE

        

Bei Nichteinigung über die Auslegung der Bestimmungen dieses Tarifvertrages entscheidet eine aus jeweils 2 Beisitzern/-innen (Arbeitgeberin/Gewerkschaft IG Metall) und einem neutralen Vorsitzenden bestehende Tarifschiedsstelle. …“

6

Ebenfalls am 4. April 2012 vereinbarten die Beklagte zu 2. und der Betriebsrat einen „Interessenausgleich“, der ua. die Gründung von vier neuen Unternehmen als Rechtsnachfolgerinnen einzelner betroffener Unternehmensbereiche, die Überleitung von Arbeitnehmern und eine Namensliste iSd. § 1 Abs. 5 KSchG zum Gegenstand hatte. Weiterhin ist unter der Überschrift „5. Sozialplan“ geregelt:

        

„Der Betriebsrat und das Unternehmen stimmen dahingehend überein, dass ein gesonderter Sozialplan nicht aufgestellt wird, weil in dem als

        

- Anlage 7

        

bezeichneten Transfer- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 Regelungen zur Milderung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen enthalten sind, die beide Betriebsparteien als Ausgleichsmaßnahmen i.S.d. § 112 BetrVG anerkennen und die sie für alle betroffenen Beschäftigten abschließend übernehmen. …“

7

Schließlich schlossen die Tarifvertragsparteien des TS-TV am gleichen Tag einen Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag (ETS-TV), der wie folgt lautet:

        

㤠1

        

GELTUNGSBEREICH

        

Dieser Tarifvertrag gilt

                 

(1)     

räumlich für den Betrieb S-Str. der Firma N GmbH & Co. KG in M.

                 

(2)     

Persönlich: Für alle Beschäftigten, die bis einschließlich 23.03.2012, 12.00 Uhr Mitglied der IG Metall geworden sind, sofern sie die individuellen Voraussetzungen für den Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld gemäß den §§ 169 ff SGB III erfüllen.

                 

(3)     

Sachlich: Für die Rechte, Regelungen und Maßnahmen im Zusammenhang mit der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (beE).

        

§ 2

        

ERGÄNZUNG ZU DEN MINDESTBEDINGUNGEN DER TRANSFERARBEITSVERHÄLTNISSE

        

Vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfasste Beschäftigte erhalten unter Anrechnung ihrer Ansprüche aus § 5 Abs. 3 des Transfer- und Sozialtarifvertrages innerhalb der BeE - unter Anrechnung der Zahlungen der Agentur für Arbeit - ein BeE-Monatsentgelt von monatlich 80 Prozent ihres Bruttomonatseinkommens. Das Bruttomonatseinkommen ist das 13,5-fache des bisherigen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch zwölf. Die weiteren Leistungen nach § 5 des Transfer- und Sozialtarifvertrages werden von dieser Regelung nicht berührt.

        

§ 3

        

ERGÄNZUNG ZU DER HÖHE DER ABFINDUNG

        

Vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfasste Beschäftigte erhalten als weiteren Bestandteil der Abfindung nach § 7 des Transfer- und Sozialtarifvertrages EUR 10.000,00 unabhängig vom Zeitpunkt ihres Unternehmenseintritts. Für diese Beschäftigten gilt ein Höchstbetrag von EUR 120.000,00.

        

§ 4

        

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

        

Die Regelungen des Transfer- und Sozialtarifvertrages gelten im Übrigen entsprechend. Dies gilt insbesondere für die Tarifschiedsstelle nach § 8 und die Patronatserklärung nach § 10.“

8

Mit Schreiben vom 4. April 2012 erhielt die Klägerin von den Beklagten einen „Dreiseitigen Vertrag“ (nachfolgend DV), der ua. folgenden Inhalt hat:

        

„Dreiseitiger Vertrag

        

zwischen

        

Frau … (Arbeitnehmer/in)

        

und     

        

N GmbH & Co. KG (NSN)

        

       

        

sowie 

        

N gesellschaft mbH
(NSN TG)

        

       

        

Präambel

        

1.    

Am 04.04.2012 wurden ein Transfer- und Sozialtarifvertrag und ein Interessenausgleich abgeschlossen. Die Bestimmungen dieser Vereinbarungen sind dem/der Arbeitnehmer/-in bekannt. Dem/der Arbeitnehmer/-in ist auch bekannt, dass sein/ihr Arbeitsplatz bei NSN entfällt und insoweit das Arbeitsverhältnis bei NSN mit Ablauf vom 30.04.2012 aus betriebsbedingten Gründen beendet werden muss. Aus diesem Grund wird dem/der Arbeitnehmer/-in ein befristetes Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis mit der NSN TG angeboten, um eine betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden.

        

2.    

Die NSN TG wird für den Arbeitnehmer Transferkurzarbeitergeld im Sinne des § 111 SGB III beantragen.

        

3.    

Die NSN TG bildet eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) im Sinne des § 111 SGB III. Sie trägt die Bezeichnung beE NSN Mch.

        

4.    

Durch die Bildung der beE sollen Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung die Vermittlungschancen auf dem externen Arbeitsmarkt erhöhen.

        

Auf dieser Grundlage werden folgende Regelungen getroffen:

                 
                 

Abschnitt A: Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit NSN

        

1.    

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

                 

Das zwischen dem/der Arbeitnehmer/-in und NSN bestehende Arbeitsverhältnis wird aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 30.04.2012 enden, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Der/die Arbeitnehmer/-in tritt zum 01.05.2012 in die NSN TG über.

        

2.    

Abfindungszahlung

                 

2.1.   

Die Höhe der Abfindung ist gem. § 7 Abs. 1 des

                          

Transfer- und Sozialtarifvertrags abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Der Höchstbetrag für die Abfindung beträgt gem. § 7 Abs. 2 Transfer- und Sozialtarifvertrag EUR 110.000,00. Im Übrigen findet § 7 Abs. 3 Anwendung.

                          

Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrags fallen, erhalten gem. § 3 des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrags als weiteren Bestandteil der Abfindung zusätzlich EUR 10.000,00, der Höchstbetrag für die Abfindung beträgt EUR 120.000,00.

                          

Die Abfindungszahlung ist nach Abschluss des Dreiseitigen Vertrags und vor Fälligkeit vererbbar, jedoch nicht abtretbar. Die Abfindung ist mit dem Ausscheiden aus der NSN TG fällig.

                          

…       

        

...     

        
                          
        

Abschnitt B: Begründung eines Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnisses mit NSN TG

        

1.    

Vertragsdauer

                 

Der/die Arbeitnehmer/-in und NSN TG vereinbaren den Abschluss eines befristeten Vermittlungs- und Qualifizierungsvertrages ab dem 01.05.2012. Das Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis endet mit Austritt aus der NSN TG, spätestens am 30.04.2014, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

                 

Es wird Kurzarbeit Null angeordnet und der Beschäftigungsanspruch entfällt.

        

...     

        
        

4.    

Monatliche Vergütung

                 

Der/die Arbeitnehmer/-in erhält gemäß § 5 Abs. 3 des Transfer- und Sozialtarifvertrags auf der Basis der von NSN an die NSN TG zur Verfügung gestellten Gehaltsdaten, ab Eintritt in die NSN TG - unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - bis zu ihrem/seinem Ausscheiden monatlich 70 % ihres/seines BruttoMonatsEinkommens. Das BruttoMonatsEinkommen ist das 13,5-fache des bisherigen BruttoMonatsEinkommens dividiert durch zwölf.

                 

Der/die Arbeitnehmer/-in, die unter den Geltungsbereich des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag fallen, erhalten gem. § 2 des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrags ab Eintritt in die NSN TG - unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - monatlich 80 % ihres/seines BruttoMonatsEinkommens.

        

...     

        
        

Abschnitt C: Allgemeine Regelungen

        

…       

        
        

5.    

Bedingung

                 

Dieser Dreiseitige Vertrag steht unter dem Vorbehalt, dass die schriftliche Annahme des Vertragsangebots entsprechend § 3 Abs. 4 des Interessenausgleichs vom 04.04.2012 durch den/die Arbeitnehmer/in spätestens am 13.04.2012 bis 12.00 Uhr vorliegt.“

9

Nach fristgerechter Annahme des Antrags durch die Klägerin ist diese seit dem 1. Mai 2012 bei der Beklagten zu 1. im Rahmen des „Vermittlungs- und Qualifizierungsvertrags“ beschäftigt.

10

In der Zeit vom 1. Juli 2012 bis zum 17. Januar 2013 war die Klägerin Mitglied der IG Metall. Das nach § 5 Abs. 3 TS-TV zu zahlende Entgelt berechnete die Beklagte zu 1., indem sie zusätzlich zum erhaltenen Kurzarbeitergeld ein Bruttoentgelt leistete, das insgesamt zu einer Nettolohnsumme führte, die die Klägerin erhalten hätte, wenn keine Kurzarbeit angeordnet worden wäre und sie einen Anspruch auf 70 vH ihres Bruttomonatsentgelts iSv. B. 4. Satz 2 DV gehabt hätte.

11

Mit ihrer Klage hat die Klägerin einen weiteren Abfindungsbetrag in Höhe von 10.000,00 Euro brutto sowie eine monatliche Bruttovergütung auf der Basis von 80 vH des maßgebenden Bruttomonatsentgelts nach den Regelungen des ETS-TV begehrt.

12

Am 14. Dezember 2012 entschied die von der IG Metall angerufene Tarifschiedsstelle durch Schiedsspruch nach § 8 TS-TV, dass deren Anträge, sowohl der TS-TV als auch der ETS-TV enthielten „eine Regelung, die Beschäftigten auch für die Zeit des Bezuges von KuG eine Bruttomonatsvergütung“ iHv. 70 vH (TS-TV) und von 80 vH (ETS-TV) „des 13,5-fachen des bisherigen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch 12“ zusage, zurückgewiesen werden.

13

Die Klägerin ist der Auffassung, sie müsse als zwischenzeitliches Gewerkschaftsmitglied wie Arbeitnehmer der Beklagten zu 2. behandelt werden, die am 23. März 2012 Mitglied der IG Metall gewesen seien. Die Bevorzugung von „Alt-Mitgliedern“ der IG Metall verletze ihre negative Koalitionsfreiheit. Durch die Regelungen sei ein inadäquater Druck zum Beitritt in die Gewerkschaft entstanden. Die Differenzierungsklausel schränke nicht nur ihre Vertragsfreiheit ein, sondern verletze die Rechte und Interessen der Außenseiter. Die Stichtagsregelung im ETS-TV sei unzulässig. Für sie gebe es keine sachliche Rechtfertigung. Der ETS-TV verkürze zudem das für einen Sozialplan bestehende Verteilungsvolumen in unzulässiger Weise. Der im Interessenausgleich vom 4. April 2012 enthaltene Sozialplan verstoße gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Formulierung „für alle … abschließend übernehmen“ zeige, dass es nicht zu einer Differenzierung kommen sollte. Aufgrund der unwirksamen Stichtagsregelung habe sie auch einen Anspruch auf eine „Anpassung nach oben“. Jedenfalls könne sie von der Beklagten zu 1. ein höheres Bruttomonatsentgelt beanspruchen, eine Nettolohnvereinbarung sei im dreiseitigen Vertrag nicht vorgesehen.

14

Die Klägerin hat zuletzt beantragt:

        

1.    

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Mai 2012 in Höhe von 89.809,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 49.624,08 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Juni 2012 zu bezahlen.

        

2.    

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Juni 2012 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.098,97 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Juli 2012 zu bezahlen.

        

3.    

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Juli 2012 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.098,97 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. August 2012 zu bezahlen.

        

4.    

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat August 2012 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.098,97 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. September 2012 zu bezahlen.

        

5.    

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat September 2012 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 1.630,44 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Oktober 2012 zu bezahlen.

        

6.    

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Oktober 2012 in Höhe von 7.434,38 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.617,50 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. November 2012 zu bezahlen.

        

7.    

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat November 2012 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.098,97 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Dezember 2012 zu bezahlen.

        

8.    

Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an sie Abfindung in Höhe von 10.000,00 Euro brutto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit Klageerhebung zu bezahlen.

        

9.    

Festzustellen, dass die Beklagte zu 1. für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis längstens zum 30. April 2014 verpflichtet ist, die monatliche Vergütung nach Abschnitt B. 4. des unter dem Datum des 4. April 2012 geschlossenen Vertrages auf der Basis eines monatlichen Bruttoarbeitsentgelts iHv. 6.265,80 Euro hilfsweise 5.474,70 Euro brutto zu berechnen und Leistungen der Agentur für Arbeit erst aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag anzurechnen sind.

        

10.     

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Dezember 2012 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.098,97 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Januar 2013 zu bezahlen.

        

11.     

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Januar 2013 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.116,13 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Februar 2013 zu bezahlen.

        

12.     

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Februar 2013 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.116,13 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. März 2013 zu bezahlen.

        

13.     

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat März 2013 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.122,46 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. April 2013 zu bezahlen.

        

14.     

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat April 2013 in Höhe von 10.238,97 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 5.003,81 Euro netto zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Mai 2013 zu bezahlen.

        

15.     

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an sie weiteren Lohn für den Lohnmonat Juni 2013 in Höhe von 6.265,80 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 3.118,24 Euro zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 1. Juli 2013 zu bezahlen.

15

Die Beklagten haben zur Begründung ihrer Klageabweisungsanträge ausgeführt, aus dem dreiseitigen Vertrag der Parteien ergebe sich kein Anspruch der Klägerin auf die höheren Leistungen. Sie unterfalle nicht dem persönlichen Geltungsbereich des ETS-TV. Die durch die beiden Tarifverträge vorgenommene Differenzierung sei genauso zulässig wie die Wahl des Stichtags. Die Berechnung des geleisteten Zuschusses sei zutreffend. Geschuldet sei eine Vergütung gemäß § 5 Abs. 3 TS-TV, der von einem „BeE-Monatsentgelt“ handele.

16

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie hat weder gegen die Beklagte zu 2. einen Anspruch auf eine weitere Abfindungszahlung in Höhe von 10.000,00 Euro brutto nach A. 2.1. Abs. 2 DV iVm. § 3 ETS-TV noch gegen die Beklagte zu 1. einen Anspruch auf BeE-Einkommen von monatlich 80 vH ihres Bruttomonatseinkommens nach B. 4. Abs. 2 iVm. § 2 Satz 1 ETS-TV oder nach B. 4. Abs. 1 DV iVm. § 5 Abs. 2 Nr. 3 TS-TV einen Anspruch auf eine andere Berechnung von 70 vH ihres vormaligen, nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 TS-TV berechneten Bruttomonatseinkommens.

18

A. Die Revision ist nur teilweise zulässig. Soweit sich die Klägerin für ihr Begehren in der Revisionsinstanz gegenüber der Beklagten zu 2. erstmals auf Ansprüche aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit stützt, handelt es sich um einen in der Revisionsinstanz neuen Streitgegenstand (vgl. BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 457/09 - Rn. 15 mwN) und in der Folge um eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageerweiterung (BAG 17. Juni 2014 - 3 AZR 527/11 - Rn. 38; 16. Mai 2012 - 4 AZR 290/10 - Rn. 55).

19

B. Die Klagen sind unbegründet.

20

I. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist allerdings insoweit rechtsfehlerhaft und wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu korrigieren, als es einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2. auf Grund beiderseitiger Tarifgebundenheit abgelehnt hat.

21

1. Der Antragsgrundsatz nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dass sie dies beantragt hat, sondern auch, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat(BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 657/08 - Rn. 28, 16. Dezember 1970 - 4 AZR 98/70 - BAGE 23, 146; BGH 29. November 1990
I ZR 45/89 - zu I 2 a der Gründe mwN).

22

2. Die Klägerin hat in den Tatsacheninstanzen ihren Anspruch gegen die Beklagte zu 2. nicht auf eine beiderseitige Tarifgebundenheit gestützt. Sie hat sich lediglich auf den dreiseitigen Vertrag und nur in diesem Zusammenhang auf Unwirksamkeit der tariflichen Stichtagsregelung berufen. Indem das Landesarbeitsgericht einen möglichen Anspruch der Klägerin aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit aberkannt hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen. Dieser Verfahrensverstoß kann nicht durch eine Klageerweiterung in der Revisionsinstanz geheilt werden. Eine solche ist unzulässig (vgl. BAG 25. April 2013 - 6 AZR 800/11 - Rn. 13; 28. August 2008 - 2 AZR 63/07 - Rn. 23, BAGE 127, 329; BGH 29. Juni 2006 - I ZR 235/03 - Rn. 24, BGHZ 168, 179).

23

3. Das Urteil ist daher - ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedurfte - zu berichtigen, um eine sonst eintretende Rechtskraft (BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 457/09 - Rn. 12; BGH 28. Mai 1998 - I ZR 275/95 - zu II 2 a der Gründe) auszuschließen.

24

II. Die Klage gegen die Beklagte zu 2. ist unbegründet. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

25

1. Die Klägerin kann auf Grundlage der Regelung in A. 2.1. DV keine weitere Abfindung verlangen. Die Voraussetzungen nach § 1 Nr. 2 ETS-TV sind nicht erfüllt. Sie wird nicht vom „Geltungsbereich des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrags“ gemäß A. 2.1. Abs. 2 DV erfasst, weil sie zum Zeitpunkt des tariflich wirksam geregelten Stichtags nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft war. Die Regelung des ETS-TV verstößt weder gegen die negative Koalitionsfreiheit noch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

26

a) Mit der Regelung über den persönlichen Geltungsbereich in § 1 Nr. 2 ETS-TV( zu den Kriterien der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags etwa BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 430/09 - Rn. 21   mwN), nach der lediglich die Beschäftigten, die am Stichtag, dem 23. März 2012, 12:00 Uhr, Mitglieder der Gewerkschaft IG Metall waren, eine weitere Abfindungszahlung erhalten, werden nicht nur „deklaratorisch“ die Voraussetzungen für eine normative Wirkung des Tarifvertrags nach § 4 Abs. 1 TVG wiederholt, sondern es wird vielmehr eine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung festgelegt(s. zu dieser Auslegung bereits BAG 21. August 2013 - 4 AZR 861/11 - Rn. 19; 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 28 ff.). Anders als § 7 Abs. 1 TS-TV setzt ein Anspruch nach § 3 Satz 1 ETS-TV nicht nur eine Mitgliedschaft in der IG Metall iSe. Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG voraus, sondern verlangt für den ergänzenden Abfindungsanspruch nach § 3 ETS-TV eine zum vorgesehenen Stichtag bestehende Gewerkschaftsmitgliedschaft. Damit differenzieren die Tarifverträge zwischen zwei Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern.

27

Entgegen der Auffassung der Klägerin wird dabei nicht zwischen Mitgliedern einer Gewerkschaft einerseits und „Unorganisierten“ oder „Außenseitern“ andererseits unterschieden, sondern zwischen verschiedenen Gruppen von Mitgliedern der Gewerkschaft IG Metall (BAG 21. August 2013 - 4 AZR 861/11 - Rn. 21; 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 27, 30) und damit allein zwischen tarifgebundenen Arbeitnehmern, also denjenigen, für die ein Tarifvertrag ohnehin nur Rechtsnormen nach § 1 Abs. 1 TVG setzen kann(BAG 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 28; 22. September 2010 - 4 AZR 117/09 - Rn. 23; 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 25, BAGE 130, 43). Es handelt sich daher nicht um eine sog. einfache Differenzierungsklausel (zum Begriff BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 31 ff., aaO).

28

b) Diese von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Gruppenbildung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern orientiert sich an einem Stichtag, der im Rahmen der vorliegenden Tarifverträge mit sozialplanähnlichen Inhalten wirksam ist. Im Übrigen wäre ein von der Klägerin aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit geltend gemachter Anspruch im Entscheidungsfall unbegründet.

29

aa) Die Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, solchen Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen.

30

(1) Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz idR verletzt, wenn eine Gruppe von Regelungsadressaten im Vergleich zu anderen unterschiedlich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten ( zum Prüfungsmaßstab ausf. BVerfG 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06   ua. - Rn. 73 ff.,   BVerfGE 133, 377; 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 1 BvR 2464/07 - Rn. 78,   BVerfGE 126, 400; BAG 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 148, 139; 19. Juli 2011 - 3 AZR 398/09 - Rn. 25 mwN, BAGE 138, 332; 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 21 mwN, BAGE 129, 93; vgl. zu den Maßstäben weiterhin BAG 27. Oktober 2010 - 10 AZR 410/09 - Rn. 22   mwN; 21. September 2010 - 9 AZR 442/09 - Rn. 27; 25. Oktober 2007 - 6 AZR 95/07 - Rn. 24, BAGE 124, 284).

31

(2) Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser reicht, hängt von den im Einzelfall vorliegenden Differenzierungsmerkmalen und dem Zweck der Leistung ab. Dabei steht den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zu (BAG 15. Januar 2015 - 6 AZR 646/13 - Rn. 32 mwN; 20. September 2012 - 6 AZR 211/11 - Rn. 15 mwN; 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 31 mwN, BAGE 140, 291).

32

(3) Nach der Konzeption des Grundgesetzes ist die Festlegung der Höhe des Entgelts wie auch der weiteren, den tarifgebundenen Arbeitnehmern zufließenden Leistungen grundsätzlich Sache der Tarifvertragsparteien, weil dies nach Überzeugung des Verfassungsgebers zu sachgerechteren Ergebnissen führt als eine staatlich beeinflusste Entgelt- und Leistungsfindung (vgl. auch BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365; BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 32, BAGE 140, 291; 17. Dezember 2009- 6 AZR 665/08 - Rn. 19 mwN). Das schließt auch die Befugnis zur Vereinbarung von Regelungen ein, die den Betroffenen ungerecht und Außenstehenden nicht zwingend sachgerecht erscheinen mögen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht dazu verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen.Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (st. Rspr., BAG 11. Dezember 2013 - 10 AZR 736/12 - Rn. 14 mwN, BAGE 147, 33; 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 32, aaO; 30. Oktober 2008 - 6 AZR 712/07 - Rn. 15, BAGE 128, 219). Weiterhin können auch typische Sachzwänge der kollektiven Vertragsform sowie namentlich koalitionsspezifische Interessen berücksichtigt werden (BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - aaO; 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - zu B II 3 c aa der Gründe, BAGE 111, 8; 30. August 2000 - 4 AZR 563/99 - zu I 2 g der Gründe, BAGE 95, 277, jew. mwN; s. auch Deinert RdA 2014, 129, 134; Kocher NZA 2009, 119, 121; Leydecker AuR 2006, 11, 14; Seiwerth RdA 2014, 358, 362 f.).

33

bb) Die Tarifvertragsparteien sind daher innerhalb der Grenzen ihrer Regelungsmacht bei der Bestimmung der Voraussetzungen und der Festlegung der Höhe von Leistungen zur Abmilderung von wirtschaftlichen und sozialen Nachteilen anlässlich einer Betriebsänderung weitgehend frei (für eine Jahressonderzahlung BAG 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 31; vgl. zur Entgelthöhe ua. BAG 16. Mai 2013 - 6 AZR 619/11 - Rn. 34 mwN; 24. Juni 2010 - 6 AZR 18/09 - Rn. 25).

34

(1) Tarifvertragliche Ansprüche differenzierend festzulegen, entspricht ihrer Regelungsmacht. Dabei sind Stichtagsregelungen als „Typisierungen in der Zeit“ mit ihren notwendigen Pauschalierungen aus Gründen der Praktikabilität grundsätzlich - ungeachtet der damit verbundenen Härten - zur Abgrenzung von begünstigten Personenkreisen gerechtfertigt, wenn sich die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert und vertretbar erscheint (BAG 17. April 2013 - 4 AZR 770/11 - Rn. 26 mwN; für Sonderzahlungen etwa BAG 15. Januar 2014 - 10 AZR 297/13 - Rn. 16 ff.; zu Stichtagsregelungen hinsichtlich einer erforderlichen Gewerkschaftsmitgliedschaft BAG 21. August 2013 - 4 AZR 861/11 - Rn. 22). Die Tarifvertragsparteien dürfen dabei generalisieren und typisieren (BAG 14. November 2012 - 10 AZR 903/11 - Rn. 19; 25. Juni 2003 - 4 AZR 405/02 - Rn. 62, BAGE 106, 374; allgemein BAG 16. Juni 2010 - 4 AZR 928/08 - Rn. 39). Eine sich im Einzelfall aus einer knappen Verfehlung des Stichtags ergebende Härte ist dabei unvermeidbar (vgl. auch BVerfG 27. Februar 2007 - 1 BvL 10/00 - zu C II 3 a der Gründe, BVerfGE 117, 272; BAG 13. November 2014 - 6 AZR 1102/12 - Rn. 42; 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 43, BAGE 140, 83).

35

(2) Die Tarifparteien können auch eine Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft zu einem Stichtag als Anspruchsvoraussetzung formulieren. Dieser kann ein zulässiges Differenzierungskriterium sein, wenn er nicht willkürlich gewählt wurde, sondern es einen sachlichen Grund für ihn gibt (BAG 21. August 2013 - 4 AZR 861/11 - Rn. 22; 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 - Rn. 31; 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 46 ff., BAGE 130, 43).

36

Bei Tarifverträgen mit sozialplanähnlichem Inhalt umfasst der den Tarifvertragsparteien zustehende Gestaltungsspielraum dabei auch die Entscheidung, welchen Zeitraum sie für die an den tatsächlich eintretenden Nachteilen orientierte Ausgestaltung der Leistungen wählen (für betriebliche Sozialpläne BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 23). Ihnen steht es frei, je nach Art der Betriebsänderung und Art der dadurch entstehenden Nachteile unterschiedliche Leistungen zu vereinbaren und dabei etwa neben einmaligen Abfindungszahlungen auch andere Leistungen - zB laufende Überbrückungsgelder - vorzusehen (vgl. zu solchen Leistungen BAG 18. Dezember 1990 - 1 ABR 15/90 - BAGE 66, 328; bei Sozialplänen BAG 13. Februar 1975 - 3 AZR 24/74 -; Fitting BetrVG 28. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 141).

37

cc) Unter Berücksichtigung des vorstehenden Maßstabs liegt keine Verletzung des Gleichheitssatzes vor. Den Tarifvertragsparteien des TS-TV und des ETS-TV war es nicht verwehrt, für diejenigen Arbeitnehmer, die bereits am 23. März 2012 (12.00 Uhr) Mitglied in der tarifschließenden IG Metall gewesen waren, eine im Verhältnis zum TS-TV jeweils um 10.000,00 Euro brutto höhere Abfindungszahlung vorzusehen.

38

(1) Entgegen der Auffassung der Klägerin steht die Stichtagsregelung in § 1 Nr. 2 ETS-TV nicht im Widerspruch zu § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG(BAG 5. September 2012 - 4 AZR 696/10 -; unter Aufgabe von 9. Mai 2007 - 4 AZR 275/06 - Rn. 32; s. auch bereits 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 123, BAGE 130, 43). Mit der Stichtagsregelung werden nicht - in unzulässiger Weise - die Voraussetzungen für eine unmittelbare Tarifgebundenheit relativiert (Franzen RdA 2008, 304, 306 f.). Durch § 1 Nr. 2 ETS-TV wird „lediglich“ der personelle Geltungsbereich und damit eine tatbestandliche Voraussetzung für eine einmalige tarifliche Leistung anlässlich eines Ereignisses festgelegt, der Betriebsänderung bei der Beklagten zu 2. im Betrieb in M.

39

(2) Durch die beiden Tarifverträge wollten die Tarifvertragsparteien diejenigen wirtschaftlichen und sozialen Nachteile verringern oder ggf. vermeiden, die sich für ihre Mitglieder infolge der im Interessenausgleich vom 4. April 2012 beschriebenen Restrukturierungsmaßnahmen ergeben (Präambel Abs. 1 TS-TV), und die Arbeitnehmer bei der beruflichen Neuorientierung unterstützen (Präambel Abs. 2 TS-TV). Auf Grund dieser zukunftsgerichteten Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion (zu diesem Zweck bei betrieblichen Sozialplänen s. nur BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 23 mwN; 26. März 2013 - 1 AZR 813/11 - Rn. 33, BAGE 144, 378) stellen Abfindungszahlungen kein zusätzliches Entgelt für in der Vergangenheit erbrachte Dienste dar. Sie sollen vielmehr die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlusts möglichst ausgleichen oder doch zumindest mildern (für Sozialpläne BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 31,   BAGE 138, 107; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 23, BAGE 131, 61).

40

(3) Die Tarifvertragsparteien konnten neben den Abfindungszahlungen nach § 7 TS-TV, die sich zwischen zwei Bruttomonatsgehältern und maximal 110.000,00 Euro brutto bewegen, eine weitere zusätzliche Abfindung von 10.000,00 Euro brutto nur für diejenigen Gewerkschaftsmitglieder vorsehen, die schon im Verlauf der Tarifvertragsverhandlungen und jedenfalls bis zu dem Tag, an dem sie ein Ergebnis über den TS-TV und den ETS-TV erzielt hatten, Mitglied der IG Metall waren.

41

(a) Die vereinbarte Stichtagsregelung orientiert sich an der geplanten Betriebsänderung als einmaligem Vorgang und den damit verbundenen Überbrückungsleistungen. Im Hinblick auf den tariflichen Regelungsgegenstand war es nicht sachlich ungerechtfertigt, für den persönlichen Geltungsbereich des ETS-TV einen Stichtag zu vereinbaren (§ 1 Abs. 2 ETS-TV), nach dem sich der Kreis der betroffenen Arbeitnehmer bestimmen sollte. Die Tarifvertragsparteien konnten unter Berücksichtigung der koalitionsspezifischen Interessen der IG Metall, die der Aufhebung eines bestehenden tariflichen Sonderkündigungsschutzes für bereits bei ihr organisierte Arbeitnehmer zustimmen sollte, die tariflich vorgesehenen „Ergänzungsleistungen“ nach §§ 2, 3 ETS-TV auf die Mitglieder beschränken, die am 23. März 2012 (12.00 Uhr) bereits der Gewerkschaft beigetreten waren und nicht erst, nachdem die Tarifverhandlungsergebnisse feststanden.

42

(b) Ohne eine solche Stichtagsregelung ließe sich zudem der Regelungszweck, allein einem bestimmten „berechenbaren“ Kreis von Mitgliedern einen Anspruch auf die Ergänzungsleistungen zu vermitteln, nicht erreichen. Der Anspruch auf eine Abfindungszahlung entstand nach § 5 TS-TV iVm. § 7 Abs. 1 und 2 TS-TV erst „mit Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrags (Zustimmung zum Eintritt in die beE)“, der nach C. 5. DV allerdings bis zum 13. April 2012, 12:00 Uhr angenommen werden konnte. Es wäre dann nicht verlässlich zu bestimmen und planbar gewesen, wie viele Mitglieder einen Anspruch auf ergänzende Leistungen tatsächlich haben könnten und nach welchen abstrakten Kriterien das ausgehandelte Tarifvertragsvolumen des ETS-TV bei den ergänzenden Leistungen bestimmt werden soll (zu diesem Aspekt bei Stichtagsregelungen in betrieblichen Sozialplänen BAG 24. Januar 1996 - 10 AZR 155/95 - Rn. 44; s. auch Franzen RdA 2008, 304, 306 f.: Stichtagsregelungen als „Kompromiss zwischen gegenläufigen Gewerkschafts- und Arbeitgeberinteressen“).

43

(4) Entgegen der Auffassung der Klägerin bestand für die Tarifvertragsparteien keine rechtliche Pflicht, die „Ergänzung zur Höhe der Abfindung“ nach § 3 ETS-TV nur für die Mitglieder vorzusehen, deren tariflicher Sonderkündigungsschutz in Wegfall geraten sollte.

44

Die Ergebnisse von Tarifvertragsverhandlungen, die von widerstreitenden Interessen bestimmt sind, stellen regelmäßig einen Kompromiss dar (BAG 3. Mai 2006 - 4 AZR 795/05 - Rn. 24, BAGE 118, 159: „Kennzeichen des Tarifvertrages“; 30. August 2000 - 4 AZR 563/99 - zu I 2 g der Gründe, BAGE 95, 277; Dieterich FS Schaub 1998, S. 120, 129 ). Eine rechtliche Verpflichtung, etwaige „Kompensationen“ im Zusammenhang mit nachteiligen Regelungen nur für einen Teil der Mitglieder zu vereinbaren, besteht im Rahmen von Tarifvertragsverhandlungen als kollektiv ausgeübter Privatautonomie nicht. Maßgebend ist grundsätzlich nur, ob das gefundene Tarifergebnis mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Im Übrigen sind die Tarifvertragsparteien in Ausübung ihrer verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie frei (s. oben B II 1 b aa (2)).

45

c) Mit der unterschiedlich geregelten Höhe der Abfindungsleistungen und der „Überbrückungsgelder“ durch den TS-TV und den ETS-TV wird entgegen der Auffassung der Klägerin kein „unerträglicher Druck“ zum Gewerkschaftsbeitritt erzeugt. Ein von tariflichen Regelungen ausgehender bloßer Anreiz zum Beitritt einer Koalition ist unerheblich (BVerfG 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - Rn. 66, BVerfGE 116, 202) und lässt sich zudem ohne Weiteres durch die Gestaltung der individualvertraglichen Regelungen gänzlich minimieren (BAG 21. August 2013 - 4 AZR 861/11 - Rn. 25). Deshalb fehlt es auch an einem Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit, unabhängig davon, ob eine solche negative Freiheit in Art. 9 Abs. 3 GG oder in Art. 2 Abs. 1 GG begründet ist(dazu BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 35 mwN, BAGE 130, 43; s. auch Deinert RdA 2014, 129, 133 ff. mwN).

46

aa) Ohne eine gesonderte Rechtsgrundlage besteht für nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer kein Anspruch auf Anwendung von Tarifnormen auf ihr Arbeitsverhältnis, also auf eine „Gleichbehandlung“ mit tarifgebundenen Arbeitnehmern (s. dazu nur BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 54 mwN, BAGE 130, 43; sowie 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - Rn. 21, BAGE 137, 231 ; 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 2 b bb der Gründe, BAGE 91, 210 ; 20. Juli 1960 - 4 AZR 199/59 - ). Die individuelle Vertragsfreiheit gibt allerdings sowohl dem Arbeitgeber als auch jedem Arbeitnehmer die rechtliche Möglichkeit, die Anwendbarkeit eines ganzen Tarifvertrags zu vereinbaren oder von einer vertraglichen Einbeziehung von Tarifrecht abzusehen. Ihnen steht es überdies grundsätzlich frei, tariflich vorgesehene Leistungen - etwa wie im Entscheidungsfall die begehrte weitere Abfindung - individualvertraglich zu vereinbaren (BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 54, aaO).

47

bb) Die negative Koalitionsfreiheit wird insbesondere nicht durch die nach § 1 Nr. 2 ETS-TV vorgenommene Gruppenbildung zwischen verschiedenen Gewerkschaftsmitgliedern verletzt. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die tarifliche Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien für Rechtsnormen iSd. § 1 Abs. 1 TVG von Verfassungs und von Gesetzes wegen(§ 3 Abs. 1 TVG)ausschließlich auf ihre Mitglieder beschränkt ist (BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 2 b der Gründe, BVerfGE 44, 322). Die unmittelbare und zwingende Wirkung einer Tarifregelung auf Außenseiter ist danach ausgeschlossen (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - Rn. 21, BAGE 137, 231).

48

cc) Die hier vorliegende „Binnendifferenzierung“ zwischen Gewerkschaftsmitgliedern schränkt weiterhin weder die Handlungs- und insbesondere Vertragsfreiheit des Arbeitgebers noch die der sog. Außenseiter ein. Ihnen bleibt es unbenommen, ihre vertraglichen Beziehungen frei zu gestalten und durchzuführen. Soweit eine Tarifnorm sich auf das Arbeitsverhältnis von Außenseitern wie hier der Klägerin auswirkt, beruht dies vorliegend nicht auf der normativen Wirkung des Tarifvertrags, sondern auf der privatautonom gestalteten Arbeitsvertragsbeziehung der Arbeitsvertragsparteien (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - Rn. 21, BAGE 137, 231; 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 57, BAGE 130, 43; ebenso Deinert RdA 2014, 129, 131). Von einer solchen Regelung geht gegenüber den sog. Außenseitern kein „höherer Druck“ aus, als derjenige, der sich stets ergibt, wenn die individualvertraglichen Vereinbarungen hinter denjenigen Regelungen zurückbleiben, die durch einen Tarifvertrag für die Mitglieder der Tarifvertragsparteien geregelt werden.

49

dd) Die Unzulässigkeit einer Tarifnorm kann sich nur aus übergeordnetem Recht, nicht aber aus der Vertragspraxis der Individualvertragsparteien ergeben (BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 57, BAGE 130, 43). Will ein Arbeitnehmer am Inhalt eines Kollektivvertrags partizipieren, muss er, wenn er in den individuellen Vertragsverhandlungen seine Interessen nicht durchsetzen kann, in die tarifschließende Gewerkschaft eintreten (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1861; ähnlich Giesen NZA 2004, 1317, 1317 f.; Jacobs FS Bauer 2010, S. 488 f.; Franzen RdA 2008, 193, 199; Lobinger/Hartmann RdA 2010, 235, 239; s. auch Deinert RdA 2014, 129, 134, unter Hinweis auf die „Verhandlungsmacht des Individuums“; sowie Ulber/Strauß DB 2008, 1970, 1974). Im anderen Fall würde es von der individuellen Arbeitsvertragsgestaltung abhängen, ob eine ansonsten zulässige Regelung in einem Tarifvertrag, durch die das Grundrecht auf koalitionsgemäße Betätigung aus Art. 9 Abs. 3 GG ausgeübt wird, unwirksam ist. Den Tarifvertragsparteien wäre es unter Hinweis auf individualvertragliche Abreden verwehrt, abweichende, günstigere Inhaltsnormen für die Arbeitsverhältnisse ihrer Mitglieder zu vereinbaren oder - in im Übrigen sachlich gerechtfertigten Fallgestaltungen (dazu oben B II 1 b) - zwischen ihren Mitgliedern zu differenzieren.

50

d) Entgegen der Ansicht der Klägerin müssen Tarifvertragsregelungen nach § 1 Abs. 1 TVG nicht geeignet sein, an die Stelle einer staatlichen Regelung über Arbeitsbedingungen zu treten, daher angemessene und ausgewogene Regelungen für seinen Geltungsbereich enthalten und Rücksicht auf die Interessen von Außenseitern nehmen. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus den Erwägungen des Senats in der Entscheidung vom 18. März 2009 (- 4 AZR 64/08 - Rn. 60 ff., BAGE 130, 43; s. auch 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - Rn. 22, BAGE 137, 231; dazu krit. Schubert ZTR 2011, 579, 581; Ulber/Strauß EzA GG Art. 9 Nr. 104; anders wohl Waltermann Arbeitsrecht 17. Aufl. Rn. 546; sowie Kalb jM 2015, 107, 111). Insoweit handelte es sich um nicht tragende und nicht entscheidungserhebliche Erwägungen. Sie standen zur tragenden Begründung in einem rechtlichen Alternativverhältnis. An ihnen hält der Senat im Übrigen unter Hinweis auf die Begründung in seinem Urteil vom 7. Juli 2010 (- 4 AZR 549/08 - Rn. 63 ff. mwN, BAGE 135, 80) - klarstellend - nicht mehr fest.

51

aa) Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, dem von der staatlichen Rechtssetzung ausgesparten Raum des Arbeitslebens im Einzelnen durch Tarifverträge autonom zu regeln. Bei dieser Zweckverfolgung durch den Abschluss von Tarifverträgen sollen die Vereinigungen nach dem Willen des Grundgesetzes frei sein. Mit dem Tarifvertragsgesetz hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für ein gesetzlich gesichertes tarifvertragliches Regelungsverfahren in Ausgestaltung der verfassungsrechtlich abgesicherten Tarifautonomie geschaffen. Die Tarifvertragsparteien regeln auf dessen Grundlage (privat-)autonom, mit welchen tarifpolitischen Forderungen (dazu BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 99 BAGE 122, 134 ) sie für ihre Mitglieder tarifvertragliche Regelungen mit welchem Tarifvertragspartner setzen wollen und letztlich vereinbaren. Anders als § 3 Abs. 2 und Abs. 3 TVG für betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Rechtsnormen eines Tarifvertrags enthält das Tarifvertragsgesetz grundsätzlich keine gesetzlichen Vorgaben, die auf eine bestimmte inhaltliche Ordnung des Tarifvertragssystems iSe. einheitlichen Regelung der Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen im jeweiligen Betrieb ausgerichtet sind (BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 549/08 - Rn. 65, BAGE 135, 80).

52

bb) Ebenso wenig besteht eine Regelungsverpflichtung der Tarifvertragsparteien in dem von der Klägerin angeführten Sinne. Dem steht schon die auf die Mitglieder beschränkte Regelungsmacht entgegen. Sie beschränkt die Ordnungsfunktion eines Tarifvertrags durch § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf ihre Mitglieder. Die in erster Linie als Freiheitsgrundrecht strukturierte Koalitionsfreiheit überlässt es den tariffähigen Koalitionen, in Ausübung ihrer kollektiven Regelungsmacht durch Tarifverträge mit Abschluss-, Inhalts- und Beendigungsnormen iSd. § 1 Abs. 1 TVG die Rechtsverhältnisse für ihre Mitglieder zu regeln(BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 549/08 - Rn. 68, BAGE 135, 80).

53

e) Die Verweisungen in dem dreiseitigen Vertrag unter A. 2.1. auf den TS-TV und den ETS-TV (zu den Maßstäben der Auslegung von AGB BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15 mwN, BAGE 134, 283) führen zu keinem anderen Ergebnis. Rechtsfolge dieser Verweisungsklauseln ist allein, die Anwendbarkeit der Tarifnormen im Arbeitsverhältnis mit den dort vorhandenen Voraussetzungen herbeizuführen. Die Vereinbarung unter A. 2.1. Abs. 2 DV nennt ausdrücklich die Bestimmungen über den Geltungsbereich des ETS-TV (§ 1 Abs. 2 ETS-TV) als eine Voraussetzung für eine zusätzliche Abfindungszahlung nach § 3 ETS-TV an. Sie substituiert schon deshalb nicht die weitere Anspruchsvoraussetzung einer Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft zu einem bestimmten Stichtag (vgl. auch BAG 21. August 2013 - 4 AZR 861/11 - Rn. 23; s. auch 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 27, BAGE 130, 43), die bei der Klägerin, die erst im Monat Juli 2012 Mitglied der IG Metall wurde, nicht vorliegt.

54

2. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (ausf. zu dessen Inhalt BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 19 ff., BAGE 148, 139) stützen. Die vertraglichen Vereinbarungen nach A. 2.1. Abs. 1 DV sind nicht an dessen Maßstab zu überprüfen.

55

a) Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes besteht nicht bei jeder Form privatautonomen Handelns. Werden Rechte und Pflichten für ein Arbeitsverhältnis zwar privatautonom, aber unter den Bedingungen eines strukturellen Gleichgewichts vereinbart, bleibt der Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verschlossen (ausf. BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 29 ff. mwN, BAGE 148, 139).

56

b) Nach diesen Maßstäben unterliegen die differenzierenden arbeitsvertraglichen Regelungen unter A. 2.1. Abs. 1 und Abs. 2 DV als Teil der vertraglich erforderlichen Umsetzung der Abfindungs- und Mindestbedingungsregelungen des TS-TV und des ETS-TV durch den tariflich vorgegebenen dreiseitigen Vertrag keiner Kontrolle anhand der Kriterien des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Sie dienen allein der vertraglichen Umsetzung der im TS-TV und im ETS-TV genannten Bestimmungen über die Abfindungszahlung.

57

aa) Nach den Tarifregelungen des TS-TV und des ETS-TV hat die Beklagte zu 2., die selbst an beide Tarifverträge gebunden ist, in einem Antrag auf Abschluss eines dreiseitigen Vertrags (§ 145 BGB)einen Abfindungsanspruch nach den Bestimmungen des § 7 TS-TV und nach § 3 ETS-TV aufzunehmen, die mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu ihr(§ 5 Abs. 1 TS-TV)verbunden ist. § 5 Abs. 3 TS-TV sieht - ebenso wie § 7 Abs. 7 TS-TV - vor, dass „in dem dreiseitigen Vertrag … der Anspruch auf Abfindung und deren Fälligkeit festgehalten (§ 7)“ wird. Gleiches gilt für die weitere Abfindung nach § 3 ETS-TV gemäß § 4 Abs. 1 ETS-TV, der eine entsprechende Anwendung der Regelungen des TS-TV bestimmt.

58

bb) Damit ist das Vertragsangebot der Beklagten zu 2. (A. DV) auf eine Umsetzung der beiden Tarifverträge - TS-TV und ETS-TV - gerichtet. Diesen - hinsichtlich der Abfindung differenzierenden - tariflichen Regelungen kommt, da sie nicht wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam sind (oben B II 1 a bis c), jedenfalls im Rahmen einer vertraglichen Umsetzung durch die an sie gebundene Beklagte zu 2. (§ 3 Abs. 1 TVG) die Vermutung der Angemessenheit zu. Die Voraussetzungen für eine Begrenzung privatautonomen Handelns anhand des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 19 ff., 24 ff., BAGE 148, 139; s. auch 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 23) liegen deshalb hier nicht vor.

59

3. Die Klägerin kann die von ihr geltend gemachten Ansprüche auch nicht auf den von der Beklagten zu 2. und dem bei ihr bestehenden Betriebsrat vereinbarten „Interessenausgleich“ vom 4. April 2012 stützen. Dabei kann zu ihren Gunsten davon ausgegangen werden, die Betriebsparteien hätten durch Nr. 5 des Interessenausgleichs („Sozialplan“) die Regelungen des TS-TV als eigenen Sozialplan übernommen. Die ausschließlich erfolgte Einbeziehung des TS-TV und nicht zugleich des ETS-TV in die betriebliche Vereinbarung verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG. Deshalb kann offenbleiben, ob bei dessen Verletzung - wie die Klägerin meint - sich überhaupt ein Anspruch auf eine erhöhte Abfindungszahlung im Wege einer „Anpassung nach oben“ ergeben könnte (vgl. etwa BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 23 ff., 42, BAGE 125, 366; 21. Oktober 2003 - 1 AZR 407/02 - zu III 1 der Gründe mwN, BAGE 108, 147).

60

a) Sozialpläne unterliegen wie andere Betriebsvereinbarungen der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG), vereinbar sind. Danach haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in dieser Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden(st. Rspr., etwa BAG 26. März 2013 - 1 AZR 813/11 - Rn. 20, BAGE 144, 378; 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 20, BAGE 138, 107; 12. April 2011 - 1 AZR 764/09 - Rn. 10 f.).

61

Nach § 75 Abs. 1 BetrVG können die Betriebsparteien daher auch bei der Festlegung von Leistungen in einem Sozialplan Arbeitnehmern nicht deswegen eine höhere Abfindung zuerkennen, weil diese Mitglied einer Gewerkschaft sind. Ein solches Vorgehen verstieße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Ein sog. Außenseiter könnte in einem solchen Falle ggf. die gleiche Behandlung verlangen, wie sie den Gewerkschaftsmitgliedern bei der Bemessung der Leistungen zukommt (vgl. BAG 12. Februar 1985 - 1 AZR 40/84 -).

62

b) Die Beklagte zu 2. und der Betriebsrat haben aber mit der alleinigen Übernahme der Regelungen des TS-TV nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 BetrVG verstoßen.

63

aa) Die in den „Interessenausgleich“ übernommenen Regelungen sehen - in Anwendung des persönlichen Geltungsbereichs nach § 1 Nr. 2 TS-TV - Leistungen für alle Beschäftigten vor, sofern sie, wie die Klägerin, die individuellen Voraussetzungen für den Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld erfüllen. Die Betriebsparteien haben gerade davon abgesehen, die Bestimmungen des ETS-TV - mit denen zwischen bestimmten Mitgliedern der IG Metall differenziert wird - zu übernehmen. Damit haben sie den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, der darauf abzielt, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen (BAG 12. April 2011 - 1 AZR 505/09 - Rn. 15), beachtet.

64

bb) Mit ihrem Hinweis, es wäre keine Ungleichbehandlung eingetreten, wenn der Betriebsrat seine ihm nach „§§ 111 ff. BetrVG obliegende Aufgabe selbst wahrgenommen“ hätte, verkennt die Revision das grundsätzlich mögliche „Nebeneinander“ von Tarifverträgen mit sozialplanähnlichem Inhalt und Sozialplänen nach § 112 BetrVG sowie den Umstand, dass für beide unterschiedliche Akteure verantwortlich sind und unterschiedliche rechtliche Maßstäbe gelten.

65

(1) Den Tarifvertragsparteien fehlt auch in Betrieben mit einem Betriebsrat nicht die Kompetenz zur Schaffung von Regelungen, die inhaltlich denen eines möglichen Sozialplans nach § 112 BetrVG entsprechen. Diese Materie ist nicht ausschließlich den Betriebsparteien vorbehalten. Die §§ 111 ff. BetrVG hindern den einvernehmlichen Abschluss eines Haustarifvertrags zum Ausgleich der mit einer konkreten Betriebsänderung verbundenen Nachteile nicht (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 81 ff., BAGE 122, 134). Ein Tarifvertrag mit sozialplanähnlichem Inhalt, der ohne Weiteres nur für die bei der tarifschließenden Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmer des Betriebs gilt, und ein für alle betroffenen Arbeitnehmer des Betriebs unabhängig von ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit geltender Sozialplan der Betriebsparteien können prinzipiell nebeneinander bestehen. Die Tarifvertragsparteien sind zudem nicht darauf beschränkt, nur Regelungen zu treffen, die auch wirksamer Inhalt eines betrieblichen Sozialplans nach § 112 BetrVG sein könnten(BAG 6. Dezember 2006 - 4 AZR 798/05 - Rn. 30, BAGE 120, 281).

66

(2) Ebenso wie die Annahme einer Sperrwirkung eines betriebsverfassungsrechtlichen Sozialplans gegenüber dem Tarifvertrag systemfremd ist, weil sich aus dem BetrVG keine Einschränkung der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien ergibt (BAG 6. Dezember 2006 - 4 AZR 798/06 - Rn. 30, BAGE 120, 281), ist auch die Auffassung der Klägerin unzutreffend, die Betriebsparteien seien zur inhaltsgleichen Übernahme aller tariflichen Regelungen verpflichtet, die Inhalt von Tarifverträgen mit sozialplanähnlichem Inhalt anlässlich einer Betriebsänderung geworden sind. Dem steht bereits entgegen, dass den Betriebsparteien angesichts der Vielfalt ausgleichsfähiger und ausgleichsbedürftiger Nachteile ein Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. nur BAG 1. Februar 2011 - 1 AZR 472/09 - Rn. 17).

67

cc) Es ist schließlich nicht erkennbar, dass sich für nicht in einer Gewerkschaft organisierte Arbeitnehmer mittelbar ein Nachteil dadurch ergeben hat, dass aufgrund des Tarifvertragsabschlusses des ETS-TV für den betrieblichen Sozialplan keine oder erheblich geringere Mittel vorhanden gewesen wären, es also zu einer „Aufzehrung“ der zur Verfügung stehenden Mittel durch die beiden Tarifverträge gekommen wäre. Alle Arbeitnehmer haben nach dem Vorbringen der Parteien einen Anspruch auf eine Abfindung von bis zu 110.000,00 Euro brutto und ein „beE-Monatsentgelt“ iHv. 70 vH des bisherigen Bruttomonatseinkommens für die Dauer ihres Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten zu 1. Zudem ist eine etwaige Ungleichbehandlung von sog. Außenseitern und Gewerkschaftsmitgliedern in einer auf die Bildung von Zwangsorganisationen verzichtenden Tarifvertragsordnung immanent (Fischinger Anm. zu AP Nr. 2 zu § 1 TVG Sozialplan mwN). Eine Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien scheidet deshalb nicht aus (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 85, BAGE 122, 134).

68

dd) Soweit die Revision schließlich anführt, der bei der Beklagten zu 2. bestehende Betriebsrat habe „anstatt einen Interessenausgleich und Sozialplan selbst zu verhandeln“, der IG Metall ein „Mandat erteilt“, handelt es sich um einen in der Revisionsinstanz unzulässigen neuen Vortrag, der sich zudem auf eine pauschale und nicht durch nähere Tatsachen gestützte Behauptung beschränkt. Hinzu kommt, dass der Betriebsrat gesetzlich noch nicht einmal verpflichtet gewesen ist, überhaupt eine Sozialplanregelung zu vereinbaren.

69

4. Die Klägerin kann sich für ihren Anspruch schließlich nicht auf § 3 Abs. 2 TVG stützen. Entgegen ihrer Auffassung ist die Stichtagsregelung in § 1 Abs. 2 ETS-TV wirksam. Deshalb kann dahinstehen, ob die Auffassung der Klägerin, im Falle der Unwirksamkeit dieser Regelung sei der TS-TV insgesamt nichtig und bei den dann allein noch verbleibenden Regelungen des ETS-TV handele es sich nunmehr um Betriebsnormen iSd. § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, von denen auch die Klägerin erfasst werde, auch nur im Ansatz zutreffend sein könnte.

70

5. Einer Vorlage an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 3 ArbGG bedurfte es nicht. Bei der vom Großen Senat in der Entscheidung vom 29. November 1967 behandelten Rechtsfrage (- GS 1/67 - BAGE 20, 175) handelt sich um eine andere als diejenige nach der Zulässigkeit einer Differenzierung zwischen verschiedenen Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern (ausf. zu den behandelten Rechtsfragen BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 86 ff., BAGE 130, 43).

71

III. Der Klägerin steht auch gegen die - nicht tarifgebundene - Beklagte zu 1. weder einen Anspruch auf weitere Leistungen nach B. 4. Abs. 2 DV iVm. § 2 ETS-TV noch auf Zahlung eines Bruttomonatsentgelts iHv. 70 vH des nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 TS-TV ermittelten Bruttomonatseinkommens zu.

72

1. Die Klägerin hat auf Grund der Regelung in B. 4. Abs. 2 DV keinen Anspruch auf Zahlung eines Entgelts nach Maßgabe des § 2 Satz 1 ETS-TV (Ergänzung der Mindestbedingungen der Transferarbeitsverhältnisse). Die Tarifvertragsparteien haben in § 1 Nr. 2 ETS-TV eine wirksame Geltungsbereichsbestimmung vereinbart(oben B II 1 a bis c). Deshalb kann die Klägerin auch auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Verweisung in B. 4. Abs. 2 DV nicht die in § 2 ETS-TV vorgesehene Leistung verlangen.

73

Bei dem „beE-Monatsentgelt“ handelt es sich um eine Überbrückungsleistung anlässlich einer Betriebsänderung sowie der damit verbundenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2., die lediglich auf die Dauer des bestehenden Transferarbeitsverhältnisses verteilt ist, und nicht um ein Entgelt (s. auch B II 1 b cc (2)). Entgegen der Auffassung der Revision greift daher die „Ergänzung zu den Mindestbedingungen der Transferarbeitsverhältnisse“ nach § 2 ETS-TV nicht differenzierend in das arbeitsvertragliche Synallagma ein. In dem mit der Beklagten zu 1. begründeten befristeten Transferarbeitsverhältnis (§ 5 TS-TV)ist „Kurzarbeit Null angeordnet“ (B. 1. Abs. 2 DV) und der Beschäftigungsanspruch entfallen. Es ist gerade keine (produktive) Arbeitsleistung zu erbringen (vgl. BAG 19. März 2014 - 5 AZR 299/13 (F) -
Rn. 21).

74

2. Die Klägerin kann sich für einen Anspruch auf eine erhöhte Zahlung nach § 2 Satz 1 ETS-TV nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Dessen Anwendungsbereich ist auch bezogen auf die tarifungebundene Beklagte zu 1. nicht eröffnet. Die Regelungen in B. 4. Abs. 1 und Abs. 2 DV unterliegen als tarifvertraglich vorgesehene notwendige Umsetzung von zwischen tariffähigen Vertragspartnern vereinbarten Regelungen nicht der Kontrolle anhand des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (zu den Grundsätzen ausf. BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 29 ff. mwN, BAGE 148, 139; sowie oben B II 2 a).

75

a)  Der von der Beklagten zu 1. der Klägerin in Umsetzung der beiden Tarifverträge angebotene und von ihr angenommene Arbeitsvertrag (nach Abschnitt B. des Dreiseitigen Vertrags) dient vor allem der rechtlich erforderlichen Umsetzung der im TS-TV unter § 5 Abs. 2 Nr. 1 bis 12 festgelegten „Mindestbedingungen der Transferarbeitsverhältnisse“ sowie der in § 2 ETS-TV vorgesehenen Ergänzung zu den Mindestbedingungen der Transferarbeitsverhältnisse. Hierfür ist nach § 5 Abs. 1 TS-TV - der vermittelt über § 4 Satz 1 ETS-TV auch für die dort geregelten Ergänzungsleistungen gilt - der Abschluss eines dreiseitigen Vertrags des jeweiligen Arbeitnehmers mit dem bisherigen Arbeitgeber - der Beklagten zu 2. - zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Transfergesellschaft - der Beklagten zu 1. - zur Begründung eines sich unmittelbar anschließenden Transferarbeitsverhältnisses (Teil B. DV) vorgesehen. Die Transfergesellschaft war nach § 2 TS-TV von der Beklagten zu 1. als betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) auf „Basis einer mit der IG Metall abgestimmten Kooperationsvereinbarung“ (§ 4 Abs. 2 TS-TV), deren wesentliche Bestandteile zudem in § 4 Abs. 3 TS-TV geregelt sind, zu errichten. Die Begründung eines Transferarbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. als Träger der Transfermaßnahme und damit einem „Dritten“ entsprechend § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB III(idF vom 20. Dezember 2011, in Kraft getreten am 1. April 2012, BGBl. I 2011, 2854; s. auch BT-Drucks. 15/1515, S. 91) schafft die betrieblichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld (s. auch Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit Teil C Stand Juni 2013 S. 217 f.).

76

b) Aufgrund dieser rechtlichen Vorgaben des TS-TV und des ETS-TV hinsichtlich der Ausgestaltung der Transferarbeitsverhältnisse handelt es sich bei den differenzierenden Vergütungsregelungen B. 4. DV um eine Umsetzung von verbindlichen tariflichen Vorgaben der zwischen der Beklagten zu 2. und der IG Metall vereinbarten Transfer- und Sozialtarifverträge. Dabei ist unbeachtlich, dass die weitere Durchführung der Transferarbeitsverhältnisse allein durch die Beklagte zu 1. ohne zwingende rechtliche Beteiligung der IG Metall als Organisation erfolgt ist (vgl. auch BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 35, 45, mwN, BAGE 148, 139).

77

3. Soweit sich die Klägerin weiterhin für ihren Anspruch auf den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG sowie auf eine Geltung der Regelungen nach § 3 Abs. 2 TVG stützt, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine vorstehenden Ausführungen(unter B II 3 und 4). Zudem übersieht die Klägerin in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte zu 1. an die beiden Tarifverträge nicht gebunden ist, weshalb eine Geltung der Regelungen nach § 3 Abs. 2 TVG auch deshalb ausscheiden würde.

78

4. Der Klägerin kann von der Beklagten zu 1. auch nicht die Zahlung der monatlichen Vergütung nach B. 4. Abs. 1 DV auf der Basis ihres (bisherigen) Bruttomonatseinkommens in Höhe von 70 vH unter Heranziehung des Berechnungsfaktors in § 5 Abs. 3 Satz 2 TS-TV(„13,5 fache des bisherigen Bruttomonatsgehalts dividiert durch 12“) beanspruchen. Das ergibt die Auslegung der im Formulararbeitsvertrag enthaltenen vertraglichen Regelung (zu den Maßstäben der Auslegung BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, BAGE 134, 283).

79

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin haben die Parteien in B. 4. Abs. 1 Satz 2 DV nicht lediglich ein Bruttomonatseinkommen iHv. 70 vH der nach B. 4. Abs. 1 Satz 2 DV maßgebenden Bezugsgröße vereinbart. Zwar spricht die vertragliche Bestimmung von einem „BruttoMonatsEinkommen“. Dieses ist aber „gemäß § Abs. 3 des Transfers- und Sozialtarifvertrags“ zu zahlen, der von einem „BeE-Monatsentgelt“ und gerade nicht von einem Bruttomonatseinkommen - insbesondere dem bisherigen der Klägerin - handelt. Die ausdrückliche Bezugnahme auf § 5 Abs. 3 TS-TV bringt dabei hinreichend klar zum Ausdruck, dass die dort von den Tarifvertragsparteien getroffene Regelung maßgebend sein soll(„erhält gemäß § 5 Abs. 3 des Transfer- und Sozialtarifvertrags … - unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - … monatlich 70 % ihres/seines BruttoMonatsEinkommens). Damit wird zur Berechnung der Höhe des monatlichen Entgelts ein „Referenz“-Bruttoeinkommen benannt, welches sich aus den Entgeltzahlungen der Arbeitgeberin und - sofern eine Zahlung erfolgt - aus den netto gewährten Leistungen der Bundesagentur für Arbeit nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 TS-TV zusammensetzt.

80

b) Die Klägerin kann sich nicht auf die Unklarheitenregelung des § 305c BGB stützen. Auf diese kann nur zurückgegriffen werden, wenn nach Ausschöpfung aller anerkannten Auslegungsmethoden „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen (BAG 16. Mai 2012 - 4 AZR 224/10 - Rn. 22; 21. Oktober 2009 - 4 AZR 880/07 - Rn. 36 mwN). Derartige Zweifel bestehen, wie die Auslegung zeigt, vorliegend nicht. Allein die entfernte Möglichkeit, auch zu einem anderen Auslegungsergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung von § 305c Abs. 2 BGB nicht(BAG 10. Dezember 2008 -  10 AZR 1/08  -
Rn. 15 ).

81

c) Die Beklagte zu 1. hat in rechtsfehlerfreier Anwendung von § 5 Abs. 3 TS-TV das der Klägerin zustehende Bruttomonatseinkommen berechnet.

82

Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die den Parteien bekannte Begründung des Spruchs der tariflichen Schiedsstelle vom 14. Dezember 2012. Deshalb kann es dahinstehen, ob dem Schiedsstellenspruch eine rechtliche Bindungswirkung nach § 108 Abs. 4 ArbGG iVm. § 9 TVG zukommt(so Düwell/Lipke/ Voßkühler ArbGG 3. Aufl. § 108 Rn. 28; GMP/ Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 108 Rn. 29 f.; GK-ArbGG/ Mikosch ArbGG Stand 2013 § 108 Rn. 18; Schwab/Weth/ Zimmerling ArbGG 4. Aufl. § 108 Rn. 23; alle unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Mai 1960 - 1 AZR 268/57 - zu 1 b der Gründe; aA Däubler/Reinecke TVG 3. Aufl. § 9 Rn. 33; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 9 Rn. 49 f.).

83

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

Eylert

        

Rinck 

        

Treber

        
                 

Hannig

        

Kriegelsteiner

                 

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. Januar 2009 - 7 Sa 956/08 - wird zurückgewiesen.

Die Revision der Klägerin zu 1. gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. Januar 2009 - 7 Sa 956/08 - wird insoweit als unzulässig verworfen, als sie mit dem Feststellungsantrag eine Entscheidung auch für den Zeitraum begehrt, in dem sie selbst Altersrente, vorgezogenes Ruhegeld oder Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezieht (§ 13 Abs. 7 Satz 2 VTV 98).

Im Übrigen wird auf die Revision der Klägerin zu 1. unter Zurückweisung der Revision im Übrigen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. Januar 2009 - 7 Sa 956/08 - teilweise aufgehoben und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Auf die Berufung der Klägerin zu 1. wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15. Mai 2008 - 1 Ca 105/08 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1. 27.770,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30. November 2007 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Klägerin zu 1. ab dem 1. Januar 2008 eine monatliche Witwenrente in Höhe von 1.276,81 Euro zusteht.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz haben die Klägerin zu 1. zu 1/36, der ursprünglich mitverklagte Kläger zu 2. zu 1/9 und die Beklagte zu 31/36 zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. in erster und zweiter Instanz haben die Beklagte zu 97/100 und die Klägerin zu 1. selbst zu 3/100 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten erster und zweiter Instanz hat der ursprünglich mitverklagte Kläger zu 2. zu 1/9, die Klägerin zu 1. zu 1/36 und die Beklagte selbst zu 31/36 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des ursprünglich mitverklagten Klägers zu 2. hat dieser selbst zu tragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Klägerin zu 1. zu 3/100 und die Beklagte zu 97/100 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin zu 1. (künftig: Klägerin) und die Beklagte streiten in der Revision noch über die Berechnung der Hinterbliebenenrente der Klägerin.

2

Die Klägerin ist die Witwe des am 14. April 2005 verstorbenen H R. Dieser war seit dem 14. Juli 1980 als leitender Redakteur bei der Beklagten, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, beschäftigt. Die Klägerin ist seit dem 1. Februar 1985 ebenfalls bei der Beklagten tätig. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung erzielte sie eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.844,23 Euro brutto.

3

Der Arbeitsvertrag des verstorbenen Ehemannes der Klägerin vom 27. Juni 1980 enthält ua. folgende Regelungen:

        

„…    

        

§ 2

        

Für alle sich aus diesem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten gelten die Bestimmungen des Manteltarifvertrages der DW in seiner jeweils gültigen Fassung.

        

…       

        

§ 7

        

Die DW gewährt - unbeschadet der gesetzlichen Bestimmungen - Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung aufgrund des Versorgungstarifvertrages vom 1.8.1966 in der jeweils maßgebenden Fassung. Dem Arbeitnehmer werden gemäß § 4 des Versorgungstarifvertrages _ Jahre und _ Monate auf die Wartezeit angerechnet.

        

…“    

4

Der in § 7 des Arbeitsvertrages erwähnte Versorgungstarifvertrag war am 31. Januar 1969 rückwirkend zum 1. August 1966 als Haustarifvertrag abgeschlossen worden. Später kam es zum Abschluss weiterer, auch die Versorgung betreffender Tarifverträge. Ua. wurde am 30. Juni 1981 ein Haustarifvertrag abgeschlossen, der jedoch zum 31. März 1993 gekündigt wurde. Am 11. Februar 1998 schloss die Beklagte mit der IG Medien, der Deutschen Angestelltengewerkschaft, dem Deutschen Journalistenverband e.V. und der Vereinigung der Rundfunk-, Film- und Fernsehschaffenden einen neuen Versorgungstarifvertrag (künftig: VTV 1998). Dieser enthält ua. folgende Regelungen:

        

„Der zum 31.03.1993 gekündigte Versorgungstarifvertrag vom 30.06.1981 wird rückwirkend zum 01.04.1993 in Kraft gesetzt. Er erhält unter Einbeziehung des ab 01.11.1994 geltenden Tarifvertrages vom 23.02.1995 nachstehende Neufassung.

        

§ 1     

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Dieser Versorgungstarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer der Deutschen Welle, die von ihr vor dem 01. April 1993 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis eingestellt worden sind und bei Eintritt des Versorgungsfalles im unbefristeten Arbeitsverhältnis außerhalb der arbeitsvertraglichen Probezeit stehen, soweit Abs. 2 bis 4 keine abweichende Regelung vorsieht.

        

…       

        
        

§ 2     

        

Versorgungsberechtigte

        

(1)     

Die Deutsche Welle gewährt ihren im § 1 genannten Arbeitnehmern Versorgungsleistungen aufgrund dieses Versorgungstarifvertrages.

        

…       

        
                          
        

§ 3     

        

Versorgungsleistungen

        

(1)     

Versorgungsleistungen sind

                 

a)    

Altersrente (Regelaltersrente, sonstige Altersrente),

                 

…       

        
                 

e)    

Witwen- und Witwerrente,

                 

…       

        
        

§ 5     

        

Anrechnungsfähige Dienstzeit

        

(1)     

Anrechnungsfähige Dienstzeit ist die Zeit, die der Arbeitnehmer … in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei der DW verbracht hat … Ausgenommen bleiben Zeiten, für die der Arbeitnehmer weder Gehalt noch Krankenbezüge zu beanspruchen hat, wenn solche Zeiten zusammenhängend einen Monat übersteigen. In gleicher Weise werden Dienstzeiten bei anderen Rundfunkanstalten der ARD einschließlich RIAS, DeutschlandRadio und ZDF oder deren Gemeinschaftseinrichtungen angerechnet, sofern sie unmittelbar vor der Einstellung bei der DW lagen.

        

(2)     

Sonstige Berufszeiten werden bis zu insgesamt 4 Jahren angerechnet, wenn sie … in einem Arbeitsverhältnis oder einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (Beamtenverhältnis) unmittelbar vor dem Eintritt bei der Deutschen Welle verbracht worden sind und eine Tätigkeit zum Inhalt hatten, welche der Tätigkeit des Arbeitnehmers im Zeitpunkt seiner Einstellung bei der DW im wesentlichen gleichartig war. …

        

§ 7     

        

Ruhegeldfähige Vergütung

        

(1)     

Ruhegeldfähige Vergütung ist das monatliche Grundgehalt vor Eintritt des Versorgungsfalles auf der Basis eines Vollzeitbeschäftigten oder - falls für den Berechtigten günstiger - das höchste monatliche Grundgehalt - bzw. soweit zur Grundvergütung noch ein zusätzliches 1 1/3-Gehalt gezahlt wurde, das 13 1/3 Zwölftel des höchsten monatlichen Grundgehaltes -, das während der letzten 10 Dienstjahre vor Eintritt des Versorgungsfalles mindestens 1 Jahr ununterbrochen von der Deutschen Welle gezahlt worden ist.

        

…       

        
        

§ 8     

        

Höhe der Rentenansprüche

        

Die Höhe des Anspruchs auf Altersrente und Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beträgt nach Erfüllung der Wartezeit 40 v.H. der ruhegeldfähigen Vergütung (§ 7). Der Anspruch steigt mit jedem über die Erfüllung der Wartezeit hinausgehenden Dienstjahr um 1,25 v.H. und mit jedem weiteren vollen Kalendermonat um 0,104 v.H. der ruhegeldfähigen Vergütung bis zu einem Höchstsatz von 60 v.H.

        

…       

        

§ 13   

        

Witwen- und Witwerrente

        

(1)     

Der überlebende Ehegatte des Berechtigten erhält, wenn die Ehe bis zum Tode des Berechtigten bestanden hat, eine Witwen- oder Witwerrente, falls der Berechtigte im Zeitpunkt seines Todes Altersrente oder Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhalten hat oder zu beanspruchen gehabt hätte.

        

…       

        
        

(3)     

Witwen- und Witwerrente betragen 60 % der Altersrente oder der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

        

…       

        
        

(7)     

Solange der überlebende Ehegatte aufgrund eines Arbeitsverhältnisses von der DW Vergütung bezieht, besteht ein Anspruch auf 25 v.H. der Witwen-/Witwerrente.

                 

Liegen die Voraussetzungen sowohl auf Zahlung der Altersrente, vorgezogenem Ruhegeld oder Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit als auch von Witwen- bzw. Witwerrente vor, so werden dem überlebenden Ehegatten seine erworbenen Versorgungsleistungen gewährt. Daneben erhält er Witwen- oder Witwerrente gemäß Satz 1.

        

…       

        

§ 17   

        

Anrechnungen

        

(1)     

Hat der Berechtigte Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, so ist diese Rente einschließlich der darin enthaltenen Beitragszuschüsse auf die Leistung nach diesem Vertrag anzurechnen. Nicht zu berücksichtigen ist dabei der Teil der Sozialversicherungsrente, der auf freiwilligen Beiträgen sowie auf Höherversicherungsbeiträgen basiert, an denen sich die Deutsche Welle oder ein früherer Arbeitgeber nicht beteiligt hat.

        

…       

        
        

§ 29   

        

Schluß- und Übergangsbestimmungen

        

(1)     

Dieser Versorgungstarifvertrag tritt mit Wirkung vom 01.07.1981 in Kraft. Er tritt an die Stelle der Versorgungsordnung vom 31.01.1969 in der Fassung vom 26.07.1972.

                 

…       

                 

III.   

                 

Inkrafttreten

        

Dieser Tarifvertrag tritt am 11. Februar 1998 in Kraft; dies gilt für Abschnitt II dieses Tarifvertrages, soweit die ab 11. Februar 1998 geltende Neufassung des Versorgungstarifvertrages vom 30.06.1981 Änderungen gegenüber seiner bis zum 10. Februar 1998 geltenden Fassung enthält.“

5

Bereits am 24. März 1997 hatten mehrere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, darunter auch die Beklagte, mit der IG Medien, der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, dem Deutschen Journalistenverband e.V. und der Deutschen Orchestervereinigung e.V. mit Wirkung zum 1. März 1997 einen weiteren Versorgungstarifvertrag (künftig: VTV ARD 1997) abgeschlossen. Hinsichtlich des Geltungsbereichs enthält er folgende Regelung:

        

„§ 1   

        

Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nach dem Manteltarifvertrag eine Versorgungszusage beanspruchen können (nachfolgend: versorgungsfähiges Arbeitsverhältnis) und

        

...     

        

bei der Deutschen Welle nach dem 31.03.1993

        

…       

        

eingestellt worden sind.“

6

Der bei der Beklagten gültige Manteltarifvertrag (künftig: MTV) bestimmt ua.:

        

„810   

Ausschlußfristen

        

811     

Ansprüche auf Zahlung von Familienzuschlag, Mehrarbeitsvergütung und Mehrarbeitszuschlag, Zeitzuschlägen, Kostenerstattung, Abordnungsgeld, Trennungsentschädigung, Umzugskostenerstattung, Reisekostenerstattung, Zehrgeld, Essengeldzuschuß sind innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit, spätestens drei Monate nach der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, geltend zu machen.

                 

Sonstige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb einer Ausschlußfrist von 12 Monaten nach Fälligkeit, spätestens aber 3 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, geltend zu machen; dies gilt auch für Ansprüche der Rundfunkanstalten. Bei Schadenersatzansprüchen beginnt die Ausschlußfrist in dem Zeitpunkt, in welchem der Anspruchsberechtigte von dem Schaden und dem Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt.

        

…“    

        
7

Zum 1. März 2001 trat der Ehemann der Klägerin in den Ruhestand. Er erhielt bis zu seinem Tod im April 2005 von der Beklagten eine Betriebsrente nach dem VTV 1998 in Höhe von zuletzt 2.177,85 Euro. Wäre seine Betriebsrente nach dem VTV ARD 1997 berechnet worden, hätte sich für ihn eine Betriebsrente von lediglich 810,41 Euro ergeben. Die Witwenrente beträgt nach § 5 Abs. 4 VTV ARD 1997 60 % der Altersrente des Berechtigten. Eine Kürzung oder Anrechnung für den Fall, dass die Witwe oder der Witwer eigenes Erwerbseinkommen bezieht, sieht dieser Tarifvertrag nicht vor.

8

Die Beklagte zahlt an die Klägerin seit August 2005 eine Witwenrente von 319,20 Euro monatlich. Aufgrund einer Neuberechnung geht die Beklagte davon aus, dass dem verstorbenen Ehemann der Klägerin zuletzt nicht die tatsächlich gezahlte Betriebsrente in Höhe von 2.177,85 Euro monatlich, sondern nur eine Betriebsrente von 2.128,02 Euro monatlich zustand. Davon legte sie zur Berechnung der Witwenrente 60 % zugrunde und kürzte den sich so ergebenden Betrag wegen des eigenen bei der Beklagten erzielten Einkommens der Klägerin auf 25 %.

9

Hiergegen hat sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren gewandt. Sie hat die Ansicht vertreten, ihr stehe die volle Witwenrente zu. Maßgeblich für die Versorgungsansprüche ihres Ehemannes sei nicht der VTV 1998, sondern der Versorgungstarifvertrag vom 31. Januar 1969. Zudem verstoße die Kürzungsregelung in § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1998 gegen den Gleichheitssatz. Das ergebe sich ua. daraus, dass eine Kürzung der Witwenrente nur stattfinde, wenn die Witwe in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehe, nicht jedoch, wenn Einkünfte von einem anderen Arbeitgeber bezogen würden. Der Versorgungstarifvertrag sehe eine Kürzung der Witwenrente nicht nur für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, sondern auch während der Rentenzeit vor. Bei der Berechnung ihrer Hinterbliebenenrente sei außerdem nicht die neu berechnete Rente ihres verstorbenen Ehemannes, sondern die diesem tatsächlich von der Beklagten gezahlte Rente zugrunde zu legen. Ihre Ansprüche seien nicht aufgrund der Ausschlussfrist in Nr. 811 MTV verfallen. Die Beklagte sei daher verpflichtet, ihr eine Witwenrente in Höhe von insgesamt 1.306,71 Euro monatlich zu zahlen. Für den Zeitraum von August 2005 bis Dezember 2007 ergebe sich ein nachzuzahlender Betrag in Höhe von 28.637,79 Euro.

10

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Witwenrente in Höhe von 28.637,79 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. November 2007 nachzuzahlen;

        

2.    

festzustellen, dass der Klägerin ab dem 1. Januar 2008 eine monatliche Witwenrente in Höhe von 1.306,71 Euro zusteht.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

12

Sie hat die Ansicht vertreten, die Ansprüche der Klägerin richteten sich nach dem VTV 1998. Die Kürzungsregelung in § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1998 verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Dem verstorbenen Ehemann der Klägerin habe bei richtiger Berechnung zuletzt eine Betriebsrente von 2.128,02 Euro zugestanden. Dieser Betrag sei für die Ermittlung der Witwenrente maßgeblich. Die Nachzahlungsansprüche seien teilweise nach Nr. 811 MTV verfallen.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - teilweise abgeändert und der Klägerin für die Zeit vom 1. August 2005 bis zum 31. Dezember 2007 einen Nachzahlungsbetrag iHv. 17.875,37 Euro nebst Zinsen zugesprochen sowie festgestellt, dass der Klägerin ab dem 1. Januar 2008 eine monatliche Witwenrente iHv. 1.276,81 Euro zusteht. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre KIageanträge, soweit sie abgewiesen wurden, weiter. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Revision die vollständige Klageabweisung. Beide Parteien begehren die Zurückweisung der gegnerischen Revision.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin hat teilweise Erfolg, während diejenige der Beklagten erfolglos bleibt.

15

A. Die Revision der Klägerin ist unzulässig, soweit sie mit dem Feststellungsantrag eine Entscheidung über die Höhe ihrer Witwenrente auch für die Zeit ihres eigenen Ruhestands begehrt. Hierin liegt eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageerweiterung. Die Frage, wie sich die Hinterbliebenenansprüche der Klägerin für die Zeit ihres Ruhestands errechnen, war nicht Gegenstand des beim Landesarbeitsgericht gestellten Feststellungsantrags.

16

I. In der Revisionsinstanz können neue prozessuale Ansprüche grundsätzlich nicht zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden. Das Revisionsgericht hat zu prüfen, ob das Berufungsgericht über das Klagebegehren rechtsfehlerfrei entschieden hat. Dabei unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils und dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Die Urteilsgrundlage wird mit dem Ende der Berufungsverhandlung abgeschlossen. Eine Klageerweiterung ist deshalb in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht möglich, da sie in der Regel weitere tatsächliche Feststellungen erfordert, die vom Revisionsgericht nicht getroffen werden können (st. Rspr., vgl. etwa BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - zu II 1 der Gründe mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2). Das Anbringen eines weiteren Streitgegenstandes stellt eine Klageerweiterung dar oder steht ihr zumindest gleich (vgl. BAG 21. April 2009 - 3 AZR 640/07 - Rn. 16 mwN, BAGE 130, 202).

17

II. Indem die Klägerin in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat, der Feststellungsantrag erstrecke sich auch auf ihre Hinterbliebenenansprüche für die Zeit ihres eigenen Ruhestands, hat sie die Klage erweitert. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, es sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, welche Ansprüche sich ergeben, wenn die Klägerin selbst Empfängerin einer Altersversorgung wird. Die Klägerin hat zwar in den Tatsacheninstanzen darauf hingewiesen, die von ihr angegriffene Anrechnungsregelung entfalte auch Wirkung, sobald sie - die Klägerin - in Ruhestand trete. Die Klägerin hat es jedoch bei diesem die Rechtslage beschreibenden Hinweis belassen. Ihre Ausführungen sind nicht so zu verstehen, dass sie auch eine gerichtliche Klärung der daraus zu ziehenden Folgerungen für die Höhe ihrer Betriebsrente begehrt hätte. Die Klägerin hat in ihrem Sachvortrag die Auswirkungen der Anrechnungsregelung in § 13 Abs. 7 VTV 1998 bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Zurruhesetzung weder näher beschrieben noch daraus Schlussfolgerungen hinsichtlich der Höhe der geschuldeten Versorgungsleistung gezogen.

18

III. Da der Feststellungsantrag in den Vorinstanzen die Zeit des eigenen Ruhestands der Klägerin nicht erfasst hat, ist eine entsprechende zeitliche Begrenzung im Tenor des Feststellungsanspruchs zu Recht unterblieben. Soweit sich in der Zukunft aufgrund der Änderung tatsächlicher oder rechtlicher Verhältnisse die Zahlungspflicht der Beklagten ändert, entfällt die Rechtskraftwirkung des Feststellungsausspruchs. Die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft sind dann überschritten (vgl. BGH 14. Juli 1995 - V ZR 171/94 - zu II 3 der Gründe, NJW 1995, 2993).

19

B. Die Revision der Klägerin ist, soweit sie zulässig ist, teilweise begründet. Die Revision der Beklagten ist hingegen unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht hinsichtlich der geltend gemachten Witwenrente für die Zeit vor November 2006 für unbegründet gehalten. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sind diese Ansprüche nicht nach Nr. 811 MTV verfallen. Das Landesarbeitsgericht ist hingegen zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin eine monatliche Witwenrente iHv. 1.276,81 Euro beanspruchen kann. Unter Berücksichtigung des von der Beklagten gezahlten Betrages von 319,20 Euro monatlich errechnet sich für die Zeit vom 1. August 2005 bis zum 31. Dezember 2007 ein Zahlungsanspruch iHv. 27.770,69 Euro. Insoweit ist dem Zahlungsantrag unter teilweiser Aufhebung des Berufungsurteils und unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils stattzugeben. Ab Januar 2008 hat die Beklagte der Klägerin monatlich 1.276,81 Euro zu zahlen. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht einen dahingehenden Feststellungsausspruch getroffen.

20

I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Feststellungsantrag. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Im Streitfall betrifft der Feststellungsantrag ein Rechtsverhältnis, nämlich die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin eine Hinterbliebenenversorgung in der von ihr geltend gemachten Höhe zu zahlen. Da die Beklagte diese Pflicht leugnet, hat die Klägerin auch ein Feststellungsinteresse. Die Möglichkeit, eine Klage auf künftige Leistung nach §§ 257 ff. ZPO zu erheben, beseitigt das Feststellungsinteresse nicht. Der Klägerin stand ein Wahlrecht zu (vgl. BAG 22. Februar 2000 - 3 AZR 39/99 - zu A der Gründe mwN, AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 13 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 3).

