Bundesgerichtshof Urteil, 26. Nov. 2014 - 2 StR 54/14

bei uns veröffentlicht am26.11.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 5 4 / 1 4
vom
26. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. November
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. September 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "versuchten Totschlags in Tateinheit mit versuchtem besonders schweren Raub, gefährlicher Körperverletzung und Wohnungseinbruchsdiebstahl" zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und hiervon vier Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Ende Juli 2004 planten der Angeklagte, sein Landsmann K. , mit dem er bereits 1999 einen bewaffneten Überfall begangen hatte, und zwei weitere Personen, in ein Privathaus zweier "älterer Leute" einzubrechen. Sie vermuteten dort einen Tresor mit Bargeld in Höhe von 200.000 € bis 300.000 € und andere Wertgegenstände.Für den Fall, dass der Tresor nicht aufzufinden sei oder sich nicht öffnen oder abtransportieren ließe, beschlossen sie, "die Rückkehr der Eigentümer abzuwarten und diese anschließend unter Vorhalt einer Schusswaffe dazu zu zwingen, das Versteck des Tresors preiszugeben und den Tresor zu öffnen" (UA S. 10).
4
Entsprechend diesem Tatplan drangen zunächst K. und ein weiterer Mittäter in das Haus ein, indem sie die Glastüren des Hauses aufhebelten. Der Angeklagte hatte sich - wie zuvor verabredet - unter einem neben dem Hauseingang geparkten Wohnwagen versteckt, "um dort 'Schmiere' zu 'liegen'" (UA S. 11); der vierte Tatbeteiligte hatte sich ebenfalls in der Nähe des Hauses postiert.
5
Die beiden Mittäter im Haus steckten tatplangemäß zunächst Schmuck, Uhren und Bargeld im Werte von etwa 100.000 € in eine mitgebrachte Reiseta- sche ein. Da sich der Tresor, den sie im Haus fanden, nicht öffnen ließ, beschloss K. , auf die Rückkehr der Eigentümer zu warten. Hierüber informierte er per Mobiltelefon den Angeklagten, und forderte ihn auf, "sich ebenfalls in das Gebäude zu begeben und ihnen bei der weiteren Tatausführung behilflich zu sein" (UA S. 12). Obwohl lediglich verabredet war, dass der Angeklagte nur "Schmiere stehen" sollte, leistete er dieser Anweisung Folge.
6
Der Angeklagte erhielt sodann von K. ein Paar mitgebrachte Handschuhe und eine Karnevalsmaske mit Clownsgesicht, die er sich überzog. Ein massives, schweres Hackbeil, das der Angeklagte in der Küche vorgefunden hatte, wollte er als Drohmittel verwenden. K. maskierte sich mit einer Sturmhaube und holte seine ungeladene Pistole hervor. Beide postierten sich im Erdgeschoss des Hauses am Eingangsbereich, nachdem ihnen von einem weiteren Mittäter die Ankunft der Hauseigentümer angekündigt worden war.
7
Die Hauseigentümer, die zur Tatzeit 62jährige Zeugin F. und der 72jährige Zeuge N. , fuhren mit ihrem Pkw zunächst in die Garage des Anwesens. Als Frau F. von dort die Wohnung betrat, sah sie sich dem mit der Clownsmaske maskierten Angeklagten, der das Hackbeil in der erhobenen Hand drohend in ihre Richtung hielt, und dem ebenfalls maskierten Mittäter K. gegenüber, der die Pistole auf sie gerichtet hatte. Sie schrie laut "Hilfe , Überfall" und rannte - immer weiter schreiend - in die Garage zurück. K. , der mit einem solchen Verhalten der älteren Geschädigten nicht gerechnet hatte, "hielt das geplante weitere Vorhaben zunächst nicht mehr für durchführbar" (UA S. 13). Dem Angeklagten rief er deshalb auf Polnisch zu, er solle abhauen; dieses missverstand der Angeklagte und glaubte, K. "habe ihm befohlen, er solle 'zuhauen'" (UA S. 13). Der Angeklagte vermutete, K. wolle ihn testen, ob er auch zu bedeutenderen Tatbeiträgen "taugte".
8
Um K. "seine Gefolgschaft zu beweisen", rannte der Angeklagte hinter der Geschädigten F. in die Garage, warf dort das Hackbeil weg, packte die Zeugin F. mit beiden Händen am Arm und schleuderte sie mehrere Meter weit von sich weg auf den Boden. Der Angeklagte wollte die Geschädigte hierdurch davon abhalten, weiter so laut zu schreien und sie zugleich gefügig machen, um mit ihrer Hilfe an den Inhalt des Tresors zu gelangen.
9
Der Zeuge N. , der seine Lebensgefährtin am Boden liegen sah und ihr deswegen zur Hilfe kommen wollte, griff den auch ihm körperlich überlegenen Angeklagten von hinten an, und schlug ihm mit einem Besen auf den Kopf. Der Angeklagte, der dadurch eine blutende und schmerzende Platzwunde erlitt, geriet in Rage "und verspürte eine gewisse Panik" (UA S. 13). Er schlug N. den Besen aus der Hand und brachte ihn "mit einem oder mehreren Faustschlägen zu Boden". Sodann trat er noch mehrfach seitlich gegen das Gesicht des Geschädigten. "Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte das ursprüngli- che Ziel seiner Gewaltanwendung, nämlich die Geschädigten zum Zwecke der Öffnung des Tresors lediglich gefügig zu machen, aus den Augen verloren und betrachtete die Angelegenheit als einen Kampf, bei dem es darum ging, seine Widersacher dauerhaft zu besiegen und sie um jeden Preis zum Schweigen zu bringen" (UA S. 13 f.).
10
Als die Geschädigte F. ihren Lebensgefährten blutend auf dem Boden liegen sah, stand sie auf und "ging nun ihrerseits mit dem zwischenzeitlich abgebrochenen Besenstiel auf den Angeklagten los, um ihn von weiteren Ge- walttätigkeiten […] abzuhalten. Daraufhin packte der Angeklagte die Zeugin F. an den Haaren, riss sie zu Boden und schlug dort ihren Kopf, den er mit einer Hand an den Haaren festhielt, vier Mal wuchtig mit der Stirn gegen den Betonboden der Garage. Hierbei nahm er billigend in Kauf, dass die Geschädigte durch diese Behandlung lebensgefährliche Verletzungen im Kopfbereich erlitt , die auch zu ihrem Tode führen konnten" (UA S. 14). Der Angeklagte hörte nach dem vierten Schlag mit weiteren Schlägen auf, weil die Geschädigte, die zuvor immer weiter geschrien hatte, keinen Ton mehr von sich gab. Der sich tot stellenden Geschädigten verpasste der Angeklagte noch einen Tritt; der Zeuge N. erhielt ebenfalls noch einen Tritt gegen den Kopf und die Füße.
11
Als die Nachbarn, durch das laute Schreien der Geschädigten F. auf den Vorfall aufmerksam gemacht, an der Haustür klingelten, floh der Angeklagte.
12
Die Geschädigte F. hat durch die Tat eine Schädelprellung, eine HWS-Distorsion, ein Mandelhämaton an der rechten Stirn und Prellungen am ganzen Körper erlitten. Dass die Geschädigte keinerlei knöcherne Verletzungen am Schädel erlitten hat, beruhe auf "purem Zufall" (UA S. 22). Die Verletzungen sind bis auf eine sichtbare Beule folgenlos verheilt.
13
b) Der Angeklagte hat die Tat in der Hauptverhandlung im Wesentlichen eingeräumt. Abweichend von den Feststellungen hat er sich allerdings u.a. dahin eingelassen, die Geschädigte nicht vier bis fünf Mal auf den Boden sondern zwei bis drei Mal mit der Faust geschlagen und dann getreten zu haben. Er sei auch gar nicht fähig dazu, eine Frau so zu packen und "so etwas" zu machen. Er habe früher geboxt und wisse daher, was passiere, wenn man "so etwas" mache. "Wenn er das tatsächlich getan hätte und den Kopf der Frau sechs Mal mit seiner Kraft geschlagen hätte, wäre sie wohl nicht mehr da" (UA S. 20).
14
Das Landgericht hat die von den Feststellungen abweichende Einlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen und ist den Angaben der Geschädigten gefolgt.
15
c) Zum bedingten Tötungsvorsatz hat die Schwurgerichtskammer ausgeführt , dass es sich beim viermaligen Schlagen des Kopfes der Geschädigten F. auf den Betonboden um eine äußerst gefährliche Gewalthandlung handelte und der Angeklagte sich der Gefährlichkeit einer solchen Handlungsweise grundsätzlich auch bewusst war. Dieses habe er "im Rahmen seiner Einlassung in der Hauptverhandlung selbst eingeräumt, indem er angegeben hat, er wisse genau, was passieren könne, wenn man 'so etwas mache', denn er habe ja schließlich früher geboxt" (UA S. 22).
16
2. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
17
a) Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Bei der Prüfung, ob ein bedingter Tötungsvorsatz festzustellen ist, hat das Tatgericht eine umfassende Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände vorzunehmen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 176/13, NStZ-RR 2013, 341, 342; Beschluss vom 27. August 2013 - 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35, jeweils mwN). Beide Vorsatzelemente müssen zudem durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444).
18
b) Auch unter Berücksichtigung des bestehenden tatrichterlichen Bewertungsspielraums werden die Ausführungen des Landgerichts den Anforderungen an die Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gerecht.
19
aa) Das Landgericht hat die Behauptung des Angeklagten, er wisse als ehemaliger Boxer, was passiere, wenn man "so etwas mache", allein als Begründung für das Vorliegen des kognitiven Elements des bedingten Tötungsvorsatzes herangezogen. Die Strafkammer hat indes insgesamt die von den getroffenen Feststellungen abweichende Einlassung des Angeklagten als widerlegt erachtet. Eine für widerlegt erachtete - entlastende - Behauptung des Angeklagten kann aber nicht ohne Weiteres ein Belastungsindiz abgeben (vgl. Senat, Urteil vom 6. Februar 1987 - 2 StR 630/86, BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 5 und Urteil vom 5. Juli 1995 - 2 StR 137/95, BGHSt 41, 153, 154 f.; BGH, Beschluss vom 5. Januar 2000 - 3 StR 560/99, StV 2001, 439, jeweils mwN).
20
bb) Es fehlt zudem an einer umfassenden Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ein bedingter Tötungsvorsatz trotz der hohen Hemmschwelle hinsichtlich der Tötung eines Menschen nahe liegt (BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; Senat, Beschluss vom 27. August 2013 - 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35, jeweils mwN). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Täter den Kopf des Geschädigten mehrfach auf einen harten Boden schlägt (vgl. BGH, Be- schluss vom 14. Dezember 2011 - 1 StR 533/11). Indes wird schon die Bewertung des Landgerichts, hier liege eine äußerst gefährliche Gewalthandlung vor, von den Feststellungen nicht getragen. Dabei hat das Landgericht bereits den gegenläufigen indiziellen Umstand, dass die Geschädigte F. tatsächlich keine erheblichen Verletzungen erlitten hat, nicht hinreichend in die Bewertung eingestellt. Die Begründung der Schwurgerichtskammer, das Ausbleiben erheblicher Verletzungen beruhe auf "purem Zufall", lässt zudem die allein zu seinen Lasten gewertete Behauptung des Angeklagten (s. o. unter lit. aa) außer Acht, als ehemaliger Boxer sein Handeln dosieren zu können.
21
Schließlich ist der Schluss aus einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf einen (bedingten) Tötungsvorsatz nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden, den Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2007 - 3 StR 233/07, NStZ-RR 2007, 307; Senat, Beschluss vom 27. August 2013 - 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35). Dementsprechend hätte das Landgericht den Umstand, dass es sich innerhalb des dynamischen Geschehens um eine "spontane Handlung" (UA S. 37) des "in Rage" befindlichen Angeklagten gehandelt hat, bereits bei der Prüfung des kognitiven Vorsatzelements (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 212 Rdn. 12) in den Blick nehmen müssen.
22
3. Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubewertung der Tatumstände zu ermöglichen, waren neben den Feststellungen zur inneren Tatseite auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufzuheben.
23
Für den Fall, dass die neu zur Entscheidung berufene Schwurgerichtskammer (erneut) zur Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes kommen sollte , wird sie sich - eingehender als bislang geschehen - damit auseinanderzu- setzen haben, ob der Angeklagte strafbefreiend vom Versuch des Totschlags zurückgetreten ist. Den bisherigen Feststellungen ist bereits das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont), wonach sich u.a. auch die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274; Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - 2 StR 64/13, NStZ-RR 2014, 111, jeweils mwN), nicht ausreichend konkret zu entnehmen; soweit den bisherigen Feststellungen zu entnehmen sein könnte (UA S. 28), der Angeklagte sei davon ausgegangen, die Geschädigte lebensgefährlich verletzt zu haben, wäre dieses im Übrigen nicht ausreichend belegt.
24
Die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen - tateinheitlichem - versuchten besonders schweren Raubes, gefährlicher Körperverletzung und Wohnungseinbruchsdiebstahls kann nicht bestehen bleiben (vgl. Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 353 Rdn. 12). Fischer RiBGH Prof. Dr. Schmitt Krehl ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Eschelbach Zeng

