Städtische Videoüberwachung eines Kunstwerks in Regensburg

published on 22/03/2007 08:52
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Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

Zum Beschluss vom 23. Februar 2007 – 1 BvR 2368/06 – des BVerfG - RA Dirk Streifler

in der Pressemitteilung Nr. 31/2007 vom 20. März 2007 des BVerfG heist es:


Die Stadt Regensburg ließ 2005 über den Resten der ehemaligen mittelalterlichen Synagoge auf dem Neupfarrplatz ein Bodenrelief herstellen, das den Grundriss der ehemaligen Synagoge andeutet. Das Kunstwerk ist als Begegnungsstätte für die Bevölkerung konzipiert. In der Vergangenheit kam es im Bereich des Kunstwerks zu mehreren Vorfällen, aufgrund derer die Stadt Regensburg eine Videoüberwachung des Ortes mit vier Überwachungskameras für erforderlich hielt. Die Stadt beabsichtigt, die Überwachung in eigener Zuständigkeit auf der Grundlage des Bayerischen Datenschutzgesetzes durchzuführen. Gegen die geplante Videoüberwachung der Begegnungsstätte erhob der Beschwerdeführer Klage.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Hiergegen gerichtete Rechtsmittel blieben vor dem BayerischenVerwaltungsgerichtshof ohne Erfolg.

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben, da es für die geplante Videoüberwachung mit Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials an einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung fehle.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die geplante Videoüberwachung des Bodenkunstwerks mit Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials stellt einen Eingriff von erheblichem Gewicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung dar. Das durch die Videoüberwachung gewonnene Bildmaterial kann und soll dazu genutzt
werden, belastende hoheitliche Maßnahmen gegen Personen vorzubereiten, die in dem von der Überwachung erfassten Bereich bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen zeigen. Die offene Videoüberwachung eines öffentlichen Ortes kann und soll zugleich abschreckend wirken und insofern das Verhalten der Betroffenen lenken. Das Gewicht dieser Maßnahme wird dadurch erhöht, dass infolge der Aufzeichnung das gewonnene Bildmaterial in vielfältiger Weise ausgewertet, bearbeitet und mit anderen Informationen verknüpft werden kann. Von den Personen, die die Begegnungsstätte betreten, dürfte nur eine Minderheit gegen die Benutzungssatzung oder andere rechtliche Vorgaben, die sich aus der allgemeinen Rechtsordnung für die Benutzung der Begegnungsstätte ergeben, verstoßen. Die Videoüberwachung und die Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials erfassen daher überwiegend Personen, die selbst keinen Anlass schaffen, dessentwegen die Überwachung vorgenommen wird.

Angesichts des erheblichen Gewichts der Grundrechtsbeeinträchtigung kann die geplante Videoüberwachung nicht auf Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1 Bayerisches Datenschutzgesetz gestützt werden. Diese Normen enthalten keine hinreichenden Vorgaben für Anlass und Grenzen der erfassten datenbezogenen Maßnahmen, um als Ermächtigungsgrundlage für den
beabsichtigten Grundrechtseingriff in Betracht zu kommen. Sie begrenzen die Datenerhebung lediglich durch das Gebot der Erforderlichkeit. Dies allein kann die behördliche Praxis aber nicht hinreichend anleiten oder Kontrollmaßstäbe bereitstellen.

Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine Videoüberwachung öffentlicher Einrichtungen mit Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials auf der Grundlage einer hinreichend bestimmten und normenklaren Ermächtigungsgrundlage materiell verfassungsgemäß sein kann, wenn für sie ein hinreichender Anlass besteht und Überwachung sowie Aufzeichnung insbesondere in räumlicher und zeitlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Möglichkeit der Auswertung der Daten das Übermaßverbot wahren.
_________________

Im Hinblick auf das von uns  in dem Artikel Grundrechtseinschränkungen durch Überwachung beschriebene Spannungsfeld wäre also der Gesetzgeber erneut gefordert.

Die verkürzte Darstellung bedingt, dass eine vollständige Beschreibung der relevanten Rechtslage hier nicht möglich ist und daher eine professionelle Beratung nicht ersetzt. Trotz sorgfältiger Bearbeitung bleibt eine Haftung ausgeschlossen.

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28/05/2020 11:06

Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 06.07.2010 die Entscheidung des EuGH im sog. „Mangold“-Fall bestätigt und die, ihr zugrundeliegende, Verfassungsbeschwerde verworfen. Eine Ultra-vires-Kontrolle durch das BVerfG setzt einen hinreichend qualifizierten Kompetenzverstoß der europäischen Organe voraus. Dieser ist gegeben, wenn das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist. Weiterhin muss der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedsstaaten und Union im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzgebung erheblich ins Gewicht fallen. Das BVerfG ist demnach nur berechtigt schwerwiegende Verstöße zu überprüfen. Es wird angehalten vor der Annahme eines Ultra-vires Akts den EuGH anzurufen. Das Schaffen eines Verbots der Altersdiskriminierung durch den EuGH stellt weiterhin keinen ausbrechenden Rechtsakt dar. Der EuGH habe mit seiner Entscheidung lediglich eine neue Fallgruppe geschaffen, wie Rechtsnormen behandelt werden, welche richtlinienwidrig erlassen wurden. Streifler & Kollegen - Rechtsanwälte - Anwalt für Verfassungsrecht
18/04/2021 20:02

Der Mietendeckel wurde gekippt. Darüber entschied das Bundesverfassungsgericht am 15. April 2021. Letztlich entschied er aber nicht über den Inhalt der von der rot-grünen Landesregierung getroffenen Regelungen, sondern stellte klar, dass das Land Berlin in der Sache nicht zuständig sei. In Ermangelung der Gesetzgebungskompetenz Berlins sei der Mietendeckel verfassungswidrig – Streifler & Kollegen, Anwalt für Zivilrecht.
24/09/2020 16:50

Ein Schaufensterbild, das mit der Aufschrift „Asylanten müssen draußen bleiben“ inklusive dem Bild eines Hundes aufgestellt wird, ist wegen Volksverhetzung strafbar. Ein solches Bild setzt die Asylanten als Bevölkerungsgruppe mit Hunden als Tiere, die wegen Ihrer Unreinlichkeit Läden nicht betreten dürfen, auf dieselbe Stufe. Das Wort „Hunde“ mit „Asylanten“ zu ersetzen sei nach Ansicht des AG Wunsiedel eine böswillige Herabwürdigung – Streifler & Kollegen, Anwalt für Strafrecht
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