21

II. Die Klage ist hinsichtlich der verlangten Nachzahlung für die Zeit vom 1. August 2005 bis zum 31. Dezember 2007 iHv. 27.770,69 Euro und hinsichtlich der begehrten Feststellung einer monatlichen Witwenrente ab dem 1. Januar 2008 iHv. 1.276,81 Euro begründet. Im Übrigen haben die Vorinstanzen die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

22

Der Witwenrentenanspruch der Klägerin richtet sich nach dem VTV 1998. Der Berechnung ist das dem verstorbenen Ehemann der Klägerin zuletzt zustehende Ruhegeld in Höhe von 2.128,02 Euro zugrunde zu legen. Soweit § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1998 eine Kürzung der Witwenrente deshalb vorsieht, weil die Klägerin Einkünfte aus einer Tätigkeit für die Beklagte erzielt, verstößt dies gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Klägerin hat deshalb Anspruch auf eine ungekürzte Witwenrente. Die für die Zeit vor dem 1. November 2006 geltend gemachten Ansprüche sind nicht nach Nr. 811 MTV verfallen.

23

1. Das Landesarbeitsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass sich die Ruhegeldansprüche des verstorbenen Ehemannes der Klägerin und damit auch die Hinterbliebenenversorgung nicht nach dem am 31. Januar 1969 abgeschlossenen, mit Wirkung ab dem 1. August 1966 in Kraft getretenen Versorgungstarifvertrag richten, sondern nach dem VTV 1998. Dies ergibt sich aus § 7 des Arbeitsvertrages des verstorbenen Ehemannes der Klägerin. Danach wird eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung aufgrund des Versorgungstarifvertrages vom 1. August 1966 in der jeweils geltenden Fassung gewährt. Da der VTV 1998 aufgrund § 29 Abs. 1 an die Stelle des Tarifvertrages vom 31. Januar 1969 getreten ist, ist diese Regelung für die Versorgungsansprüche maßgeblich. Entgegen der Auffassung der Klägerin findet auch der VTV ARD 1997 keine Anwendung, da der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht nach dem 31. März 1993 bei der Beklagten eingetreten ist und daher nach § 1 dieses Tarifvertrages nicht dessen persönlichen Geltungsbereich unterfällt.

24

2. Der Klägerin steht gemäß § 13 Abs. 1 und Abs. 3 VTV 1998 eine Witwenrente in Höhe von 60 % der Altersrente ihres verstorbenen Ehemannes zum Zeitpunkt seines Todes zu. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Witwenrente nach § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1998 auf 25 % zu kürzen, weil die Klägerin Vergütung von der Beklagten bezieht. Die Kürzungsregelung verstößt gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und ist deshalb unwirksam. Die Klägerin hat daher Anspruch auf eine ungekürzte Witwenrente.

25

a) Die Tarifvertragsparteien sind jedenfalls mittelbar an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden(dazu ausführlich: BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - zu B II der Gründe, BAGE 111, 8; vgl. auch 16. Dezember 2003 - 3 AZR 668/02 - zu B III 1 der Gründe, BAGE 109, 129). Eine Tarifnorm verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Bei der richterlichen Kontrolle von Tarifverträgen sind die aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG sich ergebenden Einschränkungen zu beachten. Die Tarifparteien haben danach eine Einschätzungsprärogative, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Regelungsprobleme und der Rechtsfolgen geht, sowie einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelungen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung für das Regelungsproblem gefunden haben. Sie dürfen im Interesse der Praktikabilität, der Verständlichkeit und der Übersichtlichkeit auch typisierende Regelungen treffen. Bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes ist deshalb nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung (vgl. etwa BAG 29. November 2001 - 4 AZR 762/00 - zu II 5 a der Gründe, AP GG Art. 3 Nr. 296 = EzA GG Art. 3 Nr. 94; 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25, BAGE 133, 33). Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25 mwN, aaO).

26

b) § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1998 hält danach einer Überprüfung anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht stand. Die Tarifvertragsparteien durften nicht anordnen, dass lediglich Arbeitseinkommen, das die Witwe von der Beklagten erhält, nicht hingegen anderweitig erzieltes Arbeitseinkommen zu einer Kürzung der Witwenrente führt. Es ist - auch unter Berücksichtigung des Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien - kein sachlicher Grund ersichtlich, der eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern, deren Hinterbliebene Einkommen von der Beklagten beziehen, gegenüber Arbeitnehmern, deren Hinterbliebene Einkommen von anderen Arbeitgebern erzielen, rechtfertigen könnte. Diese Ungleichbehandlung kann nach dem Rechtsgedanken aus § 328 BGB auch der Hinterbliebene geltend machen(vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 20/07 - Rn. 52, BAGE 129, 105).

27

aa) Die Ungleichbehandlung ist nicht deshalb zulässig, weil die Beklagte als eine Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 des Deutsche-Welle-Gesetzes [in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Januar 2005, BGBl. I S. 90]) aus Zuschüssen des Bundeshaushalts finanziert wird (§ 45 Deutsche-Welle-Gesetz) und deshalb eine Privilegierung der von ihr selbst geleisteten Vergütungszahlungen angebracht wäre.

28

(1) Allerdings hat es der Senat bisher sowohl bezogen auf die Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost (30. Oktober 1980 - 3 AZR 1177/78 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 242 Ruhegehalt - Zusatzversorgung Nr. 5) als auch hinsichtlich der Versorgung der Angestellten des Landes Berlin (16. Februar 1978 - 3 AZR 624/76 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 178 = EzA BGB § 242 Ruhegeld Nr. 71) für zulässig gehalten, Kürzungen von Ruhegeldleistungen vorzunehmen, wenn in einer Person mehrere Versorgungsansprüche oder ein Versorgungsanspruch mit einem Einkommen aus einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst zusammentreffen. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt, wenn die Versorgungsordnung eine Anrechnung nur bei Einkommen aus Tätigkeiten im öffentlichen Dienst vorsehe, während die Versorgung ungeschmälert bleibe, wenn der Versorgungsberechtigte Arbeitseinkommen aus einem privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnis erziele(BAG 30. Oktober 1980 - 3 AZR 1177/78 - zu I 2 der Gründe, aaO). Ebenso hat der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder angenommen, es sei zulässig, dass die Versorgungsrente eines Versorgungsberechtigten ruht, solange er Einkünfte aus öffentlichen Mitteln bezieht. Die Beschränkung auf derartige Einkünfte verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Die VBL-Satzung folge dem Herkunftsprinzip und lehne sich mit ihren Ruhensbestimmungen eng an die Regelungen des Beamtenversorgungsrechts an. Dort rechtfertige sich die vorgesehene Leistungsminderung aus der Eigenart des Alimentationsanspruchs. Der Alimentationsverpflichtung werde genügt, wenn die Alimentierung aus irgendeiner Kasse der öffentlichen Hand komme und sei es als Vergütung für die Leistung des Berechtigten (vgl. BGH 11. Dezember 1985 - IVa ZR 251/83 - zu III 1 der Gründe, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 11).

29

Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit eine Anlehnung an das beamtenrechtliche Alimentationsprinzip mit einer unterschiedlichen Anrechnung von Einkünften je nach deren Quelle im Betriebsrentenrecht weiterhin möglich ist und die bisherigen Grundsätze noch Geltung beanspruchen können. Bedenken könnten insbesondere deshalb bestehen, weil das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Unwirksamkeit von § 18 BetrAVG in der früheren Fassung(15. Juli 1998 - 1 BvR 1554/89 ua. - zu C II der Gründe, BVerfGE 98, 365) die rechtliche Übereinstimmung zwischen den Rechtsverhältnissen von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst und solchen in der Privatwirtschaft und die Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlich geregelten Dienstverhältnissen und Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst betont hat. Jedenfalls können Grundsätze, die auf dem beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip beruhen, Unterschiede bei der Versorgung von Arbeitnehmern allenfalls dann rechtfertigen, wenn sich die Versorgungsordnung insgesamt an den Strukturprinzipien des Beamtenversorgungsrechts orientiert.

30

(2) Eine solche Orientierung ist beim VTV 1998 nicht gegeben. Das wird schon daraus deutlich, dass die Altersrente - unter Anrechnung der gesetzlichen Rente - maximal 60 vH der ruhegeldfähigen Vergütung, also des monatlichen Grundgehalts vor Eintritt des Versorgungsfalles, erreicht (§ 7 Abs. 1, §§ 8, 17 Abs. 1 Satz 1 VTV 1998). Die Beamtenversorgung ist deutlich höher. Diese beläuft sich bei Bundesbeamten auf 71,75 vH der Dienstbezüge (§ 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG).

31

Auch bei der Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern stellt der VTV 1998 nicht darauf ab, ob eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst zurückgelegt ist. Auch dies entspricht nicht beamtenversorgungsrechtlichen Grundsätzen. Während nach dem Beamtenversorgungsrecht alle Beamtenverhältnisse unabhängig vom Dienstherrn gleich zu behandeln sind (vgl. zB § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG) und auch Tätigkeiten im Arbeitsverhältnis für einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn ruhegehaltsfähig sein können (§ 10 BeamtVG), ist nach § 5 Abs. 1 VTV 1998 grundsätzlich nur eine Tätigkeit bei einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt eine anrechnungsfähige Dienstzeit(§ 5 Abs. 1 VTV 1998). Sonstige Dienstzeiten können nach dem Tarifvertrag - auch wenn sie in einem Beamtenverhältnis verbracht wurden - nur dann angerechnet werden, wenn sie mit der Tätigkeit des Arbeitnehmers bei der Deutschen Welle vergleichbar sind und dieser Tätigkeit unmittelbar vorangingen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VTV 1998).

32

bb) Die Regelung lässt sich auch nicht deshalb rechtfertigen, weil sich durch den Bezug von Entgeltleistungen der Beklagten der Absicherungsbedarf bei den Hinterbliebenen, die von § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1998 erfasst sind, verringert.

33

Der Zweck der Hinterbliebenenrente besteht darin, den Arbeitnehmer von der Sorge um die Erfüllung des Versorgungsbedarfs seiner Angehörigen nach seinem Ableben zu entlasten (BAG 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 77 mit Nachweisen, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 26 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 14). Deshalb kann durch die Berücksichtigung anderweitiger Bezüge einem geringeren Versorgungsbedarf Rechnung getragen werden, soweit dadurch keine unverhältnismäßige wirtschaftliche Entwertung eintritt (vgl. BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 97/08 - Rn. 30 ff., AP BetrAVG § 5 Nr. 52 = EzA BetrAVG § 5 Nr. 35; BGH 20. September 2006 - IV ZR 304/04 - BGHZ 169, 122 und 24. Februar 2010 - IV ZR 7/09 - NVwZ-RR 2010, 689). Die Kürzungsregelung in § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1998 stellt aber nicht auf das den Versorgungsbedarf mindernde anderweitige Einkommen als solches ab, sondern auf die Quelle des Einkommens. Das ist kein einleuchtendes Unterscheidungskriterium. Auch Einkommen bei einem anderen Arbeitgeber verringert den Versorgungsbedarf und enthebt den Arbeitnehmer der Sorge um die Versorgung seiner Hinterbliebenen.

34

cc) Die Regelung dient auch nicht der Begrenzung eines Versorgungsrisikos.

35

Versorgungsregelungen können allerdings den Kreis der anspruchsberechtigten Hinterbliebenen durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besondere anspruchsausschließende Merkmale begrenzen. Dies liegt gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nahe, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken in sich birgt. Das rechtfertigt aber nicht jede beliebige Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung. Vielmehr muss ein ausreichender Zusammenhang mit einleuchtenden Risikoerwägungen bestehen (vgl. BAG 28. Juli 2005 - 3 AZR 457/04 - zu II 2 a aa und bb der Gründe, BAGE 115, 317). Die in der Versorgungsordnung getroffene Unterscheidung knüpft jedoch nicht daran an, dass der Arbeitgeber etwa mit größerer Wahrscheinlichkeit oder länger in Anspruch genommen wird und sich dagegen schützen will. Mit derartigen Risikogesichtspunkten hat die getroffene Regelung nichts zu tun.

36

c) Die Klägerin hat danach Anspruch auf Berechnung ihrer Betriebsrente ohne Anwendung der unwirksamen Anrechnungsregelung in § 13 Abs. 7 VTV 1998.

37

Verstößt eine tarifliche Regelung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, haben die unzulässigerweise ausgeschlossenen Personen dann Anspruch auf die vorenthaltene Vergünstigung, wenn entweder die Tarifvertragsparteien nur auf diesem Weg dem Gleichheitssatz Rechnung tragen können oder wenn anzunehmen ist, dass sie bei Beachtung des Gleichheitssatzes alle zu berücksichtigenden Personen in die Vergünstigung einbezogen hätten (BAG 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 - zu B III 2 der Gründe, BAGE 79, 236). Da die Tarifvertragsparteien nur der kleinen Gruppe von Personen, die als Hinterbliebene Einkommen von der Beklagten beziehen, die ungekürzte Witwenrente vorenthalten haben, nicht jedoch der großen Gruppe von Hinterbliebenen, die anderweitig Einkommen beziehen, ist anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien bei Kenntnis des Gleichheitsverstoßes auf die Kürzungsregelung verzichtet hätten.

38

3. Der Klägerin steht eine monatliche Witwenrente in Höhe von 1.276,81 Euro zu. Das ergibt für August 2005 bis Dezember 2007 einen rückständigen Betrag von 27.770,69 Euro.

39

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist bei der Berechnung der Witwenrente die monatliche Altersrente ihres verstorbenen Ehemannes in Höhe von 2.128,02 Euro zugrunde zu legen und nicht in Höhe von 2.177,85 Euro. Nach dem VTV 1998 kommt es für die Berechnung der Hinterbliebenenrente nicht auf die dem früheren Arbeitnehmer der Beklagten tatsächlich gezahlte Altersrente an, sondern auf die diesem zustehende Altersrente. Dies ist nach den übereinstimmenden Erklärungen der Parteien vor dem Landesarbeitsgericht der Betrag von 2.128,02 Euro. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, warum ihrem verstorbenen Ehemann eine höhere Betriebsrente zugestanden haben soll.

40

4. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht für die Zeit vor dem 1. November 2006 aufgrund der Ausschlussfristen in Nr. 811 MTV verfallen. Eine am Zweck tariflicher Ausschlussfristen orientierte Auslegung ergibt regelmäßig, dass sie auf Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung keine Anwendung finden (vgl. BAG 12. Juni 2007 - 3 AZR 186/06 - Rn. 28, BAGE 123, 82; überholt dagegen BAG 19. April 1983 - 3 AZR 4/81 - zu II der Gründe, AP BetrAVG § 6 Nr. 6 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 6). Hier gilt nichts anderes.

41

5. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

42

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

        

        

    Oberhofer    

        

    H. Kappus    

                 

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 23. April 2014 - 3 Sa 50/13 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Juni 2013 - 29 Ca 263/12 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die Zeit von Dezember 2012 bis einschließlich August 2013 eine persönliche Zulage gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 3 Satz 1 TV UmBw ohne Verringerung bei allgemeinen Entgelterhöhungen nach § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 77 % und die Beklagte zu 23 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe einer tariflichen Einkommenssicherungszulage.

2

Die 1968 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. September 1988 als Büroangestellte beschäftigt. Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes finden aufgrund vertraglicher Inbezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Seit dem 1. Juli 2007 erfolgte eine Einkommenssicherung nach Maßgabe des § 6 des Tarifvertrags über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw) vom 18. Juli 2001. Die Klägerin erhielt eine persönliche Zulage nach § 6 Abs. 1 TV UmBw in Höhe von zunächst 112,25 Euro brutto monatlich.

3

In der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 4. Dezember 2007 bestimmte § 6 Abs. 3 TV UmBw zur Dynamisierung der persönlichen Zulage Folgendes:

        

1Die persönliche Zulage nimmt an allgemeinen Entgelterhöhungen teil. 2Ungeachtet von Satz 1 verringert sie sich nach Ablauf der sich aus § 34 Abs. 1 TVöD ohne Berücksichtigung des § 34 Abs. 2 TVöD ergebenden Kündigungsfrist bei jeder allgemeinen Entgelterhöhung bei Beschäftigten, die

        

a)    

eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt und noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, um ein Drittel,

        

b)    

noch keine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt haben, um zwei Drittel

        

des Erhöhungsbetrages. ... 4Die Verringerung unterbleibt in den Fällen, in denen die/der Beschäftigte

        

a)    

das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt hat,

        

b)    

eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren zurückgelegt hat oder

        

c)    

zum Zeitpunkt der Maßnahme nach § 1 Abs. 1 bereits auf Grund einer früheren Personalmaßnahme nach diesem Tarifvertrag,... eine Vergütungs-Lohn- und Entgeltsicherung erhalten hat.

        

...“   

        
4

Der TV UmBw ist durch Änderungstarifvertrag Nr. 3 vom 10. Dezember 2010 mit Wirkung zum 1. Januar 2011 ohne Bedeutung für den vorliegenden Rechtsstreit geändert worden.

5

Ab dem 1. Januar 2008 kürzte die Beklagte die persönliche Zulage einschließlich des auf die Jahressonderzahlung bezogenen Anteils unter Berufung auf § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a TV UmBw bei jeder allgemeinen Entgelterhöhung um ein Drittel des sich daraus ergebenden Gesamtsteigerungsbetrags. Die Klägerin legte mit Schreiben vom 26. September 2008 zunächst erfolglos „Widerspruch gegen die Kürzung der Einkommenssicherung nach Tarifabschluss 2008“ ein und teilte der Beklagten dann mit Schreiben vom 20. Oktober 2011 auszugsweise Folgendes mit:

        

„Die von Ihnen durchgeführte Abschmelzungsberechnung wurde in der Vergangenheit falsch durchgeführt. … Tatsächlich ist die Verringerung lediglich aus dem Erhöhungsbetrag der persönlichen Zulage zu berechnen, d.h. aus der Differenz, die sich zwischen persönlicher Zulage vor und nach deren tariflichen Anpassung ergibt.

        

…, beantrage ich nochmals die entsprechende Neuberechnung und Korrektur meiner persönlichen Zulage nach § 6 Abs. 3 TV UmBw und mache mit voller Rückwirkung die Auszahlung und Nachzahlung des mir zustehenden höheren Zulagenbetrages geltend.“

6

Die Beklagte nahm keine Neuberechnung der Zulage vor.

7

Mit ihrer am 11. Mai 2012 eingegangenen Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 3.047,52 Euro brutto zzgl. Zinsen für die Zeit ab dem 1. Januar 2008 bis einschließlich 28. Februar 2012 begehrt. Dem lag die Annahme der Klägerin zugrunde, sie müsse zwar eine Verringerung der persönlichen Zulage um ein Drittel hinnehmen, dies aber nur bezogen auf die Erhöhung der persönlichen Zulage durch die allgemeinen Entgelterhöhungen. Hinsichtlich der Jahressonderzahlungen hat die Klägerin deswegen für die Jahre 2008 bis 2011 die Zahlung eines Differenzbetrags von 219,08 Euro zzgl. Zinsen verlangt. Zudem begehrte sie die Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, zukünftig eine persönliche Zulage nach § 6 TV UmBw zu zahlen, „wobei jede allgemeine Erhöhung der Bezüge auf die persönliche Zulage berechnet werde und dabei eine Verringerung lediglich um ein Drittel des jeweils erhöhten Betrages, bezogen auf die persönliche Zulage, eintrete“. Am 29. November 2012 wurde das Verfahren ruhend gestellt.

8

Mit Schriftsatz vom 29. April 2013, welcher der Beklagten am 8. Mai 2013 zugestellt wurde, hat die Klägerin die Fortführung des Verfahrens beantragt und nunmehr bezogen auf die Zeit von Januar 2008 bis einschließlich Februar 2012 die Zahlung eines Differenzbetrags von 3.165,36 Euro brutto verlangt. Hinsichtlich der Jahressonderzahlungen wurde die Forderung auf 227,55 Euro erhöht. Die Klägerin hat nunmehr die Auffassung vertreten, die persönliche Zulage sei entsprechend dem obiter dictum des Senats in seiner Entscheidung vom 15. November 2012 (- 6 AZR 359/11 -) ohne jedwede Verringerung zu zahlen, da die in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a und Satz 4 Buchst. a TV UmBw vorgenommene Differenzierung nach dem 55. Lebensjahr eine unzulässige Altersdiskriminierung enthalte und daher unbeachtlich sei. Eine Gleichstellung mit den Beschäftigten, welche das 55. Lebensjahr bereits vollendet hatten, könne nur dadurch hergestellt werden, dass sie (die Klägerin) denselben Zahlungsanspruch für die Vergangenheit habe. Die tarifliche Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD-AT sei durch die Geltendmachung mit dem Schreiben vom 26. September 2008 gewahrt worden. Sie habe von vornherein die korrekte Berechnung der persönlichen Zulage verlangt. Die Beklagte habe sich daher auf eine entsprechende Forderung der Differenzbeträge einstellen können.

9

Die Klägerin hat daher vor dem Arbeitsgericht beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2008 bis 28. Februar 2012 die persönliche Zulage für das regelmäßige monatliche Entgelt in Höhe von 3.165,36 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in gestaffelter Höhe nachzuzahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Jahre 2008 bis 2011 die noch ausstehende persönliche Zulage auf die Jahressonderzahlung in Gesamthöhe von 227,55 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in gestaffelter Höhe nachzuzahlen;

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch über den Februar 2012 hinaus die zu dynamisierende persönliche Zulage im Wege der Einkommenssicherung nach § 6 TV UmBw zu zahlen, wobei jede allgemeine Erhöhung der Bezüge ohne die Verrechnung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw erfolgt.

10

Hilfsweise hat die Klägerin die ursprünglichen Anträge gestellt.

11

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Etwaige Ansprüche der Klägerin für das Jahr 2008 seien verjährt. Eine schriftliche Geltendmachung iSd. § 37 Abs. 1 TVöD-AT sei hinsichtlich der zuletzt verfolgten Ansprüche erstmals durch den Schriftsatz vom 29. April 2013 erfolgt. Vorher habe die Klägerin keine (teilweise) Unwirksamkeit des § 6 Abs. 3 TV UmBw wegen Altersdiskriminierung angenommen. Es handle sich um einen neuen Sachverhalt, da die Ansprüche nunmehr auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gestützt würden. Ein entsprechender Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung liege nicht vor. Die Unterscheidung nach der Vollendung des 55. Lebensjahres sei gerechtfertigt, da damit den schlechteren Chancen älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt Rechnung getragen werde. Ältere hätten nur eingeschränkte Möglichkeiten, durch einen Arbeitsplatzwechsel den erreichten Besitzstand zu sichern und damit den Verlust des ursprünglichen Arbeitsplatzes bei der Bundeswehr auszugleichen. Der TV UmBw entspreche in seinem Regelungsgehalt einem Sozialplan. Dementsprechend sei § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG auch bezüglich § 6 Abs. 3 TV UmBw entsprechend anwendbar. Selbst bei Annahme einer unzulässigen Altersdiskriminierung bestünde zudem kein Anspruch auf eine sog. „Anpassung nach oben“. Eine solche greife in die tarifliche Ausgestaltung der Einkommenssicherung und die damit verbundene Vorgabe hinsichtlich der Mittelverteilung ein. Wäre die fragliche Differenzierung nach dem Lebensalter unwirksam, so wäre die Konsequenz die alleinige Geltung der in § 6 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 TV UmBw vorgesehenen Staffelung nach der Beschäftigungszeit.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage teilweise abgewiesen. Die Klägerin könne wegen der von ihr zu Recht gerügten Altersdiskriminierung zwar eine ungekürzte Zulage verlangen. Die für das Jahr 2008 geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Differenzvergütung seien jedoch verjährt. Bezogen auf die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 28. Februar 2012 hat das Arbeitsgericht der Leistungsklage in der Höhe stattgegeben, welche den mit der ursprünglichen Klage geltend gemachten Differenzbeträgen entspricht, weil nur insoweit die tarifliche Ausschlussfrist gewahrt worden sei. Im Übrigen wurde die Leistungsklage abgewiesen. Die mit dem Hauptantrag begehrte Feststellung wurde für die Zeit ab Dezember 2012 getroffen. Bezüglich des Zeitraums vom 1. März 2012 bis zum 30. November 2012 hat das Arbeitsgericht dem zuletzt als Hilfsantrag gestellten ursprünglichen Feststellungsantrag entsprochen.

13

Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat durch Beschluss vom 16. Oktober 2014 (- 6 AZN 629/14 -) zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter. Im Revisionsverfahren hat sie Tarifauskünfte des Bundesministeriums des Inneren vom 13. Juli 2015, der Gewerkschaft ver.di vom 14. Juli 2015 und des dbb vom 15. Juli 2015 vorgelegt.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist teilweise begründet.

15

I. Die Leistungsklage ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts vollumfänglich unbegründet. Die Klägerin hatte zwar zunächst die streitgegenständlichen Ansprüche auf Differenzvergütung, weil die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw wegen der Differenzierung nach der Vollendung des 55. Lebensjahres eine unzulässige Altersdiskriminierung beinhaltet, welche für die Vergangenheit nur durch die Leistung einer ungekürzt dynamisierten persönlichen Zulage hätte ausgeglichen werden können. Diese aus der Altersdiskriminierung abgeleiteten Ansprüche sind jedoch gemäß § 37 Abs. 1 TVöD-AT verfallen. Soweit die Klägerin hilfsweise die Zahlung einer persönlichen Zulage begehrt, welche bei allgemeinen Entgelterhöhungen nur um ein Drittel des auf die Zulage bezogenen Steigerungsbetrags verringert wird, ist die Klage unbegründet, weil die Anrechnung an den Gesamtsteigerungsbetrag anknüpft.

16

1. Die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw führt zu einer unmittelbaren Diskriminierung jüngerer Beschäftigter, die eine Beschäftigungszeit von mindestens 15 Jahren aufweisen, soweit sie innerhalb dieses Personenkreises Beschäftigte wegen der Vollendung des 55. Lebensjahres begünstigt.

17

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Hierzu zählt auch das Lebensalter. Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - Rn. 13, BAGE 149, 315). Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist jedoch nach § 10 Satz 1 AGG zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Gemäß § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21, BAGE 147, 279).Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) auszulegen (vgl. BAG 9. Dezember 2015 - 7 AZR 68/14 - Rn. 33; 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - Rn. 17, aaO). Dieser hat darauf erkannt, dass legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung solche aus dem Bereich „Sozialpolitik“ sind (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 81, Slg. 2011, I-8003; BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 26 mwN, BAGE 147, 89). Ziele, die als „rechtmäßig“ iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Freilich ist es nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift bei der Verfolgung der genannten sozialpolitischen Ziele den Arbeitgebern einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 52, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569). Eine unabhängig von Allgemeininteressen verfolgte Zielsetzung eines einzelnen Arbeitgebers kann aber keine Ungleichbehandlung rechtfertigen (BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - Rn. 36).

18

b) § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw benachteiligt Beschäftigte, die zwar eine Beschäftigungszeit von mindestens 15 Jahren aufweisen, aber das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bei der Anrechnung von Einkommenserhöhungen auf die nach § 6 Abs. 1 TV UmBw zu zahlende persönliche Zulage unmittelbar. Dies ist nicht gerechtfertigt.

19

aa) § 6 TV UmBw regelt den Fall, dass ein Beschäftigter aufgrund einer Maßnahme iSd. § 1 Abs. 1 TV UmBw bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis eine Verringerung seines Entgelts hinnehmen muss. In diesem Fall wird ihm eine persönliche Zulage in Höhe der Differenz zwischen seinem Entgelt und dem Entgelt, das ihm in seiner bisherigen Tätigkeit zuletzt zugestanden hat, gewährt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 TV UmBw). § 6 TV UmBw dient der Sicherung des Besitzstands(vgl. BAG 25. Juni 2015 - 6 AZR 380/14 - Rn. 24; 18. Januar 2012 - 6 AZR 462/10 - Rn. 17).

20

bb) Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw wird die persönliche Zulage dynamisiert. Nach Ablauf der in § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw genannten Frist wird sie jedoch in Abhängigkeit von Beschäftigungszeit und Lebensalter abgebaut. Sofern nicht der Anrechnungsschutz des § 6 Abs. 3 Satz 4 TV UmBw eingreift, wird in den meisten Fällen die Einkommenssicherung durch Anrechnung von Tariflohnerhöhungen vollständig abgeschmolzen(BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 26).

21

cc) Die unterschiedliche Anrechnung von Einkommenserhöhungen in § 6 Abs. 3 Satz 2 iVm. Satz 4 TV UmBw führt zu einer unmittelbaren Diskriminierung jüngerer gegenüber älteren Beschäftigten wegen des Alters, soweit sie bei der Einkommenssicherung der Beschäftigten mit einer Beschäftigungszeit von mindestens 15 Jahren, aber weniger als 25 Jahren, nach der Vollendung des 55. Lebensjahres differenziert. Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG, das eine derartige Benachteiligung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich. Dies hat der Senat in seiner Entscheidung vom 15. November 2012 bereits dargelegt (- 6 AZR 359/11 - Rn. 29 ff.) und hält daran fest. Der von der Revision angeführte Ausgleich schlechterer Chancen älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt kann demnach zwar ein legitimes sozialpolitisches Ziel iSd. § 10 AGG sein. § 6 TV UmBw bezweckt aber nicht den Schutz des Beschäftigten vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes und will daher nicht schlechtere Chancen Älterer auf dem Arbeitsmarkt ausgleichen(BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 35).

22

(1) Soweit die Revision diesbezüglich anführt, der TV UmBw entspreche nach seiner Bezeichnung und seinem Regelungsgehalt einem Sozialplan mit der Konsequenz, dass die in § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG erlaubte Differenzierung nach dem Lebensalter bei Sozialplänen entsprechend gelte, berücksichtigt sie nicht das Gesamtsystem des TV UmBw. Dieser unterscheidet bei der Leistungsgewährung zwischen der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und dessen Beendigung. Die hier in Frage stehenden Regelungen des § 6 TV UmBw gelten ebenso wie die Ergänzung der Einkommenssicherung nach § 7 TV UmBw oder die Härtefallregelung des § 11 TV UmBw nur bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu veränderten Bedingungen. Demgegenüber sieht § 9 TV UmBw bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen die Zahlung einer Abfindung vor. Nur insoweit besteht eine inhaltliche Berührung mit § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG, wonach eine unterschiedliche Behandlung durch eine nach Alter gestaffelte Abfindungsregelung erfolgen kann, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt werden(vgl. hierzu BAG 12. April 2011 - 1 AZR 764/09 - Rn. 11 f.). Mit § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG will der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt typischerweise größere Schwierigkeiten haben als jüngere(BT-Drs. 16/1780 S. 36). Er hat den Betriebsparteien einen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum eröffnet, der es ihnen unter den in der Vorschrift bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, das Lebensalter als Bemessungskriterium für die Sozialplanabfindung heranzuziehen (BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 22; 23. April 2013 - 1 AZR 25/12 - Rn. 15). Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG auf den TV UmBw entsprechend Anwendung finden kann, könnte sich folglich nur bezüglich der in § 9 TV UmBw vorgesehenen Abfindungsregelung stellen. Die hier maßgeblichen Vorschriften des § 6 Abs. 3 TV UmBw enthalten keine Abfindungsregelungen und stehen in keinem ersichtlichen Zusammenhang mit etwaigen Schwierigkeiten älterer Beschäftigter bei einer Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zu attraktiveren Konditionen.

23

(2) Daran ändert auch nichts, dass die von der Beklagten nunmehr im Revisionsverfahren vorgelegten Tarifauskünfte anführen, die Regelungen in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw wollten die schwierigere Arbeitsmarktsituation älterer Arbeitnehmer berücksichtigen. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe die Einholung einer Tarifauskunft unzulässigerweise unterlassen, ist damit gegenstandslos.

24

(a) Welches Ziel iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78/EG bzw. § 10 AGG eine Tarifnorm verfolgt, ergibt sich aus dem Normzweck. Dieser ist dem in der Norm zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen der Tarifvertragsparteien, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist, zu entnehmen. Dabei können gerade die systematische Stellung einer Vorschrift im Tarifvertrag und ihr sachlich-logischer Zusammenhang mit anderen Vorschriften diesen Sinn und Zweck freilegen (vgl. zur Ermittlung eines Gesetzeszwecks: BVerfG 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2 BvR 2155/11 - Rn. 66, BVerfGE 133, 168; 10. Juni 2009 - 1 BvR 825/08, 1 BvR 1 BvR 831/08 - Rn. 48, BVerfGE 124, 25; BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 23 f., BAGE 149, 125). Nur so ist eine gerichtliche Überprüfung des Vorliegens einer sozialpolitischen Zielsetzung als Voraussetzung für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung auf einer objektivierbaren Grundlage möglich. Die bloße Behauptung einer sozialpolitischen Zielsetzung im Rahmen von nachträglich erstellten Tarifauskünften ist nicht ausreichend, da die Tarifvertragsparteien anderenfalls bei Abgabe entsprechender Erklärungen die gerichtliche Überprüfung beeinflussen könnten.

25

(b) Das legitime sozialpolitische Ziel des Ausgleichs schlechterer Chancen älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 TV UmBw noch aus dessen Regelungszusammenhang. Im Gegenteil lässt ein Vergleich mit § 9 TV UmBw darauf schließen, dass die Arbeitsmarktsituation für den Regelungsinhalt des § 6 Abs. 3 TV UmBw ohne Bedeutung ist, weil die Vorschrift im Gegensatz zu § 9 TV UmBw den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses voraussetzt. Die behauptete sozialpolitische Zielsetzung ist auch nicht der Tarifvertragsgeschichte oder Materialien zu entnehmen, welche Auskunft über die Willensbildung und Zielsetzung der Tarifvertragsparteien bei den Tarifverhandlungen geben (zB Verhandlungsprotokolle).

26

2. Die festgestellte Diskriminierung ist durch die Nichtanwendung der altersbezogenen Unterscheidung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw zu beseitigen. Bezüglich der mit der Leistungsklage für die Vergangenheit geltend gemachten Differenzvergütung bedeutet dies im Ergebnis eine sog. „Anpassung nach oben“.

27

a) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Darunter fallen auch tarifliche Regelungen (BAG 14. Januar 2015 - 7 AZR 880/13 - Rn. 36; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 839). Dies entspricht den Vorgaben des Unionsrechts (vgl. BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113). Nach Art. 16 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG finden die Diskriminierungsverbote der Richtlinie auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 458/13 - Rn. 41). Demnach haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Bestimmungen ua. in Tarifverträgen für nichtig erklärt werden oder erklärt werden können oder geändert werden. Im Vordergrund steht die effektive Beseitigung der Diskriminierung, denn die Mitgliedstaaten sind verpflichtet sicherzustellen, dass alle Arbeitnehmer in vollem Umfang in den Genuss des Schutzes gelangen, den ihnen die Richtlinie gegen Diskriminierungen wegen des Alters gewährt (vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 79, Slg. 2010, I-9391; zu den Sanktionsmöglichkeiten vgl. Art. 17 der Richtlinie 2000/78/EG). Auch Tarifverträge haben dem Recht der Union und der Richtlinie 2000/78/EG zu entsprechen, denn das in Art. 28 GRC proklamierte Recht auf Kollektivverhandlungen muss im Geltungsbereich des Unionsrechts im Einklang mit diesem ausgeübt werden(EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 46 f., Slg. 2011, I-8003; 8. September 2011 - C-297/10 - [Hennigs] Rn. 67 f., Slg. 2011, I-7965; 15. Juli 2010 - C-271/08 - [Kommission/Deutschland] Rn. 43, Slg. 2010, I-7091; BAG 29. September 2011 - 2 AZR 177/10 - Rn. 21). Die Sozialpartner verfügen zwar nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum (EuGH 11. November 2014 - C-530/13 - [Schmitzer] Rn. 38; 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 60). Dieser Spielraum darf allerdings nicht dazu führen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird (vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 33, Slg. 2010, I-9343; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569; BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 49, BAGE 140, 169). Dementsprechend sieht weder das Unionsrecht noch § 7 Abs. 2 AGG eine befristete Fortgeltung einer diskriminierenden Regelung vor. Die entgegenstehenden Ausführungen von Löwisch/Becker (EuZA 2015, 83, 89 f.), wonach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG und damit auch § 10 AGG den Fortbestand einer diskriminierenden Regelung bis zur „klaren und präzisen“ Feststellung der Altersdiskriminierung zuließen, berufen sich auf die Ausführungen des EuGH in der Rechtssache Specht zur Frage der Staatshaftung(EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 - [Specht] Rn. 102 f.). Die Unwirksamkeit einer diskriminierenden Tarifregelung hat damit nichts zu tun.

28

b) Eine solche Unwirksamkeit kann unterschiedliche Auswirkungen haben.

29

aa) Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung ist grundsätzlich nicht die Gesamtnichtigkeit und damit gänzliche Unanwendbarkeit des Tarifvertrags, sondern nur die Unwirksamkeit der verbotswidrigen Bestimmung gemäß § 7 Abs. 2 AGG(BAG 16. November 2011 - 4 AZR 856/09 - Rn. 27). Die Auslegungsregel des § 139 BGB gilt nicht. Es kommt lediglich darauf an, ob der Tarifvertrag oder die Tarifbestimmung ohne die unwirksame Regelung noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung darstellt (vgl. BAG 9. Mai 2007 - 4 AZR 275/06 - Rn. 37 mwN; Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 7 Rn. 45). Ob dies der Fall ist, muss im Einzelfall unter Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs beurteilt werden. Verbleibt eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung, ist der Tarifvertrag bzw. die Tarifbestimmung bis zu einer Neuregelung mit diesem Inhalt anzuwenden. Dabei handelt es sich nicht um eine ergänzende Auslegung des Tarifvertrags, sondern um die zwingende Rechtsfolge des § 7 Abs. 2 AGG. Anders verhält es sich, wenn der Wegfall der unwirksamen Regelung dazu führt, dass der Tarifvertrag lückenhaft wird. Eine nachträglich entstandene Tariflücke darf nicht durch ergänzende Tarifauslegung geschlossen werden, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum in der Frage bleibt, wie die Lücke zu schließen ist, und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen ist, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden (BAG 15. Januar 2015 - 6 AZR 646/13 - Rn. 26; 27. März 2014 - 6 AZR 571/12 - Rn. 28, BAGE 148, 1).

30

bb) Die Unwirksamkeit einer Tarifbestimmung kann aber in beiden Konstellationen dazu führen, dass den benachteiligten Arbeitnehmern für die Vergangenheit ein Anspruch auf die vorenthaltene Leistung zuzuerkennen ist (sog. „Anpassung nach oben“).

31

(1) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann die Wahrung des Gleichheitssatzes, wenn das nationale Recht unter Verstoß gegen das Unionsrecht eine unterschiedliche Behandlung mehrerer Personengruppen vorsieht und solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen wurden, nur dadurch gewährleistet werden, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie die, in deren Genuss die Angehörigen der privilegierten Gruppe kommen (vgl. EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 - [Specht] Rn. 95; 22. Juni 2011 - C-399/09 - [Landtová] Rn. 51, Slg. 2011, I-5573; 26. Januar 1999 - C-18/95 - [Terhoeve] Rn. 57, Slg. 1999, I-345). Diese Lösung kommt aber nur dann zur Anwendung, wenn es ein gültiges Bezugssystem gibt (EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 47; 19. Juni 2014 - C-501/12 - [Specht] Rn. 96; vgl. auch 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] Rn. 68 f.; BVerwG 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 - Rn. 21, BVerwGE 150, 234).

32

(2) Es ist nicht zu verkennen, dass eine „Anpassung nach oben“ erhebliche finanzielle Belastungen des Arbeitgebers bewirken kann, insbesondere wenn die Gruppe der Begünstigten relativ klein ist (vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 34, BAGE 140, 1; ebenso bereits BAG 13. Februar 2002 - 5 AZR 713/00 - zu II 2 der Gründe; JKOS/Krause 2. Aufl. § 1 Rn. 105). Eine „Anpassung nach oben“ ist dennoch gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 458/13 - Rn. 32; 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 30, BAGE 141, 73; 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., aaO). Die Unmöglichkeit der Rückforderung solcher Leistungen kann sich aus der Wirkung tariflicher Ausschlussfristen und dem Umstand ergeben, dass die Begünstigten auf die Wirksamkeit der (diskriminierenden) Regelungen vertrauen durften (BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 23, aaO). Die diesbezüglich von Löwisch/Pieper (Anm. AP BAT § 27 Nr. 12) erhobene Kritik, wonach Ursache der Unwirksamkeit der Tarifbestimmung eine Gesetzesänderung (Geltung des AGG seit dem 18. August 2006) gewesen sei und es keinen Schutz des Kontinuitätsvertrauens der Begünstigten gegenüber Gesetzesänderungen gebe, überzeugt nicht. Zwar beruht die Unwirksamkeit der Tarifregelung auf § 7 Abs. 2 AGG. Das schützenswerte Vertrauen hatte sich aber nicht auf eine gesetzliche Regelung, sondern auf den Fortbestand der tariflichen Ordnung ausgerichtet.

33

(3) Auch die weiteren in der Verhandlung vor dem Senat vorgetragenen Bedenken der Beklagten tragen nicht. Es geht nicht um eine Gleichbehandlung im Unrecht, sondern um die Beseitigung einer erlittenen Diskriminierung durch die Gleichstellung der Benachteiligten mit den Begünstigten. Durch diese Gleichstellung wird die gesetzwidrige Begünstigung nicht perpetuiert, sondern beendet.

34

cc) Die „Anpassung nach oben“ ist aber nicht die einzig mögliche Folge einer Diskriminierung. Dies gilt vor allem für die künftige Rechtslage. Der EuGH hat klargestellt, dass Art. 16 der Richtlinie 2000/78/EG den Mitgliedstaaten oder einem privaten Arbeitgeber keine bestimmte Maßnahme im Fall einer Verletzung des Diskriminierungsverbots vorschreibt, sondern ihnen nach Maßgabe der unterschiedlichen denkbaren Sachverhalte die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen Lösungen, die zur Verwirklichung des verfolgten Ziels geeignet sind, belässt(EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 44). Im deutschen Recht ist die Umsetzung der Richtlinienvorgabe durch die Anordnung der Unwirksamkeit nach § 7 Abs. 2 AGG geschehen. Besteht die Notwendigkeit der Beseitigung vergangenheitsbezogener Benachteiligungen nicht, kann dabei die bloße Nichtanwendung der unwirksamen Regelung genügen (BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113). Dies kann allerdings mittelbar zu einer „Anpassung nach oben“ führen (vgl. zu § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 21, BAGE 135, 278). Umgekehrt kann der Entfall einer begünstigenden Regelung für die Zukunft auch eine „Anpassung nach unten“ bewirken (vgl. Krebber Anm. JZ 2012, 1078, 1079; ders. Anm. AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 59; Bauer/Krieger AGG 4. Aufl. § 7 Rn. 26 f.; ErfK/Schlachter 16. Aufl. § 7 AGG Rn. 8). Entgegen Thüsing (MüKoBGB 7. Aufl. § 7 AGG Rn. 14) kann dem Bessergestellten zukunftsbezogen der Anspruch genommen werden. Dies ist die Rechtsfolge des § 7 Abs. 2 AGG.

35

dd) Letztlich ist es die Aufgabe der Tarifvertragsparteien, jedenfalls bei Vorliegen einer von der Rechtsprechung nicht durch Auslegung zu schließenden Tariflücke ein diskriminierungsfreies Regelungssystem zu schaffen. Eine rückwirkende Regelungskompetenz wird ihnen im Regelfall nicht zustehen, es sei denn, die Begünstigten mussten mit dem Wegfall ihrer Besserstellung ab einem bestimmten Zeitpunkt rechnen (vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 217/11 - Rn. 73, BAGE 142, 247). Für die Zukunft besteht die tarifliche Regelungsmacht uneingeschränkt. Deshalb wird diskutiert, ob Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die befristete Aussetzung eines Rechtsstreits gebietet, damit die Tarifvertragsparteien regeln können, auf welche Art und Weise die Diskriminierung für die Zukunft beseitigt werden soll(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28 mwN, BAGE 140, 1; EUArbR/Mohr RL 2000/78/EG Art. 16 Rn. 13; Franzen RdA 2013, 180, 186). Eine Aussetzung stünde jedoch mit der Bindung der Mitgliedstaaten an das Unionsrecht und der Verpflichtung zu dessen effektiver Umsetzung in Widerspruch (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 21, BAGE 135, 278; BeckOK ArbR/Roloff Stand 1. Dezember 2015 AGG § 7 Rn. 3, § 8 Rn. 18). Zudem kann ein zukunftsgerichteter Feststellungsausspruch durch eine diskriminierungsfreie tarifliche Neuregelung obsolet werden (vgl. BAG 18. März 2010 - 6 AZR 434/07 - Rn. 66).

36

c) Eine Aussetzung ist hier schon deshalb nicht veranlasst, weil die Leistungsklage sich ausschließlich auf die Vergangenheit bezieht. Die Klägerin hatte diesbezüglich zunächst den streitgegenständlichen Anspruch auf eine nach § 6 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw uneingeschränkt dynamisierte persönliche Zulage.

37

aa) Gemäß § 7 Abs. 2 AGG ist § 6 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 TV UmBw insoweit unwirksam, als die Regelungen hinsichtlich der Verringerung der persönlichen Zulage nach der Vollendung des 55. Lebensjahres der betroffenen Beschäftigten differenzieren. Die tariflichen Vorgaben stellen jedoch auch ohne die unwirksamen Elemente noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung dar.

38

(1) Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw nimmt die persönliche Zulage an Entgelterhöhungen teil. Der entgeltsteigernde Effekt wird jedoch durch § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw eingeschränkt, denn diese Norm ordnet „ungeachtet von Satz 1“ unter bestimmten Voraussetzungen die Verringerung der persönlichen Zulage bei jeder allgemeinen Entgelterhöhung an. Der Umfang der Verringerung bemisst sich dabei nach zwei Komponenten. Zum einen wird danach unterschieden, ob eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt wurde oder nicht. Dies führt für sich genommen nicht zu einer Diskriminierung wegen des Alters, weil die dadurch erfolgende mittelbare Begünstigung älterer Beschäftigter durch die Honorierung der Betriebstreue gerechtfertigt ist (vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 38 ff.). Neben der Beschäftigungsdauer ist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw noch die Vollendung des 55. Lebensjahres entscheidend für den Umfang der Verringerung. Nur diese altersbezogene Differenzierung ist gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.

39

(2) Bei ihrem Wegfall gibt § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw weiterhin Sinn. § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a TV UmBw sieht dann vor, dass eine Verringerung um ein Drittel erfolgt, wenn eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt wurde. Anderenfalls beläuft sich die Verringerung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b TV UmBw auf zwei Drittel.

40

(3) Folglich entfällt die diskriminierende Ausnahme in § 6 Abs. 3 Satz 4 Buchst. a TV UmBw, welche das Unterbleiben der Verringerung ab Vollendung des 55. Lebensjahres bei einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren vorsieht. Ihr ist wegen der Unwirksamkeit der Differenzierung nach dem 55. Lebensjahr in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a TV UmBw die Grundlage entzogen. Da es nicht auf die Vollendung des 55. Lebensjahres ankommt, verbleibt für § 6 Abs. 3 Satz 4 Buchst. a TV UmBw kein Regelungsbereich. Bei einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren findet unabhängig von dem Lebensalter vielmehr gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a TV UmBw eine Verringerung um ein Drittel statt. Im Ergebnis kommt es daher bei einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren und einer Vollendung des 55. Lebensjahres zu einer „Anpassung nach unten“.

41

(4) Dies gilt aber nur so lange, bis eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren zurückgelegt wurde und die Verringerung demzufolge nach § 6 Abs. 3 Satz 4 Buchst. b TV UmBw unterbleibt. Die Tatbestände des § 6 Abs. 3 Satz 4 Buchst. b und c TV UmBw bleiben als selbständige Ausnahmeregelungen bestehen. Sie weisen keinen Bezug zur Vollendung des 55. Lebensjahres auf.

42

bb) Die Klägerin ist ausweislich der Feststellung des Landesarbeitsgerichts seit dem 1. September 1988 bei der Beklagten beschäftigt und hat folglich schon seit dem 1. September 2003 eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt. Damit wäre mangels einer Ausnahme nach § 6 Abs. 3 Satz 4 Buchst. b oder c TV UmBw eine Verringerung ihrer Zulage in dem von der Leistungsklage erfassten Zeitraum um ein Drittel berechtigt gewesen. Die Beklagte hat jedoch unstreitig nach § 6 Abs. 3 Satz 4 Buchst. a TV UmBw gegenüber den Beschäftigten, die ebenfalls eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt, aber bereits das 55. Lebensjahr vollendet hatten, keine Kürzung vorgenommen. Sie kann diesen Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen. Für die streitgegenständliche Vergangenheit konnte die Klägerin deshalb nach den dargestellten Grundsätzen zur Beseitigung dieser Diskriminierung die begehrte „Anpassung nach oben“ verlangen.

43

3. Die daraus folgenden Ansprüche auf Differenzvergütung sind jedoch gemäß § 37 Abs. 1 TVöD-AT verfallen, soweit sie Gegenstand der Leistungsklage sind.

44

a) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst - Allgemeiner Teil - vom 13. September 2005 (TVöD-AT) verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der oder dem Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht allerdings die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 TVöD-AT aus.

45

b) Tarifliche Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit. Der Anspruchsgegner soll sich auf die aus Sicht des Anspruchstellers noch offene Forderung rechtzeitig einstellen, Beweise sichern und ggf. Rücklagen bilden können (BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 222/07 - Rn. 18, BAGE 125, 216). Er soll vor der Verfolgung von Ansprüchen, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht rechnen muss, geschützt werden (BAG 3. Juli 2013 - 4 AZR 476/12 - Rn. 44). Für eine ordnungsgemäße Geltendmachung iSd. § 37 Abs. 1 TVöD-AT ist daher erforderlich, dass der Anspruchsgegner zur Erfüllung eines bestimmten Anspruchs aufgefordert wird. Der Anspruchsteller muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer nach Grund und Höhe spezifizierten Forderung ist und auf der Erfüllung dieser Forderung besteht (vgl. BAG 20. Juni 2002 - 8 AZR 488/01 - zu II 2 e aa der Gründe). Der Anspruchsgegner muss ausgehend von seinem Empfängerhorizont erkennen können, um welche Forderung es sich handelt (vgl. BAG 18. März 1999 - 6 AZR 523/97 - zu B II 3 a der Gründe). Das setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Anspruchsgegner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs und die Tatsachen, auf die dieser gestützt wird, müssen erkennbar sein. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist eine Bezifferung nicht zwingend erforderlich (vgl. BAG 18. Februar 2016 - 6 AZR 628/14 - Rn. 20; 19. August 2015 - 5 AZR 1000/13 - Rn. 24).

46

c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts enthält das Schreiben der Klägerin vom 26. September 2008 keine die Ausschlussfrist des § 37 TVöD-AT wahrende Geltendmachung. Der bloße „Widerspruch gegen die Kürzung der Einkommenssicherung nach Tarifabschluss 2008“ bringt schon nicht zum Ausdruck, dass die Klägerin willens ist, eine bestimmte Forderung gegenüber der Beklagten zu erheben und auf deren Erfüllung besteht. Ein Widerspruch kann auch als bloße Aufforderung zu einer Überprüfung verstanden werden. Es ist ferner nicht erkennbar, weshalb die Klägerin die Kürzung der Einkommenssicherung beanstandet. Ein etwaiger Anspruch wird seinem Grunde nach nicht hinreichend deutlich bezeichnet. Zudem bezieht sich der Widerspruch nur auf den Tarifabschluss 2008. Das Arbeitsgericht hat rechtskräftig entschieden, dass Ansprüche der Klägerin für das Jahr 2008 verjährt sind.

47

d) Demgegenüber macht das Schreiben der Klägerin vom 20. Oktober 2011 deutlich, dass die Verringerung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw nach ihrer Auffassung lediglich aus dem Erhöhungsbetrag der persönlichen Zulage zu berechnen ist. Der Anspruch auf Beseitigung der altersdiskriminierenden Regelungen wird von dieser Geltendmachung aber nicht erfasst. Es handelt sich dabei um einen eigenständigen Anspruch, der auf einem anderen Lebenssachverhalt beruht, und damit um einen anderen Streitgegenstand. Der Senat hat in seinem Urteil vom 18. Februar 2016 (- 6 AZR 628/14 - Rn. 22) begründet, dass dies der Wahrung der Ausschlussfrist entgegensteht. Hierauf wird Bezug genommen.

48

e) Der aus der Altersdiskriminierung abgeleitete Anspruch auf Differenzvergütung wurde erstmals im gerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 29. April 2013 geltend gemacht. Dieser wurde der Beklagten am 8. Mai 2013 zugestellt. Damit wurde die sechsmonatige Frist des § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT für die Ansprüche auf Zahlung einer ungekürzten persönlichen Zulage für die Monate ab November 2012 gewahrt, denn der Anspruch für November 2012 ist gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD-AT am Freitag, dem 30. November 2012, fällig geworden. Die streitgegenständliche Leistungsklage bezieht sich jedoch auf die Zeit bis einschließlich Februar 2012. Dementsprechend sind sämtliche Ansprüche verfallen.

49

4. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bezüglich der Leistungsklage stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum die ihr durch das Urteil des Arbeitsgerichts zugesprochenen Beträge unabhängig von der Altersdiskriminierung beanspruchen könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Soweit die Klägerin mit ihrer ursprünglichen Klage die von ihr verlangten Differenzbeträge damit begründete, die Beklagte habe bei allgemeinen Entgelterhöhungen die Verringerung der persönlichen Zulage fehlerhaft bezogen auf die gesamte Entgeltsteigerung vorgenommen, geht sie von unzutreffenden Annahmen aus. Die Verringerung bezieht sich nicht lediglich auf die Erhöhung der persönlichen Zulage. Anknüpfungspunkt für die Anrechnung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw ist schon aufgrund des Wortlauts der Bestimmung der sich aus der allgemeinen Entgelterhöhung ergebende Steigerungsbetrag und nicht der Betrag, um den isoliert betrachtet die Zulage aufgrund der in § 6 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw angeordneten Dynamisierung steigt(BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 26).

50

II. Hinsichtlich des als Hauptantrag gestellten Feststellungsantrags ist die Revision unbegründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts erweist sich insoweit als im Ergebnis richtig.

51

1. Der Antrag bedarf allerdings der Auslegung.

52

Die Klägerin begehrt die streitgegenständliche Feststellung ausdrücklich nur bezogen auf die - zu unterlassende - „Verrechnung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw“. Die Frage der Verringerung der persönlichen Zulage nach diesen Vorschriften verliert jedoch ab dem 1. September 2013 ihre Bedeutung, denn die Klägerin hat seitdem eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren zurückgelegt. Demnach unterbleibt die streitgegenständliche Verringerung der persönlichen Zulage bei allgemeinen Entgelterhöhungen ab dem 1. September 2013 schon gemäß § 6 Abs. 3 Satz 4 Buchst. b TV UmBw. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein ersichtlicher Streit. Der Antrag ist daher so zu verstehen, dass die Klägerin die Feststellung nur bezogen auf die Zeit bis zum 31. August 2013 verlangt.

53

2. Mit diesem Inhalt ist der Feststellungsantrag zulässig. Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO(vgl. BAG 15. Januar 2015 - 6 AZR 646/13 - Rn. 14). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die Verringerung der persönlichen Zulage bei Entgelterhöhungen, wie sie beispielsweise zum 1. Januar 2013 und 1. August 2013 vereinbart wurden, beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses (vgl. BAG 21. Mai 2015 - 6 AZR 254/14 - Rn. 19).

54

3. Der so verstandene Feststellungsantrag ist begründet.

55

a) Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin jedenfalls ab Dezember 2012 bis einschließlich August 2013 die zu dynamisierende persönliche Zulage ohne eine Verringerung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw zu zahlen. Dies ergibt sich aus dem dargestellten Anspruch auf Gleichstellung mit den Beschäftigten, die das 55. Lebensjahr bereits vollendet hatten und eine ungekürzte Zulage erhielten.

56

b) Der Anspruch auf die begehrte Feststellung bestünde zwar auch bezüglich des Monats November 2012, wie das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils eingeräumt hat. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist aber auch insoweit in Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO) erwachsen, als sich die Feststellung einer unverringerten Zahlungsverpflichtung bei allgemeinen Entgelterhöhungen erst auf die Zeit ab Dezember 2012 bezieht.

57

c) Auf die kürzeren Ausschlussfristen nach § 15 Abs. 4 AGG bzw. § 61b ArbGG kommt es nicht an, weil die Klägerin nicht Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG oder Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG begehrt, sondern die Erfüllung der Hauptleistungspflicht der Beklagten durch Zahlung einer höheren und diskriminierungsfreien Vergütung.

58

III. Soweit das Arbeitsgericht für die Zeit vom 1. März 2012 bis zum 30. November 2012 festgestellt hat, dass die Beklagte verpflichtet sei, die persönliche Zulage zu zahlen, „wobei jede allgemeine Erhöhung der Bezüge auf die persönliche Zulage berechnet wird und dabei eine Verringerung lediglich um ein Drittel des jeweils erhöhten Betrages, bezogen auf die persönliche Zulage, eintritt“, ist die Revision begründet. Auch insoweit ist die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen. Wie vorstehend ausgeführt, ist entgegen dem Feststellungsantrag der sich aus der allgemeinen Entgelterhöhung ergebende Steigerungsbetrag maßgeblich und nicht allein der Anstieg der persönlichen Zulage im Rahmen der Dynamisierung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw.

59

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel     

        

        

        

    Steinbrück    

        

    Lauth     

                 

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 9. Dezember 2014 - 17 Sa 892/14 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

2

Der Kläger wurde aufgrund Arbeitsvertrags vom 16. Dezember 2011 befristet für den Zeitraum vom 15. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2013 im Betrieb der Beklagten als kaufmännischer Mitarbeiter beschäftigt. Am 11./16. Dezember 2013 vereinbarten die Parteien eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. März 2014. Beide Befristungen erfolgten nach § 9 Abs. 1 des Arbeitsvertrags „gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG in Verbindung mit Ziffer 2.3.1. der derzeit von der Arbeitgebervereinigung Energiewirtschaftlicher Unternehmen e.V. (AVE) abgeschlossenen und für die Gesellschaft anwendbaren Manteltarifvertrag“. Ziff. 2.3.1. des am 1. März 2012 zwischen der AVE und der IG BCE für die E.ON Service GmbH und die Beklagte als Mitglieder der Tarifgruppe „Dienstleistung“ abgeschlossenen Manteltarifvertrags (MTV) bestimmt:

        

„Höchstzulässige Befristungsdauer und Anzahl der Verlängerung

        

Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens fünfmalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig.“

3

Mit der beim Arbeitsgericht am 27. Februar 2014 eingegangenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, Ziff. 2.3.1. MTV sei unwirksam. Der Grundsatz, dass der unbefristete Arbeitsvertrag die Regel und der befristete Arbeitsvertrag die Ausnahme darstelle, werde durch die tarifliche Ausdehnung sachgrundloser Befristungen bis zur Dauer von fünf Jahren nicht mehr gewahrt. Außerdem habe der Gesetzgeber die tarifliche Öffnungsklausel zugelassen, um branchenspezifische Lösungen zu erleichtern. Eine besondere Notwendigkeit, die sachgrundlose Befristungsmöglichkeit für Arbeitsverträge in der Energiewirtschaft zu erweitern, sei nicht zu erkennen. Da der Manteltarifvertrag nicht aufgrund beidseitiger Verbandszugehörigkeit, sondern lediglich aufgrund vertraglicher Vereinbarung zur Anwendung gelange, unterliege er außerdem der AGB-Kontrolle.

4

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 11. Dezember 2013 zum 31. März 2014 beendet ist.

5

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der Befristung am 31. März 2014 geendet.

8

A. Die Klage ist als Befristungskontrollklage zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt ihr nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger ab dem 1. April 2014 im unmittelbaren Anschluss an das mit der Beklagten vereinbarte Fristende einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit der E abgeschlossen hat. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem anderen Arbeitgeber lässt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Befristungskontrollklage nicht entfallen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sich der Arbeitnehmer im Fall eines obsiegenden Urteils gegen den dann nach § 615 Satz 1 BGB bestehenden Anspruch auf Vergütung aus Annahmeverzug nach § 615 Satz 2 BGB dasjenige anrechnen lassen muss, was er durch anderweitige Verwendung seiner Dienste zu erwerben böswillig unterlässt. Dies setzt voraus, dass er nach der vereinbarten Vertragsbeendigung ein anderweitiges Arbeitsverhältnis eingehen kann, ohne seine Rechtsposition im Befristungskontrollverfahren einzubüßen. Schließt er während des Prozesses um die Wirksamkeit einer Befristung einen unbefristeten Arbeitsvertrag, liegt darin auch kein Verzicht, die Unwirksamkeit der Befristung gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber weiterhin geltend zu machen. Es ist allein die Entscheidung des Klägers, ob er nach einem möglichen Obsiegen mit seinem Befristungskontrollantrag das neue oder das alte Arbeitsverhältnis fortsetzen will.

9

B. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 11. Dezember 2013 am 31. März 2014 geendet.

10

I. Die Befristung zum 31. März 2014 gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Mit seiner am 27. Februar 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 6. März 2014 zugestellten Klage hat der Kläger die Frist des § 17 Satz 1 TzBfG für die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Befristung gewahrt. Die Klage kann schon vor dem Ablauf der vereinbarten Frist erhoben werden (BAG 24. Februar 2016 - 7 AZR 182/14 - Rn. 24; 21. September 2011 - 7 AZR 375/10 - Rn. 8, BAGE 139, 213; 10. März 2004 - 7 AZR 402/03 - zu I der Gründe, BAGE 110, 38).

11

II. Die Befristung ist auch nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG gerechtfertigt.

12

1. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines Sachgrundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG die höchstens dreimalige Verlängerung des sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zulässig.

13

2. Die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festgelegte Höchstbefristungsdauer ist nicht eingehalten. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand vom 15. Januar 2012 bis zum 31. März 2014, also länger als zwei Jahre.

14

III. Die Befristung ist aber gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 TzBfG iVm. Ziff. 2.3.1. MTV gerechtfertigt. Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung durch Tarifvertrag abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festgelegt werden. Das ist durch Ziff. 2.3.1. MTV geschehen. Danach ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zu einer Dauer von fünf Jahren und bis zu dieser Gesamtdauer die höchstens fünfmalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Die tarifliche Regelung ist wirksam. Die Beklagte kann die vereinbarte Befristung auf diese Tarifbestimmung stützen.

15

1. Die tarifliche Regelung in Ziff. 2.3.1. MTV ist wirksam. Sie wird von der gesetzlichen Tariföffnungsklausel in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG gedeckt.

16

a) Der Wirksamkeit der Tarifbestimmung steht nicht entgegen, dass sowohl die Höchstdauer der Befristung als auch die Anzahl der Verlängerungen abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG geregelt sind. Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG können durch Tarifvertrag nicht nur entweder die Höchstdauer der Befristung oder die Anzahl der Verlängerungen sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge, sondern kumulativ beide Vorgaben abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG geregelt werden(st. Rspr. des Senats, vgl. BAG 20. Januar 2016 - 7 AZR 340/14 - Rn. 23; 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 20 ff.; 15. August 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 17 ff. mwN, BAGE 143, 10).

17

b) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass sich die Festlegung einer fünfjährigen sachgrundlosen Befristung bei fünfmaliger Verlängerungsmöglichkeit in Ziff. 2.3.1. MTV im Rahmen der den Tarifvertragsparteien eröffneten Regelungsbefugnis hält. Durch Tarifvertrag kann geregelt werden, dass die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags bis zur Dauer von sechs Jahren und bis zu dieser Gesamtdauer die bis zu neunmalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zulässig ist. Dies ergibt die Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG.

18

aa) Die den Tarifvertragsparteien durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffnete Möglichkeit, die Höchstdauer der Befristung und die Anzahl der Vertragsverlängerungen abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festzulegen, ist zwar nach dem Gesetzeswortlaut nicht eingeschränkt. Dennoch gilt sie nicht völlig unbegrenzt. Vielmehr gebieten der systematische Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck des TzBfG, aber auch verfassungs- und unionsrechtliche Gründe eine immanente Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien(BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 22; 15. August 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 23, BAGE 143, 10).

19

(1) Bereits nach dem systematischen Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck des TzBfG ist die Befugnis der Tarifvertragsparteien, sachgrundlose Befristungen über die Grenzen des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG hinaus zu ermöglichen, nicht völlig schrankenlos. Anderenfalls ergäbe sich ein Wertungswiderspruch insbesondere zu § 14 Abs. 1 TzBfG. Von dieser Bestimmung, nach der eine Befristungsabrede grundsätzlich nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig ist, kann nach § 22 Abs. 1 TzBfG auch durch Tarifvertrag nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Daher muss auch ein tariflich geregelter Sachgrund den Wertungsmaßstäben des § 14 Abs. 1 TzBfG genügen(vgl. BAG 9. Dezember 2009 - 7 AZR 399/08 - Rn. 26 mwN, BAGE 132, 344). Dieses gesetzgeberische Konzept würde konterkariert, wenn die Tarifvertragsparteien völlig unbeschränkt sachgrundlose Befristungen gestatten könnten (BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 23; 15. August 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 24, BAGE 143, 10).

20

(2) Für eine Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis sprechen auch verfassungsrechtliche Erwägungen.

21

(a) Art. 12 Abs. 1 GG garantiert für Arbeitsverhältnisse einen staatlichen Mindestbestandsschutz. Diesen hat der Gesetzgeber für die Befristung von Arbeitsverträgen durch das TzBfG näher ausgestaltet. Ausgehend von dem Grundsatz, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis der Normalfall und das befristete Arbeitsverhältnis die Ausnahme ist (vgl. BT-Drs. 14/4374 S. 12), sollen das Erfordernis eines sachlichen Grundes für die Befristung in § 14 Abs. 1 TzBfG sowie das Festlegen bestimmter Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung den Arbeitnehmer vor einem grundlosen Verlust des Arbeitsplatzes bewahren(BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 25; 15. August 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 26 mwN, BAGE 143, 10).

22

(b) Bei der Verwirklichung der ihm obliegenden Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG hat der Gesetzgeber wie auch sonst bei der Verfolgung berufs-, arbeits- und sozialpolitischer Ziele einen weiten Gestaltungsspielraum(vgl. BVerfG 18. November 2003 - 1 BvR 302/96 - zu C 2 a der Gründe, BVerfGE 109, 64). Diesem Gestaltungsspielraum entspricht es, zumal in Ansehung der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Tarifautonomie, wenn es der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien ermöglicht, die Voraussetzungen zur Zulässigkeit sachgrundloser Befristungen in Abweichung seiner Festlegungen zur Höchstdauer und zur Anzahl der Verlängerungen zu regeln. Die mittels der Tarifautonomie herzustellende sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens ist Grundlage der Praxis des Gesetzgebers, in vielen Bereichen den Tarifvertragsparteien Regelungsbefugnisse zuzuweisen, die er aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes den Arbeitsvertragsparteien versagt. Diese gesetzliche Konzeption beruht auf der Annahme, dass Tarifverträge ein größeres „Richtigkeitsvertrauen“ genießen als der Arbeitsvertrag des Einzelnen. Sie bieten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine materielle Richtigkeitsgewähr. Aufgrund des Verhandlungsgleichgewichts der Tarifvertragsparteien ist davon auszugehen, dass die vereinbarten tariflichen Regelungen den Interessen beider Seiten gerecht werden und keiner Seite ein unzumutbares Übergewicht vermitteln (vgl. BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 47 mwN, BAGE 117, 308). Das gilt grundsätzlich auch für Tarifverträge, die aufgrund der Tariföffnungsklausel des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG geschlossen werden(BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 26; 15. August 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 27, BAGE 143, 10).

23

(c) Gleichwohl sind Fallgestaltungen denkbar, in denen die tarifvertragliche Regelung sachgrundloser Befristungen trotz der Vermutung der materiellen Richtigkeit nicht mehr der mit den Regelungen des TzBfG verfolgten Verwirklichung der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden staatlichen Schutzpflicht entspräche. Das bei Anwendung und Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG zu beachtende Untermaßverbot führt daher ebenfalls zu einer Beschränkung der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien(BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 27; 15. August 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 28, BAGE 143, 10).

24

(3) Eine Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis entspricht schließlich auch den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (Rahmenvereinbarung), deren Umsetzung der befristungsrechtliche Teil des TzBfG dient (BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 28; 15. August 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 29, BAGE 143, 10).

25

(a) Aus dem zweiten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung, aus ihren Allgemeinen Erwägungen 6 und 8 sowie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) geht hervor, dass feste Beschäftigungsverhältnisse einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes darstellen, während befristete Arbeitsverträge nur unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer entsprechen können (vgl. EuGH 26. Februar 2015 - C-238/14 - [Kommission/Luxemburg] Rn. 36; 26. November 2014 - C-22/13 ua. - [Mascolo] Rn. 73 mwN). Die Richtlinie und die inkorporierte Rahmenvereinbarung verlangen daher von den Mitgliedstaaten zur Verhinderung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge die Ergreifung einer oder mehrerer der drei in § 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen. Entschließt sich ein Mitgliedstaat zu einer dieser Maßnahmen oder zu mehreren, hat er das unionsrechtlich vorgegebene Ziel der Verhinderung des Missbrauchs von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen zu gewährleisten (EuGH 26. November 2014 - C-22/13 ua. - [Mascolo] Rn. 74; 26. Januar 2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 25 f. mwN; 23. April 2009 - C-378/07 ua. - [Angelidaki ua.] Rn. 94 f. mwN, Slg. 2009, I-3071; BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 29; 15. August 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 30, BAGE 143, 10).

26

(b) Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 14 Abs. 1 bis Abs. 3 TzBfG für eine Kombination der genannten Maßnahmen entschieden und ua. in § 14 Abs. 2 TzBfG die Zulässigkeit einer Befristung ohne sachliche Gründe in Abhängigkeit von der maximal zulässigen Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge und der Zahl von Verlängerungen solcher Verträge näher ausgestaltet. In diesem Zusammenhang hat er den Tarifvertragsparteien nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG die Möglichkeit eröffnet, die an die Höchstdauer und die Höchstanzahl von Verlängerungen anknüpfenden Zulässigkeitsvoraussetzungen befristeter Arbeitsverträge abweichend vom Gesetz zu regeln(allgemein zur Regelungsbefugnis richtlinienumsetzenden Rechts durch die Sozialpartner: vgl. zB EuGH 18. Dezember 2008 - C-306/07 - [Ruben Andersen] Rn. 24, Slg. 2008, I-10279; 28. Oktober 1999 - C-187/98 - [Kommission/Griechenland] Rn. 46 mwN, Slg. 1999, I-7713). Bei der Wahrnehmung dieser Regelungsbefugnis ist aber auch von den Tarifvertragsparteien das Ziel der Richtlinie, den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu verhindern, zu beachten. Die gesetzliche Tariföffnungsklausel erlaubt daher keine Tarifverträge, die diesem Ziel erkennbar zuwiderliefen (BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 30; 15. August 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 31, BAGE 143, 10).

27

§ 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung gibt den Mitgliedstaaten ein allgemeines Ziel - Verhinderung solcher Missbräuche - vor, lässt ihnen jedoch zugleich die Wahl der Mittel zu seiner Erreichung, solange sie nicht das Ziel oder die praktische Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung in Frage stellen(EuGH 14. September 2016 - C-16/15 - [Pérez López] Rn. 30; 26. November 2014 - C-22/13 ua. - [Mascolo] Rn. 76; 3. Juli 2014 - C-362/13 ua. - [Fiamingo ua.] Rn. 60). Wenn das Unionsrecht keine spezifischen Sanktionen für den Fall vorsieht, dass dennoch Missbräuche festgestellt worden sind, obliegt es außerdem den nationalen Stellen, Maßnahmen zu ergreifen, die nicht nur verhältnismäßig, sondern auch hinreichend effektiv und abschreckend sein müssen, um die volle Wirksamkeit der zur Durchführung der Rahmenvereinbarung erlassenen Normen sicherzustellen (EuGH 14. September 2016 - C-16/15 - [Pérez López] Rn. 31; 26. November 2014 - C-22/13 ua. - [Mascolo] Rn. 77; 3. Juli 2014 - C-362/13 ua. - [Fiamingo ua.] Rn. 62).

28

bb) Der Senat hat bislang keine Obergrenzen für die tarifvertraglichen Abweichungsmöglichkeiten nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG festgelegt.

29

(1) In seiner bisherigen Rechtsprechung sah der Senat jedenfalls die Verdoppelung der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festgelegten Werte weder nach der Systematik und dem Zweck des TzBfG noch aus verfassungs- oder unionsrechtlichen Gründen als bedenklich an. Die Festlegung dieser Höchstgrenzen für die Gesamtdauer und die Verlängerungsmöglichkeiten sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge sei geeignet, den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu verhindern. Dies zeige auch die Regelung in § 14 Abs. 2a TzBfG, die für neu gegründete Unternehmen sachgrundlose Befristungen bis zur Dauer von vier Jahren bei mehrfacher Verlängerungsmöglichkeit gestatte(BAG 20. Januar 2016 - 7 AZR 340/14 - Rn. 24; 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 31). Im Schrifttum wird teilweise vertreten, der tarifliche Gestaltungsrahmen sei mit einer Verdoppelung der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festgelegten Faktoren ausgeschöpft(vgl. etwa Francken NZA 2013, 122, 125; Schaub/Koch ArbR-HdB 16. Aufl. § 39 Rn. 17; KR/Lipke 11. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 602, 603; HaKo/Mestwerdt 5. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 210).

30

(2) Nach anderer Auffassung können die Gestaltungsmöglichkeiten der Tarifvertragsparteien zwar über den bisher vom Senat akzeptierten Rahmen einer Verdoppelung der Werte des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG hinausgehen, müssen jedoch deutlich unter der Schwelle liegen, bei deren Überschreitung nach der Rechtsprechung des Senats zur Sachgrundbefristung ein institutioneller Rechtsmissbrauch indiziert ist, da anderenfalls für die Sachgrundbefristung kein Raum mehr bliebe(vgl. etwa APS/Backhaus 5. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 404). Gegen eine Beschränkung der Werte in Anlehnung an § 14 Abs. 2a TzBfG wird weiter vorgebracht, diese Regelung sei erst nachträglich und unabhängig von der tarifvertraglichen Gestaltungsmöglichkeit in das Gesetz eingefügt worden. Außerdem eröffne auch § 14 Abs. 2a Satz 4 TzBfG die Möglichkeit, von der nach § 14 Abs. 2a Satz 1 TzBfG zulässigen Höchstbefristungsdauer von vier Jahren nach oben oder nach unten abzuweichen und eine maximal zulässige Anzahl von Verlängerungsmöglichkeiten festzulegen(vgl. Seiwerth RdA 2016, 214, 218 f.). Andere Autoren vertreten die Auffassung, die Gestaltungsgrenze sei unter Einbeziehung branchenspezifischer Besonderheiten zu bestimmen; dazu müssten die Anforderungen an den Konkretisierungsgrad der branchenspezifischen Erfordernisse im Anwendungsbereich des jeweiligen Tarifvertrags in dem Maße ansteigen, in dem sich das intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis von unbefristeter zu befristeter Beschäftigung verschiebe. Um der Praxis dabei ein gewisses Maß an Rechtssicherheit zu gewährleisten, spricht sich Seiwerth (RdA 2016, 214, 223 f.) dafür aus, die Grenze zulässiger tariflicher Gestaltung grundsätzlich bei einer bis zu vierfachen Überschreitung einer der beiden in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Höchstgrenzen oder einer bis zu dreifachen Überschreitung der beiden Höchstgrenzen des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zu ziehen. Gegen die Berücksichtigung branchenspezifischer Besonderheiten bei der Festlegung der tarifvertraglichen Abweichungsbefugnis wird andererseits eingewandt, dass dies einer rechtssicheren Handhabung des Gesetzes abträglich wäre (vgl. etwa Staudinger/Preis (2016) § 620 Rn. 197a).

31

cc) Der Senat sieht die Grenze der tariflichen Regelungsbefugnis unter Berücksichtigung der Gesamtkonzeption von § 14 TzBfG und der unionsrechtlichen Vorgaben in der Richtlinie 1999/70/EG sowie zur Gewährleistung eines Mindestbestandsschutzes für die betroffenen Arbeitnehmer und unter Beachtung der den Tarifvertragsparteien zustehenden Tarifautonomie als erreicht an bei der Festlegung der Dauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags auf maximal sechs Jahre und der höchstens neunmaligen Verlängerung bis zu dieser Gesamtdauer.

32

(1) Diese Gestaltungsgrenze trägt den Anforderungen der Richtlinie 1999/70/EG und der inkorporierten Rahmenvereinbarung Rechnung. Sie orientiert sich an den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs bei der Sachgrundbefristung, die ihrerseits aus den für die sachgrundlose Befristung maßgeblichen gesetzlichen Werten des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG abgeleitet sind. Nach diesen Grundsätzen dürfen sich die Gerichte bei der Kontrolle einer Sachgrundbefristung nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrundes beschränken. Sie sind vielmehr auch bei Bestehen eines Sachgrundes für die Befristung aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen (EuGH 26. November 2014 - C-22/13 ua. - [Mascolo] Rn. 102 ff.; 26. Januar 2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 40). Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Rechtsmissbrauchskontrolle bei der Sachgrundbefristung veranlasst, wenn die gesetzlichen Werte für die Höchstdauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags und die Anzahl der möglichen Vertragsverlängerungen um ein Mehrfaches überschritten sind. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Werte mehr als das Dreifache betragen(ausführlich BAG 26. Oktober 2016 - 7 AZR 135/15 -). Wäre bei einer Sachgrundbefristung aufgrund der Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses und/oder der Anzahl der mit dem Arbeitnehmer abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge die Prüfung eines institutionellen Rechtsmissbrauchs veranlasst, obwohl der zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag durch einen Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt ist, kann eine sachgrundlose Befristung nicht mehr in Betracht kommen. Dies widerspräche der Gesamtkonzeption von § 14 Abs. 1 und Abs. 2 TzBfG.

33

(2) Eine tarifliche Bestimmung, die eine sechsjährige sachgrundlose Befristung bei neunmaliger Verlängerungsmöglichkeit erlaubt, führt nicht dazu, dass der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht nicht mehr genügt wäre. Der dem Arbeitnehmer zu gewährende Mindestbestandsschutz wird dadurch nicht unterschritten.

34

(3) Auch Gründe der Rechtssicherheit sprechen für diesen quantitativ begrenzten Gestaltungsrahmen der Tarifvertragsparteien, innerhalb dessen sie die Höchstdauer und die Anzahl der Vertragsverlängerungen abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festlegen können, ohne dass es insoweit einer besonderen Prüfung der branchentypischen Besonderheiten bedarf. Innerhalb des durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG gesetzlich ermöglichten Gestaltungsspielraums verfügen die Tarifvertragsparteien über eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen; sie müssen dabei nicht die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung finden (vgl. dazu allg. BAG 16. Oktober 2014 - 6 AZR 661/12 - Rn. 26 mwN, BAGE 149, 297). Der Tarifvertrag ist das Ergebnis eines Kompromisses, der die verschiedensten Regelungen umfasst. Die Arbeitsvertragsparteien könnten spezifische branchentypische Erfordernisse für tarifvertragliche Abweichungen von den in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG bestimmten Werten kaum darlegen.

35

(4) Eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH nach Art. 267 AEUV zu der Frage, welche Grenzen § 5 Nr. 1 Buchst. b und Buchst. c der Rahmenvereinbarung der tarifvertraglichen Regelungsbefugnis setzt, ist nicht erforderlich. Der im Schrifttum geübten Kritik, dass der Senat bisher keine Begründung dazu gegeben hat, weshalb er die tariflichen Ausweitungen der Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung unionsrechtlich noch für akzeptabel hält (vgl. Loth/Ulber NZA 2013, 130, 133 und Staudinger/Preis (2016) § 620 Rn. 197a), ist durch den Zusammenhang zur Rechtsmissbrauchskontrolle bei der Sachgrundbefristung nach § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung Rechnung getragen. Durch die Verschränkung der für die Sachgrundbefristung maßgeblichen Schwelle des Rechtsmissbrauchs mit der sachgrundlosen Befristung ergibt sich ein unionsrechtskonformes Gesamtkonzept, durch das der missbräuchliche Einsatz von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen verhindert und geahndet wird (vgl. auch Seiwerth RdA 2016, 214, 223). Diese Beurteilung kann der Senat vornehmen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es Sache der nationalen Gerichte zu beurteilen, inwieweit die einschlägigen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts unter Berücksichtigung ihrer Anwendungsvoraussetzungen und ihrer tatsächlichen Anwendung eine angemessene Maßnahme darstellen, um den missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden (vgl. EuGH 21. September 2016 - C-614/15 - [Popescu] Rn. 41; 14. September 2016 - C-16/15 - [Pérez López] Rn. 35; 26. November 2014 - C-22/13 ua. - [Mascolo] Rn. 82; 3. Juli 2014 - C-362/13 ua. - [Fiamingo ua.] Rn. 67).

36

2. Die Beklagte kann die Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2014 auf Ziff. 2.3.1. MTV stützen.

37

a) Der MTV findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die Parteien haben die Anwendung des MTV nach § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG einzelvertraglich wirksam vereinbart. In dem Vertrag vom 11./16. Dezember 2013 haben sie - ebenso wie in dem vorherigen Vertrag - geregelt, dass die Befristung aufgrund von § 14 Abs. 2 TzBfG iVm. Ziff. 2.3.1. MTV erfolgt. Die Vereinbarung wurde im Geltungsbereich des MTV getroffen, denn die Parteien unterfielen im Falle beiderseitiger Tarifbindung dem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich des MTV (vgl. BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 36).

38

b) Diese Bezugnahmeklausel, bei der es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, ist wirksam.

39

aa) Die Bezugnahmeklausel hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB stand. Auf einschlägige Tarifverträge bezogene dynamische Bezugnahmeklauseln sind weder überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB noch verletzen sie das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge sind im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge nicht iSd. § 305c Abs. 1 BGB überraschend ist(BAG 23. Juli 2014 - 7 AZR 771/12 - Rn. 24, BAGE 148, 357; 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 20 mwN, BAGE 128, 73). Bezugnahmeklauseln auf das jeweils gültige Tarifrecht entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien. Dies ergibt sich aus der Zukunftsgerichtetheit des Arbeitsverhältnisses. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG genügt deshalb der bloße allgemeine Hinweis auf Tarifverträge(vgl. BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 38; 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 31 mwN, aaO). Die Verweisung auf Vorschriften eines anderen Regelungswerkes führt auch für sich genommen nicht zur Intransparenz, selbst wenn sie dynamisch ausgestaltet ist. Das Bestimmtheitsgebot als maßgebliche Ausprägung des Transparenzgebots verlangt lediglich, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen und der Gefahr vorgebeugt wird, dass der Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung müssen die geltenden, in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sein (vgl. BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 39; 23. Juli 2014 - 7 AZR 771/12 - Rn. 25, aaO; 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 31 mwN, aaO). Eine Regelung, die auf den Tarifvertrag verweist, ist auch weder unverständlich noch unklar. Welche konkreten tariflichen Regelungen jeweils das Arbeitsverhältnis ausfüllen sollen, ist von den Arbeitnehmern durch Einsicht in die Tarifverträge feststellbar (BAG 23. Juli 2014 - 7 AZR 771/12 - Rn. 26, aaO).

40

bb) Die vertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag führt nicht dazu, dass die Regelung in Ziff. 2.3.1. MTV einer AGB-Kontrolle zu unterziehen wäre. Tarifverträge stehen gemäß § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Rechtsvorschriften iSv. § 307 Abs. 3 BGB gleich(vgl. BAG 23. Juli 2014 - 7 AZR 771/12 - Rn. 22, BAGE 148, 357).