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Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verneinung des Tötungsvorsatzes durch die Schwurgerichtskammer beanstandet, hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verbrachten der aus Litauen stammende Angeklagte und seine Verlobte mit weiteren Bekannten den Abend in einer russischen Bar unweit seiner Wohnung. Etwa eine Stunde nach Mitternacht besuchte auch der Geschädigte Z. mit drei litauischen Landsleuten , die im selben Mehrfamilienhaus wie der Angeklagte lebten, die Bar. In der Folgezeit unterhielt man sich und trank gemeinsam Bier, Wodka und Tequila. Als die Bar um 3.00 Uhr morgens schloss, verabredeten der Angeklagte , seine Verlobte und eine Bekannte mit den vier anderen Personen, in deren Appartement noch weiter zu feiern. Der Angeklagte, der mit seiner Verlobten zuvor noch in seine Wohnung ging, um etwas zu trinken zu holen, geriet mit ihr aus ungeklärten Gründen in Streit und ging sodann gegen 3.45 Uhr allein in das Appartement seiner vier Landsleute. Dort trank man - nachdem auch die Bekannte sich in die Wohnung des Angeklagten zurückgezogen hatte - weiter Bier und Wodka. Dabei erzählte der Angeklagte unter anderem, dass es im Lager seiner Möbelfirma Möglichkeiten gäbe, bei einmaliger Bezahlung mehrfach Waren aus dem Lager abzuholen. Dem trat das spätere Opfer Z. mit dem Hinweis entgegen, man sei in Deutschland zum Arbeiten und wolle mit solchen Dingen nichts zu tun haben.
3
Gegen 5.00 Uhr morgens schlief der Angeklagte ein. Z. weckte ihn und wollte ihn dazu bewegen, nach Hause zu gehen. Dabei wirkte der Angeklagte unzufrieden, ging dann aber doch in seine Wohnung, wobei der Grund seiner Missstimmung ungeklärt blieb. Dort stellte er fest, dass sich seine Verlobte nicht mehr in der Wohnung befand. Er kehrte darauf hin zum Appartement seiner Landsleute zurück und klingelte dort. Das Tatopfer Z. öffnete die Tür und sah den Angeklagten, wie er den Boden absuchte. Auf Nachfrage, was er dort mache, antwortete dieser wahrheitswidrig, dass er seinen Schlüssel vergessen haben müsse. Nachdem er den Geschädigten erkannt hatte, richtete er sich unvermittelt auf, bedeutete, er habe ihn gefunden, und rammte dem Opfer ein Messer in den Bauch. Z. , der eine 6-8 cm tiefe Stichverletzung im Bereich des rechten Oberbauches erlitt, stieß einen Seufzer aus und schloss die Tür. Der Geschädigte erlitt eine Perforation des Dickdarms sowie eine Verletzung des Dünndarmgekröses, die potentiell akut lebensgefährlich war und ohne sofortige, operative Versorgung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Tod des Opfers geführt hätte. Der Angeklagte flüchtete und wurde ge- gen 13.00 Uhr am Tattag festgenommen. Daraufhin entnommene Blutproben ergaben im Wege der Rückrechnung eine Blutalkoholkonzentration von mindes- tens 1,88‰ und maximal 2,97‰ zum Tatzeitpunkt.
4
2. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Von einer Bestrafung wegen eines Tötungsdeliktes hat es abgesehen, weil es einen Tötungsvorsatz nicht feststellen konnte. Die Kammer konnte sich schon nicht vom Vorliegen des Wissenselementes des Tötungsvorsatzes überzeugen. Trotz der äußerst gefährlichen Gewalthandlung, die der Angeklagte mit seinem Messerstich vorgenommen habe, sei angesichts der erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten und eines fehlenden Motivs, das den Angriff auf das Tatopfer erklären könnte, nicht anzunehmen, dass der Angeklagte die Gefahr der Tötung des Geschädigten erkannt habe. Im Übrigen seien keine hinreichenden Feststellungen zu treffen gewesen, dass der Angeklagte einen als möglich und nicht ganz fernliegend erkannten Eintritt des Todes auch gebilligt habe.

II.

5
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer einen bedingten Tötungsvorsatz abgelehnt hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, wenn sie möglich sind. Ein revisionsgerichtliches Eingreifen ist erst dann veranlasst, wenn dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.).
7
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH NStZ 2012, 443, 444). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator. Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt die Annahme von zumindest bedingtem Tötungsvorsatz nahe (st. Rspr.; BGH NStZ 2011, 338 f.). Gleichwohl können das Wissens- oder Willenselement des Vorsatzes im Einzelfall fehlen, etwa wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen , das Risiko einer Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung oder alkoholischen Beeinflussung zur Tatzeit nicht bewusst ist (vgl. BGH NStZ 2012, 151). Im Rahmen der Prüfung, ob ein Tötungsvorsatz festzustellen ist, hat das Gericht eine umfassende Gesamtwürdigung von Täter und Tatumständen vorzunehmen und dabei in seine Erwägungen alle Umstände einzubeziehen, die für oder gegen einen Tötungsvorsatz sprechen könnten.
8
2. Eine solche umfassende Gesamtwürdigung hat das Landgericht schon bei der Verneinung des Wissenselementes nicht vorgenommen. Die Kammer führt lediglich aus, dass erhöhte Anforderungen an die Feststellungen zur inneren Tatseite gelten, wenn ein einsichtiger Grund für eine so schwere Tat wie die (versuchte) Tötung eines Menschen fehle, und begnügt sich sodann mit der Feststellung, dass das Motiv des Angeklagten nicht habe aufgeklärt werden können. Zudem verweist das Landgericht auf die erhebliche Alkoholisierung. Dabei lässt die Strafkammer einen maßgeblichen Umstand unberücksichtigt, der der Tat ihr wesentliches Gepräge gibt. Nach den Feststellungen ist der Angeklagte überlegt und zielgerichtet vorgegangen. Da er nicht wusste, wer von den vier Landsleuten nach dem Klingeln die Tür öffnen würde, gab er zunächst vor, am Boden nach seinen tatsächlich nicht verlorenen Schlüsseln zu suchen, um den Öffnenden identifizieren zu können. Anschließend stach er mit einem Messer zu und fügte dem Tatopfer dabei eine 3 cm lange und etwa 6-8 cm tiefe Stichverletzung im Bereich des rechten Oberbauchs zu. Ihm kam es dabei nach der ausdrücklichen Feststellung der Strafkammer darauf an, "konkret den Zeugen Z. " zu verletzen (UA S. 11). Wieso der Angeklagte bei diesem geplanten Vorgehen die Gefahr der Tötung des ausgewählten Tatopfers nicht erkannt haben soll, hätte das Landgericht trotz der Alkoholisierung des Angeklagten ausdrücklich erörtern müssen.
9
Hinzu kommt, dass - worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist - die Beweiswürdigung, mit der die Strafkammer das Vorliegen eines Tatmotivs verneint, nicht nachvollziehbar und damit widersprüchlich ist. Zum einen geht sie davon aus, dass der Angeklagte das Tatopfer verletzten wollte, weil dieser im Laufe des Abends als Wortführer aufgetreten war, der Angeklagte sich speziell von diesem nicht ernst genommen gefühlt hatte und in seinem Stolz verletzt war (UA S. 11). Zum anderen sehen sie in "allenfalls kleineren Unstimmigkeiten mit dem Tatopfer" keinen "Beweggrund" für die Tat (UA S. 17). Dies ist miteinander unvereinbar.
Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 148/13
vom
27. August 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 27. August 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2012, soweit es sie betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten B. gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2012 wird verworfen. Der Angeklagte B. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten G. , H. und S. jeweils wegen Totschlags, den Angeklagten S. darüberhinaus tateinheitlich wegen Körperverletzung verurteilt. Gegen den Angeklagten G. hat es eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten und gegen den Angeklagten H. eine solche von neun Jahren verhängt. Den Angeklagten S. , der zum Tatzeitpunkt Heranwachsender war, hat es unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer (Einheits-)Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Den Angeklagten B. hat das Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Die Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Revision des Angeklagten B. ist unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich der später Geschädigte He. am frühen Morgen des 25. April 2011 in einer Discothek in F. auf, in der die Angeklagten als Türsteher arbeiteten. Als der Angeklagte G. versuchte, einen vermeintlich randalierenden Gast von der Theke wegzuziehen, gerieter ins Straucheln, fiel gegen den Geschädigten und schlug ihm sodann mit der Faust ins Gesicht. Als dieser zurückschlug, entwickelte sich ein Gerangel, in dem der Angeklagte G. den Geschädigten zu Boden riss. Anschließend versetzte er ihm mehrere nicht todesursächliche Faustschläge ins Gesicht. Der Geschädigte blieb am Boden liegen. Zwischenzeitlich waren die Angeklagten H. , S. und B. informiert worden und hatten sich zum Ort der Auseinandersetzung begeben. Der Angeklagte B. schirmte das Geschehen am Tatort ab. Der Angeklagte H. sprang von der Treppe zu dem am Boden liegenden Geschädigten und kniete über diesem. Ihm folgte der Angeklagte S. , der sich neben den Geschädigten stellte, um gegebenenfalls zu dessen Nachteil eingreifen zu können. Der Ange- klagte H. schlug dem Geschädigten mit der Faust mehrfach wuchtig gegen den Kopf, wobei er sich auf den Bauch des Geschädigten setzte, während der Angeklagte G. auf den Geschädigten im Bereich des Kopfes, des Oberkörpers und des Bauches eintrat. Einem Gast, der eingreifen wollte, versetzte der Angeklagte S. zwei Schläge in den Nacken.
4
Infolge der Gewalteinwirkungen erlitt der Geschädigte einen Leberriss, der entweder durch die Tritte des Angeklagten G. gegen den Bauchraum oder durch das Aufsitzen des Angeklagten H. verursacht wurde. Aufgrund der massiven inneren Blutungen verstarb der Geschädigte.
5
Im Zusammenhang mit den Feststellungen zur inneren Tatseite hat das Landgericht im Rahmen einer „umfassenden Würdigung aller maßgeblichen für und gegen einen Tötungsvorsatz“ der Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte einerseits berücksichtigt, dass „vor dem Entschluss zur Tötung eines Menschen eine viel höhere Hemmschwelle steht als vor dem Entschluss, einen Menschen zu gefährden oder zu verletzen“; andererseits hat es ausgeführt, „dasses bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen naheliegt, dass der Täter mit dem Tode des Opfers rechnet und einen solchen Erfolg auch billigend in Kauf nimmt“ (UA S. 38). Daran anknüpfend hat das Landgericht den Tötungsvorsatz der Angeklagten G. und H. aus deren Gewalthandlungen abgeleitet. Anzeichen, die das Wissens- oder Willenselement des Eventualvorsatzes in Frage stellen könnten, hat es nicht gesehen; auch das Nachtatverhalten des Angeklagten G. begründe keinen Zweifel am Vorsatz.Zur Begründung für die Feststellung, dass auch der Angeklagte S. den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen habe, hat das Landgericht angeführt, der Angeklagte habe die Gewalthandlungen zum Nachteil des Geschädigten aus unmittelbarer Nähe wahrgenommen und sei sich daher der Möglichkeit bewusst ge- wesen, dass der Geschädigte an den Folgen der Gewalthandlungen habe sterben können.

II.