41

c) Die Voraussetzungen von Ziff. 2.3.1. MTV sind erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand vom 15. Januar 2012 bis zum 31. März 2014, also insgesamt etwas länger als zwei Jahre und zwei Monate. Es wurde in dieser Zeit nur einmal verlängert. Bei der Vereinbarung vom 11./16. Dezember 2013 handelt es sich um eine Verlängerung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 TzBfG. Es wurde nur die Vertragsdauer geändert, die übrigen Arbeitsbedingungen wurden beibehalten.

42

C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Waskow    

        

    Kiel    

        

        

        

    Holzhausen    

        

    Zwisler    

                 

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Mai 2013 - 7 Sa 511/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Zeitpunkt, zu dem ihr Arbeitsverhältnis beendet worden ist.

2

Die 1983 geborene Klägerin begann im Juni 2007 bei der Beklagten, die nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, eine Ausbildung. Nach deren Abbruch begründete sie unmittelbar anschließend im Juli 2008 ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Die Beklagte kündigte dieses mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 unter Einhaltung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB ordentlich zum 31. Januar 2012. Die Klägerin begehrt - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der längstmöglichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB, dh. bis zum 31. Juli 2012.

3

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Staffelung der Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB führe zu einer mittelbaren Altersdiskriminierung. Die maßgebliche Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) verfolge in diesem Zusammenhang ausschließlich sozialpolitische Ziele. Den Materialien der Novellierung des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB durch das Gesetz zur Vereinheitlichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten (Kündigungsfristengesetz - KündFG) vom 7. Oktober 1993 (BGBl. I S. 1668) lasse sich kein solcher Rechtfertigungsgrund entnehmen. Zudem sei eine Schutzwürdigkeit älterer Arbeitnehmer, der durch die Staffelung der Kündigungsfristen habe Rechnung getragen werden müssen, nicht erkennbar.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Dezember 2011 nicht zum 31. Januar 2012, sondern erst zum 31. Juli 2012 geendet hat.

5

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die gesetzliche Kündigungsfristenstaffelung sei dadurch gerechtfertigt, dass sich Arbeitnehmer mit längerer Beschäftigungsdauer einen Besitzstand erarbeitet hätten, der ihnen Anspruch auf soziale Absicherung gewähre. Ältere Arbeitnehmer seien schlechter vermittelbar. Die Staffelung der Kündigungsfristen diene deshalb den sozialen Gesichtspunkten, die die RL 2000/78/EG im Visier gehabt habe.

6

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis ist zum 31. Januar 2012 beendet worden.

8

I. Die von der Beschäftigungsdauer abhängige Staffelung der Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB verletzt nicht das in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) normierte Verbot der Altersdiskriminierung, das durch die RL 2000/78/EG konkretisiert wird(zu dieser Konkretisierung BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 17, BAGE 133, 265). Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV bedarf es insoweit nicht. Die entscheidungsrelevanten unionsrechtlichen Fragestellungen sind von diesem geklärt.

9

1. Der Anwendungsbereich des Unionsrechts ist eröffnet. Bei Kündigungsfristen handelt es sich um Entlassungsbedingungen iSd. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c RL 2000/78/EG (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 25 f., Slg. 2010, I-365).

10

2. Die Verlängerung der Kündigungsfristen durch § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB knüpft nicht unmittelbar an das Lebensalter, sondern an die Beschäftigungsdauer und damit die Betriebszugehörigkeit an. Die gesetzliche Regelung ist damit dem Anschein nach hinsichtlich des Merkmals „Alter“ neutral. Die Differenzierung nach der Betriebszugehörigkeit führt jedoch regelmäßig zu einer mittelbaren Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer. Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit sind jedenfalls typischerweise älter als Arbeitnehmer mit kürzerer Betriebszugehörigkeit. Zwar können auch ältere Arbeitnehmer eine nur kurze Betriebszugehörigkeit haben. Eine lange Betriebszugehörigkeit können aber Arbeitnehmer in jungen Jahren noch nicht erlangt haben (BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 52).

11

Angesichts dieser offenkundigen mittelbaren Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter durch das Abstellen auf die Beschäftigungsdauer in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB bedurfte es keiner gesonderten Darlegung der Klägerin zum Nachweis des positiven Tatbestandsmerkmals einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters(zu den entsprechenden Anforderungen BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20 f., BAGE 134, 160; zur Qualifizierung als positives Tatbestandsmerkmal ErfK/Schlachter 14. Aufl. § 3 AGG Rn. 13).

12

3. Das bloße Diskriminierungspotential eines Kriteriums reicht zur Bejahung einer mittelbaren Diskriminierung jedoch nicht aus. Hinzukommen muss, dass sich dieses Potential auch verwirklicht. Das ist nicht der Fall, wenn der in Anspruch Genommene darlegt, dass ein zureichender Sachgrund iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG vorliegt (vgl. Kamanabrou Anm. AP BGB § 626 Nr. 237; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 157, 168; zur Verteilung der Darlegungslast EuGH 17. Juli 2008 - C-303/06 - [Coleman] Rn. 52, Slg. 2008, I-5603; Däubler/Bertzbach/Schrader/Schubert AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 65). Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i RL 2000/78/EG ist damit ein negatives Tatbestandsmerkmal (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 59, Slg. 2009, I-1569; vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 42).

13

4. Nach allgemeiner Ansicht bewirkt die Staffelung der Kündigungsfristen aufgrund der Dauer der Beschäftigung in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB keine mittelbare Altersdiskriminierung.

14

a) Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts ist bei der Umsetzung der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Januar 2010 (- C-555/07 - [Kücükdeveci] Slg. 2010, I-365) von der Wirksamkeit des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgegangen. Er hat lediglich § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB für unanwendbar gehalten und angenommen, dies führe zur ausschließlichen Anwendung von § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB(BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 21, BAGE 135, 278).

15

b) Das Schrifttum ist dem weit überwiegend gefolgt.

16

aa) Die herrschende Meinung im Schrifttum geht ohne nähere Begründung von der Wirksamkeit des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB aus(KR/Spilger 10. Aufl. § 622 BGB Rn. 54; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 622 BGB Rn. 9; APS/Linck 4. Aufl. § 622 BGB Rn. 52; Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 126 Rn. 19; Stahlhacke/Preis 10. Aufl. Rn. 425; Eylert Der Personalrat 2007, 92, 93 [für § 34 TVöD]).

17

bb) Einige Stimmen im Schrifttum nehmen an, der Gesetzgeber könne das höhere Kündigungsrisiko und die schlechteren Chancen auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt älterer Menschen durch längere Kündigungsfristen als positive Maßnahme iSd. § 5 AGG ausgleichen(vgl. Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz 2. Aufl. Rn. 450; Däubler/Bertzbach/Hinrichs/Zimmer AGG 3. Aufl. § 5 Rn. 58).

18

cc) Andere halten § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a RL 2000/78/EG bzw. § 10 AGG für gerechtfertigt, weil die Verlängerung der Kündigungsfristen es dem Arbeitnehmer erleichtern solle, eine Beschäftigung zu finden und seinen Lebensstandard zu halten(Groß Die Rechtfertigung einer Altersdiskriminierung auf der Grundlage der Richtlinie 2000/78/EG S. 139 ff.; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 29a; Willemsen/Schweibert NJW 2006, 2583, 2586; Temming Altersdiskriminierung im Arbeitsleben S. 137, 517).

19

dd) Schließlich nimmt ein Teil des Schrifttums an, § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB sei wegen der steigenden Schutzbedürftigkeit älterer Arbeitnehmer(Rehm Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters im Kündigungsrecht S. 88 ff.; Wendeling-Schröder NZA 2007, 1399, 1403 f.; Zimmermann/Lingscheid jurisPR-ArbR 5/2014 Anm. 1), die zu einer längeren Arbeitsplatzsuche führe (Löwisch FS Schwerdtner 2003 S. 769, 771), bzw. wegen der mit der Verlängerung der Kündigungsfristen verbundenen Belohnung der Betriebstreue (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 27; Kamanabrou RdA 2007, 199, 206) mit den Vorgaben des Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG vereinbar.

20

ee) Nur vereinzelt wird angenommen, die Staffelung der Kündigungsfristen aufgrund einer längeren Beschäftigungsdauer sei nicht gerechtfertigt (Kaiser FS Konzen 2006 S. 381, 385 ff., 409 f.).

21

5. Die Staffelung der Kündigungsfristen durch § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB verfolgt das Ziel, länger beschäftigten und damit betriebstreuen, typischerweise älteren Arbeitnehmern durch längere Kündigungsfristen einen verbesserten Kündigungsschutz zu gewähren. Zur Erreichung dieses rechtmäßigen Ziels ist die Verlängerung auch in ihrer konkreten Staffelung angemessen und erforderlich iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i RL 2000/78/EG. Darauf verweist die Beklagte zu Recht. Damit entfällt bereits der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters, so dass es auf eine Rechtfertigung nach Art. 6 oder Art. 7 RL 2000/78/EG nicht ankommt(vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 66, Slg. 2009, I-1569; ErfK/Schlachter 14. Aufl. § 3 AGG Rn. 13; BT-Drs. 16/1780 S. 33).

22

a) Differenzierungsziel des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB ist es, den Schutz von länger beschäftigten und damit betriebstreuen, typischerweise älteren Arbeitnehmern bei Kündigungen zu verbessern. Sie sollen einen - wenn auch zeitlich begrenzten - formellen Kündigungsschutz erlangen (vgl. Staudinger/Preis (2012) § 622 Rn. 9). Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm mit hinreichender Sicherheit, so dass auf weitere Auslegungskriterien nicht zurückgegriffen werden muss. Dieses Ziel ist rechtmäßig.

23

aa) Welches Ziel iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i RL 2000/78/EG ein Gesetz verfolgt, ergibt sich aus dem Gesetzeszweck. Ob der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung erfüllt ist, bestimmt sich danach, ob die mittelbare Benachteiligung von Trägern verpönter Merkmale aus dem gesetzlich angeordneten Differenzierungskriterium und dieses wiederum aus dem Differenzierungsziel begründet werden kann (vgl. für Art. 3 Abs. 1 GG Gusy NJW 1988, 2505, 2507 f.). Dabei ist entgegen der Auffassung der Klägerin für Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG - anders als für eine Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie(dazu EuGH st. Rspr. seit 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, 52, Slg. 2009, I-1569) - kein sozialpolitisches Ziel erforderlich. Rechtmäßige Ziele iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG können vielmehr alle von der Rechtsordnung anerkannten Gründe sein, die nicht ihrerseits diskriminierend sind (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 59 ff., aaO; BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 42).

24

bb) Der Gesetzeszweck ist dem in der Norm zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist, zu entnehmen. Dafür sind die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung anzuwenden. Dabei können gerade die systematische Stellung einer Vorschrift im Gesetz und ihr sachlich-logischer Zusammenhang mit anderen Vorschriften diesen Sinn und Zweck freilegen (vgl. BVerfG 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2 BvR 2155/11 - Rn. 66, BVerfGE 133, 168; 10. Juni 2009 - 1 BvR 825/08, 1 BvR 1 BvR 831/08 - Rn. 48, BVerfGE 124, 25).

25

cc) Für die Ermittlung des Gesetzeszwecks ist entgegen der Annahme der Klägerin nicht allein auf die Materialien des Kündigungsfristengesetzes abzustellen. Mit diesem Gesetz wollte der Gesetzgeber lediglich den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfG 16. November 1982 - 1 BvL 16/75, 1 BvL 36/79 - BVerfGE 62, 256; 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 - BVerfGE 82, 126) zur erforderlichen Einheitlichkeit der Kündigungsfristen der Arbeiter und Angestellten nachkommen. Er hat dabei an der für Angestellte seit den 20er Jahren, für Arbeiter seit Ende der 60er Jahre geltenden Regelungssystematik, wonach sich die Kündigungsfrist abhängig von der Beschäftigungsdauer verlängert, festgehalten. Maßgeblich sind daher die Ziele, die er mit dieser Systematik verfolgt.

26

(1) Das Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9. Juli 1926 (RGBl. I S. 399) sah in Betrieben mit mehr als zwei Angestellten in § 2 Abs. 1 Satz 2 nach einer Beschäftigungsdauer von acht, zehn und zwölf Jahren Verlängerungen der Kündigungsfrist vor. Damit sollte der Schutz älterer Angestellter, die der Gesetzgeber als von der explodierenden Arbeitslosigkeit während der Wirtschaftskrise als besonders hart betroffen ansah, verbessert werden. Er hielt die Aufgabe des Grundsatzes gleicher Kündigungsfristen für Arbeitgeber und Angestellte im Hinblick auf die aktuelle Notlage für notwendig, weil ältere Arbeitnehmer von Arbeitslosigkeit härter als jüngere getroffen würden. Ihnen falle ein Berufs- oder Wohnortwechsel besonders schwer (RT-Drs. 1924/26 Bd. 409 Nr. 2534 S. 2).

27

(2) Eine im Detail anders ausgestaltete, im Grundsatz aber vergleichbare Regelung wurde für Arbeiter durch das Gesetz zur Änderung des Kündigungsrechtes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Erstes Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz) vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1106) eingeführt. Die im Gesetzentwurf (BT-Drs. V/3913 S. 3 f.) für Arbeiter mit längerer Beschäftigungsdauer zunächst vorgesehenen Kündigungsfristen wurden im Gesetzgebungsverfahren deutlich ausgeweitet (siehe die Gegenüberstellung in BT-Drs. V/4376 S. 10 f.). Dies sei wegen der in jüngster Zeit geführten Debatten über die Schutzbedürftigkeit älterer Arbeitnehmer sozialpolitisch notwendig, aber auch wirtschaftlich vertretbar (BT-Drs. V/4376 S. 3). In der Folgezeit wies die Bundesregierung darauf hin, verlängerte Kündigungsfristen trügen der Notwendigkeit verstärkter Sicherung des Arbeitsplatzes älterer Arbeitnehmer Rechnung (Antwort vom 26. September 1969 auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion BT-Drs. V/4651 S. 3 f.). Ältere Arbeitnehmer würden vor plötzlicher Arbeitslosigkeit geschützt und erhielten die Möglichkeit, sich noch während der Kündigungsfrist eine neue Arbeitsstelle zu suchen (vgl. die Antwort der Bundesregierung vom 14. August 1974 auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten der SPD-und FDP-Fraktionen BT-Drs. 7/2484 S. 7).

28

(3) Im Gesetzgebungsverfahren des Kündigungsfristengesetzes im Jahr 1993 stand zwar das vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Ziel, die Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten zu vereinheitlichen, im Vordergrund. Gleichwohl ließ der Gesetzgeber erkennen, dass er - wenn auch mit veränderten Staffelungen und Kündigungsterminen - aus den bisherigen Gründen und auf der Basis der bisherigen Grundannahmen an einer Verlängerung der Kündigungsfristen für länger beschäftigte Arbeitnehmer festhalten wolle. Dies kam schon im Gesetzentwurf vom 11. Mai 1993 (BT-Drs. 12/4902 S. 7), auf den sich die Klägerin bezieht, zum Ausdruck. Darin wird angenommen, dass mit der Vereinheitlichung der Kündigungsfristen der Arbeiter und Angestellten auf mittlerem Niveau und einer stärkeren Staffelung der Fristen sowohl die Schutzbedürfnisse beider Arbeitnehmergruppen als auch das Interesse der Arbeitgeber an möglichst großer Flexibilität ausgewogen berücksichtigt würden. Noch deutlicher wurde dieser Wille des Gesetzgebers im weiteren Gesetzgebungsverfahren. Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 22. Juni 1993 (BT-Drs. 12/5228 S. 6) sowie in der Debatte der Gesetzesänderung im Bundestag am 23. Juni 1993 (Plenarprotokoll 12/165 S. 14220) wurde auf die existentielle Bedeutung des Arbeitsplatzes und seines Schutzes durch ausreichende Kündigungsfristen verwiesen. Der Gesetzgeber sah dabei bewusst davon ab, unterschiedlich lange Kündigungsfristen nach Berufsgruppen bzw. Qualifikationsstufen zu schaffen. Branchenspezifische Lösungen sollten den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben (vgl. BT-Drs. 12/5228 S. 6; Staudinger/Preis (2012) § 622 Rn. 3).

29

(4) Auch im Rahmen der gescheiterten Bemühungen, § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB als Reaktion auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Januar 2010 (- C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 25 f., Slg. 2010, I-365) zu streichen, wurde der Wille deutlich, das Prinzip, die Dauer der Kündigungsfrist an die Beschäftigungsdauer zu koppeln, unangetastet zu lassen, weil es sich bewährt habe (BT-Drs. 17/775 S. 3).

30

dd) Der verstärkte (formelle) Kündigungsschutz von länger beschäftigten Arbeitnehmern unter Ausgleich der divergierenden, rechtmäßigen Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern an (formellem) Bestandsschutz auf der einen und personalwirtschaftlicher Flexibilität auf der anderen Seite ist entgegen der Ansicht der Klägerin unzweifelhaft ein beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitisches Ziel (vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 68, Slg. 2010, I-9391; 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 35 f., Slg. 2010, I-365; Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 7. Juli 2009 - C-555/07 - Rn. 38, 43). Ein solches Differenzierungsziel, das sogar als Rechtfertigungsgrund iSd. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG in Betracht käme, ist rechtmäßig iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG.

31

b) Das zur Erreichung des Differenzierungsziels gewählte Differenzierungskriterium einer von der Beschäftigungsdauer abhängigen Staffelung der Kündigungsfristen ist geeignet, erforderlich und angemessen.

32

aa) Dieses Kriterium ist geeignet, zeitlich begrenzten Kündigungsschutz als Differenzierungsziel zu gewähren. Verlängerte Kündigungsfristen für länger beschäftigte und damit typischerweise ältere Arbeitnehmer führen zu einem beschränkten Kündigungsschutz, indem sie formelle Kündigungsschranken aufbauen (vgl. BAG 18. April 1985 - 2 AZR 197/84 - zu II 1 a der Gründe: zeitlicher Bestandsschutz; Preis Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen S. 13; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 622 BGB Rn. 2). Die formellen Kündigungsschranken schützen zwar das konkrete Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht in seinem Bestand (Preis Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen S. 13). Sie geben dem Arbeitnehmer aber jedenfalls länger Gelegenheit, einen neuen Arbeitsplatz zu finden (vgl. BVerfG 16. November 1982 - 1 BvL 16/75, 1 BvL 36/79 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 62, 256; Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 7. Juli 2009 - C-555/07 - Rn. 43). Das erhöht zugleich seine Chance, ein neues Arbeitsverhältnis mit vergleichbarem Verdienst und Arbeitsbedingungen zu begründen und so seinen Lebensstandard zu wahren (BVerfG 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 - zu C I 3 der Gründe, BVerfGE 82,126).

33

bb) Dem Gesetzgeber kommt bei der Beurteilung, ob das gewählte Differenzierungskriterium erforderlich zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels ist, ein weiter Wertungs- und Ermessensspielraum zu. Ob er diesen Spielraum überschritten hat, haben die nationalen Gerichte festzustellen (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 41, 51 f., Slg. 2009, I-1569). Ein milderes, ebenso geeignetes Mittel ist nicht erkennbar.

34

(1) Die Entscheidung, Kündigungsfristen nicht nach Branchen oder abhängig von der Qualifikation zu staffeln, ist vom Ermessensspielraum des Gesetzgebers gedeckt. Mit § 622 Abs. 4 Satz 1 BGB hat er den Tarifvertragsparteien bzw. mit Satz 2 dieser Bestimmung den Arbeitsvertragsparteien unter den darin genannten Umständen die Möglichkeit gegeben, branchenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. An die Qualifikation musste er die Kündigungsfristen schon deshalb nicht binden, weil die Anforderungen des Arbeitsmarktes und damit der Wert von Qualifikationen ständig wechseln.

35

(2) Arbeitsförderungsmaßnahmen zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer wie zB der Eingliederungszuschuss nach § 131 SGB III sind ausgehend vom Differenzierungsziel des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB keine milderen Mittel. Das Konzept des Gesetzgebers ist darauf gerichtet, vorrangig dem von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist selbst Gelegenheit zur Suche eines neuen, geeigneten Arbeitsplatzes zu geben. Erst wenn diese erfolglos geblieben ist, setzt nachgelagert die besondere Förderung älterer Arbeitsloser ein.

36

(3) Weil die in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB eingeräumten Kündigungsfristen den von Arbeitslosigkeit Bedrohten ausreichend Zeit geben sollen, sich selbst um eine neue Arbeitsstelle zu bemühen, ist auch die in § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB III genannte Meldefrist von drei Monaten kein Maßstab für die Bemessung der Dauer der Kündigungsfristen. Mit § 38 Abs. 1 SGB III sowie der Sanktion in § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 iVm. § 159 Abs. 6 SGB III hat der Gesetzgeber in einem gänzlich anderen Regelungszusammenhang einen verfassungskonformen Ausgleich zwischen den verfassungsmäßigen Rechten des Versicherten und dem gesetzgeberischen Ziel, Arbeitslosigkeit zu vermeiden bzw. zu verkürzen, gefunden (vgl. BSG 28. August 2007 - B 7/7a AL 56/06 R - Rn. 20 ff. für die Vorgängervorschrift des § 37b SGB III; Böttiger in Eicher/Schlegel SGB III nF Stand Februar 2013 § 38 Rn. 62; Rademacker in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Januar 2014 K § 38 Rn. 54 f.).

37

cc) Schließlich ist die an die Dauer der Beschäftigung geknüpfte Verlängerung der Kündigungsfristen auch angemessen iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i RL 2000/78/EG, dh. verhältnismäßig im engeren Sinn (vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 524/09 - Rn. 27; Däubler/Bertzbach/Schrader/Schubert AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 60). Bei der gebotenen Abwägung der Schwere der mittelbaren Benachteiligung Jüngerer mit Gewicht und Dringlichkeit der dafür vom Gesetzgeber gesehenen Gründe ist die Grenze der Zumutbarkeit für die nachteilig betroffenen jüngeren Arbeitnehmer deutlich gewahrt.

38

(1) Welche Chancen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt besitzen, kann der Gesetzgeber nur typisierend und nicht individuell einschätzen. Seine ua. der Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB zugrundeliegende Annahme, dass mit steigendem Lebensalter die Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt sinken, trifft empirisch nach wie vor zu. Zwar steigt die Erwerbstätigenquote älterer Arbeitnehmer, dh. der Anteil der erwerbstätigen Personen einer Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung in dieser Altersgruppe (BfA Der Arbeitsmarkt in Deutschland Arbeitsmarktberichterstattung - September 2013 S. 9 Fn. 9), seit einigen Jahren an. Dabei fällt der Anstieg kräftiger aus als der im Durchschnitt über alle Altersklassen, so dass Deutschland inzwischen eine der höchsten Erwerbstätigenquoten Älterer in der Europäischen Union aufweist (BfA aaO S. 10 f.; vgl. auch BiB Pressemitteilung Nr. 10/2013). Nach wie vor liegt aber der Anteil der Erwerbstätigen bei den Älteren insbesondere in der Gruppe der Angestellten und Arbeiter deutlich unter dem Durchschnitt jüngerer Angehöriger dieser Gruppe, während Beamte und Selbständige unter den 55- bis unter 65-Jährigen häufiger vertreten sind (BfA aaO S. 12). Insbesondere bleibt die Arbeitsmarktsituation älterer Arbeitnehmer schwierig. Ihre Arbeitslosenquote übertrifft die im Durchschnitt über alle Altersklassen errechnete um 1,4 Prozentpunkte (BfA aaO S. 20). Zwar haben sie im Vergleich zum Durchschnitt über alle Altersgruppen als Folge des in Deutschland bestehenden Bestandsschutzes, der ältere Arbeitnehmer besonders schützt, ein geringeres Risiko, aus einem Arbeitsverhältnis heraus arbeitslos zu werden (vgl. BfA aaO S. 29). Kommt es trotz dieses Bestandsschutzes zu einem Verlust des Arbeitsplatzes, sind ältere Arbeitnehmer schwieriger als Jüngere wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern, weil ihr Alter selbst bei vorhandener Ausbildung nach wie vor ein Vermittlungshemmnis ist (BfA aaO S. 25 f.). 55- bis unter 60-Jährige hatten noch im Jahr 2012 eine nur halb so hohe Chance, ihre Arbeitslosigkeit durch eine Beschäftigungsaufnahme zu beenden, wie sie Arbeitslose im Durchschnitt über alle Altersklassen besaßen, bei den 60- bis unter 65-Jährigen sanken diese Chancen noch deutlich weiter (BfA aaO S. 29). Das bewirkte eine um knapp 55 % längere durchschnittliche Arbeitslosigkeit der 55- bis unter 65-jährigen Arbeitnehmer (BfA aaO S. 30; vgl. auch Statistisches Bundesamt Ältere Menschen in Deutschland und der EU 2011 S. 46).

39

Diese empirischen Daten stützen die Einschätzung des Gesetzgebers, dass ältere Arbeitnehmer nach wie vor längere Zeit als jüngere Arbeitnehmer für die Arbeitsplatzsuche benötigen (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 56, BAGE 140, 169). Ihre steigende Erwerbstätigkeit ist vor allem auf eine Verlängerung der Erwerbsphase im bestehenden Arbeitsverhältnis und nicht auf überproportional häufigere Einstellungen im fortgeschrittenen Alter zurückzuführen (vgl. IAQ Altersübergangs-Report 2014-02 S. 16).

40

(2) Darüber hinaus sind ältere Arbeitnehmer bei der Arbeitsplatzsuche häufig weniger flexibel als jüngere (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 56, BAGE 140, 169; 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 43).

41

(3) Schließlich haben Arbeitnehmer mit längerer Beschäftigungsdauer über einen entsprechend langen Zeitraum Betriebstreue bewiesen. Dies durfte der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung, diesem Personenkreis einen besseren (formellen) Kündigungsschutz zu gewähren, berücksichtigen.

42

(4) Der Gesetzgeber durfte auch das Interesse der Arbeitgeber an personalwirtschaftlicher Flexibilität berücksichtigen und davon ausgehen, dass Arbeitgeber erst nach längerer Beschäftigungsdauer und damit länger erwiesener Betriebstreue längere Kündigungsfristen als zumutbar ansehen. Hätten Arbeitgeber bereits unmittelbar nach Einstellung oder nach wenigen Jahren der Betriebszugehörigkeit lange Kündigungsfristen zu beachten, wäre das ein Einstellungshindernis bzw. würde neu eingestellte Arbeitnehmer in befristete Arbeitsverhältnisse abdrängen.

43

(5) § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB führt nicht zu einer „Überkompensation“ der Schwierigkeiten, die ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor haben. Zwar werden diese Arbeitnehmer auch durch den materiellen gesetzlichen Kündigungsschutz, insbesondere durch die Berücksichtigung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG, im Einklang mit der RL 2000/78/EG aus demselben Grund besonders geschützt(BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 49 ff., BAGE 140, 169). Das Kündigungsschutzgesetz verfolgt jedoch ein gänzlich anderes Schutzkonzept als § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB. Es will das Arbeitsverhältnis in seinem Bestand erhalten und so den Arbeitnehmer gänzlich vor dem mit einem Arbeitsplatzverlust verbundenen Arbeitsplatzwechsel schützen. Kommt es gleichwohl zu einem solchen Verlust oder wird der Arbeitnehmer von diesem Gesetz nicht erfasst, greift der komplementäre Schutz des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB, der dem typischerweise älteren, lange betriebstreuen Arbeitnehmer Gelegenheit geben will, während einer längeren Frist vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus dem noch bestehenden Arbeitsverhältnis heraus einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Die dargestellten empirischen Daten belegen, dass diese Arbeitnehmer nach wie vor gerade bei einer solchen Suche besonders schutzbedürftig sind.

44

(6) Allerdings profitieren von der Verlängerung der Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht nur Arbeitnehmer, die zwischen 55 und 65 Jahre oder jedenfalls mindestens 50 Jahre alt und damit nach herkömmlichem Verständnis „älter“ sind(vgl. unter Bezug auf die Lissabon-Strategie BfA Der Arbeitsmarkt in Deutschland Arbeitsmarktberichterstattung - September 2013 S. 5). Dies wird dadurch verstärkt, dass § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB altersdiskriminierend und deswegen unanwendbar ist(BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - BAGE 135, 278). Eine Nachfolgeregelung gibt es bisher nicht. Insbesondere hat der Gesetzgeber die Erwägung, die ersten Jahre des Arbeitsverhältnisses bei der Ermittlung der Beschäftigungsdauer generell außer Betracht zu lassen (BT-Drs. 17/7489 S. 5; Plenarprotokoll 17/24 S. 2164), nicht umgesetzt. Nicht in Betracht gezogen hat er auch die Möglichkeit, die Verlängerung der Kündigungsfristen ausgehend vom ursprünglichen Regelungskonzept erst in einem typischerweise höheren Lebensalter beginnen zu lassen, indem die erforderliche Mindestdauer der Beschäftigung bis zur ersten Staffelungsstufe deutlich verlängert wird.

45

(a) Die Reduzierung des § 622 Abs. 2 BGB auf die Regelung in Satz 1 bewirkt, dass der Schutz durch formelle Kündigungsschranken schon wesentlich früher einsetzt als ursprünglich vom Gesetzgeber beabsichtigt. Die letzte der sieben Staffelungsstufen wird jetzt nicht mehr mit frühestens 45 Jahren erreicht, sondern kann theoretisch schon mit 35 Jahren erreicht sein, weil auch Zeiten der Berufsausbildung bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer zu berücksichtigen sind (BAG 2. Dezember 1999 - 2 AZR 139/99 -).

46

(b) Gleichwohl ist die Regelung noch angemessen.

47

(aa) Der Gesetzgeber durfte im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative typisierend darauf abstellen, dass die Betriebszugehörigkeit nicht im Regelfall mit 15 Jahren beginnt und im selben Betrieb ununterbrochen fortbesteht, sondern in einer Vielzahl von Fällen Arbeitsverhältnisse - wie auch im vorliegenden Fall - in deutlich höherem Alter neu begründet werden, so dass die gesetzliche Regelung ihre Schutzwirkung typischerweise im höheren Lebensalter entfaltet.

48

(bb) Der Gesetzgeber durfte in seine Wertung auch einbeziehen, dass mit der von ihm gewählten Regelungssystematik die Betriebstreue der begünstigten Arbeitnehmer honoriert wird (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 58, BAGE 140, 169).

49

(cc) Schließlich belastet die vom Gesetzgeber gewählte Gestaltung die kürzer beschäftigten, typischerweise jüngeren Arbeitnehmer nicht zusätzlich. Die Kündigungsfristen für kürzer Beschäftigte werden nicht verkürzt. Sie profitieren nur nicht im selben Umfang von der Verlängerung der Fristen wie länger Beschäftigte (vgl. Wendeling-Schröder NZA 2007, 1399, 1403; Rehm Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters im Kündigungsrecht S. 93).

50

(7) Der Gesetzgeber musste die Kündigungsfristen nicht in Jahresabständen verlängern, sondern durfte Staffelungsstufen vorsehen. Er hat zudem bei der konkreten Ausgestaltung der Staffelung nicht längere Beschäftigungszeiten unangemessen gewichtet, sondern bis zur längst möglichen Kündigungsfrist ein annähernd gleiches proportionales Verhältnis zwischen der Beschäftigungsdauer und der Länge der Kündigungsfrist beibehalten. Dieses beträgt nach zwei Jahren und damit mit Beginn der ersten Stufe der Verlängerung gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB 4,2 % und schwankt in den weiteren Stufen zwischen 2,1 % im letzten Jahr der ersten Stufe und 3,5 % nach zwölf Jahren des Arbeitsverhältnisses. Mit Beginn der siebenten und letzten Stufe beträgt es 2,9 % (vgl. die Aufstellung bei Rehm Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters im Kündigungsrecht S. 94). Danach sinkt es kontinuierlich ab, weil die Kündigungsfrist bei sieben Monaten zum Monatsende eingefroren wird.

51

II. Die Kündigung der Beklagten vom 20. Dezember 2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit der Frist des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB und damit zum 31. Januar 2012 beendet. Die Klägerin wies im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 28. Dezember 2011 eine Beschäftigungsdauer von mehr als zwei, aber weniger als fünf Jahren auf. Zwar ist auch die Zeit der abgebrochenen Ausbildung zu berücksichtigen (vgl. BAG 2. Dezember 1999 - 2 AZR 139/99 -). Selbst unter Einbeziehung dieser Zeit war die Klägerin bei Zugang der Kündigung jedoch erst etwas mehr als viereinhalb Jahre beschäftigt.

52

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Biebl    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Lauth    

        

    Kreis    

                 

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Mai 2013 - 7 Sa 511/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Zeitpunkt, zu dem ihr Arbeitsverhältnis beendet worden ist.

2

Die 1983 geborene Klägerin begann im Juni 2007 bei der Beklagten, die nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, eine Ausbildung. Nach deren Abbruch begründete sie unmittelbar anschließend im Juli 2008 ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Die Beklagte kündigte dieses mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 unter Einhaltung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB ordentlich zum 31. Januar 2012. Die Klägerin begehrt - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der längstmöglichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB, dh. bis zum 31. Juli 2012.

3

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Staffelung der Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB führe zu einer mittelbaren Altersdiskriminierung. Die maßgebliche Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) verfolge in diesem Zusammenhang ausschließlich sozialpolitische Ziele. Den Materialien der Novellierung des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB durch das Gesetz zur Vereinheitlichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten (Kündigungsfristengesetz - KündFG) vom 7. Oktober 1993 (BGBl. I S. 1668) lasse sich kein solcher Rechtfertigungsgrund entnehmen. Zudem sei eine Schutzwürdigkeit älterer Arbeitnehmer, der durch die Staffelung der Kündigungsfristen habe Rechnung getragen werden müssen, nicht erkennbar.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Dezember 2011 nicht zum 31. Januar 2012, sondern erst zum 31. Juli 2012 geendet hat.

5

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die gesetzliche Kündigungsfristenstaffelung sei dadurch gerechtfertigt, dass sich Arbeitnehmer mit längerer Beschäftigungsdauer einen Besitzstand erarbeitet hätten, der ihnen Anspruch auf soziale Absicherung gewähre. Ältere Arbeitnehmer seien schlechter vermittelbar. Die Staffelung der Kündigungsfristen diene deshalb den sozialen Gesichtspunkten, die die RL 2000/78/EG im Visier gehabt habe.

6

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis ist zum 31. Januar 2012 beendet worden.

8

I. Die von der Beschäftigungsdauer abhängige Staffelung der Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB verletzt nicht das in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) normierte Verbot der Altersdiskriminierung, das durch die RL 2000/78/EG konkretisiert wird(zu dieser Konkretisierung BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 17, BAGE 133, 265). Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV bedarf es insoweit nicht. Die entscheidungsrelevanten unionsrechtlichen Fragestellungen sind von diesem geklärt.

9

1. Der Anwendungsbereich des Unionsrechts ist eröffnet. Bei Kündigungsfristen handelt es sich um Entlassungsbedingungen iSd. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c RL 2000/78/EG (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 25 f., Slg. 2010, I-365).

10

2. Die Verlängerung der Kündigungsfristen durch § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB knüpft nicht unmittelbar an das Lebensalter, sondern an die Beschäftigungsdauer und damit die Betriebszugehörigkeit an. Die gesetzliche Regelung ist damit dem Anschein nach hinsichtlich des Merkmals „Alter“ neutral. Die Differenzierung nach der Betriebszugehörigkeit führt jedoch regelmäßig zu einer mittelbaren Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer. Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit sind jedenfalls typischerweise älter als Arbeitnehmer mit kürzerer Betriebszugehörigkeit. Zwar können auch ältere Arbeitnehmer eine nur kurze Betriebszugehörigkeit haben. Eine lange Betriebszugehörigkeit können aber Arbeitnehmer in jungen Jahren noch nicht erlangt haben (BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 52).

11

Angesichts dieser offenkundigen mittelbaren Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter durch das Abstellen auf die Beschäftigungsdauer in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB bedurfte es keiner gesonderten Darlegung der Klägerin zum Nachweis des positiven Tatbestandsmerkmals einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters(zu den entsprechenden Anforderungen BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20 f., BAGE 134, 160; zur Qualifizierung als positives Tatbestandsmerkmal ErfK/Schlachter 14. Aufl. § 3 AGG Rn. 13).

12

3. Das bloße Diskriminierungspotential eines Kriteriums reicht zur Bejahung einer mittelbaren Diskriminierung jedoch nicht aus. Hinzukommen muss, dass sich dieses Potential auch verwirklicht. Das ist nicht der Fall, wenn der in Anspruch Genommene darlegt, dass ein zureichender Sachgrund iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG vorliegt (vgl. Kamanabrou Anm. AP BGB § 626 Nr. 237; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 157, 168; zur Verteilung der Darlegungslast EuGH 17. Juli 2008 - C-303/06 - [Coleman] Rn. 52, Slg. 2008, I-5603; Däubler/Bertzbach/Schrader/Schubert AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 65). Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i RL 2000/78/EG ist damit ein negatives Tatbestandsmerkmal (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 59, Slg. 2009, I-1569; vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 42).

13

4. Nach allgemeiner Ansicht bewirkt die Staffelung der Kündigungsfristen aufgrund der Dauer der Beschäftigung in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB keine mittelbare Altersdiskriminierung.

14

a) Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts ist bei der Umsetzung der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Januar 2010 (- C-555/07 - [Kücükdeveci] Slg. 2010, I-365) von der Wirksamkeit des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgegangen. Er hat lediglich § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB für unanwendbar gehalten und angenommen, dies führe zur ausschließlichen Anwendung von § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB(BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 21, BAGE 135, 278).

15

b) Das Schrifttum ist dem weit überwiegend gefolgt.

16

aa) Die herrschende Meinung im Schrifttum geht ohne nähere Begründung von der Wirksamkeit des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB aus(KR/Spilger 10. Aufl. § 622 BGB Rn. 54; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 622 BGB Rn. 9; APS/Linck 4. Aufl. § 622 BGB Rn. 52; Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 126 Rn. 19; Stahlhacke/Preis 10. Aufl. Rn. 425; Eylert Der Personalrat 2007, 92, 93 [für § 34 TVöD]).

17

bb) Einige Stimmen im Schrifttum nehmen an, der Gesetzgeber könne das höhere Kündigungsrisiko und die schlechteren Chancen auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt älterer Menschen durch längere Kündigungsfristen als positive Maßnahme iSd. § 5 AGG ausgleichen(vgl. Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz 2. Aufl. Rn. 450; Däubler/Bertzbach/Hinrichs/Zimmer AGG 3. Aufl. § 5 Rn. 58).

18

cc) Andere halten § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a RL 2000/78/EG bzw. § 10 AGG für gerechtfertigt, weil die Verlängerung der Kündigungsfristen es dem Arbeitnehmer erleichtern solle, eine Beschäftigung zu finden und seinen Lebensstandard zu halten(Groß Die Rechtfertigung einer Altersdiskriminierung auf der Grundlage der Richtlinie 2000/78/EG S. 139 ff.; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 29a; Willemsen/Schweibert NJW 2006, 2583, 2586; Temming Altersdiskriminierung im Arbeitsleben S. 137, 517).

19

dd) Schließlich nimmt ein Teil des Schrifttums an, § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB sei wegen der steigenden Schutzbedürftigkeit älterer Arbeitnehmer(Rehm Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters im Kündigungsrecht S. 88 ff.; Wendeling-Schröder NZA 2007, 1399, 1403 f.; Zimmermann/Lingscheid jurisPR-ArbR 5/2014 Anm. 1), die zu einer längeren Arbeitsplatzsuche führe (Löwisch FS Schwerdtner 2003 S. 769, 771), bzw. wegen der mit der Verlängerung der Kündigungsfristen verbundenen Belohnung der Betriebstreue (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 27; Kamanabrou RdA 2007, 199, 206) mit den Vorgaben des Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG vereinbar.

20

ee) Nur vereinzelt wird angenommen, die Staffelung der Kündigungsfristen aufgrund einer längeren Beschäftigungsdauer sei nicht gerechtfertigt (Kaiser FS Konzen 2006 S. 381, 385 ff., 409 f.).

21

5. Die Staffelung der Kündigungsfristen durch § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB verfolgt das Ziel, länger beschäftigten und damit betriebstreuen, typischerweise älteren Arbeitnehmern durch längere Kündigungsfristen einen verbesserten Kündigungsschutz zu gewähren. Zur Erreichung dieses rechtmäßigen Ziels ist die Verlängerung auch in ihrer konkreten Staffelung angemessen und erforderlich iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i RL 2000/78/EG. Darauf verweist die Beklagte zu Recht. Damit entfällt bereits der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters, so dass es auf eine Rechtfertigung nach Art. 6 oder Art. 7 RL 2000/78/EG nicht ankommt(vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 66, Slg. 2009, I-1569; ErfK/Schlachter 14. Aufl. § 3 AGG Rn. 13; BT-Drs. 16/1780 S. 33).

22

a) Differenzierungsziel des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB ist es, den Schutz von länger beschäftigten und damit betriebstreuen, typischerweise älteren Arbeitnehmern bei Kündigungen zu verbessern. Sie sollen einen - wenn auch zeitlich begrenzten - formellen Kündigungsschutz erlangen (vgl. Staudinger/Preis (2012) § 622 Rn. 9). Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm mit hinreichender Sicherheit, so dass auf weitere Auslegungskriterien nicht zurückgegriffen werden muss. Dieses Ziel ist rechtmäßig.

23

aa) Welches Ziel iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i RL 2000/78/EG ein Gesetz verfolgt, ergibt sich aus dem Gesetzeszweck. Ob der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung erfüllt ist, bestimmt sich danach, ob die mittelbare Benachteiligung von Trägern verpönter Merkmale aus dem gesetzlich angeordneten Differenzierungskriterium und dieses wiederum aus dem Differenzierungsziel begründet werden kann (vgl. für Art. 3 Abs. 1 GG Gusy NJW 1988, 2505, 2507 f.). Dabei ist entgegen der Auffassung der Klägerin für Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG - anders als für eine Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie(dazu EuGH st. Rspr. seit 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, 52, Slg. 2009, I-1569) - kein sozialpolitisches Ziel erforderlich. Rechtmäßige Ziele iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG können vielmehr alle von der Rechtsordnung anerkannten Gründe sein, die nicht ihrerseits diskriminierend sind (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 59 ff., aaO; BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 42).

24

bb) Der Gesetzeszweck ist dem in der Norm zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist, zu entnehmen. Dafür sind die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung anzuwenden. Dabei können gerade die systematische Stellung einer Vorschrift im Gesetz und ihr sachlich-logischer Zusammenhang mit anderen Vorschriften diesen Sinn und Zweck freilegen (vgl. BVerfG 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2 BvR 2155/11 - Rn. 66, BVerfGE 133, 168; 10. Juni 2009 - 1 BvR 825/08, 1 BvR 1 BvR 831/08 - Rn. 48, BVerfGE 124, 25).

25

cc) Für die Ermittlung des Gesetzeszwecks ist entgegen der Annahme der Klägerin nicht allein auf die Materialien des Kündigungsfristengesetzes abzustellen. Mit diesem Gesetz wollte der Gesetzgeber lediglich den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfG 16. November 1982 - 1 BvL 16/75, 1 BvL 36/79 - BVerfGE 62, 256; 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 - BVerfGE 82, 126) zur erforderlichen Einheitlichkeit der Kündigungsfristen der Arbeiter und Angestellten nachkommen. Er hat dabei an der für Angestellte seit den 20er Jahren, für Arbeiter seit Ende der 60er Jahre geltenden Regelungssystematik, wonach sich die Kündigungsfrist abhängig von der Beschäftigungsdauer verlängert, festgehalten. Maßgeblich sind daher die Ziele, die er mit dieser Systematik verfolgt.

26

(1) Das Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9. Juli 1926 (RGBl. I S. 399) sah in Betrieben mit mehr als zwei Angestellten in § 2 Abs. 1 Satz 2 nach einer Beschäftigungsdauer von acht, zehn und zwölf Jahren Verlängerungen der Kündigungsfrist vor. Damit sollte der Schutz älterer Angestellter, die der Gesetzgeber als von der explodierenden Arbeitslosigkeit während der Wirtschaftskrise als besonders hart betroffen ansah, verbessert werden. Er hielt die Aufgabe des Grundsatzes gleicher Kündigungsfristen für Arbeitgeber und Angestellte im Hinblick auf die aktuelle Notlage für notwendig, weil ältere Arbeitnehmer von Arbeitslosigkeit härter als jüngere getroffen würden. Ihnen falle ein Berufs- oder Wohnortwechsel besonders schwer (RT-Drs. 1924/26 Bd. 409 Nr. 2534 S. 2).

27

(2) Eine im Detail anders ausgestaltete, im Grundsatz aber vergleichbare Regelung wurde für Arbeiter durch das Gesetz zur Änderung des Kündigungsrechtes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Erstes Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz) vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1106) eingeführt. Die im Gesetzentwurf (BT-Drs. V/3913 S. 3 f.) für Arbeiter mit längerer Beschäftigungsdauer zunächst vorgesehenen Kündigungsfristen wurden im Gesetzgebungsverfahren deutlich ausgeweitet (siehe die Gegenüberstellung in BT-Drs. V/4376 S. 10 f.). Dies sei wegen der in jüngster Zeit geführten Debatten über die Schutzbedürftigkeit älterer Arbeitnehmer sozialpolitisch notwendig, aber auch wirtschaftlich vertretbar (BT-Drs. V/4376 S. 3). In der Folgezeit wies die Bundesregierung darauf hin, verlängerte Kündigungsfristen trügen der Notwendigkeit verstärkter Sicherung des Arbeitsplatzes älterer Arbeitnehmer Rechnung (Antwort vom 26. September 1969 auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion BT-Drs. V/4651 S. 3 f.). Ältere Arbeitnehmer würden vor plötzlicher Arbeitslosigkeit geschützt und erhielten die Möglichkeit, sich noch während der Kündigungsfrist eine neue Arbeitsstelle zu suchen (vgl. die Antwort der Bundesregierung vom 14. August 1974 auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten der SPD-und FDP-Fraktionen BT-Drs. 7/2484 S. 7).

28

(3) Im Gesetzgebungsverfahren des Kündigungsfristengesetzes im Jahr 1993 stand zwar das vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Ziel, die Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten zu vereinheitlichen, im Vordergrund. Gleichwohl ließ der Gesetzgeber erkennen, dass er - wenn auch mit veränderten Staffelungen und Kündigungsterminen - aus den bisherigen Gründen und auf der Basis der bisherigen Grundannahmen an einer Verlängerung der Kündigungsfristen für länger beschäftigte Arbeitnehmer festhalten wolle. Dies kam schon im Gesetzentwurf vom 11. Mai 1993 (BT-Drs. 12/4902 S. 7), auf den sich die Klägerin bezieht, zum Ausdruck. Darin wird angenommen, dass mit der Vereinheitlichung der Kündigungsfristen der Arbeiter und Angestellten auf mittlerem Niveau und einer stärkeren Staffelung der Fristen sowohl die Schutzbedürfnisse beider Arbeitnehmergruppen als auch das Interesse der Arbeitgeber an möglichst großer Flexibilität ausgewogen berücksichtigt würden. Noch deutlicher wurde dieser Wille des Gesetzgebers im weiteren Gesetzgebungsverfahren. Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 22. Juni 1993 (BT-Drs. 12/5228 S. 6) sowie in der Debatte der Gesetzesänderung im Bundestag am 23. Juni 1993 (Plenarprotokoll 12/165 S. 14220) wurde auf die existentielle Bedeutung des Arbeitsplatzes und seines Schutzes durch ausreichende Kündigungsfristen verwiesen. Der Gesetzgeber sah dabei bewusst davon ab, unterschiedlich lange Kündigungsfristen nach Berufsgruppen bzw. Qualifikationsstufen zu schaffen. Branchenspezifische Lösungen sollten den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben (vgl. BT-Drs. 12/5228 S. 6; Staudinger/Preis (2012) § 622 Rn. 3).

29

(4) Auch im Rahmen der gescheiterten Bemühungen, § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB als Reaktion auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Januar 2010 (- C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 25 f., Slg. 2010, I-365) zu streichen, wurde der Wille deutlich, das Prinzip, die Dauer der Kündigungsfrist an die Beschäftigungsdauer zu koppeln, unangetastet zu lassen, weil es sich bewährt habe (BT-Drs. 17/775 S. 3).

30

dd) Der verstärkte (formelle) Kündigungsschutz von länger beschäftigten Arbeitnehmern unter Ausgleich der divergierenden, rechtmäßigen Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern an (formellem) Bestandsschutz auf der einen und personalwirtschaftlicher Flexibilität auf der anderen Seite ist entgegen der Ansicht der Klägerin unzweifelhaft ein beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitisches Ziel (vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 68, Slg. 2010, I-9391; 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 35 f., Slg. 2010, I-365; Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 7. Juli 2009 - C-555/07 - Rn. 38, 43). Ein solches Differenzierungsziel, das sogar als Rechtfertigungsgrund iSd. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG in Betracht käme, ist rechtmäßig iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG.

31

b) Das zur Erreichung des Differenzierungsziels gewählte Differenzierungskriterium einer von der Beschäftigungsdauer abhängigen Staffelung der Kündigungsfristen ist geeignet, erforderlich und angemessen.

32

aa) Dieses Kriterium ist geeignet, zeitlich begrenzten Kündigungsschutz als Differenzierungsziel zu gewähren. Verlängerte Kündigungsfristen für länger beschäftigte und damit typischerweise ältere Arbeitnehmer führen zu einem beschränkten Kündigungsschutz, indem sie formelle Kündigungsschranken aufbauen (vgl. BAG 18. April 1985 - 2 AZR 197/84 - zu II 1 a der Gründe: zeitlicher Bestandsschutz; Preis Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen S. 13; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 622 BGB Rn. 2). Die formellen Kündigungsschranken schützen zwar das konkrete Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht in seinem Bestand (Preis Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen S. 13). Sie geben dem Arbeitnehmer aber jedenfalls länger Gelegenheit, einen neuen Arbeitsplatz zu finden (vgl. BVerfG 16. November 1982 - 1 BvL 16/75, 1 BvL 36/79 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 62, 256; Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 7. Juli 2009 - C-555/07 - Rn. 43). Das erhöht zugleich seine Chance, ein neues Arbeitsverhältnis mit vergleichbarem Verdienst und Arbeitsbedingungen zu begründen und so seinen Lebensstandard zu wahren (BVerfG 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 - zu C I 3 der Gründe, BVerfGE 82,126).

33

bb) Dem Gesetzgeber kommt bei der Beurteilung, ob das gewählte Differenzierungskriterium erforderlich zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels ist, ein weiter Wertungs- und Ermessensspielraum zu. Ob er diesen Spielraum überschritten hat, haben die nationalen Gerichte festzustellen (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 41, 51 f., Slg. 2009, I-1569). Ein milderes, ebenso geeignetes Mittel ist nicht erkennbar.

34

(1) Die Entscheidung, Kündigungsfristen nicht nach Branchen oder abhängig von der Qualifikation zu staffeln, ist vom Ermessensspielraum des Gesetzgebers gedeckt. Mit § 622 Abs. 4 Satz 1 BGB hat er den Tarifvertragsparteien bzw. mit Satz 2 dieser Bestimmung den Arbeitsvertragsparteien unter den darin genannten Umständen die Möglichkeit gegeben, branchenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. An die Qualifikation musste er die Kündigungsfristen schon deshalb nicht binden, weil die Anforderungen des Arbeitsmarktes und damit der Wert von Qualifikationen ständig wechseln.

35

(2) Arbeitsförderungsmaßnahmen zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer wie zB der Eingliederungszuschuss nach § 131 SGB III sind ausgehend vom Differenzierungsziel des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB keine milderen Mittel. Das Konzept des Gesetzgebers ist darauf gerichtet, vorrangig dem von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist selbst Gelegenheit zur Suche eines neuen, geeigneten Arbeitsplatzes zu geben. Erst wenn diese erfolglos geblieben ist, setzt nachgelagert die besondere Förderung älterer Arbeitsloser ein.

36

(3) Weil die in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB eingeräumten Kündigungsfristen den von Arbeitslosigkeit Bedrohten ausreichend Zeit geben sollen, sich selbst um eine neue Arbeitsstelle zu bemühen, ist auch die in § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB III genannte Meldefrist von drei Monaten kein Maßstab für die Bemessung der Dauer der Kündigungsfristen. Mit § 38 Abs. 1 SGB III sowie der Sanktion in § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 iVm. § 159 Abs. 6 SGB III hat der Gesetzgeber in einem gänzlich anderen Regelungszusammenhang einen verfassungskonformen Ausgleich zwischen den verfassungsmäßigen Rechten des Versicherten und dem gesetzgeberischen Ziel, Arbeitslosigkeit zu vermeiden bzw. zu verkürzen, gefunden (vgl. BSG 28. August 2007 - B 7/7a AL 56/06 R - Rn. 20 ff. für die Vorgängervorschrift des § 37b SGB III; Böttiger in Eicher/Schlegel SGB III nF Stand Februar 2013 § 38 Rn. 62; Rademacker in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Januar 2014 K § 38 Rn. 54 f.).

37

cc) Schließlich ist die an die Dauer der Beschäftigung geknüpfte Verlängerung der Kündigungsfristen auch angemessen iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i RL 2000/78/EG, dh. verhältnismäßig im engeren Sinn (vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 524/09 - Rn. 27; Däubler/Bertzbach/Schrader/Schubert AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 60). Bei der gebotenen Abwägung der Schwere der mittelbaren Benachteiligung Jüngerer mit Gewicht und Dringlichkeit der dafür vom Gesetzgeber gesehenen Gründe ist die Grenze der Zumutbarkeit für die nachteilig betroffenen jüngeren Arbeitnehmer deutlich gewahrt.

38

(1) Welche Chancen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt besitzen, kann der Gesetzgeber nur typisierend und nicht individuell einschätzen. Seine ua. der Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB zugrundeliegende Annahme, dass mit steigendem Lebensalter die Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt sinken, trifft empirisch nach wie vor zu. Zwar steigt die Erwerbstätigenquote älterer Arbeitnehmer, dh. der Anteil der erwerbstätigen Personen einer Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung in dieser Altersgruppe (BfA Der Arbeitsmarkt in Deutschland Arbeitsmarktberichterstattung - September 2013 S. 9 Fn. 9), seit einigen Jahren an. Dabei fällt der Anstieg kräftiger aus als der im Durchschnitt über alle Altersklassen, so dass Deutschland inzwischen eine der höchsten Erwerbstätigenquoten Älterer in der Europäischen Union aufweist (BfA aaO S. 10 f.; vgl. auch BiB Pressemitteilung Nr. 10/2013). Nach wie vor liegt aber der Anteil der Erwerbstätigen bei den Älteren insbesondere in der Gruppe der Angestellten und Arbeiter deutlich unter dem Durchschnitt jüngerer Angehöriger dieser Gruppe, während Beamte und Selbständige unter den 55- bis unter 65-Jährigen häufiger vertreten sind (BfA aaO S. 12). Insbesondere bleibt die Arbeitsmarktsituation älterer Arbeitnehmer schwierig. Ihre Arbeitslosenquote übertrifft die im Durchschnitt über alle Altersklassen errechnete um 1,4 Prozentpunkte (BfA aaO S. 20). Zwar haben sie im Vergleich zum Durchschnitt über alle Altersgruppen als Folge des in Deutschland bestehenden Bestandsschutzes, der ältere Arbeitnehmer besonders schützt, ein geringeres Risiko, aus einem Arbeitsverhältnis heraus arbeitslos zu werden (vgl. BfA aaO S. 29). Kommt es trotz dieses Bestandsschutzes zu einem Verlust des Arbeitsplatzes, sind ältere Arbeitnehmer schwieriger als Jüngere wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern, weil ihr Alter selbst bei vorhandener Ausbildung nach wie vor ein Vermittlungshemmnis ist (BfA aaO S. 25 f.). 55- bis unter 60-Jährige hatten noch im Jahr 2012 eine nur halb so hohe Chance, ihre Arbeitslosigkeit durch eine Beschäftigungsaufnahme zu beenden, wie sie Arbeitslose im Durchschnitt über alle Altersklassen besaßen, bei den 60- bis unter 65-Jährigen sanken diese Chancen noch deutlich weiter (BfA aaO S. 29). Das bewirkte eine um knapp 55 % längere durchschnittliche Arbeitslosigkeit der 55- bis unter 65-jährigen Arbeitnehmer (BfA aaO S. 30; vgl. auch Statistisches Bundesamt Ältere Menschen in Deutschland und der EU 2011 S. 46).

39

Diese empirischen Daten stützen die Einschätzung des Gesetzgebers, dass ältere Arbeitnehmer nach wie vor längere Zeit als jüngere Arbeitnehmer für die Arbeitsplatzsuche benötigen (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 56, BAGE 140, 169). Ihre steigende Erwerbstätigkeit ist vor allem auf eine Verlängerung der Erwerbsphase im bestehenden Arbeitsverhältnis und nicht auf überproportional häufigere Einstellungen im fortgeschrittenen Alter zurückzuführen (vgl. IAQ Altersübergangs-Report 2014-02 S. 16).

40

(2) Darüber hinaus sind ältere Arbeitnehmer bei der Arbeitsplatzsuche häufig weniger flexibel als jüngere (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 56, BAGE 140, 169; 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 43).

41

(3) Schließlich haben Arbeitnehmer mit längerer Beschäftigungsdauer über einen entsprechend langen Zeitraum Betriebstreue bewiesen. Dies durfte der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung, diesem Personenkreis einen besseren (formellen) Kündigungsschutz zu gewähren, berücksichtigen.

42

(4) Der Gesetzgeber durfte auch das Interesse der Arbeitgeber an personalwirtschaftlicher Flexibilität berücksichtigen und davon ausgehen, dass Arbeitgeber erst nach längerer Beschäftigungsdauer und damit länger erwiesener Betriebstreue längere Kündigungsfristen als zumutbar ansehen. Hätten Arbeitgeber bereits unmittelbar nach Einstellung oder nach wenigen Jahren der Betriebszugehörigkeit lange Kündigungsfristen zu beachten, wäre das ein Einstellungshindernis bzw. würde neu eingestellte Arbeitnehmer in befristete Arbeitsverhältnisse abdrängen.

43

(5) § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB führt nicht zu einer „Überkompensation“ der Schwierigkeiten, die ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor haben. Zwar werden diese Arbeitnehmer auch durch den materiellen gesetzlichen Kündigungsschutz, insbesondere durch die Berücksichtigung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG, im Einklang mit der RL 2000/78/EG aus demselben Grund besonders geschützt(BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 49 ff., BAGE 140, 169). Das Kündigungsschutzgesetz verfolgt jedoch ein gänzlich anderes Schutzkonzept als § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB. Es will das Arbeitsverhältnis in seinem Bestand erhalten und so den Arbeitnehmer gänzlich vor dem mit einem Arbeitsplatzverlust verbundenen Arbeitsplatzwechsel schützen. Kommt es gleichwohl zu einem solchen Verlust oder wird der Arbeitnehmer von diesem Gesetz nicht erfasst, greift der komplementäre Schutz des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB, der dem typischerweise älteren, lange betriebstreuen Arbeitnehmer Gelegenheit geben will, während einer längeren Frist vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus dem noch bestehenden Arbeitsverhältnis heraus einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Die dargestellten empirischen Daten belegen, dass diese Arbeitnehmer nach wie vor gerade bei einer solchen Suche besonders schutzbedürftig sind.

44

(6) Allerdings profitieren von der Verlängerung der Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht nur Arbeitnehmer, die zwischen 55 und 65 Jahre oder jedenfalls mindestens 50 Jahre alt und damit nach herkömmlichem Verständnis „älter“ sind(vgl. unter Bezug auf die Lissabon-Strategie BfA Der Arbeitsmarkt in Deutschland Arbeitsmarktberichterstattung - September 2013 S. 5). Dies wird dadurch verstärkt, dass § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB altersdiskriminierend und deswegen unanwendbar ist(BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - BAGE 135, 278). Eine Nachfolgeregelung gibt es bisher nicht. Insbesondere hat der Gesetzgeber die Erwägung, die ersten Jahre des Arbeitsverhältnisses bei der Ermittlung der Beschäftigungsdauer generell außer Betracht zu lassen (BT-Drs. 17/7489 S. 5; Plenarprotokoll 17/24 S. 2164), nicht umgesetzt. Nicht in Betracht gezogen hat er auch die Möglichkeit, die Verlängerung der Kündigungsfristen ausgehend vom ursprünglichen Regelungskonzept erst in einem typischerweise höheren Lebensalter beginnen zu lassen, indem die erforderliche Mindestdauer der Beschäftigung bis zur ersten Staffelungsstufe deutlich verlängert wird.

45

(a) Die Reduzierung des § 622 Abs. 2 BGB auf die Regelung in Satz 1 bewirkt, dass der Schutz durch formelle Kündigungsschranken schon wesentlich früher einsetzt als ursprünglich vom Gesetzgeber beabsichtigt. Die letzte der sieben Staffelungsstufen wird jetzt nicht mehr mit frühestens 45 Jahren erreicht, sondern kann theoretisch schon mit 35 Jahren erreicht sein, weil auch Zeiten der Berufsausbildung bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer zu berücksichtigen sind (BAG 2. Dezember 1999 - 2 AZR 139/99 -).

46

(b) Gleichwohl ist die Regelung noch angemessen.

47

(aa) Der Gesetzgeber durfte im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative typisierend darauf abstellen, dass die Betriebszugehörigkeit nicht im Regelfall mit 15 Jahren beginnt und im selben Betrieb ununterbrochen fortbesteht, sondern in einer Vielzahl von Fällen Arbeitsverhältnisse - wie auch im vorliegenden Fall - in deutlich höherem Alter neu begründet werden, so dass die gesetzliche Regelung ihre Schutzwirkung typischerweise im höheren Lebensalter entfaltet.

48

(bb) Der Gesetzgeber durfte in seine Wertung auch einbeziehen, dass mit der von ihm gewählten Regelungssystematik die Betriebstreue der begünstigten Arbeitnehmer honoriert wird (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 58, BAGE 140, 169).

49

(cc) Schließlich belastet die vom Gesetzgeber gewählte Gestaltung die kürzer beschäftigten, typischerweise jüngeren Arbeitnehmer nicht zusätzlich. Die Kündigungsfristen für kürzer Beschäftigte werden nicht verkürzt. Sie profitieren nur nicht im selben Umfang von der Verlängerung der Fristen wie länger Beschäftigte (vgl. Wendeling-Schröder NZA 2007, 1399, 1403; Rehm Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters im Kündigungsrecht S. 93).

50

(7) Der Gesetzgeber musste die Kündigungsfristen nicht in Jahresabständen verlängern, sondern durfte Staffelungsstufen vorsehen. Er hat zudem bei der konkreten Ausgestaltung der Staffelung nicht längere Beschäftigungszeiten unangemessen gewichtet, sondern bis zur längst möglichen Kündigungsfrist ein annähernd gleiches proportionales Verhältnis zwischen der Beschäftigungsdauer und der Länge der Kündigungsfrist beibehalten. Dieses beträgt nach zwei Jahren und damit mit Beginn der ersten Stufe der Verlängerung gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB 4,2 % und schwankt in den weiteren Stufen zwischen 2,1 % im letzten Jahr der ersten Stufe und 3,5 % nach zwölf Jahren des Arbeitsverhältnisses. Mit Beginn der siebenten und letzten Stufe beträgt es 2,9 % (vgl. die Aufstellung bei Rehm Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters im Kündigungsrecht S. 94). Danach sinkt es kontinuierlich ab, weil die Kündigungsfrist bei sieben Monaten zum Monatsende eingefroren wird.

51

II. Die Kündigung der Beklagten vom 20. Dezember 2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit der Frist des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB und damit zum 31. Januar 2012 beendet. Die Klägerin wies im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 28. Dezember 2011 eine Beschäftigungsdauer von mehr als zwei, aber weniger als fünf Jahren auf. Zwar ist auch die Zeit der abgebrochenen Ausbildung zu berücksichtigen (vgl. BAG 2. Dezember 1999 - 2 AZR 139/99 -). Selbst unter Einbeziehung dieser Zeit war die Klägerin bei Zugang der Kündigung jedoch erst etwas mehr als viereinhalb Jahre beschäftigt.

52

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Biebl    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Lauth    

        

    Kreis    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 29. Januar 2015 - 8 Sa 435/14 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine höhere Sozialplanabfindung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten als Warensetzer am Standort H beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war die Geltung des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer/innen in den sächsischen Betrieben des Groß- und Außenhandels vereinbart. Nach dessen § 9 waren ua. für Sonntags- und Nachtarbeit Zuschläge zu zahlen. Darüber hinaus erhielt der Kläger einen „Leistungslohn“ nach den Bestimmungen einer im Januar 2004 geschlossenen und zum 31. Dezember 2004 ohne Nachwirkung außer Kraft getretenen Betriebsvereinbarung. Für dessen Höhe war die Anzahl der monatlich über eine bestimmte Soll-Leistung hinaus gesammelten Verkaufseinheiten („Colli“) maßgebend.

3

Im Oktober 2013 vereinbarten die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat einen Sozialplan (GBV SP). Nach § 3 GBV SP werden Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes nach den Regelungen des von der Beklagten mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) am 15. März 2010 abgeschlossenen Sozialtarifvertrags (S-TV) in Abhängigkeit vom Bruttomonatsentgelt sowie der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers gewährt. Abweichend vom Sozialtarifvertrag regelt die GBV SP den Faktor der Abfindung mit 1,1 und sieht einen Kinderzuschlag vor. Nach § 3.1 GBV SP iVm. Ziff. II § 1 Nr. 5 S-TV bestimmt sich das abfindungsrelevante Bruttomonatsentgelt wie folgt:

        

„Als Bruttomonatsentgelt gilt das im Monat des Ausscheidens bezogene Bruttomonatsentgelt ohne individuelle Zulagen, ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie ohne Überstundenvergütung und vermögenswirksame Leistungen. …“

4

Der Kläger schied aufgrund der beabsichtigten Schließung des Standorts auf der Grundlage eines Aufhebungsvertrags zum 31. Dezember 2013 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Die Beklagte legte für die Berechnung der Sozialplanabfindung das vom Kläger im Dezember 2013 bezogene Tarifentgelt sowie eine in der Höhe feste monatliche Besitzstandszahlung zugrunde. Unberücksichtigt ließ sie den „Leistungslohn“ sowie die angefallenen Sonntags- und Nachtzuschläge.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der bezogene „Leistungslohn“ sowie die Sonntags- und Nachtzuschläge seien Bestandteile des abfindungsrelevanten Bruttomonatsentgelts. Es handele sich nicht um „individuelle Zulagen“ iSd. Sozialtarifvertrags.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 3.553,61 Euro als Sozialplanabfindung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2014 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf eine höhere Abfindung nach der GBV SP. Bei den geltend gemachten Entgeltbestandteilen handelt es sich um „individuelle Zulagen“ iSd. § 3 GBV SP iVm. Ziff. II § 1 Nr. 5 Satz 1 S-TV. Diese sind bei der Berechnung der Abfindung nicht zu berücksichtigen.

10

1. Nach § 3.1 GBV SP ist für die Berechnung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes das Bruttomonatsentgelt gemäß Ziff. II § 1 Nr. 5 S-TV zugrunde zu legen. Mittels einer solchen Regelungstechnik haben die Betriebsparteien diese Bestimmung des Sozialtarifvertrags zum Inhalt der GBV SP gemacht.

11

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen eigener Art wegen ihrer normativen Wirkungen (§ 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) wie Tarifverträge auszulegen. Ausgehend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Darüber hinaus sind Sinn und Zweck der Regelung von besonderer Bedeutung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG 17. November 2015 - 1 AZR 881/13 - Rn. 13 mwN).

12

Dieser Auslegungsgrundsatz gilt auch, wenn die Betriebsparteien tarifliche Regelungen in eine Betriebsvereinbarung einbeziehen. Deshalb kommt es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht auf die Auslegung des Sozialtarifvertrags unter Heranziehung des Sprachgebrauchs in davon unabhängigen Mantel- und Entgelttarifverträgen an, die auf Arbeitgeberseite von anderen Vertragsparteien geschlossen wurden. Damit hat das Landesarbeitsgericht zum einen rechtsfehlerhaft eine tarifvertragsübergreifende Auslegung vorgenommen (vgl. BAG 28. Januar 2009 - 4 ABR 92/07 - Rn. 41 mwN, BAGE 129, 238) und zum anderen nicht auf den Willen der Betriebsparteien abgestellt.

13

3. Nach den genannten Grundsätzen handelt es sich bei dem „Leistungslohn“ sowie den Zuschlägen für Nacht- und Sonntagsarbeit um „individuelle Zulagen“, die nach § 3.1 GBV SP iVm. Ziff. II § 1 Nr. 5 Satz 1 S-TV nicht Teil des abfindungsrelevanten Bruttomonatsentgelts sind.

14

a) Dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob die fraglichen Entgeltbestandteile „individuelle Zulagen“ in deren Sinne sind. „Individuell“ kann sich - wie der Kläger annimmt - auf eine individuelle vertragliche Abrede als Rechtsgrund für die Leistung oder auf die besonderen Verhältnisse in der Person des betreffenden Arbeitnehmers oder dessen Arbeitssituation beziehen. Der Begriff „Zulage“ hat auch ebenso wenig wie der eines „Zuschlags“ einen feststehenden Inhalt. Er deutet aber darauf hin, dass es sich um einen Entgeltbestandteil handelt, der zusätzlich neben einem monatlichen Grundentgelt geleistet wird.

15

b) Die Systematik der GBV SP erlaubt ebenfalls keine unmissverständliche Feststellung, welche Bedeutung dem Begriff zukommen soll. Erkennbar ist allerdings das Anliegen der Betriebsparteien. Bei den nicht berücksichtigungsfähigen Entgeltbestandteilen unterscheiden sie zwischen solchen, die - wie die vermögenswirksamen Leistungen - zweckgebunden sind und anderen wie den „individuellen Zulagen“, aber auch Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine Überstundenvergütung. Weiterhin bestimmt sich der zeitliche Bezugspunkt zur Berechnung der Abfindung nicht nach einem längeren Referenzzeitraum, sondern nur nach der Entgeltzahlung im Monat des Ausscheidens. Das lässt bereits auf den Willen der Betriebsparteien schließen, mögliche Entgeltschwankungen und zweckgebundene Leistungen des Arbeitgebers nicht in die Abfindungsberechnung einfließen zu lassen.

16

c) Vor allem Sinn und Zweck der Sozialplanregelungen sprechen dafür, unter „individuellen Zulagen“ solche Entgeltbestandteile zu verstehen, die monatlich nicht in gleichbleibender Höhe oder in gleichbleibendem Umfang anfallen, weil sie von der jeweiligen Lage der Arbeitszeit, der Qualität oder Quantität der individuellen Arbeitsleistung oder vom Eintreten einmaliger Ereignisse abhängig sind.

17

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats haben Sozialpläne eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Geldleistungen in Form einer Abfindung sind kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste. Vielmehr sollen sie die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Nachteile eines Arbeitsplatzverlustes infolge einer Betriebsänderung ausgleichen oder zumindest abmildern (BAG 8. Dezember 2015 - 1 AZR 595/14 - Rn. 17, BAGE 153, 333). Dieser wirtschaftliche Nachteil wird maßgeblich bestimmt durch die in dem bisherigen Arbeitsverhältnis bezogene Vergütung. Das rechtfertigt es, diese zur Bezugsgröße für die in dem Sozialplan vorgesehenen Überbrückungsleistungen zu machen (BAG 22. September 2009 - 1 AZR 316/08 - Rn. 16, BAGE 132, 132). Dabei haben die Betriebsparteien einen erheblichen Gestaltungsspielraum, ob und inwieweit sie bei der Höhe von Sozialplanabfindungen in der Vergangenheit liegende Schwankungen der monatlichen Vergütung berücksichtigen. Sie können beispielsweise bestimmen, dass sich die Abfindungshöhe nach einer zuletzt bezogenen Bruttomonatsvergütung richtet und hiervon bestimmte Entgeltbestandteile ausnehmen oder, dass der Durchschnitt des in einem Referenzzeitraum erzielten monatlichen Arbeitseinkommens maßgebend sein soll. Solche Berechnungsvarianten bezwecken, den Ausgleich oder die Abmilderung der zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile eines Arbeitsplatzverlustes nicht an den Zufälligkeiten des jeweiligen Entgeltbezugs auszurichten.

18

bb) Einem solchen Zweck dient auch die nach § 3.1 GBV SP iVm. Ziff. II § 1 Nr. 5 Satz 1 S-TV geregelte Berechnung des zugrunde zu legenden Bruttomonatsentgelts. Diese will ersichtlich Verdienstschwankungen unberücksichtigt lassen, die ihre Ursache in den Gegebenheiten der dem Abrechnungsmonat zugrunde liegenden individuellen Arbeitsleistung oder der Fälligkeit von besonderen Vergütungsbestandteilen (Weihnachts- und Urlaubsgeld) haben und damit aus Sicht der Betriebsparteien zur typisierenden Bemessung der zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile nicht geeignet sind.

19

cc) Danach handelt es sich bei dem „Leistungslohn“ sowie den Nacht- und Sonntagszuschlägen um „individuelle Zulagen“ iSd. GBV SP. Der dem Kläger gezahlte „Leistungslohn“ berechnete sich nach der Anzahl der über eine festgelegte Soll-Leistung pro Arbeitsstunde hinaus gesammelten „Colli“ (Verpackungseinheiten). Die Höhe der Sonntags- und Nachtarbeitszuschläge beruhte nach dem in Bezug genommenen Manteltarifvertrag auf den jeweils geleisteten Stunden zu diesen Zeiten und war damit abhängig von der monatlich unterschiedlichen Lage der persönlichen Arbeitszeit des Klägers.

        

    Schmidt    

        

    Treber    

        

    Heinkel    

        

        

        

    Fasbender    

        

    Klebe    

                 

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 14. März 2012 - 8 Sa 783/11 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, wie ein für die Bemessung der dem Kläger zugesagten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung maßgeblicher Rentenfestbetrag - sog. garantierte Rente - zu ermitteln ist.

2

Der am 28. Januar 1955 geborene Kläger wurde zum 1. März 1974 bei der Stadt München als Arbeiter eingestellt. Er war bei den Stadtwerken, einem Eigenbetrieb der Stadt München, tätig. Nach § 2 des Arbeitsvertrags des Klägers vom 1. März 1974 finden auf sein Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31. Januar 1962 in ihrer jeweils geltenden Fassung bzw. die an deren Stelle tretenden tariflichen Bestimmungen sowie die für den Bereich der Stadtverwaltung München jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging infolge der Umwandlung des Eigenbetriebs Ende September 1998 auf die Beklagte über.

3

Für die betriebliche Altersversorgung der bis zum 31. Dezember 1977 bei der Stadt München eingestellten Beschäftigten war die Örtliche Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der Landeshauptstadt München (im Folgenden: TV A 21) maßgebend. Diese lautete in der ab dem 1. Juli 1985 geltenden Fassung auszugsweise wie folgt:

        

㤠17

        

Ruhegeldsätze

        

Das Ruhegeld beträgt nach 10 Dienstjahren 50 % und steigt mit dem Beginn jedes weiteren Dienstjahres um je 1 1/2 %, höchstens bis 80 % des versorgungsfähigen Einkommens.

        

…       

        

§ 20

        

Anrechnung von Rentenversicherungsleistungen

        

Auf das Ruhegeld werden angerechnet:

        

1.    

die Renten aus allen Rentenversicherungen für Arbeiter und Angestellte, gleich wer Versicherungsträger ist, einschließlich etwaiger Zulagen und Zuschläge sowie Leistungen, die vor der Festsetzung der gesetzlichen Renten oder an deren Stelle gewährt werden, mit dem Prozentsatz der Hälfte ihres Betrages, der der Dauer der Beitragsleistung der Landeshauptstadt München an die Rentenversicherungsträger im Verhältnis zur Dauer anderweitiger Beitragsleistung entspricht.

                 

Sie dürfen zusammen mit dem Ruhegeld folgende Kürzungsgrenzen nicht übersteigen:

                 

a)    

bei Angestellten (§ 2) ohne Berücksichtigung der Dienstzeit

80 %   

                 

b)    

bei Arbeitern mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von weniger als 20 Jahren

80 %   

                          

20 Jahren und mehr, jedoch weniger als 30 Jahren

85 %   

                          

und 30 Jahren und mehr

90 %   

                          

ihres versorgungsfähigen Einkommens.

        
        

…       

                 
                                   
        

§ 21

        

Freilassung von Rententeilen,

        

schätzungsweise Anrechnung

                 
        

1.    

Bei der Anrechnung von Renten aus den Rentenversicherungen für Arbeiter und Angestellte bleibt der Anteil frei, der aus einer Höherversicherung oder der Leistung freiwilliger Beiträge stammt.

                 

Rentenerhöhungen und Rentenminderungen, die auf § 1587 b BGB (Versorgungsausgleich bei Ehescheidung) zurückgehen, bleiben unberücksichtigt.

        

2.    

Die Anrechnung von Renten aus den Rentenversicherungen für Arbeiter und Angestellte erfolgt solange schätzungsweise, als Versorgungsempfänger die zur Erlangung der Rente notwendigen Schritte trotz Aufforderung unterlassen haben oder Rentenbescheide nicht vorlegen.“

4

Durch die Örtliche Tarifvereinbarung Nr. C 74 (im Folgenden: TV C 74) wurde der TV A 21 mit Wirkung zum 1. Januar 1998 geändert. Die §§ 17, 20 und 21 TV A 21 lauteten seitdem wie folgt:

        

㤠17

        

Ruhegeldsätze

        

Das Ruhegeld beträgt nach 10 Dienstjahren 50 % und steigt mit dem Beginn jeden weiteren Dienstjahres um je 1,25 % bis zum Höchstsatz von 75 % des versorgungsfähigen Einkommens.

        

…       

        

§ 20

        

Anrechnung von Rentenversicherungsleistungen

        

Auf das Ruhegeld werden angerechnet:

        

1.    

die Renten aus allen Rentenversicherungen im In- und Ausland für ArbeiterInnen und Angestellte und in der Landwirtschaft Beschäftigte, gleich wer Versicherungsträger ist, einschließlich etwaiger Zulagen und Zuschläge sowie Leistungen, die vor der Festsetzung der gesetzlichen Renten oder an deren Stelle gewährt werden, mit dem vollen Betrag, der der Dauer der Beitragsleistung der Landeshauptstadt München an die Rentenversicherungsträger im Verhältnis zur Dauer anderweitiger Beitragsleistung entspricht.

                 

Die Renten dürfen zusammen mit dem Ruhegeld folgende Höchstgrenzen nicht übersteigen:

                 

a)    

bei Angestellten (§ 2) ohne Berücksichtigung der Dienstzeit

75 %   

                 

b)    

bei Arbeitern

        
                 

-       

mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von weniger als 20 Jahren

75 %   

                 

-       

mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von 20 Jahren und mehr, jedoch weniger als 30 Jahren

80 %   

                 

-       

mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von 30 Jahren und mehr

86 %   

                 

ihres versorgungsfähigen Einkommens.

        
        

…       

        

§ 21

        

Freilassung von Rententeilen,

        

schätzungsweise Anrechnung

        

1.    

Bei der Anrechnung von Renten aus den Rentenversicherungen für Arbeiter und Angestellte bleibt der Anteil frei, der aus einer Höherversicherung oder der Leistung freiwilliger Beiträge stammt.

                 

Dies gilt bei der Inanspruchnahme von Altersteilzeit nicht für den Rentenanteil, der durch die von der Landeshauptstadt München geleisteten Aufstockungsbeiträge zur gesetzl. Rentenversicherung begründet wurde.

                 

Rentenerhöhungen und Rentenminderungen, die auf § 1587 b BGB (Versorgungsausgleich bei Ehescheidung) zurückgehen, bleiben unberücksichtigt.

                 

Rentenminderungen wegen vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters oder Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres bleiben ebenso wie Rentenminderungen wegen Überschreitens von Hinzuverdienstgrenzen unberücksichtigt.

        

2.    

Die Anrechnung von Renten aus den Rentenversicherungen für Arbeiter und Angestellte erfolgt solange schätzungsweise, als Versorgungsempfänger die zur Erlangung der Rente notwendigen Schritte trotz Aufforderung unterlassen haben oder Rentenbescheide nicht vorlegen.

                 

Ist aufgrund einer früheren Tätigkeit in einem anderen Staat von dort eine Rente zu erwarten, erfolgt eine fiktive Anrechnung solange der Bescheid des ausländischen Versicherungsträgers nicht vorliegt bzw. nicht nachgewiesen wird, daß eine ausländische Rente erst zu einem späterem Zeitpunkt beginnt oder kein Anspruch besteht.

        

…“    

        
5

Am 19. Mai 1999 schloss die Stadt München mit der ÖTV die Örtliche Tarifvereinbarung Nr. C 79 (im Folgenden: TV C 79), durch die der TV A 21 in §§ 17, 20 und 21 ab dem 1. Juni 1999 auszugsweise folgende Fassung (im Folgenden: TV A 21/1999) erhielt:

        

§ 17 

        

Ruhegeldsätze

        

Das Ruhegeld beträgt nach 10 Dienstjahren 50 % und steigt mit dem Beginn jeden weiteren Dienstjahres um je 1,25 %, höchstens bis 75 % des versorgungsfähigen Einkommens.

        

…       

        

§ 20   

        

Anrechnung von Rentenversicherungsleistungen

        

1.    

Auf das Ruhegeld werden angerechnet:

                 

Die Renten aus allen Rentenversicherungen im In- und Ausland für ArbeiterInnen und Angestellte und in der Landwirtschaft Beschäftigte, gleich wer Versicherungsträger ist, einschließlich etwaiger Zulagen und Zuschläge sowie Leistungen, die vor der Festsetzung der gesetzlichen Renten oder an deren Stelle gewährt werden.

                 

Die Renten dürfen zusammen mit dem Ruhegeld folgende Höchstgrenzen nicht übersteigen:

                 

a)    

bei Angestellten (§ 2) ohne Berücksichtigung der Dienstzeit

75 %   

                 

b)    

bei Arbeitern

        
                 

-       

mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von weniger als 20 Jahren

75 %   

                 

-       

mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von 20 Jahren und mehr, jedoch weniger als 30 Jahren

80 %   

                 

-       

mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von 30 Jahren und mehr

86 %   

                 

ihres versorgungsfähigen Einkommens.

        
        

…       

        

§ 21   

        

Freilassung von Rententeilen, schätzungsweise Anrechnung

        

1.    

Für jeden im städtischen Dienst zurückgelegten Beitragsmonat in der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt ein Anteil von jeweils 0,04 % von der Rentenanrechnung frei.

                 

Bei der Anrechnung von Renten aus den Rentenversicherungen für Arbeiter und Angestellte bleibt der Anteil frei, der aus einer Höherversicherung oder der Leistung freiwilliger Beiträge stammt.

                 

Dies gilt bei der Inanspruchnahme von Altersteilzeit nicht für den Rentenanteil, der durch die von der Landeshauptstadt München geleisteten Aufstockungsbeiträge zur gesetzl. Rentenversicherung begründet wurde.

                 

Rentenerhöhungen und Rentenminderungen, die auf § 1587 b BGB (Versorgungsausgleich bei Ehescheidung) zurückgehen, bleiben unberücksichtigt.

                 

Rentenminderungen wegen vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters oder Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres bleiben ebenso wie Rentenminderungen wegen Überschreitens von Hinzuverdienstgrenzen unberücksichtigt.

        

2.    

Die Anrechnung von Renten aus den Rentenversicherungen für Arbeiter und Angestellte erfolgt solange schätzungsweise, als Versorgungsempfänger die zur Erlangung der Rente notwendigen Schritte trotz Aufforderung unterlassen haben oder Rentenbescheide nicht vorlegen.

                 

Ist aufgrund einer früheren Tätigkeit in einem anderen Staat von dort eine Rente zu erwarten, erfolgt eine fiktive Anrechnung solange der Bescheid des ausländischen Versicherungsträgers nicht vorliegt bzw. nicht nachgewiesen wird, daß eine ausländische Rente erst zu einem späterem Zeitpunkt beginnt.

        

…       

        
        

§ 23   

        

Ruhensvorschriften

        

1.    

Erzielt ein Ruhegeldempfänger ein Einkommen aus selbständiger oder nicht selbständiger Arbeit, so ruht das Ruhegeld insoweit, als das Monatseinkommen zusammen mit dem Ruhegeld nach §§ 17, 18 das versorgungsfähige Einkommen nach §§ 11, 12 übersteigt.

                 

Bei der Anrechnung des Einkommens bleibt ein Betrag in Höhe von 50 % des versorgungsfähigen Einkommens der Lohngruppe 4 Stufe 1 anrechnungsfrei.“

6

Zum 1. Juli 2005 trat der Tarifvertrag zur Regelung der Eigenversorgung bei der Landeshauptstadt München (Versorgungstarifvertrag) vom 5. Mai 2005 (im Folgenden: VersTV) in Kraft, der auszugsweise folgende Regelungen enthält:

        

§ 1   

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Die nachfolgenden Bestimmungen dieses Tarifvertrages gelten … für diejenigen Beschäftigten, für deren Versorgungszusagen am Tag vor Inkrafttreten (§ 41) - Stichtag - die Bestimmungen der ‚Örtlichen Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der Landeshauptstadt München‘ in der zuletzt gültigen Fassung Anwendung finden.

        

…       

        
        

§ 3     

        

Ablösung der bisherigen Versorgungsregelungen

        

Dieser Tarifvertrag tritt an die Stelle der bis zum Stichtag anzuwendenden Regelungen der ‚Örtlichen Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der Landeshauptstadt München‘ in der jeweils geltenden Fassung und löst diese ab. Die Versorgung richtet sich ausschließlich nach diesem Tarifvertrag, soweit nicht in den Übergangsregelungen dieses Tarifvertrages ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.

        

…       

        

§ 11   

        

Bemessungsgrundlage für die Betriebsrente wegen Alters, vorgezogene Betriebsrente wegen Alters, Betriebsrente wegen Erwerbsminderung, Witwen-/Witwerbetriebsrente und Waisenbetriebsrente

        

(1)     

Bemessungsgrundlage der Betriebsrente wegen Alters, der vorgezogenen Betriebsrente wegen Alters, der Betriebsrente wegen Erwerbsminderung, der Witwen-/Witwerbetriebsrente und Waisenbetriebsrente ist der der/dem Beschäftigten im Zeitpunkt des Versorgungsfalles zustehende Rentenfestbetrag (garantierte Rente).

        

(2)     

Die garantierte Rente wird nach Maßgabe der Abs. 3 und 4 zum 31.12.2004 (Berechnungsstichtag) ermittelt und nach dem Berechnungsstichtag nach Maßgabe des Abs. 5 dynamisiert.

        

(3)     

Die garantierte Rente zum Berechnungsstichtag ist die Rente, die sich für die Beschäftigte/den Beschäftigten zum Zeitpunkt der Vollendung ihres/seines 63. Lebensjahres (Referenzalter) nach dem am Berechnungsstichtag für ihre/seine Versorgungszusage einschließlich der für die an diesem Berechnungsstichtag maßgeblichen Rechengrößen geltenden Recht individuell ergeben würde. ...

                 

Bei Beschäftigten, die am 31.12.2004 das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erhöht sich die garantierte Rente zum Berechnungsstichtag einmalig um eine Entwicklungszulage in Höhe von 50 €. Der Erhöhungsbetrag ist Bestandteil der garantierten Rente.

        

…       

        
        

(5)     

Die Höhe der zum Berechnungsstichtag ermittelten garantierten Rente wird der/dem Beschäftigten schriftlich mitgeteilt und vom Berechnungsstichtag bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 1. Juli jeden Jahres, erstmals zum 1. Juli 2006, um 1,9 v.H. ihres Betrages erhöht (Dynamisierung).

        

…       

        

§ 41   

        

Inkrafttreten

        

(1)     

Dieser Tarifvertrag tritt am 1. Juli 2005 in Kraft.“

7

Das versorgungsfähige Einkommen des Klägers iSd. § 11 TV A 21/1999 belief sich zum 31. Dezember 2004 auf 2.837,00 Euro. Die Rente des Klägers aus der gesetzlichen Rentenversicherung würde unter Zugrundelegung der am 31. Dezember 2004 maßgebenden Verhältnisse bei Vollendung seines 63. Lebensjahres 1.769,03 Euro betragen.

8

Die Stadt München, die für die Beklagte die Berechnung der Betriebsrenten durchführt, teilte dem Kläger mit Schreiben vom 20. Januar 2006 mit, seine garantierte Rente zum Berechnungsstichtag 31. Dezember 2004 belaufe sich auf 720,79 Euro monatlich.

9

Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass seine garantierte Rente zum Berechnungsstichtag 31. Dezember 2004 1.093,70 Euro beträgt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Freibeträge bei der Sozialversicherungsrente nach § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 seien nicht nur bei der Anrechnung der gesetzlichen Rente auf das Ruhegeld nach § 20 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999, sondern auch bei der Prüfung, ob die Höchstgrenze nach § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999 überschritten ist, zu berücksichtigen. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Systematik der Regelungen. Ohne Berücksichtigung der Freibeträge sei die Höchstgrenze altersdiskriminierend.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass seine „garantierte Rente“ im Sinne von § 11 Abs. 1 des Tarifvertrages zur Regelung der Eigenversorgung bei der Landeshauptstadt München (Versorgungstarifvertrag) vom 5. Mai 2005 zum Berechnungsstichtag 31. Dezember 2004 1.093,70 Euro pro Monat beträgt.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

12

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

14

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig.

15

1. Der Klageantrag bedarf der Auslegung. Zwar ist der Antrag seinem Wortlaut nach auf die Feststellung der Höhe der garantierten Rente des Klägers iSd. § 11 Abs. 1 VersTV gerichtet. Aus dem Vorbringen des Klägers und der im Antrag enthaltenen Bezugnahme auf § 11 Abs. 1 VersTV ergibt sich jedoch, dass der Kläger mit der Klage die Höhe der ihm nach dem Versorgungstarifvertrag zustehenden Versorgungsleistungen klären lassen will. Der Antrag des Klägers ist daher auf die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten gerichtet, bei der Bemessung der im Versorgungsfall zu gewährenden Betriebsrente nach dem Versorgungstarifvertrag eine garantierte Rente des Klägers zum Berechnungsstichtag des 31. Dezember 2004 iHv. 1.093,70 Euro zugrunde zu legen.

16

2. Mit diesem Inhalt richtet sich der Antrag auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO.

17

Nach dieser Norm kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage muss sich nicht auf ein Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sondern kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus dem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (vgl. etwa BAG 17. Januar 2012 - 3 AZR 135/10 - Rn. 19 mwN). Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei der Bemessung der Betriebsrenten nach dem Versorgungstarifvertrag eine garantierte Rente iSd. § 11 Abs. 1 VersTV iHv. 1.093,70 Euro zugrunde zu legen. Der Antrag betrifft ein Rechtsverhältnis, nämlich den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten. Die garantierte Rente ist bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 11 Abs. 2 und Abs. 5 VersTV jährlich am 1. Juli, erstmals zum 1. Juli 2006, um 1,9 % zu erhöhen. Der sich danach im Zeitpunkt des Versorgungsfalls ergebende Betrag ist nach § 11 Abs. 1 VersTV Bemessungsgrundlage für die Betriebsrente.

18

3. Da über die Höhe der garantierten Rente zwischen den Parteien Streit besteht, hat der Kläger auch ein Interesse an der begehrten Feststellung iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Dass der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, ist unerheblich (vgl. etwa BAG 17. Januar 2012 - 3 AZR 135/10 - Rn. 20).

19

II. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, bei der Bemessung der im Versorgungsfall zu gewährenden Betriebsrente des Klägers nach dem Versorgungstarifvertrag eine garantierte Rente zum Berechnungsstichtag des 31. Dezember 2004 iHv. 1.093,70 Euro zugrunde zu legen. Die Beklagte hat die garantierte Rente iSd. § 11 Abs. 1 VersTV zum Berechnungsstichtag des 31. Dezember 2004 nach § 11 Abs. 3 VersTV zutreffend mit 720,79 Euro ermittelt.

20

1. Nach § 11 Abs. 1 VersTV ist Bemessungsgrundlage für die Betriebsrenten nach dem Versorgungstarifvertrag der dem Beschäftigten im Zeitpunkt des Versorgungsfalls zustehende Rentenfestbetrag, die sog. garantierte Rente. § 11 Abs. 2 und Abs. 5 VersTV sehen vor, dass die garantierte Rente nach Maßgabe von § 11 Abs. 3 und Abs. 4 zum Berechnungsstichtag 31. Dezember 2004 zu ermitteln und danach bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 1. Juli eines jeden Jahres, erstmals zum 1. Juli 2006, um 1,9 % zu erhöhen ist. Die garantierte Rente zum Berechnungsstichtag ist gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 VersTV die Rente, die sich für den Beschäftigten zum Zeitpunkt der Vollendung seines 63. Lebensjahres (Referenzalter) nach dem am Berechnungsstichtag für seine Versorgungszusage einschließlich der für die an diesem Berechnungsstichtag maßgeblichen Rechengrößen geltenden Recht individuell ergeben würde. Bei Beschäftigten, die am 31. Dezember 2004 das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erhöht sich nach § 11 Abs. 3 Satz 4 VersTV die garantierte Rente zum Berechnungsstichtag einmalig um eine Entwicklungszulage in Höhe von 50,00 Euro. Der Erhöhungsbetrag ist gemäß § 11 Abs. 3 Satz 5 VersTV Bestandteil der garantierten Rente.

21

Ausgangspunkt für die Berechnung der garantierten Rente iSd. § 11 Abs. 1 VersTV ist nach § 11 Abs. 3 Satz 1 VersTV damit zunächst das fiktive Ruhegeld, das sich unter Beachtung von Veränderungssperre und Festschreibeeffekt entsprechend § 2 Abs. 5 BetrAVG für den Kläger auf der Grundlage der zum 31. Dezember 2004 geltenden Bestimmungen des TV A 21/1999 zum Zeitpunkt der Vollendung seines 63. Lebensjahres ergeben würde. Dementsprechend ist die Höhe des fiktiven Ruhegeldes wie folgt zu ermitteln:

22

a) Zunächst ist gemäß § 17 TV A 21/1999 der Ruhegeldsatz zu berechnen, den der Kläger zum Zeitpunkt der Vollendung seines 63. Lebensjahres unter Berücksichtigung der bis dahin zurückgelegten Dienstjahre erreichen würde. Nach § 17 TV A 21/1999 beträgt das Ruhegeld nach zehn Dienstjahren 50 %; mit dem Beginn jedes weiteren Dienstjahres erhöht sich der Ruhegeldsatz um je 1,25 % bis auf höchstens 75 % des versorgungsfähigen Einkommens. Soweit für die Höhe des Ruhegeldes nach § 17 TV A 21/1999 das versorgungsfähige Einkommen des Klägers zugrunde zu legen ist, bestimmt sich dieses nach den am 31. Dezember 2004 maßgeblichen Verhältnissen. Etwaige spätere Steigerungen seines Einkommens sind nach § 11 Abs. 3 Satz 1 VersTV unerheblich.

23

b) Auf das so ermittelte Ruhegeld ist nach § 20 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 iVm. § 11 Abs. 3 Satz 1 VersTV diejenige Sozialversicherungsrente anzurechnen, die sich für den Kläger zum Zeitpunkt der Vollendung des 63. Lebensjahres ergeben würde, wobei nach § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 ein Anteil von jeweils 0,04 % für jeden im städtischen Dienst zurückgelegten Beitragsmonat in der gesetzlichen Rentenversicherung anrechnungsfrei bleibt. Die sich für den Kläger zum Zeitpunkt der Vollendung des 63. Lebensjahres ergebende - fiktive - Sozialversicherungsrente ist somit für jeden bis zu diesem Zeitpunkt im städtischen Dienst verbrachten Beitragsmonat in der gesetzlichen Rentenversicherung um 0,04 % zu mindern. Der verbleibende Betrag ist nach § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 auf das nach § 17 TV A 21/1999 ermittelte Ruhegeld „anzurechnen“, dh. in Abzug zu bringen. Der sich danach ergebende Betrag ist das zum Zeitpunkt der Vollendung des 63. Lebensjahres zustehende - fiktive - Ruhegeld.

24

c) Dieses Ruhegeld darf die nach § 20 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a oder b TV A 21/1999 maßgebliche Höchstgrenze (Gesamtversorgungsobergrenze) nicht überschreiten. Ist dies der Fall, ist das Ruhegeld entsprechend zu kürzen. Für die Prüfung, ob die Gesamtversorgungsobergrenze überschritten ist, sind das nach der Anrechnung gemäß § 20 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 auf den Zeitpunkt der Vollendung des 63. Lebensjahres ermittelte - fiktive - Ruhegeld sowie die auf diesen Zeitpunkt hochgerechnete Sozialversicherungsrente zusammenzurechnen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist hierbei die Sozialversicherungsrente nicht um den anrechnungsfreien Anteil nach § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 zu kürzen, sondern vollständig zu berücksichtigen. Dies ergibt die Auslegung der tariflichen Bestimmungen.

25

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., etwa BAG 26. März 2013 - 3 AZR 68/11 - Rn. 25 mwN).

26

bb) Danach ist im Rahmen der Prüfung, ob die Höchstgrenze nach § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999 überschritten ist, die Sozialversicherungsrente in vollem Umfang und nicht gekürzt um den nach § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 anrechnungsfreien Anteil zu berücksichtigen.

27

(1) Der Wortlaut der Tarifnorm ist allerdings nicht eindeutig.

28

Nach § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 bleibt ein Anteil von 0,04 % der Sozialversicherungsrente für jeden im städtischen Dienst verbrachten Beitragsmonat „von der Rentenanrechnung frei“. Diese Formulierung könnte darauf hindeuten, dass die Regelung in § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 bei der Prüfung, ob die Gesamtversorgungobergrenze überschritten ist, nicht zur Anwendung gelangen soll. Eine „Anrechnung“ von Renten sieht lediglich § 20 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 vor. § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999 schreibt demgegenüber keine Anrechnung vor, sondern legt Gesamtversorgungsobergrenzen fest. Für deren Einhaltung sind das nach § 20 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 ermittelte Ruhegeld und „die Renten“ zusammenzurechnen.

29

Allerdings ist die gesamte Bestimmung des § 20 TV A 21/1999 mit „Anrechnung von Rentenversicherungsleistungen“ überschrieben. Typischerweise geben Überschriften den Inhalt und Zweck einer Vorschrift schlagwortartig wieder. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Regelung über den anrechnungsfreien Teil der Sozialversicherungsrente in § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 im Rahmen aller in § 20 Nr. 1 TV A 21/1999 vorgesehenen Rechenschritte und damit auch bei der Prüfung, ob die Gesamtversorgungsobergrenze überschritten wird, zu berücksichtigen sein soll. Die Bestimmungen in § 23 Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 TV A 21/1999 zeigen zudem, dass die Tarifvertragsparteien in ihrer Begrifflichkeit nicht konsequent zwischen der „Anrechnung“ einer Leistung auf das nach § 17 TV A 21/1999 ermittelte Ruhegeld und der „Zusammenrechnung“ des ermittelten Ruhegeldes mit sonstigen Leistungen zur Prüfung der Einhaltung von Höchstgrenzen unterschieden haben.

30

(2) Der tarifliche Gesamtzusammenhang führt ebenfalls nicht zu einem zweifelsfreien Auslegungsergebnis.

31

(a) § 21 TV A 21/1999 steht als eigenständige Vorschrift hinter § 20 TV A 21/1999. Dies könnte den Schluss darauf zulassen, dass sein gesamter Regelungsinhalt bei den einzelnen in § 20 Nr. 1 TV A 21/1999 bestimmten Schritten zur Berechnung des Ruhegeldes Anwendung finden soll. Dafür könnten auch die bereits vor der Einfügung von § 21 Nr. 1 Satz 1 zum 1. Juni 1999 im TV A 21 enthaltenen Regelungen in § 21 Nr. 1 Satz 2 und Satz 3 TV A 21/1999 sprechen. Die Regelungen in § 21 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999, wonach bei der Anrechnung von Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen der Anteil freibleibt, der aus einer Höherversicherung oder der Leistung freiwilliger Beiträge stammt, und in § 21 Nr. 1 Satz 3 TV A 21/1999, wonach dies bei der Inanspruchnahme von Altersteilzeit nicht für den Rentenanteil gilt, der durch die von der Landeshauptstadt München geleisteten Aufstockungsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung begründet wurde, knüpfen ebenfalls an den Begriff der „Anrechnung“ an, beziehen sich jedoch - in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben des § 5 Abs. 2 BetrAVG - erkennbar auch auf die Prüfung der Gesamtversorgungsobergrenzen nach § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG dürfen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch Anrechnung oder Berücksichtigung anderer Versorgungsbezüge, soweit diese auf eigenen Beiträgen des Versorgungsempfängers beruhen, nicht gekürzt werden. Dies gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG nicht für Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, soweit sie auf Pflichtbeiträgen beruhen. Die Vorgaben des § 5 Abs. 2 BetrAVG gelten nicht nur für die „Anrechnung“ der gesetzlichen Rente auf die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, sondern auch für die Berücksichtigung der gesetzlichen Rente bei der Begrenzung der Gesamtversorgung auf einen Höchstbetrag(vgl. § 5 Abs. 1 BetrAVG). Zwar kann nach § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG in Tarifverträgen von § 5 BetrAVG abgewichen werden; angesichts der Systematik sowie der Überschrift von § 20 TV A 21/1999 bestehen jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifparteien damit teilweise vom Anrechnungsverbot des § 5 Abs. 2 BetrAVG abweichen und die gesetzlichen Renten im Rahmen der Gesamtversorgungsobergrenze in einem weitergehenden Umfang berücksichtigen wollten.

32

Daraus lässt sich allerdings nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien auch die Bestimmung über die Freilassung von Rententeilen in § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 auf alle Rechenschritte zur Ermittlung der Höhe des Ruhegeldes nach § 20 Nr. 1 TV A 21/1999 beziehen wollten. Denn im Gegensatz zu § 21 Nr. 1 Satz 2 und Satz 3 TV A 21/1999 weichen die Tarifparteien mit der Freilassung von Rententeilen in Satz 1 der Bestimmung gerade von dem gesetzlichen Leitbild des § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG ab, nach dem die Sozialversicherungsrente, soweit sie auf Pflichtbeiträgen beruht, vollumfänglich angerechnet und im Rahmen einer Gesamtversorgungsobergrenze berücksichtigt werden kann.

33

(b) Auch § 21 Nr. 1 Satz 4 und Satz 5 TV A 21/1999 lassen keinen eindeutigen Schluss auf die Reichweite von Satz 1 der Norm zu.

34

Nach § 21 Nr. 1 Satz 4 TV A 21/1999 bleiben Rentenerhöhungen und Rentenminderungen, die auf § 1587b BGB(Versorgungsausgleich bei Ehescheidung) beruhen, unberücksichtigt. Die Bestimmung war bereits im TV A 21 in der Fassung vom 1. Juli 1985 enthalten. Sie ist ersichtlich an den für die Beamtenversorgung maßgeblichen § 55 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG in der - damals geltenden - Fassung vom 25. Juli 1984 (aF) angelehnt. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BeamtVG aF werden Versorgungsbezüge neben Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen oder aus einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angehörige des öffentlichen Dienstes nur bis zum Erreichen einer in § 55 Abs. 2 BeamtVG bestimmten Höchstgrenze gezahlt; Renten, Rentenerhöhungen und Rentenminderungen, die auf § 1587b des Bürgerlichen Gesetzbuches beruhen, bleiben dabei unberücksichtigt. Sowohl die Anlehnung an § 55 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG aF, als auch die Wortwahl(„bleiben unberücksichtigt“) und die systematische Stellung der Tarifnorm zeigen, dass § 21 Nr. 1 Satz 4 TV A 21/1999 nicht nur bei der Anrechnung nach § 20 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999, sondern auch bei der Prüfung, ob die Gesamtversorgungsobergrenze eingehalten wird, zur Anwendung gelangen soll. Gleiches gilt für § 21 Nr. 1 Satz 5 TV A 21/1999. Auch hier haben die Tarifparteien durch Wortwahl und Systematik zum Ausdruck gebracht, dass Rentenminderungen wegen vorgezogener Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente, wegen Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres und wegen Überschreitens von Hinzuverdienstgrenzen bei allen Schritten zur Berechnung des Ruhegeldes nach § 20 Nr. 1 TV A 21/1999 außer Betracht bleiben sollen. Allerdings könnte gerade die unterschiedliche Wortwahl in diesen beiden Bestimmungen („bleiben unberücksichtigt“) und in § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 dafür sprechen, dass sich die Anrechnungsfreiheit der Sozialversicherungsrente für die im städtischen Dienst zurückgelegten Beitragsmonate nur auf die Ermittlung des Ruhegeldes nach § 20 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 und nicht auch auf die Prüfung der Überschreitung der Gesamtversorgungsobergrenze nach § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999 beziehen sollte.

35

(c) Auf das Gegenteil deuten allerdings die Formulierungen in § 21 Nr. 2 TV A 21/1999 hin. Danach erfolgt die Anrechnung von Renten aus der Rentenversicherung so lange schätzungsweise, wie Versorgungsempfänger die zur Erlangung der Rente notwendigen Schritte trotz Aufforderung unterlassen haben oder Rentenbescheide nicht vorlegen; ist aufgrund einer früheren Tätigkeit in einem anderen Staat eine ausländische Rente zu erwarten, erfolgt ebenfalls eine fiktive Anrechnung, solange der Bescheid des ausländischen Versicherungsträgers nicht vorliegt oder nachgewiesen wird, dass diese Rente erst zu einem späterem Zeitpunkt beginnt. § 21 Nr. 2 TV A 21/1999 soll sicherstellen, dass eine Berechnung des Ruhegeldes auch dann vorgenommen werden kann, wenn und solange die für die Berechnung des Ruhegeldes erforderlichen Unterlagen der Rentenversicherungsträger noch nicht vorliegen. Diese Zielrichtung greift gleichermaßen bei der Anrechnung der zu schätzenden Rente auf das Ruhegeld wie bei der Prüfung, ob die Gesamtversorgungsobergrenze überschritten ist. Sowohl Systematik als auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen daher dafür, dass diese Bestimmungen trotz ihrer sprachlichen Fassung nicht nur bei der Rentenanrechnung nach § 20 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999, sondern auch bei der Prüfung der Gesamtversorgungsobergrenze nach § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999 zur Anwendung gelangen.

36

(3) Aus dem auch aus der Entstehungsgeschichte folgenden Sinn und Zweck der Regelung in § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 ergibt sich jedoch, dass die Bestimmung nur für die Anrechnung der Renten nach § 20 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 gilt, nicht hingegen für die Berücksichtigung der gesetzlichen Renten bei der Ermittlung der Gesamtversorgungsobergrenze nach § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999.

37

Grund für die Änderung des § 20 Nr. 1 Satz 1 TV A 21 idF vom 1. Januar 1998 und für die Einfügung von § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 war erkennbar der Umstand, dass die durch den TV C 74 zum 1. Januar 1998 eingeführte Vollanrechnung der während der Beschäftigungszeit bei der Stadt München erworbenen gesetzlichen Renten zur Folge hatte, dass Arbeitnehmer, die eine verhältnismäßig lange Zeit ihres Berufslebens in städtischen Diensten verbracht hatten, eine prozentual höhere Anrechnung hinnehmen mussten als solche mit kürzeren Beschäftigungszeiten bei der Stadt München (vgl. dazu bereits BAG 13. Dezember 2005 - 3 AZR 478/04 - Rn. 24). Mit der durch den TV C 79 zum 1. Juni 1999 eingefügten Anrechnungsregelung in § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21 sollten diese langjährig Beschäftigten einen Ausgleich erhalten. Gleichzeitig wurde, um das Tarifziel einer weitestgehenden Kostenneutralität zu wahren, die Höhe des Ruhegeldes bei Mitarbeitern mit geringerer städtischer Dienstzeit abgesenkt, indem in § 20 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 die vollständige Anrechnung der auch bei anderen Arbeitgebern erworbenen Sozialversicherungsrente auf das Ruhegeld angeordnet wurde(vgl. dazu bereits BAG 13. Dezember 2005 - 3 AZR 478/04 - Rn. 24). Mit der Regelung in § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 sollte demnach die Betriebstreue der langjährig Beschäftigten dadurch belohnt werden, dass ihr nach § 17 TV A 21/1999 erdientes Ruhegeld durch die während der Beschäftigungszeit bei der Stadt erworbene Sozialversicherungsrente nur geringer gekürzt wird, indem ein bestimmter Teil der bei der Stadt erworbenen Sozialversicherungsrente von der Anrechnung nach § 20 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 auf das nach § 17 TV A 21/1999 ermittelte Ruhegeld ausgenommen wird. Eine darüber hinausgehende Berücksichtigung der anrechnungsfreien Anteile der Sozialversicherungsrente auch im Rahmen der Höchstgrenzen in § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999 hätte demgegenüber dazu geführt, dass für diese Arbeitnehmer das durch die Gesamtversorgungsobergrenzen festgelegte Versorgungsniveau angehoben worden wäre. Dies war von den Tarifvertragsparteien ersichtlich nicht beabsichtigt. Ein derartiges Regelungsziel hätte der erst kurze Zeit zuvor zum 1. Januar 1998 vereinbarten Reduzierung der Gesamtversorgungsobergrenzen für alle Beschäftigten in § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21 widersprochen.

38

(4) Diese Auslegung führt auch zu einer vernünftigen, sachgerechten und zweckorientierten Regelung. Der TV A 21/1999 sieht eine Gesamtversorgung vor. Eine solche Versorgung zielt darauf ab, den vom Arbeitnehmer im aktiven Arbeitsleben erreichten Lebensstandard in einem bestimmten Umfang auch im Ruhestand zu erhalten. Mit Hilfe von Gesamtversorgungsobergrenzen wird dabei der Umfang der Versorgung festgelegt, die den Betriebsrentnern letztlich verbleiben soll, um ihren Lebensunterhalt nach Eintritt des Versorgungsfalls zu bestreiten (vgl. etwa BAG 17. Januar 2012 - 3 AZR 556/09 - Rn. 25). Der durch die Gesamtversorgungsobergrenze erfolgten Festlegung des maximalen Versorgungsniveaus für alle Beschäftigten widerspräche es, wenn bei der Prüfung, ob die Gesamtversorgungsobergrenze eingehalten ist, die anrechnungsfreien Anteile der Sozialversicherungsrente nach § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 unberücksichtigt blieben. Dies hätte zur Folge, dass die in § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999 für alle Beschäftigten nach der Dauer ihrer versorgungsfähigen Dienstzeit einheitlich festgelegten Gesamtversorgungsobergrenzen je nach Höhe der anrechnungsfreien Anteile der gesetzlichen Rente überschritten werden und damit keine einheitlichen, das höchstmögliche Versorgungsniveau aller Betriebsrentner bestimmenden Grenzen mehr gelten würden.

39

d) Entgegen der Ansicht des Klägers bewirkt die vollständige Berücksichtigung der auf Beschäftigungszeiten bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin beruhenden Sozialversicherungsrente im Rahmen der Gesamtversorgungsobergrenze nach § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999 weder eine unmittelbare Diskriminierung noch eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG.

40

aa) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters, benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

41

bb) Da die in § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999 vorgesehene Begrenzung der mit dem Ruhegeld und der Sozialversicherungsrente erzielten Gesamtversorgung auf einen bestimmten Höchstsatz des versorgungsfähigen Einkommens nicht an das Lebensalter anknüpft, scheidet eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters aus.

42

cc) Es kann dahinstehen, ob Personen eines bestimmten Alters von der dem Anschein nach neutralen Berechnungsregel des § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999 in besonderer Weise benachteiligt werden können. Selbst wenn hiervon zugunsten des Klägers auszugehen sein sollte, läge keine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters vor. Die Regelung ist durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich. Dies schließt den Tatbestand der mittelbaren Diskriminierung nach § 3 Abs. 2 AGG aus.

43

(1) § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999 ist durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt.

44

(a) Durch die Festlegung von Gesamtversorgungsobergrenzen soll das Risiko des Arbeitgebers begrenzt werden, um die von ihm zu erbringenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung überschaubar und kalkulierbar zu halten. Dabei handelt es sich zwar nicht um ein Ziel aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung iSd. Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16, im Folgenden: Rahmenrichtlinie), die durch das AGG in das nationale Recht umgesetzt wurde. Das rechtmäßige Ziel, das über das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung entscheidet, muss jedoch kein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie sein, sondern schließt auch andere von der Rechtsordnung anerkannte Gründe für die Verwendung des neutralen Kriteriums ein. Die differenzierende Maßnahme muss allerdings zur Erreichung des rechtmäßigen Ziels geeignet und erforderlich sein und einen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte der Beteiligten darstellen. In einem solchen Fall fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen einer mittelbaren Benachteiligung (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 59, Slg. 2009, I-1569; BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 -  Rn. 36; 11. Dezember 2012 - 3 AZR 634/10 - Rn. 21).

45

(b) Die Begrenzung des Risikos des Arbeitgebers, um die von ihm zu erbringenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung überschaubar und kalkulierbar zu halten, stellt ein rechtmäßiges Ziel iSd. § 3 Abs. 2 AGG dar. Der Arbeitgeber entscheidet bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung. Entschließt er sich hierzu, so ist er auch frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechende Leistung dotiert(BAG 11. Dezember 2012 - 3 AZR 634/10 - Rn. 22; 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 74, BAGE 134, 89).

46

(2) Das von der Versorgungsordnung eingesetzte Mittel, die mit Ruhegeld und Sozialversicherungsrente erzielte Gesamtversorgung auf einen bestimmten Höchstsatz des versorgungsfähigen Einkommens zu begrenzen, ist angemessen. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 5 BetrAVG die Festsetzung von Gesamtversorgungsobergrenzen ausdrücklich als ein Mittel zur Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung anerkannt. Die durch § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999 ggf. erfolgende Kürzung des Ruhegeldes beeinträchtigt die Interessen der betroffenen Beschäftigten nur unwesentlich. Die Vorschrift legt lediglich Höchstgrenzen fest. Diese greifen erst dann, wenn der von den Tarifvertragsparteien beabsichtigte Umfang der Gesamtversorgung, der den Betriebsrentnern zur Verfügung stehen soll, um ihren Lebensunterhalt nach Eintritt des Versorgungsfalls zu bestreiten, überschritten wird.

47

(3) Die Regelung in § 20 Nr. 1 Satz 2 TV A 21/1999 ist auch erforderlich, weil nur durch die Begrenzung der mit Ruhegeld und Sozialversicherungsrente erzielten Gesamtversorgung auf eine bestimmte Obergrenze des versorgungsfähigen Einkommens die vom Arbeitgeber höchstens zu erbringenden Versorgungsleistungen hinreichend sicher kalkulierbar sind.

48

2. Danach beträgt die garantierte Rente des Klägers zum Berechnungsstichtag 31. Dezember 2004 720,79 Euro.

49

Bei einem versorgungsfähigen Einkommen des Klägers iSd. § 11 TV A 21/1999 iHv. 2.837,00 Euro und einer bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres erreichbaren versorgungsfähigen Dienstzeit des Klägers - gerechnet nach § 13 Nr. 1 TV A 21/1999 ab dem 21. Lebensjahr - von 42 Jahren (28. Januar 1976 bis 28. Januar 2018), errechnet sich bei einem Ruhegeldsatz iHv. 75 % ein Ruhegeld nach § 17 TV A 21/1999 iHv. 2.127,75 Euro. Hierauf ist nach § 20 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 die um die anrechnungsfreien Anteile nach § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 gekürzte fiktive Sozialversicherungsrente des Klägers in Abzug zu bringen. Die auf die Vollendung des 63. Lebensjahres hochgerechnete Sozialversicherungsrente des Klägers beläuft sich unstreitig auf 1.769,03 Euro. Nach § 21 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 bleibt hiervon ein Anteil von jeweils 0,04 % für jeden „im städtischen Dienst“ zurückgelegten Beitragsmonat in der gesetzlichen Rentenversicherung von der Rentenanrechnung frei. Da die Bestimmung die Betriebstreue der Arbeitnehmer honorieren soll, sind nicht nur die Beschäftigungszeiten des Klägers bei der Stadt München, sondern auch die Beschäftigungszeiten bei der Beklagten zu berücksichtigen. Die möglichen Beitragsmonate des Klägers bis zur Vollendung seines 63. Lebensjahres (vom 1. März 1974 bis zum 31. Januar 2018) betragen somit insgesamt 527 Monate. Dementsprechend ist die fiktive Sozialversicherungsrente des Klägers um 21,08 % (= 527 x 0,04 %), dh. um 372,91 Euro zu mindern, so dass sich eine auf das Ruhegeld anrechenbare Sozialversicherungsrente iHv. 1.396,12 Euro ergibt (1.769,03 - 372,91 Euro). Damit beläuft sich das - fiktive - Ruhegeld des Klägers nach § 20 Nr. 1 Satz 1 TV A 21/1999 auf 731,63 Euro(2.127,75 - 1.396,12 Euro).

50

Dieser Betrag übersteigt allerdings zusammen mit der fiktiven Sozialversicherungsrente iHv. 1.769,03 Euro die für den Kläger nach § 20 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b TV A 21/1999 geltende Höchstgrenze von 86 % seines versorgungsfähigen Einkommens, dh. 2.439,82 Euro (86 % von 2.837,00 Euro), um 60,84 Euro (731,63 Euro + 1.769,03 Euro = 2.500,66 Euro). Um diesen Betrag ist deshalb das Ruhegeld des Klägers zu kürzen, so dass sich eine garantierte Rente zum Berechnungsstichtag 31. Dezember 2004 iHv. 670,79 Euro ergibt. Da der Kläger zu diesem Zeitpunkt das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, ist dieser Betrag nach § 11 Abs. 3 Satz 4 VersTV um eine Entwicklungszulage iHv. 50,00 Euro zu erhöhen. Damit beträgt die garantierte Rente des Klägers zum Berechnungsstichtag 31. Dezember 2004 720,79 Euro.

51

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Spinner    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Blömeke    

        

    H. Frehse    

                 

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Juli 2011 - 8 Sa 300/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Höhergruppierungsgewinn.

2

Die im Juni 1952 geborene Klägerin ist seit Juli 1989 als Buchhalterin beim beklagten Land beschäftigt. Sie ist in der Abteilung Wirtschaftsstrafsachen der Staatsanwaltschaft D eingesetzt. Nach dem Arbeitsvertrag bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung.

3

Die Klägerin war zunächst in Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1b der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Zum 1. Februar 1991 wurde sie in Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1a der Anlage 1a zum BAT höhergruppiert, weil ihr eine höherwertige Tätigkeit übertragen wurde. Aufgrund Bewährungsaufstiegs wurde sie zum 1. Februar 1997 in Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 2 der Anlage 1a zum BAT höhergruppiert.

4

Zum 1. November 2006 wurde die Klägerin nach Anlage 2 Teil A des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) in Entgeltgruppe 9 übergeleitet („IVb nach Aufstieg aus Vb“). Die Zuordnung zu einer der fünf Entgeltstufen der Entgeltgruppe 9 (§ 16 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder [TV-L]) richtete sich nach §§ 5, 6 TVÜ-Länder. Das für die Klägerin ermittelte Vergleichsentgelt betrug 3.107,01 Euro und lag damit 127,01 Euro über dem Tabellenentgelt der höchsten Entgeltstufe 5 der Entgeltgruppe 9. Die Klägerin wurde deshalb nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 TVÜ-Länder einer individuellen Endstufe der Entgeltgruppe 9 zugeordnet (sog. Stufe 5+). Ihre Vergütung nahm seitdem an Tarifentgelterhöhungen teil.

5

In der Abteilung Wirtschaftsstrafsachen der Staatsanwaltschaft D arbeitet neben der Klägerin eine im November 1954 geborene und seit Mai 2003 beim beklagten Land beschäftigte Buchhalterin (Referenzperson). Auch das Arbeitsverhältnis der Referenzperson unterfiel ursprünglich dem BAT und wurde zum 1. November 2006 in den TV-L übergeleitet. Die Referenzperson war zunächst in Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1a der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Anders als die Klägerin hatte sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV-L den Bewährungsaufstieg in Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 2 der Anlage 1a zum BAT noch nicht vollzogen. Zum 1. November 2006 wurde die Referenzperson nach Anlage 2 Teil A TVÜ-Länder in Entgeltgruppe 9 übergeleitet („Vb mit ausstehendem Aufstieg nach IVb“). Das für sie ermittelte Vergleichsentgelt betrug 2.805,46 Euro und lag zwischen den Entgeltstufen 4 und 5 der Entgeltgruppe 9. Daher wurde sie einer individuellen Zwischenstufe der Entgeltgruppe 9 zugeordnet (sog. Stufe 4+). Zum 1. November 2008 erfolgte der Aufstieg in die nächsthöhere reguläre Stufe 5 der Entgeltgruppe 9 nach § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder.

6

§ 8 TVÜ-Länder lautete idF des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 1. März 2009 auszugsweise:

        

„…    

        
        

(2)     

1Beschäftigte, die aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O in eine der Entgeltgruppen 2 sowie 9 bis 15 übergeleitet werden und …, erhalten ab dem Zeitpunkt, zu dem sie nach bisherigem Recht höhergruppiert wären, in ihrer bisherigen Entgeltgruppe Entgelt nach derjenigen individuellen Zwischen- beziehungsweise Endstufe, die sich ergeben hätte, wenn sich ihr Vergleichsentgelt (§ 5) nach der Vergütung aufgrund der Höhergruppierung bestimmt hätte. 2Ein etwaiger Strukturausgleich wird ab dem individuellen Aufstiegszeitpunkt nicht mehr gezahlt. ...

        

(3)     

1Abweichend von Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 gelten die Absätze 1 beziehungsweise 2 auf schriftlichen Antrag entsprechend für übergeleitete Beschäftigte, die bei Fortgeltung des BAT/BAT-O bis spätestens zum 31. Dezember 2010 wegen Erfüllung der erforderlichen Zeit der Bewährung oder Tätigkeit höhergruppiert worden wären, unabhängig davon, ob die Hälfte der erforderlichen Bewährungs- oder Tätigkeitszeit am Stichtag erfüllt ist. 2In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 erhalten Beschäftigte, die in der Zeit zwischen dem 1. November 2008 und dem 31. Dezember 2010 bei Fortgeltung des BAT/BAT-O höhergruppiert worden wären, in ihrer bisherigen Entgeltgruppe Entgelt nach derjenigen individuellen Zwischen- oder Endstufe, die sich aus der Summe des bisherigen Tabellenentgelts und dem nach Absatz 2 ermittelten Höhergruppierungsgewinn nach bisherigem Recht ergibt; die Stufenlaufzeit bleibt hiervon unberührt. …

        

…“    

        
7

Die ursprüngliche Fassung des TVÜ-Länder vom 12. Oktober 2006 hatte in § 8 Abs. 3 lediglich eine Frist bis 31. Oktober 2008 enthalten. Die zitierten Passagen des § 8 TVÜ-Länder idF vom 1. März 2009 blieben von den späteren Änderungstarifverträgen Nr. 3 vom 10. März 2011 und Nr. 4 vom 2. Januar 2012 bis auf den Stichtag des 31. Dezember 2010 unberührt. Die Tarifvertragsparteien einigten sich mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 3 stattdessen auf den 31. Oktober 2012.

8

Die Referenzperson beantragte am 13. Juli 2009 die Eingruppierung in Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 2, die ihr bei Fortgeltung des BAT seit 2. Mai 2009 zugestanden hätte. Für sie wurde ein Höhergruppierungsgewinn von 292,33 Euro ermittelt, den sie zusätzlich zum Tabellenentgelt der Entgeltgruppe 9 Stufe 5 TV-L erhielt. Seit der ab Januar 2011 wirkenden Tarifentgelterhöhung betrug der Höhergruppierungsgewinn 295,84 Euro.

9

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Ergebnis der Überleitung in den TV-L verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und das Gebot der gleichen Vergütung für gleiche Arbeit. Obwohl sie und die Referenzperson die gleiche Tätigkeit ausübten und die Referenzperson eine deutlich geringere Betriebszugehörigkeit aufweise, erhalte diese eine erheblich höhere Vergütung. Das sei unter keinem sachlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt. Es handle sich zudem um eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters iSv. §§ 1, 7 AGG. § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder benachteilige typischerweise ältere Beschäftigte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV-L bereits ihren Bewährungsaufstieg vollzogen hätten. Die Ungleichbehandlung könne nur durch Angleichung nach oben kompensiert werden.

10

Die Klägerin erstrebt deswegen für die Zeit von Mai 2009 bis Dezember 2010 Höhergruppierungsgewinn in Höhe der an die Referenzperson geleisteten Beträge von monatlich 292,33 Euro brutto, hilfsweise den Höhergruppierungsgewinn der Referenzperson abzüglich des eigenen individuellen Entgeltanteils von 133,90 Euro brutto. Für die Zeit ab Januar 2011 will die Klägerin festgestellt wissen, dass ihr der Höhergruppierungsgewinn der Referenzperson von 295,84 Euro brutto zu zahlen sei, hilfsweise gekürzt um den eigenen individuellen Vergütungsanteil von 135,51 Euro brutto.

11

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 5.847,10 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen;

                 

das beklagte Land hilfsweise zu verurteilen, an sie 3.168,60 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihr ab Januar 2011 das ihr zustehende Grundgehalt zuzüglich des Höhergruppierungsgewinns in Höhe von derzeit 295,84 Euro zu zahlen;

                 

hilfsweise festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihr ab Januar 2011 das ihr zustehende Grundgehalt zuzüglich der Differenz aus dem Höhergruppierungsgewinn in Höhe von derzeit 295,84 Euro abzüglich individueller Endstufe in Höhe von derzeit 135,51 Euro zu zahlen.

12

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Ergebnis der Überleitung in den TV-L verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und sei auch keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder verfolge den Zweck, die Aussicht auf einen im Jahr 2006 noch nicht vollzogenen und unter Geltung des TV-L auch nicht mehr vollziehbaren Bewährungsaufstieg zu schützen, indem ein Höhergruppierungsgewinn gewährt werde. Der durch die Überleitung in den TV-L entstehende Nachteil - der Verlust des Bewährungsaufstiegs - sei im Fall der Referenzperson möglicherweise überkompensiert worden. Dadurch werde die Klägerin aber nicht benachteiligt. Sie habe ihren Bewährungsaufstieg bereits unter Geltung des BAT vollzogen und sei mit dem entsprechend höheren Entgelt in den TV-L übergeleitet worden. Als Rechtsfolge einer Ungleichbehandlung komme jedenfalls keine Angleichung nach oben in Betracht. Die Ausdehnung einer in Einzelfällen eingetretenen Überkompensation auf die Gesamtheit der Beschäftigten widerspreche dem Willen der Tarifvertragsparteien. Sie hätten mit § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder nur tatsächliche Nachteile ausgleichen, keine zusätzlichen Vorteile gewähren wollen. Die Klägerin könne auch nicht verlangen, gerade mit der ausgewählten Referenzperson gleichbehandelt zu werden. Der Höhergruppierungsgewinn könne je nach Lebensalter und Ortszuschlag geringer oder höher ausfallen. Die Klägerin habe allenfalls Anspruch darauf, nach denselben Berechnungsmaßstäben wie die Referenzperson behandelt zu werden, nicht jedoch mit demselben Berechnungsergebnis.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

15

A. Die Revision ist entgegen der Auffassung des beklagten Landes ordnungsgemäß ausgeführt.

16

I. Zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung gehört die Angabe der Revisionsgründe (§ 72 Abs. 5 ArbGG, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Die Revisionsbegründung muss sich mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen (st. Rspr., vgl. zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 11; 16. Juli 2013 - 9 AZR 50/12 - Rn. 11). Hat das Berufungsgericht über mehrere Streitgegenstände entschieden, muss die Revisionsbegründung sämtliche Streitgegenstände behandeln, wenn sie die Entscheidung hinsichtlich aller Streitgegenstände angreifen will (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 482/12 - Rn. 20). Fehlt zu einem Streitgegenstand ein Revisionsangriff, ist das Rechtsmittel unzulässig (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 13; 24. März 2011 - 6 AZR 691/09 - Rn. 17).

17

II. Nach diesen Maßstäben ist die Revision ordnungsgemäß begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Abweisung der Anträge auf drei selbständig tragende Erwägungen gestützt, mit denen sich die Revision in hinreichendem Maß auseinandersetzt.

18

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, schon die Referenzperson habe aufgrund einer am Zweck der Tarifnorm orientierten einschränkenden Auslegung von § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder keinen Anspruch auf Höhergruppierungsgewinn. Diesen Ansatz greift die Revision ausdrücklich argumentativ an.

19

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Klageabweisung zudem darauf gestützt, dass die Klägerin selbst bei unterstelltem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und §§ 1, 7 AGG keinen Anspruch auf den zusätzlichen Vorteil eines Höhergruppierungsgewinns habe. Eine Beseitigung der Ungleichbehandlung durch eine Anpassung nach oben weite den Kreis der Anspruchsberechtigten erheblich aus und verletze die von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Kompetenz der Tarifvertragsparteien, den Dotierungsrahmen für tarifliche Leistungen festzulegen. Auch diesen Ansatz der Rechtsfolgenbewertung durch das Landesarbeitsgericht rügt die Revision ausdrücklich und setzt sich mit ihm auseinander.

20

3. Das Landesarbeitsgericht hat die Klageabweisung schließlich damit begründet, die Klägerin habe die Höhe des Nachteils, der ihr durch die - unterstellte - Ungleichbehandlung entstanden sei, nicht schlüssig dargelegt.

21

a) Das Berufungsgericht ist in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, der Umfang des Nachteils der Klägerin lasse sich nicht anhand des Höhergruppierungsgewinns der Referenzperson bemessen. Bei ihm handle es sich um einen Zufallsbetrag, der entscheidend von den persönlichen Daten der Referenzperson (Lebensaltersstufe und Ortzuschlag) bestimmt werde. Maßgeblich könne allein der Höhergruppierungsgewinn sein, den die Klägerin auf der Grundlage der eigenen persönlichen Daten erzielt hätte, wenn sie den Bewährungsaufstieg erst in der Zeit seit 1. November 2008 absolviert hätte.

22

b) Die Klägerin hat sich auch mit diesem Begründungsstrang hinreichend befasst. Das ergibt die gebotene Auslegung ihrer Sachanträge. Ihr vorrangiges Prozessziel ist es sowohl im Rahmen der Leistungs- als auch der Feststellungsanträge, einen Ausgleich in Höhe des Höhergruppierungsgewinns der Referenzperson zu erlangen bzw. eine entsprechende Verpflichtung des beklagten Landes feststellen zu lassen. Hilfsweise stützt sie sich jedoch auf einen weiteren Lebenssachverhalt, die Berechnungsgrundlagen ihres eigenen fiktiven Höhergruppierungsgewinns (trotz des vollzogenen Bewährungsaufstiegs), den sie auf die Maximalhöhe des Höhergruppierungsgewinns der Referenzperson beschränkt (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

23

B. Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

24

I. Die Klage ist auch hinsichtlich der Feststellungsanträge zulässig.

25

1. Die Feststellungsanträge sind in der gebotenen Auslegung ausreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin bezieht sich auf einen Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder. Sie versteht unter „Grundgehalt“ im Rahmen der Feststellungsanträge ihre monatliche Vergütung nach Entgeltgruppe 9 in Stufe 5+ TV-L. Die Berechnungsgrundlagen für die erstrebte Feststellung sind damit hinreichend konkretisiert.

26

2. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Der im Haupt- und Hilfsverhältnis angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die gegenwärtigen und künftigen Ansprüche der Klägerin auf Höhergruppierungsgewinn beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden (vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 350/10 - Rn. 12). Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses. Dafür sprechen ua. prozessökonomische Gründe. Die Klägerin war deshalb nicht gehalten, weitere objektiv gehäufte, auf die monatlichen Beträge des Höhergruppierungsgewinns gerichtete Leistungsklagen zu erheben (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 24).

27

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen keine Ansprüche auf Höhergruppierungsgewinn zu.

28

1. Die erhobenen Ansprüche scheitern allerdings nicht bereits daran, dass die Referenzperson keinen Anspruch auf Höhergruppierungsgewinn aus § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder hat. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, die der Referenzperson Ansprüche auf Höhergruppierungsgewinn abspricht, trifft nicht zu.

29

a) Der Wortlaut der § 6 Abs. 1 Satz 4, § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ist eindeutig. Danach hat die Referenzperson einen tariflichen Anspruch auf den gezahlten Höhergruppierungsgewinn, ohne dass eine Kappungsgrenze für den Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder oder eine Anrechnung des durch den Stufenaufstieg nach § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder erlangten Vorteils zu beachten ist. Anhaltspunkte für eine unbeabsichtigte Tariflücke oder ein Redaktionsversehen bestehen nicht.

30

b) Nichts anderes folgt aus dem Sinn und Zweck von § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder.

31

aa) Die Regelung soll den Besitzstand von Beschäftigten wahren, die bei Fortgeltung des BAT aufgrund Bewährungsaufstiegs höhergruppiert worden wären, deren Aufstiegserwartung sich wegen der Einführung des TV-L aber nicht verwirklichte (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 1; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 255).

32

bb) Für die Referenzperson führt diese Besitzstandsregelung zu einer Besserstellung gegenüber den Beschäftigten, die den Bewährungsaufstieg bereits vor Überleitung in den TV-L vollzogen haben. Diese Besserstellung im Einzelfall ist vom Willen der Tarifvertragsparteien gedeckt. Das ergibt sich nicht nur aus dem erkennbaren Bestreben der Tarifvertragsparteien, eine pauschalierende und damit praxisgerechte Regelung zur Besitzstandswahrung zu schaffen, sondern auch aus der Tarifgeschichte. Die Tarifvertragsparteien haben sich nicht darauf beschränkt, Vorteile aus Bewährungsaufstiegen zu schützen, die bei Fortgeltung des BAT spätestens am 31. Oktober 2008 erreicht worden wären. Der zeitliche Geltungsbereich des § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder wurde gegenüber der Ursprungsfassung vom 12. Oktober 2006 wiederholt erweitert. Durch den Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 1. März 2009 wurde die Frist über den 31. Oktober 2008 hinaus bis 31. Dezember 2010 und durch den Änderungstarifvertrag Nr. 3 vom 10. März 2011 erneut bis 31. Oktober 2012 verlängert. Dadurch wurde der Kreis der Anspruchsberechtigten vergrößert (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 2 f.; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 258).

33

c) Auch die tarifliche Systematik spricht dafür, dass der Regelungsgehalt des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder, wie er sich aus seinem Wortlaut und Zweck sowie seiner Geschichte ergibt, dem Regelungswillen der Tarifvertragsparteien entspricht. So ist in § 8 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Länder vorgesehen, dass ein etwaiger Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Länder im Augenblick des fiktiven Bewährungsaufstiegs entfällt. Dem entspricht die Bestimmung des § 12 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder, wonach Höhergruppierungsgewinne auf einen Strukturausgleich anzurechnen sind. Da ein fiktiver Bewährungsaufstieg durch den Verlust des Strukturausgleichs mit Nachteilen für den Arbeitnehmer verbunden sein kann, sieht § 8 Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder seit dem Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 1. März 2009 ein Antragserfordernis vor und räumt dem Arbeitnehmer damit ein Wahlrecht ein. An dem tariflichen Gesamtzusammenhang zeigt sich, dass die Tarifvertragsparteien den Regelungsgehalt des § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder im Einzelnen ausgestaltet und der Besitzstandswahrung bewusst Grenzen gesetzt haben. Angesichts dessen deutet nichts darauf hin, dass sie versehentlich keine Kappungsgrenze in § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder aufgenommen haben.

34

d) Dieser Regelungswille der Tarifvertragsparteien steht der Annahme einer unbeabsichtigten Tariflücke entgegen. Die Arbeitsgerichte dürfen nicht gegen den erkennbar geäußerten Willen der Tarifvertragsparteien ergänzende tarifliche Regelungen „schaffen“. Das wäre ein unzulässiger Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie (vgl. nur BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 38).

35

2. Das Landesarbeitsgericht hat Ansprüche der Klägerin auf Höhergruppierungsgewinn dennoch im Ergebnis zu Recht verneint. Die Tarifvertragsparteien überschritten mit ihrem Regelungskonzept nicht die Grenzen ihrer Regelungsmacht.

36

a) Der Ausschluss von Arbeitnehmern, die den Bewährungsaufstieg bereits absolviert hatten, von der Begünstigung des Höhergruppierungsgewinns verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Arbeitnehmer, die den Bewährungsaufstieg schon unter Geltung des BAT vollzogen hatten, und Arbeitnehmer, deren Bewährungsaufstieg bei der Überleitung in den TV-L noch ausstand, sind nach dem Regelungskonzept der Tarifvertragsparteien nicht vergleichbar. Die Tarifvertragsparteien durften in dieser Weise unterscheiden.

37

aa) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser Spielraum reicht, hängt von den Differenzierungsmerkmalen im Einzelfall ab. Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen liegt die Einschätzungsprärogative bei den Tarifvertragsparteien. Sie brauchen nicht die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung zu finden (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 43; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 58).

38

bb) Art. 3 Abs. 1 GG untersagt zwar auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss, mit dem ein Personenkreis begünstigt und ein anderer Personenkreis von der Begünstigung ausgenommen wird(vgl. BVerfG 10. Juli 2012 - 1 BvL 2/10, 1 BvL 1 BvL 3/10, 1 BvL 1 BvL 4/10, 1 BvL 1 BvL 3/11 - Rn. 21, BVerfGE 132, 72; 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 1 BvR 2464/07 - Rn. 78, BVerfGE 126, 400; BAG 20. September 2012 - 6 AZR 211/11 - Rn. 16; 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 19). Verfassungsrechtlich erheblich ist aber nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 44; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 59).

39

cc) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 1 BvR 2464/07 - Rn. 79, BVerfGE 126, 400; BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 19). Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 45; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 60). Bei der Gruppenbildung dürfen die Tarifvertragsparteien generalisieren und typisieren. Ihre Verallgemeinerungen müssen allerdings im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen. Die bei einer solchen Typisierung entstehenden unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von derjenigen abweicht, die die Tarifvertragsparteien als typisch angenommen haben, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwerwiegend sind und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 23; 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 28, BAGE 134, 160).

40

dd) Nach diesen Grundsätzen steht § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG.

41

(1) § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ist - wie bereits ausgeführt - eine Besitzstandsregelung mit dem Zweck, die unter Geltung des BAT begründete und mit Einführung des TV-L zunichte gemachte Aussicht auf einen Bewährungsaufstieg auszugleichen. Diese Zielsetzung ist nicht zu beanstanden. Tarifvertragsparteien sind berechtigt, soziale Besitzstände und tatsächliche Aussichten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehen, durch tarifliche Besitzstandsregelungen zu schützen (vgl. BAG 17. April 2013 - 4 AZR 770/11 - Rn. 31 mwN). Die Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ist geeignet, diesen Zweck zu erreichen. Sie ist im Regelfall auch erforderlich und angemessen. Derjenige, der einen Bewährungsaufstieg wegen der Einführung des TV-L nicht mehr erreichen kann, erhält zum Ausgleich den individuellen Höhergruppierungsgewinn ab dem Zeitpunkt seines fiktiven Bewährungsaufstiegs zusätzlich zum Tabellenentgelt des TV-L. Der Arbeitnehmer wird zum Zweck der Eingliederung in das neue Entgeltsystem mit seinem neuen höheren Entgelt einer individuellen Zwischen- oder Endstufe zugeordnet, wobei die Stufenlaufzeit unberührt bleibt. Auf diese Weise bleibt dem Betroffenen sein individueller Höhergruppierungsgewinn mindestens so lange erhalten, bis er auch nach dem neuen Entgeltsystem das gleiche Vergütungsniveau erreicht.

42

(2) Wie sich an der konkreten Referenzperson zeigt, kann die Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder allerdings zu einer Überkompensation der durch die Einführung des TV-L entstandenen Nachteile führen. Arbeitnehmer mit fingiertem Bewährungsaufstieg können gegenüber Arbeitnehmern, deren Bewährungsaufstieg sich bereits unter Geltung des BAT vollzog, bessergestellt sein.

43

(3) Zu einer solchen Überkompensation kommt es jedoch nur in Ausnahmefällen. Sie ist deswegen weder systemwidrig noch besonders schwerwiegend. Da sie nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre, ist sie insgesamt von der Generalisierungs- und Typisierungsbefugnis der Tarifvertragsparteien gedeckt.

44

(a) § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder führt lediglich in bestimmten Fallgestaltungen zu einer Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg gegenüber Arbeitnehmern mit bereits unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg. Diese Konstellationen sind dadurch gekennzeichnet, dass Arbeitnehmer mit fingiertem Bewährungsaufstieg schon durch die Überleitung in den TV-L nach § 4 Abs. 1 TVÜ-Länder iVm. Anlage 2 zum TVÜ-Länder in dieselbe Entgeltgruppe überführt werden wie Arbeitnehmer mit bereits vollzogenem Bewährungsaufstieg. Durch die zusammenfassende Überleitung mehrerer BAT-Vergütungsgruppen in dieselbe Entgeltgruppe des TV-L verlieren Arbeitnehmer mit schon absolviertem Bewährungsaufstieg ihren „Vergütungsgruppenvorsprung“ gegenüber Arbeitnehmern mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg. Der durch den Bewährungsaufstieg erlangte Vorsprung wird hinsichtlich der Eingruppierung nivelliert und wirkt sich nur noch bei der Bildung des Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-Länder und der Stufenzuordnung nach § 6 TVÜ-Länder aus. Erfolgt der fiktive Bewährungsaufstieg des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder zeitlich nach dem Stufenaufstieg des § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder und steht dem Arbeitnehmer durch seine Altersstufe oder seinen Ortszuschlag ein entsprechend hohes Vergleichsentgelt nach § 5 TVÜ-Länder zu, kann es zu einer Besserstellung kommen. Der Arbeitnehmer erreicht durch den Höhergruppierungsgewinn eine neue individuelle Endstufe und erlangt dauerhaft eine höhere Vergütung als Arbeitnehmer, die ihren Bewährungsaufstieg bereits unter Geltung des BAT vollzogen haben (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 66).

45

(b) Die durch § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ausgelöste mögliche Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg gegenüber Arbeitnehmern mit bereits unter Geltung des BAT absolviertem Bewährungsaufstieg ist damit auf wenige Ausnahmefälle in einer Übergangszeit beschränkt. Daher handelt es sich weder um eine systemwidrige noch um eine besonders schwerwiegende Begünstigung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg.

46

(c) Hinzu kommt, dass der fingierte Bewährungsaufstieg nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder nicht ausschließlich mit Vorteilen für die betroffenen Arbeitnehmer verbunden ist. Der Höhergruppierungsgewinn wird bei Empfängern von Strukturausgleich angerechnet (§ 12 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder). Auch bei der Jahressonderzahlung (§ 20 TV-L)kann sich eine Höhergruppierung wegen der nach Entgeltgruppen gestaffelten Bemessungssätze nachteilig auswirken. Nachteilige Effekte können ferner eintreten, wenn der Beschäftigte bislang eine persönliche Zulage nach § 14 Abs. 3 TV-L erhält(vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 275a).

47

(d) Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch Arbeitnehmer mit bereits unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg unter Wahrung des Besitzstands in den TV-L übergeleitet wurden. Der aus dem Bewährungsaufstieg erwachsene Vergütungsvorteil floss in das Vergleichsentgelt nach § 5 TVÜ-Länder ein und führte dazu, dass diese Arbeitnehmer einer höheren Entgeltstufe zugeordnet wurden als Arbeitnehmer mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg. Sie erlangten also zumindest für eine Übergangszeit einen Vorteil gegenüber Arbeitnehmern ohne absolvierten Bewährungsaufstieg.

48

(e) Eine Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder gegenüber Arbeitnehmern mit schon unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg ließe sich auch nur unter erheblichen Schwierigkeiten vollständig ausschließen. Eine solche Besserstellung hängt nicht nur vom Zusammenspiel der Regelungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 und § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder ab, sondern insbesondere auch von der Höhe des Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-Länder, das an die Altersstufe und den Ortszuschlag des betroffenen Arbeitnehmers anknüpft. Da die Überleitung in den TV-L vom System der Besitzstandswahrung ausgeht, müsste eine Anrechnungs- oder Abschmelzungsregelung nach der Ursache der Überkompensation unterscheiden, damit Arbeitnehmer, die von einem fingierten Bewährungsaufstieg profitieren, nicht wiederum gegenüber den von § 5 TVÜ-Länder begünstigten Arbeitnehmern benachteiligt würden.

49

b) Ansprüche der Klägerin auf Höhergruppierungsgewinn ergeben sich schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG.

50

aa) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Um eine unmittelbare Benachteiligung handelt es sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 AGG gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Anderes gilt dann, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sind, um das Ziel zu erreichen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, handelt es sich schon tatbestandlich nicht um eine Benachteiligung iSv. § 7 Abs. 1 AGG(vgl. zB BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 49; 23. April 2013 - 1 AZR 916/11 - Rn. 15).

51

bb) § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder knüpft nicht unmittelbar an das Lebensalter, sondern an den Umstand eines noch ausstehenden Bewährungsaufstiegs an. Damit handelt es sich nicht um eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters.

52

cc) Der Senat kann offenlassen, ob die von § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder getroffene Unterscheidung danach, ob ein Beschäftigter bereits unter Geltung des BAT seinen Bewährungsaufstieg absolviert hat oder ob der Bewährungsaufstieg noch aussteht, regelmäßig zu einer mittelbaren Benachteiligung älterer Arbeitnehmer führt. Eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer wäre jedenfalls sachlich gerechtfertigt.

53

(1) Eine mittelbare Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals kann nach § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG durch ein legitimes Ziel und die Wahl verhältnismäßiger Mittel zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt werden. Rechtmäßige Ziele iSv. § 3 Abs. 2 AGG können alle nicht diskriminierenden und auch im Übrigen legalen Ziele sein. Die differenzierende Maßnahme muss geeignet und erforderlich sein, um das legitime Ziel zu erreichen, und einen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte des Benachteiligten darstellen (vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 42 mwN). Letztlich ist § 3 Abs. 2 AGG eine spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG(vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 27, BAGE 140, 83).

54

(2) Daran gemessen wäre eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer durch § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Die Tarifvertragsparteien haben im Rahmen der ihnen zukommenden Generalisierungs- und Typisierungsbefugnis eine Regelung getroffen, die den sozialen Besitzstand von Arbeitnehmern mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg sichern soll. Sie haben damit ein legitimes Ziel mit verhältnismäßigen Mitteln verfolgt, wie sich aus den Ausführungen zu Art. 3 Abs. 1 GG ergibt.

55

C. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. März 2011 - 2 Sa 1246/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe einer der Klägerin auf der Grundlage des Tarifvertrags über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr vom 18. Juli 2001 (TV UmBw) gezahlten persönlichen Zulage zur Einkommenssicherung.

2

Die 1964 geborene Klägerin ist seit dem 16. Mai 2001 bei der Beklagten beschäftigt. Arbeitsvertraglich war die Geltung des Manteltarifvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) vom 6. Dezember 1995 und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung vereinbart. Zum 1. Oktober 2005 wurde die Klägerin in den TVöD übergeleitet. Sie wurde wie zuvor nach dem Leistungslohnverfahren auf der Grundlage der Gedingerichtlinien vom 1. April 1964 vergütet.

3

Die Klägerin war seit ihrer Einstellung im damaligen Gerätehauptdepot K beschäftigt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde dieses Depot im Jahr 2007 zum Materiallager K umgegliedert. Der Klägerin wurden Aufgaben der Nachschubhelferin D/Gabelstaplerfahrerin C übertragen. Dadurch änderte sich ihre Tätigkeit „grundsätzlich“ nicht.

4

Am 13. Dezember 2007 stellte die Beklagte im Einvernehmen mit ver.di den Wegfall der Voraussetzungen für die Weiterführung des Leistungslohnverfahrens im Materiallager K fest. Die Umgliederung von einem Gerätehauptdepot zu einem Materiallager habe zu einem verminderten Arbeitsaufkommen geführt. Sie ordnete die Einstellung des Leistungslohnverfahrens mit Ablauf des 31. Dezember 2007 an. Gemäß Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom 3. Dezember 2007 (18-20-12/03) war dies eine Maßnahme iSd. § 1 Abs. 1 TV UmBw. Seit dem 1. Januar 2008 bezieht die Klägerin keinen Leistungslohn mehr. Sie erhält seitdem eine Lohnsicherung nach § 6 TV UmBw. Die persönliche Zulage betrug zunächst 265,44 Euro brutto.

5

Die maßgeblichen Bestimmungen des TV UmBw idF des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 4. Dezember 2007 lauten:

        

„§ 1   

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Abschnitt I dieses Tarifvertrages gilt für die im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nachfolgend Beschäftigte), die unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) fallen und deren Arbeitsplätze in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis zum 31. Dezember 2010 durch Auflösung oder Verkleinerung von Dienststellen oder durch eine wesentliche Änderung des Aufbaus oder der Aufgaben einer Dienststelle einschließlich damit verbundener Umgliederung oder Verlegung auf Grund der Neuausrichtung der Bundeswehr wegfallen.

        

...     

        
                 

§ 6     

                 

Einkommenssicherung

        

(1)     

Verringert sich bei Beschäftigten auf Grund einer Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 bei demselben Arbeitgeber das Entgelt, wird eine persönliche Zulage in Höhe der Differenz zwischen ihrem Entgelt und dem Entgelt gewährt, das ihnen in ihrer bisherigen Tätigkeit zuletzt zugestanden hat. …

        

...     

                 
        

(3)     

1Die persönliche Zulage nimmt an allgemeinen Entgelterhöhungen teil. 2Ungeachtet von Satz 1 verringert sie sich nach Ablauf der sich aus § 34 Abs. 1 TVöD ohne Berücksichtigung des § 34 Abs. 2 TVöD ergebenden Kündigungsfrist bei jeder allgemeinen Entgelterhöhung bei Beschäftigten, die

                 

a)    

eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt und noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, um ein Drittel,

                 

b)    

noch keine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt haben, um zwei Drittel

                 

des Erhöhungsbetrages. ... 4Die Verringerung unterbleibt in den Fällen, in denen die/der Beschäftigte

                 

a)    

das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt hat,

                 

b)    

eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren zurückgelegt hat oder

                 

c)    

zum Zeitpunkt der Maßnahme nach § 1 Abs. 1 bereits auf Grund einer früheren Personalmaßnahme nach diesem Tarifvertrag,... eine Vergütungs-Lohn- und Entgeltsicherung erhalten hat.

        

...“   

6

Der TV UmBw ist durch Änderungstarifvertrag Nr. 3 vom 10. Dezember 2010 mit Wirkung zum 1. Januar 2011 geändert worden. Die Änderungen haben für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung.

7

Aufgrund der Erhöhung des tariflichen Entgelts um 2,8 % zum 1. Januar 2009 kürzte die Beklagte zum 1. Januar 2009 die persönliche Zulage der Klägerin unter Anwendung der Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b TV UmBw um 37,14 Euro auf 235,73 Euro brutto monatlich. Mit ihrer am 8. April 2009 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin - soweit für die Revision noch von Bedeutung - die Weiterzahlung einer ungekürzten persönlichen Zulage.

8

Die Klägerin hat angeführt, § 6 Abs. 3 TV UmBw enthalte eine unmittelbare und mittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Diese Regelung sei eine reine Besitzstandswahrung zu Lasten jüngerer Beschäftigter. Dies diskriminiere jüngere Beschäftigte wie die Klägerin.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Grundbetrag der persönlichen Zulage gemäß § 6 TV UmBw zuzüglich der jeweils allgemeinen Erhöhung ohne den in § 6 Abs. 3 TV UmBw vorgesehenen Abzug auszuzahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 148,56 Euro für die Monate Dezember 2008 bis März 2009 zu zahlen.

10

Die Beklagte hat geltend gemacht, der TV UmBw finde Anwendung. Ein Wegfall des Arbeitsplatzes iSd. § 1 TV UmBw liege bereits dann vor, wenn ein Wechsel in der Beschäftigung erfolge, der einen niedrigeren Lohn zur Folge habe, auch wenn die wesentliche Tätigkeit des Beschäftigten und der Arbeitsort unverändert bleibe. Die Regelung zur Einkommenssicherung in § 6 Abs. 3 TV UmBw sei nicht altersdiskriminierend. Nicht das Alter der Klägerin, sondern der Umstand, dass sie ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten erst im Jahr 2001 begründet habe, führe zu ihrem Ausschluss aus dem von § 6 Abs. 3 TV UmBw besser geschützten Personenkreis. Die Ungleichbehandlung aufgrund der Betriebszugehörigkeit sei durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. Insoweit hat die Beklagte ua. angeführt, die tarifliche Regelung solle die besondere Betriebstreue von langjährigen (15 Jahre) bzw. sehr langjährigen (25 Jahre) Beschäftigten honorieren. Auch falle es jüngeren Beschäftigten aufgrund ihrer höheren Leistungsfähigkeit leichter, im Rahmen der leistungsorientierten Bezahlung nach § 18 TVöD ein höheres Leistungsentgelt zu erreichen. § 6 Abs. 3 TV UmBw diene daher auch dem Ausgleich der altersbedingten Minderung der Leistungsfähigkeit. Schließlich könnten Beschäftigte, die das 55. Lebensjahr vollendet hätten und/oder eine entsprechende Beschäftigungszeit aufwiesen, Bestands- und Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen.

11

Finde der TV UmBw keine Anwendung, gelte der Grundsatz des Normvollzuges. Dann stünde der Klägerin keine Einkommenssicherung aus § 6 TV UmBw zu. Vielmehr sei sie verpflichtet, bis zur Verfallgrenze die an sie dann zu Unrecht gezahlte Einkommenssicherung zurückzuzahlen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Die Anrechnungsregelungen in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b und Satz 4 Buchst. b TV UmBw verletzen das Verbot der Altersdiskriminierung nicht. Soweit die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw zu einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters von Beschäftigten führt, die jünger als 55 Jahre sind und eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 15, aber weniger als 25 Jahren aufweisen, ist die Klägerin von dieser diskriminierenden Regelung nicht betroffen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

14

I. Der Feststellungsantrag zu 1. ist dahin auszulegen, dass die Klägerin Feststellung erst für die Zeit ab dem 1. April 2009 begehrt, dh. für den Zeitraum, der von dem Leistungsantrag zu 2. nicht mehr umfasst ist.

15

II. Es kann dahinstehen, ob der TV UmBw unmittelbar Anwendung findet oder von der Beklagten lediglich übertariflich angewandt worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob ein Anwendungsfall des TV UmBw vorliegt. Es ist allerdings stillschweigend von der unmittelbaren Anwendbarkeit des TV UmBw ausgegangen. Auf die (unmittelbare) Anwendbarkeit des TV UmBw kommt es jedoch nicht an (zu den Voraussetzungen des Wegfalls eines Arbeitsplatzes iSd. § 1 Abs. 1 TV UmBw BAG 27. Oktober 2005 - 6 AZR 116/05 - und 24. Juli 2004 - 6 AZR 298/03 -). Die Beklagte hat jedenfalls durch den Erlass vom 3. Dezember 2007 die durch diese Maßnahme betroffenen 19 Beschäftigten einheitlich nach den Maßstäben des TV UmBw behandelt. Dies eröffnet ebenso wie eine unmittelbare Geltung des TV UmBw eine Überprüfung darauf, ob die tarifliche Anrechnungsregelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 TV UmBw zu einer Altersdiskriminierung führt. Darum kann dahinstehen, ob die Feststellung im Tatbestand des Berufungsurteils, die Arbeitstätigkeit der Klägerin habe sich durch die Umgliederung „grundsätzlich“ nicht geändert, die die Beklagte weder mit Gegenrügen noch mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen hat, zu einer Bindung des Senats gemäß § 559 Abs. 2 ZPO führt.

16

1. Der Prüfungsmaßstab, nach dem zu ermitteln ist, ob § 6 Abs. 3 TV UmBw altersdiskriminierend ist, hängt nicht davon ab, ob der TV UmBw auf die Einstellung des Leistungslohns im Materiallager K unmittelbar zur Anwendung gelangt oder von der Beklagten, sei es bewusst, sei es unbewusst, lediglich übertariflich auf diese Maßnahme angewandt wird.

17

a) Ist der TV UmBw unmittelbar anwendbar, ist die tarifliche Norm am Maßstab des Art. 3 GG sowie des AGG zu messen(zu Letzterem vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 13, AP BAT § 27 Nr. 12 = EzA EG- Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 25; vgl. zur Bindung der Tarifvertragsparteien an das Verbot der Altersdiskriminierung EuGH 8. September 2011 - C-297/10 - [Hennigs] Rn. 62 - 68, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 22 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 21).

18

b) Hat die Beklagte den TV UmBw bewusst übertariflich angewandt, hat sie das von ihr und ver.di ausgehandelte Regelwerk für den durch den Erlass vom 3. Dezember 2007 erfassten Personenkreis zu ihrem eigenen, selbst gesetzten Ordnungsgefüge gemacht und muss dieses am Maßstab des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes messen lassen. Dieser wird ungeachtet seiner umstrittenen dogmatischen Herleitung inhaltlich durch den Gleichheitssatz bestimmt. Er verbietet damit die sachlich ungerechtfertigte Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage sowie die sachfremde Gruppenbildung (vgl. BAG 17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 29, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 623 Nr. 10; 17. November 1998 - 1 AZR 147/98 - zu III 1 b bb der Gründe, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 162 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 79). Auch Art. 3 Abs. 1 GG untersagt ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen wegen des Alters(vgl. BVerfG 20. März 2001 - 1 BvR 491/96 - zu C II der Gründe, BVerfGE 103, 172; vgl. auch Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 1 Rn. 151). Auch mittelbare Diskriminierungen werden dabei von Art. 3 Abs. 1 GG und deshalb auch durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verboten. Eine solche Berücksichtigung der mittelbaren Diskriminierung im Rahmen des Gleichbehandlungsgebots entspricht der Rechtsentwicklung im Europarecht (vgl. für Art. 3 Abs. 2 GG BVerfG 14. April 2010 - 1 BvL 8/08 - Rn. 65, BVerfGE 126, 29; für Art. 3 Abs. 3 GG BVerfG 18. Juni 2008 - 2 BvL 6/07 - Rn. 48 f., BVerfGE 121, 241; 28. September 1992 - 1 BvR 496/87 - zu II 2 b aa der Gründe, AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 32 unter Übertragung der Ausführungen BVerfG 24. Juni 1958 - 2 BvF 1/57 - zu B III 2 der Gründe, BVerfGE 8, 51 zum Gleichheitssatz bei der Parteienfinanzierung auf die mittelbare Geschlechtsdiskriminierung; vgl. dazu auch Hanau/Preis ZfA 1988, 177, 185).

19

c) Auch wenn die Beklagte den TV UmBw unbewusst übertariflich auf einen tatsächlich nicht von ihm erfassten Fall angewandt hätte, müsste sie ihre Handhabung am AGG messen lassen. Zwar macht sie im Ausgangspunkt rechtlich zutreffend geltend, dass bei vermeintlichem Normvollzug der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht eingreift (vgl. BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 596/09 - Rn. 23, NZA 2011, 1426; 16. Juni 2010 - 4 AZR 928/08 - Rn. 56, NZA-RR 2011, 45). Dies führt jedoch nicht dazu, wie die Beklagte anzunehmen scheint, dass bei vermeintlichem Normvollzug die Gerichte eine altersdiskriminierende Handhabung des Arbeitgebers nicht unterbinden könnten. Auch in diesem Fall wären unmittelbare oder mittelbare Diskriminierungen wegen des Alters bei den Entgeltbedingungen unwirksam, §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 2, § 7 Abs. 2 AGG. Es stellte sich lediglich die Frage, ob in einem solchen Fall der unbewusst übertariflichen Anwendung eines Tarifvertrags die Unwirksamkeit der Norm die von der Klägerin angenommene Rechtsfolge einer uneingeschränkt dynamisierten Einkommenssicherung hätte oder ob dann gar keine Einkommenssicherung erfolgte, wie die Beklagte annimmt. Diese Frage kann der Senat offenlassen, weil die tarifliche Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b TV UmBw, die allein für die Klägerin Wirkung entfaltet, nicht altersdiskriminierend und damit wirksam ist.

20

2. Die Anträge der Klägerin erfassen auch eine etwaige (bewusste oder unbewusste) übertarifliche Anwendung des TV UmBw. Das gilt auch für die Feststellungsklage, die bei der gebotenen Auslegung nicht nur auf die Feststellung eines anrechnungsfesten Anspruchs nach § 6 TV UmBw selbst zielt. Deshalb kann auch unter diesem Gesichtspunkt dahinstehen, ob der TV UmBw unmittelbar oder nur aufgrund übertariflicher Anwendung durch die Beklagte Anwendung findet.

21

a) Die Klägerin nimmt im Feststellungsantrag zwar § 6 TV UmBw ausdrücklich in Bezug. Sie macht jedoch geltend, die von der Beklagten auf sie angewandte Anrechnungsregelung sei altersdiskriminierend. Ausgehend von diesem Rechtsstandpunkt will die Klägerin festgestellt wissen, dass auf sie die Anrechnungsregelung des § 6 Abs. 3 TV UmBw unabhängig von der Rechtsgrundlage, auf der diese Anwendung beruht, nicht anzuwenden ist.

22

b) Diese Auslegung steht im Einklang mit § 308 ZPO. Dadurch ändert sich der Streitgegenstand nicht.

23

aa) Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, es lägen zwei Streitgegenstände vor, wenn eine Eingruppierungsklage zum einen auf die Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen und zum anderen auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch den Arbeitgeber gestützt wird (BAG 15. März 2006 - 4 AZR 73/05 - Rn. 18, AP ZPO § 551 Nr. 63 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 2; 17. April 2002 - 5 AZR 400/00 - zu I 1 der Gründe, AP ZPO § 322 Nr. 34 = EzBAT BAT §§ 22, 23 M. Lehrer Nr. 100). Dem hat sich der Senat angeschlossen und ausgeführt, es handele sich um zwei selbstständige Streitgegenstände, wenn der Anspruch auf eine Zulage zum einen auf §§ 6, 7 TV UmBw und zum anderen auf eine einzelvertragliche Zusage gestützt werde. Die zusammentreffenden Ansprüche seien erkennbar unterschiedlich ausgestaltet und erforderten unterschiedlichen Tatsachenvortrag zum jeweiligen Lebenssachverhalt (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 317/06 - Rn. 15, BAGE 120, 239).

24

bb) Von diesen Fällen unterscheidet sich die vorliegende Konstellation jedoch. Die Klägerin hält bereits die tarifliche Regelung für altersdiskriminierend und will die im TV UmBw vorgesehene Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf die persönliche Zulage auf sich nicht zur Anwendung kommen lassen. Ob sich dies aus einer Unwirksamkeit der Tarifnorm selbst oder aus einer diskriminierenden übertariflichen Anwendungspraxis der Beklagten ergibt, spielt für dieses Begehren keine Rolle und erfordert keinen unterschiedlichen Tatsachenvortrag. Es liegt lediglich eine Anspruchskonkurrenz vor.

25

III. Die Anrechnungsregelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw führt wohl zu einer unmittelbaren Diskriminierung jüngerer Beschäftigter, soweit sie Beschäftigte mit einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 15, aber weniger als 25 Jahren wegen der Vollendung des 55. Lebensjahres begünstigt. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin jedoch nicht. Hinsichtlich der Differenzierung nach der Betriebszugehörigkeit in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b und Satz 4 Buchst. b TV UmBw, von der die Klägerin erfasst wird, fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen einer mittelbaren Altersdiskriminierung.

26

1. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw wird die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 TV UmBw zu zahlende persönliche Zulage dynamisiert. Nach Ablauf der in § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw genannten Frist wird diese Zulage jedoch in Abhängigkeit von Beschäftigungszeit und Lebensalter abgebaut. Sofern nicht der Anrechnungsschutz in § 6 Abs. 3 Satz 4 TV UmBw eingreift, wird in den meisten Fällen die Einkommenssicherung durch Anrechnung von Tariflohnerhöhungen vollständig abgeschmolzen(Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Juni 2006 Teil VI - Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr Erl. 8.1 Bl. 374.103). Nach § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw verringert sich nämlich die Zulage bei jeder „allgemeinen Entgelterhöhung“ um den in Buchst. a und Buchst. b in dieser Vorschrift genannten Teil „des Erhöhungsbetrages“. Anknüpfungspunkt für die Anrechnung ist also schon aufgrund des Wortlauts der Bestimmung der sich aus der allgemeinen Entgelterhöhung ergebende Steigerungsbetrag und nicht der Betrag, um den isoliert betrachtet die Zulage aufgrund der in § 6 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw angeordneten Dynamisierung steigt(zutreffend LAG Saarland 20. Juli 2011 - 2 Sa 20/11 - und - 2 Sa 22/11 -; vgl. ver.di TV UmBw vom 18. Juli 2001 Tarifvertragstext und Erläuterungen zu § 6 Abs. 3; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO Bl. 374.104). Anderenfalls hätte es am Ende des Satzes 2 heißen müssen „des Erhöhungsbetrages nach Satz 1“ bzw. „des Erhöhungsbetrages der persönlichen Zulage“.

27

Aus der Entscheidung des Senats vom 5. Februar 2009 (- 6 AZR 33/08 - ZTR 2009, 325), insbesondere den Ausführungen in Rn. 25 dieser Entscheidung, folgt nichts anderes. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsstreit war ausschließlich die Höhe der persönlichen Zulage nach § 6 TV UmBw nach der Korrektur einer zunächst unzutreffenden Überleitung des Klägers in den TVöD streitbefangen. Um die Berechnung des Abschmelzungsbetrages nach § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw haben die Parteien nicht gestritten, der Senat ist der insoweit unstreitigen Berechnungsweise der Vorinstanzen gefolgt. Aus den Ausführungen in dieser Entscheidung lässt sich deshalb für die Frage, wie die Zulage nach allgemeinen Tariflohnerhöhungen zu verringern ist, nichts entnehmen.