6
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. haben mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.
7
1. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
a) Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Bei der Prüfung, ob ein bedingter Tötungsvorsatz festzustellen ist, hat das Tatgericht eine umfassende Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände vorzunehmen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 176/13 mwN). Beide Vorsatzelemente müssen zudem durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444).
9
b) Auch unter Berücksichtigung des bestehenden tatrichterlichen Bewertungsspielraums werden die Ausführungen des Landgerichts den Anforderungen an die Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gerecht.
10
aa) Hinsichtlich des Angeklagten S. , der selbst keine Gewalthandlungen vorgenommen hat, hat das Landgericht den bedingten Tötungsvorsatz allein aus dem Umstand abgeleitet, dass er die Gewaltanwendung der Angeklagten G. und H. wahrgenommen hat. Damit ist indes nur das Wissenselement des Vorsatzes belegt. Denn die Wahrnehmung von Gewalthandlungen allein rechtfertigt nicht ohne weiteres den Schluss auf die zumindest be- dingte Inkaufnahme des tödlichen Erfolgs (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1993 - 4 StR 470/93, StV 1994, 13, 14; Beschluss vom 6. März 2002 - 4 StR 30/02, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 54).
11
bb) Bezüglich der Angeklagten G. und H. fehlt es an einer umfassenden Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ein bedingter Tötungsvorsatz trotz der hohen Hemmschwelle hinsichtlich der Tötung eines Menschen nahe liegt (BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Täter - wie hier der Angeklagte G. - seinen Gegner zu Boden gestreckt hat und anschließend auf das infolgedessen wehrlose Opfer mehrfach im Bereich des Kopfes und der Bauchgegend eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2007 - 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640). Der Schluss aus einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf einen (bedingten) Tötungsvorsatz ist aber nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden, den Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2007 - 3 StR 233/07, NStZ-RR 2007, 307). Hieran fehlt es.
12
Das Landgericht hat den Angeklagten G. und H. im Rahmender Strafzumessung zugutegehalten, dass es sich um eine Spontantat gehandelt hat. Dieser Umstand, der einem bedingten Tötungsvorsatz entgegenstehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 4 StR 424/09, NStZ 2010, 571, 572; Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13), hätte aber nicht nur im Rahmen der Strafzumessung, sondern bereits bei der Prüfung des voluntativen Vorsatzelements erörtert werden müssen. Es kommt hinzu, dass es an einem einsichtigen Grund dafür fehlt, dass die Angeklagten in der konkreten Tatsituation den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen haben (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. August 1990 - 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 - 3 StR 344/05, NStZRR 2006, 317, 318). Dies hat die Strafkammer ebenfalls nicht in ihre Gesamtwürdigung einbezogen, obwohl sie festgestellt hat, dass - zumindest aus Sicht des Angeklagten B. - die Gewalthandlungen der Angeklagten G. und H. letztlich den Zweck verfolgten, „den Geschädigten aus der Diskothek zu schaffen“ (UA S. 14).
13
Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubewertung der Tatumstände zu ermöglichen, waren neben den Feststellungen zur inneren Tatseite auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufzuheben.
14
2. Die Revision des Angeklagten B. ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Fischer RiBGH Dr. Appl ist aus Krehl tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer RinBGH Dr. Ott ist aus Zeng tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 608/11
vom
23. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23.Februar
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
die Nebenkläger V. und T. V. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , begangen in den Varianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2 (Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges) und Nr. 5 StGB (Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft und die Eltern des Geschädigten als Nebenkläger beanstanden mit ihren Rechtsmitteln die Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionen führen zur Aufhebung des Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts.
2
1. Nach den Feststellungen hielt sich der Angeklagte am frühen Morgen des 12. Dezember 2010 gegen 03.45 Uhr mit drei Freunden auf dem Parkplatz einer Diskothek auf. Als es im Eingangsbereich zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit wechselseitigen Faustschlägen zwischen den Zeugen A. und C. kam, lief der Angeklagte in Richtung der Streitenden, um zu schlichten (UA 6/7). Etwa zum gleichen Zeitpunkt trat der ebenfalls um eine Streitschlichtung bemühte D. V. zwischen die Kontrahenten und wurde von dem Zeugen A. mit der Faust zu Boden geschlagen. Ob sich D. V. danach noch einmal zu erheben vermochte oder sofort regungslos liegenblieb, konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei feststellen. Wenige Sekunden nachdem D. V. zu Boden gegangen war, trat ihm der Angeklagte ohne nachvollziehbaren Grund aus der Körperdrehung heraus mit seiner rechten Innenfußseite gegen die rechte Wange. Zu diesem Zeitpunkt lag D. V. auf der Seite oder auf dem Rücken, sodass sein Gesicht zur Seite oder nach oben ge- richtet war. Infolge des „mit nicht genau feststellbarer Intensität“ geführten Tritts wurde der Kopf des erheblich alkoholisierten Geschädigten nach hinten ge- schleudert und „im Radius von etwa 1/2 Meter in Trittrichtung gedreht. Die Fü- ße blieben am Ort liegen“. Dabei trug der Angeklagte geschnürte Sportschuhe, deren Innenseite so hart war, dass es dadurch bei Tritten zu erheblichen Verletzungen kommen konnte (UA 7).
3
Der Zeuge C. und andere Umstehende bemühten sich sofort um eine Erstversorgung des Geschädigten und alarmierten um 3.53 Uhr den Rettungsdienst. Der Angeklagte zeigte sich ebenfalls besorgt und überließ dem Zeugen C. seine Telefonnummer. Danach fuhr er mit seinen Freunden nach Hause.
4
Als der Rettungsdienst um 4.02 Uhr eintraf, war der Geschädigte bewusstlos und ohne eigene Atmung. Bei einem Intubationsversuch stellte der kurze Zeit später hinzu gekommene Notarzt fest, dass der Deckel der Luftröhre durch einen Kaugummi verlegt und deshalb keine Versorgung mit Sauerstoff über die Atemwege mehr möglich war. Nachdem er den Kaugummistreifen mit einem Spezialinstrument entfernt hatte, konnte der Tubus gelegt und eine maschinelle Beatmung eingeleitet werden. D. V. hatte daraufhin wieder ei- nen Spontankreislauf und einen stabilen Puls. Bis zu diesem Zeitpunkt war er etwa 15 Minuten ohne Bewusstsein. Nach dem Transport ins Krankenhaus wurde bei ihm eine bis dahin unbemerkt gebliebene massive Einblutung in die weiche Hirnhaut (Subarachnoidalblutung) festgestellt, die noch am 12. Dezember 2010 eine operative Entfernung knöcherner Schädelteile erforderlich machte (Entlastungscraniektomie). D. V. verstarb am 16. Dezember 2010 an einer irreversiblen Hirnschädigung in Folge einer akuten schwersten globalen Minderversorgung des Gehirns mit Blut und Sauerstoff.
5
Das medizinisch-sachverständig beratene Landgericht geht davon aus, dass der Geschädigte auf Grund des Faustschlages des Zeugen A. seinen Kaugummi in einer Weise verschluckt hat, dass dadurch sowohl der Kehlkopf als auch die Luftröhre verlegt wurden. In der Folge kam es zu einem reflektorischen Herz-Kreislauf-Stillstand (sog. Bolustod). Die Einblutung unter die weiche Hirnhaut ist nach Ansicht des Landgerichts „am ehesten durch den Sturz des Geschädigten ausgelöst worden und kann nicht zwangsläufig auf den Tritt des Angeklagten zurückgeführt werden“. Sie wurde zudem „wohl vom Bolustod überholt“ und ist „jedenfalls nicht mehr todesursächlich geworden“.
6
2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte billigend in Kauf nahm, dass durch seinen Tritt „das Leben des Geschädigten potentiell gefährdet würde“. Eshat deshalb einen bedingten Vorsatz in Bezug auf eine das Leben gefährdende Körperverletzungshandlung entsprechend § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB für gegeben erachtet (UA 24).
7
Einen bedingten Tötungsvorsatz hat das Landgericht verneint, weil die Feststellungen nicht belegen, dass der Angeklagte bei der Ausführung des Trittes den Tod des Geschädigten billigend in Kauf nahm. Dabei hat es auf die folgenden Punkte abgestellt (UA 26):
8
Die Intensität des Trittes konnte nicht ausreichend festgestellt werden und war deshalb ohne Aussagekraft. Das Fehlen knöcherner Schädelverlet- zungen spricht eher gegen „eine besonders starke Intensität“(UA 27).
9
Eine „deutliche Motivation“ für den Tritt ist nicht feststellbar, weil der An- geklagte an der vorausgegangenen Auseinandersetzung nicht beteiligt war. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte gegenüber dem ihm unbekannten Geschädigten eine „grundsätzlich feindliche Willensrichtung“ eingenommen hatte, bestehen nicht. Eine Solidarisierung mit dem Zeugen A. , die die Annahme rechtfertigen könnte, der Angeklagte habe ihn auch um den Preis des Todes eines Menschen unterstützen wollen, ist nicht anzunehmen. A. war dem Angeklagten nur flüchtig bekannt und wurde von D. V. zuvor nicht angegriffen.
10
Der Umstand, dass dem Angeklagten seine Tat sofort Leid tat und er sich in der Folgezeit mehrfach für das Befinden des Geschädigten interessierte, ist ein „weiteres Indiz“ gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes (UA 27).
11
3. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes abgelehnt hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, wenn sie möglich sind. Ein revisionsgerichtliches Eingreifen ist erst dann veranlasst , wenn dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11, Rn. 23; Urteil vom 14. Dezember 2011 – 1 StR 501/11; KK-StPO/Schoreit, 6. Aufl., § 261 Rn. 51 mwN).
13
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699 Rn. 34 f. mwN.). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 26/99, NJW 1999, 2533, 2534; NK-StGB/Neumann 3. Aufl., § 212 Rn. 12 f.; Mößner, Die Überprüfung des bedingten Tötungsvorsatzes in der Revision S. 6 ff., jew. mwN). Bei der Würdigung des Willenselements ist neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die Betrachtung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51; Beschluss vom 1. Juni 2007 – 2 StR 133/07, NStZ-RR 2007, 267, 268; Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372 jew. mwN).
14
b) Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Entscheidung nicht gerecht.
15
Die Ausführungen des Landgerichts zur objektiven Gefährlichkeit des vom Angeklagten geführten Angriffs sind schon deshalb lückenhaft, weil sie sich nicht mit der von dem Angeklagten selbst geschilderten erheblichen Wirkung seines Tritts auf die Lage des Körpers des Geschädigten auseinanderset- zen (UA 7 und 14). Auch hätte an dieser Stelle nochmals erkennbar Berücksichtigung finden müssen, dass der Angeklagte die Trittwirkung gefährlich verstärkende Schuhe trug (UA 7) und auf den Geschädigten zu einem Zeitpunkt eintrat, als dieser – jedenfalls nach seiner Wahrnehmung (UA 13) – in Folge des Schlags des Zeugen A. regungslos am Boden lag. Bei seinen Erörterungen zum inneren Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB hat das Landgericht diese Umstände als Beleg dafür ausreichen lassen, dass der Angeklagte eine potentielle Gefährdung des Lebens seines Opfers in Kauf nahm (UA

24).


16
Die Annahme des Landgerichts, der Tritt des Angeklagten könne nicht von „besonders starker Intensität“ (UA 27) oder „nicht von übermäßiger Wucht“ (UA 19) gewesen sein, weil bei dem Geschädigten keine knöchernen Schädelverletzungen festzustellen waren, stellt einseitig auf die ex post feststellbaren Verletzungsfolgen ab (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11 Rn. 28) und lässt die generelle Gefährlichkeit derartiger Tritte außer Acht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2011 – 1 StR 179/11, Rn. 10). Sie ist zudem nicht mit der an anderer Stelle getroffenen Feststellung vereinbar, dass die Knochenbrücke zwischen den Knochendeckeln des Schädelknochens einen nicht unterbluteten Bruch aufwies (UA 11). Zwar liegt es nicht fern, dass dieser Bruch auf die später durchgeführte Entlastungscraniektomie zurückzuführen ist, doch hätte dies einer ausdrücklichen Erörterung bedurft.
17
Der Umstand, dass dem Angeklagten sein Tritt sofort Leid tat und er sich in der Folgezeit mehrfach für das Befinden des Geschädigten interessierte, durfte vom Landgericht nicht ohne weitere Darlegungen als Indiz gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gewertet werden.
18
Nachträgliches Bedauern und Rettungsversuche sagen nur bedingt etwas über die innere Haltung des Täters im Tatzeitpunkt aus, da sie nicht selten auf einer spontanen Ernüchterung beruhen und mit Blick auf die Tatfolgen von der Sorge um das eigene Wohl geleitet sind (BGH, Urteil vom 8. August2001 – 2StR 166/01, NStZ-RR 2001, 369, 370; Urteil vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630). Der Angeklagte hat hierzu angegeben, nach dem Tritt „wach geworden“ zu sein. Dabei habe er begriffen, dass er etwas ge- tan habe, was nicht in Ordnung gewesen sei (UA 14). Der Angeklagte – dessen Einlassung das Landgericht im Übrigen gefolgt ist – hat damit selbst eingeräumt , dass sein Nachtatverhalten nicht mehr Ausdruck der ihn beherrschenden inneren Einstellung im Tatzeitpunkt gewesen ist, sondern auf einer veränderten Sicht der Dinge beruhte. Hieran durfte das Landgericht nicht vorübergehen.
19
Bedenken bestehen schließlich auch insoweit, als das Landgericht in dem Umstand, dass es „keine deutliche Motivation für den Tritt“ festzustellen vermochte, ein Indiz gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gesehen hat.
20
Mit bedingten Tötungsvorsatz handelnde Täter haben kein Tötungsmotiv , sondern gehen einem anderen Handlungsantrieb nach (BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Allerdings kann sich aus der Art des jeweiligen Handlungsantriebs ein Rückschluss auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tatanreizes und damit auch auf seine Bereitschaft zur Inkaufnahme schwerster Folgen ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1990 – 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs.1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 – 3 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317,

318).