28

2. Bei dieser Anrechnung von Einkommenserhöhungen auf die persönliche Zulage differenziert die Anrechnungsregelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 Buchst. a und Buchst. b TV UmBw hinsichtlich Alter und Betriebszugehörigkeit:

-       

bei Beschäftigten mit weniger als 15 Jahren Beschäftigungszeit erfolgt unabhängig vom Lebensalter eine Anrechnung des Erhöhungsbetrages von zwei Dritteln;

        

-       

bei Beschäftigten, die jünger als 55 Jahre sind, aber mindestens 15 Jahre Beschäftigungszeit aufweisen, erfolgt eine Anrechnung um ein Drittel des Erhöhungsbetrages;

        

-       

bei Beschäftigten, die eine Beschäftigungszeit von mindestens 25 Jahren aufweisen oder nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren ein Lebensalter von mindestens 55 Jahren haben, erfolgt keine Anrechnung.

        

Nur den von § 6 Abs. 3 Satz 4 Buchst. a und Buchst. b TV UmBw erfassten Beschäftigten - sowie unter gänzlich anderen Voraussetzungen den Beschäftigten iSd. § 6 Abs. 3 Satz 4 Buchst. c TV UmBw - wird also eine dauerhafte und dynamisierte Einkommenssicherung gewährt. Bei allen übrigen Beschäftigten wird die persönliche Zulage im Regelfall in unterschiedlich langen Zeiträumen letztlich auf Null abgeschmolzen.

29

3. Diese unterschiedliche Anrechnung führt wohl zu einer unmittelbaren Diskriminierung jüngerer gegenüber älteren Beschäftigten wegen des Alters, soweit sie nach der Vollendung des 55. Lebensjahres differenziert.

30

a) Eine solche Differenzierung erfolgt nur bei Beschäftigten mit einer Beschäftigungszeit von mindestens 15 Jahren, aber weniger als 25 Jahren. Bei identischer Beschäftigungszeit kommt es bei diesem Personenkreis abhängig vom Lebensalter zu Unterschieden in der Einkommenssicherung. So erfolgt bei einem 56-jährigen Beschäftigten mit einer 20-jährigen Beschäftigungszeit keine Anrechnung, seine persönliche Zulage wird uneingeschränkt dynamisiert. Dagegen wird bei einem 44-jährigen Beschäftigten mit einer ebenfalls 20-jährigen Beschäftigungszeit der allgemeine Erhöhungsbetrag zu einem Drittel angerechnet und die persönliche Zulage entsprechend abgebaut. Bei diesem Personenkreis der Beschäftigten mit einer Beschäftigungszeit zwischen 15 und 25 Jahren werden damit jüngere gegenüber älteren Beschäftigten zurückgesetzt und damit benachteiligt.

31

b) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG, das eine derartige Benachteiligung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich. Dabei müsste es sich um ein sozialpolitisches Ziel, zB aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung, handeln (vgl. BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19, EzA AGG § 10 Nr. 5; 18. Januar 2012 - 7 AZR 112/08 - Rn. 41, EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 13; vgl. für Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 81, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 23 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22).

32

aa) Als Rechtfertigungsgrund kommt der von der Beklagten genannte Ausgleich eines angeblichen höheren finanziellen Bedarfs älterer Arbeitnehmer von vornherein nicht in Betracht, weil es sich dabei nicht um ein sozialpolitisches Ziel handelt. Zudem fehlt es an jeglicher nachvollziehbaren Korrelation von Alter und finanziellem Bedarf (vgl. bereits EuGH 8. September 2011 - C-297/10 - [Hennigs] Rn. 70, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 22 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 21).

33

bb) Zwar ist das Ziel der Honorierung der von einem Arbeitnehmer erworbenen Berufserfahrung, die es diesem ermöglicht, seine Arbeit besser zu verrichten, in der Regel ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik (vgl. EuGH 8. September 2011 - C-297/10 - [Hennigs] Rn. 72, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 22 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 21). Für eine gerade nach dem 55. Lebensjahr typischerweise vorliegende besondere Berufserfahrung gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte.

34

cc) Der Ausgleich schlechterer Chancen älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt kann ein legitimes, sozialpolitisches Ziel iSd. § 10 AGG sein(BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 53 ff., EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; 12. April 2011 - 1 AZR 743/09 - Rn. 14 ff., BAGE 137, 310). Ob ein an sich legitimes Ziel tatsächlich eine Benachteiligung wegen des Alters rechtfertigt, kann jedoch nicht ohne Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs, in dem die fragliche Bestimmung steht, geprüft werden. Nur so lässt sich beurteilen, ob das zur Erreichung dieses Ziels eingesetzte Mittel geeignet und erforderlich zur Erreichung dieses Ziels und damit verhältnismäßig ist.

35

§ 6 TV UmBw bezweckt nicht den Schutz des Beschäftigten vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes und will nicht schlechtere Chancen Älterer auf dem Arbeitsmarkt ausgleichen. Durch § 6 TV UmBw soll vielmehr jedenfalls vorübergehend der Einkommensverlust ausgeglichen werden, der dadurch eintritt, dass ein Beschäftigter durch die Umstrukturierung der Bundeswehr zwar seinen konkreten Arbeitsplatz verloren hat, für ihn aber im Bereich der Bundeswehr eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Der von einem solchen Einkommensverlust Betroffene ist nicht gehindert, sich auf dem freien Arbeitsmarkt einen neuen, ihn besser vergütenden Arbeitgeber zu suchen. Vor einer solchen Arbeitsplatzsuche will ihn aber § 6 TV UmBw nicht schützen.

36

dd) Ob auch der von der Beklagten erstinstanzlich angeführte Ausgleich alterungsbedingter Minderungen der Leistungsfähigkeit durch eine Verdienstsicherungsklausel ein legitimes Ziel iSv. § 10 AGG darstellen kann, kann dahinstehen (bejahend Linsenmaier RdA 2003, Sonderbeil. zu Heft 5, 22, 29; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 98; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 5 Rn. 18; zweifelnd und differenzierend Glajcar Altersdiskriminierung durch tarifliche Vergütung 158 ff., der Verdienstsicherungsklauseln nur für zulässig hält, wenn es sich um Tätigkeiten handelt, bei denen ein höheres Alter nachweisbar zu geringerer Produktivität führt, und darüber hinaus verlangt, dass die Verdienstsicherungsregelung die Beschäftigten positiv und negativ an den Änderungen der alten Tarifgruppe teilhaben lässt). Die Beklagte hat sich insoweit darauf berufen, dass es jüngeren Beschäftigten aufgrund ihrer höheren Leistungsfähigkeit leichter falle, im Rahmen der leistungsorientierten Bezahlung nach § 18 TVöD ein höheres Leistungsentgelt zu erreichen. Sie hat jedoch nicht vorgetragen, dass bei der Bundeswehr in größerem Umfang die zur Ausgestaltung des § 18 TVöD und des Tarifvertrags über das Leistungsentgelt für die Beschäftigten des Bundes(LeistungsTV-Bund) vom 25. August 2006 erforderlichen Dienst- bzw. Betriebsvereinbarungen geschlossen worden sind und damit überhaupt ein differenziertes Leistungsentgelt gezahlt wird. Zudem steht dieser Vortrag in einem von der Beklagten nicht aufgelösten Widerspruch zu ihrer Behauptung, ältere Beschäftigte hätten eine größere Berufserfahrung und würden deshalb eine bessere Arbeitsqualität erbringen.

37

c) Zu dem durch § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw diskriminierten Personenkreis gehört die Klägerin jedoch nicht. Zwar lässt sich dieser Regelung nicht der Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen, dass die für die Einkommenssicherung nach diesen Bestimmungen maßgeblichen Parameter Beschäftigungszeit und Lebensalter im Sinne einer Stichtagsregelung bereits bei Beginn der Einkommenssicherung erfüllt sein müssen. Vielmehr kann der Beschäftigte während der Dauer der Einkommenssicherung, sofern noch ein zu sichernder Betrag vorhanden ist, in die begünstigenden Regelungen des § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a und Satz 4 Buchst. a und Buchst. b TV UmBw hineinwachsen. Die seit dem 16. Mai 2001 beschäftigte Klägerin wies jedoch weder bei Beginn der Einkommenssicherung am 1. Januar 2008 noch im Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung am 15. November 2012 eine Beschäftigungszeit von mindestens 15 Jahren auf.

38

4. Soweit § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b und Satz 4 Buchst. b TV UmBw bei der Anrechnung von allgemeinen Erhöhungen nach der Beschäftigungszeit differenzieren, führt dies nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters, weil die dadurch erfolgende mittelbare Begünstigung älterer Beschäftigter gerechtfertigt ist. Diese tarifliche Regelung belohnt die Betriebstreue langjährig Beschäftigter.

39

a) Die Regelungen in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b und Satz 4 Buchst. b TV UmBw knüpfen nicht unmittelbar an das Lebensalter, sondern an die Betriebszugehörigkeit an. Bis zu einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren erfolgt eine Anrechnung von zwei Dritteln des allgemeinen Erhöhungsbetrages, ab einer Beschäftigungszeit von mindestens 25 Jahren unterbleibt die Anrechnung völlig. In beiden Fällen kommt es nach der tariflichen Regelung auf das Lebensalter nicht ausdrücklich an. Bei einem 44-jährigen Beschäftigten mit einer Beschäftigungszeit von 25 Jahren erfolgt keine Anrechnung der Erhöhung, bei einem 60-jährigen Beschäftigten mit einer 14-jährigen Beschäftigungszeit werden dagegen zwei Drittel des Erhöhungsbetrages angerechnet. Zu dem von § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b TV UmBw erfassten Personenkreis gehört die Klägerin, die auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 15. November 2012 noch keine Beschäftigungszeit von mindestens 15 Jahren aufwies.

40

b) Die Anrechnungsregelungen in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b und Satz 4 Buchst. b TV UmBw sind damit dem Anschein nach hinsichtlich des Merkmals „Alter“ neutral. Die Differenzierung nach der Betriebszugehörigkeit führt jedoch regelmäßig zu einer mittelbaren Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer. Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit sind jedenfalls typischerweise älter als Arbeitnehmer mit kürzerer Betriebszugehörigkeit. Zwar können auch ältere Arbeitnehmer eine nur kurze Betriebszugehörigkeit haben, wie das soeben gebildete Beispiel zeigt. Eine lange Betriebszugehörigkeit können aber Arbeitnehmer in jungen Jahren noch nicht erlangt haben. Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass Differenzierungen nach der Betriebszugehörigkeit zu einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters führen können. Andernfalls wäre es nicht erforderlich, in § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG eine derartige Differenzierung als „unterschiedliche Behandlung wegen des Alters“ ausdrücklich zu gestatten(vgl. BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 29 f., BAGE 131, 61; vgl. auch 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 58, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84).

41

Angesichts dieser offenkundigen mittelbaren Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter durch das Abstellen auf die Beschäftigungszeit und damit Betriebszugehörigkeit in § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin zum Nachweis einer mittelbaren Altersdiskriminierung nichts vorgetragen hat(zu den entsprechenden Anforderungen BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20 f., BAGE 134, 160).

42

c) Eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen eines verpönten Merkmals kann gemäß § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG durch ein legitimes Ziel und die Wahl von verhältnismäßigen Mitteln zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt werden. Rechtmäßige Ziele iSd. § 3 Abs. 2 AGG können alle nicht ihrerseits diskriminierenden und auch sonst legalen Ziele sein. Es muss sich also nicht wie bei der Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 10 AGG bzw. Art. 6 RL 2000/78/EG um sozialpolitische Ziele handeln. Die differenzierende Maßnahme muss allerdings zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet und erforderlich sein und einen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte des Benachteiligten darstellen (BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 237 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 38; 28. Januar 2010 - 2 AZR 764/08 - Rn. 19, BAGE 133, 141; 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 30 f., BAGE 131, 342; vgl. für eine Rechtfertigung einer mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung EuGH 31. März 1981 - C-96/80 - [Jenkins] Rn. 12, Slg. 1981, 911). In einem solchen Fall führt die Ungleichbehandlung zu keiner mittelbaren Diskriminierung (vgl. für Art. 2 RL 2000/78/EG EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 59, Slg. 2009, I-1569 und BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 26, aaO; vgl. für § 3 Abs. 2 AGG BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 30, aaO).

43

d) Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Tarifvertragsparteien differenzieren mit den Regelungen in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b und Satz 4 Buchst. b TV UmBw nach der Beschäftigungsdauer und honorieren damit eine längere Betriebstreue (vgl. zu diesem Zweck des Abstellens auf die Betriebszugehörigkeit BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 58, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84). Beschäftigte mit längerer Betriebstreue können in besonderem Maße darauf vertrauen, dass ihr durch § 6 TV UmBw gesicherter Besitzstand erhalten bleibt. Darüber hinaus fällt es Beschäftigten mit längerer Betriebszugehörigkeit und damit typischerweise höherem Lebensalter erfahrungsgemäß schwerer, den erreichten Besitzstand auf andere Weise, insbesondere durch einen Arbeitsplatzwechsel innerhalb der Bundeswehr, aber auch zu einem privaten Arbeitgeber, zu sichern. Ältere Arbeitnehmer sind insoweit häufig weniger flexibel als jüngere Arbeitnehmer (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 56, aaO).

44

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Uwe Zabel    

        

    Katrin Kammann    

                 

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Juli 2011 - 8 Sa 300/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Höhergruppierungsgewinn.

2

Die im Juni 1952 geborene Klägerin ist seit Juli 1989 als Buchhalterin beim beklagten Land beschäftigt. Sie ist in der Abteilung Wirtschaftsstrafsachen der Staatsanwaltschaft D eingesetzt. Nach dem Arbeitsvertrag bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung.

3

Die Klägerin war zunächst in Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1b der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Zum 1. Februar 1991 wurde sie in Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1a der Anlage 1a zum BAT höhergruppiert, weil ihr eine höherwertige Tätigkeit übertragen wurde. Aufgrund Bewährungsaufstiegs wurde sie zum 1. Februar 1997 in Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 2 der Anlage 1a zum BAT höhergruppiert.

4

Zum 1. November 2006 wurde die Klägerin nach Anlage 2 Teil A des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) in Entgeltgruppe 9 übergeleitet („IVb nach Aufstieg aus Vb“). Die Zuordnung zu einer der fünf Entgeltstufen der Entgeltgruppe 9 (§ 16 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder [TV-L]) richtete sich nach §§ 5, 6 TVÜ-Länder. Das für die Klägerin ermittelte Vergleichsentgelt betrug 3.107,01 Euro und lag damit 127,01 Euro über dem Tabellenentgelt der höchsten Entgeltstufe 5 der Entgeltgruppe 9. Die Klägerin wurde deshalb nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 TVÜ-Länder einer individuellen Endstufe der Entgeltgruppe 9 zugeordnet (sog. Stufe 5+). Ihre Vergütung nahm seitdem an Tarifentgelterhöhungen teil.

5

In der Abteilung Wirtschaftsstrafsachen der Staatsanwaltschaft D arbeitet neben der Klägerin eine im November 1954 geborene und seit Mai 2003 beim beklagten Land beschäftigte Buchhalterin (Referenzperson). Auch das Arbeitsverhältnis der Referenzperson unterfiel ursprünglich dem BAT und wurde zum 1. November 2006 in den TV-L übergeleitet. Die Referenzperson war zunächst in Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1a der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Anders als die Klägerin hatte sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV-L den Bewährungsaufstieg in Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 2 der Anlage 1a zum BAT noch nicht vollzogen. Zum 1. November 2006 wurde die Referenzperson nach Anlage 2 Teil A TVÜ-Länder in Entgeltgruppe 9 übergeleitet („Vb mit ausstehendem Aufstieg nach IVb“). Das für sie ermittelte Vergleichsentgelt betrug 2.805,46 Euro und lag zwischen den Entgeltstufen 4 und 5 der Entgeltgruppe 9. Daher wurde sie einer individuellen Zwischenstufe der Entgeltgruppe 9 zugeordnet (sog. Stufe 4+). Zum 1. November 2008 erfolgte der Aufstieg in die nächsthöhere reguläre Stufe 5 der Entgeltgruppe 9 nach § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder.

6

§ 8 TVÜ-Länder lautete idF des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 1. März 2009 auszugsweise:

        

„…    

        
        

(2)     

1Beschäftigte, die aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O in eine der Entgeltgruppen 2 sowie 9 bis 15 übergeleitet werden und …, erhalten ab dem Zeitpunkt, zu dem sie nach bisherigem Recht höhergruppiert wären, in ihrer bisherigen Entgeltgruppe Entgelt nach derjenigen individuellen Zwischen- beziehungsweise Endstufe, die sich ergeben hätte, wenn sich ihr Vergleichsentgelt (§ 5) nach der Vergütung aufgrund der Höhergruppierung bestimmt hätte. 2Ein etwaiger Strukturausgleich wird ab dem individuellen Aufstiegszeitpunkt nicht mehr gezahlt. ...

        

(3)     

1Abweichend von Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 gelten die Absätze 1 beziehungsweise 2 auf schriftlichen Antrag entsprechend für übergeleitete Beschäftigte, die bei Fortgeltung des BAT/BAT-O bis spätestens zum 31. Dezember 2010 wegen Erfüllung der erforderlichen Zeit der Bewährung oder Tätigkeit höhergruppiert worden wären, unabhängig davon, ob die Hälfte der erforderlichen Bewährungs- oder Tätigkeitszeit am Stichtag erfüllt ist. 2In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 erhalten Beschäftigte, die in der Zeit zwischen dem 1. November 2008 und dem 31. Dezember 2010 bei Fortgeltung des BAT/BAT-O höhergruppiert worden wären, in ihrer bisherigen Entgeltgruppe Entgelt nach derjenigen individuellen Zwischen- oder Endstufe, die sich aus der Summe des bisherigen Tabellenentgelts und dem nach Absatz 2 ermittelten Höhergruppierungsgewinn nach bisherigem Recht ergibt; die Stufenlaufzeit bleibt hiervon unberührt. …

        

…“    

        
7

Die ursprüngliche Fassung des TVÜ-Länder vom 12. Oktober 2006 hatte in § 8 Abs. 3 lediglich eine Frist bis 31. Oktober 2008 enthalten. Die zitierten Passagen des § 8 TVÜ-Länder idF vom 1. März 2009 blieben von den späteren Änderungstarifverträgen Nr. 3 vom 10. März 2011 und Nr. 4 vom 2. Januar 2012 bis auf den Stichtag des 31. Dezember 2010 unberührt. Die Tarifvertragsparteien einigten sich mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 3 stattdessen auf den 31. Oktober 2012.

8

Die Referenzperson beantragte am 13. Juli 2009 die Eingruppierung in Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 2, die ihr bei Fortgeltung des BAT seit 2. Mai 2009 zugestanden hätte. Für sie wurde ein Höhergruppierungsgewinn von 292,33 Euro ermittelt, den sie zusätzlich zum Tabellenentgelt der Entgeltgruppe 9 Stufe 5 TV-L erhielt. Seit der ab Januar 2011 wirkenden Tarifentgelterhöhung betrug der Höhergruppierungsgewinn 295,84 Euro.

9

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Ergebnis der Überleitung in den TV-L verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und das Gebot der gleichen Vergütung für gleiche Arbeit. Obwohl sie und die Referenzperson die gleiche Tätigkeit ausübten und die Referenzperson eine deutlich geringere Betriebszugehörigkeit aufweise, erhalte diese eine erheblich höhere Vergütung. Das sei unter keinem sachlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt. Es handle sich zudem um eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters iSv. §§ 1, 7 AGG. § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder benachteilige typischerweise ältere Beschäftigte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV-L bereits ihren Bewährungsaufstieg vollzogen hätten. Die Ungleichbehandlung könne nur durch Angleichung nach oben kompensiert werden.

10

Die Klägerin erstrebt deswegen für die Zeit von Mai 2009 bis Dezember 2010 Höhergruppierungsgewinn in Höhe der an die Referenzperson geleisteten Beträge von monatlich 292,33 Euro brutto, hilfsweise den Höhergruppierungsgewinn der Referenzperson abzüglich des eigenen individuellen Entgeltanteils von 133,90 Euro brutto. Für die Zeit ab Januar 2011 will die Klägerin festgestellt wissen, dass ihr der Höhergruppierungsgewinn der Referenzperson von 295,84 Euro brutto zu zahlen sei, hilfsweise gekürzt um den eigenen individuellen Vergütungsanteil von 135,51 Euro brutto.

11

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 5.847,10 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen;

                 

das beklagte Land hilfsweise zu verurteilen, an sie 3.168,60 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihr ab Januar 2011 das ihr zustehende Grundgehalt zuzüglich des Höhergruppierungsgewinns in Höhe von derzeit 295,84 Euro zu zahlen;

                 

hilfsweise festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihr ab Januar 2011 das ihr zustehende Grundgehalt zuzüglich der Differenz aus dem Höhergruppierungsgewinn in Höhe von derzeit 295,84 Euro abzüglich individueller Endstufe in Höhe von derzeit 135,51 Euro zu zahlen.

12

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Ergebnis der Überleitung in den TV-L verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und sei auch keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder verfolge den Zweck, die Aussicht auf einen im Jahr 2006 noch nicht vollzogenen und unter Geltung des TV-L auch nicht mehr vollziehbaren Bewährungsaufstieg zu schützen, indem ein Höhergruppierungsgewinn gewährt werde. Der durch die Überleitung in den TV-L entstehende Nachteil - der Verlust des Bewährungsaufstiegs - sei im Fall der Referenzperson möglicherweise überkompensiert worden. Dadurch werde die Klägerin aber nicht benachteiligt. Sie habe ihren Bewährungsaufstieg bereits unter Geltung des BAT vollzogen und sei mit dem entsprechend höheren Entgelt in den TV-L übergeleitet worden. Als Rechtsfolge einer Ungleichbehandlung komme jedenfalls keine Angleichung nach oben in Betracht. Die Ausdehnung einer in Einzelfällen eingetretenen Überkompensation auf die Gesamtheit der Beschäftigten widerspreche dem Willen der Tarifvertragsparteien. Sie hätten mit § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder nur tatsächliche Nachteile ausgleichen, keine zusätzlichen Vorteile gewähren wollen. Die Klägerin könne auch nicht verlangen, gerade mit der ausgewählten Referenzperson gleichbehandelt zu werden. Der Höhergruppierungsgewinn könne je nach Lebensalter und Ortszuschlag geringer oder höher ausfallen. Die Klägerin habe allenfalls Anspruch darauf, nach denselben Berechnungsmaßstäben wie die Referenzperson behandelt zu werden, nicht jedoch mit demselben Berechnungsergebnis.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

15

A. Die Revision ist entgegen der Auffassung des beklagten Landes ordnungsgemäß ausgeführt.

16

I. Zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung gehört die Angabe der Revisionsgründe (§ 72 Abs. 5 ArbGG, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Die Revisionsbegründung muss sich mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen (st. Rspr., vgl. zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 11; 16. Juli 2013 - 9 AZR 50/12 - Rn. 11). Hat das Berufungsgericht über mehrere Streitgegenstände entschieden, muss die Revisionsbegründung sämtliche Streitgegenstände behandeln, wenn sie die Entscheidung hinsichtlich aller Streitgegenstände angreifen will (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 482/12 - Rn. 20). Fehlt zu einem Streitgegenstand ein Revisionsangriff, ist das Rechtsmittel unzulässig (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 13; 24. März 2011 - 6 AZR 691/09 - Rn. 17).

17

II. Nach diesen Maßstäben ist die Revision ordnungsgemäß begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Abweisung der Anträge auf drei selbständig tragende Erwägungen gestützt, mit denen sich die Revision in hinreichendem Maß auseinandersetzt.

18

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, schon die Referenzperson habe aufgrund einer am Zweck der Tarifnorm orientierten einschränkenden Auslegung von § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder keinen Anspruch auf Höhergruppierungsgewinn. Diesen Ansatz greift die Revision ausdrücklich argumentativ an.

19

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Klageabweisung zudem darauf gestützt, dass die Klägerin selbst bei unterstelltem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und §§ 1, 7 AGG keinen Anspruch auf den zusätzlichen Vorteil eines Höhergruppierungsgewinns habe. Eine Beseitigung der Ungleichbehandlung durch eine Anpassung nach oben weite den Kreis der Anspruchsberechtigten erheblich aus und verletze die von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Kompetenz der Tarifvertragsparteien, den Dotierungsrahmen für tarifliche Leistungen festzulegen. Auch diesen Ansatz der Rechtsfolgenbewertung durch das Landesarbeitsgericht rügt die Revision ausdrücklich und setzt sich mit ihm auseinander.

20

3. Das Landesarbeitsgericht hat die Klageabweisung schließlich damit begründet, die Klägerin habe die Höhe des Nachteils, der ihr durch die - unterstellte - Ungleichbehandlung entstanden sei, nicht schlüssig dargelegt.

21

a) Das Berufungsgericht ist in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, der Umfang des Nachteils der Klägerin lasse sich nicht anhand des Höhergruppierungsgewinns der Referenzperson bemessen. Bei ihm handle es sich um einen Zufallsbetrag, der entscheidend von den persönlichen Daten der Referenzperson (Lebensaltersstufe und Ortzuschlag) bestimmt werde. Maßgeblich könne allein der Höhergruppierungsgewinn sein, den die Klägerin auf der Grundlage der eigenen persönlichen Daten erzielt hätte, wenn sie den Bewährungsaufstieg erst in der Zeit seit 1. November 2008 absolviert hätte.

22

b) Die Klägerin hat sich auch mit diesem Begründungsstrang hinreichend befasst. Das ergibt die gebotene Auslegung ihrer Sachanträge. Ihr vorrangiges Prozessziel ist es sowohl im Rahmen der Leistungs- als auch der Feststellungsanträge, einen Ausgleich in Höhe des Höhergruppierungsgewinns der Referenzperson zu erlangen bzw. eine entsprechende Verpflichtung des beklagten Landes feststellen zu lassen. Hilfsweise stützt sie sich jedoch auf einen weiteren Lebenssachverhalt, die Berechnungsgrundlagen ihres eigenen fiktiven Höhergruppierungsgewinns (trotz des vollzogenen Bewährungsaufstiegs), den sie auf die Maximalhöhe des Höhergruppierungsgewinns der Referenzperson beschränkt (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

23

B. Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

24

I. Die Klage ist auch hinsichtlich der Feststellungsanträge zulässig.

25

1. Die Feststellungsanträge sind in der gebotenen Auslegung ausreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin bezieht sich auf einen Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder. Sie versteht unter „Grundgehalt“ im Rahmen der Feststellungsanträge ihre monatliche Vergütung nach Entgeltgruppe 9 in Stufe 5+ TV-L. Die Berechnungsgrundlagen für die erstrebte Feststellung sind damit hinreichend konkretisiert.

26

2. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Der im Haupt- und Hilfsverhältnis angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die gegenwärtigen und künftigen Ansprüche der Klägerin auf Höhergruppierungsgewinn beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden (vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 350/10 - Rn. 12). Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses. Dafür sprechen ua. prozessökonomische Gründe. Die Klägerin war deshalb nicht gehalten, weitere objektiv gehäufte, auf die monatlichen Beträge des Höhergruppierungsgewinns gerichtete Leistungsklagen zu erheben (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 24).

27

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen keine Ansprüche auf Höhergruppierungsgewinn zu.

28

1. Die erhobenen Ansprüche scheitern allerdings nicht bereits daran, dass die Referenzperson keinen Anspruch auf Höhergruppierungsgewinn aus § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder hat. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, die der Referenzperson Ansprüche auf Höhergruppierungsgewinn abspricht, trifft nicht zu.

29

a) Der Wortlaut der § 6 Abs. 1 Satz 4, § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ist eindeutig. Danach hat die Referenzperson einen tariflichen Anspruch auf den gezahlten Höhergruppierungsgewinn, ohne dass eine Kappungsgrenze für den Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder oder eine Anrechnung des durch den Stufenaufstieg nach § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder erlangten Vorteils zu beachten ist. Anhaltspunkte für eine unbeabsichtigte Tariflücke oder ein Redaktionsversehen bestehen nicht.

30

b) Nichts anderes folgt aus dem Sinn und Zweck von § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder.

31

aa) Die Regelung soll den Besitzstand von Beschäftigten wahren, die bei Fortgeltung des BAT aufgrund Bewährungsaufstiegs höhergruppiert worden wären, deren Aufstiegserwartung sich wegen der Einführung des TV-L aber nicht verwirklichte (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 1; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 255).

32

bb) Für die Referenzperson führt diese Besitzstandsregelung zu einer Besserstellung gegenüber den Beschäftigten, die den Bewährungsaufstieg bereits vor Überleitung in den TV-L vollzogen haben. Diese Besserstellung im Einzelfall ist vom Willen der Tarifvertragsparteien gedeckt. Das ergibt sich nicht nur aus dem erkennbaren Bestreben der Tarifvertragsparteien, eine pauschalierende und damit praxisgerechte Regelung zur Besitzstandswahrung zu schaffen, sondern auch aus der Tarifgeschichte. Die Tarifvertragsparteien haben sich nicht darauf beschränkt, Vorteile aus Bewährungsaufstiegen zu schützen, die bei Fortgeltung des BAT spätestens am 31. Oktober 2008 erreicht worden wären. Der zeitliche Geltungsbereich des § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder wurde gegenüber der Ursprungsfassung vom 12. Oktober 2006 wiederholt erweitert. Durch den Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 1. März 2009 wurde die Frist über den 31. Oktober 2008 hinaus bis 31. Dezember 2010 und durch den Änderungstarifvertrag Nr. 3 vom 10. März 2011 erneut bis 31. Oktober 2012 verlängert. Dadurch wurde der Kreis der Anspruchsberechtigten vergrößert (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 2 f.; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 258).

33

c) Auch die tarifliche Systematik spricht dafür, dass der Regelungsgehalt des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder, wie er sich aus seinem Wortlaut und Zweck sowie seiner Geschichte ergibt, dem Regelungswillen der Tarifvertragsparteien entspricht. So ist in § 8 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Länder vorgesehen, dass ein etwaiger Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Länder im Augenblick des fiktiven Bewährungsaufstiegs entfällt. Dem entspricht die Bestimmung des § 12 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder, wonach Höhergruppierungsgewinne auf einen Strukturausgleich anzurechnen sind. Da ein fiktiver Bewährungsaufstieg durch den Verlust des Strukturausgleichs mit Nachteilen für den Arbeitnehmer verbunden sein kann, sieht § 8 Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder seit dem Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 1. März 2009 ein Antragserfordernis vor und räumt dem Arbeitnehmer damit ein Wahlrecht ein. An dem tariflichen Gesamtzusammenhang zeigt sich, dass die Tarifvertragsparteien den Regelungsgehalt des § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder im Einzelnen ausgestaltet und der Besitzstandswahrung bewusst Grenzen gesetzt haben. Angesichts dessen deutet nichts darauf hin, dass sie versehentlich keine Kappungsgrenze in § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder aufgenommen haben.

34

d) Dieser Regelungswille der Tarifvertragsparteien steht der Annahme einer unbeabsichtigten Tariflücke entgegen. Die Arbeitsgerichte dürfen nicht gegen den erkennbar geäußerten Willen der Tarifvertragsparteien ergänzende tarifliche Regelungen „schaffen“. Das wäre ein unzulässiger Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie (vgl. nur BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 38).

35

2. Das Landesarbeitsgericht hat Ansprüche der Klägerin auf Höhergruppierungsgewinn dennoch im Ergebnis zu Recht verneint. Die Tarifvertragsparteien überschritten mit ihrem Regelungskonzept nicht die Grenzen ihrer Regelungsmacht.

36

a) Der Ausschluss von Arbeitnehmern, die den Bewährungsaufstieg bereits absolviert hatten, von der Begünstigung des Höhergruppierungsgewinns verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Arbeitnehmer, die den Bewährungsaufstieg schon unter Geltung des BAT vollzogen hatten, und Arbeitnehmer, deren Bewährungsaufstieg bei der Überleitung in den TV-L noch ausstand, sind nach dem Regelungskonzept der Tarifvertragsparteien nicht vergleichbar. Die Tarifvertragsparteien durften in dieser Weise unterscheiden.

37

aa) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser Spielraum reicht, hängt von den Differenzierungsmerkmalen im Einzelfall ab. Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen liegt die Einschätzungsprärogative bei den Tarifvertragsparteien. Sie brauchen nicht die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung zu finden (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 43; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 58).

38

bb) Art. 3 Abs. 1 GG untersagt zwar auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss, mit dem ein Personenkreis begünstigt und ein anderer Personenkreis von der Begünstigung ausgenommen wird(vgl. BVerfG 10. Juli 2012 - 1 BvL 2/10, 1 BvL 1 BvL 3/10, 1 BvL 1 BvL 4/10, 1 BvL 1 BvL 3/11 - Rn. 21, BVerfGE 132, 72; 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 1 BvR 2464/07 - Rn. 78, BVerfGE 126, 400; BAG 20. September 2012 - 6 AZR 211/11 - Rn. 16; 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 19). Verfassungsrechtlich erheblich ist aber nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 44; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 59).

39

cc) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 1 BvR 2464/07 - Rn. 79, BVerfGE 126, 400; BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 19). Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 45; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 60). Bei der Gruppenbildung dürfen die Tarifvertragsparteien generalisieren und typisieren. Ihre Verallgemeinerungen müssen allerdings im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen. Die bei einer solchen Typisierung entstehenden unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von derjenigen abweicht, die die Tarifvertragsparteien als typisch angenommen haben, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwerwiegend sind und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 23; 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 28, BAGE 134, 160).

40

dd) Nach diesen Grundsätzen steht § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG.

41

(1) § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ist - wie bereits ausgeführt - eine Besitzstandsregelung mit dem Zweck, die unter Geltung des BAT begründete und mit Einführung des TV-L zunichte gemachte Aussicht auf einen Bewährungsaufstieg auszugleichen. Diese Zielsetzung ist nicht zu beanstanden. Tarifvertragsparteien sind berechtigt, soziale Besitzstände und tatsächliche Aussichten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehen, durch tarifliche Besitzstandsregelungen zu schützen (vgl. BAG 17. April 2013 - 4 AZR 770/11 - Rn. 31 mwN). Die Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ist geeignet, diesen Zweck zu erreichen. Sie ist im Regelfall auch erforderlich und angemessen. Derjenige, der einen Bewährungsaufstieg wegen der Einführung des TV-L nicht mehr erreichen kann, erhält zum Ausgleich den individuellen Höhergruppierungsgewinn ab dem Zeitpunkt seines fiktiven Bewährungsaufstiegs zusätzlich zum Tabellenentgelt des TV-L. Der Arbeitnehmer wird zum Zweck der Eingliederung in das neue Entgeltsystem mit seinem neuen höheren Entgelt einer individuellen Zwischen- oder Endstufe zugeordnet, wobei die Stufenlaufzeit unberührt bleibt. Auf diese Weise bleibt dem Betroffenen sein individueller Höhergruppierungsgewinn mindestens so lange erhalten, bis er auch nach dem neuen Entgeltsystem das gleiche Vergütungsniveau erreicht.

42

(2) Wie sich an der konkreten Referenzperson zeigt, kann die Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder allerdings zu einer Überkompensation der durch die Einführung des TV-L entstandenen Nachteile führen. Arbeitnehmer mit fingiertem Bewährungsaufstieg können gegenüber Arbeitnehmern, deren Bewährungsaufstieg sich bereits unter Geltung des BAT vollzog, bessergestellt sein.

43

(3) Zu einer solchen Überkompensation kommt es jedoch nur in Ausnahmefällen. Sie ist deswegen weder systemwidrig noch besonders schwerwiegend. Da sie nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre, ist sie insgesamt von der Generalisierungs- und Typisierungsbefugnis der Tarifvertragsparteien gedeckt.

44

(a) § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder führt lediglich in bestimmten Fallgestaltungen zu einer Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg gegenüber Arbeitnehmern mit bereits unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg. Diese Konstellationen sind dadurch gekennzeichnet, dass Arbeitnehmer mit fingiertem Bewährungsaufstieg schon durch die Überleitung in den TV-L nach § 4 Abs. 1 TVÜ-Länder iVm. Anlage 2 zum TVÜ-Länder in dieselbe Entgeltgruppe überführt werden wie Arbeitnehmer mit bereits vollzogenem Bewährungsaufstieg. Durch die zusammenfassende Überleitung mehrerer BAT-Vergütungsgruppen in dieselbe Entgeltgruppe des TV-L verlieren Arbeitnehmer mit schon absolviertem Bewährungsaufstieg ihren „Vergütungsgruppenvorsprung“ gegenüber Arbeitnehmern mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg. Der durch den Bewährungsaufstieg erlangte Vorsprung wird hinsichtlich der Eingruppierung nivelliert und wirkt sich nur noch bei der Bildung des Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-Länder und der Stufenzuordnung nach § 6 TVÜ-Länder aus. Erfolgt der fiktive Bewährungsaufstieg des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder zeitlich nach dem Stufenaufstieg des § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder und steht dem Arbeitnehmer durch seine Altersstufe oder seinen Ortszuschlag ein entsprechend hohes Vergleichsentgelt nach § 5 TVÜ-Länder zu, kann es zu einer Besserstellung kommen. Der Arbeitnehmer erreicht durch den Höhergruppierungsgewinn eine neue individuelle Endstufe und erlangt dauerhaft eine höhere Vergütung als Arbeitnehmer, die ihren Bewährungsaufstieg bereits unter Geltung des BAT vollzogen haben (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 66).

45

(b) Die durch § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ausgelöste mögliche Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg gegenüber Arbeitnehmern mit bereits unter Geltung des BAT absolviertem Bewährungsaufstieg ist damit auf wenige Ausnahmefälle in einer Übergangszeit beschränkt. Daher handelt es sich weder um eine systemwidrige noch um eine besonders schwerwiegende Begünstigung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg.

46

(c) Hinzu kommt, dass der fingierte Bewährungsaufstieg nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder nicht ausschließlich mit Vorteilen für die betroffenen Arbeitnehmer verbunden ist. Der Höhergruppierungsgewinn wird bei Empfängern von Strukturausgleich angerechnet (§ 12 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder). Auch bei der Jahressonderzahlung (§ 20 TV-L)kann sich eine Höhergruppierung wegen der nach Entgeltgruppen gestaffelten Bemessungssätze nachteilig auswirken. Nachteilige Effekte können ferner eintreten, wenn der Beschäftigte bislang eine persönliche Zulage nach § 14 Abs. 3 TV-L erhält(vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 275a).

47

(d) Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch Arbeitnehmer mit bereits unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg unter Wahrung des Besitzstands in den TV-L übergeleitet wurden. Der aus dem Bewährungsaufstieg erwachsene Vergütungsvorteil floss in das Vergleichsentgelt nach § 5 TVÜ-Länder ein und führte dazu, dass diese Arbeitnehmer einer höheren Entgeltstufe zugeordnet wurden als Arbeitnehmer mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg. Sie erlangten also zumindest für eine Übergangszeit einen Vorteil gegenüber Arbeitnehmern ohne absolvierten Bewährungsaufstieg.

48

(e) Eine Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder gegenüber Arbeitnehmern mit schon unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg ließe sich auch nur unter erheblichen Schwierigkeiten vollständig ausschließen. Eine solche Besserstellung hängt nicht nur vom Zusammenspiel der Regelungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 und § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder ab, sondern insbesondere auch von der Höhe des Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-Länder, das an die Altersstufe und den Ortszuschlag des betroffenen Arbeitnehmers anknüpft. Da die Überleitung in den TV-L vom System der Besitzstandswahrung ausgeht, müsste eine Anrechnungs- oder Abschmelzungsregelung nach der Ursache der Überkompensation unterscheiden, damit Arbeitnehmer, die von einem fingierten Bewährungsaufstieg profitieren, nicht wiederum gegenüber den von § 5 TVÜ-Länder begünstigten Arbeitnehmern benachteiligt würden.

49

b) Ansprüche der Klägerin auf Höhergruppierungsgewinn ergeben sich schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG.

50

aa) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Um eine unmittelbare Benachteiligung handelt es sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 AGG gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Anderes gilt dann, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sind, um das Ziel zu erreichen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, handelt es sich schon tatbestandlich nicht um eine Benachteiligung iSv. § 7 Abs. 1 AGG(vgl. zB BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 49; 23. April 2013 - 1 AZR 916/11 - Rn. 15).

51

bb) § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder knüpft nicht unmittelbar an das Lebensalter, sondern an den Umstand eines noch ausstehenden Bewährungsaufstiegs an. Damit handelt es sich nicht um eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters.

52

cc) Der Senat kann offenlassen, ob die von § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder getroffene Unterscheidung danach, ob ein Beschäftigter bereits unter Geltung des BAT seinen Bewährungsaufstieg absolviert hat oder ob der Bewährungsaufstieg noch aussteht, regelmäßig zu einer mittelbaren Benachteiligung älterer Arbeitnehmer führt. Eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer wäre jedenfalls sachlich gerechtfertigt.

53

(1) Eine mittelbare Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals kann nach § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG durch ein legitimes Ziel und die Wahl verhältnismäßiger Mittel zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt werden. Rechtmäßige Ziele iSv. § 3 Abs. 2 AGG können alle nicht diskriminierenden und auch im Übrigen legalen Ziele sein. Die differenzierende Maßnahme muss geeignet und erforderlich sein, um das legitime Ziel zu erreichen, und einen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte des Benachteiligten darstellen (vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 42 mwN). Letztlich ist § 3 Abs. 2 AGG eine spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG(vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 27, BAGE 140, 83).

54

(2) Daran gemessen wäre eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer durch § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Die Tarifvertragsparteien haben im Rahmen der ihnen zukommenden Generalisierungs- und Typisierungsbefugnis eine Regelung getroffen, die den sozialen Besitzstand von Arbeitnehmern mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg sichern soll. Sie haben damit ein legitimes Ziel mit verhältnismäßigen Mitteln verfolgt, wie sich aus den Ausführungen zu Art. 3 Abs. 1 GG ergibt.

55

C. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Juli 2011 - 8 Sa 300/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Höhergruppierungsgewinn.

2

Die im Juni 1952 geborene Klägerin ist seit Juli 1989 als Buchhalterin beim beklagten Land beschäftigt. Sie ist in der Abteilung Wirtschaftsstrafsachen der Staatsanwaltschaft D eingesetzt. Nach dem Arbeitsvertrag bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung.

3

Die Klägerin war zunächst in Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1b der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Zum 1. Februar 1991 wurde sie in Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1a der Anlage 1a zum BAT höhergruppiert, weil ihr eine höherwertige Tätigkeit übertragen wurde. Aufgrund Bewährungsaufstiegs wurde sie zum 1. Februar 1997 in Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 2 der Anlage 1a zum BAT höhergruppiert.

4

Zum 1. November 2006 wurde die Klägerin nach Anlage 2 Teil A des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) in Entgeltgruppe 9 übergeleitet („IVb nach Aufstieg aus Vb“). Die Zuordnung zu einer der fünf Entgeltstufen der Entgeltgruppe 9 (§ 16 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder [TV-L]) richtete sich nach §§ 5, 6 TVÜ-Länder. Das für die Klägerin ermittelte Vergleichsentgelt betrug 3.107,01 Euro und lag damit 127,01 Euro über dem Tabellenentgelt der höchsten Entgeltstufe 5 der Entgeltgruppe 9. Die Klägerin wurde deshalb nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 TVÜ-Länder einer individuellen Endstufe der Entgeltgruppe 9 zugeordnet (sog. Stufe 5+). Ihre Vergütung nahm seitdem an Tarifentgelterhöhungen teil.

5

In der Abteilung Wirtschaftsstrafsachen der Staatsanwaltschaft D arbeitet neben der Klägerin eine im November 1954 geborene und seit Mai 2003 beim beklagten Land beschäftigte Buchhalterin (Referenzperson). Auch das Arbeitsverhältnis der Referenzperson unterfiel ursprünglich dem BAT und wurde zum 1. November 2006 in den TV-L übergeleitet. Die Referenzperson war zunächst in Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1a der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Anders als die Klägerin hatte sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV-L den Bewährungsaufstieg in Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 2 der Anlage 1a zum BAT noch nicht vollzogen. Zum 1. November 2006 wurde die Referenzperson nach Anlage 2 Teil A TVÜ-Länder in Entgeltgruppe 9 übergeleitet („Vb mit ausstehendem Aufstieg nach IVb“). Das für sie ermittelte Vergleichsentgelt betrug 2.805,46 Euro und lag zwischen den Entgeltstufen 4 und 5 der Entgeltgruppe 9. Daher wurde sie einer individuellen Zwischenstufe der Entgeltgruppe 9 zugeordnet (sog. Stufe 4+). Zum 1. November 2008 erfolgte der Aufstieg in die nächsthöhere reguläre Stufe 5 der Entgeltgruppe 9 nach § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder.

6

§ 8 TVÜ-Länder lautete idF des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 1. März 2009 auszugsweise:

        

„…    

        
        

(2)     

1Beschäftigte, die aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O in eine der Entgeltgruppen 2 sowie 9 bis 15 übergeleitet werden und …, erhalten ab dem Zeitpunkt, zu dem sie nach bisherigem Recht höhergruppiert wären, in ihrer bisherigen Entgeltgruppe Entgelt nach derjenigen individuellen Zwischen- beziehungsweise Endstufe, die sich ergeben hätte, wenn sich ihr Vergleichsentgelt (§ 5) nach der Vergütung aufgrund der Höhergruppierung bestimmt hätte. 2Ein etwaiger Strukturausgleich wird ab dem individuellen Aufstiegszeitpunkt nicht mehr gezahlt. ...

        

(3)     

1Abweichend von Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 gelten die Absätze 1 beziehungsweise 2 auf schriftlichen Antrag entsprechend für übergeleitete Beschäftigte, die bei Fortgeltung des BAT/BAT-O bis spätestens zum 31. Dezember 2010 wegen Erfüllung der erforderlichen Zeit der Bewährung oder Tätigkeit höhergruppiert worden wären, unabhängig davon, ob die Hälfte der erforderlichen Bewährungs- oder Tätigkeitszeit am Stichtag erfüllt ist. 2In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 erhalten Beschäftigte, die in der Zeit zwischen dem 1. November 2008 und dem 31. Dezember 2010 bei Fortgeltung des BAT/BAT-O höhergruppiert worden wären, in ihrer bisherigen Entgeltgruppe Entgelt nach derjenigen individuellen Zwischen- oder Endstufe, die sich aus der Summe des bisherigen Tabellenentgelts und dem nach Absatz 2 ermittelten Höhergruppierungsgewinn nach bisherigem Recht ergibt; die Stufenlaufzeit bleibt hiervon unberührt. …

        

…“    

        
7

Die ursprüngliche Fassung des TVÜ-Länder vom 12. Oktober 2006 hatte in § 8 Abs. 3 lediglich eine Frist bis 31. Oktober 2008 enthalten. Die zitierten Passagen des § 8 TVÜ-Länder idF vom 1. März 2009 blieben von den späteren Änderungstarifverträgen Nr. 3 vom 10. März 2011 und Nr. 4 vom 2. Januar 2012 bis auf den Stichtag des 31. Dezember 2010 unberührt. Die Tarifvertragsparteien einigten sich mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 3 stattdessen auf den 31. Oktober 2012.

8

Die Referenzperson beantragte am 13. Juli 2009 die Eingruppierung in Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 2, die ihr bei Fortgeltung des BAT seit 2. Mai 2009 zugestanden hätte. Für sie wurde ein Höhergruppierungsgewinn von 292,33 Euro ermittelt, den sie zusätzlich zum Tabellenentgelt der Entgeltgruppe 9 Stufe 5 TV-L erhielt. Seit der ab Januar 2011 wirkenden Tarifentgelterhöhung betrug der Höhergruppierungsgewinn 295,84 Euro.

9

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Ergebnis der Überleitung in den TV-L verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und das Gebot der gleichen Vergütung für gleiche Arbeit. Obwohl sie und die Referenzperson die gleiche Tätigkeit ausübten und die Referenzperson eine deutlich geringere Betriebszugehörigkeit aufweise, erhalte diese eine erheblich höhere Vergütung. Das sei unter keinem sachlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt. Es handle sich zudem um eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters iSv. §§ 1, 7 AGG. § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder benachteilige typischerweise ältere Beschäftigte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV-L bereits ihren Bewährungsaufstieg vollzogen hätten. Die Ungleichbehandlung könne nur durch Angleichung nach oben kompensiert werden.

10

Die Klägerin erstrebt deswegen für die Zeit von Mai 2009 bis Dezember 2010 Höhergruppierungsgewinn in Höhe der an die Referenzperson geleisteten Beträge von monatlich 292,33 Euro brutto, hilfsweise den Höhergruppierungsgewinn der Referenzperson abzüglich des eigenen individuellen Entgeltanteils von 133,90 Euro brutto. Für die Zeit ab Januar 2011 will die Klägerin festgestellt wissen, dass ihr der Höhergruppierungsgewinn der Referenzperson von 295,84 Euro brutto zu zahlen sei, hilfsweise gekürzt um den eigenen individuellen Vergütungsanteil von 135,51 Euro brutto.

11

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 5.847,10 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen;

                 

das beklagte Land hilfsweise zu verurteilen, an sie 3.168,60 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihr ab Januar 2011 das ihr zustehende Grundgehalt zuzüglich des Höhergruppierungsgewinns in Höhe von derzeit 295,84 Euro zu zahlen;

                 

hilfsweise festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihr ab Januar 2011 das ihr zustehende Grundgehalt zuzüglich der Differenz aus dem Höhergruppierungsgewinn in Höhe von derzeit 295,84 Euro abzüglich individueller Endstufe in Höhe von derzeit 135,51 Euro zu zahlen.

12

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Ergebnis der Überleitung in den TV-L verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und sei auch keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder verfolge den Zweck, die Aussicht auf einen im Jahr 2006 noch nicht vollzogenen und unter Geltung des TV-L auch nicht mehr vollziehbaren Bewährungsaufstieg zu schützen, indem ein Höhergruppierungsgewinn gewährt werde. Der durch die Überleitung in den TV-L entstehende Nachteil - der Verlust des Bewährungsaufstiegs - sei im Fall der Referenzperson möglicherweise überkompensiert worden. Dadurch werde die Klägerin aber nicht benachteiligt. Sie habe ihren Bewährungsaufstieg bereits unter Geltung des BAT vollzogen und sei mit dem entsprechend höheren Entgelt in den TV-L übergeleitet worden. Als Rechtsfolge einer Ungleichbehandlung komme jedenfalls keine Angleichung nach oben in Betracht. Die Ausdehnung einer in Einzelfällen eingetretenen Überkompensation auf die Gesamtheit der Beschäftigten widerspreche dem Willen der Tarifvertragsparteien. Sie hätten mit § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder nur tatsächliche Nachteile ausgleichen, keine zusätzlichen Vorteile gewähren wollen. Die Klägerin könne auch nicht verlangen, gerade mit der ausgewählten Referenzperson gleichbehandelt zu werden. Der Höhergruppierungsgewinn könne je nach Lebensalter und Ortszuschlag geringer oder höher ausfallen. Die Klägerin habe allenfalls Anspruch darauf, nach denselben Berechnungsmaßstäben wie die Referenzperson behandelt zu werden, nicht jedoch mit demselben Berechnungsergebnis.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

15

A. Die Revision ist entgegen der Auffassung des beklagten Landes ordnungsgemäß ausgeführt.

16

I. Zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung gehört die Angabe der Revisionsgründe (§ 72 Abs. 5 ArbGG, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Die Revisionsbegründung muss sich mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen (st. Rspr., vgl. zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 11; 16. Juli 2013 - 9 AZR 50/12 - Rn. 11). Hat das Berufungsgericht über mehrere Streitgegenstände entschieden, muss die Revisionsbegründung sämtliche Streitgegenstände behandeln, wenn sie die Entscheidung hinsichtlich aller Streitgegenstände angreifen will (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 482/12 - Rn. 20). Fehlt zu einem Streitgegenstand ein Revisionsangriff, ist das Rechtsmittel unzulässig (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 13; 24. März 2011 - 6 AZR 691/09 - Rn. 17).

17

II. Nach diesen Maßstäben ist die Revision ordnungsgemäß begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Abweisung der Anträge auf drei selbständig tragende Erwägungen gestützt, mit denen sich die Revision in hinreichendem Maß auseinandersetzt.

18

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, schon die Referenzperson habe aufgrund einer am Zweck der Tarifnorm orientierten einschränkenden Auslegung von § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder keinen Anspruch auf Höhergruppierungsgewinn. Diesen Ansatz greift die Revision ausdrücklich argumentativ an.

19

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Klageabweisung zudem darauf gestützt, dass die Klägerin selbst bei unterstelltem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und §§ 1, 7 AGG keinen Anspruch auf den zusätzlichen Vorteil eines Höhergruppierungsgewinns habe. Eine Beseitigung der Ungleichbehandlung durch eine Anpassung nach oben weite den Kreis der Anspruchsberechtigten erheblich aus und verletze die von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Kompetenz der Tarifvertragsparteien, den Dotierungsrahmen für tarifliche Leistungen festzulegen. Auch diesen Ansatz der Rechtsfolgenbewertung durch das Landesarbeitsgericht rügt die Revision ausdrücklich und setzt sich mit ihm auseinander.

20

3. Das Landesarbeitsgericht hat die Klageabweisung schließlich damit begründet, die Klägerin habe die Höhe des Nachteils, der ihr durch die - unterstellte - Ungleichbehandlung entstanden sei, nicht schlüssig dargelegt.

21

a) Das Berufungsgericht ist in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, der Umfang des Nachteils der Klägerin lasse sich nicht anhand des Höhergruppierungsgewinns der Referenzperson bemessen. Bei ihm handle es sich um einen Zufallsbetrag, der entscheidend von den persönlichen Daten der Referenzperson (Lebensaltersstufe und Ortzuschlag) bestimmt werde. Maßgeblich könne allein der Höhergruppierungsgewinn sein, den die Klägerin auf der Grundlage der eigenen persönlichen Daten erzielt hätte, wenn sie den Bewährungsaufstieg erst in der Zeit seit 1. November 2008 absolviert hätte.

22

b) Die Klägerin hat sich auch mit diesem Begründungsstrang hinreichend befasst. Das ergibt die gebotene Auslegung ihrer Sachanträge. Ihr vorrangiges Prozessziel ist es sowohl im Rahmen der Leistungs- als auch der Feststellungsanträge, einen Ausgleich in Höhe des Höhergruppierungsgewinns der Referenzperson zu erlangen bzw. eine entsprechende Verpflichtung des beklagten Landes feststellen zu lassen. Hilfsweise stützt sie sich jedoch auf einen weiteren Lebenssachverhalt, die Berechnungsgrundlagen ihres eigenen fiktiven Höhergruppierungsgewinns (trotz des vollzogenen Bewährungsaufstiegs), den sie auf die Maximalhöhe des Höhergruppierungsgewinns der Referenzperson beschränkt (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

23

B. Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

24

I. Die Klage ist auch hinsichtlich der Feststellungsanträge zulässig.

25

1. Die Feststellungsanträge sind in der gebotenen Auslegung ausreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin bezieht sich auf einen Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder. Sie versteht unter „Grundgehalt“ im Rahmen der Feststellungsanträge ihre monatliche Vergütung nach Entgeltgruppe 9 in Stufe 5+ TV-L. Die Berechnungsgrundlagen für die erstrebte Feststellung sind damit hinreichend konkretisiert.

26

2. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Der im Haupt- und Hilfsverhältnis angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die gegenwärtigen und künftigen Ansprüche der Klägerin auf Höhergruppierungsgewinn beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden (vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 350/10 - Rn. 12). Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses. Dafür sprechen ua. prozessökonomische Gründe. Die Klägerin war deshalb nicht gehalten, weitere objektiv gehäufte, auf die monatlichen Beträge des Höhergruppierungsgewinns gerichtete Leistungsklagen zu erheben (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 24).

27

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen keine Ansprüche auf Höhergruppierungsgewinn zu.

28

1. Die erhobenen Ansprüche scheitern allerdings nicht bereits daran, dass die Referenzperson keinen Anspruch auf Höhergruppierungsgewinn aus § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder hat. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, die der Referenzperson Ansprüche auf Höhergruppierungsgewinn abspricht, trifft nicht zu.

29

a) Der Wortlaut der § 6 Abs. 1 Satz 4, § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ist eindeutig. Danach hat die Referenzperson einen tariflichen Anspruch auf den gezahlten Höhergruppierungsgewinn, ohne dass eine Kappungsgrenze für den Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder oder eine Anrechnung des durch den Stufenaufstieg nach § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder erlangten Vorteils zu beachten ist. Anhaltspunkte für eine unbeabsichtigte Tariflücke oder ein Redaktionsversehen bestehen nicht.

30

b) Nichts anderes folgt aus dem Sinn und Zweck von § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder.

31

aa) Die Regelung soll den Besitzstand von Beschäftigten wahren, die bei Fortgeltung des BAT aufgrund Bewährungsaufstiegs höhergruppiert worden wären, deren Aufstiegserwartung sich wegen der Einführung des TV-L aber nicht verwirklichte (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 1; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 255).

32

bb) Für die Referenzperson führt diese Besitzstandsregelung zu einer Besserstellung gegenüber den Beschäftigten, die den Bewährungsaufstieg bereits vor Überleitung in den TV-L vollzogen haben. Diese Besserstellung im Einzelfall ist vom Willen der Tarifvertragsparteien gedeckt. Das ergibt sich nicht nur aus dem erkennbaren Bestreben der Tarifvertragsparteien, eine pauschalierende und damit praxisgerechte Regelung zur Besitzstandswahrung zu schaffen, sondern auch aus der Tarifgeschichte. Die Tarifvertragsparteien haben sich nicht darauf beschränkt, Vorteile aus Bewährungsaufstiegen zu schützen, die bei Fortgeltung des BAT spätestens am 31. Oktober 2008 erreicht worden wären. Der zeitliche Geltungsbereich des § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder wurde gegenüber der Ursprungsfassung vom 12. Oktober 2006 wiederholt erweitert. Durch den Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 1. März 2009 wurde die Frist über den 31. Oktober 2008 hinaus bis 31. Dezember 2010 und durch den Änderungstarifvertrag Nr. 3 vom 10. März 2011 erneut bis 31. Oktober 2012 verlängert. Dadurch wurde der Kreis der Anspruchsberechtigten vergrößert (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 2 f.; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 258).

33

c) Auch die tarifliche Systematik spricht dafür, dass der Regelungsgehalt des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder, wie er sich aus seinem Wortlaut und Zweck sowie seiner Geschichte ergibt, dem Regelungswillen der Tarifvertragsparteien entspricht. So ist in § 8 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Länder vorgesehen, dass ein etwaiger Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Länder im Augenblick des fiktiven Bewährungsaufstiegs entfällt. Dem entspricht die Bestimmung des § 12 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder, wonach Höhergruppierungsgewinne auf einen Strukturausgleich anzurechnen sind. Da ein fiktiver Bewährungsaufstieg durch den Verlust des Strukturausgleichs mit Nachteilen für den Arbeitnehmer verbunden sein kann, sieht § 8 Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder seit dem Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 1. März 2009 ein Antragserfordernis vor und räumt dem Arbeitnehmer damit ein Wahlrecht ein. An dem tariflichen Gesamtzusammenhang zeigt sich, dass die Tarifvertragsparteien den Regelungsgehalt des § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder im Einzelnen ausgestaltet und der Besitzstandswahrung bewusst Grenzen gesetzt haben. Angesichts dessen deutet nichts darauf hin, dass sie versehentlich keine Kappungsgrenze in § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder aufgenommen haben.

34

d) Dieser Regelungswille der Tarifvertragsparteien steht der Annahme einer unbeabsichtigten Tariflücke entgegen. Die Arbeitsgerichte dürfen nicht gegen den erkennbar geäußerten Willen der Tarifvertragsparteien ergänzende tarifliche Regelungen „schaffen“. Das wäre ein unzulässiger Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie (vgl. nur BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 38).

35

2. Das Landesarbeitsgericht hat Ansprüche der Klägerin auf Höhergruppierungsgewinn dennoch im Ergebnis zu Recht verneint. Die Tarifvertragsparteien überschritten mit ihrem Regelungskonzept nicht die Grenzen ihrer Regelungsmacht.

36

a) Der Ausschluss von Arbeitnehmern, die den Bewährungsaufstieg bereits absolviert hatten, von der Begünstigung des Höhergruppierungsgewinns verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Arbeitnehmer, die den Bewährungsaufstieg schon unter Geltung des BAT vollzogen hatten, und Arbeitnehmer, deren Bewährungsaufstieg bei der Überleitung in den TV-L noch ausstand, sind nach dem Regelungskonzept der Tarifvertragsparteien nicht vergleichbar. Die Tarifvertragsparteien durften in dieser Weise unterscheiden.

37

aa) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser Spielraum reicht, hängt von den Differenzierungsmerkmalen im Einzelfall ab. Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen liegt die Einschätzungsprärogative bei den Tarifvertragsparteien. Sie brauchen nicht die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung zu finden (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 43; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 58).

38

bb) Art. 3 Abs. 1 GG untersagt zwar auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss, mit dem ein Personenkreis begünstigt und ein anderer Personenkreis von der Begünstigung ausgenommen wird(vgl. BVerfG 10. Juli 2012 - 1 BvL 2/10, 1 BvL 1 BvL 3/10, 1 BvL 1 BvL 4/10, 1 BvL 1 BvL 3/11 - Rn. 21, BVerfGE 132, 72; 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 1 BvR 2464/07 - Rn. 78, BVerfGE 126, 400; BAG 20. September 2012 - 6 AZR 211/11 - Rn. 16; 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 19). Verfassungsrechtlich erheblich ist aber nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 44; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 59).

39

cc) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 1 BvR 2464/07 - Rn. 79, BVerfGE 126, 400; BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 19). Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 45; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 60). Bei der Gruppenbildung dürfen die Tarifvertragsparteien generalisieren und typisieren. Ihre Verallgemeinerungen müssen allerdings im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen. Die bei einer solchen Typisierung entstehenden unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von derjenigen abweicht, die die Tarifvertragsparteien als typisch angenommen haben, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwerwiegend sind und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 23; 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 28, BAGE 134, 160).

40

dd) Nach diesen Grundsätzen steht § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG.

41

(1) § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ist - wie bereits ausgeführt - eine Besitzstandsregelung mit dem Zweck, die unter Geltung des BAT begründete und mit Einführung des TV-L zunichte gemachte Aussicht auf einen Bewährungsaufstieg auszugleichen. Diese Zielsetzung ist nicht zu beanstanden. Tarifvertragsparteien sind berechtigt, soziale Besitzstände und tatsächliche Aussichten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehen, durch tarifliche Besitzstandsregelungen zu schützen (vgl. BAG 17. April 2013 - 4 AZR 770/11 - Rn. 31 mwN). Die Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ist geeignet, diesen Zweck zu erreichen. Sie ist im Regelfall auch erforderlich und angemessen. Derjenige, der einen Bewährungsaufstieg wegen der Einführung des TV-L nicht mehr erreichen kann, erhält zum Ausgleich den individuellen Höhergruppierungsgewinn ab dem Zeitpunkt seines fiktiven Bewährungsaufstiegs zusätzlich zum Tabellenentgelt des TV-L. Der Arbeitnehmer wird zum Zweck der Eingliederung in das neue Entgeltsystem mit seinem neuen höheren Entgelt einer individuellen Zwischen- oder Endstufe zugeordnet, wobei die Stufenlaufzeit unberührt bleibt. Auf diese Weise bleibt dem Betroffenen sein individueller Höhergruppierungsgewinn mindestens so lange erhalten, bis er auch nach dem neuen Entgeltsystem das gleiche Vergütungsniveau erreicht.

42

(2) Wie sich an der konkreten Referenzperson zeigt, kann die Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder allerdings zu einer Überkompensation der durch die Einführung des TV-L entstandenen Nachteile führen. Arbeitnehmer mit fingiertem Bewährungsaufstieg können gegenüber Arbeitnehmern, deren Bewährungsaufstieg sich bereits unter Geltung des BAT vollzog, bessergestellt sein.

43

(3) Zu einer solchen Überkompensation kommt es jedoch nur in Ausnahmefällen. Sie ist deswegen weder systemwidrig noch besonders schwerwiegend. Da sie nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre, ist sie insgesamt von der Generalisierungs- und Typisierungsbefugnis der Tarifvertragsparteien gedeckt.

44

(a) § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder führt lediglich in bestimmten Fallgestaltungen zu einer Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg gegenüber Arbeitnehmern mit bereits unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg. Diese Konstellationen sind dadurch gekennzeichnet, dass Arbeitnehmer mit fingiertem Bewährungsaufstieg schon durch die Überleitung in den TV-L nach § 4 Abs. 1 TVÜ-Länder iVm. Anlage 2 zum TVÜ-Länder in dieselbe Entgeltgruppe überführt werden wie Arbeitnehmer mit bereits vollzogenem Bewährungsaufstieg. Durch die zusammenfassende Überleitung mehrerer BAT-Vergütungsgruppen in dieselbe Entgeltgruppe des TV-L verlieren Arbeitnehmer mit schon absolviertem Bewährungsaufstieg ihren „Vergütungsgruppenvorsprung“ gegenüber Arbeitnehmern mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg. Der durch den Bewährungsaufstieg erlangte Vorsprung wird hinsichtlich der Eingruppierung nivelliert und wirkt sich nur noch bei der Bildung des Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-Länder und der Stufenzuordnung nach § 6 TVÜ-Länder aus. Erfolgt der fiktive Bewährungsaufstieg des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder zeitlich nach dem Stufenaufstieg des § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder und steht dem Arbeitnehmer durch seine Altersstufe oder seinen Ortszuschlag ein entsprechend hohes Vergleichsentgelt nach § 5 TVÜ-Länder zu, kann es zu einer Besserstellung kommen. Der Arbeitnehmer erreicht durch den Höhergruppierungsgewinn eine neue individuelle Endstufe und erlangt dauerhaft eine höhere Vergütung als Arbeitnehmer, die ihren Bewährungsaufstieg bereits unter Geltung des BAT vollzogen haben (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 66).

45

(b) Die durch § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ausgelöste mögliche Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg gegenüber Arbeitnehmern mit bereits unter Geltung des BAT absolviertem Bewährungsaufstieg ist damit auf wenige Ausnahmefälle in einer Übergangszeit beschränkt. Daher handelt es sich weder um eine systemwidrige noch um eine besonders schwerwiegende Begünstigung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg.

46

(c) Hinzu kommt, dass der fingierte Bewährungsaufstieg nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder nicht ausschließlich mit Vorteilen für die betroffenen Arbeitnehmer verbunden ist. Der Höhergruppierungsgewinn wird bei Empfängern von Strukturausgleich angerechnet (§ 12 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder). Auch bei der Jahressonderzahlung (§ 20 TV-L)kann sich eine Höhergruppierung wegen der nach Entgeltgruppen gestaffelten Bemessungssätze nachteilig auswirken. Nachteilige Effekte können ferner eintreten, wenn der Beschäftigte bislang eine persönliche Zulage nach § 14 Abs. 3 TV-L erhält(vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 275a).

47

(d) Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch Arbeitnehmer mit bereits unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg unter Wahrung des Besitzstands in den TV-L übergeleitet wurden. Der aus dem Bewährungsaufstieg erwachsene Vergütungsvorteil floss in das Vergleichsentgelt nach § 5 TVÜ-Länder ein und führte dazu, dass diese Arbeitnehmer einer höheren Entgeltstufe zugeordnet wurden als Arbeitnehmer mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg. Sie erlangten also zumindest für eine Übergangszeit einen Vorteil gegenüber Arbeitnehmern ohne absolvierten Bewährungsaufstieg.

48

(e) Eine Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder gegenüber Arbeitnehmern mit schon unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg ließe sich auch nur unter erheblichen Schwierigkeiten vollständig ausschließen. Eine solche Besserstellung hängt nicht nur vom Zusammenspiel der Regelungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 und § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder ab, sondern insbesondere auch von der Höhe des Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-Länder, das an die Altersstufe und den Ortszuschlag des betroffenen Arbeitnehmers anknüpft. Da die Überleitung in den TV-L vom System der Besitzstandswahrung ausgeht, müsste eine Anrechnungs- oder Abschmelzungsregelung nach der Ursache der Überkompensation unterscheiden, damit Arbeitnehmer, die von einem fingierten Bewährungsaufstieg profitieren, nicht wiederum gegenüber den von § 5 TVÜ-Länder begünstigten Arbeitnehmern benachteiligt würden.

49

b) Ansprüche der Klägerin auf Höhergruppierungsgewinn ergeben sich schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG.

50

aa) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Um eine unmittelbare Benachteiligung handelt es sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 AGG gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Anderes gilt dann, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sind, um das Ziel zu erreichen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, handelt es sich schon tatbestandlich nicht um eine Benachteiligung iSv. § 7 Abs. 1 AGG(vgl. zB BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 49; 23. April 2013 - 1 AZR 916/11 - Rn. 15).

51

bb) § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder knüpft nicht unmittelbar an das Lebensalter, sondern an den Umstand eines noch ausstehenden Bewährungsaufstiegs an. Damit handelt es sich nicht um eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters.

52

cc) Der Senat kann offenlassen, ob die von § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder getroffene Unterscheidung danach, ob ein Beschäftigter bereits unter Geltung des BAT seinen Bewährungsaufstieg absolviert hat oder ob der Bewährungsaufstieg noch aussteht, regelmäßig zu einer mittelbaren Benachteiligung älterer Arbeitnehmer führt. Eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer wäre jedenfalls sachlich gerechtfertigt.

53

(1) Eine mittelbare Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals kann nach § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG durch ein legitimes Ziel und die Wahl verhältnismäßiger Mittel zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt werden. Rechtmäßige Ziele iSv. § 3 Abs. 2 AGG können alle nicht diskriminierenden und auch im Übrigen legalen Ziele sein. Die differenzierende Maßnahme muss geeignet und erforderlich sein, um das legitime Ziel zu erreichen, und einen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte des Benachteiligten darstellen (vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 42 mwN). Letztlich ist § 3 Abs. 2 AGG eine spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG(vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 27, BAGE 140, 83).

54

(2) Daran gemessen wäre eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer durch § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Die Tarifvertragsparteien haben im Rahmen der ihnen zukommenden Generalisierungs- und Typisierungsbefugnis eine Regelung getroffen, die den sozialen Besitzstand von Arbeitnehmern mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg sichern soll. Sie haben damit ein legitimes Ziel mit verhältnismäßigen Mitteln verfolgt, wie sich aus den Ausführungen zu Art. 3 Abs. 1 GG ergibt.

55

C. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Matiaske    

        

    Koch    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Mai 2012 - 12 Sa 1125/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, nach welchem Tarifvertrag sich die Übergangsversorgung des Klägers bei der Beklagten richtet.

2

Der 1960 geborene Kläger ist Flugkapitän und Mitglied der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit e.V., Frankfurt am Main (VC). Sein erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis hatte er mit der LTU begründet. Zum 1. März 1990 wechselte er als Luftfahrzeugführer zur neugegründeten Südflug, Süddeutsche Fluggesellschaft mbH (im Folgenden Südflug), die wie die Condor Flugdienst GmbH (im Folgenden CFG) zum Konzern der Beklagten gehörte.

3

Mit Verschmelzungsvertrag vom 27. August 1992 wurde die Südflug auf die CFG verschmolzen (nach der Verschmelzung im Folgenden CFG II). Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde ab dem 31. August 1992 mit der CFG II fortgesetzt. Mit Wirkung zum 30. Oktober 2008 wechselte der Kläger als Flugzeugführer unter Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zur Beklagten, eine überregional operierende Fluggesellschaft, und ist seitdem bei ihr beschäftigt. Die Beklagte war Mitglied im Arbeitgeberverband Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V. (AVH), der lange Zeit die Konzerntarifverträge der Beklagten verhandelt und vereinbart hat. Nunmehr ist sie Mitglied im Arbeitgeberverband Luftverkehr e.V. (AGLV).

4

Im Konzern der Beklagten gelten seit 1972 Tarifverträge zur Regelung der Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal, die neben Leistungen einer Übergangsversorgungsgrundrente auch eine Zusatzrente und eine Rente wegen Flugdienstuntauglichkeit („Loss of Licence“) vorsehen. Vor der Verschmelzung der Südflug auf die CFG galten die Tarifverträge des Konzerns auch für die CFG. Hierzu zählten insbesondere der Tarifvertrag für die Übergangsversorgung und der Tarifvertrag über den Förderungsaufstieg vom 10. April bzw. 9. Februar 1979 (TV Fö). Für die Südflug galten diese Tarifverträge nicht.

5

Im Zuge der Verschmelzung wurden für die CFG II mit der Tarifvereinbarung vom 31. August 1992 eigene Tarifverträge abgeschlossen. Nach dieser Tarifvereinbarung traten der TV Fö und der Übergangsversorgungstarifvertrag der Beklagten am selben Tag ohne Nachwirkung außer Kraft. Die Übergangsversorgung wurde für die CFG II eigenständig mit dem „Tarifvertrag Übergangsversorgung Bordpersonal“ vom 31. August 1992 geregelt (TV ÜV CFG); für die Mitarbeiter, die bei der „alten“ CFG beschäftigt waren (sog. „Alt-Condorianer“), galten die bisherigen tariflichen Regelungen zur Übergangsversorgung bei der Beklagten weiter.

6

Am 14. November 1992 schlossen die Tarifpartner eine „Vereinbarung zur Gestaltung und Umsetzung des Konzerntarifvertrages Cockpit“, nach der „bei der Gestaltung und redaktionellen Umsetzung des Konzerntarifvertrags Cockpit“ der Geltungsbereich auf die Cockpitmitarbeiter des Konzerns der Beklagten und der CFG II zu erstrecken sei. Die Vereinbarung sieht unter anderem Folgendes vor:

        

II.   

Wechselmöglichkeiten zwischen Flugzeugtypen und Förderung zum Kapitän

                 

Der Tarifvertrag Förderungsaufstieg bei DLH soll abgelöst werden. Der neue Tarifvertrag bei den Konzerngesellschaften soll u.a. eine Regelung enthalten, die bei der Förderung zum Kapitän auch den Wechsel zwischen den Unternehmen ermöglicht.“

7

Weiter wurde am 8. Dezember 1992 eine Vereinbarung geschlossen, in der die Tarifvertragsparteien ihre Absicht erklärten, die Mantel- und Vergütungstarifverträge der Beklagten und der CFG II für das Cockpitpersonal mit Wirkung vom 1. Dezember 1992 nach Maßgabe eines Arbeitsgruppenergebnisses zu ändern. Zum 1. Dezember 1993 wurde dann der TV Fö durch den „Tarifvertrag über Wechsel und Förderung“ (TV WeFö) abgelöst. Im Rahmen dieses Tarifvertrags war ein Wechsel der Cockpitmitarbeiter zur Beklagten und der CFG II - unter Aufrechterhaltung der jeweiligen bisherigen Übergangsversorgungsansprüche - möglich. § 7 Abs. 12 TV WeFö sah vor, dass

        

„bei einem Wechsel zur DLH oder CFG ... für die Mitarbeiter - bis zur Schaffung einer endgültigen Regelung - bei der Übergangsversorgung die für sie bei ihrer bisherigen Gesellschaft geltenden Regelungen (DLH: TV ÜV) [gelten]; ...“

8

Derzeit gilt bei der Beklagten der „Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal“ in der Fassung vom 15. Mai 2000 (TV ÜV DLH). Für Cockpitmitarbeiter, die aus Tochterunternehmen zur Beklagten wechseln, galt bis zum 23. Juni 2010 der Konzerntarifvertrag über Wechsel und Förderung Nr. 3 (TV WeFö Nr. 3), dessen § 7 Abs. 11 wie folgt lautet:

        

„Nach einem im Rahmen dieses Tarifvertrages erfolgten Arbeitgeberwechsel zur DLH, CFG, LCAG, GWI oder CIB gelten für die Mitarbeiter bei der Flugdienstuntauglichkeitsversorgung/‘Loss-of-Licence‘-Versicherung, Übergangsversorgung und Altersversorgung - statt der bei der jeweils aufnehmenden Gesellschaft hierzu geltenden tariflichen Regelungen - die für sie bei ihrer bisherigen Gesellschaft hierzu geltenden tariflichen Regelungen weiter.“

9

Der Kläger wechselte zum 30. Oktober 2008 im Rahmen des TV WeFö von der CFG II zur Beklagten. Nach dem für ihn jedenfalls bis zum 23. Juni 2010 geltenden TV ÜV CFG hat er einen Anspruch aus einer kapitalbildenden Lebensversicherung, die je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert wird, und einem Anspruch aus einem Fonds, in den nur der Arbeitgeber einzahlt. Dabei fällt die Übergangsversorgung nach dem TV ÜV CFG unstreitig deutlich geringer aus als die Übergangsversorgung nach dem TV ÜV DLH.

10

In einem Arbeitskampf im Jahr 2010 verständigten sich die Tarifvertragsparteien, ua. die VC, auf der Basis einer Schlichtungsempfehlung des Schlichters Klaus von Dohnanyi unter anderem auf die Einbeziehung weiterer Cockpit-Mitarbeiter in den TV ÜV DLH. Diese sah ua. für die Übergangsversorgung/Loss of Licence vor:

        

Einbeziehung weiterer Cockpitmitarbeiter in den Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der DLH AG vom 15.05.2000 (TV ÜV) unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich erfolgten tarifvertraglichen Änderungen und Ergänzungen

        

1.    

Cockpitmitarbeitern, die ihr erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis im Zeitraum ab dem 01.12.1992 bei CFG, CIB oder ab dem 01.01.2005 bei GWI … begonnen haben oder zukünftig beginnen werden und deren fliegerisches Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Tarifvereinbarung noch nicht beendet war, wird die Übergangsversorgung einschließlich der Regelungen zur Loss of Licence der DLH (TV ÜV DLH) zugesagt. Für Mitarbeiter der CFG oder CIB erfolgt diese Zusage nach erfolgreicher Bewerbung und Umschulung gemäß TV WeFö DLH zum Zeitpunkt ihres Arbeitgeberwechsels zu DLH, LCAG oder GWI.

        

…       

        
        

4.    

In Bezug auf die Flugdienstuntauglichkeitsrente finden, ab Inkrafttreten dieser Vereinbarung, die Regelungen des TV ÜV DLH auch für Cockpit-Mitarbeiter, die vor 01.12.1992 bei CFG eingestellt wurden (Ex Südflug-Mitarbeiter) und gemäß TV WeFö DLH zu DLH oder LCAG oder GWI gewechselt sind, Anwendung. ... Die Flugdienstuntauglichkeitsrente wird für den unter Ziffer IV.4 dieser Vereinbarung beschriebenen Personenkreis längstens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres gewährt. Bis zum Inkrafttreten dieser Vereinbarung arbeitgeberseitig finanzierte Flugdienstuntauglichkeitsversicherungen werden für den unter Ziffer IV.4 dieser Vereinbarung beschriebenen Personenkreis nicht fortgeführt.“

11

Die Tarifvertragsparteien nahmen die Schlichtungsempfehlung an und setzten sie am 20. April 2011 mit dem „Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag Nr. 4 zum Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der Deutschen Lufthansa AG vom 15./16.05.2000 in der Fassung des 3. Ergänzungstarifvertrages vom 20.12.2007“ um (ÄndErgTV Nr. 4). Dieser zum 23. Juni 2010 in Kraft gesetzte Tarifvertrag enthält auszugsweise folgende Regelungen (im Folgenden Protokollnotiz II.3.):

        

Die Protokollnotiz II.3. (aktuell ohne Regelungsinhalt) wird wie folgt neu gefasst:

        

a) Cockpitmitarbeiter, die ihr erstes, dem dortigen Manteltarifvertrag unterliegendes fliegerisches Arbeitsverhältnis im Zeitraum ab dem 01.12.1992 bei der Condor Flugdienst GmbH (CFG) oder der Condor Berlin GmbH (CIB) begonnen haben und im Rahmen des Tarifvertrages Wechsel und Förderung (TV WeFö) bis 30.06.2010 einen Arbeitgeberwechsel zu DLH, LCAG oder zu GWI vollzogen haben, werden - abweichend von § 7 Abs. 11 TV WeFö - mit Wirkung zum 01.07.2010 in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages einbezogen, sofern das fliegerische Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet war. Dies gilt nicht für Cockpitmitarbeiter, die vor dem 01.12.1992 ein fliegerisches Arbeitsverhältnis mit der früheren Südflug GmbH oder CFG begonnen haben. Cockpitmitarbeiter der DLH und der LCAG, die ihr erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis bei der CFG unter Geltung dieses Tarifvertrages Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der DLH (und damals CFG) begonnen haben, unterliegen weiterhin den Regelungen dieses Tarifvertrages.

        

…       

        

b) Die Zusage für die gemäß a) in den Geltungsbereich einzubeziehenden Mitarbeiter umfasst die Zusatzrente und die Leistungen im Fall der Flugdienstuntauglichkeit (§§ 5 ff.), nicht jedoch die Grundrente (§§ 1 bis 4) und erfolgt unter den nachstehenden Voraussetzungen und Maßgaben:

        

…       

        

c) Für dem jeweiligen Manteltarifvertrag unterliegende Cockpitmitarbeiter der DLH, LCAG oder GWI, die vor dem 01.12.1992 ein fliegerisches Arbeitsverhältnis bei der früheren Südflug GmbH oder CFG begonnen haben und später im Rahmen des TV WeFö zu DLH, LCAG oder GWI gewechselt sind, gelten weiterhin die Regelungen des TV ÜV CFG/CIB (vgl. § 7 Abs. 11 TV WeFö) mit der Maßgabe, dass … Mitarbeiter nach Satz 1, deren Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des Manteltarifvertrages wegen des Eintritts dauernder Flugdienstuntauglichkeit vorzeitig endet, erhalten Flugdienstuntauglichkeitsleistungen gemäß §§ 7 und 7a) dieses Tarifvertrages. Die Flugdienstuntauglichkeitsrente wird jedoch längstens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres geleistet. …“

12

Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihm Leistungen der Übergangsversorgung nach Maßgabe des TV ÜV DLH zu gewähren. Er hat die Auffassung vertreten, der Ausschluss von Mitarbeitern, deren erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis vor dem 1. Dezember 1992 begründet worden sei, verstoße gegen das AGG und gegen Art. 3 Abs. 1 GG und sei unwirksam. Zweck der Übergangsversorgung sei es, Nachteile beim Ausscheiden aus dem Berufsleben vor Eintritt des Versorgungsfalls auszugleichen. Die Schlichtungsempfehlung und die Tarifregelungen bedienten sich hierzu eines Stichtags, der aber nicht der objektiven Interessenlage entspreche. Dieser unterscheide danach, ob das erste fliegerische Arbeitsverhältnis mit der CFG II bzw. der Südflug vor oder nach dem 1. Dezember 1992 begründet worden sei. Hierfür bestehe kein sachlicher Differenzierungsgrund, zumal die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter der CFG II, die ihr erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis nach dem 1. Dezember 1992 begonnen hätten, und derjenigen, die es vor dem 1. Dezember 1992 bei der CFG oder der mit der CFG verschmolzenen Tochter Südflug begonnen hätten, ansonsten über 20 Jahre hinweg gleich gewesen seien. Zudem stelle der Ausschluss eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 2 AGG dar; die Gruppe der Mitarbeiter, die vor dem 1. Dezember 1992 ein fliegerisches Arbeitsverhältnis zur CFG II oder zur Südflug begründet hätten, seien im Durchschnitt älter als die nach dem 1. Dezember 1992 eingestellten Flugzeugführer.

13

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Leistungen der Übergangsversorgung einschließlich der Regelungen zur „Loss of Licence“ zu gewähren, die sie aufgrund der Protokollnotiz II.3. des Änderungs- und Ergänzungstarifvertrags Nr. 4 zum Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der Deutschen Lufthansa AG vom 15./16. Mai 2000 idF des 3. Ergänzungstarifvertrags vom 20. Dezember 2007 den Cockpitmitarbeitern gewährt, die ihr erstes, dem dortigen Manteltarifvertrag unterliegendes fliegerisches Arbeitsverhältnis im Zeitraum ab dem 1. Dezember 1992 bei CFG begonnen haben und im Rahmen des Tarifvertrags Wechsel und Förderung (TV WeFö) einen Arbeitgeberwechsel zur DLH vollzogen haben.

14

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Klage sei bereits wegen des fehlenden besonderen Feststellungsinteresses unzulässig. Der Kläger habe aber auch keinen Anspruch auf die Gewährung einer Übergangsversorgung gemäß dem TV ÜV DLH. Es liege weder ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch eine Benachteiligung wegen seines Alters vor. Der tarifvertraglich geregelte Stichtag sei wirksam, er beruhe auf einem Tarifkompromiss und sei „tarifhistorisch“ bedingt. Er knüpfe an konzernspezifische Besonderheiten und das „Inkrafttreten des Konzerntarifvertrages (KTV) am 01.12.1992“ sowie der damit verbundenen Angleichung der Einstellungsvoraussetzungen von CFG II und DLH an. Bis zur Verschmelzung 1992 seien die Südflug und die CFG zwei rechtlich selbständige Unternehmen mit unterschiedlichen tariflichen Regelungen und Einstellungsvoraussetzungen gewesen, wobei bei der CFG zuvor die gleichen tarifvertraglichen Regelungen wie bei der Beklagten gegolten hätten. Mit der Verschmelzung sei die CFG zwar von der Beklagten „tariflich abgekoppelt“ worden und verfüge seitdem über eigene Tarifverträge, die grundsätzlich für alle Mitarbeiter der CFG II - mit Ausnahme der sog. Alt-Condorianer - und damit auch für die der früheren Südflug maßgebend seien. Die Tarifvertragsparteien hätten aber seit jeher zwischen den Piloten der Beklagten und den sog. Alt-Condorianern einerseits und den Cockpitmitarbeitern der Südflug bzw. der CFG II andererseits aufgrund deren unterschiedlichen Einstellungsvoraussetzungen unterschieden. Es seien deshalb keine neuen Gruppen gebildet, sondern vielmehr an bereits vorhandene Strukturen angeknüpft und diese weiter aufrechterhalten worden.

15

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiter die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat deren Berufung gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Die Beklagte ist verpflichtet, ihm die gleichen Leistungen der Übergangsversorgung und bei Flugdienstuntauglichkeit zu gewähren wie den bis zum 30. Juni 2010 zur Beklagten gewechselten Flugzeugführern, die ihr erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis ab dem 1. Dezember 1992 bei der CFG II begonnen haben. Die den Kläger hiervon ausschließende Tarifregelung in der Protokollnotiz II.3. zum ÄndErgTV Nr. 4 ist unwirksam. Sie benachteiligt ihn wegen seines Alters.

17

I. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage zulässig.

18

1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage - (vgl. dazu BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 25 ff., BAGE 131, 176; 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B I 1 der Gründe). Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ist auch noch in der Revision von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., etwa BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 14, BAGE 124, 240).

19

2. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Klärung der - auch nur möglichen - Verpflichtung der Beklagten. Sein Klageantrag betrifft die Verpflichtung der Beklagten, im Falle des Eintritts einer Bedingung eine bestimmte Leistung an ihn zu erbringen. Die Bedingungen der beiden im Antrag genannten Leistungen sind das Ende des Arbeitsverhältnisses vor Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze (für die Übergangsversorgung) und/oder der Eintritt der Berufsunfähigkeit wegen Flugdienstuntauglichkeit (für die „Loss of Licence“-Leistungen). Damit betreffen sie ein - mögliches - zukünftiges Rechtsverhältnis. Dass die jeweilige Bedingung noch nicht eingetreten ist, hindert die Zulässigkeit nicht. Die tarifliche Übergangsversorgung dient der Schließung einer Versorgungslücke des Arbeitnehmers zwischen dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und dem Eintritt in das gesetzliche Rentenalter (vgl. BAG 18. Mai 2004 - 9 AZR 250/03 - zu A der Gründe). Dem Kläger ist es nicht zuzumuten, den Eintritt der jeweiligen Bedingung abzuwarten. Er hat ein rechtliches Interesse daran, mögliche Versorgungslücken durch eigene Vorsorge zu schließen oder zu mindern (vgl. BAG 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B I 2 der Gründe). Voraussetzung für eine entsprechende Entscheidung ist die Kenntnis des ihm bereits jetzt für den Fall des Bedingungseintritts zustehenden Anspruchs. Deshalb steht die Ungewissheit, ob und wie die Tarifvertragsparteien auf die durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13. September 2011 (- C-447/09 - Slg. 2011, I-8003), mit der die bisherige tarifvertragliche Altersgrenze für Verkehrsflugzeugführer der Beklagten für unionsrechtswidrig erklärt worden ist, entstandene neue Rechtslage reagieren und welche inhaltlichen Strukturen der künftigen Übergangsversorgung bei der Beklagten vereinbart werden, dem rechtlich geschützten Interesse des Klägers an einer alsbaldigen Feststellung nicht entgegen.

20

II. Die Klage ist auch begründet. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus dem für das Arbeitsverhältnis der Parteien geltenden TV ÜV DLH. Dieser schließt zwar nach seinem Wortlaut den Kläger von den von ihm begehrten Leistungen aus. Dieser Ausschluss benachteiligt aber den Kläger mittelbar wegen seines Alters (§§ 1, 3 Abs. 2, § 7 Abs. 2 AGG). Auf ihn sind deshalb die Regelungen für die begünstigten Arbeitnehmer so anzuwenden, als erfülle auch er diese - ihn diskriminierenden - Geltungsvoraussetzungen.

21

1. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten kraft Mitgliedschaft in den tarifschließenden Tarifvertragsparteien grundsätzlich die Tarifwerke der Beklagten (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG), soweit es die Cockpitmitarbeiter betrifft. Hiervon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus.

22

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 23. Juni 2010 auch der TV ÜV DLH hinsichtlich der Regelungen zur Übergangsversorgung und der „Loss of Licence“ in der Fassung des ÄndErgTV Nr. 4.

23

a) Der TV ÜV DLH gilt nach seinem Wortlaut nicht für das Arbeitsverhältnis der Parteien. Der Kläger hat sein erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis nicht mit der CFG II und nicht nach dem 1. Dezember 1992 begründet. Er war zum Zeitpunkt der Verschmelzung im August 1992 bereits seit dem 1. März 1990 Arbeitnehmer bei der damaligen Südflug und vorher als Flugzeugführer bei LTU beschäftigt. Damit erfüllt er nicht die Voraussetzungen, die laut Protokollnotiz II.3. an diejenigen früheren Cockpitmitarbeiter der CFG gestellt werden, die in den Geltungsbereich des TV ÜV DLH einbezogen werden sollten.

24

Diese Regelung basiert auf dem nach dem Arbeitskampf auf der Basis der Schlichtungsempfehlung abgeschlossenen ÄndErgTV Nr. 4, der zwar den persönlichen Geltungsbereich des TV ÜV DLH um Cockpitmitarbeiter erweitert hatte, die unter der Geltung des TV WeFö von einer anderen Konzerngesellschaft, namentlich der Condor Flugdienst GmbH (CFG) oder der Condor Berlin GmbH (CIB), zur Beklagten (oder zur LCAG oder GWI) gewechselt waren, jedoch nur solche in den Genuss der Übergangsversorgung der Beklagten kommen ließ, die ihr erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis ab dem 1. Dezember 1992 bei der CFG II begründet haben; nur sie wurden mit Wirkung zum 1. Juli 2010 „in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages einbezogen“ (Protokollnotiz II.3. Buchst. a Satz 1). Für Cockpitmitarbeiter hingegen, die ein fliegerisches Arbeitsverhältnis vor dem 1. Dezember 1992 bei der CFG II oder - wie der Kläger - bei der früheren Südflug begonnen haben, sollten weiterhin die „alten, mitgebrachten“ Regelungen der Übergangsversorgungbestimmungen ihrer früheren Arbeitgeber, also der TV ÜV CFG/CIB, gelten (Protokollnotiz II.3. Buchst. a Satz 2, Buchst. c Satz 1).

25

b) Die Tarifregelung in der Protokollnotiz II.3. idF des ÄndErgTV Nr. 4 ist nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Sie verstößt mit ihrer Gruppenbildung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung des § 7 Abs. 1 AGG. Sie benachteiligt den Kläger wegen seines Alters, ohne dass die Bestimmung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zu seiner Erreichung angemessen und erforderlich sind.

26

aa) Nach § 7 Abs. 2 AGG führt ein Verstoß von Bestimmungen in Vereinbarungen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG zur Unwirksamkeit der betreffenden Regelung(BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113; 25. März 2015 - 5 AZR 458/13 - Rn. 32; 14. Januar 2015 - 7 AZR 880/13 - Rn. 36; 16. November 2011 - 4 AZR 856/09 - Rn. 27; zum Ganzen und zur Methodik Schlachter Das Verbot der Altersdiskrimierung und der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien S. 63 und 67 ff.). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für „kollektivrechtliche Vereinbarungen“ von Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 12, BAGE 141, 73; 14. Januar 2015 - 7 AZR 880/13 - Rn. 36; EuGH 8. September 2011 - C-297/10 - [Hennigs] Rn. 68, Slg. 2011, I-7965; 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 48, Slg. 2011, I-8003; 7. Juni 2012 - C-132/11 - [Tyrolean Airways Tiroler Luftfahrt Gesellschaft] Rn. 22; Schlachter aaO S. 63). Wenn auch den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum und in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative bei der Gestaltung von Tarifverträgen zukommt (st. Rspr., vgl. nur BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 31 mwN), finden ihre Regelungsbefugnisse gleichwohl ihre Grenzen in entgegenstehendem zwingenden Gesetzesrecht, wozu ua. die einfachrechtlichen Diskriminierungsverbote zählen (BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 111, 8). Der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien kann nicht dazu führen, das Verbot der Altersdiskriminierung auszuhöhlen (EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 33, Slg. 2010, I-9343; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569).

27

bb) Nach 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe, ua. des Alters, nicht benachteiligt werden. Eine Benachteiligung liegt nicht nur in einer objektiv feststellbaren Zurücksetzung gegenüber einer Vergleichsperson oder Vergleichsgruppe anhand eines ausdrücklich genannten Merkmals (unmittelbare Benachteiligung, § 3 Abs. 1 AGG). Eine solche Benachteiligung kann auch dann vorliegen, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften geeignet sind, Personen wegen des Alters gegenüber anderen Personen in besonderer Weise zu benachteiligen (mittelbare Diskriminierung, § 3 Abs. 2 AGG). Dies setzt zunächst voraus, dass die benachteiligten und begünstigten Personen vergleichbar sind (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZN 815/11 - Rn. 10 mwN, BAGE 139, 226). Um vergleichbar zu sein, müssen sachlogisch die beiden Größen Gemeinsamkeiten aufweisen, um die Unterschiede zueinander in Beziehung zu setzen. Ist grundsätzlich eine in diesem Sinne einheitliche Gruppe von Arbeitnehmern potentiell von einer Regelung betroffen, werden sie jedoch durch ein bestimmtes Kriterium in zwei oder mehr (Teil-)Gruppen unterschieden, kann dieses unterscheidende Kriterium auch dann ein mittelbar diskriminierendes Merkmal iSv. § 1 AGG sein, wenn die danach voneinander in begünstigte und benachteiligte unterschiedenen (Teil-)Gruppen nicht nur das wörtlich verstandene Kriterium trennt, sondern diese Trennung mit einem signifikanten Unterschied hinsichtlich des Auftretens eines der in § 1 AGG genannten Merkmale, zB des Alters, einhergeht. Eines statistischen Nachweises über diesen Zusammenhang zwischen dem (wörtlich) neutralen und dem in § 1 AGG pönalisierten Merkmal bedarf es nicht zwingend(BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 37). Mittelbare Benachteiligungen können sich auch aus anderen Umständen ergeben (BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 27, BAGE 137, 80).

28

cc) Eine - mittelbare - Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG ist aber nicht gegeben, wenn mit der Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel verfolgt wird und das hierfür eingesetzte Mittel, zB die getroffene Regelung, verhältnismäßig, dh. angemessen und erforderlich, ist.

29

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Ziel dann rechtmäßig, wenn es nicht seinerseits diskriminierend und im Übrigen legal ist (BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 584/09 - Rn. 42; 28. Januar 2010 - 2 AZR 764/08 - Rn. 19, BAGE 133, 141). Ein solches legitimes Regelungsziel muss der Unterscheidung überprüfbar zugrunde liegen, wenn es auch nicht in der Regelung selbst ausdrücklich benannt sein muss. Es muss sich aber aus dem Kontext der Differenzierungsmaßnahme ableiten lassen (Schlachter aaO S. 33 mwN aus der Rechtsprechung des EuGH).

30

(2) Die zur Erreichung dieses Ziels gewählten Mittel müssen erforderlich sein, dh. es darf keine die Benachteiligten weniger treffenden Möglichkeiten geben, das Ziel zu erreichen. Dabei sind die Anforderungen an die Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung nicht höher als diejenigen an die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung (BAG 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 35, BAGE 131, 298; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 40 mwN, BAGE 131, 61).

31

(3) Bei der Prüfung der Angemessenheit ist die aus der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie resultierende Gestaltungsbefugnis der Tarifvertragsparteien zu beachten. Das Erfordernis einer Rechtfertigung entfällt dadurch zwar nicht. Jedoch ist aufgrund der weitreichenden Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien und deren Einschätzungsprärogative bzgl. der sachlichen Gegebenheiten, der betroffenen Interessen und der Rechtsfolgen deren Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung zu berücksichtigen (BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 17 mwN, BAGE 131, 113). Sie können tarifvertragliche Ansprüche differenzierend festlegen und bspw. Stichtagsregelungen als „Typisierungen in der Zeit“ mit ihren notwendigen Pauschalierungen aus Gründen der Praktikabilität - ungeachtet der damit verbundenen Härten - zur Abgrenzung von begünstigten Personenkreisen kreieren, jedenfalls dann, wenn sich die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert, vertretbar erscheint und nicht gegen gesetzliche Regelungen verstößt (BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 34; 17. April 2013 - 4 AZR 770/11 - Rn. 26; 15. September 2009 - 9 AZR 685/08 - Rn. 30; 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 26, BAGE 129, 93, jeweils mwN).

32

dd) Unter Anwendung dieser Kriterien enthält die Neufassung der Protokollnotiz II.3. idF des ÄndErgTV Nr. 4 eine nicht gerechtfertigte mittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters.

33

(1) Die aus den Konzerntochtergesellschaften, bspw. der CFG II, im Rahmen des TV WeFö zur Beklagten gewechselten Cockpitmitarbeiter waren - mit Ausnahme der Übergangsversorgung - bis zum 23. Juni 2010 den von Anfang an bei der Beklagten eingestellten Flugzeugführern grundsätzlich gleichgestellt. Von der Übergangsversorgung der Beklagten waren allerdings die „Wechsler“ aus Tochtergesellschaften - mit Ausnahme der sog. „Alt-Condorianer“ - ausdrücklich durch die tarifliche Regelung des § 7 Abs. 11 TV WeFö Nr. 3 ausgenommen, nach der nicht diese, sondern die für sie bei ihrer bisherigen Gesellschaft geltenden tariflichen Bestimmungen weiter maßgebend sein sollten.

34

(2) Mit der Neufassung der Protokollnotiz II.3. im ÄndErgTV Nr. 4 wurde für diese Gruppe von Cockpitmitarbeitern von insgesamt 589 der zur Beklagten gewechselten Piloten eine differenzierende Regelung für die Übergangsversorgung geschaffen. Die bis dahin einheitliche tarifliche Regelung der Übergangsversorgung wurde durch die Protokollnotiz II.3. für einen Teil der zur Beklagten gewechselten Beschäftigten, nämlich 482 Flugzeugführer, aufgehoben und diese in die Übergangsversorgung nach dem TV ÜV DLH einbezogen. Bei den restlichen 107 Cockpitmitarbeitern der Ausgangsgruppe, darunter der Kläger, lagen die in der Protokollnotiz II.3. vorgesehenen Voraussetzungen nicht vor. Damit wird der größere Teil der Gruppe der betroffenen Arbeitnehmer - der „Wechsler“ - durch die Regelung gegenüber dem kleineren Teil der Gruppe begünstigt. Ihre Mitglieder erhalten Übergangsversorgungs- und Versicherungsleistungen nach dem TV ÜV DLH, während die anderen, darunter der Kläger, nach den schon bisher geltenden tariflichen Regelungen ihrer früheren Arbeitgeber, dh. des TV ÜV CFG/CIB (vgl. § 7 Abs. 11 TV WeFö Nr. 3) abgesichert sind.

35

Die Anwendung der verschiedenen Tarifregelungen führt zu gravierend unterschiedlichen Ergebnissen. Der Kläger hat unbestritten vorgetragen, für ihn ergebe sich im Fall des Eintritts eines Übergangsversorgungstatbestands, also der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses vor Erreichen der Regelaltersgrenze, bei Anwendung der (alten) Tarifregelungen aus der Übergangsversorgung der CFG ein monatlicher Anspruch von - umgerechnet und verteilt auf eine Anspruchsdauer von insgesamt drei Jahren - 1.388,88 Euro monatlich. Unter den Bedingungen des TV ÜV DLH betrage der monatliche Anspruch 8.572,81 Euro. Bei der Flugdienstuntauglichkeitsversicherung ergibt sich die Benachteiligung bereits daraus, dass die entsprechenden Leistungen nach dem TV ÜV DLH bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres gezahlt werden, nach dem TV ÜV CFG/CIB dagegen nur bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres.

36

(3) Diese Schlechterstellung des Klägers gegenüber der Vergleichsgruppe der vom ÄndErgTV Nr. 4 erfassten Cockpitmitarbeiter, die zwischen Dezember 1993 und Juni 2010 zur Beklagten gewechselt sind, stellt eine Benachteiligung wegen des Alters dar, auch wenn die Protokollnotiz II.3. idF des ÄndErgTV Nr. 4 als Differenzierungskriterium für die Gruppenbildung nicht das Lebensalter, sondern nur das Eintrittsdatum bei einem anderen Konzernunternehmen nennt. Mit der Verwendung dieses von den Tarifvertragsparteien gewählten Differenzierungskriteriums erfolgt jedoch eine mittelbare Diskriminierung nach dem Alter.

37

(a) Das ergibt sich zum einen aus dem Kriterium selbst. Die Tarifvertragsparteien haben im Jahre 2011 die rückwirkend zum 23. Juni 2010 in Kraft gesetzte Tarifregelung zugunsten einer bestimmten Beschäftigtengruppe getroffen. Dabei haben sie sich dafür entschieden, diejenigen Cockpitmitarbeiter zu begünstigen, die - neben den anderen Kriterien, die auch vom Kläger bzw. der Gruppe der benachteiligten Cockpitmitarbeiter erfüllt werden - in den letzten knapp 18 Jahren vor der getroffenen Regelung bei der Konzerntochtergesellschaft ihre erste fliegerische Beschäftigung aufgenommen haben und später zur Beklagten gewechselt sind. Diejenigen Cockpitmitarbeiter, die zwar im gleichen Zeitraum auch zur Beklagten gewechselt sind, aber schon früher bei einer Konzerntochtergesellschaft eingestellt worden oder aufgrund der Verschmelzung im August 1992 deren Mitarbeiter geworden sind und mithin eine längere Beschäftigungszeit aufweisen, werden dagegen von der begünstigenden Regelung ausgeschlossen. Die Regelung aus dem Jahre 2011 erfasst Berufsanfänger aus den letzten 18 Jahren, nicht jedoch die Cockpitmitarbeiter der früheren Jahre, die denklogisch durchschnittlich älter sein müssen. Dies wird auch von der Revision eingeräumt.

38

(b) Diese logische Zuweisung des Differenzierungskriteriums des Alters wird untersetzt durch die statistisch begründete Feststellung des Landesarbeitsgerichts, nach der die Piloten, die - wie der 1960 geborene Kläger - vor dem 1. Dezember 1992 eingestellt worden sind und deshalb zu der benachteiligten Gruppe gehören, im Jahre 2010 ein Durchschnittsalter von 49,0 Jahren aufwiesen, während die Mitglieder der begünstigten Teilgruppe zum selben Zeitpunkt durchschnittlich 36,5 Jahre alt waren. Damit ist die Begünstigung signifikant mit dem Lebensalter des insgesamt betroffenen Personenkreises verbunden.

39

(4) Eine mittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil mit der Tarifregelung ein rechtmäßiges Ziel verfolgt würde und die dafür eingesetzten Mittel angemessen und erforderlich wären. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend und rechtsfehlerfrei angenommen.

40

(a) Es mangelt bereits an einer nachvollziehbaren Darlegung der Beklagten zum rechtmäßigen Ziel der Differenzierung.

41

(aa) Die Beklagte hat darauf verwiesen, die Regelung enthalte den genannten „Stichtag“, weil zu diesem Zeitpunkt der „tarifliche Gleichlauf“ zwischen der „neuen“ CFG II und der Beklagten wieder hergestellt worden sei, indem an diesem Tag der „Konzerntarifvertrag Cockpit“ auf die Beschäftigten der CFG II erweitert worden sei und somit beide Unternehmen wieder einheitlich agieren würden, was tarifhistorisch ein einschneidendes Ereignis für den „Personalkörper des Cockpitbereichs im Lufthansakonzern“ darstelle. Der Kläger sei unter der Ägide eines anderen Tarifvertrags zur CFG gestoßen und habe deshalb nicht damit rechnen können, mittel- oder langfristig in eine andere Konzerngesellschaft wechseln zu können. Ihm und der vermeintlich benachteiligten Gruppe seien eben keine Rechte entzogen worden, sondern sie seien lediglich von der allgemeinen Erweiterung auf die Leistungen der Übergangsversorgung ausgeschlossen worden.

42

(bb) Diese Hinweise vermögen die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung nicht zu rechtfertigen.

43

Bereits die Wahl des Stichtags als „tarifhistorisches Ereignis“ ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Erst zum 31. August 1992 war die tarifrechtliche „Abkoppelung“ (so die Terminologie der Beklagten) des Tarifsystems der CFG II von demjenigen des Konzerns vorgenommen worden. Schon zehn Wochen später wurde mit der Vereinbarung vom 14. November 1992 die erneute Zusammenführung der Tarifsysteme zum 1. Dezember 1992 geplant. Der dieses Ziel umsetzende TV WeFö trat jedoch erst zum 1. Dezember 1993 in Kraft. Angesichts dessen ist die Festlegung des 1. Dezember 1992 als Stichtag jedenfalls nicht als der Tag einer grundlegenden Änderung der Rechtslage geeignet, eine zentrale Bedeutung in der Tarifhistorie des Konzerns der Beklagten zu gewinnen. Soweit die Beklagte dieses Datum mit dem „Inkrafttreten des Konzerntarifvertrags“ auch noch in der Revision in Verbindung bringt, erschließt sich dies dem Senat nicht. Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, gibt es einen solchen „Konzerntarifvertrag“ nicht; gemeint ist damit wohl die „Vereinbarung“ der Tarifvertragsparteien vom 14. November 1992, die aber nur eine - später nicht eingehaltene - Absichtserklärung einer Tarifierung zum 1. Dezember 1992 enthält.

44

Entscheidend ist weiter, dass sich aus den Ausführungen der Beklagten zur Wahl des Stichtags kein - auch noch rechtmäßiges - Ziel der Regelung ergibt. Die Beklagte bemüht sich lediglich, dem von ihr gesetzten Stichtag eine Bedeutung beizumessen, indem sie das Datum mit einer zu diesem Zeitpunkt nicht einmal eingetretenen, sondern nur beabsichtigten Änderung der Rechtslage der betroffenen Mitarbeiter in Verbindung bringt. Ansonsten beschränkt sie sich darauf hinzuweisen, dass es - außerhalb der Rechtsfolgen der hier zu beurteilenden Handlung - keinen Rechtsanspruch des Klägers auf vollständige Gleichstellung mit den Cockpitmitarbeitern gibt, die seit jeher und ausschließlich bei der Beklagten beschäftigt sind. Das ist zutreffend; auf einen solchen - anderen - Anspruchsgrund beruft sich der Kläger aber nicht, sondern allein auf die Rechtsfolgen einer tatsächlich vorliegenden (mittelbaren) Altersdiskriminierung durch eine im Jahre 2011 vereinbarte Tarifregelung.

45

Ein konkretes mit der Tarifregelung bzw. mit der dort vorgenommenen Differenzierung angestrebtes Ziel wird von der Beklagten weder ausdrücklich benannt noch ist es sonst erkennbar, will man nicht die Begrenzung der ansonsten, dh. bei einer vollständigen Anpassung der Übergangsversorgungsregelungen für alle zur Beklagten gewechselten Cockpitmitarbeiter, eintretenden wirtschaftlichen Belastung als ein solches ansehen. Gerade dies wird von der Revision aber nicht behauptet.

46

(b) Im Übrigen bleibt auch die Relation zwischen dem - mutmaßlich - angestrebten Ergebnis der streitigen Regelung und den dafür gewählten Mitteln unklar. Die Frage nach der Erforderlichkeit der gewählten Differenzierung und einem möglichen „milderen Mittel“ lässt sich schon deshalb nicht beantworten, weil nicht erkennbar ist, welchem Zweck das Mittel, also die inkriminierte Tarifregelung in der Protokollnotiz II.3. idF des ÄndErgTV Nr. 4, dienen soll. Dies ist insbesondere angesichts des gravierenden Unterschieds zwischen den Ergebnissen der Differenzierung für die beiden (Teil-)Gruppen unverzichtbar. Denn je stärker die Bevorzugung bzw. Benachteiligung ausfällt, dh. je größer der Unterschied zwischen den beiden (Teil-)Gruppen bei der Anwendung der Regel ist, desto höher ist der Legitimationsbedarf für diese Differenzierung.

47

c) Auch die weiteren Einwände der Revision bleiben erfolglos.

48

aa) Soweit sie sich darauf beruft, die Sichtweise des Landesarbeitsgerichts führe dazu, dass jegliche Stichtagsregelung als mittelbare Benachteiligung wegen des Alters anzusehen sei, ist dies lediglich ein (im Übrigen untaugliches) Evidenz-Argument. Schon bisher geht die Rechtsprechung davon aus, dass Stichtagsregelungen in Tarifverträgen einer gewissen Rechtfertigung bedürfen (vgl. dazu ausf. oben unter II 2 b cc (3)). Über das Ausmaß der Rechtfertigungsbedürftigkeit und der Kontrolldichte entscheidet die konkrete Fallkonstellation. Auch wenn es für Tarifvertragsparteien mit Blick auf das Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG weitgehend erleichterte Möglichkeiten geben mag, lässt sich ohne jegliche Nennung eines die Differenzierung begründenden Regelungsziels schon denklogisch keine - auch nur schwach ausgeprägte - Plausibilitätskontrolle durchführen.

49

bb) Der Einwand der Beklagten, lediglich die Beschäftigungszeit, nicht aber das Alter der Beschäftigten sei durch die Stichtagsregelung zum Differenzierungskriterium gemacht worden, ist unzutreffend. Die tarifliche Differenzierung knüpft gerade nicht an die Beschäftigungszeit als solche an. Soweit sich die Beschäftigungszeit auf die Beklagte bezieht, beginnt sie ohnehin erst mit dem nach 1992 erfolgten Wechsel von der CFG II zur Beklagten. Soweit sie sich auf Konzernunternehmen bezieht, ist sie gleichfalls nicht zum Ansatzpunkt geworden, da auch schon die Südflug eine Tochtergesellschaft der Beklagten war. Im Übrigen wäre bei einer Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten erst recht begründungsbedürftig, warum - anders als in nahezu allen sonstigen Fällen, in denen Leistungen in ihrer Höhe von Beschäftigungszeiten abhängig gemacht werden - gerade die Mitarbeiter mit den längsten Beschäftigungszeiten von solchen vergleichsweise erheblichen tariflichen Leistungen ausgenommen werden.

50

cc) Der von der Beklagten weiter genannte Zusammenhang zwischen der fliegerischen Ausbildung der benachteiligten Gruppe gegenüber derjenigen der begünstigten Gruppe erschließt sich nicht. Schon grundsätzlich müsste auch hier das Ziel benannt werden, hinsichtlich dessen eine solche Differenzierung als Mittel zu seiner Erreichung geeignet sein könnte. Es kann nicht dem Gericht überlassen bleiben, aus der bloßen Nennung eines Datums, verbunden mit einer Darstellung des - letztlich auch nur vermeintlichen - Unterschieds zwischen der davor und der danach bestehenden Rechtslage, das Ziel einer diese Differenzierung aufgreifenden, 18 Jahre später getroffenen Regelung zu folgern.

51

dd) Auch der Verweis der Revision auf die Rechtsfolgen des § 613a BGB ist unbehelflich. Die Beklagte beruft sich darauf, dass auch dort die historisch unterschiedliche Ausgangsbasis den Fortbestand zweier unterschiedlicher „Personalkörper“ zur Folge habe. Abgesehen davon, dass es sich dabei um eine gesetzliche Rechtsfolgenanordnung handelt, wäre dieses Argument nur tauglich gegen ein Vereinheitlichungsverlangen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen. Darauf beruft sich der Kläger jedoch nicht. Er will lediglich nicht wegen seines Alters aus der allgemeinen Vergünstigung einer ansonsten vergleichbaren Beschäftigtengruppe ohne sachlichen Grund herausgenommen werden.

52

3. Wegen der mittelbaren Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters hat er einen Anspruch auf Gewährung der Leistungen nach Maßgabe der Regelungen für die begünstigte Gruppe.

53

a) Nach § 7 Abs. 2 AGG führt ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Abs. 1 zur Unwirksamkeit der verbotswidrigen Regelung(BAG 16. November 2011 - 4 AZR 856/09 - Rn. 27; 23. März 2015 - 5 AZR 458/13 - Rn. 32). Rechtsfolge einer - mittelbaren - Benachteiligung ist die Nichtanwendung allein der diskriminierenden Regelung. Besteht diese in einer Ausgrenzung der diskriminierten Arbeitnehmer aus dem Geltungsbereich einer vergleichbare Arbeitnehmer begünstigenden Regelung und sind bisher keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung getroffen, so dass die Regelung das einzig gültige Bezugssystem bleibt, ist regelmäßig auf die Angehörigen der durch diese Diskriminierung benachteiligten Gruppe die gleiche Regelung wie auf die begünstigten Arbeitnehmer anzuwenden, um die Benachteiligung zu beseitigen (vgl. nur BAG 25. März 2015 - 5 AZR 458/13 - Rn. 32 f. mwN; EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 - [Specht] Rn. 95; 22. Juni 2011 - C-399/09 - [Landtová] Rn. 51, Slg. 2011, I-5573; 26. Januar 1999 - C-18/95 - [Terhoeve] Rn. 57, Slg. 1999, I-345). Das Landesarbeitsgericht ist unter Heranziehung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesarbeitsgerichts deshalb ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass vorliegend zur Beseitigung der Benachteiligung eine entsprechende Anpassung vorzunehmen ist (vgl. dazu ausf. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 481/09 - Rn. 15 bis 43; zu einer hierdurch veranlassten späteren Einschränkung der Vergünstigungen insgesamt EuGH 22. Juni 2011 - C-399/09 - [Landtová] Rn. 53, aaO; 19. Juni 2014 - C-501/12 - [Specht] Rn. 95; BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 23, BAGE 140, 83). Die Revision hat dagegen keinerlei Einwände erhoben.

54

b) Der Kläger hat daher einen Anspruch auf die den begünstigten vergleichbaren Arbeitnehmern gewährten Leistungen. Der ÄndErgTV Nr. 4 ist so auf sein Arbeitsverhältnis anzuwenden, als seien die dort in der Protokollnotiz II.3. aufgeführten Anspruchsvoraussetzungen ohne die ausgrenzenden Faktoren vereinbart worden. Die - danach verbleibenden - Anspruchsvoraussetzungen werden vom Kläger erfüllt, so dass er entsprechend der Regelung in den Geltungsbereich des TV ÜV DLH einbezogen ist. Gegen diese Schlussfolgerung des Landesarbeitsgerichts wendet sich die Revision letztlich nicht.

55

III. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos bleibt, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Rinck    

        

        

        

    Pfeil    

        

    Bredendiek    

                 

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Tenor

I. Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Oktober 2007 - 17 Sa 809/07 - aufgehoben.

II. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. März 2007 - 6 Ca 7405/06 - abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zu 1. und der Beklagten nicht aufgrund der Befristung in § 19 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa idF vom 14. Januar 2005 mit dem 30. November 2006 endete.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des verstorbenen früheren Klägers zu 2. M und der Beklagten nicht aufgrund der Befristung in § 19 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa idF vom 14. Januar 2005 mit dem 30. April 2007 endete.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zu 3. und der Beklagten nicht aufgrund der Befristung in § 19 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa idF vom 14. Januar 2005 mit dem 30. Juni 2007 endete.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung der Arbeitsverhältnisse der Kläger zu 1. und 3. sowie des verstorbenen früheren Klägers zu 2. mit der Beklagten aufgrund einer tariflichen Altersgrenze.

2

Der Kläger zu 1. wurde am 10. November 1946, der frühere Kläger zu 2. am 25. April 1947 und der Kläger zu 3. am 29. Juni 1947 geboren. Der ehemalige Kläger zu 2. verstarb am 13. November 2009.

3

Die Kläger wurden von dem beklagten Luftfahrtunternehmen seit vielen Jahren als Flugzeugführer, zuletzt als Flugkapitäne, beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse fanden kraft arbeitsvertraglicher Verweisung - bei den Klägern zu 1. und 3. auch kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit - die für das Cockpitpersonal der Beklagten geltenden Tarifverträge Anwendung. § 19 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa(MTV Nr. 5a) idF vom 14. Januar 2005 lautet:

        

„Das Arbeitsverhältnis endet - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird.“

4

Die fachlichen Voraussetzungen und Prüfungen für den Erwerb von Lizenzen richten sich nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung(LuftVZO) idF der Verordnung zur Änderung luftrechtlicher Vorschriften über Anforderungen an Flugbesatzungen vom 10. Februar 2003 (BGBl. I S. 182). Der Umfang der Lizenzen bestimmt sich nach der Verordnung über Luftfahrtpersonal. Für Privatflugzeugführer, Berufsflugzeugführer und Verkehrsflugzeugführer galt zu dem Zeitpunkt, in dem die Kläger jeweils die tarifliche Altersgrenze erreichten, die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Bundesanzeiger bekannt gemachte Fassung der Bestimmungen über die Lizenzierung von Piloten von Flugzeugen (JAR-FCL 1 deutsch) vom 15. April 2003 (Bundesanzeiger Nr. 80a vom 29. April 2003; jetzt: JAR-FCL 1 deutsch idF vom 17. November 2008, Bundesanzeiger Nr. 13a vom 27. Januar 2009). Bei den Bestimmungen der JAR-FCL handelt es sich um ein unter deutscher Beteiligung erarbeitetes Regelwerk einer internationalen Institution, der Joint-Aviation-Authorities (JAA). JAR-FCL 1.060 idF vom 15. April 2003 lautet (in Buchst. a wortgleich mit der Fassung vom 17. November 2008):

        

„Beschränkungen für Lizenzinhaber nach Vollendung des 60. Lebensjahres

        

(a)     

60 - 64 Jahre:

        

Der Inhaber einer Lizenz darf nach Vollendung des 60. Lebensjahres nicht mehr als Pilot von Flugzeugen bei der gewerbsmäßigen Beförderung eingesetzt werden, es sei denn:

        

(1)     

er ist Mitglied einer Flugbesatzung, die aus mehreren Piloten besteht, und

        

(2)     

die anderen Piloten haben das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet.

        

(b)     

65 Jahre

        

Der Inhaber einer Lizenz darf nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr als Pilot von Flugzeugen bei der gewerbsmäßigen Beförderung eingesetzt werden.“

5

§ 4 der Ersten Durchführungsverordnung zur Verordnung über Luftfahrtpersonal(1. DV LuftPersV) vom 15. April 2003 (Bundesanzeiger Nr. 82b vom 3. Mai 2003) bestimmt:

        

„Der Inhaber einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Berufs- oder Verkehrspilotenlizenz oder der Inhaber einer Lizenz gemäß § 46 Abs. 5 LuftPersV darf nach Vollendung des 60. Lebensjahres bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Rechte seiner Lizenz auch in Luftfahrzeugen mit einer Mindestbesatzung von einem Piloten bei der gewerbsmäßigen Beförderung von Fluggästen, Post und/oder Fracht, beschränkt auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, ausüben.

        

Der Inhaber einer Pilotenlizenz darf nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr als Flugzeugführer bei der gewerbsmäßigen Beförderung von Fluggästen, Post und/oder Fracht eingesetzt werden.“

6

Mit ihrer am 19. Oktober 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage haben sich die Kläger zu 1. und 3. sowie der verstorbene frühere Kläger zu 2. gegen die Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse aufgrund der tariflichen Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a gewandt. Die Altersgrenze diskriminiere sie wegen ihres Alters und verstoße damit gegen § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Das AGG sei unionsrechtskonform anhand der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16, Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie) auszulegen.

7

Die Kläger zu 1. und 3. sowie der verstorbene frühere Kläger zu 2. haben, soweit für die Revision noch von Interesse, beantragt

         

I.    

festzustellen,

                 

1.    

dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger zu 1. und der Beklagten nicht aufgrund der Befristung in § 19 Abs. 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa idF vom 14. Januar 2005 zum 30. November 2006 endete;

                 

2.    

dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger zu 2. und der Beklagten nicht aufgrund der Befristung in § 19 Abs. 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa idF vom 14. Januar 2005 zum 30. April 2007 endete;

                 

3.    

dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger zu 3. und der Beklagten nicht aufgrund der Befristung in § 19 Abs. 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa idF vom 14. Januar 2005 zum 30. Juni 2007 endete;

        

II.     

die Beklagte zu verurteilen,

                 

1.    

den Kläger zu 1. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu I.1. zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugkapitän sowie als Check- und Trainingskapitän über den Ablauf des 30. November 2006 hinaus weiterzubeschäftigen;

                 

2.    

den Kläger zu 2. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu I.2. zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugkapitän über den Ablauf des 30. April 2007 hinaus weiterzubeschäftigen;

                 

3.    

den Kläger zu 3. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu I.3. zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugkapitän sowie als Check- und Trainingskapitän über den Ablauf des 30. November 2006 hinaus weiterzubeschäftigen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die tarifliche Altersgrenze für wirksam gehalten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger zu 1. und 3. sowie die Ehefrau des in der Revisionsinstanz verstorbenen früheren Klägers zu 2. die Anträge weiter. Die Ehefrau des früheren Klägers zu 2. ist dessen Alleinerbin und hat das Verfahren aufgenommen. Die Beklagte ist der Aufnahme nicht entgegengetreten.

10

Der Senat hat den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (heute: Gerichtshof der Europäischen Union, im Folgenden Gerichtshof oder EuGH) mit Beschluss vom 17. Juni 2009 (- 7 AZR 112/08 (A) - BAGE 131, 113) um Vorabentscheidung über die Frage ersucht:

        

„Sind Art. 2 Abs. 5, Art. 4 Abs. 1 und/oder Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens zur Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und/oder der allgemeine Grundsatz des Gemeinschaftsrechts über das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters so auszulegen, dass sie Regelungen des nationalen Rechts entgegenstehen, die eine auf Gründen der Gewährleistung der Flugsicherheit beruhende tarifliche Altersgrenzenregelung von 60 Jahren für Piloten anerkennen?“

11

Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 13. September 2011 (- C-447/09 - [Prigge] Rn. 83, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22) erkannt:

        

„Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten über Ermächtigungsvorschriften den Sozialpartnern gestatten können, Maßnahmen im Sinne dieses Art. 2 Abs. 5 auf den in dieser Bestimmung genannten Gebieten, die in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen fallen, zu treffen, vorausgesetzt, diese Ermächtigungsvorschriften sind hinreichend genau, damit gewährleistet wird, dass die genannten Maßnahmen die in Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie genannten Anforderungen beachten. Eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die die Altersgrenze, ab der Piloten ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen dürfen, auf 60 Jahre festlegt, während die nationale und die internationale Regelung dieses Alter auf 65 Jahre festlegen, ist keine Maßnahme, die für die öffentliche Sicherheit und den Schutz der Gesundheit im Sinne dieses Art. 2 Abs. 5 notwendig ist.

        

Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass er einer tarifvertraglichen Klausel entgegensteht, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende die Altersgrenze, ab der Piloten als körperlich nicht mehr fähig zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gelten, auf 60 Jahre festlegt, während die nationale und die internationale Regelung dieses Alter auf 65 Jahre festlegen.

        

Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass die Flugsicherheit kein legitimes Ziel im Sinne dieser Vorschrift ist.“

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Kläger ist begründet. Die Befristungskontrollanträge haben entgegen der Auffassung der Vorinstanzen in der Sache Erfolg. Über die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung hat der Senat nicht zu entscheiden.

13

A. Die Befristungskontrollanträge sind begründet. Das gilt auch für den Befristungskontrollantrag des früheren Klägers zu 2. An seine Stelle ist als Partei dessen Ehefrau getreten. Die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG ist in allen drei Fällen gewahrt. Die drei Arbeitsverhältnisse endeten nicht aufgrund ihrer Befristung am 30. November 2006, 30. April 2007 und 30. Juni 2007.

14

I. Die Ehefrau des am 13. November 2009 während des Revisionsverfahrens verstorbenen Klägers zu 2. ist an seiner Stelle aktivlegitimiert. Sie ist seine Alleinerbin und damit Gesamtrechtsnachfolgerin iSv. § 1922 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Die Erben eines Arbeitnehmers können Befristungskontrollklage erheben oder sie anstelle des Arbeitnehmers fortführen, wenn der Arbeitnehmer nach dem Ende der Befristung stirbt (vgl. zu der parallelen Problematik im Kündigungsschutzrecht bei Versterben des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist oder nach Zugang der außerordentlichen Kündigung KR/Friedrich 9. Aufl. § 4 KSchG Rn. 82; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 97; von Hoyningen-Huene/Linck 14. Aufl. § 4 KSchG Rn. 63; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 4 KSchG Rn. 17). Nur auf diese Weise kann die Fiktion der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 17 Satz 2 TzBfG, § 7 Halbs. 1 KSchG abgewandt und eine zB auf Annahmeverzugsentgelt gerichtete Leistungsklage vorbereitet werden. Es handelt sich um einen Fall des gesetzlichen Parteiwechsels durch Aufnahme des Rechtsstreits iSv. § 239 Abs. 1, § 250 ZPO(vgl. Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 239 ZPO Rn. 1).

15

II. Die Befristungen der Arbeitsverträge aufgrund der tariflichen Altersgrenze gelten nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Die Kläger zu 1. und 3. sowie der frühere Kläger zu 2. haben die Rechtsunwirksamkeit der Befristungen mit der am 19. Oktober 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht. Die Klage konnte nach der ständigen Rechtsprechung des Senats vor dem Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit erhoben werden (vgl. nur BAG 21. September 2011 - 7 AZR 134/10 - Rn. 15 mwN).

16

III. Die Arbeitsverhältnisse der Kläger zu 1. und 3. sowie des früheren Klägers zu 2. endeten nicht aufgrund ihrer Befristung mit dem Ende des Monats der Vollendung des 60. Lebensjahres. Die auf die drei Arbeitsverhältnisse anzuwendende tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a verstößt gegen das Benachteiligungsverbot wegen des Alters in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam(vgl. zu der abweichenden früheren Rspr., die Altersgrenzen von 60 Jahren für Piloten vor Inkrafttreten des AGG für sachlich gerechtfertigt iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG hielt, zuletzt BAG 21. Juli 2004 - 7 AZR 589/03 - zu II der Gründe mwN, EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 5; verfassungsrechtlich gebilligt von BVerfG 25. November 2004 -  1 BvR 2459/04 - zu B II 3 c aa der Gründe, BVerfGK 4, 219).

17

1. Die Vorschriften des AGG sind auf den Streitfall anzuwenden.

18

a) Dem steht nicht entgegen, dass die tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a von den Tarifvertragsparteien am 14. Januar 2005 und damit vor Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 vereinbart wurde. Die Regelungen des AGG sind auch auf Altersgrenzen anzuwenden, die vor Inkrafttreten des AGG einzelvertraglich oder tarifvertraglich vereinbart wurden, wenn die Altersgrenze im Einzelfall erst mit oder nach Inkrafttreten des AGG erreicht wird. Nur wenn die Altersgrenze bereits vor dem 18. August 2006 erreicht wurde, gilt nach § 33 Abs. 1 AGG altes Recht(vgl. ausführlich BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 36 ff. mwN, BAGE 131, 113).

19

b) Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger zu 1. vollendete sein 60. Lebensjahr am 10. November 2006 und erreichte die tarifliche Altersgrenze am 30. November 2006. Der verstorbene frühere Kläger zu 2. vollendete sein 60. Lebensjahr am 25. April 2007 und erreichte die tarifliche Altersgrenze am 30. April 2007. Der Kläger zu 3. vollendete sein 60. Lebensjahr am 29. Juni 2007 und erreichte die tarifliche Altersgrenze am 30. Juni 2007.

20

2. Die tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Mit der Altersgrenze ist eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters verbunden. Die Altersgrenze des § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a ist nicht nach Art. 2 Abs. 5 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie von deren Geltungsbereich ausgenommen. Die Benachteiligung ist weder durch § 8 Abs. 1 AGG noch durch § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt. Da das AGG ua. der Umsetzung der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie dient, ist es grundsätzlich unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie auszulegen (vgl. BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 43, BAGE 131, 113; 14. Januar 2009 - 3 AZR 20/07  - Rn. 17, BAGE 129, 105). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der danach anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der betreffenden Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel übereinstimmt (vgl. für die st. Rspr. EuGH 10. März 2011 - C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] Rn. 55 mwN, EzA TzBfG § 14 Nr. 69).

21

a) Die tarifliche Altersgrenzenregelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a enthält eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, gegenüber jüngeren Arbeitnehmern.

22

aa) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

23

bb) Wird eine tarifliche Altersgrenze wie die des § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a erreicht, wird der Arbeitsvertrag automatisch beendet. Arbeitnehmer, die dieses Alter erreicht haben, erfahren eine weniger günstige Behandlung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG als vergleichbare jüngere Arbeitnehmer.

24

(1) Eine solche Regelung führt unmittelbar zu einer auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlung bei den Entlassungsbedingungen (vgl. BAG 21. September 2011 - 7 AZR 134/10 - Rn. 27; 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 39 mwN, AP TzBfG § 14 Nr. 77 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 10; 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 44 f., BAGE 131, 113 ). Wie der Gerichtshof in der Vorabentscheidung Prigge ausdrücklich erkannt hat, erfährt ein Pilot, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund von § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a mit dem Monat automatisch endet, in dem er das 60. Lebensjahr vollendet, eine weniger günstige Behandlung als ein Pilot, der jünger ist und für dieselbe Luftfahrtgesellschaft die gleiche Tätigkeit ausübt und/oder demselben Tarifvertrag unterliegt. Die Altersgrenze begründet eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung iSv. Art. 1 iVm. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 42 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22 mit erläuternder Anm. Thüsing/Pötters ZIP 2011, 1886; siehe auch 21. Juli 2011 - C-159/10 und C-160/10  - [Fuchs] Rn. 33, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20; 18. November 2010 - C-250/09 - [Georgiev] Rn. 32, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 18; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 37, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9; 12. Januar 2010 - C-229/08 - [Wolf] Rn. 28, Slg. 2010, I-1; 12. Januar 2010 - C-341/08 - [Petersen] Rn. 34, Slg. 2010, I-47; 18. Juni 2009 - C-88/08 - [Hütter] Rn. 37, Slg. 2009, I-5325; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 33, Slg. 2009, I-1569; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 51, Slg. 2007, I-8531; zu der Altersgrenzenrechtsprechung des Gerichtshofs Preis NZA 2010, 1323).

25

(2) Eine nationale Regelung - hier § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG - kann es aus einem sachlichen Grund zulassen, dass ein Tarifvertrag Arbeitsverträge automatisch enden lässt, wenn ein bestimmtes Alter erreicht wird. Das ändert nichts daran, dass dieser Tarifvertrag dem Unionsrecht und insbesondere der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG zu entsprechen hat (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 46, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 53, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9 ). Das in Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union proklamierte Recht auf Kollektivverhandlungen muss im Geltungsbereich des Unionsrechts im Einklang mit ihm ausgeübt werden(vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 47, aaO; 18. Dezember 2007 - C-341/05 - [Laval un Partneri] Rn. 91, Slg. 2007, I-11767; 11. Dezember 2007 - C-438/05 - [Viking Line] Rn. 44, Slg. 2007, I-10779). Wenn die Sozialpartner Maßnahmen treffen, die in den Geltungsbereich der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie fallen, die für Beschäftigung und Beruf das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters konkretisiert, müssen sie daher unter Beachtung dieser Richtlinie vorgehen (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 48, aaO).

26

b) Die Altersgrenze des § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a ist nicht nach Art. 2 Abs. 5 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie von deren Geltungsbereich ausgenommen.

27

aa) Nach ihrem Art. 2 Abs. 5 berührt die Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die in einer demokratischen Gesellschaft für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Verteidigung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.

28

bb) Die Sozialpartner sind keine öffentlich-rechtlich verfassten Einrichtungen. Das hindert die Mitgliedstaaten aber nicht, es den Sozialpartnern zu gestatten, Maßnahmen iSv. Art. 2 Abs. 5 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie auf den in dieser Bestimmung genannten Gebieten, die in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen fallen, zu treffen. Diese Ermächtigungsvorschriften müssen hinreichend genau sein, damit gewährleistet wird, dass die genannten Maßnahmen die in Art. 2 Abs. 5 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie genannten Anforderungen beachten(vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 60 f., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22).

29

cc) Die Tarifvertragsparteien sind mit Blick auf § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a der Ansicht, dass für die Ausübung der Tätigkeit der Piloten wegen der Sicherheit der Passagiere und der Bewohner der überflogenen Gebiete, aber auch aus Gründen, die die Gesundheit und die Sicherheit der Piloten selbst betreffen, eine Altersgrenze von 60 Jahren festzulegen ist. Diese Maßnahme verfolgt Ziele, die mit der öffentlichen Sicherheit und dem Schutz der Gesundheit in Zusammenhang stehen. Sie fällt in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen. Es ist nach der nationalen und der internationalen Lizenzregelung jedoch nicht erforderlich, den Piloten die Ausübung ihrer Tätigkeit nach Vollendung des 60. Lebensjahres zu untersagen. Es genügt nach JAR-FCL 1.060 Buchst. a, diese Ausübung dahin zu beschränken, dass ein weiterer Pilot, der das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Mitglied der Flugbesatzung ist. Das in der tariflichen Altersgrenze enthaltene Verbot, mit dem Ende des Monats, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird, ein Flugzeug zu führen, ist nicht notwendig iSv. Art. 2 Abs. 5 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie, um das verfolgte Ziel zu erreichen(vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 62 bis 64, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22; zu der vom Gerichtshof vorgenommenen strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Altersgrenzen für bestimmte Beschäftigtengruppen unterhalb der gesetzlichen Regelaltersgrenze Preis NZA 2010, 1323, 1327; Thüsing/Pötters ZIP 2011, 1886, 1888).

30

c) Die unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters durch die Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a ist nicht nach § 8 Abs. 1 AGG oder § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt.

31

aa) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines der in § 1 genannten Merkmale ist nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig, wenn dieses Merkmal wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Eine besondere Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters enthält § 10 AGG. Nach § 10 Satz 1 AGG ist - ungeachtet des § 8 AGG - eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein( vgl. BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 42, BAGE 131, 113 ).

32

bb) Mit § 8 Abs. 1 sowie § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG hat der Gesetzgeber die Regelungen in Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt (vgl. zu § 8 Abs. 1 AGG den besonderen Teil der Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/1780 S. 35 f.; zum Umsetzungswillen für die gesamte Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie auch den allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/1780 S. 1 bis 3 und S. 20 bis 27). Dabei hat er den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen (BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 43, BAGE 131, 113 ). Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie auszulegen (vgl. BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - aaO; 14. Januar 2009 - 3 AZR 20/07  - Rn. 17, BAGE 129, 105).

33

cc) Die unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters durch die Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a ist nicht durch § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt.

34

(1) Nach § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines der in § 1 genannten Merkmale zulässig, wenn dieses Merkmal wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Das entspricht weitgehend dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das in Zusammenhang mit einem der in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.

35

(2) Für Verkehrspiloten ist es wesentlich, dass sie über besondere körperliche Fähigkeiten verfügen, weil körperliche Schwächen in diesem Beruf erhebliche Konsequenzen haben können. Die körperlichen Fähigkeiten nehmen aus Sicht des Gerichtshofs ab einem bestimmten Lebensalter ab (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 67, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22 mit Bezug auf 12. Januar 2010 - C-229/08 - [Wolf] Rn. 41, Slg. 2010, I-1; vgl. auch BVerfG 25. November 2004 - 1 BvR 2459/04 - zu B II 3 c aa der Gründe mwN, BVerfGK 4, 219). Für die Ausübung des Berufs eines Verkehrspiloten kann das Vorhandensein besonderer körperlicher - altersabhängiger - Fähigkeiten deswegen als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSv. Art. 4 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie angesehen werden(vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] aaO).

36

(3) Rechtmäßiger Zweck der tariflichen Altersgrenze ist es, die Sicherheit des Flugverkehrs zu gewährleisten (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 68 f., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22).

37

(4) Die Tarifvertragsparteien haben Verkehrspiloten, die unter § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a fallen, aber eine unverhältnismäßige Anforderung iSv. Art. 4 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie auferlegt, indem sie die Altersgrenze, von der an die Piloten als körperlich nicht mehr fähig zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gelten, auf das Ende des Monats der Vollendung des 60. Lebensjahres festgelegt haben. Die nationalen und die internationalen Lizenzregelungen lassen die Ausübung dieser Tätigkeit im doppelt besetzten (Co-)Pilotencockpit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu, wenn der Besatzung ein (Co-)Pilot angehört, der das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 73, 75, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22). Es gibt keine hinreichend belastbaren Erkenntnisse dafür, dass die derzeit geltenden öffentlich-rechtlichen Beschränkungen für die Sicherheit des Luftverkehrs nicht ausreichend und deshalb weiter gehende tarifliche Beschränkungen erforderlich sind (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 74, aaO).

38

(5) Für den mit Art. 4 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie fast textgleichen § 8 Abs. 1 AGG gilt nach richtlinienkonformer Auslegung nichts anderes. Die tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a begründet eine unangemessene Anforderung iSv. § 8 Abs. 1 AGG.

39

dd) Die unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters durch die Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a ist nicht nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt.

40

(1) Nach § 10 Satz 1 AGG ist - ungeachtet des § 8 AGG - eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Diese Vorschriften setzen Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie um. Dort ist bestimmt, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

41

(2) Das Ziel der Flugsicherheit unterfällt nicht dem Begriff des Ziels iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG. Diese Vorschriften sind richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Flugsicherheit kein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG ist. Ziele, die als „legitim“ iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie und damit als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, sind sozialpolitische Ziele wie solche aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 81, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22; 18. Juni 2009 - C-88/08 - [Hütter] Rn. 41, Slg. 2009, I-5325; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569 ). Ein Ziel wie das der Flugsicherheit gehört nicht zu den in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie genannten Zielen (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 82, aaO).

42

d) Die tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a, die schon eintritt, bevor das gesetzliche Rentenalter erreicht ist, verstößt damit gegen das Benachteiligungsverbot wegen des Alters in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Die Unwirksamkeitsfolge gilt auch für tarifliche Regelungen (vgl. zB BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 584/09 - Rn. 54, AP TVG § 1 Vorruhestand Nr. 34; 8. Dezember 2010 - 7 ABR 98/09 - Rn. 63, EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 5). Die Altersgrenze entfällt, ohne dass die Lücke gefüllt werden könnte (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 6).

43

B. Die auf vorläufige Weiterbeschäftigung gerichteten Anträge fallen nicht zur Entscheidung des Senats an. Mit diesen Anträgen machen die Kläger den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch für die Dauer des Rechtsstreits geltend (vgl. BAG 27. Februar 1985 - GS 1/84 - zu C der Gründe, BAGE 48, 122). Der Rechtsstreit ist mit Verkündung der Entscheidung des Senats über die Befristungskontrollanträge rechtskräftig abgeschlossen (vgl. für die st. Rspr. BAG 23. Juni 2010 - 7 AZR 1021/08 - Rn. 25, AP TzBfG § 14 Nr. 76 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 8).

44

C. Die Beklagte hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Gallner    

        

        

        

    R. Gmoser    

        

    Gerschermann    

                 

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. April 2009 - 2 Sa 1689/08 - wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, welche Lebensaltersstufe bei der Berechnung der tariflichen Vergütung des Klägers zugrunde zu legen war.

2

Der 1976 geborene, nicht tarifgebundene Kläger war vom 1. August 2005 bis zum 31. Dezember 2008 beim beklagten Land an der Universität M als Angestellter tätig, zuletzt aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 27. Juni 2007. In diesem ist ua. vereinbart, dass der Kläger ab dem 1. August 2007 bis zum 31. Dezember 2008 als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Angestellten weiterbeschäftigt wird, das Arbeitsverhältnis sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den sonstigen einschlägigen Tarifverträgen für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) bestimmt, soweit keine abweichenden Vereinbarungen getroffen sind, und der Kläger in der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a/1 b zum BAT eingruppiert ist.

3

Das beklagte Land ist mit Ablauf des 31. März 2004 aus der TdL ausgetreten, die Tarifvertragspartei des BAT ist. Der BAT und der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT vom 31. Januar 2003 sind für den Bereich des Bundes mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 und für den Bereich der TdL mit Wirkung vom 1. November 2006 durch andere tarifliche Regelungen ersetzt worden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2010 hat das beklagte Land mit verschiedenen Gewerkschaften den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen (TV-H) und den Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Landes Hessen in den TV-H und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-H) abgeschlossen.

4

§ 3 TVÜ-H und die Protokollerklärung zu § 3 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-H lauten:

        

„§ 3   

Überleitung in den TV-H.

        

(1) Die von § 1 Absatz 1 erfassten Beschäftigten werden am 1. Januar 2010 nach den folgenden Regelungen in den TV-H übergeleitet.

        

(2) Die Überleitung für Beschäftigte aus dem Geltungsbereich des BAT erfolgt entsprechend der nach dem BAT maßgeblichen Lebensaltersstufe unabhängig von der Wirksamkeit dieses Vergütungssystems. Die Überleitungsregelungen regeln nicht die Rechtsfolgen für die Zeit bis zum 31. Dezember 2009.

                 
        

Protokollerklärung zu § 3 Absatz 2 Satz 1:

        

Durch Absatz 2 Satz 1 wird sichergestellt, dass die Überleitung wie beim TVÜ-L, TVÜ-VKA und TVÜ-Bund entsprechend der nach dem BAT maßgeblichen Lebensaltersstufe, die im Einzelfall erreicht war, erfolgt. Der Schutz dieses bestehenden, auf den bisherigen individuellen Lebensaltersstufen basierenden Besitzstands wird durch die Anknüpfung der Überleitungsregelungen an das nach Maßgabe von § 5 festgelegte Vergleichsentgelt geregelt. Die Tarifvertragsparteien sind sich - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil des LAG Köln, Urteil vom 6. Februar 2009 - 8 Sa 1016/08 - darüber einig, kollektiv eine verbindliche Regelung für das Überleitungs- und Übergangsrecht getroffen zu haben.“

5

Die Bezügestelle des beklagten Landes berechnete die Grundvergütung des Klägers für die Monate August 2007 bis Februar 2008 versehentlich statt nach der aufgrund seines Alters zutreffenden Lebensaltersstufe 31 nach der Lebensaltersstufe 45, der letzten Lebensaltersstufe der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a zum BAT. Der Kläger erhielt aufgrund dieses Versehens in dem genannten Zeitraum nicht wie im Juli 2007 monatlich 1.317,83 Euro brutto, sondern 1.709,96 Euro brutto. Das beklagte Land forderte den Kläger in einem Schreiben vom 25. Februar 2008 auf, 2.148,46 Euro netto zurückzuzahlen, und behielt den geltend gemachten Betrag im Wege der Verrechnung von der Vergütung des Klägers ein. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner dem beklagten Land am 19. Juni 2008 zugestellten Klage.

6

Der Kläger hat gemeint, die Bemessung der tariflichen Grundvergütung nach Lebensaltersstufen beinhalte eine nicht zulässige Altersdiskriminierung. Das beklagte Land habe deshalb bei der Berechnung der Grundvergütung die Lebensaltersstufe 45 zugrunde zu legen.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihm Grundvergütung gemäß Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a zum BAT nach der Lebensaltersstufe „nach vollendetem 45. Lebensjahr“ für die Monate August 2007 bis Dezember 2008 zu zahlen,

        

hilfsweise das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 2.747,01 Euro brutto zu zahlen.

8

Das beklagte Land hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die Lebensaltersstufenregelung des BAT benachteilige jüngere Angestellte nicht wegen ihres Alters gegenüber älteren Angestellten. Jedenfalls wäre eine Benachteiligung bei der gebotenen typisierenden Betrachtung durch legitime Ziele gemäß § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG gerechtfertigt. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, dürfe keine Anpassung „nach oben“ vorgenommen werden. § 7 Abs. 2 AGG ordne als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot die Unwirksamkeit entgegenstehender Vereinbarungen an. Der Gesetzgeber habe jedoch nicht geregelt, was an Stelle der unwirksamen Regelungen gelten solle. Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie bilde die verfassungsrechtliche Grenze der Schließung einer entstandenen Regelungslücke durch die Gerichte für Arbeitssachen. Diese Grenze sei überschritten, wenn eine Norm, die bestimmten Arbeitnehmergruppen eine Leistung gewähren wolle, in eine Regelung umgewandelt werde, die allen Arbeitnehmern diese Leistung zuerkenne. Durch eine Anpassung „nach oben“ entstünde eine massive rückwirkende Belastung des Arbeitgebers, die in die Tarifautonomie eingreife, indem sie die Gesamtbelastung des Arbeitgebers verändere und nicht berücksichtige, dass die Tarifvertragsparteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit des Systems das Gesamtbelastungsvolumen anders verteilt hätten. Aus diesen Gründen sei es richtig, die vom Bundesverfassungsgericht zur Nichtigkeit von Gesetzen entwickelten Grundsätze auch auf Tarifverträge anzuwenden und diskriminierende Bestimmungen eines Tarifvertrags für die Zukunft für unwirksam zu erklären, ohne die Nichtigkeit ex tunc eintreten zu lassen. Damit werde eine nachhaltige Erweiterung des Dotierungsrahmens vermieden und der Bindung des öffentlichen Arbeitgebers an das Haushaltsrecht Rechnung getragen. Eine massive Verschiebung des Dotierungsrahmens widerspräche auch dem Willen der Tarifvertragsparteien. Dies belege der am 1. Januar 2010 in Kraft getretene TV-H. Es treffe nicht zu, dass nur eine Möglichkeit der Korrektur bestehe. So könnten die Tarifvertragsparteien zB für die Vergangenheit die Lebensaltersstufen durch eine Stufung nach Beschäftigungsjahren ersetzen und dabei eine Erhaltung des Besitzstands zugunsten der älteren Angestellten festlegen. Bei Annahme einer nicht gerechtfertigten Vergütung nach Lebensaltersstufen sei von der Gesamtnichtigkeit des Entgeltsystems auszugehen. Dies habe zur Folge, dass kein Angestellter Anspruch auf eine höhere Vergütung habe.

9

Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gebiete keine Anpassung „nach oben“. Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in Fällen der Geschlechterdiskriminierung eine Anpassung „nach oben“ vorgenommen habe, sei es anders als im Entscheidungsfall jeweils „nur“ um die Benachteiligung einer verhältnismäßig kleinen Gruppe gegangen. Seien Ausnahmebestimmungen aufgrund von Verstößen gegen Diskriminierungsverbote nichtig, liege es nahe, die Regel anzuwenden. Um einen Verstoß einer Ausnahmebestimmung gegen ein Diskriminierungsverbot gehe es bei der Vergütung nach Lebensaltersstufen aber nicht.

10

Unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens, wie er in § 15 Abs. 3 AGG zum Ausdruck komme, müsste allenfalls eine Anpassung „nach unten“ erfolgen. Das Haftungsprivileg dieser Vorschrift greife auch bei der Anwendung des § 27 Abschn. A BAT. Grobe Fahrlässigkeit liege erst dann vor, wenn der Arbeitgeber eine Tarifnorm anwende, die nach gefestigter Rechtsprechung „AGG-widrig“ sei. § 8 Abs. 2 AGG stehe einer Anpassung „nach unten“ nicht entgegen. Für eine Anpassung „nach unten“ spreche, dass die Anfangsgrundvergütung die Regel sei, von der Stufe für Stufe Ausnahmen vorgesehen seien. Seien sämtliche mit Erreichen eines höheren Lebensalters verbundene Steigerungen als gleichheitswidrige Ausnahmen gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, bleibe allein die Anfangsgrundvergütung wirksam.

11

Schließlich würde auch der Vertrauensschutz den Anspruch des Klägers hindern. Die Voraussetzungen einer zulässigen unechten Rückwirkung lägen nicht vor. Bei der letzten Änderung des BAT im Januar 2003 hätte den Tarifvertragsparteien des BAT nicht bewusst sein können, dass sie ein ungeschriebenes primärrechtliches Altersdiskriminierungsverbot beachten müssten. Eine durch das AGG rückwirkend herbeigeführte Unwirksamkeit des § 27 Abschn. A BAT wäre unverhältnismäßig. Die Mehrkosten bei einer Anpassung „nach oben“ beliefen sich ohne Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeitragsanteile auf jährlich ca. 100 Millionen Euro. Dem Vertrauensschutz stehe nicht entgegen, dass die Parteien den letzten befristeten Arbeitsvertrag am 27. Juni 2007 und damit nach Austritt des beklagten Landes aus der TdL abgeschlossen hätten. Eine Möglichkeit, von den Vergütungsregelungen im BAT abzuweichen, habe in der Praxis nicht bestanden. Hinzu komme, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Bildung des Vergleichsentgelts bisher nicht in Frage gestellt habe, dass bei der Ermittlung des Vergleichsentgelts die Grundvergütung mit der altersmäßig zutreffenden Lebensaltersstufe zugrunde zu legen sei.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klageänderung, die sich auf den Feststellungsantrag des Klägers zur Bemessung der Grundvergütung nach der Lebensaltersstufe „nach vollendetem 45. Lebensjahr“ bezog, für nicht zulässig gehalten und hat die Klage größtenteils abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage gemäß dem Hauptantrag des Klägers stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Kläger beantragt, die Revision des beklagten Landes zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Dem Kläger steht für die Monate August 2007 bis Dezember 2008 die beanspruchte Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a zum BAT unter Zugrundelegung der Lebensaltersstufe „nach vollendetem 45. Lebensjahr“ zu.

14

I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Trotz des Vergangenheitsbezugs der Feststellungsklage liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Der verlangte Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil erstrebt. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - das angestrebte Feststellungsurteil geeignet ist, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann vom beklagten Land als Körperschaft des öffentlichen Rechts erwartet werden, dass es einem stattgebenden Feststellungsurteil nachkommen wird (vgl. BAG 21. Januar 2010 - 6 AZR 449/09 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 78 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 3).

15

II. Das beklagte Land ist aufgrund der Vereinbarung im Arbeitsvertrag vom 27. Juni 2007, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT bestimmt, verpflichtet, dem Kläger für die Monate August 2007 bis Dezember 2008 Vergütung gemäß der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a zum BAT unter Zugrundelegung der Lebensaltersstufe „nach vollendetem 45. Lebensjahr“ zu zahlen. Nur so kann die Diskriminierung des Klägers beseitigt werden.

16

1. Mit dem Urteil der Zweiten Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2011 in den verbundenen Rechtssachen - C-297/10 und C-298/10 - (NZA 2011, 1100) ist geklärt, dass die in § 27 Abschn. A BAT angeordnete Bemessung der Grundvergütungen in den Vergütungsgruppen des BAT nach Lebensaltersstufen gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, das in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12. Dezember 2007 (GRC) verankert und durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78) konkretisiert worden ist, verstößt und eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne von Art. 2 RL 2000/78 darstellt, die nicht nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 gerechtfertigt ist. Damit ist nur noch darüber zu entscheiden, auf welche Art und Weise der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot zu beseitigen ist.

17

2. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes steht dem Kläger aufgrund der Unwirksamkeit der in § 27 Abschn. A BAT angeordneten Bemessung der Grundvergütungen in den Vergütungsgruppen des BAT nach Lebensaltersstufen nicht nur in entsprechender Anwendung von § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung zu(Henssler/Tillmanns FS Rolf Birk S. 179, 193; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 45c). Bei Abschluss des Arbeitsvertrags vom 27. Juni 2007, in dem auf die Vergütungsregelungen des BAT Bezug genommen wurde, war weder der Kläger noch das beklagte Land tarifgebunden. Bei einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme nicht tarifgebundener Arbeitsvertragsparteien auf ein unwirksames tarifliches Vergütungssystem kommt zwar in Betracht, in entsprechender Anwendung von § 612 Abs. 2 BGB auf die übliche Vergütung abzustellen(Behrendt/Gaumann/Liebermann ZTR 2009, 614, 620 f.). Betrifft die Nichtigkeit allein die Vergütungsvereinbarung, fingiert § 612 Abs. 1 BGB die Vergütungsvereinbarung, während sich die Höhe der Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB bestimmt(MünchKommBGB/Müller-Glöge 5. Aufl. § 612 Rn. 7). Jedoch würde dadurch, dass dem Kläger die übliche Vergütung gezahlt wird, entgegen der Auffassung des beklagten Landes die Diskriminierung des Klägers wegen seines Alters nicht beseitigt. Mangels einer Tarifbindung des beklagten Landes am 27. Juni 2007 liegt zwar keine Gleichstellungsabrede vor (vgl. BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - BAGE 116, 326; 18. April 2007 - 4 AZR 653/05 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 54 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Bezugnahmeklausel Nr. 7). Es macht für die Frage einer Diskriminierung wegen des Alters jedoch keinen entscheidenden Unterschied, ob die Arbeitsvertragsparteien beiderseits tarifgebunden sind und damit die tariflichen Vergütungsvorschriften unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG) oder ob die Arbeitsvertragsparteien wie hier auf ein tarifliches Vergütungssystem Bezug genommen haben. Die Diskriminierung eines Arbeitnehmers wegen seines Alters wird noch nicht dadurch beseitigt, dass ihm die übliche Vergütung gezahlt wird. Diese könnte sogar niedriger sein als das Arbeitsentgelt, das der aufgrund seines Alters diskriminierte Arbeitnehmer bisher erhalten hat. Zur Beseitigung der Benachteiligung ist vielmehr erforderlich, dass der Arbeitnehmer die Vergütung erhält, die sein Arbeitgeber den nicht wegen ihres Alters diskriminierten Arbeitnehmern gezahlt hat.

18

3. Allerdings ist dem beklagten Land einzuräumen, dass mit dem Urteil der Zweiten Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2011 in den verbundenen Rechtssachen - C-297/10 und C-298/10 - (NZA 2011, 1100) nur geklärt ist, dass die in § 27 Abschn. A BAT angeordnete Bemessung der Grundvergütungen in den Vergütungsgruppen des BAT nach Lebensaltersstufen unwirksam ist, jedoch noch nicht entschieden ist, ob der Verstoß gegen das primärrechtliche Verbot der Ungleichbehandlung wegen des Alters nur durch eine Anpassung „nach oben“ oder auch auf andere Art und Weise beseitigt werden kann.

19

a) Wenngleich überwiegend bei einem Verstoß eines tarifvertraglichen Vergütungssystems gegen das primärrechtliche Verbot der Ungleichbehandlung wegen des Alters eine Anpassung „nach oben“ befürwortet wird und diese Anpassung auch der allgemeinen Systematik entspricht (vgl. Henssler/Tillmanns FS Rolf Birk S. 179, 187 ff.; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 45c; Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 7 Rn. 52 mwN), besteht doch keine völlige Einigkeit, wie der Verstoß des Vergütungssystems des BAT gegen das Diskriminierungsverbot zu beheben ist. Dies ist der Besonderheit geschuldet, dass nicht einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen von einer Leistung des Arbeitgebers ausgenommen und dadurch benachteiligt werden, sondern ein tarifliches Vergütungssystem insgesamt gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist und dies zu einem Regelungsvakuum führt(vgl. Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 667; Kamanabrou ZfA 2006, 327, 333).

20

aa) So wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, das Dogma einer generellen Anpassung „nach oben“ hätte absurde praktische Konsequenzen (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 7 Rn. 29). Auch soll das Anfangsgrundgehalt in den Vergütungsgruppen des BAT die Regelleistung sein, von der Stufe für Stufe gleichheitswidrige Ausnahmen vorgesehen werden (Krebber EuZA 2009, 200, 213). Dies soll zur Folge haben, dass sich der Anspruch aller Angestellten auf diese Regelleistung beschränkt, wenn die Tarifvertragsparteien nicht innerhalb einer ihnen einzuräumenden Übergangsfrist die diskriminierenden Regelungen ersetzen.

21

bb) Die Annahme, die Anfangsgrundvergütung sei die Regelleistung, überzeugt jedoch nicht. Die Bemessung der Grundvergütungen in den Vergütungsgruppen des BAT nach Lebensaltersstufen ist nach § 27 Abschn. A Abs. 1 BAT die Regel. Die höheren Grundvergütungen werden nicht nur „ausnahmsweise“ gezahlt. Vielmehr ist dies bei der Anfangsgrundvergütung der Fall. Im Übrigen wird Angestellten nie die Anfangsgrundvergütung gezahlt, wenn sie bei ihrer Einstellung bereits das 23. bzw. 25. Lebensjahr vollendet haben. Hinzu kommt, dass nach Art. 16 Buchst. b RL 2000/78 die verbotswidrigen Regelungen entweder für nichtig erklärt werden müssen oder erklärt werden können oder sichergestellt werden muss, dass sie geändert werden. Hätten alle Angestellten nur Anspruch auf die Anfangsgrundvergütung ihrer Vergütungsgruppe, wenn die Tarifvertragsparteien keine diskriminierungsfreie Regelung treffen, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. Kamanabrou ZfA 2006, 327, 330; Henssler/Tillmanns FS Rolf Birk S. 179, 191).

22

b) Die Ungleichbehandlung kann nur durch eine Anpassung „nach oben“ beseitigt werden.

23

aa) Stellt das Bundesverfassungsgericht einen Gleichheitsverstoß fest, hat der Gesetzgeber in der Regel mehrere Möglichkeiten, diesen zu beheben. Das Bundesverfassungsgericht überlässt ihm aus kompetenzrechtlichen Gründen deshalb grundsätzlich die Entscheidung, in welcher Weise er den Anforderungen des Gleichheitssatzes genügen will, sieht regelmäßig vom Nichtigkeitsausspruch ab und beschränkt sich auf eine Unvereinbarkeitserklärung (ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 52). Bei gleichheitswidrigen Tarifverträgen haben die Gerichte für Arbeitssachen zwar die Verwerfungskompetenz, auch hier stellt sich jedoch die Frage, ob die Entscheidung, auf welche Art und Weise die Benachteiligung beseitigt wird, aufgrund der Gewährleistung der Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG den Tarifvertragsparteien obliegt oder ob die Gerichte für Arbeitssachen eine Anpassung „nach oben“ vornehmen dürfen, indem sie die für die Bessergestellten geltenden Tarifbestimmungen auf die Benachteiligten erstrecken(Wiedemann/Peters RdA 1997, 100, 107). Eine Anpassung „nach oben“ für die Vergangenheit ist bisher grundsätzlich nur bei Nichtigkeit einer Ausnahmeregelung erfolgt, wenn nach dem Regelungstatbestand unter Berücksichtigung der Zusatzbelastung des Arbeitgebers anzunehmen war, dass die Tarifvertragsparteien die Regelung auch mit erweitertem Anwendungsbereich getroffen hätten (vgl. BAG 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 - BAGE 79, 236), oder die Benachteiligung für die Vergangenheit nur durch eine Anpassung „nach oben“ beseitigt werden konnte (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 43, AP GG Art. 3 Nr. 322 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 20; 18. März 2010 - 6 AZR 156/09 - Rn. 54, BAGE 133, 354; 18. März 2010 - 6 AZR 434/07 - Rn. 58, AP GG Art. 3 Nr. 321 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Diskriminierung sexuelle Orientierung Nr. 1; 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 37, BAGE 129, 93; 13. November 1985 - 4 AZR 234/84 - BAGE 50, 137). Im Urteil vom 28. Mai 1996 (- 3 AZR 752/95 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 143 = EzA GG Art. 3 Nr. 55) hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts angenommen, dass die benachteiligten Arbeitnehmer für zurückliegende Zeiten einen Anspruch auf den ihnen vorenthaltenen Zuschuss haben, wenn der Arbeitgeber nicht sichergestellt hat, dass seine Rückforderungsansprüche gegen diejenigen Arbeitnehmer, denen er den Zuschuss gewährt hat, nicht verfallen und wenn ihm bewusst war, dass die Zuschussregelung möglicherweise insgesamt unwirksam ist.

24

bb) Für die Zeit bis zum 31. Dezember 2009 ist eine Angleichung „nach oben“ schon deshalb gerechtfertigt, weil der Anspruch auf ein höheres Grundgehalt den älteren Angestellten nicht rückwirkend entzogen werden kann, so dass nur diese Möglichkeit besteht (vgl. Wank FS Wißmann S. 599, 617; Kittner/Däubler/Zwanziger/Zwanziger KSchR 8. Aufl. Art. 3 GG Rn. 35).

25

(1) Das beklagte Land wäre bereits aufgrund der tariflichen sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 70 BAT bzw. des § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-H gehindert, bereits verfallene Gehaltsrückforderungsansprüche gegenüber älteren Angestellten mit Erfolg geltend zu machen.

26

(2) Auch soweit die tarifliche Ausschlussfrist nicht entgegensteht, muss die Beseitigung von in der Vergangenheit liegenden Folgen der Benachteiligung das Vertrauen der älteren Angestellten auf die Wirksamkeit des Vergütungssystems des BAT schützen (Schlachter FS Schaub S. 651, 662). Die Normunterworfenen und damit auch die älteren Angestellten dürfen grundsätzlich auf den Fortbestand der tariflichen Ordnung vertrauen. Nur so kann der Tarifvertrag seiner Aufgabe gerecht werden und den Individualparteien beiderseits Planungssicherheit gewähren (Däubler/Deinert TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 35). In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist deshalb anerkannt, dass die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tarifvertraglicher Regelungen durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt ist (BAG 23. November 1994 - 4 AZR 879/93 - BAGE 78, 309; 18. März 2010 - 6 AZR 434/07 - Rn. 58, AP GG Art. 3 Nr. 321 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Diskriminierung sexuelle Orientierung Nr. 1). Jedenfalls vor Bekanntwerden des Vorlagebeschlusses des Senats mussten ältere Angestellte nicht davon ausgehen, dass ihre Grundvergütung rückwirkend neu berechnet wird und sie eine niedrigere Vergütung erhalten. Deshalb hilft dem beklagten Land auch sein Hinweis nicht weiter, die nachträgliche Regelungslücke sei im Rahmen einer ergänzenden Auslegung in Anlehnung an die entsprechenden Regelungen im TV-L und TVöD durch eine pauschalierte Berücksichtigung der Berufserfahrung in Form von Dienstaltersstufen zu schließen.

27

cc) Entscheidend kommt hinzu, dass die Tarifvertragsparteien des TV-H und des TVÜ-H weder für die Zeit vor dem 1. Januar 2010 eine vom Vergütungssystem des BAT abweichende, dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters gerecht werdende Regelung rückwirkend getroffen haben noch bereit sind, eine solche rückwirkende Ersatzregelung zu vereinbaren.

28

(1) In § 3 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-H haben die Tarifvertragsparteien bestimmt, dass die Überleitung für Beschäftigte aus dem Geltungsbereich des BAT entsprechend der nach dem BAT maßgeblichen Lebensaltersstufe unabhängig von der Wirksamkeit dieses Vergütungssystems erfolgt. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-H regeln die Überleitungsregelungen nicht die Rechtsfolgen für die Zeit bis zum 31. Dezember 2009. Bereits dies zeigt, dass die Tarifvertragsparteien eine abschließende Regelung treffen wollten und nicht bereit sind, das vor dem 1. Januar 2010 bestehende Vergütungssystem rückwirkend zu ändern oder durch ein anderes Vergütungssystem zu ersetzen oder den in § 3 Abs. 1 TVÜ-H auf den 1. Januar 2010 festgelegten Zeitpunkt der Überleitung der Beschäftigten in den TV-H vorzuverlegen (aA Behrendt/Gaumann/Liebermann ZTR 2009, 614, 621). Dies hätte nämlich zur Folge, dass die Überleitung nicht mehr entsprechend den nach dem BAT maßgeblichen Lebensaltersstufen erfolgen könnte, sondern die Vergleichsentgelte neu ermittelt werden müssten. Bei einer Vorverlegung des Überleitungszeitpunkts könnten bei der Ermittlung des Vergleichsentgelts nicht mehr gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-H die den Beschäftigten im Dezember 2009 zustehenden Bezüge nebst ehegatten- und kinderbezogenen Entgeltbestandteilen zugrunde gelegt werden. Wenn die Tarifvertragsparteien des TV-H bzw. TVÜ-H im Falle einer Unwirksamkeit des auf Lebensaltersstufen abstellenden Vergütungssystems des BAT an den am 1. Januar 2010 von ihnen in Kraft gesetzten Entgeltregelungen nicht hätten festhalten wollen, hätten sie in § 3 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-H nicht formulieren dürfen, dass die Überleitung entsprechend der nach dem BAT maßgeblichen Lebensaltersstufe unabhängig von der Wirksamkeit dieses Vergütungssystems erfolgt.

29

(2) Die Protokollerklärung zu § 3 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-H bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien nicht zu einer auch den Klagezeitraum erfassenden rückwirkenden Entgeltregelung bereit sind. Aus Satz 1 der Protokollerklärung wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien durch § 3 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-H sicherstellen wollten, dass die Überleitung wie beim TVÜ-L, TVÜ-VKA und TVÜ-Bund entsprechend der nach dem BAT maßgeblichen Lebensaltersstufe, die im Einzelfall erreicht war, erfolgt. Auch Satz 3 der Protokollerklärung, wonach sich die Tarifvertragsparteien - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 6. Februar 2009 - 8 Sa 1016/08 - darüber einig sind, kollektiv eine verbindliche Regelung für das Überleitungs- und Übergangsrecht getroffen zu haben, hindert die Annahme, die Tarifvertragsparteien würden für die Zeit bis zum 31. Dezember 2009 ein neues Vergütungssystem vereinbaren, das nicht gegen das primärrechtliche Verbot der Ungleichbehandlung wegen des Alters verstößt, sondern eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78 vermeidet.