21
Das Landgericht hat mit der Verneinung einer feindlichen Grundhaltung gegenüber dem Geschädigten einerseits und einer unbedingten Solidarität mit seinem Kontrahenten A. andererseits lediglich zwei mögliche starke Handlungsantriebe ausgeschlossen. Dies allein lässt jedoch noch nicht den Schluss zu, dass es dem Angeklagten deshalb an der Bereitschaft gefehlt hat, auch schwerste Tatfolgen in Kauf zu nehmen. Stattdessen wäre es an dieser Stelle erforderlich gewesen, näher auf die Persönlichkeit des Angeklagten, sein Verhältnis zur Anwendung körperlicher Gewalt und seine Fähigkeit zur Kontrolle aggressiver Impulse einzugehen. Wie das Landgericht im Rahmen seiner Erwägungen zu § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG zutreffend festgestellt hat, lässt die Art und Weise, wie sich der Angeklagte zu der Tat hinreißen ließ, auf einen starken Mangel an Ausgeglichenheit und Besonnenheit schließen (UA 29). Auch musste er in der Vergangenheit bereits zweimal wegen Körperverletzung geahndet werden, wobei er seinen Opfern jeweils knöcherne Verletzungen des Gesichtsschädels zufügte (UA 4 f.). Mangelnde Impulskontrolle, wie sie bei dem Angeklagten schon mehrfach zutage getreten ist, führt nicht selten dazu, dass es bereits bei geringsten Anlässen zu massiven Gewalthandlungen kommt, bei denen dem Täter die Konsequenzen seines Handelns gleichgültig sind und deshalb selbst tödliche Folgen in Kauf genommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08, Rn. 9).
22
4. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Ein Eingehen auf die von der Revision erhobenen Einwände gegen die unterbliebene Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge ist unter diesen Umständen ebenso wenig erforderlich wie die Erörterung einer Strafbarkeit nach § 231 Abs. 1 Alt. 2 StGB.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 558/11
vom
22. März 2012
in der Strafsache
gegen
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
Zur "Hemmschwellentheorie" bei Tötungsdelikten.
BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11 - LG Saarbrücken
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Juni 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,
b) in den Aussprüchen über die Gesamtfreiheitsstrafe, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe vor der Unterbringung.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben ,
a) soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und
c) im gesamten Ausspruch über die verhängten Maßnahmen.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe angeordnet sowie Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB verhängt. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist mit Einzelausführungen zur Verneinung des Tötungsvorsatzes und zur Anordnung der Unterbringung in dem angefochtenen Urteil näher begründet; im danach verbleibenden Umfang hat ihre Revision Erfolg. Der Angeklagte erzielt mit seinem Rechtsmittel einen Teilerfolg.

A.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
I. Nach den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen war der Angeklagte vor den hier abgeurteilten Taten u.a. bereits wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten: Am 8. Juni 2009 ordnete das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung eine Erziehungsmaßregel und ein Zuchtmittel an. Der Angeklagte hatte im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung zweimal mit einem Schraubenzieher in den linken Mittelbauch des Geschädigten gestochen. Wegen einer etwa sechs Wochen nach dieser Ahndung begangenen (ersichtlich: vorsätzlichen) Körperverletzung verhängte das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn mit Strafbefehl vom 2. Oktober 2009 eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen. Er hatte seine damalige Lebensgefährtin so lange gewürgt, bis diese Angst hatte zu ersticken; von ihr hatte er erst abgelassen, als sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sechs Tage vor dem hier abgeurteilten Angriff auf den Nebenkläger (nachfolgend zu Ziff. III.) stellte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ein gegen den Angeklagten geführtes Ermittlungsverfahren mangels öffentlichen Interesses ein; der Angeklagte hatte einem Besucher der Saarbrücker Diskothek „ “ angedroht, er werde ihn „abstechen, wenn er herauskomme“.
4
Bei der konkreten Strafzumessung teilt das Landgericht mit, dass der Angeklagte sich darauf berufen habe, in sämtlichen Fällen von den Zeugen bewusst der Wahrheit zuwider belastet worden zu sein.
5
II. Am 12. Oktober 2010 befuhr der Angeklagte mit einem entliehenen und abredewidrig weiter genutzten Pkw Smart gegen 5.45 Uhr öffentliche Straßen in Saarbrücken, u.a. die Straße in Saarbrücken-St. Johann. Infolge seiner alkoholischen Beeinflussung – er wies bei der Tat einen Blutalko- holgehalt von mindestens 1,35 ‰ auf – verkannteer den Straßenverlauf und überfuhr ein Stopp-Schild. Es kam beinahe zu einem Zusammenstoß mit dem Kleinbus des V. , der die vorfahrtberechtigte straße befuhr. An der Kreuzung Straße/ straße stieß der Angeklagte an ei- nen eisernen Begrenzungspfosten und riss diesen um; er kam mit dem von ihm gefahrenen, schwer beschädigten Fahrzeug erst auf einem angrenzenden Schulhof zum Stehen. Seine Fahrunsicherheit hätte er bei gewissenhafter Prüfung vor Antritt der Fahrt erkennen können.
6
III. In der Nacht zum 18. November 2010 beobachtete der Angeklagte in der Saarbrücker Diskothek „ “ einen Streit zwischen zwei ihm nicht näher bekannten Personen. Als der Nebenkläger diesen Streit schlichten wollte, mischte sich auch der Angeklagte in die Auseinandersetzung ein und geriet mit dem Nebenkläger in Streit. Es kam zu wechselseitigen Beleidigungen; der Angeklagte schlug dem Nebenkläger ins Gesicht. Anschließend trennten die Türsteher die Streitenden. Etwa 20 Minuten später lebte die Auseinandersetzung vor der Diskothek erneut auf; nach weiteren wechselseitigen Beleidigungen schlug nunmehr der Nebenkläger dem Angeklagten ins Gesicht. Auch dieses Mal trennten die Türsteher die Streitenden. Nachdem man sich kurzzeitig in unterschiedliche Richtungen entfernt hatte, setzte der Nebenkläger dem Angeklagten nach und schlug ihm ein weiteres Mal ins Gesicht; im Rahmen der sich anschließenden Rangelei blieb der Angeklagte der körperlich Unterlegene. Ein drittes Mal trennten die herbeigeeilten Türsteher die Streitenden. Der Angeklagte entfernte sich. Der Nebenkläger begab sich in Begleitung eines Freundes zu einem Taxistand, an dem sich eine Gruppe von „Nachtschwärmern“ ver- sammelt hatte.
7
Nach etwa 15 Minuten kam der Angeklagte plötzlich hinter einer Ecke hervor. Er lief unmittelbar auf den Nebenkläger zu und stach seinem nichts ahnenden Opfer sofort von seitlich hinten kommend in den Rücken. Mit den Wor- ten „Verreck‘, du Hurensohn“ rammte er ihm ein 22 cm langesdoppelklingiges Messer mit einer Klingenlänge von 11 cm derart heftig in den Rücken, dass die achte Rippe des Opfers durchtrennt wurde und die Klinge anschließend noch in die Lunge eindrang. Der Nebenkläger sackte auf dem Boden zusammen. Es entwickelten sich tumultartige Zustände; der Begleiter des Nebenklägers brachte den Angeklagten zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest. Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit betrug beim Angeklagten maximal 1,58 ‰.
8
Der Nebenkläger erlitt einen Hämatopneumothorax; es bestand akute Lebensgefahr. Ohne eine sofort durchgeführte Notoperation wäre er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verstorben. Er leidet nach wie vor unter erheblichen physischen und psychischen Beeinträchtigungen.

B.


9
Die Revision des Angeklagten
10
I. Der Angeklagte hat mit seinem Revisionsangriff Erfolg, soweit er sich gegen seine Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wendet.
11
1. Die Feststellungen des Landgerichts belegen die für die Annahme einer Tat nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert nicht. Nach gefestigter Rechtsprechung muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der - was nach all- gemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH, Urteile vom 30. März 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131 f., zu § 315 c StGB, und vom 4. September 1995 – 4 StR 471/95, NJW 1996, 329 f., zu § 315 b StGB; vgl. weiter SSW-Ernemann, StGB, § 315 c Rn. 22 ff.).
12
Da für den Eintritt des danach erforderlichen konkreten Gefahrerfolgs das vom Angeklagten geführte fremde Fahrzeug nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40; Beschluss vom 19. Januar 1999 – 4 StR 663/98, NStZ 1999, 350, 351), auch der Verkehrswert und die Höhe des Schadens an dem Begrenzungspfosten nicht festgestellt sind (vgl. OLG Stuttgart DAR 1974, 106, 107; OLG Jena OLGSt § 315 c StGB Nr. 16; zur maßgeblichen Wertgrenze s. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215), kommt es auf die Begegnung mit dem Kleinbus des V. an. Nach den in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäben genügen die hierauf bezogenen Feststellungen des Landgerichts den Anforderungen zur Darlegung einer konkreten Gefahr nicht. Einen Verkehrsvorgang, bei dem es zu einem "Beinahe-Unfall" gekommen wäre - also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, "das sei noch einmal gut gegangen" (Senat, Urteile vom 30. März 1995 und vom 4. September 1995, jew. aaO) -, hat das Schwurgericht nicht mit Tatsachen belegt. Dass sich beide Fahrzeuge beim Querverkehr in enger räumlicher Nähe zueinander befunden haben, genügt für sich allein nicht. Insbesondere ergeben die bisher getroffenen Feststellungen nicht, dass es dem Angeklagten und V. etwa nur auf Grund überdurchschnittlich guter Re- aktion sozusagen im allerletzten Moment gelungen ist, einer sonst drohenden Kollision durch Ausweichen zu begegnen.
13
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs entzieht der hierwegen verhängten Einzelstrafe, der Gesamtstrafe und den Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB die Grundlage.
14
3. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist „vollumfänglich“ der psychiatrischen Sachverständigen gefolgt, welche die negative Gefahrenprognose mit „seiner (des Angeklagten) offenkundigen sich steigernden Neigung zu körperlichen Übergriffen“ begründet hat.Im Rahmen der konkreten Strafzumessung teilt das Schwurgericht mit, dass es, nachdem der Angeklagte behauptet hatte, früherer Aggressionsdelikte bewusst wahrheitswidrig beschuldigt worden zu sein, „die Anträge der Verteidigung auf Sachverhaltsaufklärung aller vorheriger Verfahren zurückgewiesen“ und „lediglich die Warn- funktion der beiden Vorstrafen“ berücksichtigt hat. Danach findet die die Prog- nose tragende Erwägung in den getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage.
15
II. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
16
III. 1. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird zunächst die Verkehrssituation, in der sich die beiden beteiligten Fahrzeuge bei ihrer Annäherung im Vorfallszeitpunkt befanden, näher aufzuklären haben. Auch wenn an die diesbezüglichen Feststellungen im Urteil keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Senat, Urteil vom 30. März 1995, aaO), wird sich der Tatrichter um nähere Ermittlung der von beiden Fahrzeugen im Vorfallszeitpunkt gefahrenen Geschwindigkeiten, ihrer Entfernung zueinander, zur Beschaffenheit des Straßenverlaufs und der Kreuzung sowie der am Vorfallsort bestehenden Ausweichmöglichkeiten zu bemühen und das Ergebnis in einer Weise im Urteil darzulegen haben, die dem Revisionsgericht eine Nachprüfung ermöglicht, ob eine - wie beschrieben - konkrete Gefahr im Sinne eines "Beinahe -Unfalls" bereits vorlag.
17
2. Der neue Tatrichter wird auch die Einwendungen der revisionsführenden Staatsanwaltschaft und des Generalbundesanwalts gegen die Unterbringungsanordnung zu berücksichtigen haben.

C.


18
Die Revision der Staatsanwaltschaft
19
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg.
20
I. Das Rechtsmittel ist zulässig.
21
1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft entgegen § 344 Abs. 1 StPO innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO) keinen Revisionsantrag gestellt. Sie hat bis zu diesem Zeitpunkt lediglich die bereits in ihrer Einlegungsschrift vorgebrachte allgemeine Sachrüge erhoben. Diese – auch Nr. 156 Abs. 2 RiStBV widersprechende – Verfahrensweise ist in dem hier gegebenen Einzelfall aber unschädlich. Freilich hat der Bundesgerichtshof wie- derholt Revisionen der Staatsanwaltschaft, die ohne Antragstellung lediglich mit der allgemeinen Sachrüge begründet waren, für unzulässig gehalten. Dies betraf jedoch Strafverfahren, in denen einem (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 – 5 StR 69/03, bei Becker NStZ-RR 2004, 228) oder mehreren Angeklagten (BGH, Beschluss vom 7. November 2002 – 5 StR 336/02, NJW 2003, 839) eine Vielzahl von Straftaten zur Last gelegt oder in denen der Angeklagte teilweise freigesprochen worden war und die Angriffsrichtung des Rechtsmittels bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist unklar blieb (BGH, Beschluss vom 5. November 2009 – 2 StR 324/09, NStZ-RR 2010, 288). So verhält es sich hier nicht: Gegenstand des von der Staatsanwaltschaft angefochtenen Urteils sind lediglich zwei Taten; in der Erhebung der uneingeschränkten allgemeinen Sachrüge ist daher die Erklärung der revisionsführenden Staatsanwaltschaft zu sehen, dass das Urteil insgesamt angefochten werde (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 344 Rn. 3 m.w.N.).
22
2. Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat die Staatsanwaltschaft mit Schriftsatz vom 12. September 2011 einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt. Mit ihren Einzelausführungen hat sie sodann jedoch lediglich gerügt, dass das Landgericht in dem oben unter A. III. geschilderten Fall zu Unrecht den Tötungsvorsatz des Angeklagten verneint hat; außerdem hat sie die Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beanstandet. Dies ist als Teilrücknahme gemäß § 302 Abs. 1 Satz 1 StPO zu werten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2005 – 5 StR 86/05 und vom 6. Juli 2005 – 2 StR 131/05) und führt dazu, dass der Schuldspruch wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, die dieserhalb verhängte Einzelstrafe und die Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB nicht (mehr) auf Revision der Staatsanwaltschaft zu überprüfen sind.
23
II. In dem vorgenannten Umfang erweist sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft als begründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
24
1. Nach Auffassung des Schwurgerichts sprechen zwar nicht unerhebliche Gesichtspunkte für einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz, nämlich insbesondere die erhebliche Wucht des von dem Ausspruch „Verreck‘, du Hurensohn“ begleiteten Messerstichs. Dagegenstehe indes die Tatsache, dass der Angeklagte lediglich einen Stich ausgeführt habe und darüber hinaus auch nicht unerheblich alkoholisiert gewesen sei. „Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Hemmschwellentheorie sieht die Kammer im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten einen Tötungsvorsatz als nicht mit letzter Sicherheit erwiesen an.“
25
2. Diese Beweiserwägungen halten – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, m.w.N.) – rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Begründung, mit der das Landgericht meinte, dem Angeklagten nicht wenigstens bedingten Tötungsvorsatz nachweisen zu können, ist lückenhaft und teilweise widersprüchlich.
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).
27
b) Diese Prüfung lässt das Landgericht vermissen. Seinen knappen Ausführungen kann der Senat schon nicht die erforderliche Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände entnehmen. Es wird darüber hinaus nicht erkennbar, ob das Schwurgericht bereits Zweifel daran hatte, dass der Angeklagte den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkannte, oder nur daran, dass er ihn billigte oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfand.
28
aa) Soweit die Alkoholisierung des Angeklagten angesprochen wird, könnte dies für Zweifel des Landgerichts auch am Wissenselement sprechen. Abgesehen davon jedoch, dass eine maximale Alkoholkonzentration von 1,58 ‰ bei dem zur Tatzeit trinkgewohnten Angeklagten keinen Anhalt für solche Zweifel begründet, leidet das angefochtene Urteil an dieser Stelle – wie der Generalstaatsanwalt in Saarbrücken zu Recht geltend macht – an einem inneren Widerspruch: Während die Alkoholisierung bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes als „nicht unerheblich“ bezeichnet wird, geht das Schwurgericht im Zusammenhang mit § 64 StGB – in Übereinstimmung mit der gehörten Sachverständigen – von einer „lediglich geringe(n) Beeinträchtigung durch Alkohol“ aus. Auch bei der Prüfung verminderter Schuldfähigkeit gelangt das sachverständig beratene Landgericht „nicht zu der Annahme einer erheblichen Beeinflussung“ des Angeklagten. Es legt auch nicht dar, wieso die den Stich begleitende Bemerkung überhaupt Raum für Zweifel daran lässt, dass der Angeklagte, dem die Lebensgefährlichkeit des Messerstichs bewusst war (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB), die Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs erkannt hat. Insgesamt ergeben sich aus den bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen könnten, eine psychische Beeinträchtigung habe dem Angeklagten die Erkenntnis einer möglichen tödlichen Wirkung seines in den oberen Rückenbereich zielenden, in hohem Maße lebensgefährlichen Angriffs verstellt (vgl. zur Allgemeinkundigkeit dieses Umstands BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08 und zur Entbehrlichkeit medizinischen Detailwissens BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NStZ 2006, 444, 445).
29
bb) Die Annahme einer Billigung liegt nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2005 – 4 StR 109/05, NStZ-RR 2005, 372; Urteil vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.). Hierbei sind die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise –, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Mo- tivation in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen (vgl. BGH, Urteile vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, und vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Vertrauen auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolgs regelmäßig dann zu verneinen, wenn der vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe kommt, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann (BGH, Urteile vom 16. September 2004 – 1 StR 233/04, NStZ 2005, 92, vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630, und vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 360/11).
30
Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der Lebensgefährlichkeit des Messerstichs ernsthaft und nicht nur vage (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1990 – 3 StR 332/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24) darauf vertraut haben könnte, der Nebenkläger würde nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festgestellt und liegen bei dem Tatgeschehen auch fern (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1991 – 2 StR 333/90, NStE Nr. 27 zu § 212 StGB, und vom 18. Oktober 2006 – 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151). Entgegen der Meinung des Landgerichts spricht insbesondere das Unterlassen weiterer Angriffe nicht gegen die Billigung des Todes. Nach dem Messerstich sackte der – nach dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen konkret lebensbedrohlich verletzte – Nebenkläger zu Boden; es ist schon nicht festgestellt, ob der Angeklagte davon ausging, ihn bereits tödlich verletzt zu haben, so dass es aus seiner Sicht weiterer Stiche nicht bedurfte (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08). Außerdem brachte der Begleiter des Nebenklägers den Angeklagten mit Gewalt zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest; auch brach infolge der Tat ein Tumult aus. Danach liegt es nicht nahe, dass der Angeklagte überhaupt noch die Gelegenheit zu einem weiteren Messerstich auf sein am Boden liegendes Opfer hatte.
31
cc) Soweit das Landgericht sich ergänzend auf eine „Hemmschwellentheorie“ berufen hat, hat es deren Bedeutung für die Beweiswürdigung verkannt.
32
Es hat schon nicht mitgeteilt, was es darunter im Einzelnen versteht und in welchem Bezug eine solche „Theorie“ zu dem von ihm zu beurteilenden Fall stehen soll. Die bloße Erwähnung dieses Schlagworts wird vom Generalstaatsanwalt in Saarbrücken und vom Generalbundesanwalt daher mit Recht als „pauschal“ bzw. „formelhaft“ bezeichnet. Zwarhat auch der Bundesgerichtshof immer wieder auf die „für Tötungsdelikte deutlich höhere Hemmschwelle“ hin- gewiesen (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; abl. z.B. Brammsen JZ 1989, 71, 78; Fahl NStZ 1997, 392; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 212 Rn. 15 f.; Geppert Jura 2001, 55, 59; SSW-StGB/Momsen § 212 Rn. 12; Paeffgen, FS für Puppe, 791, 797 Fn. 25, 798 Fn. 30; NKStGB /Puppe, 3. Aufl., § 212 Rn. 97 ff.; Rissing-van Saan, FS für Geppert, 497, 505 f., 510; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, 4. Aufl., § 12 Rn. 79 ff.; MünchKommStGB /Schneider § 212 Rn. 48 f.; SK-StGB/Sinn § 212 Rn. 35; Trück NStZ 2005, 233, 234 f.; Verrel NStZ 2004, 233 ff.; vgl. auch Altvater NStZ 2005, 22, 23), allerdings auch gemeint, in Fällen des Unterlassens bestünden „generell keine psychologisch vergleichbaren Hemmschwellen vor einem Tötungs- vorsatz“ (BGH,Urteil vom 7. November 1991 – 4 StR 451/91, NJW 1992, 583, 584; dazu Puppe NStZ 1992, 576, 577: „Anfang vom Ende der Hemm- schwellentheorie“).Für Fälle des positiven Tuns hat er an das Postulat einer Hemmschwelle anknüpfend weiter ausgeführt, dass selbst die offen zutage tretende Lebensgefährlichkeit zugefügter Verletzungen ein zwar gewichtiges Indiz, nicht aber einen zwingenden Beweisgrund für einen (bedingten) Tötungsvorsatz des Täters bedeute, der Tatrichter vielmehr gehalten sei, in seine Beweiserwägungen alle Umstände einzubeziehen, welche die Überzeugung von einem Handeln mit (bedingtem) Tötungsvorsatz in Frage stellen könnten (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 1997 – 3 StR 569/97, NStZ-RR 1998, 101, vom 8. Mai 2001 – 1 StR 137/01, NStZ 2001, 475, 476, und vom 2. Februar 2010 – 3 StR 558/09, NStZ 2010, 511, 512);sachlich vergleichbar fordern andere Entscheidungen vom Tatrichter, immer auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen , dass der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut habe, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten (BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2008 – 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91, und vom 22. April 2009 – 5 StR 88/09, NStZ 2009, 503; Urteil vom 25. März 2010 – 4 StR 594/09 m.w.N.). Wieder andere Entscheidungen verlangen „eine eingehende Prüfung anhand aller Umstände des Einzelfalles“ (BGH, Urteil vom 8. März 2001 – 4 StR 477/00, StV 2001, 572; ähnlich bereits BGH, Beschluss vom 27. November 1975 – 4 StR 637/75, VRS 50, 94, 95).
33
An den rechtlichen Anforderungen ändert sich indessen nichts, wenn die zur Annahme oder Verneinung bedingten Tötungsvorsatzes führende Beweiswürdigung ohne Rückgriff auf das Postulat einer Hemmschwelle überprüft wird (BGH, Urteile vom 3. Juli 1986 – 4 StR 258/86, NStZ 1986, 549, 550, und vom 7. August 1986 – 4 StR 308/86, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3 [jeweils: sorgfältige Prüfung], sowie vom 11. Dezember 2001 – 1 StR 408/01, NStZ 2002, 541, 542 [Ausführungen zu einer Hemmschwelle bei stark alkoholisiertem Täter ohne Motiv nicht geboten]; ebenso für Fälle affektiv erregter, alkoholisierter , ohne Motiv, spontan oder unüberlegt handelnder Täter BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 1986 – 4 StR 563/86, StV 1987, 92, vom 7. Juli 1999 – 2 StR 177/99, NStZ 1999, 507, 508,und vom 7. November 2002 – 3 StR 216/02, NStZ 2004, 51; Urteil vom 14. November 2001 – 3 StR 276/01; Beschluss vom 2. Dezember 2003 – 4 StR 385/03, NStZ 2004, 329, 330; Urteil vom 14. Dezember 2004 - 4 StR 465/04; Beschluss vom 20. September2005 – 3StR 324/05, NStZ 2006, 169, 170; Urteile vom 30. August 2006 – 2 StR 198/06, NStZ-RR 2007, 43, 44 [zusätzlich gruppendynamischer Prozess], vom 18. Januar 2007 – 4 StR 489/06, NStZ-RR 2007, 141, 142, und vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630; Beschluss vom 6. Dezember 2011 – 3 StR 398/11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Januar 2003 – 4 StR 526/02, NStZ 2003, 369).
34
Im Verständnis des Bundesgerichtshofs erschöpft sich die „Hemmschwellentheorie“ somit in einem Hinweis auf § 261 StPO (BGH, Urteil vom 11. Januar 1984 – 2 StR 615/83, StV 1984, 187, Beschluss vom 27. Juni 1986 – 2 StR 312/86, StV 1986, 421, Urteile vom 22. November 2001 – 1 StR 369/01, NStZ 2002, 314, 315, vom 23. April 2003 – 2 StR 52/03, NStZ 2003, 603, 604, und vom 16. Oktober 2008 – 4 StR 369/08, NStZ 2009, 210, 211: jeweils sorgfältige Prüfung; vgl. weiter BGH, Urteil vom 25. November 1987 – 3 StR 449/87, NStZ 1988, 175; Beschlüsse vom 19. Juli 1994 – 4 StR 348/94, NStZ 1994, 585, und vom 25. November 2010 – 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338, 339; Urteil vom 15. Dezember 2010 – 2 StR 531/10, NStZ 2011, 210, 211; MünchKommStGB/Schneider § 212 Rn. 48: „prozessuale Selbstver- ständlichkeit“).Der Bundesgerichtshof hat demgemäß immer wieder hervorgehoben , dass durch sie die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensge- fährlichkeit von Gewalthandlungen als ein gewichtiges auf Tötungsvorsatz hinweisendes Beweisanzeichen (BGH, Urteil vom 24. April 1991 – 3 StR 493/90) in der praktischen Rechtsanwendung nicht in Frage gestellt oder auch nur relativiert werden solle (BGH, Urteile vom 24. März 1993 – 3 StR 485/92, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35, vom 12. Januar 1994 – 3 StR 636/93, NStE Nr. 33 zu § 212 StGB, vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51, und vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372), auch nicht bei Taten zum Nachteil des eigenen Kindes (BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 – 5 StR 92/07, NStZ-RR 2007, 304, 305). Zur Verneinung des voluntativen Vorsatzelements bedarf es vielmehr in jedem Einzelfall tragfähiger Anhaltspunkte dafür, dass der Täter ernsthaft darauf vertraut haben könnte, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen (BGH, Urteile vom 24. März 2005 – 3 StR 402/04, vom 9. August 2005 – 5 StR 352/04, NStZ 2006, 98, 99, vom 25. Mai 2007 – 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640, und vom 16. Oktober 2008 aaO; Trück aaO S. 239 f.). Daran fehlt es hier (vgl. vorstehend unter bb).
35
Der Hinweis des Landgerichts auf eine „Hemmschwellentheorie“ entbehrt somit jedes argumentativen Gewichts. Im Übrigen hätte das Schwurgericht sich – von seinem Standpunkt aus – damit auseinander setzen müssen, dass schon der festgestellte Handlungsablauf, nämlich das wuchtige und zielgerichtete Stechen eines Messers aus schnellem Lauf in den Rücken eines ahnungslosen Opfers, das Überwinden einer etwa vorhandenen Hemmschwelle voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08). Auch ist eine erhebliche Alkoholisierung (oder ein Handeln in affektiver Erregung und aufgrund spontanen Entschlusses) nach sicherer Erfahrung gerade besonders geeignet, eine etwa vorhandene Hemmschwelle auch für äußerst gefährliche Gewalthandlungen herabzusetzen (BGH, Urteil vom 24. Februar 2010 – 2 StR 577/09, NStZ- RR 2010, 214, 215; NK-StGB/Puppe, 3. Aufl., § 15 Rn. 93; Rissing-van Saan, aaO, S. 515; Roxin, aaO, Rn. 81; MünchKommStGB/Schneider § 212 Rn. 50; Trück aaO S. 238; Verrel aaO S. 311).
36
dd) Nach alledem kann der Senat offen lassen, ob die zusammenfassende Bemerkung des Landgerichts, es sehe „einen Tötungsvorsatz als nicht mit letzter Sicherheit erwiesen an“, nicht auf eine Überspannung der Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung hindeutet. Auch bedarf es keiner Entscheidung, ob hier nicht – etwa im Blick auf die den Messerstich begleitende Äußerung des Angeklagten – die Annahme direkten Tötungsvorsatzes näher liegt.
37
3. Auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht der Schuldspruch wegen der Tat zum Nachteil des Nebenklägers. Nach den bisherigen Feststellungen liegt die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts vom Tötungsversuch nicht nahe (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2010 – 2 StR 536/10, NStZ 2011, 209).
38
III. Der aufgezeigte Mangel zwingt zur Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung , weil ein versuchtes Tötungsdelikt hierzu in Tateinheit stünde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, NStZ 1997, 276; Beschluss vom 27. Juni 2000 – 4 StR 211/00). Dies entzieht der hierwegen verhängten Einzelfreiheitsstrafe , der Gesamtfreiheitsstrafe und der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nebst teilweisem Vorwegvollzug der Gesamtstrafe die Grundlage.
39
IV. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs zum Tötungsvorsatz ab. Er legt ihr vielmehr die sog. Hemmschwellentheorie in dem in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Verständnis zu Grunde (vgl. oben C. II. 2. b) cc).
Ernemann Cierniak Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 148/13
vom
27. August 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 27. August 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2012, soweit es sie betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten B. gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2012 wird verworfen. Der Angeklagte B. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten G. , H. und S. jeweils wegen Totschlags, den Angeklagten S. darüberhinaus tateinheitlich wegen Körperverletzung verurteilt. Gegen den Angeklagten G. hat es eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten und gegen den Angeklagten H. eine solche von neun Jahren verhängt. Den Angeklagten S. , der zum Tatzeitpunkt Heranwachsender war, hat es unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer (Einheits-)Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Den Angeklagten B. hat das Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Die Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Revision des Angeklagten B. ist unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich der später Geschädigte He. am frühen Morgen des 25. April 2011 in einer Discothek in F. auf, in der die Angeklagten als Türsteher arbeiteten. Als der Angeklagte G. versuchte, einen vermeintlich randalierenden Gast von der Theke wegzuziehen, gerieter ins Straucheln, fiel gegen den Geschädigten und schlug ihm sodann mit der Faust ins Gesicht. Als dieser zurückschlug, entwickelte sich ein Gerangel, in dem der Angeklagte G. den Geschädigten zu Boden riss. Anschließend versetzte er ihm mehrere nicht todesursächliche Faustschläge ins Gesicht. Der Geschädigte blieb am Boden liegen. Zwischenzeitlich waren die Angeklagten H. , S. und B. informiert worden und hatten sich zum Ort der Auseinandersetzung begeben. Der Angeklagte B. schirmte das Geschehen am Tatort ab. Der Angeklagte H. sprang von der Treppe zu dem am Boden liegenden Geschädigten und kniete über diesem. Ihm folgte der Angeklagte S. , der sich neben den Geschädigten stellte, um gegebenenfalls zu dessen Nachteil eingreifen zu können. Der Ange- klagte H. schlug dem Geschädigten mit der Faust mehrfach wuchtig gegen den Kopf, wobei er sich auf den Bauch des Geschädigten setzte, während der Angeklagte G. auf den Geschädigten im Bereich des Kopfes, des Oberkörpers und des Bauches eintrat. Einem Gast, der eingreifen wollte, versetzte der Angeklagte S. zwei Schläge in den Nacken.
4
Infolge der Gewalteinwirkungen erlitt der Geschädigte einen Leberriss, der entweder durch die Tritte des Angeklagten G. gegen den Bauchraum oder durch das Aufsitzen des Angeklagten H. verursacht wurde. Aufgrund der massiven inneren Blutungen verstarb der Geschädigte.
5
Im Zusammenhang mit den Feststellungen zur inneren Tatseite hat das Landgericht im Rahmen einer „umfassenden Würdigung aller maßgeblichen für und gegen einen Tötungsvorsatz“ der Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte einerseits berücksichtigt, dass „vor dem Entschluss zur Tötung eines Menschen eine viel höhere Hemmschwelle steht als vor dem Entschluss, einen Menschen zu gefährden oder zu verletzen“; andererseits hat es ausgeführt, „dasses bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen naheliegt, dass der Täter mit dem Tode des Opfers rechnet und einen solchen Erfolg auch billigend in Kauf nimmt“ (UA S. 38). Daran anknüpfend hat das Landgericht den Tötungsvorsatz der Angeklagten G. und H. aus deren Gewalthandlungen abgeleitet. Anzeichen, die das Wissens- oder Willenselement des Eventualvorsatzes in Frage stellen könnten, hat es nicht gesehen; auch das Nachtatverhalten des Angeklagten G. begründe keinen Zweifel am Vorsatz.Zur Begründung für die Feststellung, dass auch der Angeklagte S. den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen habe, hat das Landgericht angeführt, der Angeklagte habe die Gewalthandlungen zum Nachteil des Geschädigten aus unmittelbarer Nähe wahrgenommen und sei sich daher der Möglichkeit bewusst ge- wesen, dass der Geschädigte an den Folgen der Gewalthandlungen habe sterben können.