30

(3) Den Tarifvertragsparteien des TVÜ-H bzw. des TV-H darf auch nicht unterstellt werden, dass sie nicht vor Augen hatten, dass sie durch eine rückwirkende tarifliche Regelung eine Beseitigung der Diskriminierung nur erreichen können, wenn sie entweder alle Beschäftigten der jeweils höchsten Lebensaltersstufe ihrer Vergütungsgruppe zuordnen oder die Grundvergütungen der den höchsten Lebensaltersstufen zugeordneten Beschäftigten vermindern. Letztere Möglichkeit schied aber aufgrund des auch von Tarifvertragsparteien zu achtenden Vertrauensschutzes aus.

31

(4) Aufgrund des übereinstimmenden, eindeutigen Willens der Tarifvertragsparteien, unabhängig von der Wirksamkeit des Vergütungssystems des BAT keine Ersatzregelung zu treffen, überzeugt das Argument des beklagten Landes, eine Ersatzregelung für die Zeit vor dem Inkrafttreten des TVÜ-H bzw. TV-H am 1. Januar 2010 sei den Tarifvertragsparteien vorbehalten, nicht.

32

(5) Korrekturen des Tarifrechts durch den Senat für die Zeit vor dem 1. Januar 2010 bedeuten entgegen der Auffassung des beklagten Landes angesichts der Regelung in § 3 Abs. 2 TVÜ-H und aufgrund des auch in der Protokollerklärung zu dieser Bestimmung deutlich zum Ausdruck gekommenen Willens der Tarifvertragsparteien, keine tarifliche Ersatzregelung für die Vergangenheit mehr zu treffen, keinen unzulässigen Eingriff in die Tarifautonomie. Ein solcher Eingriff setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien bereit sind, eine unwirksame tarifliche Regelung durch eine wirksame zu ersetzen. Ein solcher Wille der Tarifvertragsparteien fehlt für die Zeit vor dem 1. Januar 2010 und damit auch für den Klagezeitraum. Der gegenteilige Wille der Tarifvertragsparteien ist zu achten. Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie beinhaltet auch das Recht der Tarifvertragsparteien, von einer tariflichen Regelung abzusehen, wenn sie dies für angemessen halten. Könnten die Tarifvertragsparteien zum Abschluss von Tarifverträgen gezwungen werden, wäre dies mit der Tarifautonomie nicht zu vereinbaren. Erfolgt aber keine kollektivrechtliche Neuregelung, findet regelmäßig eine Angleichung „nach oben“ statt (Erman/Belling BGB 13. Aufl. § 7 AGG Rn. 7).

33

(6) Deshalb trägt auch das Argument des beklagten Landes nicht, der Gesetzgeber habe bewusst von der im Entwurf für die Regelung in § 7 Abs. 2 AGG vorgesehenen Bestimmung zur ergänzenden Auslegung unwirksamer kollektivrechtlicher Regelungen abgesehen und sich damit dafür entschieden, der besonderen Rechtsstellung der Tarifvertragsparteien im Rahmen von § 7 Abs. 2 AGG Rechnung zu tragen. Im Übrigen könnte Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz grundsätzlich nur dann eine befristete Aussetzung gebieten, um den Tarifvertragsparteien den Vortritt zu lassen, damit diese regeln können, auf welche Art und Weise die Diskriminierung beseitigt werden soll, wenn es um die Beseitigung der Diskriminierung für die Zukunft geht(vgl. ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 58 f.; Kamanabrou ZfA 2006, 327, 332; Wank FS Wißmann S. 599, 617; Schlachter FS Schaub S. 651, 668 ff.; Wiedemann/Peters RdA 1997, 100, 107).

34

(7) Im Hinblick auf den aus § 3 Abs. 2 TVÜ-H und der dazugehörigen Protokollerklärung erkennbaren gegenteiligen Willen der Tarifvertragsparteien kann der Senat ebenso wenig statt der Anpassung „nach oben“ als mildere Maßnahme die Überleitung der Beschäftigten „vorziehen“, indem er bis zum 31. Dezember 2009 das Vergütungssystem des TV-H unter Besitzstandswahrung anwendet. Es geht hier nicht um die Überleitung in ein diskriminierungsfreies System - diese haben die Tarifvertragsparteien mit dem TVÜ-H geregelt -, sondern um die Beseitigung der Diskriminierung innerhalb eines diskriminierenden Systems.

35

dd) Für eine Anpassung „nach oben“ für die Vergangenheit spricht auch, dass eine solche Anpassung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Benachteiligung beim Entgelt im Einklang steht.

36

(1) Nach der bisherigen Entscheidungspraxis des Gerichtshofs der Europäischen Union kann man davon ausgehen, dass sich im Falle einer Diskriminierung die Unwirksamkeit nur auf die benachteiligenden Regelungen bezieht (vgl. Henssler/Tillmanns FS Rolf Birk S. 179, 188). Im Urteil vom 7. Februar 1991 (- C-184/89 - [Nimz] Slg. 1991, I-297) hat der Gerichtshof der Europäischen Union angenommen, dass im Falle einer mittelbaren Diskriminierung durch eine Bestimmung eines Tarifvertrags das nationale Gericht verpflichtet ist, diese Bestimmung - ohne dass es ihre vorherige Beseitigung durch Tarifverhandlungen oder auf anderen Wegen beantragen oder abwarten müsste - außer Acht zu lassen und auf die Angehörigen der durch diese Diskriminierung benachteiligten Gruppe die gleiche Regelung wie auf die übrigen Arbeitnehmer anzuwenden, wobei diese Regelung, „solange Art. 119 EWG-Vertrag im nationalen Recht nicht ordnungsgemäß durchgeführt ist, das einzig gültige Bezugssystem bleibt“(vgl. dazu Wiedemann NZA 2007, 950, 951). An diesem Grundsatz hat der Gerichtshof der Europäischen Union ua. im Urteil vom 26. Januar 1999 (- C-18/95 - [Terhoeve] Slg. 1999, I-345) ausdrücklich festgehalten und er hat jüngst im Urteil vom 22. Juni 2011 (- C-399/09 - [Landtová]) nochmals wiederholt, dass die Regelung für die nicht benachteiligten Arbeitnehmer das einzige gültige Bezugssystem bleibt, solange das Gemeinschaftsrecht nicht richtig durchgeführt ist. Damit betrifft die Anforderung des Unionsrechts, die Diskriminierung durch eine Anpassung „nach oben“ zu beseitigen, nicht nur die Vergangenheit, sondern sogar die Zukunft, weil sie das höhere Entgelt auch zukunftsbezogen solange zugesteht, bis eine unionsrechtskonforme Neuregelung getroffen ist (ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 7 AGG Rn. 6; aA Krebber EuZA 2009, 200, 209, der die Auffassung vertritt, der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Anti-Diskriminierungsrichtlinien lasse sich ein Gebot der Angleichung „nach oben“ nicht entnehmen).

37

(2) Die Vorgabe des Gerichtshofs der Europäischen Union einer Anpassung „nach oben“ ist allerdings anhand von Fällen entwickelt worden, in denen eine kleinere Beschäftigtengruppe von einer begünstigenden Norm ausgenommen worden ist (ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 7 AGG Rn. 6). Wie zu verfahren ist, wenn eine tarifliche Vergütungsregelung insgesamt wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot wegen des Alters unwirksam ist und nur die höchste Grundvergütung in den Vergütungsgruppen als Bezugssystem in Betracht kommt, hat der Gerichtshof der Europäischen Union zwar noch nicht entschieden. Jedoch wird eine Anpassung „nach oben“ auch in diesem Fall der Vorgabe des Gerichtshofs der Europäischen Union, die diskriminierende Regelung außer Acht zu lassen und auf die durch die Diskriminierung benachteiligten Arbeitnehmer die gleiche Regelung wie auf die nicht benachteiligten Arbeitnehmer anzuwenden, jedenfalls dann am ehesten gerecht, wenn die Tarifvertragsparteien von einer rückwirkenden Ersatzregelung absehen und von den nicht diskriminierten Arbeitnehmern deshalb und aufgrund tariflicher Ausschlussfristen sowie aus Gründen des Vertrauensschutzes Leistungen nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg zurückgefordert werden können.

38

ee) Finanzielle Belange des beklagten Landes hindern eine Anpassung „nach oben“ nicht.

39

(1) Eine uneingeschränkte Anwendung des Grundsatzes einer Anpassung „nach oben“ bei Verstößen gegen Benachteiligungsverbote kann allerdings zu erheblichen finanziellen Belastungen eines Arbeitgebers führen. Dies gilt auch dann, wenn entsprechende Ansprüche jüngerer Angestellter auf das Endgrundgehalt ihrer Vergütungsgruppe Verjährungs- und Ausschlussfristen unterliegen (Kamanabrou ZfA 2006, 327, 334). Eine Anpassung „nach oben“, die zu einer nachhaltigen Erweiterung des Dotierungs- oder Kostenrahmens führt, kann freilich auch dann vorliegen, wenn eine benachteiligte Gruppe von Arbeitnehmern groß und der Kreis der gleichheitswidrig Begünstigten klein ist. Auch in diesem Fall steht aber den gleichheitswidrig ausgeschlossenen Arbeitnehmern für die Vergangenheit grundsätzlich die ihnen vorenthaltene Leistung zu, wenn nur auf diesem Weg dem Gleichheitssatz Rechnung getragen werden kann (ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 58).

40

(2) Die Frage, ob eine unangemessene Kostenbelastung des Arbeitgebers überhaupt geeignet sein kann, die gebotene Beseitigung der Diskriminierungsfolgen zu hindern, oder bewirken kann, dass dem Kosteninteresse des Arbeitgebers gegenüber dem Vertrauen der Begünstigten auf die Wirksamkeit der Regelung Vorrang gebührt, bedarf hier keiner Entscheidung. Bezüglich der Mehrkosten hat das beklagte Land geltend gemacht, diese beliefen sich ohne Berücksichtigung der von ihm zu tragenden Sozialversicherungsbeitragsanteile bei einer Anpassung „nach oben“ auf jährlich ca. 100 Millionen Euro. Allerdings fehlen Angaben des beklagten Landes dazu, wie viele Angestellte für welche Zeiträume die Zahlung der Endgrundvergütung ihrer Vergütungsgruppe bereits verlangt haben. Da das beklagte Land mit seinen Angestellten grundsätzlich vereinbart hat, dass sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des BAT bestimmt, und somit die tarifliche Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit (§ 70 BAT) greift, fehlen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass das eklagte Land für die Zeit bis zum Inkrafttreten des TV-H und des TVÜ-H am 1. Januar 2010 bei einer Anpassung „nach oben“ mit unverhältnismäßig hohen Mehrkosten belastet wird. Die Zeit bis zum 1. Januar 2010 ist maßgebend. Mit dem Urteil der Zweiten Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2011 in den verbundenen Rechtssachen - C-297/10 und C-298/10 - (NZA 2011, 1100) ist geklärt, dass Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 sowie Art. 28 GRC nicht entgegenstehen, wenn ein Vergütungssystem, das zu einer Diskriminierung wegen des Alters führt, durch ein auf objektive Kriterien gestütztes Vergütungssystem ersetzt wird und zugleich für einen befristeten Übergangszeitraum einige der diskriminierenden Auswirkungen des erstgenannten Systems bestehen bleiben, um für die bereits in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Arbeitnehmer den Übergang zum neuen System ohne Einkommensverluste zu gewährleisten.

41

ff) Ohne Erfolg beruft sich das beklagte Land auf Vertrauensschutz. Bei Abschluss des Arbeitsvertrags vom 27. Juni 2007 galt schon das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Der BAT und der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT waren bereits für den Bereich des Bundes mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 und für den Bereich der TdL mit Wirkung vom 1. November 2006 durch andere tarifliche Regelungen ersetzt worden. Das beklagte Land war in seiner Entscheidung frei, mit dem Kläger eine vom Vergütungssystem des BAT abweichende Entgeltabrede zu treffen und zB die Vergütungsbestimmungen des TV-L bzw. des TVÜ-Länder in Bezug zu nehmen. Wenn es davon trotz der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung, die Bemessung der Grundvergütung in den Vergütungsgruppen des BAT verstoße gegen das Diskriminierungsverbot wegen des Alters (vgl. Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 7 Rn. 53 mwN), abgesehen hat, ist sein Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vergütungssystems des BAT nicht schützenswert.

42

gg) Der Umstand, dass die in § 27 Abschn. A BAT angeordnete Bemessung der Grundvergütungen in den Vergütungsgruppen des BAT nach Lebensaltersstufen gegen das primärrechtliche Verbot der Ungleichbehandlung wegen des Alters verstößt und eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78 darstellt, führt entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht dazu, dass es an einer Bezugsgröße für die Anpassung „nach oben“ fehlt. Dem beklagten Land ist zwar einzuräumen, dass die Tarifvertragsparteien des BAT angesichts der von ihnen vereinbarten Lebensalterstufen offensichtlich nicht wollten, dass alle Angestellten in derselben Vergütungsgruppe eine gleich hohe Grundvergütung erhalten. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, den wegen ihres Alters benachteiligten Angestellten die Vergütung vorzuenthalten, die den nicht benachteiligten Angestellten zustand. Insoweit besteht kein entscheidender Unterschied zwischen einer gleichheitswidrigen Benachteiligung und einer unzulässigen Diskriminierung, wenn dem Gleichheitssatz bzw. dem Diskriminierungsverbot nur dadurch Rechnung getragen werden kann, dass den Benachteiligten derselbe Anspruch auf Vergütung eingeräumt wird wie den gleichheitswidrig begünstigten bzw. nicht diskriminierten Angestellten (vgl. zum Gleichheitssatz ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 58 mwN). Bei einer Entgeltstaffelung nach dem Alter in einem Tarifvertrag bedeutet dies, dass bis auf die höchste alle Entgeltstufen benachteiligend sind (Henssler/Tillmanns FS Rolf Birk S. 179, 190; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 45c).

43

c) Entgegen der Ansicht des beklagten Landes schützt es die Regelung in § 15 Abs. 3 AGG, wonach der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet ist, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt, nicht vor einer Anpassung „nach oben“. Die Vorschrift bezieht sich auf Schadensersatzansprüche und begrenzt nur Ansprüche auf Entschädigungsleistung (Löwisch DB 2006, 1729, 1731; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 7 AGG Rn. 6). Zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung verhält sie sich nicht.

44

III. Das beklagte Land hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Lauth    

        

    M. Jostes    

                 

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Mai 2012 - 12 Sa 1125/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, nach welchem Tarifvertrag sich die Übergangsversorgung des Klägers bei der Beklagten richtet.

2

Der 1960 geborene Kläger ist Flugkapitän und Mitglied der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit e.V., Frankfurt am Main (VC). Sein erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis hatte er mit der LTU begründet. Zum 1. März 1990 wechselte er als Luftfahrzeugführer zur neugegründeten Südflug, Süddeutsche Fluggesellschaft mbH (im Folgenden Südflug), die wie die Condor Flugdienst GmbH (im Folgenden CFG) zum Konzern der Beklagten gehörte.

3

Mit Verschmelzungsvertrag vom 27. August 1992 wurde die Südflug auf die CFG verschmolzen (nach der Verschmelzung im Folgenden CFG II). Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde ab dem 31. August 1992 mit der CFG II fortgesetzt. Mit Wirkung zum 30. Oktober 2008 wechselte der Kläger als Flugzeugführer unter Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zur Beklagten, eine überregional operierende Fluggesellschaft, und ist seitdem bei ihr beschäftigt. Die Beklagte war Mitglied im Arbeitgeberverband Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V. (AVH), der lange Zeit die Konzerntarifverträge der Beklagten verhandelt und vereinbart hat. Nunmehr ist sie Mitglied im Arbeitgeberverband Luftverkehr e.V. (AGLV).

4

Im Konzern der Beklagten gelten seit 1972 Tarifverträge zur Regelung der Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal, die neben Leistungen einer Übergangsversorgungsgrundrente auch eine Zusatzrente und eine Rente wegen Flugdienstuntauglichkeit („Loss of Licence“) vorsehen. Vor der Verschmelzung der Südflug auf die CFG galten die Tarifverträge des Konzerns auch für die CFG. Hierzu zählten insbesondere der Tarifvertrag für die Übergangsversorgung und der Tarifvertrag über den Förderungsaufstieg vom 10. April bzw. 9. Februar 1979 (TV Fö). Für die Südflug galten diese Tarifverträge nicht.

5

Im Zuge der Verschmelzung wurden für die CFG II mit der Tarifvereinbarung vom 31. August 1992 eigene Tarifverträge abgeschlossen. Nach dieser Tarifvereinbarung traten der TV Fö und der Übergangsversorgungstarifvertrag der Beklagten am selben Tag ohne Nachwirkung außer Kraft. Die Übergangsversorgung wurde für die CFG II eigenständig mit dem „Tarifvertrag Übergangsversorgung Bordpersonal“ vom 31. August 1992 geregelt (TV ÜV CFG); für die Mitarbeiter, die bei der „alten“ CFG beschäftigt waren (sog. „Alt-Condorianer“), galten die bisherigen tariflichen Regelungen zur Übergangsversorgung bei der Beklagten weiter.

6

Am 14. November 1992 schlossen die Tarifpartner eine „Vereinbarung zur Gestaltung und Umsetzung des Konzerntarifvertrages Cockpit“, nach der „bei der Gestaltung und redaktionellen Umsetzung des Konzerntarifvertrags Cockpit“ der Geltungsbereich auf die Cockpitmitarbeiter des Konzerns der Beklagten und der CFG II zu erstrecken sei. Die Vereinbarung sieht unter anderem Folgendes vor:

        

II.   

Wechselmöglichkeiten zwischen Flugzeugtypen und Förderung zum Kapitän

                 

Der Tarifvertrag Förderungsaufstieg bei DLH soll abgelöst werden. Der neue Tarifvertrag bei den Konzerngesellschaften soll u.a. eine Regelung enthalten, die bei der Förderung zum Kapitän auch den Wechsel zwischen den Unternehmen ermöglicht.“

7

Weiter wurde am 8. Dezember 1992 eine Vereinbarung geschlossen, in der die Tarifvertragsparteien ihre Absicht erklärten, die Mantel- und Vergütungstarifverträge der Beklagten und der CFG II für das Cockpitpersonal mit Wirkung vom 1. Dezember 1992 nach Maßgabe eines Arbeitsgruppenergebnisses zu ändern. Zum 1. Dezember 1993 wurde dann der TV Fö durch den „Tarifvertrag über Wechsel und Förderung“ (TV WeFö) abgelöst. Im Rahmen dieses Tarifvertrags war ein Wechsel der Cockpitmitarbeiter zur Beklagten und der CFG II - unter Aufrechterhaltung der jeweiligen bisherigen Übergangsversorgungsansprüche - möglich. § 7 Abs. 12 TV WeFö sah vor, dass

        

„bei einem Wechsel zur DLH oder CFG ... für die Mitarbeiter - bis zur Schaffung einer endgültigen Regelung - bei der Übergangsversorgung die für sie bei ihrer bisherigen Gesellschaft geltenden Regelungen (DLH: TV ÜV) [gelten]; ...“

8

Derzeit gilt bei der Beklagten der „Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal“ in der Fassung vom 15. Mai 2000 (TV ÜV DLH). Für Cockpitmitarbeiter, die aus Tochterunternehmen zur Beklagten wechseln, galt bis zum 23. Juni 2010 der Konzerntarifvertrag über Wechsel und Förderung Nr. 3 (TV WeFö Nr. 3), dessen § 7 Abs. 11 wie folgt lautet:

        

„Nach einem im Rahmen dieses Tarifvertrages erfolgten Arbeitgeberwechsel zur DLH, CFG, LCAG, GWI oder CIB gelten für die Mitarbeiter bei der Flugdienstuntauglichkeitsversorgung/‘Loss-of-Licence‘-Versicherung, Übergangsversorgung und Altersversorgung - statt der bei der jeweils aufnehmenden Gesellschaft hierzu geltenden tariflichen Regelungen - die für sie bei ihrer bisherigen Gesellschaft hierzu geltenden tariflichen Regelungen weiter.“

9

Der Kläger wechselte zum 30. Oktober 2008 im Rahmen des TV WeFö von der CFG II zur Beklagten. Nach dem für ihn jedenfalls bis zum 23. Juni 2010 geltenden TV ÜV CFG hat er einen Anspruch aus einer kapitalbildenden Lebensversicherung, die je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert wird, und einem Anspruch aus einem Fonds, in den nur der Arbeitgeber einzahlt. Dabei fällt die Übergangsversorgung nach dem TV ÜV CFG unstreitig deutlich geringer aus als die Übergangsversorgung nach dem TV ÜV DLH.

10

In einem Arbeitskampf im Jahr 2010 verständigten sich die Tarifvertragsparteien, ua. die VC, auf der Basis einer Schlichtungsempfehlung des Schlichters Klaus von Dohnanyi unter anderem auf die Einbeziehung weiterer Cockpit-Mitarbeiter in den TV ÜV DLH. Diese sah ua. für die Übergangsversorgung/Loss of Licence vor:

        

Einbeziehung weiterer Cockpitmitarbeiter in den Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der DLH AG vom 15.05.2000 (TV ÜV) unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich erfolgten tarifvertraglichen Änderungen und Ergänzungen

        

1.    

Cockpitmitarbeitern, die ihr erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis im Zeitraum ab dem 01.12.1992 bei CFG, CIB oder ab dem 01.01.2005 bei GWI … begonnen haben oder zukünftig beginnen werden und deren fliegerisches Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Tarifvereinbarung noch nicht beendet war, wird die Übergangsversorgung einschließlich der Regelungen zur Loss of Licence der DLH (TV ÜV DLH) zugesagt. Für Mitarbeiter der CFG oder CIB erfolgt diese Zusage nach erfolgreicher Bewerbung und Umschulung gemäß TV WeFö DLH zum Zeitpunkt ihres Arbeitgeberwechsels zu DLH, LCAG oder GWI.

        

…       

        
        

4.    

In Bezug auf die Flugdienstuntauglichkeitsrente finden, ab Inkrafttreten dieser Vereinbarung, die Regelungen des TV ÜV DLH auch für Cockpit-Mitarbeiter, die vor 01.12.1992 bei CFG eingestellt wurden (Ex Südflug-Mitarbeiter) und gemäß TV WeFö DLH zu DLH oder LCAG oder GWI gewechselt sind, Anwendung. ... Die Flugdienstuntauglichkeitsrente wird für den unter Ziffer IV.4 dieser Vereinbarung beschriebenen Personenkreis längstens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres gewährt. Bis zum Inkrafttreten dieser Vereinbarung arbeitgeberseitig finanzierte Flugdienstuntauglichkeitsversicherungen werden für den unter Ziffer IV.4 dieser Vereinbarung beschriebenen Personenkreis nicht fortgeführt.“

11

Die Tarifvertragsparteien nahmen die Schlichtungsempfehlung an und setzten sie am 20. April 2011 mit dem „Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag Nr. 4 zum Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der Deutschen Lufthansa AG vom 15./16.05.2000 in der Fassung des 3. Ergänzungstarifvertrages vom 20.12.2007“ um (ÄndErgTV Nr. 4). Dieser zum 23. Juni 2010 in Kraft gesetzte Tarifvertrag enthält auszugsweise folgende Regelungen (im Folgenden Protokollnotiz II.3.):

        

Die Protokollnotiz II.3. (aktuell ohne Regelungsinhalt) wird wie folgt neu gefasst:

        

a) Cockpitmitarbeiter, die ihr erstes, dem dortigen Manteltarifvertrag unterliegendes fliegerisches Arbeitsverhältnis im Zeitraum ab dem 01.12.1992 bei der Condor Flugdienst GmbH (CFG) oder der Condor Berlin GmbH (CIB) begonnen haben und im Rahmen des Tarifvertrages Wechsel und Förderung (TV WeFö) bis 30.06.2010 einen Arbeitgeberwechsel zu DLH, LCAG oder zu GWI vollzogen haben, werden - abweichend von § 7 Abs. 11 TV WeFö - mit Wirkung zum 01.07.2010 in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages einbezogen, sofern das fliegerische Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet war. Dies gilt nicht für Cockpitmitarbeiter, die vor dem 01.12.1992 ein fliegerisches Arbeitsverhältnis mit der früheren Südflug GmbH oder CFG begonnen haben. Cockpitmitarbeiter der DLH und der LCAG, die ihr erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis bei der CFG unter Geltung dieses Tarifvertrages Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der DLH (und damals CFG) begonnen haben, unterliegen weiterhin den Regelungen dieses Tarifvertrages.

        

…       

        

b) Die Zusage für die gemäß a) in den Geltungsbereich einzubeziehenden Mitarbeiter umfasst die Zusatzrente und die Leistungen im Fall der Flugdienstuntauglichkeit (§§ 5 ff.), nicht jedoch die Grundrente (§§ 1 bis 4) und erfolgt unter den nachstehenden Voraussetzungen und Maßgaben:

        

…       

        

c) Für dem jeweiligen Manteltarifvertrag unterliegende Cockpitmitarbeiter der DLH, LCAG oder GWI, die vor dem 01.12.1992 ein fliegerisches Arbeitsverhältnis bei der früheren Südflug GmbH oder CFG begonnen haben und später im Rahmen des TV WeFö zu DLH, LCAG oder GWI gewechselt sind, gelten weiterhin die Regelungen des TV ÜV CFG/CIB (vgl. § 7 Abs. 11 TV WeFö) mit der Maßgabe, dass … Mitarbeiter nach Satz 1, deren Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des Manteltarifvertrages wegen des Eintritts dauernder Flugdienstuntauglichkeit vorzeitig endet, erhalten Flugdienstuntauglichkeitsleistungen gemäß §§ 7 und 7a) dieses Tarifvertrages. Die Flugdienstuntauglichkeitsrente wird jedoch längstens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres geleistet. …“

12

Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihm Leistungen der Übergangsversorgung nach Maßgabe des TV ÜV DLH zu gewähren. Er hat die Auffassung vertreten, der Ausschluss von Mitarbeitern, deren erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis vor dem 1. Dezember 1992 begründet worden sei, verstoße gegen das AGG und gegen Art. 3 Abs. 1 GG und sei unwirksam. Zweck der Übergangsversorgung sei es, Nachteile beim Ausscheiden aus dem Berufsleben vor Eintritt des Versorgungsfalls auszugleichen. Die Schlichtungsempfehlung und die Tarifregelungen bedienten sich hierzu eines Stichtags, der aber nicht der objektiven Interessenlage entspreche. Dieser unterscheide danach, ob das erste fliegerische Arbeitsverhältnis mit der CFG II bzw. der Südflug vor oder nach dem 1. Dezember 1992 begründet worden sei. Hierfür bestehe kein sachlicher Differenzierungsgrund, zumal die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter der CFG II, die ihr erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis nach dem 1. Dezember 1992 begonnen hätten, und derjenigen, die es vor dem 1. Dezember 1992 bei der CFG oder der mit der CFG verschmolzenen Tochter Südflug begonnen hätten, ansonsten über 20 Jahre hinweg gleich gewesen seien. Zudem stelle der Ausschluss eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 2 AGG dar; die Gruppe der Mitarbeiter, die vor dem 1. Dezember 1992 ein fliegerisches Arbeitsverhältnis zur CFG II oder zur Südflug begründet hätten, seien im Durchschnitt älter als die nach dem 1. Dezember 1992 eingestellten Flugzeugführer.

13

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Leistungen der Übergangsversorgung einschließlich der Regelungen zur „Loss of Licence“ zu gewähren, die sie aufgrund der Protokollnotiz II.3. des Änderungs- und Ergänzungstarifvertrags Nr. 4 zum Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der Deutschen Lufthansa AG vom 15./16. Mai 2000 idF des 3. Ergänzungstarifvertrags vom 20. Dezember 2007 den Cockpitmitarbeitern gewährt, die ihr erstes, dem dortigen Manteltarifvertrag unterliegendes fliegerisches Arbeitsverhältnis im Zeitraum ab dem 1. Dezember 1992 bei CFG begonnen haben und im Rahmen des Tarifvertrags Wechsel und Förderung (TV WeFö) einen Arbeitgeberwechsel zur DLH vollzogen haben.

14

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Klage sei bereits wegen des fehlenden besonderen Feststellungsinteresses unzulässig. Der Kläger habe aber auch keinen Anspruch auf die Gewährung einer Übergangsversorgung gemäß dem TV ÜV DLH. Es liege weder ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch eine Benachteiligung wegen seines Alters vor. Der tarifvertraglich geregelte Stichtag sei wirksam, er beruhe auf einem Tarifkompromiss und sei „tarifhistorisch“ bedingt. Er knüpfe an konzernspezifische Besonderheiten und das „Inkrafttreten des Konzerntarifvertrages (KTV) am 01.12.1992“ sowie der damit verbundenen Angleichung der Einstellungsvoraussetzungen von CFG II und DLH an. Bis zur Verschmelzung 1992 seien die Südflug und die CFG zwei rechtlich selbständige Unternehmen mit unterschiedlichen tariflichen Regelungen und Einstellungsvoraussetzungen gewesen, wobei bei der CFG zuvor die gleichen tarifvertraglichen Regelungen wie bei der Beklagten gegolten hätten. Mit der Verschmelzung sei die CFG zwar von der Beklagten „tariflich abgekoppelt“ worden und verfüge seitdem über eigene Tarifverträge, die grundsätzlich für alle Mitarbeiter der CFG II - mit Ausnahme der sog. Alt-Condorianer - und damit auch für die der früheren Südflug maßgebend seien. Die Tarifvertragsparteien hätten aber seit jeher zwischen den Piloten der Beklagten und den sog. Alt-Condorianern einerseits und den Cockpitmitarbeitern der Südflug bzw. der CFG II andererseits aufgrund deren unterschiedlichen Einstellungsvoraussetzungen unterschieden. Es seien deshalb keine neuen Gruppen gebildet, sondern vielmehr an bereits vorhandene Strukturen angeknüpft und diese weiter aufrechterhalten worden.

15

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiter die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat deren Berufung gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Die Beklagte ist verpflichtet, ihm die gleichen Leistungen der Übergangsversorgung und bei Flugdienstuntauglichkeit zu gewähren wie den bis zum 30. Juni 2010 zur Beklagten gewechselten Flugzeugführern, die ihr erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis ab dem 1. Dezember 1992 bei der CFG II begonnen haben. Die den Kläger hiervon ausschließende Tarifregelung in der Protokollnotiz II.3. zum ÄndErgTV Nr. 4 ist unwirksam. Sie benachteiligt ihn wegen seines Alters.

17

I. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage zulässig.

18

1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage - (vgl. dazu BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 25 ff., BAGE 131, 176; 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B I 1 der Gründe). Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ist auch noch in der Revision von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., etwa BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 14, BAGE 124, 240).

19

2. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Klärung der - auch nur möglichen - Verpflichtung der Beklagten. Sein Klageantrag betrifft die Verpflichtung der Beklagten, im Falle des Eintritts einer Bedingung eine bestimmte Leistung an ihn zu erbringen. Die Bedingungen der beiden im Antrag genannten Leistungen sind das Ende des Arbeitsverhältnisses vor Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze (für die Übergangsversorgung) und/oder der Eintritt der Berufsunfähigkeit wegen Flugdienstuntauglichkeit (für die „Loss of Licence“-Leistungen). Damit betreffen sie ein - mögliches - zukünftiges Rechtsverhältnis. Dass die jeweilige Bedingung noch nicht eingetreten ist, hindert die Zulässigkeit nicht. Die tarifliche Übergangsversorgung dient der Schließung einer Versorgungslücke des Arbeitnehmers zwischen dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und dem Eintritt in das gesetzliche Rentenalter (vgl. BAG 18. Mai 2004 - 9 AZR 250/03 - zu A der Gründe). Dem Kläger ist es nicht zuzumuten, den Eintritt der jeweiligen Bedingung abzuwarten. Er hat ein rechtliches Interesse daran, mögliche Versorgungslücken durch eigene Vorsorge zu schließen oder zu mindern (vgl. BAG 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B I 2 der Gründe). Voraussetzung für eine entsprechende Entscheidung ist die Kenntnis des ihm bereits jetzt für den Fall des Bedingungseintritts zustehenden Anspruchs. Deshalb steht die Ungewissheit, ob und wie die Tarifvertragsparteien auf die durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13. September 2011 (- C-447/09 - Slg. 2011, I-8003), mit der die bisherige tarifvertragliche Altersgrenze für Verkehrsflugzeugführer der Beklagten für unionsrechtswidrig erklärt worden ist, entstandene neue Rechtslage reagieren und welche inhaltlichen Strukturen der künftigen Übergangsversorgung bei der Beklagten vereinbart werden, dem rechtlich geschützten Interesse des Klägers an einer alsbaldigen Feststellung nicht entgegen.

20

II. Die Klage ist auch begründet. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus dem für das Arbeitsverhältnis der Parteien geltenden TV ÜV DLH. Dieser schließt zwar nach seinem Wortlaut den Kläger von den von ihm begehrten Leistungen aus. Dieser Ausschluss benachteiligt aber den Kläger mittelbar wegen seines Alters (§§ 1, 3 Abs. 2, § 7 Abs. 2 AGG). Auf ihn sind deshalb die Regelungen für die begünstigten Arbeitnehmer so anzuwenden, als erfülle auch er diese - ihn diskriminierenden - Geltungsvoraussetzungen.

21

1. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten kraft Mitgliedschaft in den tarifschließenden Tarifvertragsparteien grundsätzlich die Tarifwerke der Beklagten (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG), soweit es die Cockpitmitarbeiter betrifft. Hiervon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus.

22

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 23. Juni 2010 auch der TV ÜV DLH hinsichtlich der Regelungen zur Übergangsversorgung und der „Loss of Licence“ in der Fassung des ÄndErgTV Nr. 4.

23

a) Der TV ÜV DLH gilt nach seinem Wortlaut nicht für das Arbeitsverhältnis der Parteien. Der Kläger hat sein erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis nicht mit der CFG II und nicht nach dem 1. Dezember 1992 begründet. Er war zum Zeitpunkt der Verschmelzung im August 1992 bereits seit dem 1. März 1990 Arbeitnehmer bei der damaligen Südflug und vorher als Flugzeugführer bei LTU beschäftigt. Damit erfüllt er nicht die Voraussetzungen, die laut Protokollnotiz II.3. an diejenigen früheren Cockpitmitarbeiter der CFG gestellt werden, die in den Geltungsbereich des TV ÜV DLH einbezogen werden sollten.

24

Diese Regelung basiert auf dem nach dem Arbeitskampf auf der Basis der Schlichtungsempfehlung abgeschlossenen ÄndErgTV Nr. 4, der zwar den persönlichen Geltungsbereich des TV ÜV DLH um Cockpitmitarbeiter erweitert hatte, die unter der Geltung des TV WeFö von einer anderen Konzerngesellschaft, namentlich der Condor Flugdienst GmbH (CFG) oder der Condor Berlin GmbH (CIB), zur Beklagten (oder zur LCAG oder GWI) gewechselt waren, jedoch nur solche in den Genuss der Übergangsversorgung der Beklagten kommen ließ, die ihr erstes fliegerisches Arbeitsverhältnis ab dem 1. Dezember 1992 bei der CFG II begründet haben; nur sie wurden mit Wirkung zum 1. Juli 2010 „in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages einbezogen“ (Protokollnotiz II.3. Buchst. a Satz 1). Für Cockpitmitarbeiter hingegen, die ein fliegerisches Arbeitsverhältnis vor dem 1. Dezember 1992 bei der CFG II oder - wie der Kläger - bei der früheren Südflug begonnen haben, sollten weiterhin die „alten, mitgebrachten“ Regelungen der Übergangsversorgungbestimmungen ihrer früheren Arbeitgeber, also der TV ÜV CFG/CIB, gelten (Protokollnotiz II.3. Buchst. a Satz 2, Buchst. c Satz 1).

25

b) Die Tarifregelung in der Protokollnotiz II.3. idF des ÄndErgTV Nr. 4 ist nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Sie verstößt mit ihrer Gruppenbildung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung des § 7 Abs. 1 AGG. Sie benachteiligt den Kläger wegen seines Alters, ohne dass die Bestimmung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zu seiner Erreichung angemessen und erforderlich sind.

26

aa) Nach § 7 Abs. 2 AGG führt ein Verstoß von Bestimmungen in Vereinbarungen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG zur Unwirksamkeit der betreffenden Regelung(BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113; 25. März 2015 - 5 AZR 458/13 - Rn. 32; 14. Januar 2015 - 7 AZR 880/13 - Rn. 36; 16. November 2011 - 4 AZR 856/09 - Rn. 27; zum Ganzen und zur Methodik Schlachter Das Verbot der Altersdiskrimierung und der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien S. 63 und 67 ff.). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für „kollektivrechtliche Vereinbarungen“ von Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 12, BAGE 141, 73; 14. Januar 2015 - 7 AZR 880/13 - Rn. 36; EuGH 8. September 2011 - C-297/10 - [Hennigs] Rn. 68, Slg. 2011, I-7965; 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 48, Slg. 2011, I-8003; 7. Juni 2012 - C-132/11 - [Tyrolean Airways Tiroler Luftfahrt Gesellschaft] Rn. 22; Schlachter aaO S. 63). Wenn auch den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum und in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative bei der Gestaltung von Tarifverträgen zukommt (st. Rspr., vgl. nur BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 31 mwN), finden ihre Regelungsbefugnisse gleichwohl ihre Grenzen in entgegenstehendem zwingenden Gesetzesrecht, wozu ua. die einfachrechtlichen Diskriminierungsverbote zählen (BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 111, 8). Der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien kann nicht dazu führen, das Verbot der Altersdiskriminierung auszuhöhlen (EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 33, Slg. 2010, I-9343; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569).

27

bb) Nach 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe, ua. des Alters, nicht benachteiligt werden. Eine Benachteiligung liegt nicht nur in einer objektiv feststellbaren Zurücksetzung gegenüber einer Vergleichsperson oder Vergleichsgruppe anhand eines ausdrücklich genannten Merkmals (unmittelbare Benachteiligung, § 3 Abs. 1 AGG). Eine solche Benachteiligung kann auch dann vorliegen, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften geeignet sind, Personen wegen des Alters gegenüber anderen Personen in besonderer Weise zu benachteiligen (mittelbare Diskriminierung, § 3 Abs. 2 AGG). Dies setzt zunächst voraus, dass die benachteiligten und begünstigten Personen vergleichbar sind (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZN 815/11 - Rn. 10 mwN, BAGE 139, 226). Um vergleichbar zu sein, müssen sachlogisch die beiden Größen Gemeinsamkeiten aufweisen, um die Unterschiede zueinander in Beziehung zu setzen. Ist grundsätzlich eine in diesem Sinne einheitliche Gruppe von Arbeitnehmern potentiell von einer Regelung betroffen, werden sie jedoch durch ein bestimmtes Kriterium in zwei oder mehr (Teil-)Gruppen unterschieden, kann dieses unterscheidende Kriterium auch dann ein mittelbar diskriminierendes Merkmal iSv. § 1 AGG sein, wenn die danach voneinander in begünstigte und benachteiligte unterschiedenen (Teil-)Gruppen nicht nur das wörtlich verstandene Kriterium trennt, sondern diese Trennung mit einem signifikanten Unterschied hinsichtlich des Auftretens eines der in § 1 AGG genannten Merkmale, zB des Alters, einhergeht. Eines statistischen Nachweises über diesen Zusammenhang zwischen dem (wörtlich) neutralen und dem in § 1 AGG pönalisierten Merkmal bedarf es nicht zwingend(BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 37). Mittelbare Benachteiligungen können sich auch aus anderen Umständen ergeben (BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 27, BAGE 137, 80).

28

cc) Eine - mittelbare - Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG ist aber nicht gegeben, wenn mit der Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel verfolgt wird und das hierfür eingesetzte Mittel, zB die getroffene Regelung, verhältnismäßig, dh. angemessen und erforderlich, ist.

29

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Ziel dann rechtmäßig, wenn es nicht seinerseits diskriminierend und im Übrigen legal ist (BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 584/09 - Rn. 42; 28. Januar 2010 - 2 AZR 764/08 - Rn. 19, BAGE 133, 141). Ein solches legitimes Regelungsziel muss der Unterscheidung überprüfbar zugrunde liegen, wenn es auch nicht in der Regelung selbst ausdrücklich benannt sein muss. Es muss sich aber aus dem Kontext der Differenzierungsmaßnahme ableiten lassen (Schlachter aaO S. 33 mwN aus der Rechtsprechung des EuGH).

30

(2) Die zur Erreichung dieses Ziels gewählten Mittel müssen erforderlich sein, dh. es darf keine die Benachteiligten weniger treffenden Möglichkeiten geben, das Ziel zu erreichen. Dabei sind die Anforderungen an die Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung nicht höher als diejenigen an die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung (BAG 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 35, BAGE 131, 298; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 40 mwN, BAGE 131, 61).

31

(3) Bei der Prüfung der Angemessenheit ist die aus der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie resultierende Gestaltungsbefugnis der Tarifvertragsparteien zu beachten. Das Erfordernis einer Rechtfertigung entfällt dadurch zwar nicht. Jedoch ist aufgrund der weitreichenden Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien und deren Einschätzungsprärogative bzgl. der sachlichen Gegebenheiten, der betroffenen Interessen und der Rechtsfolgen deren Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung zu berücksichtigen (BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 17 mwN, BAGE 131, 113). Sie können tarifvertragliche Ansprüche differenzierend festlegen und bspw. Stichtagsregelungen als „Typisierungen in der Zeit“ mit ihren notwendigen Pauschalierungen aus Gründen der Praktikabilität - ungeachtet der damit verbundenen Härten - zur Abgrenzung von begünstigten Personenkreisen kreieren, jedenfalls dann, wenn sich die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert, vertretbar erscheint und nicht gegen gesetzliche Regelungen verstößt (BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 34; 17. April 2013 - 4 AZR 770/11 - Rn. 26; 15. September 2009 - 9 AZR 685/08 - Rn. 30; 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 26, BAGE 129, 93, jeweils mwN).

32

dd) Unter Anwendung dieser Kriterien enthält die Neufassung der Protokollnotiz II.3. idF des ÄndErgTV Nr. 4 eine nicht gerechtfertigte mittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters.

33

(1) Die aus den Konzerntochtergesellschaften, bspw. der CFG II, im Rahmen des TV WeFö zur Beklagten gewechselten Cockpitmitarbeiter waren - mit Ausnahme der Übergangsversorgung - bis zum 23. Juni 2010 den von Anfang an bei der Beklagten eingestellten Flugzeugführern grundsätzlich gleichgestellt. Von der Übergangsversorgung der Beklagten waren allerdings die „Wechsler“ aus Tochtergesellschaften - mit Ausnahme der sog. „Alt-Condorianer“ - ausdrücklich durch die tarifliche Regelung des § 7 Abs. 11 TV WeFö Nr. 3 ausgenommen, nach der nicht diese, sondern die für sie bei ihrer bisherigen Gesellschaft geltenden tariflichen Bestimmungen weiter maßgebend sein sollten.

34

(2) Mit der Neufassung der Protokollnotiz II.3. im ÄndErgTV Nr. 4 wurde für diese Gruppe von Cockpitmitarbeitern von insgesamt 589 der zur Beklagten gewechselten Piloten eine differenzierende Regelung für die Übergangsversorgung geschaffen. Die bis dahin einheitliche tarifliche Regelung der Übergangsversorgung wurde durch die Protokollnotiz II.3. für einen Teil der zur Beklagten gewechselten Beschäftigten, nämlich 482 Flugzeugführer, aufgehoben und diese in die Übergangsversorgung nach dem TV ÜV DLH einbezogen. Bei den restlichen 107 Cockpitmitarbeitern der Ausgangsgruppe, darunter der Kläger, lagen die in der Protokollnotiz II.3. vorgesehenen Voraussetzungen nicht vor. Damit wird der größere Teil der Gruppe der betroffenen Arbeitnehmer - der „Wechsler“ - durch die Regelung gegenüber dem kleineren Teil der Gruppe begünstigt. Ihre Mitglieder erhalten Übergangsversorgungs- und Versicherungsleistungen nach dem TV ÜV DLH, während die anderen, darunter der Kläger, nach den schon bisher geltenden tariflichen Regelungen ihrer früheren Arbeitgeber, dh. des TV ÜV CFG/CIB (vgl. § 7 Abs. 11 TV WeFö Nr. 3) abgesichert sind.

35

Die Anwendung der verschiedenen Tarifregelungen führt zu gravierend unterschiedlichen Ergebnissen. Der Kläger hat unbestritten vorgetragen, für ihn ergebe sich im Fall des Eintritts eines Übergangsversorgungstatbestands, also der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses vor Erreichen der Regelaltersgrenze, bei Anwendung der (alten) Tarifregelungen aus der Übergangsversorgung der CFG ein monatlicher Anspruch von - umgerechnet und verteilt auf eine Anspruchsdauer von insgesamt drei Jahren - 1.388,88 Euro monatlich. Unter den Bedingungen des TV ÜV DLH betrage der monatliche Anspruch 8.572,81 Euro. Bei der Flugdienstuntauglichkeitsversicherung ergibt sich die Benachteiligung bereits daraus, dass die entsprechenden Leistungen nach dem TV ÜV DLH bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres gezahlt werden, nach dem TV ÜV CFG/CIB dagegen nur bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres.

36

(3) Diese Schlechterstellung des Klägers gegenüber der Vergleichsgruppe der vom ÄndErgTV Nr. 4 erfassten Cockpitmitarbeiter, die zwischen Dezember 1993 und Juni 2010 zur Beklagten gewechselt sind, stellt eine Benachteiligung wegen des Alters dar, auch wenn die Protokollnotiz II.3. idF des ÄndErgTV Nr. 4 als Differenzierungskriterium für die Gruppenbildung nicht das Lebensalter, sondern nur das Eintrittsdatum bei einem anderen Konzernunternehmen nennt. Mit der Verwendung dieses von den Tarifvertragsparteien gewählten Differenzierungskriteriums erfolgt jedoch eine mittelbare Diskriminierung nach dem Alter.

37

(a) Das ergibt sich zum einen aus dem Kriterium selbst. Die Tarifvertragsparteien haben im Jahre 2011 die rückwirkend zum 23. Juni 2010 in Kraft gesetzte Tarifregelung zugunsten einer bestimmten Beschäftigtengruppe getroffen. Dabei haben sie sich dafür entschieden, diejenigen Cockpitmitarbeiter zu begünstigen, die - neben den anderen Kriterien, die auch vom Kläger bzw. der Gruppe der benachteiligten Cockpitmitarbeiter erfüllt werden - in den letzten knapp 18 Jahren vor der getroffenen Regelung bei der Konzerntochtergesellschaft ihre erste fliegerische Beschäftigung aufgenommen haben und später zur Beklagten gewechselt sind. Diejenigen Cockpitmitarbeiter, die zwar im gleichen Zeitraum auch zur Beklagten gewechselt sind, aber schon früher bei einer Konzerntochtergesellschaft eingestellt worden oder aufgrund der Verschmelzung im August 1992 deren Mitarbeiter geworden sind und mithin eine längere Beschäftigungszeit aufweisen, werden dagegen von der begünstigenden Regelung ausgeschlossen. Die Regelung aus dem Jahre 2011 erfasst Berufsanfänger aus den letzten 18 Jahren, nicht jedoch die Cockpitmitarbeiter der früheren Jahre, die denklogisch durchschnittlich älter sein müssen. Dies wird auch von der Revision eingeräumt.

38

(b) Diese logische Zuweisung des Differenzierungskriteriums des Alters wird untersetzt durch die statistisch begründete Feststellung des Landesarbeitsgerichts, nach der die Piloten, die - wie der 1960 geborene Kläger - vor dem 1. Dezember 1992 eingestellt worden sind und deshalb zu der benachteiligten Gruppe gehören, im Jahre 2010 ein Durchschnittsalter von 49,0 Jahren aufwiesen, während die Mitglieder der begünstigten Teilgruppe zum selben Zeitpunkt durchschnittlich 36,5 Jahre alt waren. Damit ist die Begünstigung signifikant mit dem Lebensalter des insgesamt betroffenen Personenkreises verbunden.

39

(4) Eine mittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil mit der Tarifregelung ein rechtmäßiges Ziel verfolgt würde und die dafür eingesetzten Mittel angemessen und erforderlich wären. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend und rechtsfehlerfrei angenommen.

40

(a) Es mangelt bereits an einer nachvollziehbaren Darlegung der Beklagten zum rechtmäßigen Ziel der Differenzierung.

41

(aa) Die Beklagte hat darauf verwiesen, die Regelung enthalte den genannten „Stichtag“, weil zu diesem Zeitpunkt der „tarifliche Gleichlauf“ zwischen der „neuen“ CFG II und der Beklagten wieder hergestellt worden sei, indem an diesem Tag der „Konzerntarifvertrag Cockpit“ auf die Beschäftigten der CFG II erweitert worden sei und somit beide Unternehmen wieder einheitlich agieren würden, was tarifhistorisch ein einschneidendes Ereignis für den „Personalkörper des Cockpitbereichs im Lufthansakonzern“ darstelle. Der Kläger sei unter der Ägide eines anderen Tarifvertrags zur CFG gestoßen und habe deshalb nicht damit rechnen können, mittel- oder langfristig in eine andere Konzerngesellschaft wechseln zu können. Ihm und der vermeintlich benachteiligten Gruppe seien eben keine Rechte entzogen worden, sondern sie seien lediglich von der allgemeinen Erweiterung auf die Leistungen der Übergangsversorgung ausgeschlossen worden.

42

(bb) Diese Hinweise vermögen die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung nicht zu rechtfertigen.

43

Bereits die Wahl des Stichtags als „tarifhistorisches Ereignis“ ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Erst zum 31. August 1992 war die tarifrechtliche „Abkoppelung“ (so die Terminologie der Beklagten) des Tarifsystems der CFG II von demjenigen des Konzerns vorgenommen worden. Schon zehn Wochen später wurde mit der Vereinbarung vom 14. November 1992 die erneute Zusammenführung der Tarifsysteme zum 1. Dezember 1992 geplant. Der dieses Ziel umsetzende TV WeFö trat jedoch erst zum 1. Dezember 1993 in Kraft. Angesichts dessen ist die Festlegung des 1. Dezember 1992 als Stichtag jedenfalls nicht als der Tag einer grundlegenden Änderung der Rechtslage geeignet, eine zentrale Bedeutung in der Tarifhistorie des Konzerns der Beklagten zu gewinnen. Soweit die Beklagte dieses Datum mit dem „Inkrafttreten des Konzerntarifvertrags“ auch noch in der Revision in Verbindung bringt, erschließt sich dies dem Senat nicht. Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, gibt es einen solchen „Konzerntarifvertrag“ nicht; gemeint ist damit wohl die „Vereinbarung“ der Tarifvertragsparteien vom 14. November 1992, die aber nur eine - später nicht eingehaltene - Absichtserklärung einer Tarifierung zum 1. Dezember 1992 enthält.

44

Entscheidend ist weiter, dass sich aus den Ausführungen der Beklagten zur Wahl des Stichtags kein - auch noch rechtmäßiges - Ziel der Regelung ergibt. Die Beklagte bemüht sich lediglich, dem von ihr gesetzten Stichtag eine Bedeutung beizumessen, indem sie das Datum mit einer zu diesem Zeitpunkt nicht einmal eingetretenen, sondern nur beabsichtigten Änderung der Rechtslage der betroffenen Mitarbeiter in Verbindung bringt. Ansonsten beschränkt sie sich darauf hinzuweisen, dass es - außerhalb der Rechtsfolgen der hier zu beurteilenden Handlung - keinen Rechtsanspruch des Klägers auf vollständige Gleichstellung mit den Cockpitmitarbeitern gibt, die seit jeher und ausschließlich bei der Beklagten beschäftigt sind. Das ist zutreffend; auf einen solchen - anderen - Anspruchsgrund beruft sich der Kläger aber nicht, sondern allein auf die Rechtsfolgen einer tatsächlich vorliegenden (mittelbaren) Altersdiskriminierung durch eine im Jahre 2011 vereinbarte Tarifregelung.

45

Ein konkretes mit der Tarifregelung bzw. mit der dort vorgenommenen Differenzierung angestrebtes Ziel wird von der Beklagten weder ausdrücklich benannt noch ist es sonst erkennbar, will man nicht die Begrenzung der ansonsten, dh. bei einer vollständigen Anpassung der Übergangsversorgungsregelungen für alle zur Beklagten gewechselten Cockpitmitarbeiter, eintretenden wirtschaftlichen Belastung als ein solches ansehen. Gerade dies wird von der Revision aber nicht behauptet.

46

(b) Im Übrigen bleibt auch die Relation zwischen dem - mutmaßlich - angestrebten Ergebnis der streitigen Regelung und den dafür gewählten Mitteln unklar. Die Frage nach der Erforderlichkeit der gewählten Differenzierung und einem möglichen „milderen Mittel“ lässt sich schon deshalb nicht beantworten, weil nicht erkennbar ist, welchem Zweck das Mittel, also die inkriminierte Tarifregelung in der Protokollnotiz II.3. idF des ÄndErgTV Nr. 4, dienen soll. Dies ist insbesondere angesichts des gravierenden Unterschieds zwischen den Ergebnissen der Differenzierung für die beiden (Teil-)Gruppen unverzichtbar. Denn je stärker die Bevorzugung bzw. Benachteiligung ausfällt, dh. je größer der Unterschied zwischen den beiden (Teil-)Gruppen bei der Anwendung der Regel ist, desto höher ist der Legitimationsbedarf für diese Differenzierung.

47

c) Auch die weiteren Einwände der Revision bleiben erfolglos.

48

aa) Soweit sie sich darauf beruft, die Sichtweise des Landesarbeitsgerichts führe dazu, dass jegliche Stichtagsregelung als mittelbare Benachteiligung wegen des Alters anzusehen sei, ist dies lediglich ein (im Übrigen untaugliches) Evidenz-Argument. Schon bisher geht die Rechtsprechung davon aus, dass Stichtagsregelungen in Tarifverträgen einer gewissen Rechtfertigung bedürfen (vgl. dazu ausf. oben unter II 2 b cc (3)). Über das Ausmaß der Rechtfertigungsbedürftigkeit und der Kontrolldichte entscheidet die konkrete Fallkonstellation. Auch wenn es für Tarifvertragsparteien mit Blick auf das Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG weitgehend erleichterte Möglichkeiten geben mag, lässt sich ohne jegliche Nennung eines die Differenzierung begründenden Regelungsziels schon denklogisch keine - auch nur schwach ausgeprägte - Plausibilitätskontrolle durchführen.

49

bb) Der Einwand der Beklagten, lediglich die Beschäftigungszeit, nicht aber das Alter der Beschäftigten sei durch die Stichtagsregelung zum Differenzierungskriterium gemacht worden, ist unzutreffend. Die tarifliche Differenzierung knüpft gerade nicht an die Beschäftigungszeit als solche an. Soweit sich die Beschäftigungszeit auf die Beklagte bezieht, beginnt sie ohnehin erst mit dem nach 1992 erfolgten Wechsel von der CFG II zur Beklagten. Soweit sie sich auf Konzernunternehmen bezieht, ist sie gleichfalls nicht zum Ansatzpunkt geworden, da auch schon die Südflug eine Tochtergesellschaft der Beklagten war. Im Übrigen wäre bei einer Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten erst recht begründungsbedürftig, warum - anders als in nahezu allen sonstigen Fällen, in denen Leistungen in ihrer Höhe von Beschäftigungszeiten abhängig gemacht werden - gerade die Mitarbeiter mit den längsten Beschäftigungszeiten von solchen vergleichsweise erheblichen tariflichen Leistungen ausgenommen werden.

50

cc) Der von der Beklagten weiter genannte Zusammenhang zwischen der fliegerischen Ausbildung der benachteiligten Gruppe gegenüber derjenigen der begünstigten Gruppe erschließt sich nicht. Schon grundsätzlich müsste auch hier das Ziel benannt werden, hinsichtlich dessen eine solche Differenzierung als Mittel zu seiner Erreichung geeignet sein könnte. Es kann nicht dem Gericht überlassen bleiben, aus der bloßen Nennung eines Datums, verbunden mit einer Darstellung des - letztlich auch nur vermeintlichen - Unterschieds zwischen der davor und der danach bestehenden Rechtslage, das Ziel einer diese Differenzierung aufgreifenden, 18 Jahre später getroffenen Regelung zu folgern.

51

dd) Auch der Verweis der Revision auf die Rechtsfolgen des § 613a BGB ist unbehelflich. Die Beklagte beruft sich darauf, dass auch dort die historisch unterschiedliche Ausgangsbasis den Fortbestand zweier unterschiedlicher „Personalkörper“ zur Folge habe. Abgesehen davon, dass es sich dabei um eine gesetzliche Rechtsfolgenanordnung handelt, wäre dieses Argument nur tauglich gegen ein Vereinheitlichungsverlangen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen. Darauf beruft sich der Kläger jedoch nicht. Er will lediglich nicht wegen seines Alters aus der allgemeinen Vergünstigung einer ansonsten vergleichbaren Beschäftigtengruppe ohne sachlichen Grund herausgenommen werden.

52

3. Wegen der mittelbaren Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters hat er einen Anspruch auf Gewährung der Leistungen nach Maßgabe der Regelungen für die begünstigte Gruppe.

53

a) Nach § 7 Abs. 2 AGG führt ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Abs. 1 zur Unwirksamkeit der verbotswidrigen Regelung(BAG 16. November 2011 - 4 AZR 856/09 - Rn. 27; 23. März 2015 - 5 AZR 458/13 - Rn. 32). Rechtsfolge einer - mittelbaren - Benachteiligung ist die Nichtanwendung allein der diskriminierenden Regelung. Besteht diese in einer Ausgrenzung der diskriminierten Arbeitnehmer aus dem Geltungsbereich einer vergleichbare Arbeitnehmer begünstigenden Regelung und sind bisher keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung getroffen, so dass die Regelung das einzig gültige Bezugssystem bleibt, ist regelmäßig auf die Angehörigen der durch diese Diskriminierung benachteiligten Gruppe die gleiche Regelung wie auf die begünstigten Arbeitnehmer anzuwenden, um die Benachteiligung zu beseitigen (vgl. nur BAG 25. März 2015 - 5 AZR 458/13 - Rn. 32 f. mwN; EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 - [Specht] Rn. 95; 22. Juni 2011 - C-399/09 - [Landtová] Rn. 51, Slg. 2011, I-5573; 26. Januar 1999 - C-18/95 - [Terhoeve] Rn. 57, Slg. 1999, I-345). Das Landesarbeitsgericht ist unter Heranziehung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesarbeitsgerichts deshalb ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass vorliegend zur Beseitigung der Benachteiligung eine entsprechende Anpassung vorzunehmen ist (vgl. dazu ausf. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 481/09 - Rn. 15 bis 43; zu einer hierdurch veranlassten späteren Einschränkung der Vergünstigungen insgesamt EuGH 22. Juni 2011 - C-399/09 - [Landtová] Rn. 53, aaO; 19. Juni 2014 - C-501/12 - [Specht] Rn. 95; BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 23, BAGE 140, 83). Die Revision hat dagegen keinerlei Einwände erhoben.

54

b) Der Kläger hat daher einen Anspruch auf die den begünstigten vergleichbaren Arbeitnehmern gewährten Leistungen. Der ÄndErgTV Nr. 4 ist so auf sein Arbeitsverhältnis anzuwenden, als seien die dort in der Protokollnotiz II.3. aufgeführten Anspruchsvoraussetzungen ohne die ausgrenzenden Faktoren vereinbart worden. Die - danach verbleibenden - Anspruchsvoraussetzungen werden vom Kläger erfüllt, so dass er entsprechend der Regelung in den Geltungsbereich des TV ÜV DLH einbezogen ist. Gegen diese Schlussfolgerung des Landesarbeitsgerichts wendet sich die Revision letztlich nicht.

55

III. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos bleibt, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Rinck    

        

        

        

    Pfeil    

        

    Bredendiek    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 25. März 2013 - 8 Sa 1081/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten wegen einer Altersstufenregelung über die Höhe der geschuldeten Vergütung im Zeitraum Juni 2011 bis Mai 2012.

2

Die am 14. März 1975 geborene Klägerin ist seit dem 16. März 1999 bei der Beklagten als pädagogische Mitarbeiterin (Erzieherin) beschäftigt.

3

Im Arbeitsvertrag vom 1. November 2000 heißt es ua.:

        

„2.     

Soweit nachstehend nichts anderes vereinbart ist, gelten für das Arbeitsverhältnis die Haustarifverträge der G mit der Gewerkschaft ÖTV, Kreisverwaltung W, einschließlich der Anlagen in der jeweils gültigen Fassung und die Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat, die Bestandteil dieser Verträge sind. Die jeweils gültige Fassung ist in der Personalabteilung einzusehen.

        

…       

        
        

4.    

Die Vergütung erfolgt gemäß Haustarifvertrag. Die Mitarbeiterin wird in die Vergütungsgruppe V c eingestuft. Die Mitarbeiterin verpflichtet sich, Änderungen, die die Berechtigung zum Bezug des erhöhten Ortszuschlages und von Kindergeldzuschlägen betreffen, unverzüglich anzuzeigen.

        

5.    

Die Arbeitszeit richtet sich nach dem Haustarifvertrag. Sie beträgt 32 Std. von z. Z. 38,5 Std. wöchentlich.

        

…       

        
        

11.     

Änderungen und Ergänzungen dieses Arbeitsvertrages bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform.“

4

Am 19. Juni 2000 vereinbarte die Beklagte mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr den Rahmentarifvertrag 2000 (im Folgenden RTV), den Vergütungstarifvertrag 2001 (im Folgenden VTV 2001) und den Zulagentarifvertrag 2001 (im Folgenden ZTV 2001).

5

Der RTV regelt ua.:

        

㤠6

        

Vergütungsregelung

        

1.    

Die Vergütung der Beschäftigten besteht aus:

                 

a. der Grundvergütung,

                 

b. dem Ortszuschlag,

                 

c. und den Zulagen.

                 

Die Beträge der Grundvergütung, des Ortszuschlages und der Zulagen werden in gesonderten Tarifverträgen (Vergütungstarifvertrag, Zulagentarifvertrag) vereinbart.

        

2.    

Die Eingruppierung des Beschäftigten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen des Vergütungsgruppenverzeichnisses (Anlage 1).

        

3.    

Der Beschäftigte wird bei der Einstellung in die Vergütungsgruppe eingruppiert, die der von ihm überwiegend auszuübenden Tätigkeit entspricht. Er erhält die Grundvergütung der Stufe, die er erreicht hätte, wenn er seit Vollendung des 21. Lebensjahres in dieser Vergütungsgruppe beschäftigt worden wäre.

        

4.    

Vom Beginn des Monats an, in dem der Beschäftigte das 21. Lebensjahr vollendet, erhält er die Anfangsgrundvergütung (1. Stufe) seiner Vergütungsgruppe. Nach je zwei Jahren erhält der Beschäftigte bis zum Erreichen der Endgrundvergütung (letzte Stufe) die Grundvergütung der nächsthöheren Stufe seiner Vergütungsgruppe.

        

5.    

Bei der Festsetzung oder Einstufung in die nächsthöhere Stufe seiner Grundvergütung ist die Vollendung des Lebensjahres mit Beginn des Monats anzunehmen, in den der Geburtstag fällt.

        

6.    

Für den Ortszuschlag gelten die Bestimmungen des § 29 Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) in der jeweils gültigen Fassung.

        

7.    

Wird der Beschäftigte höhergruppiert, erhält er von Beginn des Monats an, in dem die Höhergruppierung wirksam wird, in der Aufrückungsgruppe die Grundvergütung der Stufe, in der er sich in der bisherigen Vergütungsgruppe befand.

        

…       

        
        

§ 12

        

Weihnachtsgeld

        

1.    

Jeder Beschäftigte, der spätestens am 1. Oktober des laufenden Kalenderjahres eingestellt wurde und am 1. Dezember noch im Beschäftigungsverhältnis steht und nicht in der Zeit bis einschließlich 31. Dezember des Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet, hat Anspruch auf Weihnachtsgeld. Das Weihnachtsgeld beträgt im Jahr 2000 87,86% und im Jahr 2001 85,8% einer Monatsvergütung (Grundvergütung, Ortszuschlag, allgemeine Zulage nach dem Zulagentarifvertrag) gemäß der am 1. Oktober gültigen Vergütungsregelung und erhöht sich um DM 50,-- für jedes im Ortszuschlag berücksichtigte unterhaltspflichtige Kind.

        

…       

        
        

§ 19

        

Erlöschen von Ansprüchen

        

Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis erlöschen spätestens 6 Monate nach Fälligkeit, wenn sie nicht vorher schriftlich geltend gemacht worden sind. Die gesetzlichen Verjährungsfristen bleiben unberührt.“

6

In Anlage 1 des VTV 2001 heißt es auszugsweise:

        

„TABELLE DER GRUNDVERGÜTUNGEN 2001

                 
        

(monatlich in DM)

                 
        

gültig ab dem 1. September 2001

                 
                                   
                                   
        

Grundvergütungssätze in Stufe

                 
        

Vergütungsgruppe

1       

2       

…       

8       

9       

10    

…       

        

…       

                                                              
        

Vb    

2823,68

3011,27

        

3905,39

4043,83

4136,14

…“    

7

Im ZTV 2001 ist ua. geregelt:

        

㤠2

        

Allgemeine Zulagen

        

1.    

Die Beschäftigten, die in die Vergütungsgruppe X bis I der Vergütungsregelung eingruppiert sind, erhalten eine monatliche Zulage nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.

        

2.    

Die Höhe der Zulage richtet sich nach der Vergütungsgruppe, in die der Beschäftigte eingruppiert ist. Sie beträgt ab dem 1. September 2001 monatlich in den Vergütungsgruppen

                 

X - IX

DM 170,33,

                 

VIII - V c

DM 201,18,

                 

V b - II

DM 214,59,

                 

I       

DM   80,46,

                 

und für Auszubildende

DM   40,23.

                 

Bei allgemeinen Vergütungserhöhungen erhöht sich die allgemeine Zulage um den von den Tarifvertragsparteien festgelegten durchschnittlichen Vomhundertsatz der allgemeinen Vergütungserhöhung.“

8

Die Beklagte kündigte den RTV zum 31. Oktober 2002. Anschließend mit der Gewerkschaft ver.di geführte Tarifverhandlungen führten zu keiner Einigung.

9

Zum 1. April 2003 erhöhte die Beklagte bei allen Arbeitnehmern die bisherige Vergütung um 1,7 %. In einer von der Beklagten für die Mitarbeiter der Personalabteilung als Arbeitshilfe erstellten Vergütungstabelle (im Folgenden Vergütungstabelle April 2003) sind Grundvergütung, Ortszuschlag und Allgemeine Zulage unter Berücksichtigung der Erhöhung umgerechnet in Euro angegeben. Darin heißt es auszugsweise:

        

Grundvergütungen 2003

                 
        

und Allgemeine Zulagen in €uro

gültig ab 01.04.2003

                 
        

Vergütungsgruppe

Allgemeine Zulage

1       

2       

       

7       

8       

9       

10    

21    

23    

…       

33    

35    

37    

39    

        

       

                                                                       
        

Vb    

111,59

1.468,26

1.565,81

        

1.958,76

2.030,74

2.102,73

2.150,72“

10

Eine am 11. Juni 2008 geschlossene „Betriebsvereinbarung zur vertraglichen Gestaltung von Arbeitsverhältnissen ab dem 01.09.2008“ (im Folgenden BV 2008) regelt ua. die Entgeltgrundsätze (§ 9b), Tätigkeitsmerkmale und Entgeltgruppen (§ 9c) sowie die Entgelthöhe, die Entgeltbereiche und -stufen (§§ 9d ff.). Zum Geltungsbereich der BV 2008 bestimmt diese:

        

㤠1 Geltungsbereich

        

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer, die nach dem 01.09.2008 eingestellt werden und für die Arbeitnehmer, die ab dem 01.09.2008 einen neuen (z.B. bisher befristeten) Arbeitsvertrag abschließen und für alle Arbeitnehmer, die gemäß § 19 Überleitungsregelung nach dem Günstigkeitsprinzip in diese Betriebsvereinbarung wechseln.

        

Diese Betriebsvereinbarung gilt nicht:

        

•       

für alle Arbeitnehmer, die einen Arbeitsvertrag mit der GPS vor dem 01.11.2002 abgeschlossen haben,

        

…       

        
        

Für bestehende Arbeitsverhältnisse ab dem 1.11.2002 gilt die Überleitungsregelung nach Anlage 1.

        

…       

        

§ 19 Überleitungsregelung

                 

Alle Arbeitnehmer, die ab dem 1.11.2002 mit der GPS einen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben und noch bei der Arbeitgeberin beschäftigt sind, werden zum 1.9.2008 in die Regelungen dieser Betriebsvereinbarungen übergeleitet. Das Verfahren regelt die Anlage 1 ‚Überleitungsregelung für bestehende Arbeitsverhältnisse ab dem 1.11.2002‘.“

11

Die Klägerin wurde im Streitzeitraum zunächst nach Vergütungsgruppe Vb Stufe 8 und seit März 2012 nach Vergütungsgruppe Vb Stufe 9 vergütet.

12

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung verlangt die Klägerin mit ihrer am 7. Februar 2012 eingereichten, mit Schriftsatz vom 19. Juni 2012 erweiterten Klage die Differenz zwischen den von der Beklagten im Streitzeitraum als Grundvergütung, Sonntags- und Feiertagszuschläge, Vergütungszulage und Weihnachtsgeld sowie für Mehrarbeit nach Vergütungsgruppe Vb Stufe 8 bzw. Stufe 9 gezahlten und den sich jeweils unter Zugrundelegung von Vergütungsgruppe Vb Stufe 10 - in rechnerisch unstreitiger Höhe - ergebenden Beträgen. Sie hat geltend gemacht, die Staffelung der Vergütung nach Lebensaltersstufen benachteilige sie unzulässig wegen des Alters.

13

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.478,22 Euro brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.

14

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie genieße Vertrauensschutz, weil der RTV vor Inkrafttreten der RL 2000/78/EG und des AGG abgeschlossen worden sei und sie zu diesem Zeitpunkt von der Wirksamkeit der tariflichen Regelungen habe ausgehen dürfen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Anpassung ihrer Vergütung nach oben. Sie habe die ihr angebotene Überführung in die Regelungen der BV 2008 nicht angenommen.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist begründet. Der Klägerin stehen nach §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG für den Streitzeitraum Grundvergütung, Sonntags- und Feiertagszuschläge, Vergütungszulage und Weihnachtsgeld sowie Vergütung für Mehrarbeit berechnet nach Vergütungsgruppe Vb Stufe 10 abzüglich der von der Beklagten unter Zugrundelegung der Vergütungsgruppe Vb Stufe 8 und seit März 2012 Stufe 9 geleisteten Zahlungen zu. Die Beibehaltung der in § 6 RTV iVm. Anlage 1 VTV 2001 geregelten Altersstufen als Basis für die Berechnung der Grundvergütung, der Sonntags- und Feiertagszuschläge, der Vergütungszulage und des Weihnachtsgelds sowie der Vergütung für geleistete Mehrarbeit verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung (§ 7 Abs. 1 AGG iVm. § 1 AGG). Die aufgrund betrieblicher Übung Vertragsinhalt gewordene Vergütungsregelung ist nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, soweit sie jüngere Arbeitnehmer diskriminiert(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 31, BAGE 140, 1). Die Ungleichbehandlung kann nur durch eine Anpassung der Vergütung nach oben beseitigt werden.

17

I. Die Beklagte vergütet ihre Arbeitnehmer seit 1. April 2003 auf der Grundlage einer die Höhe des Entgeltanspruchs bestimmenden betrieblichen Übung. Dies ergibt die Auslegung des Verhaltens der Parteien.

18

1. Die vom Landesarbeitsgericht unterlassene - grundsätzlich den Tatsachengerichten vorbehaltene (st. Rspr., vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 23; 15. April 2014 - 3 AZR 435/12 - Rn. 18) - Auslegung des dem tatsächlichen Verhalten der Parteien zukommenden Erklärungswerts kann der Senat selbst vornehmen. Die für die Begründung einer Zahlungsverpflichtung der Beklagten erheblichen Tatsachen hat das Landesarbeitsgericht festgestellt. Die Vergütungspraxis der Beklagten ist zudem zwischen den Parteien unstreitig.

19

2. Von einer betrieblichen Übung ist bei regelmäßiger Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers auszugehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB)verstehen musste und durfte. Im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers ist zu ermitteln, ob die Belegschaft davon ausgehen musste, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte Zeit gewährt (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 317/09 - Rn. 20, BAGE 133, 337). Liegen die Voraussetzungen des § 151 Satz 1 BGB vor, wird allerdings nur die Verlautbarung der Vertragsannahme gegenüber dem Antragenden entbehrlich, nicht aber die Annahme als solche. Ein Schluss auf einen entsprechenden Annahmewillen ist jedoch gewöhnlich dann gerechtfertigt, wenn der Erklärungsempfänger ein für ihn lediglich vorteilhaftes Angebot nicht durch eine nach außen erkennbare Willensäußerung abgelehnt hat (BAG 15. Mai 2012 - 3 AZR 511/11 - Rn. 62).

20

3. Die Beklagte hat ihren Arbeitnehmern, jedenfalls soweit sie vor dem 1. November 2002 eingetreten sind (vgl. § 1 und § 19 BV 2008), seit 1. April 2003 differenziert nach Vergütungsgruppen und Altersstufen in der durch die Vergütungstabelle April 2003 ausgewiesenen Höhe eine um 1,7 % erhöhte Vergütung und darüber hinaus - berechnet aus der Summe von Grundvergütung, Ortszuschlag und allgemeiner Zulage - ein (erhöhtes) Weihnachtsgeld und eine Vergütungszulage gewährt.

21

Die Leistungen beruhten auf einem generalisierenden Prinzip, das hinsichtlich der Grundvergütung und der allgemeinen Zulage in der Vergütungstabelle April 2003 lediglich schriftlich festgehalten wurde. Die von der Beklagten geübte Praxis konnte von den Arbeitnehmern als Angebot gewertet werden, die Beklagte werde auch künftig Vergütung in entsprechender Höhe zahlen. Mit dem Bekanntwerden der allen vor dem 1. November 2002 eingetreten Arbeitnehmern gewährten Leistungen in Verbindung mit dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes wurde ein zurechenbarer objektiver Bindungswille der Beklagten deutlich (vgl. BAG 28. Mai 2008 - 10 AZR 274/07 - Rn. 23). Die Beklagte selbst behauptet nicht, die künftige Vergütungshöhe und deren Bestandteile seien nicht verbindlich oder nur unter Einschränkungen zugesagt worden. Die Arbeitnehmer sind den Entgelterhöhungen, die im Vergleich zu den bisher geltenden Entgeltsätzen für sie ausschließlich vorteilhaft waren, nicht entgegengetreten.

22

4. Der Entstehung eines Anspruchs aus betrieblicher Übung steht die in Nr. 11 des Arbeitsvertrags für Vertragsänderungen vereinbarte Schriftform nicht entgegen. Eine einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrags zu ihrer Gültigkeit der Schriftform bedürfen, kann formlos, ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten, abbedungen werden. Dies kann - wie hier - auch durch eine formfreie betriebliche Übung geschehen (BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 382/07 - Rn. 17 mwN, BAGE 126, 364; 15. Mai 2012 - 3 AZR 511/11 - Rn. 75). Entscheidend ist, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer das formlos Vereinbarte übereinstimmend wollen, selbst wenn sie nicht an die Formvorschrift gedacht haben (BAG 19. Dezember 2007 - 5 AZR 1008/06 - Rn. 20). Hierfür spricht vorliegend die tatsächliche Vertragsdurchführung.

23

II. Die Wirksamkeit der Vergütungsregelung ist, auch soweit diese vor dem 18. August 2006 begründet wurde, für den Streitzeitraum an den Bestimmungen des AGG vom 14. August 2006 zu messen.

24

1. Das AGG regelt nicht rückwirkend Sachverhalte, die bei Inkrafttreten des Gesetzes am 18. August 2006 bereits abgeschlossen waren (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72), es findet jedoch Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einer vor Inkrafttreten des AGG geschlossenen Vereinbarung beruht und der Sachverhalt bei Inkrafttreten des AGG noch nicht abgeschlossen war. § 33 Abs. 1 AGG enthält keine entgegenstehende Übergangsregelung. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung (vgl. BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 18, BAGE 133, 265; 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 12, BAGE 141, 73). Die von der Klägerin geltend gemachte Benachteiligung beruht zwar auf der Beibehaltung der bereits vor dem 1. April 2003 geltenden Altersstufen des § 6 RTV, auf deren Grundlage die Höhe der Grundvergütung, und damit auch der Sonntags- und Feiertagszuschläge, der Vergütungszulage, des Weihnachtsgelds sowie der Mehrarbeitsvergütungen, festgelegt wurde. Sie ist jedoch hinsichtlich der streitgegenständlichen Vergütungsansprüche erst nach dem Inkrafttreten des AGG eingetreten.

25

2. Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Hiergegen verstößt die Altersstufenregelung.

26

a) Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - Rn. 13).

27

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Diskriminierung wegen Alters vor. Dies ergibt die Auslegung von § 6 RTV, dessen Altersstufenregelung von der Beklagten als Bestandteil der betrieblichen Übung übernommen wurde.

28

aa) Die Stufenzuordnung knüpft in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Dies ergibt sich aus § 6 Abs. 3 RTV, wonach die erstmalige Einstufung in eine bestimmte Stufe einer Vergütungsgruppe allein anhand des Alters erfolgt. Hinsichtlich des Stufenaufstiegs stellen § 6 Abs. 4 und Abs. 5 RTV ebenfalls auf das Lebensalter ab, auch wenn die Zunahme des Lebensalters im bestehenden Arbeitsverhältnis mit einer höheren Betriebszugehörigkeit einhergeht. Ein älterer Arbeitnehmer mit geringer Betriebszugehörigkeit wird, auch wenn man die Regelungen in § 6 Abs. 4 und Abs. 5 RTV berücksichtigt, stets einer höheren Stufe zugeordnet als ein jüngerer Arbeitnehmer mit einer längeren Betriebszugehörigkeit.

29

bb) Arbeitnehmer wie die Klägerin, die die höchste Altersstufe nicht erreicht haben, werden wegen ihres Lebensalters unmittelbar benachteiligt. Ihnen stehen im Vergleich zu älteren Arbeitnehmern, die der höchsten Altersstufe zuzuordnen sind, die streitgegenständlichen Vergütungsbestandteile Grundvergütung, Vergütungszulage und Weihnachtsgeld ebenso wie Sonntags- und Feiertagszuschläge und Vergütung für geleistete Mehrarbeit in geringerer Höhe zu.

30

c) Die Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt. Eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung kann nach § 10 AGG unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig sein. § 10 Satz 1 AGG gestattet die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Jedoch müssen nach § 10 Satz 2 AGG die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Die Beklagte hat sich nicht auf Ziele berufen, die einen an das Alter anknüpfenden Stufenaufstieg rechtfertigen könnten. Wollte man annehmen, § 6 RTV ziele auf eine Berücksichtigung der Berufserfahrung, ginge die Regelung über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels erforderlich und angemessen ist. Ein Kriterium, das auf die Betriebszugehörigkeit oder die Berufserfahrung abstellte, wäre zur Erreichung dieses Ziels geeigneter (vgl. EuGH 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - Rn. 77, Slg. 2011, I-7965).

31

3. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch eine Verpflichtung der Beklagten, sie nach Vergütungsgruppe Vb Stufe 10 zu vergüten, beseitigt werden.

32

a) Nach § 7 Abs. 2 AGG führt ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Abs. 1 zur Unwirksamkeit der betreffenden Regelung. Kann die Benachteiligung nicht durch die Nichtanwendung der Regelung, sondern nur durch eine Anpassung „nach oben“ beseitigt werden, führt dies dazu, dass dem benachteiligten Arbeitnehmer ein Anspruch auf die vorenthaltene Leistung zuzuerkennen ist (BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 21, BAGE 140, 1; 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 30, BAGE 141, 73; 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

33

b) So verhält es sich hier. Die Beklagte kann den von der Altersstufenregelung begünstigten Arbeitnehmern für die Vergangenheit keine Leistungen entziehen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung kann bei Bestehen einer Diskriminierung, solange keine Regelungen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erfolgen, nur dadurch gewährleistet werden, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie den Angehörigen der privilegierten Gruppe. Die bestehende Regelung bleibt für die nicht benachteiligten Arbeitnehmer solange das einzig gültige Bezugssystem (vgl. EuGH 22. Juni 2011 - C-399/09 - Rn. 51; BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 31, BAGE 140, 1).

34

4. Die Beklagte kann keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen.

35

a) Die Wirksamkeit einer vertraglichen Vereinbarung richtet sich grundsätzlich nach dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Recht. Verbotsgesetze können bereits wirksam begründete Dauerschuldverhältnisse jedoch in der Weise erfassen, dass diese für die Zukunft („ex nunc“) nichtig werden. Das setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes die für die Zukunft eintretende Nichtigkeit erfordern. Gilt ein Verbotsgesetz ohne Übergangsregelung, erstreckt sich das Verbot auf alle Sachverhalte, die sich seit seinem Inkrafttreten in seinem Geltungsbereich verwirklichen. Der zeitliche Geltungsbereich wird nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72).

36

b) Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die mit der begrenzten Übergangsregelung in § 33 AGG einhergehende unechte Rückwirkung für Sachverhalte, die aus vor dem 18. August 2006 abgeschlossen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen resultieren, ist unter Beachtung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes zulässig.

37

aa) Die Anwendung der Bestimmungen des AGG auf die von der Klägerin für den Streitzeitraum geltend gemachten Vergütungsansprüche beinhaltet keine echte, sondern lediglich eine unechte Rückwirkung.

38

Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn sie in einen abgeschlossenen Sachverhalt nachträglich ändernd eingreift (BAG 27. März 2014 - 6 AZR 204/12 - Rn. 43, BAGE 147, 373). Um eine unechte Rückwirkung handelt es sich demgegenüber, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet. Das ist der Fall, wenn - wie hier - belastende Rechtsfolgen einer gesetzlichen Regelung erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits „ins Werk gesetzten“ Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“, vgl. BVerfG 7. Juli 2010 - 2 BvL 14/02 ua. - Rn. 55, BVerfGE 127, 1; BAG 27. März 2014 - 6 AZR 204/12 - Rn. 46, aaO).

39

bb) Unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig.

40

(1) Grenzen ihrer Zulässigkeit können sich allerdings aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergeben. Diese Grenzen sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung nicht geeignet oder erforderlich ist, um den Gesetzeszweck zu erreichen, oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen. Knüpft der Gesetzgeber für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte an, sind die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage abzuwägen. Der vom Gesetzgeber zu beachtende Vertrauensschutz geht nicht so weit, den normunterworfenen Personenkreis vor Enttäuschungen zu bewahren (BAG 27. März 2014 - 6 AZR 204/12 - Rn. 46, BAGE 147, 373). Die bloße allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde künftig unverändert fortbestehen, genießt keinen verfassungsrechtlichen Schutz, wenn keine besonderen Momente der Schutz-würdigkeit hinzutreten (vgl. BVerfG 7. Juli 2010 - 2 BvL 14/02 ua. - Rn. 57, BVerfGE 127, 1). Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die Wirksamkeit einer Regelung bestimmt sich ua. danach, inwieweit vorhersehbar war, dass diese als (unions-)rechtswidrig eingeordnet würde (vgl. BVerfG 10. Dezember 2014 - 2 BvR 1549/07 - Rn. 25).