II.

6
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. haben mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.
7
1. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
a) Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Bei der Prüfung, ob ein bedingter Tötungsvorsatz festzustellen ist, hat das Tatgericht eine umfassende Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände vorzunehmen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 176/13 mwN). Beide Vorsatzelemente müssen zudem durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444).
9
b) Auch unter Berücksichtigung des bestehenden tatrichterlichen Bewertungsspielraums werden die Ausführungen des Landgerichts den Anforderungen an die Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gerecht.
10
aa) Hinsichtlich des Angeklagten S. , der selbst keine Gewalthandlungen vorgenommen hat, hat das Landgericht den bedingten Tötungsvorsatz allein aus dem Umstand abgeleitet, dass er die Gewaltanwendung der Angeklagten G. und H. wahrgenommen hat. Damit ist indes nur das Wissenselement des Vorsatzes belegt. Denn die Wahrnehmung von Gewalthandlungen allein rechtfertigt nicht ohne weiteres den Schluss auf die zumindest be- dingte Inkaufnahme des tödlichen Erfolgs (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1993 - 4 StR 470/93, StV 1994, 13, 14; Beschluss vom 6. März 2002 - 4 StR 30/02, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 54).
11
bb) Bezüglich der Angeklagten G. und H. fehlt es an einer umfassenden Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ein bedingter Tötungsvorsatz trotz der hohen Hemmschwelle hinsichtlich der Tötung eines Menschen nahe liegt (BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Täter - wie hier der Angeklagte G. - seinen Gegner zu Boden gestreckt hat und anschließend auf das infolgedessen wehrlose Opfer mehrfach im Bereich des Kopfes und der Bauchgegend eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2007 - 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640). Der Schluss aus einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf einen (bedingten) Tötungsvorsatz ist aber nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden, den Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2007 - 3 StR 233/07, NStZ-RR 2007, 307). Hieran fehlt es.
12
Das Landgericht hat den Angeklagten G. und H. im Rahmender Strafzumessung zugutegehalten, dass es sich um eine Spontantat gehandelt hat. Dieser Umstand, der einem bedingten Tötungsvorsatz entgegenstehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 4 StR 424/09, NStZ 2010, 571, 572; Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13), hätte aber nicht nur im Rahmen der Strafzumessung, sondern bereits bei der Prüfung des voluntativen Vorsatzelements erörtert werden müssen. Es kommt hinzu, dass es an einem einsichtigen Grund dafür fehlt, dass die Angeklagten in der konkreten Tatsituation den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen haben (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. August 1990 - 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 - 3 StR 344/05, NStZRR 2006, 317, 318). Dies hat die Strafkammer ebenfalls nicht in ihre Gesamtwürdigung einbezogen, obwohl sie festgestellt hat, dass - zumindest aus Sicht des Angeklagten B. - die Gewalthandlungen der Angeklagten G. und H. letztlich den Zweck verfolgten, „den Geschädigten aus der Diskothek zu schaffen“ (UA S. 14).
13
Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubewertung der Tatumstände zu ermöglichen, waren neben den Feststellungen zur inneren Tatseite auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufzuheben.
14
2. Die Revision des Angeklagten B. ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Fischer RiBGH Dr. Appl ist aus Krehl tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer RinBGH Dr. Ott ist aus Zeng tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 533/11
vom
14. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Dezember 2011 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 31. Mai 2011 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:

1
Der Angeklagte wurde wegen eines Überfalls auf den Kellner und den letzten Gast eines Lokals unter anderem wegen versuchten Mordes am Kellner zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat bemerkt zur Bewertung der Feststellungen, die zum Verhalten des Angeklagten beim Verlassen des Tatorts angefallen sind:
2
1. Der Angeklagte und ein früherer Mitangeklagter hatten den Kellner in der Toilette zunächst mit heftigen Faustschlägen ins Gesicht zu Boden ge- streckt; der Angeklagte schlug dann fünfmal dessen Kopf „mit voller Wucht auf den harten Fliesenboden“, der Mitangeklagtenahm den Geldbeutel weg. Der Angeklagte drohte dem Kellner ständig, ihn umzubringen, wenn er nicht sage, wo weiteres Geld ist. Ein weiterer Mitangeklagter kam hinzu und schlug mit einem Hammer auf den Kellner ein. Am Ende blieb dieser mit massiven Verletzungen blutüberströmt und gefesselt zurück, der Angeklagte drohte ihm zuletzt noch, er solle ja nicht folgen, sonst werde er sterben.
3
2. Lägen keine weiteren Erkenntnisse vor, hätten die genannten Äußerungen ausdrückliche Erörterungen gebieten können zu dem von der Strafkammer angenommenen (bedingten) Tötungsvorsatz ebenso wie vor allem zu der vom Generalbundesanwalt aufgeworfenen Frage, ob der Angeklagte beim Verlassen des Tatorts möglicherweise geglaubt haben könnte, noch nicht alles für die Tötung Erforderliche getan zu haben (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2001 - 3 StR 231/01), sodass er - unbeschadet etwaiger Besonderheiten wegen der Mitwirkung mehrerer Täter, die gleichzeitig den Tatort verließen - allein durch das Absehen von weiteren Handlungen freiwillig vom Mordversuch zurückgetreten sein könnte.
4
3. Die Strafkammer hat jedoch auf Grund der Angaben des Angeklagten und der Mitangeklagten (rechtsfehlerfrei) festgestellt, dass diese sich nach der Tat auf ihrer Flucht darüber unterhielten, „ob eines der Opfer [der Versuch eines Mitangeklagten, den Gast während des Überfalls zu ermorden, wurde dem Angeklagten nicht angelastet] … verstorben sein könnte“. Dies erhärtet die sich angesichts des ungewöhnlich brutalen Vorgehens ohnehin aufdrängende Annahme eines (bedingten) Tötungsvorsatzes schon bei der Tat und zeigt zugleich , dass der Angeklagte beim Verlassen des Tatorts zumindest für möglich hielt, dass der Geschädigte auf Grund der ihm bereits zugefügten Verletzungen sterben könnte. Eine andere Bewertung könnte nur bei erkennbaren Anhaltspunkten dafür in Betracht kommen, dass der Angeklagte erst später die Möglichkeit des Todes des Kellners erkannt haben könnte (zu derartigen Fallgestaltungen vgl. zum Vorsatz BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 1 StR 537/10; zum Rücktritt BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 3 StR 384/09; Urteil vom 3. Juni 2008 - 1 StR 59/08). Dies ist nicht der Fall; bloß theoretische Möglichkeiten brauchte die Strafkammer auch nicht zu erörtern (BGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11 mwN).
5
4. Die Drohung des Angeklagten gegenüber dem Kellner, er werde sterben , wenn er sich rühren und ihm (dem Angeklagten) folgen würde, stellt sich daher nur als die Drohung des Angeklagten dar, den von ihm bisher - nur - billigend in Kauf genommenen Tod des Kellners, auf den es ihm also nicht entscheidend angekommen war, dann auf jeden Fall herbeizuführen. Den vorangegangenen bedingten Tötungsvorsatz stellt dies offensichtlich nicht in Frage. Entsprechendes gilt hinsichtlich eines Rücktritts. Allein der Verzicht darauf, durch weitere Gewalttätigkeit den auch schon auf Grund der bisherigen Gewaltanwendung für möglich gehaltenen Tod auf jeden Fall herbeizuführen, kann die Annahme eines Rücktritts durch bloßes Nicht-weiter-Handeln (Rücktritt vom unbeendeten Versuch) nicht begründen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2011 - 1 StR 20/11).
6
Auch im Übrigen ist die Revision unbegründet, wie dies der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat.
Nack Wahl Elf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 148/13
vom
27. August 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 27. August 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2012, soweit es sie betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten B. gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2012 wird verworfen. Der Angeklagte B. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten G. , H. und S. jeweils wegen Totschlags, den Angeklagten S. darüberhinaus tateinheitlich wegen Körperverletzung verurteilt. Gegen den Angeklagten G. hat es eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten und gegen den Angeklagten H. eine solche von neun Jahren verhängt. Den Angeklagten S. , der zum Tatzeitpunkt Heranwachsender war, hat es unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer (Einheits-)Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Den Angeklagten B. hat das Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Die Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Revision des Angeklagten B. ist unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich der später Geschädigte He. am frühen Morgen des 25. April 2011 in einer Discothek in F. auf, in der die Angeklagten als Türsteher arbeiteten. Als der Angeklagte G. versuchte, einen vermeintlich randalierenden Gast von der Theke wegzuziehen, gerieter ins Straucheln, fiel gegen den Geschädigten und schlug ihm sodann mit der Faust ins Gesicht. Als dieser zurückschlug, entwickelte sich ein Gerangel, in dem der Angeklagte G. den Geschädigten zu Boden riss. Anschließend versetzte er ihm mehrere nicht todesursächliche Faustschläge ins Gesicht. Der Geschädigte blieb am Boden liegen. Zwischenzeitlich waren die Angeklagten H. , S. und B. informiert worden und hatten sich zum Ort der Auseinandersetzung begeben. Der Angeklagte B. schirmte das Geschehen am Tatort ab. Der Angeklagte H. sprang von der Treppe zu dem am Boden liegenden Geschädigten und kniete über diesem. Ihm folgte der Angeklagte S. , der sich neben den Geschädigten stellte, um gegebenenfalls zu dessen Nachteil eingreifen zu können. Der Ange- klagte H. schlug dem Geschädigten mit der Faust mehrfach wuchtig gegen den Kopf, wobei er sich auf den Bauch des Geschädigten setzte, während der Angeklagte G. auf den Geschädigten im Bereich des Kopfes, des Oberkörpers und des Bauches eintrat. Einem Gast, der eingreifen wollte, versetzte der Angeklagte S. zwei Schläge in den Nacken.
4
Infolge der Gewalteinwirkungen erlitt der Geschädigte einen Leberriss, der entweder durch die Tritte des Angeklagten G. gegen den Bauchraum oder durch das Aufsitzen des Angeklagten H. verursacht wurde. Aufgrund der massiven inneren Blutungen verstarb der Geschädigte.
5
Im Zusammenhang mit den Feststellungen zur inneren Tatseite hat das Landgericht im Rahmen einer „umfassenden Würdigung aller maßgeblichen für und gegen einen Tötungsvorsatz“ der Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte einerseits berücksichtigt, dass „vor dem Entschluss zur Tötung eines Menschen eine viel höhere Hemmschwelle steht als vor dem Entschluss, einen Menschen zu gefährden oder zu verletzen“; andererseits hat es ausgeführt, „dasses bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen naheliegt, dass der Täter mit dem Tode des Opfers rechnet und einen solchen Erfolg auch billigend in Kauf nimmt“ (UA S. 38). Daran anknüpfend hat das Landgericht den Tötungsvorsatz der Angeklagten G. und H. aus deren Gewalthandlungen abgeleitet. Anzeichen, die das Wissens- oder Willenselement des Eventualvorsatzes in Frage stellen könnten, hat es nicht gesehen; auch das Nachtatverhalten des Angeklagten G. begründe keinen Zweifel am Vorsatz.Zur Begründung für die Feststellung, dass auch der Angeklagte S. den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen habe, hat das Landgericht angeführt, der Angeklagte habe die Gewalthandlungen zum Nachteil des Geschädigten aus unmittelbarer Nähe wahrgenommen und sei sich daher der Möglichkeit bewusst ge- wesen, dass der Geschädigte an den Folgen der Gewalthandlungen habe sterben können.

II.

6
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. haben mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.
7
1. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
a) Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Bei der Prüfung, ob ein bedingter Tötungsvorsatz festzustellen ist, hat das Tatgericht eine umfassende Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände vorzunehmen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 176/13 mwN). Beide Vorsatzelemente müssen zudem durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444).
9
b) Auch unter Berücksichtigung des bestehenden tatrichterlichen Bewertungsspielraums werden die Ausführungen des Landgerichts den Anforderungen an die Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gerecht.
10
aa) Hinsichtlich des Angeklagten S. , der selbst keine Gewalthandlungen vorgenommen hat, hat das Landgericht den bedingten Tötungsvorsatz allein aus dem Umstand abgeleitet, dass er die Gewaltanwendung der Angeklagten G. und H. wahrgenommen hat. Damit ist indes nur das Wissenselement des Vorsatzes belegt. Denn die Wahrnehmung von Gewalthandlungen allein rechtfertigt nicht ohne weiteres den Schluss auf die zumindest be- dingte Inkaufnahme des tödlichen Erfolgs (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1993 - 4 StR 470/93, StV 1994, 13, 14; Beschluss vom 6. März 2002 - 4 StR 30/02, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 54).
11
bb) Bezüglich der Angeklagten G. und H. fehlt es an einer umfassenden Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ein bedingter Tötungsvorsatz trotz der hohen Hemmschwelle hinsichtlich der Tötung eines Menschen nahe liegt (BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Täter - wie hier der Angeklagte G. - seinen Gegner zu Boden gestreckt hat und anschließend auf das infolgedessen wehrlose Opfer mehrfach im Bereich des Kopfes und der Bauchgegend eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2007 - 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640). Der Schluss aus einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf einen (bedingten) Tötungsvorsatz ist aber nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden, den Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2007 - 3 StR 233/07, NStZ-RR 2007, 307). Hieran fehlt es.
12
Das Landgericht hat den Angeklagten G. und H. im Rahmender Strafzumessung zugutegehalten, dass es sich um eine Spontantat gehandelt hat. Dieser Umstand, der einem bedingten Tötungsvorsatz entgegenstehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 4 StR 424/09, NStZ 2010, 571, 572; Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13), hätte aber nicht nur im Rahmen der Strafzumessung, sondern bereits bei der Prüfung des voluntativen Vorsatzelements erörtert werden müssen. Es kommt hinzu, dass es an einem einsichtigen Grund dafür fehlt, dass die Angeklagten in der konkreten Tatsituation den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen haben (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. August 1990 - 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 - 3 StR 344/05, NStZRR 2006, 317, 318). Dies hat die Strafkammer ebenfalls nicht in ihre Gesamtwürdigung einbezogen, obwohl sie festgestellt hat, dass - zumindest aus Sicht des Angeklagten B. - die Gewalthandlungen der Angeklagten G. und H. letztlich den Zweck verfolgten, „den Geschädigten aus der Diskothek zu schaffen“ (UA S. 14).
13
Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubewertung der Tatumstände zu ermöglichen, waren neben den Feststellungen zur inneren Tatseite auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufzuheben.
14
2. Die Revision des Angeklagten B. ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Fischer RiBGH Dr. Appl ist aus Krehl tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer RinBGH Dr. Ott ist aus Zeng tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 647/12
vom
19. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. März
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Zeng,
Richter
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 3. Juli 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben:
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung (in Tateinheit) mit Freiheitsberaubung verurteilt worden ist und
b) im Gesamtstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung (in Tateinheit) mit Freiheitsberaubung sowie wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
2
Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist auf die Anfechtung der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung beschränkt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt hinsichtlich der Gewalthandlungen vom 28./29. August 2011 jedenfalls die Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts. Die weitergehende Verurteilung (wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung) ist vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
3
Die insoweit wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, sodass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.

II.