41

(2) Nach diesen Maßstäben ist das von der Beklagten in ein Fortbestehen der Gesetzeslage und die Wirksamkeit der Altersstufenregelung nach § 6 RTV gesetzte Vertrauen nicht schutzwürdig. Der Zweck des AGG, in Umsetzung der RL 2000/78/EG Ungleichbehandlungen zu beseitigen, kann, wie bereits unter II. 3. ausgeführt, nur durch eine Anpassung der Vergütung der Klägerin nach oben erreicht werden. Die Richtlinie 2000/78/EG trat schon am 2. Dezember 2000 in Kraft und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Die Beklagte musste damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte die Beklagte nicht darauf vertrauen, die Altersstufenregelung des § 6 RTV könne, soweit sie jüngere Arbeitnehmer benachteiligt, nach Inkrafttreten des AGG Bestand haben(vgl. BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 32, BAGE 141, 73). Das Vertrauen der Beklagten ist auch nicht aufgrund des Scheiterns der im Jahr 2006 geführten Tarifverhandlungen schutzwürdig. Hierin hat sich lediglich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht. Ob die Erstreckung der in der BV 2008 vorgesehenen Übergangsregelungen über deren Geltungsbereich hinaus auf die vor dem 1. November 2002 eingetretenen Arbeitnehmer den Anforderungen von § 1 AGG genügt hätte(vgl. zur Zulässigkeit befristeter Übergangsregelungen EuGH 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - Rn. 99, Slg. 2011, I-7965) und unter Beachtung von § 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 und § 77 Abs. 3 BetrVG möglich gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben. Die Beklagte hat das von ihr behauptete und von der Klägerin bestrittene Überleitungsangebot und dessen Inhalt nicht dargelegt. Die Annahme eines solchen Angebots durch die Klägerin hätte zudem nicht zu einer Gleichbehandlung mit den von der bisherigen Altersstufenregelung begünstigten Arbeitnehmern führen können.

42

5. Eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten. Die Auslegung des den Vorschriften des AGG zugrunde liegenden unionsrechtlichen Verbots der Diskriminierung wegen des Alters ist durch die Entscheidung des Gerichtshofs vom 8. September 2011 in den Rechtssachen Hennigs und Mai (- C-297/10 und C-298/10 - Slg. 2011, I-7965) geklärt. Einer Vorabentscheidung zur Klärung der Frage, ob eine individuelle „Anpassung nach oben“ zwingend vorzunehmen ist, bedarf es ebenfalls nicht. Der Gerichtshof überlässt es in gefestigter Rechtsprechung den nationalen Gerichten, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht ergibt, zu gewährleisten und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu garantieren (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - Rn. 77, Slg. 2005, I-9981; 20. März 2003 - C-187/00 - Slg. 2003, I-2741). In Fällen dieser Art bedarf es keiner Vorlage an den EuGH (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - Rn. 53, Slg. 2010, I-365; BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 28, BAGE 145, 113).

43

6. Die Höhe der geschuldeten Differenzvergütung ist nach der von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellung des Landesarbeitsgerichts unstreitig. Auch die Wahrung der in § 19 RTV geregelten Ausschlussfrist durch die Klägerin steht zwischen den Parteien außer Streit.

44

7. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin zutreffend die geforderten Prozesszinsen ab dem Folgetag der jeweiligen Rechtshängigkeit der Klageforderungen zugesprochen, §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB(vgl. BAG 17. April 2012 - 3 AZR 280/10 - Rn. 27; 19. Februar 2014 - 5 AZR 1048/12 - Rn. 37).

45

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Buschmann    

        

    Feldmeier    

                 

In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten

1.
Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2.
Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3.
Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4.
grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5.
Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

(1) Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen; § 10 des Kündigungsschutzgesetzes gilt entsprechend.

(2) Erleiden Arbeitnehmer infolge einer Abweichung nach Absatz 1 andere wirtschaftliche Nachteile, so hat der Unternehmer diese Nachteile bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten auszugleichen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.

In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten

1.
Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2.
Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3.
Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4.
grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5.
Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2016 - 15 Sa 1953/15 - teilweise aufgehoben.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. Oktober 2015 - 57 Ca 3172/15 - wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Abweisung des Kündigungsschutzantrags zu 2. und des Antrags auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs richtet.

3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier Kündigungen und hilfsweise um einen Nachteilsausgleich.

2

Die einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Klägerin war bei der Beklagten als Angestellte im Bereich Check-In auf dem Flughafen B beschäftigt. Als Ersatzmitglied nahm sie im August 2014 Betriebsratstätigkeit wahr.

3

In der Vergangenheit hatte die G GmbH & Co. KG (GGB) sämtliche Vorfeld- und Passagedienstleistungen an den Flughäfen T und S erbracht. Im Zuge gesellschaftsrechtlicher Umorganisationen gliederte sie den Geschäftsbereich Passage aus. Die betreffenden Arbeitsverhältnisse - darunter das der Klägerin - gingen im Mai 2012 im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Diese spaltete ihren Betrieb im Jahr 2014 in die Betriebsteile T und S auf und übertrug den Bereich der Passagierabfertigung des Betriebsteils S auf eine neu gegründete Gesellschaft. Die Arbeitsverhältnisse der am Flughafen T beschäftigten Arbeitnehmer verblieben überwiegend bei der Beklagten, die zuletzt etwa 190 Arbeitnehmer beschäftigte.

4

Einzige Auftraggeberin sowie einzige Kommanditistin und in der Gesellschafterversammlung allein stimmberechtigte Gesellschafterin der Beklagten ist die GGB. Deren Kommanditanteile wurden von einem Unternehmen der sog. W-Gruppe gehalten.

5

Auf die Arbeitsverhältnisse mit der GGB fanden zunächst deren Vergütungstarifverträge Anwendung. Im September 2013 traten allgemeinverbindliche Tarifverträge für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg in Kraft, die deutlich niedrigere Entgelte vorsahen. Für die von der GGB übernommenen Altbeschäftigten vereinbarte die Beklagte einen Überleitungstarifvertrag, der einen Ausgleich der Differenzvergütung über eine Besitzstandszulage vorsieht.

6

Im September 2014 kündigte die GGB sämtliche der Beklagten erteilten Aufträge spätestens zum 31. März 2015. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten wies daraufhin den Geschäftsführer der Komplementärin an, alle zur Vorbereitung einer Betriebsstilllegung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die GGB vergab die gekündigten Aufträge, so sie weiter ausgeführt wurden, an andere, überwiegend der sog. W-Gruppe zugehörige Gesellschaften.

7

Die Beklagte unterrichtete den Betriebsrat mit Schreiben vom 22. September 2014 über die geplante Betriebsstilllegung. Nach ergebnislosen Verhandlungen über einen Interessenausgleich vereinbarten die Betriebsparteien in einem gerichtlichen Vergleich die Einsetzung einer Einigungsstelle über den Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans. Weiter kamen sie überein, zu einer der ersten beiden Sitzungen der Einigungsstelle solle ein Vertreter der Bundesagentur für Arbeit „eingeladen“ werden.

8

Die Einigungsstelle tagte im November und Dezember 2014 an vier Terminen. In einem an den Einigungsstellenvorsitzenden gerichteten Anwaltsschreiben vom 15. Dezember 2014 beanstandete der Betriebsrat das Fehlen von Informationen zu den wirtschaftlichen und sozialen Gründen für die beabsichtigte Betriebsänderung. Insbesondere müsse die Beklagte anhand von Unterlagen die „konzerninterne Kalkulation“ gegenüber den von den Fluggesellschaften vergebenen Aufträgen offenlegen. Die Beklagte erteilte die verlangten Auskünfte nicht. In der Einigungsstellensitzung am 18. Dezember 2014 erklärten ihre Vertreter die Interessenausgleichsverhandlungen für gescheitert. Ein Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit war zu diesen nicht hinzugezogen worden.

9

In einem mit „Information nach § 17 Abs. 2 KSchG“ bezeichneten Schreiben der Beklagten an den Betriebsrat vom 2. Januar 2015 heißt es ua.:

        

„Im Rahmen der Verhandlungen und insbesondere im Rahmen der Einigungsstelle haben wir ja bereits über die Möglichkeiten zur Vermeidung von Entlassungen mit Ihnen beraten, insbesondere die Möglichkeit der Errichtung einer Transfergesellschaft. (…) Wir freuen uns, die Beratungen über die Vermeidung von Entlassungen an dieser Stelle fortsetzen zu können. Gerne stehe ich natürlich auch für Beratungen außerhalb der Einigungsstelle zur Verfügung.“

10

Der Betriebsrat antwortete mit Schreiben vom 14. Januar 2015:

        

„... die Folgen für die Belegschaft werden noch in der Einigungsstelle beraten, so dass wir Sie bitten, von der Massenentlassungsanzeige zunächst abzusehen. Außerdem verweisen wir auf die Stellungnahme von RA (…) vom 15.12.2014 an den Einigungsstellenvorsitzenden, die wir vorsorglich nochmals beifügen. ...“

11

Nach weiteren Verhandlungen beschloss die Einigungsstelle am 21. Januar 2015 mit Stimmenmehrheit einen Sozialplan sowie die Einrichtung einer Transfergesellschaft.

12

Die Gesellschafterversammlung der Beklagten entschied am 20. Januar 2015, den Betrieb zum 31. März 2015 stillzulegen. Die Beklagte erstattete am 28. Januar 2015 inhaltsgleiche Massenentlassungsanzeigen bei den Agenturen für Arbeit in C und B. Diesen waren weder das Schreiben des Betriebsrats vom 14. Januar 2015 noch das seines anwaltlichen Beraters vom 15. Dezember 2014 beigefügt. Zur „Beteiligung des Betriebsrats“ führte die Beklagte aus:

        

„Mit dem bei der A gebildeten Betriebsrat wurden Interessensausgleichs- und Sozialplanverhandlungen geführt. Weiterhin wurde der Betriebsrat noch einmal gesondert mit dem beigefügten Schreiben vom 2. Januar 2015 gemäß § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet. …

        

Eine gesonderte Stellungnahme hat der Betriebsrat nicht abgegeben. Im Rahmen der Sozialplanverhandlungen wurde jedoch mit dem Betriebsrat am 13., 16. und 21. Januar 2015 über die Einrichtung einer Transfergesellschaft iSd. § 111 SGB III verhandelt. Das Einigungsstellenverfahren wurde am 21. Januar 2015 beendet (…). Weitere, gesonderte Beratungen hat der Betriebsrat nicht verlangt.“

13

Die Beklagte erklärte anschließend im Januar und Februar 2015 nach Anhörung des Betriebsrats die ordentliche Kündigung aller Arbeitsverhältnisse. Dasjenige der Klägerin kündigte sie nach Zustimmung des Integrationsamts mit Schreiben vom 13. Februar 2015 zum 31. Juli 2015.

14

Nachdem mehrere Kammern des Arbeitsgerichts die Kündigungen dieser ersten „Welle“ unter Hinweis auf Mängel im Verfahren nach § 17 KSchG für nichtig erklärt hatten, beschloss die Beklagte, vorsorglich erneut Kündigungen auszusprechen. Sie unterrichtete den Betriebsrat mit einem durch Telefax übermittelten Schreiben vom 10. Juni 2015 gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Am 12. Juni 2015 leitete sie gegenüber dem Betriebsrat die Verfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG ein. Dabei teilte sie jeweils mit, dass es bei der Betriebsstilllegung verbleiben solle. Der Betriebsrat dankte mit Telefax vom 12. Juni 2015 für die Information nach § 17 Abs. 2 KSchG und unterbreitete am 17. Juni 2015 Vorschläge zur Vermeidung von Entlassungen. Hierzu erstellte die Beklagte eine Präsentation, auf deren Grundlage am 24. Juni 2015 Beratungen mit einer vom Betriebsrat entsandten „Verhandlungskommission“ stattfanden. Eine Einigung über die „Wiedereröffnung“ des Betriebs wurde nicht erzielt. Die Beklagte übermittelte der Betriebsratsvorsitzenden auf deren Wunsch noch am gleichen Tag die Präsentation und gab Gelegenheit, sich bis um 18:00 Uhr des Folgetags zu erklären. Die Betriebsratsvorsitzende erwiderte mit Schreiben vom 25. Juni 2015, das Gremium werde auf der Grundlage der Erörterungen in seiner nächster Sitzung am 30. Juni 2015 unverzüglich und abschließend Stellung nehmen. Die Mitglieder der Verhandlungskommission hätten nichts zu ergänzen und hofften, auf der Basis ihrer am Vortag geäußerten Informationswünsche, in einem neuen Termin „inhaltlich weiterzukommen“. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 26. Juni 2015, sie sehe keine Grundlage für ernsthafte Gespräche über die Wiedereröffnung des Betriebs und habe sich deshalb entschlossen, die Kündigungen zu wiederholen. Am gleichen Tag reichte sie übereinstimmende Massenentlassungsanzeigen bei den Agenturen für Arbeit in C und B ein. Darin teilte sie mit, dass sich der „offizielle Betriebssitz“ in S befunden habe, während der überwiegende Teil der Arbeitnehmer vor der Betriebsstilllegung am Flughafen T beschäftigt gewesen sei. Nach einer internen Abstimmung der Agenturen für Arbeit traf wiederum diejenige in C die Entscheidung gemäß §§ 18, 20 KSchG.

15

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 15. Juli 2015 nach erneuter Zustimmung des Integrationsamts das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. Januar 2016.

16

Die Klägerin hat sich mit der vorliegenden Klage rechtzeitig gegen die Kündigungen vom 13. Februar und 15. Juli 2015 gewandt. Beide Kündigungen seien sozial nicht gerechtfertigt. Die Entscheidung, den Betrieb stillzulegen, sei rechtsmissbräuchlich. Die Stilllegung habe den von langer Hand geplanten Versuch dargestellt, sich der „teuren“ Altbeschäftigten zu entledigen. Die Aufträge der Fluggesellschaften seien lediglich innerhalb der „W-Gruppe“ verschoben worden. Die Beklagte habe vor Ausspruch der Kündigung vom 13. Februar 2015 keine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige erstattet. Der Kündigung vom 15. Juli 2015 seien weder eine korrekte Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG noch ein gesetzmäßiges Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG vorausgegangen. Der Betriebsrat sei zu keiner Zeit ausreichend über die Gründe für die geplanten Entlassungen unterrichtet worden. Die in der Massenentlassungsanzeige enthaltenen Angaben zum Betriebssitz seien unzutreffend. Falls sich eine der Kündigungen als wirksam erweisen sollte, habe sie - die Klägerin - zumindest Anspruch auf einen Nachteilsausgleich. Die Beklagte habe den Betriebsrat nicht rechtzeitig und nur unzureichend informiert, sich entgegen dem geschlossenen Vergleich nicht auf einen Vermittlungsversuch durch die Bundesagentur für Arbeit eingelassen und die Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs vorzeitig abgebrochen.

17

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 13. Februar 2015 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 15. Juli 2015 nicht aufgelöst worden ist;

        

3.    

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit einem der Kündigungsschutzanträge die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - als Schadensersatz gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG, §§ 9, 10 KSchG einen Betrag zu zahlen, der in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 27.600,00 Euro nicht unterschreiten sollte.

18

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Beide Kündigungen seien sozial gerechtfertigt und auch sonst wirksam. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf einen Nachteilsausgleich.

19

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht beiden Kündigungsschutzanträgen stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

20

Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Zwar hat das Landesarbeitsgericht die Kündigung vom 13. Februar 2015 im Ergebnis zu Recht für nichtig erachtet (A.). Rechtsfehlerhaft hat es jedoch auch die Kündigung vom 15. Juli 2015 als unwirksam angesehen (B.). Da diese Kündigung wirksam ist, fällt der Antrag auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs zur Entscheidung an. Ein solcher Anspruch besteht nicht (C.). Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedurfte es nicht (D.).

21

A. Der Kündigungsschutzantrag zu 1. ist begründet. Die Kündigung vom 13. Februar 2015 hat das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht aufgelöst. Die Beklagte hat vor Ausspruch dieser Kündigung keine den Anforderungen aus § 17 Abs. 3 KSchG genügende Massenentlassungsanzeige erstattet. Das führt zur Nichtigkeit der Kündigung gemäß § 134 BGB. Deshalb stellt sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Kündigungsschutzantrag zu 1. zumindest im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO). Ob weitere Unwirksamkeitsgründe vorlagen, bedarf keiner Entscheidung.

22

I. Die von der Beklagten beabsichtigten Entlassungen waren gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG anzeigepflichtig. Es sollten die Arbeitsverhältnisse aller verbliebenen 188 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen gekündigt werden. Die Pflicht zur Durchführung des Konsultationsverfahrens und zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, den Betrieb stillzulegen (BAG 26. Februar 2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 14, BAGE 151, 83).

23

II. Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG hat der Arbeitgeber, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG verpflichtet ist, der Agentur für Arbeit Entlassungen anzuzeigen, seiner schriftlichen Anzeige die Stellungnahme des Betriebsrats „zu den Entlassungen“ beizufügen. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ist die Massenentlassungsanzeige auch dann wirksam erfolgt, wenn zwar keine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vorliegt, der Arbeitgeber aber glaubhaft macht, dass er das Gremium mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterrichtet hat, und er gleichzeitig den Stand der Beratungen darlegt.

24

III. Die Massenentlassungsanzeige soll es der Agentur für Arbeit ermöglichen, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens zum Aufschub von Belastungen des Arbeitsmarkts einzuleiten und für anderweitige Beschäftigung der Betroffenen zu sorgen. Zu diesem Zweck soll durch die Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats oder - ersatzweise - die Darlegung des Beratungsstands die Durchführung und ggf. das Ergebnis des Konsultationsverfahrens dokumentiert werden. Die Arbeitsverwaltung soll beurteilen können, ob die Betriebsparteien auf der Grundlage ausreichender Informationen tatsächlich über die geplanten Massenentlassungen und insbesondere deren Vermeidung beraten haben (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 53, BAGE 142, 202). Daneben soll sie Kenntnis von einer - eventuell dem Arbeitgeber ungünstigen - Sichtweise des Betriebsrats erlangen (BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 44, BAGE 144, 366; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 21 f.). Dementsprechend ist eine Massenentlassungsanzeige unwirksam, wenn der Arbeitgeber ihr eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht beifügt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG) bzw. er Darlegungen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG unterlässt oder doch den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat in einer Weise irreführend darstellt, die geeignet ist, eine für ihn - den Arbeitgeber - günstige Entscheidung der Behörde zu erwirken.

25

IV. Die Massenentlassungsanzeige der Beklagten genügt weder den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG noch denen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG.

26

1. Die Beklagte konnte ihrer Massenentlassungsanzeige keine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG beifügen. Dieser hat mit seinem Schreiben vom 14. Januar 2015 nebst Anlage gerade nicht erklärt, er betrachte seinen Beratungsanspruch als erfüllt.

27

2. Auch die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG lagen nicht vor.

28

a) Zwar war die Beklagte nach dieser Vorschrift nicht gehalten, der Agentur für Arbeit das Schreiben des Betriebsrats vom 14. Januar 2015 nebst Anlage vorzulegen. Der Stand der Beratungen ist lediglich darzulegen. Das kann auch in eigenen Worten geschehen. Gegebenenfalls muss sogar eine eigene Darstellung durch den Arbeitgeber erfolgen, etwa wenn der Betriebsrat sich gar nicht geäußert hat oder die Agentur für Arbeit mit einem unübersichtlichen Konglomerat von Unterlagen konfrontiert wird und versuchen müsste, hieraus den letzten Beratungsstand abzuleiten.

29

b) Die Beklagte hat durch ihre Darlegungen zum Stand der Beratungen einen falschen - potenziell für sie günstigen - Eindruck von der Einschätzung des Betriebsrats vermittelt.

30

aa) Ihre Behauptung, der Betriebsrat habe auf die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG keine „gesonderte Stellungnahme“ abgegeben, traf nicht zu. Das Gremium hatte mit Schreiben vom 14. Januar 2015 geantwortet und dabei auf das Schreiben seines anwaltlichen Vertreters vom 15. Dezember 2014 verwiesen. Zwar hatte jener darin gegenüber dem Vorsitzenden der Einigungsstelle moniert, die Beklagte habe die - vermeintlich - für Verhandlungen über einen Interessenausgleich nach §§ 111, 112 BetrVG erforderlichen Informationen nicht erteilt. Jedoch hat der Betriebsrat diesen Einwand durch die erneute Vorlage des Schreibens gleichsam aktualisiert und ihn auf die aus seiner Sicht unerlässlichen Grundlagen für ein nunmehr durchzuführendes Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG bezogen. Er hat die Beklagte wissen lassen, dass er nach wie vor die Grundvoraussetzungen für zielführende Verhandlungen über die Vermeidung oder doch Einschränkung von Entlassungen nicht als erfüllt ansehe, weil ihm aus seiner Sicht unverzichtbare Informationen fehlten. Während der Betriebsrat damit Beratungen über die Vermeidung oder Einschränkung von Entlassungen gerade angestrebt, solche aber angesichts eines Mangels an Informationen für unmöglich erachtet hat, hat die Beklagte der Agentur für Arbeit mitgeteilt, der Betriebsrat habe „weitere, gesonderte Beratungen“ über die Vermeidung oder Einschränkungen von Entlassungen „nicht verlangt“. Danach musste die Arbeitsverwaltung annehmen, auch der Betriebsrat halte es für ausgeschlossen, Entlassungen zu vermeiden oder zumindest einzuschränken, und meine ebenfalls, es könne allein um die für die Agentur für Arbeit allerdings nicht bedeutsame (§ 17 Abs. 3 Satz 1 und Satz 4 KSchG)Milderung ihrer Folgen gehen.

31

bb) Die in seinem Schreiben vom 14. Januar 2015 nebst Anlage geäußerte Ansicht des Betriebsrats kennzeichnete, was das von § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG vorrangig verfolgte Ziel der Vermeidung oder zumindest der Einschränkung von Entlassungen anbelangt, entgegen der Auffassung der Revision auch noch den „letzten“ Stand der Beratungen. Über beide Primärziele wurde - bis ultimo - deshalb überhaupt nicht verhandelt, weil der Betriebsrat meinte, hierfür fehle es schon an den für ihn erforderlichen Informationsgrundlagen.

32

cc) Irrelevant ist, ob das Auskunftsverlangen des Betriebsrats aus Sicht der Beklagten berechtigt war oder ob das Gremium die betreffenden Informationen tatsächlich beanspruchen durfte. Es widerspräche dem Gesetzeszweck, dem Arbeitgeber das Recht zuzubilligen, vorweg zu bewerten, ob eine Äußerung des Betriebsrats für die Prüfung der Arbeitsverwaltung relevant ist. Zudem bleibt es regelmäßig - so auch hier - Spekulation, ob die Agentur für Arbeit in Kenntnis der Sichtweise des Betriebsrats andere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen eingeleitet hätte (BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 64). Die Interessen des Arbeitgebers sind dadurch ausreichend gewahrt, dass er der Arbeitsverwaltung seine gegenteilige Rechtsauffassung mitteilen kann.

33

3. Der in dem Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG liegende Mangel ist durch den - die wirksame Erstattung der Massenentlassungsanzeige bestätigenden - Bescheid der Agentur für Arbeit C vom 10. Februar 2015 nicht geheilt worden (BAG 26. Februar 2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 42, BAGE 151, 83). Der Fehler in der Anzeige führt nach § 134 BGB zur Nichtigkeit der Kündigung vom 13. Februar 2015.

34

V. Nach alledem bedarf es keiner Entscheidung, ob die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung vom 13. Februar 2015 das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG ordnungsgemäß durchlaufen hat. Insbesondere muss nicht der Frage nachgegangen werden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Konsultationsanspruch des Betriebsrats durch Verhandlungen in einer Einigungsstelle erfüllt werden kann.

35

B. Der Kündigungsschutzantrag zu 2. ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 15. Juli 2015 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 26 Abs. 2 des maßgeblichen MTV mit Ablauf des 31. Januar 2016 aufgelöst.

36

I. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung vom 15. Juli 2015 nicht für nach § 134 BGB nichtig erachten. Die Beklagte hat das gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG erneut erforderliche Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG korrekt durchlaufen.

37

1. Das Konsultationsverfahren ist vor Folgekündigungen ua. dann noch einmal durchzuführen, wenn - wie hier - abermals ein Massenentlassungstatbestand vorliegt und (noch) eine beteiligungsfähige Arbeitnehmervertretung besteht (BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 20, BAGE 134, 176). Der bei der Beklagten errichtete Betriebsrat hatte nach der zum 31. März 2015 erfolgten Betriebsstilllegung ein Restmandat gemäß § 21b BetrVG. Dieses erstreckte sich auf alle mit der Stilllegung in funktionalem Zusammenhang stehenden betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte (BAG 24. September 2015 - 2 AZR 562/14 - Rn. 64, BAGE 152, 345). Zu diesen gehören auch die Beteiligungsrechte aus § 17 Abs. 2 KSchG. Das Konsultationsverfahren stellt trotz seiner normativen Verortung im Kündigungsschutzgesetz ein betriebsverfassungsrechtlich geprägtes Verfahren dar (ErfK/Kiel 16. Aufl. § 17 KSchG Rn. 9).

38

2. Die Beklagte hat das Konsultationsverfahren rechtzeitig eingeleitet. Den vorsorglich ins Auge gefassten Kündigungen der zweiten „Welle“ lag ihre Absicht zugrunde, es bei der zum 31. März 2015 erfolgten Betriebsstilllegung zu belassen. In diesem Planungsstadium genügte es, das Konsultationsverfahren vor Ausspruch der das Festhalten an dem Stilllegungsentschluss exekutierenden - zweiten - Kündigungen einzuleiten (EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Keskusliitto] Rn. 38, 41 und 49, Slg. 2009, I-8163). Die Beklagte musste nicht etwa zunächst den Betrieb „wieder eröffnen“. Die auf die Stilllegungsentscheidung zurückgehenden Kündigungen der ersten „Welle“ waren aufgrund der Fehlerhaftigkeit der diesbezüglichen Massenentlassungsanzeige nichtig. Den Zwecken des § 17 KSchG und der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (- MERL -, ABl. EG L 225 vom 12. August 1998 S. 16) war insoweit genügt.

39

3. Die Beklagte hat das Konsultationsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet.

40

a) Sie hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 10. Juni 2015 vollständig nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Nr. 1 bis 6 KSchG unterrichtet und ihn zu Beratungen gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG aufgefordert. Die Beklagte hat dem Betriebsrat insbesondere die „Gründe für die geplanten Entlassungen“ mitgeteilt. Dafür genügte die Angabe, dass nicht beabsichtigt sei, den stillgelegten Betrieb wieder aufzunehmen. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner gegenteiligen Entscheidung zum einen nicht auf den maßgeblichen Planungsstand vor Ausspruch der Kündigungen der zweiten „Welle“ abgestellt. Zum anderen hat es nicht zwischen der Unterrichtung über die „Gründe für die geplanten Entlassungen“ iSv. § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Nr. 1 KSchG (Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL) und der Erteilung von „zweckdienlichen Auskünften“ iSv. § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 KSchG (Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a MERL) unterschieden.

41

b) Die Übermittlung des Schreibens vom 10. Juni 2015 durch Telefax genügt den in § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG bestimmten Anforderungen.

42

aa) Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat die Auskünfte nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Nr. 1 bis 6 KSchG „schriftlich“ zu erteilen. Die Unterrichtung muss entgegen einer im Schrifttum - weitgehend begründungslos - vertretenen Auffassung (APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 70; AR/Leschnig 7. Aufl. § 17 KSchG Rn. 29; BDDH/Boemke § 17 KSchG Rn. 82; DHSW/Bufalica/Braun 3. Aufl. § 17 KSchG Rn. 7; ErfK/Kiel 16. Aufl. § 17 KSchG Rn. 23; HaKo/Pfeiffer 5. Aufl. § 17 KSchG Rn. 49; LSW/Wertheimer 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 48; MüKoBGB/Hergenröder 6. Aufl. § 17 KSchG Rn. 38; SES/Schrader § 17 KSchG Rn. 52; v. Hoyningen-Huene in vHH/L 15. Aufl. § 17 KSchG Rn. 63) nicht den Anforderungen des § 126 BGB genügen. Die Wahrung der Textform entsprechend § 126b BGB reicht aus(EUArbR/Spelge RL 98/59/EG Art. 2 Rn. 11; Krieger/Ludwig NZA 2010, 919, 922; Schaub/Linck 16. Aufl. § 142 Rn. 15; TLL/Lembke/Oberwinter § 17 KSchG Rn. 84; offengelassen zuletzt von BAG 9. Juni 2016 - 6 AZR 405/15 - Rn. 27; 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 55 ff., BAGE 143, 150).

43

bb) Die sich aus § 126 BGB ergebenden formellen Anforderungen können auf die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KSchG schon deshalb keine direkte Anwendung finden, weil § 126 BGB nicht unmittelbar für geschäftsähnliche Erklärungen gilt(BAG 10. Mai 2016 - 9 AZR 145/15 - Rn. 17). Um eine solche handelt es sich aber bei der Unterrichtung des Betriebsrats über die in § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Nr. 1 bis 6 KSchG bezeichneten Tatsachen. Diese ist nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge kraft rechtsgeschäftlichen Willens gerichtet (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 44).

44

cc) Eine analoge Anwendung von § 126 BGB ist nicht geboten. Der Zweck des § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KSchG und die Interessenlage der Beteiligten verlangen nicht die Übermittlung eines vom Arbeitgeber eigenhändig unterzeichneten Schriftstücks an den Betriebsrat.

45

(1) Die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KSchG soll es der Arbeitnehmervertretung ermöglichen, konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, um die geplante Massenentlassung zu verhindern oder einzuschränken (EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Keskusliitto] Rn. 51 und 64, Slg. 2009, I-8163). Der Betriebsrat muss die gesetzlich vorgesehenen Angaben auf Vollständigkeit, inhaltlichen Abschluss und Urheberschaft prüfen können. Daneben müssen die übermittelten Informationen für ihn dauerhaft verfügbar sein. Diese Möglichkeiten werden durch eine Übermittlung in Textform entsprechend § 126b BGB gewährleistet(BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 46). Damit wird auch die Einhaltung der dem Arbeitgeber obliegenden Pflicht, der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung zuzuleiten (§ 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG), nicht beeinträchtigt.

46

(2) Demgegenüber bedeutete das Erfordernis einer Übermittlung des Unterrichtungsschreibens mit Originalunterschrift keinerlei funktionalen, normzweckbezogenen Mehrwert, sondern stellte sich vielmehr als unangemessen und verkehrserschwerend dar. Der Arbeitgeber muss nicht vor den Folgen einer „überhasteten“ Verfahrenseinleitung gewarnt werden. Kein Beteiligter oder Dritter hat ein ernsthaftes Interesse an einer Fälschung des Unterrichtungsschreibens (hierzu Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr BT-Drs. 14/4987 S. 18 f.). Die Wahrung der Schriftform analog § 126 BGB ist auch nicht erforderlich, damit der Betriebsrat oder die betroffenen Arbeitnehmer ein zuverlässiges Beweismittel erhalten. Im Streitfall muss der Arbeitgeber beweisen, dass die Unterrichtung mit einem bestimmten Inhalt dem Betriebsrat zugegangen ist.

47

dd) Das Unionsrecht gibt in Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL keine strengeren Formanforderungen vor. Dies kann der Senat ohne Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV entscheiden. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist geklärt, dass der Bedeutungsgehalt des Begriffs „schriftlich“ in Rechtsakten der Union - wie im nationalen Recht - in Bezug auf die Zwecke der betreffenden Vorschrift zu bestimmen ist (EuGH 29. April 1982 - C-66/81 - Rn. 19 ff. [Pommerehnke]) und die Übersendung eines Schriftstücks per Telefax ausreicht, wenn es - wie hier - vorrangig um eine verkörperte Dokumentation für den Empfänger geht (EuGH 24. Januar 2002 - C-170/00 - Rn. 29 und 34, Slg. 2002, I-1007).

48

ee) Hiernach kann dahinstehen, ob der Betriebsrat, dem allein die Rechte auf Information und Konsultation aus Art. 2 MERL zustehen(EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 38, Slg. 2009, I-6653), auf den Zugang eines Unterrichtungsschreibens mit Originalunterschrift verzichten könnte und ob er dies vorliegend durch sein Schreiben vom 12. Juni 2015 getan hat.

49

4. Die Beklagte hat mit dem Betriebsrat ausreichend gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG beraten.

50

a) Der Arbeitgeber unterliegt im Konsultationsverfahren keinem Einigungszwang. Es reicht aus, wenn er mit dem ernstlichen Willen zur Einigung in die Verhandlungen mit dem Betriebsrat geht (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 57, BAGE 142, 202) und ggf. bereit ist, dessen abweichende Vorschläge ins Kalkül zu ziehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen (EUArbR/Spelge RL 98/59/EG Art. 2 Rn. 22). Dem steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber die Vermeidung oder Einschränkung von Entlassungen von bestimmten Bedingungen abhängig macht. Auch eine absolute Verhandlungs(mindest)dauer ist weder nach nationalem noch nach Unionsrecht vorgeschrieben (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 693/06 - Rn. 42). Die Konsultationen sind ohne Einigung der Betriebsparteien beendet, wenn der Arbeitgeber annehmen darf, es bestehe kein Ansatz für weitere, zielführende Verhandlungen (BAG 26. Februar 2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 29, BAGE 151, 83). Dem Arbeitgeber kommt in diesem Rahmen eine Beurteilungskompetenz zu, wann er den Beratungsanspruch des Betriebsrats als erfüllt ansieht. Das setzt indes voraus, dass er dem Betriebsrat zuvor alle zweckdienlichen Auskünfte iSd. § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 KSchG erteilt hat, wobei es sich nach dem Verlauf der Beratungen richtet, welche Angaben des Arbeitgebers - noch oder nunmehr - als zweckdienlich anzusehen sind (EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Keskusliitto] Rn. 53, Slg. 2009, I-8163).

51

b) Hiernach hat die Beklagte in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise mit dem Betriebsrat beraten.

52

aa) Es ist nicht ersichtlich, dass sie nicht mit dem ernstlichen Willen zur Einigung in die Verhandlungen gegangen wäre. Daraus, dass es schon eine erste „Kündigungswelle“ gegeben hatte und bereits ein Sozialplan in Bezug auf die betreffende Betriebsänderung aufgestellt worden war, folgt nicht, eine „Wiedereröffnung“ des Betriebs sei unter allen Umständen ausgeschlossen und die konkreten Kündigungen seien ohnehin beschlossene Sache gewesen, die es nurmehr abzuwickeln galt (BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 18, BAGE 144, 366). Der - zumal vom Betriebsrat angefochtene - Einigungsstellenspruch über den Sozialplan wäre bei gänzlicher Vermeidung von Entlassungen hinfällig gewesen und im Umfang einer Einschränkung der Entlassungen nicht zum Zuge gekommen.

53

bb) Die Beklagte durfte die Möglichkeit einer Wiedereröffnung des Betriebs von der zeitnahen und rechtssicheren Absenkung der Vergütung ihrer Beschäftigten auf das Niveau des Flächentarifvertrags abhängig machen. Diese „Grundbedingung“ hatte sie dem Betriebsrat bereits in ihrem Unterrichtungsschreiben vom 10. Juni 2015 mitgeteilt und ihm damit zugleich alle seinerzeit zweckdienlichen Auskünfte iSv. § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 KSchG erteilt. Weiterer Informationen bedurfte es solange nicht, wie der Betriebsrat nicht signalisiert hatte, dass er sich für die Erfüllung dieser Bedingung einsetzen werde. Der Geschäftsbetrieb der Beklagten war zum Zeitpunkt der Einleitung des (zweiten) Konsultationsverfahrens im Juni 2015 bereits stillgelegt; alle Aufträge waren spätestens zum 31. März 2015 gekündigt worden. Gegenstand der durch den Betriebsrat initiierten Überlegungen der Beklagten konnte vor diesem Hintergrund nur sein, ob es ihr gelingen könnte, kurzfristig neue Aufträge zu erhalten. Dieses Ziel war von der Entwicklung ihrer Personalkosten abhängig. Deren Höhe hatte maßgeblichen Einfluss auf den Preis, zu dem sie künftig ihre Dienstleistungen im Wettbewerb mit anderen Gesellschaften innerhalb und außerhalb der sog. W-Gruppe hätte anbieten können.

54

cc) Die Beklagte musste dem Betriebsrat weder bei der Einleitung des Verfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG noch in dessen weiterem Verlauf Angaben zur „konzerninternen Kalkulation“ der zum 31. März 2015 gekündigten Aufträge übermitteln. Dabei kann - wozu es an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlt - zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass zumindest ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die Beklagte ausüben konnte und diese - unabhängig davon, ob es dessen bedurfte - sogar eine gesellschaftsrechtlich abgesicherte Möglichkeit hatte, die betreffenden Informationen von dem anderen Unternehmen zu erlangen. Jedenfalls ist - was Voraussetzung für die Anwendung von Art. 2 Abs. 4 MERL bzw. § 17 Abs. 3a KSchG wäre(EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Keskusliitto] Rn. 43, Slg. 2009, I-8163) - weder festgestellt noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte nicht allein darüber entscheiden konnte, ob sie sich - auf der Grundlage ihres gegenwärtigen Personalkostenniveaus - an weiteren Ausschreibungen von Fluggesellschaften oder anderen Auftragnehmern beteiligen, eine (Unter-)Vergabe von bereits erteilten Aufträgen durch Unternehmen der sog. W-Gruppe erwarten oder - angesichts der nach der Betriebsstilllegung schon aufgelaufenen Personalkosten - von einer Wiedereröffnung ihres Geschäftsbetriebs absehen wollte. Ebenso fehlen Anhaltspunkte, aus denen auf eine die Beklagte bindende Vorgabe für die Durchführung der vorsorglichen Kündigungen geschlossen werden könnte. Vor diesem Hintergrund waren die vom Betriebsrat als Vorbedingung für weitere Verhandlungen geforderten Angaben zur „konzerninternen Kalkulation“ im Streitfall nicht zweckdienlich iSd. § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 KSchG (Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a MERL).

55

dd) Die Beratungen sind nicht deshalb unzureichend gewesen, weil die Betriebsparteien lediglich am 24. Juni 2015 Verhandlungen geführt haben. Die Beklagte musste auch nicht die in Aussicht gestellte Stellungnahme des Betriebsratsgremiums abwarten und ggf. anschließend die Beratungen in einem weiteren Termin fortsetzen.

56

(1) Die Beklagte hat sich - auf der Grundlage ihrer Präsentation vom 23. Juni 2015 - in dem Beratungstermin eingehend mit den Vorschlägen des Betriebsrats auseinandergesetzt. Da dieser unverändert die Übermittlung von „konzerninternen Kalkulationen“ als Vorbedingung für weitere Verhandlungen verlangte, durfte sie davon ausgehen, dass keine weiteren Ansätze für zielführende Verhandlungen bestanden.

57

(2) An dieser Einschätzung konnte die Beklagte nach dem Schreiben der Betriebsratsvorsitzenden vom 25. Juni 2015 festhalten. Dieses bot der Beklagten keinen Anhalt dafür, dass ihre Grundbedingung doch noch zeitnah erfüllt werden könnte. Eine Änderung des bisher vom Betriebsrat eingenommenen Standpunkts ist aus dem Schreiben nicht ansatzweise ersichtlich. Vielmehr wird darin ua. auf der Erfüllung der geltend gemachten Informationsansprüche beharrt.

58

(3) Die Beklagte musste die ihr für den 30. Juni 2015 in Aussicht gestellte Sitzung des gesamten Betriebsratsgremiums nicht abwarten.

59

(a) Die Beklagte hatte den Betriebsrat mit ihrem Schreiben vom 10. Juni 2015 über die geplanten Maßnahmen unterrichtet. Die am 24. Juni 2015 erfolgten Verhandlungen sind mit den vom Betriebsrat entsandten Vertretern geführt worden. Diese haben an den zuvor geäußerten Grundbedingungen für weitere Verhandlungen nach § 17 Abs. 2 KSchG festgehalten. Ihre Erklärungen durfte die Beklagte als die Position des Betriebsrats ansehen. Dass dieser nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes als Kollegialorgan verfasst ist, bedeutet nicht, er müsse die ihm zustehenden Beteiligungsrechte stets in seiner Gesamtheit wahrnehmen. Vielmehr wird er nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG im Rahmen der von ihm gefassten Beschlüsse von dem Vorsitzenden vertreten(BAG 25. Mai 2016 - 2 AZR 345/15 - Rn. 23 für das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG). An dessen Erklärungen ist das Gremium grundsätzlich gebunden. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich ersichtlich nicht um Äußerungen für den Betriebsrat, sondern um persönliche Äußerungen handelt (zu diesem hier nicht vorliegenden Sonderfall BAG 26. Februar 2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 21, BAGE 151, 83). Zwar mag eine Unterbrechung des Konsultationsverfahrens zur erneuten Beratung seiner Vertreter mit dem Gremium erforderlich sein, wenn sich die Sachlage aufgrund der Erörterungen in den Konsultationen mit dem Arbeitgeber grundlegend ändert, etwa weil dieser erstmals relevante Auskünfte erteilt. Das war hier jedoch nicht der Fall. Deshalb wäre es Sache der Vorsitzenden gewesen, die Betriebsratsmitglieder parallel zu den Verhandlungen oder jedenfalls am Folgetag zu einer Sitzung einzuberufen, sofern sie eine Befassung des Gremiums für tunlich erachtet hätte.

60

(b) Ohne Bedeutung ist, ob die vom Betriebsrat entsandten Vertreter zur Durchführung der Konsultationen bevollmächtigt waren. Es gilt - wie im Verfahren nach § 102 BetrVG - die Sphärentheorie, nach der sich Mängel im Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des Betriebsrats grundsätzlich nicht zulasten des Arbeitgebers auswirken(BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 316/04 - Rn. 21). Vielmehr muss dieser überhaupt keine Beratungen nach § 17 Abs. 2 KSchG durchführen, wenn der Betriebsrat sich nicht innerhalb angemessener Frist auf Beratungen einlässt. Insofern macht es keinen Unterschied, ob er niemanden zu einem vereinbarten Verhandlungstermin entsendet oder seine Vertreter nicht ausreichend bevollmächtigt.

61

II. Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts zwingt nicht zu einer Zurückverweisung. Der Senat kann aufgrund des festgestellten Sachverhältnisses abschließend über die Wirksamkeit der Kündigung vom 15. Juli 2015 entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Diese ist weder sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG noch aus anderen Gründen unwirksam.

62

1. Die Kündigungserklärung war hinreichend bestimmt. Insofern genügte die Angabe „zum nächstmöglichen Termin“ ergänzt um den Zusatz „dies ist nach unserer Berechnung der 31. Januar 2016“ (BAG 20. Januar 2016 - 6 AZR 782/14 - Rn. 16).

63

2. Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin, die Ersatzmitglied des Betriebsrats und in dieser Funktion zuletzt im August 2014 nachgerückt war, ist sozial gerechtfertigt und auch sonst zulässig iSv. § 1 Abs. 2 und Abs. 3 iVm. § 15 Abs. 4 KSchG. Sie ist auch nicht nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam.

64

a) Die Stilllegung eines Betriebs zählt zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG(BAG 24. September 2015 - 2 AZR 3/14 - Rn. 13, BAGE 152, 337). Wird ein Betrieb stillgelegt, ist nach § 15 Abs. 4 KSchG die ordentliche Kündigung der Arbeitsverhältnisse der in § 15 Abs. 1 bis Abs. 3 KSchG genannten Personen zum Zeitpunkt der Stilllegung zulässig. Die Beklagte hatte die dem Betriebszweck dienende Organisation zum 31. März 2015 vollständig aufgelöst. Seit dem 1. April 2015 entfaltete sie keine Geschäftstätigkeit mehr. Für den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs bei der Beklagten spielt es keine Rolle, ob einige der von der GGB gekündigten Aufträge seither durch andere Gesellschaften eines Konzerns ausgeführt wurden (BAG 23. März 2006 - 2 AZR 162/05 - Rn. 18). Unstreitig ist es weder zu einem Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB gekommen noch war ein solcher auch nur beabsichtigt. Deshalb ist die Kündigung auch nicht nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam. Aufgrund der Stilllegung des einzigen Betriebs waren im Unternehmen der Beklagten keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG vorhanden. Eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG war entbehrlich, weil alle Arbeitsverhältnisse so früh wie möglich mit der jeweils maßgeblichen Kündigungsfrist gekündigt werden sollten.

65

b) Zutreffend hat bereits das Arbeitsgericht die zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führenden Organisationsentscheidungen der Beklagten (Aufspaltung des Betriebs in zwei Teile, Übertragung des Bereichs Passagierabfertigung in S auf eine andere Gesellschaft, Stilllegung des verbliebenen Betriebs) nicht als rechtmissbräuchlich angesehen. Es lässt sich nicht feststellen, dass sie allein darauf abgezielt hätten, die Beschäftigten mit Besitzständen - darunter die Klägerin - zu isolieren und sie unter dem Deckmantel unternehmerischer Entscheidungsfreiheit ohne das Eingreifen eines nennenswerten Kündigungsschutzes „loszuwerden“ (BAG 24. September 2015 - 2 AZR 562/14 - Rn. 47, BAGE 152, 345). Die Aufspaltung des von der GGB übernommenen Betriebs erscheint keineswegs sachfremd. Die Betriebsteile in T und S lagen räumlich erheblich voneinander entfernt. Zudem erbrachten sie ihre Dienstleistungen an verschiedenen Flughäfen. Von dem anschließenden Übergang des Bereichs Passagierabfertigung im Betriebsteil S wurden auch zahlreiche Arbeitsverhältnisse von Altbeschäftigten erfasst. Dies spricht dagegen, dass es ausschließlich darum gegangen wäre, „billige“ Neubeschäftigte zulasten „teurer“ Altbeschäftigter vor einer Kündigung zu bewahren. Unerheblich ist, ob die Beklagte, nachdem alle Aufträge gekündigt worden waren, den verbliebenen Betrieb schließen musste. Sie hätte den Betrieb selbst bei vollem Auftragsbestand stilllegen dürfen.

66

c) Die Voraussetzungen eines zur Unwirksamkeit der Kündigung führenden konzerndimensionalen Kündigungsschutzes sind schon deshalb nicht erfüllt, weil die nach dem eigenen Vortrag der Klägerin fremdbeherrschte Beklagte gerade keinen bestimmenden Einfluss auf einen Wechsel zu einer anderen „Konzerngesellschaft“ hatte (zu dieser Voraussetzung BAG 24. September 2015 - 2 AZR 562/14 - Rn. 44, BAGE 152, 345). Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen sich ein Anspruch auf Abschluss (§ 894 ZPO) oder Verschaffung (§ 888 ZPO) eines „Ersatzarbeitsvertrags“ gegen eine beherrschende Gesellschaft ergeben kann (dafür - sehr weitgehend - Temming Der vertragsbeherrschende Dritte S. 1105 ff.) bedarf in dem vorliegenden, ausschließlich gegen die Beklagte als Vertragsarbeitgeberin der Klägerin gerichteten Rechtsstreit keiner Entscheidung.

67

3. Die Beklagte musste nicht nach § 103 Abs. 1 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Kündigung einholen, weil sie eine gemäß § 15 Abs. 4 KSchG zulässige ordentliche Kündigung erklären wollte. Die erforderliche Anhörung des Gremiums nach § 102 Abs. 1 BetrVG iVm. § 21b BetrVG war ordnungsgemäß. Die Beklagte hat den Betriebsrat ausreichend über den Kündigungsgrund informiert. Den genauen Zugangszeitpunkt der Kündigung konnte und musste sie nicht angeben (BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 142 ff.).

68

4. Die Kündigung vom 15. Juli 2015 ist nicht nach § 17 Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam.

69

a) Die Beklagte hat am 26. Juni 2015 eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige bei den Agenturen für Arbeit C und B erstattet. Sie hat durch Vorlage des Sendeberichts (BGH 17. Januar 2006 - XI ZB 4/05 - Rn. 16) und der Empfangsbestätigung glaubhaft gemacht, dass sie den Betriebsrat mehr als zwei Wochen vorher - nämlich am 10. Juni 2015 - gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterrichtet hatte. In der Anzeige hat die Beklagte auch den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat zutreffend dargelegt (§ 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG).

70

b) Der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe durch Falschangaben bewirkt, dass die für den Betriebssitz nicht zuständige Agentur für Arbeit C nach §§ 18, 20 KSchG entschieden habe, geht jedenfalls bezüglich der zweiten „Kündigungswelle“ fehl. Es kann dahinstehen, nach welchen Kriterien sich die örtliche Zuständigkeit einer Agentur bestimmt, wenn eine Massenentlassung in einem Betrieb mit zwei unselbständigen Betriebsteilen beabsichtigt ist. Auf die innerbetrieblichen Organisationsstrukturen kommt es jedenfalls dann nicht mehr an, wenn eine betriebliche Einheit bei Erstattung der betreffenden Massenentlassungsanzeige bereits durch Stilllegung untergegangen ist und die in Frage stehenden Kündigungen nur vorsorglich ausgesprochen werden sollen. Zumindest unter diesen Umständen kann der Arbeitgeber die Anzeige zugleich und mit sofortiger Wirksamkeit bei sämtlichen für die frühere Betriebsstätte möglicherweise zuständigen Arbeitsagenturen einreichen, wenn er - wie die Beklagte es getan hat - auf die schon umgesetzte Betriebsstilllegung - und damit den Wegfall eines Betriebssitzes - hinweist und zutreffend mitteilt, im Zuständigkeitsbereich welcher Agentur zuletzt die meisten der zu entlassenden Arbeitnehmer beschäftigt waren. Dann ist es Sache der angegangenen Behörden, sich über die örtliche Zuständigkeit für die Entscheidung nach §§ 18, 20 KSchG abzustimmen. Wenn der Arbeitgeber korrekte Angaben gemacht hat, kann das Ergebnis dieser Abstimmung in keinem Fall zu seinen Lasten gehen. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die zeitgleiche Einreichung einer Anzeige bei allen für einen Teil des - früheren - Betriebs als örtlich zuständig in Betracht kommenden Dienststellen der Arbeitsverwaltung selbst im Fall unzutreffender Angaben lediglich dann zur Nichtigkeit (§ 134 BGB) einer nachfolgend erklärten Kündigung führen kann, wenn es dem Arbeitgeber - wofür hier weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich ist - gerade darum ging, durch die falschen Angaben eine für ihn vorteilhafte Entscheidung der Agentur für Arbeit zu erreichen.

71

5. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Klägerin ist nicht nach §§ 68, 85 SGB IX iVm. § 134 BGB nichtig. Die Beklagte hat die Kündigung erst nach der Zustimmung des Integrationsamts innerhalb der Frist des § 88 Abs. 3 SGB IX erklärt.

72

6. Weitere Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich.

73

C. Mit der Abweisung des Kündigungsschutzantrags zu 2. ist der auch ohne Anschlussrechtsmittel der Klägerin in die Revision gelangte (BAG 16. März 2010 - 3 AZR 594/09 - Rn. 75, BAGE 133, 289) Hilfsantrag auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs nach § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG zur Entscheidung angefallen. Dieser erweist sich als unbegründet. Zwar hat die Beklagte mit der Betriebsstilllegung eine Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG geplant. Sie hat sich jedoch vor deren Durchführung ausreichend um einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat bemüht.

74

I. Nach § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG kann ein Arbeitnehmer vom Unternehmer die Zahlung einer Abfindung verlangen, wenn dieser eine Betriebsänderung durchführt, ohne über sie zuvor einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und der Arbeitnehmer infolge der Maßnahme entlassen wird oder andere wirtschaftliche Nachteile erleidet. Der Anspruch aus § 113 Abs. 3 BetrVG dient vornehmlich der Sicherung des sich aus § 111 Satz 1 BetrVG ergebenden Verhandlungsanspruchs des Betriebsrats und schützt dabei mittelbar die Interessen der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer. Er entsteht, sobald der Unternehmer mit der Durchführung der Betriebsänderung begonnen hat, ohne bis dahin einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben (BAG 14. April 2015 - 1 AZR 794/13 - Rn. 12). Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend unterrichten und mit ihm mit dem ernsthaften Willen zu einer Verständigung über die geplante Betriebsstillegung beraten. Dazu muss er sich mit den vom Betriebsrat vorgeschlagenen Alternativen zu der geplanten Betriebsänderung befassen und argumentativ auseinandersetzen. Können sich die Betriebsparteien nicht auf einen Interessenausgleich verständigen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Einigungsstelle anzurufen. Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich besteht nicht, wenn die Betriebsparteien vor Beginn der Betriebsänderung einen Interessenausgleich vereinbaren oder der Verhandlungsanspruch des Betriebsrats in dem Einigungsstellenverfahren erfüllt wird. Letzteres setzt nicht voraus, dass die Einigungsstelle das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen durch einen förmlichen Beschluss feststellt (BAG 16. August 2011 - 1 AZR 44/10 - Rn. 11 ff.).

75

II. Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin kein Nachteilsausgleich zu.

76

1. Die Beklagte hat die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich rechtzeitig eingeleitet. Sie hat den Betriebsrat unmittelbar nach den Auftragskündigungen von diesen und der beabsichtigten Betriebsstilllegung unterrichtet. Deren Beginn lag nicht bereits in der Kündigung aller Aufträge durch die GGB. Diese Maßnahme müsste die Beklagte sich selbst dann nicht aufgrund einer vermeintlichen „Konzernverbundenheit“ zurechnen lassen, wenn man die Vorgaben von Art. 2 Abs. 4 MERL auf § 111 Satz 1 BetrVG übertragen wollte(in diesem Sinne BAG 14. April 2015 - 1 AZR 794/13 - Rn. 19 f.). Zwar setzt die Pflicht zu Verhandlungen mit der Arbeitnehmervertretung nach dieser Vorschrift schon dann ein, wenn strategische Entscheidungen oder Änderungen der Geschäftstätigkeit erlassen werden, die den Vertragsarbeitgeber zwingen, Massenentlassungen ins Auge zu fassen oder zu planen (EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Keskusliitto] Rn. 49, Slg. 2009, I-8163). Jedoch ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte aufgrund der Kündigung der Aufträge durch die GGB dazu gezwungen gewesen wäre, eine Betriebsstilllegung - und aus diesem Grund Massenentlassungen - durchzuführen. Deshalb kann dahinstehen, ob Art. 2 Abs. 4 MERL überhaupt Sachverhalte erfasst, in denen sich kein typisches Beherrschungsrisiko verwirklicht, weil ein - möglicherweise - herrschendes Unternehmen nicht in dieser Funktion, sondern in seiner Eigenschaft als Auftraggeberin des Vertragsarbeitgebers agiert.

77

2. Die Beklagte hat sich nach den Auftragskündigungen auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrats ernsthaft um den Abschluss eines Interessenausgleichs bemüht, bevor sie mit der Umsetzung der Betriebsstilllegung durch Ausspruch der Kündigungen der ersten „Welle“ begonnen hat.

78

a) Die Beklagte hat den Betriebsrat umfassend über die geplante Betriebsänderung unterrichtet. Sie hat ihm mitgeteilt, der Betrieb solle zum 31. März 2015 stillgelegt werden. Die Stilllegungsabsicht beruhte auf dem Entschluss, sich nicht um neue Aufträge zu bewerben. Hierfür war die „konzerninterne Kalkulation“ der gekündigten Aufträge ohne Bedeutung. Ob - wie der Betriebsrat meinte - „konzerninterne Gewinnverteilungen“ bei der Bemessung eines Sozialplanvolumens relevant waren, bedarf keiner Entscheidung. Für die unternehmerische Entscheidung über die beabsichtigte Betriebsstilllegung und ihre Umsetzung ist diese Frage irrelevant.

79

b) Die Beklagte hat nach ergebnislosen Verhandlungen mit dem Betriebsrat die Einigungsstelle angerufen. Diese hat dreimal getagt, bevor die Vertreter der Beklagten die Verhandlungen über einen Interessenausgleich in der vierten Sitzung am 18. Dezember 2014 für gescheitert erklärt haben. Den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen, gegen die die Klägerin keine verfahrensrechtliche Gegenrüge geführt hat, lässt sich nicht entnehmen, dass der Verhandlungsanspruch des Betriebsrats durch die Erörterungen in der Einigungsstelle nicht erfüllt worden wäre.

80

c) Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich besteht auch nicht deshalb, weil an den Sitzungen der Einigungsstelle kein Vertreter der Arbeitsverwaltung teilgenommen hat. Nach dem zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich sollte zu einer der ersten beiden Sitzungen der Einigungsstelle ein Vertreter der Bundesagentur für Arbeit „eingeladen“ werden. Damit haben die Betriebsparteien keine wechselseitige Verpflichtung begründet, sich zunächst an den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit zur Durchführung einer Vermittlung zu wenden (§ 112 Abs. 2 Satz 1 BetrVG), der sich die Beklagte entzogen hätte. Vielmehr sollten ua. die Verhandlungen über einen Interessenausgleich in der Einigungsstelle fortgesetzt werden. Die Hinzuziehung eines Vertreters der Arbeitsverwaltung zu den Beratungen der Einigungsstelle oblag dabei als verfahrensleitende Maßnahme allein dem Einigungsstellenvorsitzenden (§ 112 Abs. 2 Satz 3 BetrVG).

81

3. Die Beklagte musste vor der zweiten „Kündigungswelle“ keine neuen Interessenausgleichsverhandlungen führen. Die Absicht, es bei der erfolgten Betriebsstilllegung zu belassen, bedeutete nicht die Planung einer neuen Betriebsänderung. Insofern laufen die Verfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG und §§ 111 ff. BetrVG auseinander.

82

D. Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Auslegung der MERL bedarf es - soweit nicht bereits vorstehend erörtert - nicht.

83

I. Die Klägerin hat mit der Revisionserwiderung ein vom Vorsitzenden der 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg unter dem 19. August 2016 verfasstes Hinweisschreiben zu den Akten gereicht. In diesem hat der Kammervorsitzende fünf aus seiner Sicht klärungsbedürftige Fragen zur „Auslegung“ der MERL formuliert und die dortigen Parteien zur Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsverfahrens angehört. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihren darauf bezogenen schriftsätzlichen Vortrag vertieft und gemeint, eine Entscheidung zu ihren Lasten könne nicht ohne eine solche Anfrage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der MERL ergehen.

84

II. Einer von der Klägerin als notwendig angesehenen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV bedarf es hinsichtlich der in dem Schreiben des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg angeführten „Fragen“ zur Zweckdienlichkeit von Auskünften über „Kalkulationsgrundlagen und Preise“(Frage 4) sowie des Abschlusses eines Konsultationsverfahrens (Frage 5) schon deshalb nicht, weil diese fallbezogen formuliert sind. Sie betreffen die Beurteilung eines Sachverhalts, die nach der klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts fällt und für die der Gerichtshof der Europäischen Union dem vorlegenden Gericht nur Hinweise geben darf (EuGH 15. April 2010 - C-433/05 - [Sandström] Rn. 35, Slg. 2010, I-2885). Auch die Klägerin hat keine darauf bezogenen Fragen formuliert, die Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens sein könnten.

85

III. Die auf die Klärung, ob Erörterungen im Rahmen eines betriebsverfassungsrechtlichen Einigungsstellenverfahrens als eine Konsultation mit Arbeitnehmervertretern anzusehen sein können, gerichtete Frage 1 ist nach dem vorstehenden Begründungsweg für die Abweisung der Kündigungsschutzklage in Bezug auf die unter dem 15. Juli 2015 ausgesprochene Kündigung ohne Bedeutung. Ein Einigungsstellenverfahren ist vor der Kündigung vom 15. Juli 2015 nicht durchgeführt worden. An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es gleichermaßen für die Frage, ob ein verantwortliches Unternehmen nach Art. 2 Abs. 4 MERL mit einer eine Massenentlassung durchführenden Arbeitgeberin gesellschaftsrechtlich verbunden sein und ob ggf. das verantwortliche Unternehmen konkret bestimmt werden muss (Fragen 2 und 3). Der Senat hat zugunsten der Klägerin unterstellt, dass zumindest ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die Beklagte ausüben konnte. Er hat jedoch auf der Grundlage der ihn revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass ein anderes Unternehmen strategische Entscheidungen oder Änderungen der Geschäftstätigkeit getroffen hat, aufgrund derer die Beklagte gezwungen gewesen wäre, Massenentlassungen ins Auge zu fassen oder zu planen (EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Keskusliitto] Rn. 49, Slg. 2009, I-8163 sowie oben Rn. 54).

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E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

    Niemann    

        

        

        

    Die ehrenamtliche Richterin Alex ist
gehindert, ihre Unterschrift beizufügen.
Koch    

        

    Niebler    

                 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 7. August 2013 - 11 Sa 56/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Beklagte zur Zahlung von 9.500,00 Euro als Abfindung an den Kläger verurteilt hat.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 11. Dezember 2012 - 30 Ca 5213/12 - wird auch insoweit zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Nachteilsausgleich.

2

Die Beklagte ist eine zum Konzern Süddeutsche Zeitung gehörende Zeitungsvertriebsgesellschaft. Ihr Unternehmensgegenstand bestand darin, im Gebiet der Landeshauptstadt München für die Verlage Münchner Zeitungsverlag und Süddeutsche Zeitung deren Zeitungen auszutragen und vergleichbare Dienstleistungen auszuführen. Einziger Auftraggeber war die Süddeutsche Zeitung Logistik GmbH (SZL GmbH), eine 100%ige Tochter der Süddeutsche Zeitung GmbH (SZ GmbH). Die Beklagte verfügte über drei Verteilstellen, an denen die Zusteller die Zeitungen abholten. Im Januar 2012 beschäftigte sie ca. 57 Arbeitnehmer, ua. den Kläger als Zeitungszusteller mit einem Bruttomonatsentgelt iHv. 1.000,00 Euro.

3

Am 30. November 2011 kündigte die SZL GmbH den Dienstleistungsvertrag mit der Beklagten zum 29. Februar 2012. Seit dem 1. März 2012 führt die ZVM GmbH die Zustellungen aus. Die beiden Gesellschafterinnen der Beklagten - die H GmbH und die SZ GmbH - beschlossen am 12. Januar 2012, den Geschäftsbetrieb zum Ablauf des 29. Februar 2012 einzustellen und den Betrieb stillzulegen. Ab dem 1. März 2012 wurden die Zusteller nicht mehr beschäftigt. Ihnen zur Erledigung der Zustellungen übergebene Haustürschlüssel wurden über die SZL GmbH an die ZVM GmbH weitergeleitet; nach Behauptungen des Klägers übernahm die ZVM GmbH auch Tourenbücher und die Transportmittel für die Zeitungen.

4

Die Beklagte informierte den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 12. Januar 2012 über die beabsichtigte Betriebsstilllegung. Der Vorsitzende einer zum Gegenstand „Interessenausgleich Betriebsstilllegung“ gebildeten Einigungsstelle stellte in deren Sitzung am 27. April 2012 das Scheitern des Versuchs eines Interessenausgleichs fest. Am 24. April 2012 erstattete die Beklagte bei der zuständigen Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige. Nach Anhörung des Betriebsrats am 19. April 2012 kündigte sie am 28. April 2012 - mit Ausnahme eines schwerbehinderten Arbeitnehmers - die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Mitarbeiter, so auch das des Klägers zum 31. Juli 2012. Weil dieser einen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch gestellt hatte, beantragte die Beklagte am 14. Mai 2012 beim Integrationsamt die Zustimmung zu einer (erneuten) ordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. In dem Behördenformular „Betriebsschließung § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IX“ gab sie als Stilllegungszeitpunkt den 29. Februar 2012 an. Nachdem das Integrationsamt mit Bescheid vom 14. Juni 2012 die Zustimmung zur Kündigung erteilt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 30. Juni 2012 zum 30. September 2012.

5

Der Kläger hat sich mit seiner Klage gegen beide Kündigungen gewandt und ua. eine Stilllegung des Betriebs in Abrede gestellt; dieser sei vielmehr auf die ZVM GmbH übergegangen. Nach Abweisung der Kündigungsschutzklage durch das Arbeitsgericht hat er mit seiner Berufung hilfsweise einen Nachteilsausgleichsanspruch geltend gemacht. Hierzu hat er die Auffassung vertreten, die Beklagte habe bereits vor dem Versuch eines Interessenausgleichs unumkehrbare Maßnahmen zur Durchführung der Betriebsstilllegung getroffen. Eine solche Maßnahme liege vor allem in der Kündigung des Zeitungsvertriebsauftrags durch die SZL GmbH, die sich die Beklagte wegen ihrer Konzernverbundenheit zurechnen lassen müsse.

6

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - beantragt,

        

die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung an den Kläger gemäß § 113 BetrVG iVm. § 10 KSchG, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu verurteilen.

7

Die Beklagte hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

8

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen die seine Kündigungsschutzklage abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Seinem Antrag auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs hat es entsprochen und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung iHv. 9.500,00 Euro zu zahlen. Mit der vom Landesarbeitsgericht nur insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Abweisung des noch anhängigen Klageantrags. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG.

10

I. Die Revision ist nicht bereits wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes iSv. § 547 Nr. 1 ZPO begründet. Es ist zwar nach der Aktenlage nicht ersichtlich, dass das Landesarbeitsgericht im Hinblick auf die von beiden Parteien nach Schluss der mündlichen Verhandlung und vor Verkündung des Urteils eingereichten Schriftsätze über die Frage einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1, Abs. 2 ZPO unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entschieden hat. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, läge hierin ein Besetzungsfehler nach § 547 Nr. 1 ZPO. Eine Rechtsverletzung iSv. § 73 ArbGG, § 547 Nr. 1 ZPO ist vom Revisionsgericht wegen § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO aber nur zu beachten, wenn die Revision (auch) auf sie gestützt wird (BAG 24. Oktober 2013 - 2 AZR 1057/12 - Rn. 13, BAGE 146, 257). Erhebt der Revisionskläger - wie hier - keine entsprechende Verfahrensrüge, kommt es auf einen möglichen Verstoß gegen § 547 Nr. 1 ZPO nicht an.

11

II. Das Landesarbeitsgericht hat dem mit der Berufung des Klägers angebrachten Antrag auf Nachteilsausgleich zu Unrecht entsprochen. Seine Feststellungen und Würdigungen tragen die von ihm getroffene Entscheidung nicht.

12

1. Nach § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG kann ein Arbeitnehmer vom Unternehmer die Zahlung einer Abfindung verlangen, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden. Der Anspruch aus § 113 Abs. 3 BetrVG dient vornehmlich der Sicherung des sich aus § 111 Satz 1 BetrVG ergebenden Verhandlungsanspruchs des Betriebsrats und schützt dabei mittelbar die Interessen der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer. Er entsteht, sobald der Unternehmer mit der Durchführung der Betriebsänderung begonnen hat, ohne bis dahin einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben (BAG 16. August 2011 - 1 AZR 44/10 - Rn. 9 mwN). Nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG gilt als Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 1 BetrVG ua. die Stilllegung des ganzen Betriebs.

13

2. Gemessen hieran ist die angefochtene Entscheidung nicht frei von Rechtsfehlern.

14

a) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Beklagte habe vor Beendigung der Interessenausgleichsverhandlungen mit der Betriebsstilllegung begonnen, hat es eine solche als interessenausgleichspflichtige Maßnahme nicht festgestellt. Bei der Begründung der Zurückweisung der Berufung gegen das den Kündigungsschutzantrag abweisende arbeitsgerichtliche Urteil hat das Landesarbeitsgericht ausdrücklich offengelassen, ob ein Betriebsübergang oder eine Betriebsstilllegung vorliegt. Es hat ausgeführt, entweder ginge die Kündigung vom 28. April 2012 wegen des Übergangs des Betriebs der Beklagten am 1. März 2012 auf die ZVM GmbH ins Leere oder sie sei wegen einer Betriebsstilllegung iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt; auf die Wirksamkeit der Kündigung vom 30. Juni 2012 komme es nicht mehr an. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betriebsübergang als solcher keine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG. Er kann eine sein, wenn er sich nicht allein in dem Wechsel des Betriebsinhabers erschöpft, sondern gleichzeitig Maßnahmen ergriffen werden, welche eines oder mehrere der Tatbestandsmerkmale des § 111 BetrVG erfüllen(vgl. BAG 11. November 2010 - 8 AZR 169/09 - Rn. 33 mwN; 25. Januar 2000 - 1 ABR 1/99 - zu B I 3 der Gründe). Hierzu verhält sich die angefochtene Entscheidung nicht.

15

b) Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Beginn der Durchführung der Betriebsänderung liege in der Kündigung des Zustellungsauftrags durch die SZL GmbH vom 30. November 2011 zum 29. Februar 2012, welche sich die Beklagte wegen ihrer Konzernverbundenheit zurechnen lassen müsse.

16

aa) Die Pflichten der §§ 111 ff. BetrVG richten sich an den Unternehmer und setzen eine von ihm geplante Betriebsänderung voraus. Unternehmer ist der Rechtsträger des Betriebs. Nichts anderes ist bei einer (abhängigen) Konzerngesellschaft anzunehmen. Auch in einem Konzern behält das einzelne Konzernunternehmen grundsätzlich seine rechtliche Selbständigkeit. Bei einer das Unternehmen betreffenden Betriebsänderung ist dieses - und nicht das herrschende oder ein anderes konzernangehöriges Unternehmen - zur Beteiligung des Betriebsrats nach § 111 BetrVG verpflichtet und damit ggf. Schuldner des Nachteilsausgleichs iSd. § 113 BetrVG(vgl. BAG 15. Januar 1991 - 1 AZR 94/90 - zu I 2 der Gründe; vgl. auch Oetker GK-BetrVG 10. Aufl. § 113 Rn. 10 und 81 mwN). Entsprechend bleibt eine generelle (gegenseitige) „Zurechnung“ von Maßnahmen konzernzugehöriger Unternehmen außen vor.

17

bb) Nichts anderes folgt für den vorliegenden Streitfall aus der vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (Massenentlassungsrichtlinie - MERL - ABl. EG L 225 vom 12. August 1998 S. 16).

18

(1) Der deutsche Gesetzgeber hat Art. 1 bis Art. 3 MERL - und die inhaltsgleichen Bestimmungen der vorhergegangenen Richtlinie 75/129/EWG vom 17. Februar 1975 - durch § 17 Abs. 1 bis Abs. 3a KSchG in das nationale Recht umgesetzt(vgl. BAG 30. März 2004 - 1 AZR 7/03 - zu II 1 der Gründe, BAGE 110, 122). Die am 24. April 2012 von der Beklagten der Agentur für Arbeit angezeigte Maßnahme war nach § 17 KSchG anzeigepflichtig. Alle 57 Arbeitnehmer sollten entlassen werden. Damit war der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG überschritten. Das Landesarbeitsgericht ist allerdings nicht davon ausgegangen, dass die Beklagte ihren Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach § 17 KSchG nicht (ausreichend) nachgekommen ist. Der Kläger hatte dies im Zusammenhang mit seiner Kündigungsschutzklage gerügt. Das Arbeitsgericht hat näher begründet, dass die Kündigung nicht mangels notwendiger Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG, § 134 BGB unwirksam ist. Die Berufungsentscheidung verhält sich hierzu - auch bei den Ausführungen zur Kündigungsschutzklage - nicht. Ungeachtet dessen könnten selbst aus einem Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Anzeigepflichten nach § 17 Abs. 1 und Abs. 3 KSchG keine Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 Abs. 3 BetrVG hergeleitet werden. Eine Korrektur ist insoweit auch im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung nicht veranlasst (vgl. BAG 30. März 2004 - 1 AZR 7/03 - zu II 3 der Gründe, aaO; 18. November 2003 - 1 AZR 637/02 - zu II der Gründe, BAGE 108, 311).

19

(2) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht aber davon aus, dass (auch) die in § 111 Satz 1 BetrVG geregelte Pflicht des Unternehmers, in Fällen der beschriebenen Art den Betriebsrat rechtzeitig über die geplante Betriebsänderung zu informieren und sich mit ihm mit dem Ziel einer Einigung darüber zu beraten, den Pflichten des Art. 2 MERL entspricht(vgl. hierzu BAG 20. November 2001 - 1 AZR 97/01 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 99, 377). Nach Art. 2 Abs. 1 MERL hat ein Arbeitgeber, der beabsichtigt, eine Massenentlassung iSd. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie durchzuführen, die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig zu konsultieren, um zu einer Einigung zu gelangen. Diese Verhandlungen haben sich nach Art. 2 Abs. 2 MERL mindestens darauf zu erstrecken, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken sowie ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern. Es ist nach der MERL klar und in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass auch in den Fällen Informations- und Konsultationspflichten ausgelöst sein können, in denen sich der Arbeitgeber nicht unmittelbar für Massenentlassungen entscheidet. Art. 2 Abs. 1 MERL ist dahin auszulegen, dass innerhalb eines Konzerns der Erlass von strategischen Entscheidungen oder Änderungen der Geschäftstätigkeit, die den Arbeitgeber zwingen, Massenentlassungen ins Auge zu fassen oder zu planen, bei diesem Arbeitgeber die Pflicht zur Konsultation der Arbeitnehmervertreter entstehen lässt(EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto ua.] Rn. 49). Art. 2 Abs. 4 MERL verpflichtet den Arbeitgeber zur Einhaltung der sich aus der Richtlinie ergebenden Informations- und Konsultationspflichten, wenn die Entscheidung über die Massenentlassungen nicht von ihm selbst, sondern von einem ihn beherrschenden Unternehmen getroffen wurde, und zwar selbst dann, wenn er von dieser Entscheidung nicht unverzüglich und ordnungsgemäß in Kenntnis gesetzt wurde(EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto ua.] Rn. 42 f.).

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(3) Hiervon ausgehend trägt der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt seine Würdigung nicht, die Beklagte müsse sich die Kündigung des Zeitungsvertriebsauftrags durch die SZL GmbH als eine eigene Maßnahme zurechnen lassen. Zum einen ist die SZL GmbH kein die Beklagte beherrschendes Unternehmen. Sie ist 100%ige Tochter der SZ GmbH, die ihrerseits eine der beiden Gesellschafterinnen der Beklagten ist. Sollte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass es auf eine von der SZ GmbH getroffene Entscheidung über die Kündigung des der Beklagten erteilten Auftrags ankommt, so hat es eine solche weder festgestellt noch ergeben sich für eine Beherrschung der Beklagten durch dieses Unternehmen Anhaltspunkte. Auch der für den Nachteilsausgleich darlegungsbelastete Kläger hat sich insoweit auf eine Maßnahme der SZL GmbH - nicht der SZ GmbH - berufen. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die Kündigung des Zustellauftrags durch die SZL GmbH die Beklagte dazu gezwungen hat, Massenentlassungen ins Auge zu fassen.

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III. Es bedarf keiner Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Der Rechtsstreit ist nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif, § 563 Abs. 3 ZPO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG. Zu seinen Gunsten kann unterstellt werden, dass die Beklagte ihren Betrieb eines Unternehmens mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern stillgelegt und damit eine Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 BetrVG durchgeführt hat sowie der Kläger infolge der Stilllegung entlassen worden ist. Jedenfalls hat die Beklagte mit dem Betriebsrat vor der Durchführung der Betriebsänderung einen Interessenausgleich versucht iSv. § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG.

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1. Der Unternehmer beginnt mit der Durchführung einer Betriebsänderung, wenn er unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft. Eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung besteht in der Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit. Ihre Umsetzung erfolgt, sobald der Unternehmer unumkehrbare Maßnahmen zur Auflösung der betrieblichen Organisation ergreift (BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 25/05 - Rn. 17, BAGE 118, 222). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt (vgl. BAG 23. September 2003 - 1 AZR 576/02 - zu II 1 c der Gründe mwN, BAGE 107, 347).

23

2. Die Beklagte hat vor dem am 27. April 2012 durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle als gescheitert festgestellten Versuch eines Interessenausgleichs keine unumkehrbaren Maßnahmen zur Durchführung der Betriebsänderung ergriffen.

24

a) Mit dem von ihren Gesellschafterinnen am 12. Januar 2012 gefassten Beschluss hat die Beklagte die Durchführung der Betriebsstilllegung nicht begonnen. Dem Arbeitgeber ist es nicht verwehrt, ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrats Entschlüsse zu einer Betriebsänderung zu fassen. Er darf nur ohne Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht mit deren Durchführung beginnen. § 113 Abs. 3 BetrVG sichert kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats an der unternehmerischen Entscheidung, sondern nur bei deren Umsetzung. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach § 111 BetrVG setzen sogar voraus, dass der Arbeitgeber konkrete Planungen hinsichtlich einer Betriebsänderung hat, die den Gegenstand der zwischen den Betriebsparteien zu führenden Verhandlungen vorgeben(vgl. BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 25/05 - Rn. 19, BAGE 118, 222).

25

b) Weder mit der Anhörung des Betriebsrats zu den beabsichtigten Kündigungen nach § 102 BetrVG vom 19. April 2012 noch mit der Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG vom 24. April 2012 hat die Beklagte mit der Betriebsstilllegung begonnen. Die Maßnahmen dienten der Vorbereitung von Kündigungen. Sie zwingen nicht zu deren Ausspruch.

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c) In der tatsächlichen Einstellung der betrieblichen Tätigkeit am 1. März 2012 liegt gleichfalls keine unumkehrbare Maßnahme. Die bloße Einstellung einer Geschäftstätigkeit kann grundsätzlich rückgängig gemacht werden. Anders ist dies ggf. dann zu sehen, wenn ein Arbeitgeber - etwa durch die Veräußerung von Betriebsmitteln - bereits mit der Auflösung der betrieblichen Organisation beginnt (vgl. BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 25/05 - Rn. 20, BAGE 118, 222). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Soweit sich der Kläger auf die Übernahme von den Zustellern übergebenen Haustürschlüsseln, von Tourenbüchern und von Transportmitteln durch die ZVM GmbH berufen hat, liegt hierin keine endgültige Zerschlagung der betrieblichen Organisation der Beklagten. Diese - der Kündigung des Zustellauftrags geschuldeten - Maßnahmen hätten einer Wiederaufnahme der betrieblichen Tätigkeit (im Falle eines anderen Zustellauftrags) nicht entgegengestanden. Ebenso verhält es sich mit den vom Kläger behaupteten „frühzeitigen“ Kündigungen der Mietverträge hinsichtlich der drei Verteilstellen. Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass die Verteilstellen in den angemieteten Räumlichkeiten für den Fortbestand des Betriebs sowie die Möglichkeit der Weiterverfolgung des Betriebszwecks unerlässlich waren. Es kommt daher nicht darauf an, dass das Landesarbeitsgericht das Vorbringen des Klägers hierzu in der mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 296 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen sowie sein schriftsätzliches Vorbringen hierzu nach Schluss der mündlichen Verhandlung gemäß § 296a Satz 1 ZPO unberücksichtigt gelassen und von einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 296a Satz 2, § 156 ZPO abgesehen hat. Ungeachtet dessen hat der Kläger hierzu auch keine Verfahrens(gegen)rügen erhoben.

27

d) Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass die Beklagte ab 1. März 2012 die Zusteller nicht mehr beschäftigt hat. In der bloßen Nichtbeschäftigung von Arbeitnehmern liegt keine Auflösung der Betriebsorganisation. Auch eine Freistellung der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht stellt regelmäßig noch keine Durchführung der Betriebsstilllegung dar. Dies gilt jedenfalls, wenn die Freistellung jederzeit widerruflich ist (vgl. BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 25/05 - Rn. 21, BAGE 118, 222). Eine unwiderrufliche Freistellung sämtlicher - oder auch nur eines Großteils der - Arbeitnehmer vor dem Ausspruch der Kündigungen ist hier nicht ersichtlich. Der von der Beklagten bestrittene Vortrag des Klägers in seiner Revisionserwiderung, wonach mit einem Schreiben der Beklagten vom 28. Februar 2012 nicht nur eine widerrufliche Freistellung erfolgt, sondern endgültig auf die Arbeitsleistung verzichtet worden sei, steht in Widerspruch zu den mit Verfahrens(gegen)rügen nicht angegriffenen und den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Danach sind die Zusteller ab dem Zeitpunkt der Vergabe des Zeitungsvertriebsauftrags an die ZVM GmbH „nicht beschäftigt“ worden. Neuer Tatsachenvortrag hierzu ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen, § 559 Abs. 1 ZPO. Überdies wäre das Vorbringen des Klägers nicht geeignet, einen Beginn der Durchführung der Betriebsstilllegung vor dem 28. April 2012 anzunehmen. Es fehlte an einem Vortrag zur Anzahl der unwiderruflich von ihrer Arbeitsleistung freigestellten Arbeitnehmer.

28

e) Die ab dem 1. März 2012 erfolgte Ausführung des vormals der Beklagten erteilten Zeitungsvertriebsauftrags durch die ZVM GmbH lässt nicht auf die Durchführung der Betriebsstilllegung vor dem Versuch eines Interessenausgleichs schließen. Sie ist der Auftragsneuvergabe durch die SZL GmbH geschuldet. Das verkennt der Kläger, wenn er in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2007 (- 8 AZR 693/06 -) verweist. In dieser ist - einzelfallbezogen - die tatsächliche Übernahme eines Betriebsteils durch einen Dritten (in der kein Betriebsübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB lag) als Beginn einer Betriebsänderung gewürdigt worden. Dem lag aber eine Konstellation zugrunde, in der das interessenausgleichspflichtige Unternehmen die Entscheidung über die „Auslagerung“ des von einem anderen Unternehmen übernommenen Bereichs selbst getroffen und die entsprechenden Maßnahmen zur Umsetzung dieser Entscheidung veranlasst hat.

29

f) Auch der Verweis des Klägers auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Juni 2003 (- 10 AZR 586/02 -) zur Aufgabe und Zerstörung der Betriebsorganisation im Hinblick auf die geplante Betriebsstillegung bereits in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Arbeitsverhältnisse der leitenden Angestellten kündigt, ist unbehelflich. Der Kläger hat nicht einmal behauptet, dass die Beklagte vor dem Feststellen des Scheiterns der Interessenausgleichsverhandlungen durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle am 27. April 2012 leitenden Angestellten eine Kündigung ausgesprochen hätte.

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g) Schließlich vermag allein aus der Angabe der Beklagten gegenüber dem Integrationsamt bei ihrem Antrag auf Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung des Klägers nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht auf den tatsächlichen Beginn der Durchführung der Betriebsstilllegung bereits mit Ablauf des 29. Februar 2012 geschlossen zu werden. Zu diesem Zeitpunkt stellte die Beklagte ihre betriebliche Tätigkeit ein. Für einen über diesen Erklärungswert hinausgehenden Schluss auf tatsächliche Umstände gibt das Behördenformular nichts her.

31

3. Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Die Beklagte hat den Abschluss eines Interessenausgleichs ausreichend versucht. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Betriebsparteien über den Abschluss eines Interessenausgleichs verhandelt haben und der Vorsitzende einer hierzu gebildeten Einigungsstelle am 27. April 2012 das Scheitern eines Versuchs des Interessenausgleichs festgestellt hat. Die Kündigungen der Arbeitsverhältnisse, in denen der Beginn der Durchführung der Betriebsstilllegung liegt, sind erst am 28. April 2012 erfolgt.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Dr. Klebe    

        

    Klosterkemper    

                 

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.