4
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Der Angeklagte unterhielt mit der Nebenklägerin (im Folgenden: N.) seit etwa 2008 eine Beziehung. Aus dieser Beziehung ging der gemeinsame Sohn L. hervor. Nachdem es zwischen den Partnern immer öfter Streitigkeiten gab, trennte sich N. im Juli 2011 vom Angeklagten. Trotz der Trennung wohnten sie und der Angeklagte weiter zusammen in der gemeinsamen Wohnung und schliefen im gleichen Zimmer. Der Angeklagte sowie N. beabsichtigten, zur Absicherung ihres Sohnes eine gemeinsame Lebensversicherung abzuschließen. Versicherungsnehmer sollten sie beide sein. Die Vertragsformalitäten sollten vom Angeklagten übernommen werden.
6
Nachdem der Angeklagte erkannte, dass die Trennung von N. endgültig ist, beschloss er zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt, N. zu töten. In diesem Zusammenhang wollte er die Versicherungsleistung aus der geplanten, noch abzuschließenden Lebensversicherung zu Unrecht selbst vereinnahmen. Den Tod der N. wollte er so herbeiführen, dass sich der Geschehensablauf als häuslicher Unfall darstellt.
7
In Ausführung dieses Planes füllte er am 1. Juli 2011 in seiner Wohnung einen Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung bei der C.-Versicherung aus. Als Versicherungsnehmer und als die zu versichernde Person trug er entgegen der Absprache mit N. in das Formular diese als alleinige Versicherungsnehmerin ein, versah den Antrag mit deren nachgemachter Unterschrift und trug sich selbst als Begünstigter im Todesfall der N. ein. Im Antrag bezifferte er die Versicherungsleistung, die im Todesfall der N. an ihn selbst ausgezahlt werden sollte, mit 1.340.000 €. Dieser Antrag ging am 4. Juli 2011 bei der C.-Versicherung ein. Mit der nachgemachten Unterschrift wollte er die Versicherung über den tatsächlichen Antragsteller täuschen. N. wusste hiervon nichts.
8
Entgegen der Vorstellung des Angeklagten lehnte die Versicherungsgesellschaft eine Deckung in der beantragten Höhe ab, erklärte sich aber zum Vertragsschluss in Höhe von 500.000 € entsprechend einer von der Versicherung durchgeführten Bedarfsberechnung bereit. Am 13. August 2011 unterschrieb der Angeklagte aufgrund eines neuen Tatentschlusses erneut in seiner Wohnung eine Erklärung über den Erhalt von Unterlagen sowie einen Zusatzantrag zur Hinterbliebenenabsicherung, in dem der Versicherungsbeginn 1. August 2011 und die Versicherungssumme mit 500.000 € vereinbart wurde.
9
Die vorgenannten Urkunden versah er wiederum mit der von ihm nachgemachten Unterschrift der N., um die Versicherung erneut darüber zu täuschen , dass diese die Antragsunterlagen - wie nicht - erhalten und unterschrieben hätte, und reichte sie bei der C.-Versicherung ein. Im Vertrauen auf die Echtheit der Urkunden bestätigte die C.-Versicherung das Zustandekommen des Versicherungsvertrages mit Versicherungspolice vom 16. August 2011, die der Angeklagte tags darauf zugestellt bekam. Auch davon bekam N. nichts mit. Versichert war der Tod der N. unabhängig davon, ob es sich um einen natürlichen oder um einen gewaltsamen Tod handelte. Dies wusste der Angeklagte.
10
Nachdem der Angeklagte die vertraglichen Voraussetzungen geschaffen und erfahren hatte, dass N. sich mit einem anderen Mann trifft, entschloss er sich schließlich am 28. August 2011, seinen Tötungsplan in die Tat umzusetzen.
11
Der Angeklagte wollte den Eindruck erwecken, N. sei beim Ausstieg aus der nassen Dusche auf dem Boden des Badezimmers ausgerutscht und mit dem Kopf auf einen harten Gegenstand aufgeschlagen, wobei sie sich tödliche Verletzungen zugezogen habe. Hierzu verstreute er am Abend vorher auf dem Boden Waschpulver und legte sich Geschirrtücher sowie Kabelbinder unter dem Kopfkissen zurecht, um damit N. zu fesseln. Den gemeinsamen Sohn L. verbrachte er zu seinen Eltern, damit dieser von der Tat nichts mitbekomme. Um sich selbst ein Alibi zu verschaffen, verbrachte er den Abend bei seinen Eltern und legte sich, nachdem sein Vater zu Bett ging, zum Schein auf die Couch, um den Eindruck zu erwecken, er werde die ganze Nacht bei seinen Eltern verbringen.
12
Tatsächlich begab er sich jedoch heimlich zurück in seine Wohnung, wo er im Bett liegend auf die Rückkehr von N. wartete. Diese kehrte etwa gegen 2.30 Uhr zurück und legte sich nur mit einer Unterhose bekleidet neben den Angeklagten in ihre Betthälfte. Zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 3.15 Uhr und 5.30 Uhr begann der Angeklagte, die schlafende, wehrlose N. zu fesseln. Er drehte sie dazu auf den Bauch und fesselte ihr zuerst mit einem stabilen Klebeband die Hände auf dem Rücken, wickelte ihr dann die bereits vorher dazu ebenfalls bereitgelegten Geschirrtücher um die Handgelenke und fixierte diese dann über den zur Polsterung und Striemenvermeidung dienenden Tüchern mit den bereitliegenden Kabelbindern. Hierdurch wurde N. wach, worauf der Angeklagte ihr sogleich den Mund mit Klebeband verklebte. Damit wollte der Angeklagte jeglichen Fluchtversuch der N. von vornherein verhindern.
13
Anschließend nahm er eine nicht näher identifizierte Pistole, hielt sie an ihren Mund und sagte, er würde sie wahnsinnig gerne erschießen. Tatsächlich beabsichtigte er dies nicht, sondern wollte sie einschüchtern und in Todesangst versetzen, was ihm auch gelang. Anschließend fesselte er N. mit dem Klebeband noch an den Beinen, um sie ohne Gegenwehr in das Badezimmer verbringen zu können. Entsprechend seinem Plan verbrachte er die verängstigte und wehrlose N. gegen ihren Willen ins Badezimmer und bespritzte dort das schon am Abend zuvor auf dem Boden verstreute Waschpulver mit Wasser, um einen Schmierfilm zu erzeugen. Anschließend verbrachte er sie nochmals ins Schlafzimmer und gleich wieder zurück ins Bad. Er stellte N. nun unter die laufende Dusche, um sie nass zu machen.
14
Dann zog er sie aus der Dusche, fasste sie mit den Händen an den Kopf, zog diesen zuerst nach vorne und schleuderte die gefesselte N. dann mit aller Kraft nach hinten, um ihr durch den Sturz möglichst tödliche Kopfverletzungen zuzufügen. Die aufgrund der Fesselung völlig wehrlose N. stürzte und schlug mit der linken Schulter und dem Hinterkopf auf dem gefliesten Boden auf. Sie blieb zwar auf dem Rücken liegen, war jedoch nicht schwer verletzt. Der Angeklagte war von diesem vergleichsweise harmlosen Verlauf überrascht, da er zumindest mit dem Eintreten der Bewusstlosigkeit der N. rechnete. Er entschloss sich nunmehr, N. dadurch zu töten, dass er ihr das Genick bricht. Er setzte sich dazu auf die Hüfte auf der am Boden liegenden N., nahm ihren Kopf in seine Hände und versuchte, durch gewaltsames Überdrehen des Kopfes nach hinten dieser tödliche Genickverletzungen zuzufügen. Als dies aufgrund Muskelanspannung der N. misslang, fasste er mit einer Hand unter die rechte Schulter der N., zog sie nach oben und drückte mit der anderen Hand gleichzeitig ihren Kopf nach unten. Da auch dies nicht zu tödlichen Verletzungen führte, kniete er sich nunmehr neben N., fasste mit einer Hand an ihren Hinterkopf und mit der anderen an ihr Kinn, um den Kopf kraftvoll drehen zu können. Er zog sodann gleichzeitig ihren Hinterkopf seitlich nach vorne und drückte ihr Kinn nach hinten. Aber auch hierdurch gelang es ihm nicht, N. erhebliche bzw. tödliche Verletzungen zuzufügen, weil diese ihren Körper mitdrehen konnte.
15
Er ließ nun von N. ab und fing an, diese zu beschimpfen. Er warf ihr vor, sie sei schuld am Scheitern der Beziehung und auch an dem was nunmehr passiere, weil sie egoistisch sei und nur an sich selbst denke. N. antwortete auf die Beschimpfungen und Vorhalte des Angeklagten trotz verklebtem Mund so gut sie konnte, worauf der Angeklagte ihr mehrfach mit der flachen Hand auf die Wange schlug, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass ihm ihre Antwort nicht gefiel.
16
Nunmehr entschloss er sich, die Gegenwehr der N. dadurch auszuschalten , dass er sie bis zur Ohnmacht knebelte, um ihren Kopf dann ohne Widerstand auf den Boden schleudern zu können bzw. ihr durch gewaltsames Verdrehen des Kopfes tödliche Verletzungen zuzufügen. Hierzu drückte er zunächst ihren Mund und ihre Nase mit der Hand zu. Infolge dieser Behandlung löste sich das Klebeband von ihrem Mund und N. schrie so laut sie konnte um Hilfe. Dies geschah ca. um 6.00 Uhr früh. Nun drückte er ihr ein im Badezimmer in unmittelbarer Reichweite befindliches Handtuch tief in den Mund- und Rachenraum und hielt ihr gleichzeitig die Nase zu. Damit gelang es ihm, die Luftzufuhr der N. vollständig zu unterbinden, sodass N. nicht mehr atmen konn- te, ihre Gegenwehr aufgab und dachte, sie werde nun sterben. Erst als sie langsam kraftlos wurde und, wie er erkannte, kurz vor der Bewusstlosigkeit stand, ließ der Angeklagte wortlos von seinem Vorhaben ab und nahm den Knebel aus ihrem Mund, sodass sie schließlich wieder Luft bekam und sich erholte.
17
Anschließend trug er die immer noch am Boden liegende, gefesselte halbnackte N. zurück in das Schlafzimmer und zwang sie, auf dem Bett liegen zu bleiben. Als er bemerkte, dass es ihr zwischenzeitlich gelungen war, der Fesselung der Hände durch die Kabelbinder teilweise zu entkommen, drehte er sie gewaltsam in Bauchlage und legte ihr neue Kabelbinder an, die er so fest zuzog, dass sie Schmerzen erlitt. Im weiteren Verlauf bot N. dem Angeklagten aus Angst um ihr Leben eine Übertragung des Sorgerechts für den gemeinsamen Sohn an und versprach ihm, sie werde nicht zur Polizei gehen, wenn er sie frei lasse.
18
Schließlich nahm der Angeklagte N. gegen 8.30 Uhr die Fesselung ab und ließ sie gegen 9.15 Uhr aus der Wohnung. Der Angeklagte bedrohte sie kurz vor Verlassen der Wohnung noch, dass er sie umbringen werde, wenn sie den Vorfall der Polizei melde.
19
Dennoch erstattete N. nach einer Überlegungsphase und erst nach Aufforderung durch ihre Mutter am 29. August 2011 abends Anzeige gegen den Angeklagten.
20
N. erlitt durch den Erstickungsversuch Petechien im Auge, durch den Aufprall auf dem gefliesten Boden eine 4 cm große Beule am Hinterkopf, durch die Misshandlungen starke Schmerzen am Hals und durch die Fesselung an den Hand- und Sprunggelenken Hautreizungen und Schmerzen. Dies hatte der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen.
21
N. ist seit diesem Vorfall in psychiatrischer Behandlung. Ob und in welchem Umfang psychische Dauerfolgen verbleiben, steht nicht fest. Sie hat nach wie vor schon bei alltäglichen Berührungen Angstzustände.
22
2. Das Landgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung (III. 6 = UA S. 10-12) das Vorliegen eines fehlgeschlagenen Tötungsversuchs verneint und bei der rechtlichen Würdigung (IV. 1 = UA S. 12) einen freiwilligen Rücktritt vom unbeendeten Versuch bejaht. Es hat bei dem Tatgeschehen vom 28./29. August 2011 eine Zäsur nur im Hinblick auf die abschließende versuchte Nötigung angenommen und ist davon ausgegangen, dass das Dauerdelikt der Freiheitsberaubung "die übrigen Körperverletzungsdelikte" verklammere.

III.

23
Das angefochtene Urteil leidet an durchgreifenden materiell-rechtlichen Fehlern.
24
1. Insbesondere ist den getroffenen Feststellungen nicht das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung , der sogenannte Rücktrittshorizont, zu entnehmen. Bei Vorliegen einer Zäsur müssen zudem die Vorstellungen des Angeklagten jeweils nach der (vorläufig) letzten Ausführungshandlung dargetan werden.
25
Auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten kann hier nicht aus dem Urteil in seiner Gesamtheit geschlossen werden, wenn auch im Rahmen der Beweiswürdigung (III. 6 = UA S. 10-12) und der rechtlichen Würdigung (IV. 1 = UA S. 12) rudimentär Rücktrittselemente angesprochen werden. Hier wird jeweils in erster Linie mitgeteilt, was nicht festgestellt werden konnte, ohne dass - ergänzend heranzuziehende - klare und eindeutige Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach den verschiedenen Tathandlungen getroffen wurden. Ohnehin konnte N. zum jeweiligen Vorstellungsbild des Angeklagten schon deshalb keine Angaben machen, weil er sich hierzu nicht geäußert hat. Die entsprechenden Feststellungen sind aber unerlässlich; denn auf den Rücktrittshorizont kommt es bei der Beurteilung, ob ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch vorliegt, entscheidend an.
26
Das ergibt sich aus Folgendem:
27
Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendeten Versuch bestimmt sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach dem Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont. Bei einem Tötungsdelikt liegt demgemäß ein unbeendeter Versuch vor, bei dem allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist.
28
Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist hingegen anzunehmen, wenn er den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht.
29
Eine Korrektur des Rücktrittshorizonts ist in engen Grenzen möglich. Der Versuch eines Tötungsdelikts ist daher nicht beendet, wenn der Täter zunächst irrtümlich den Eintritt des Todes für möglich hält, aber nach alsbaldiger Erkenntnis seines Irrtums von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nimmt.
30
Rechnet der Täter dagegen zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang, so liegt eine umgekehrte Korrektur des Rücktrittshorizonts vor, wenn er unmittelbar darauf erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat.
31
In diesem Fall ist ein beendeter Versuch gegeben, wenn sich die Vorstellung des Täters bei fortbestehender Handlungsmöglichkeit sogleich nach der letzten Tathandlung in engstem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser ändert (st. Rspr. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 337/11 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen; BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - 3 StR 401/11; BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - 5 StR 528/11).
32
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Aussetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr. vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
33
Liegt ein Fehlschlag vor, scheidet ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB aus; umgekehrt kommt es nur dann, wenn ein Fehlschlag nicht gegeben ist, auf die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an, die für die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung in Fällen des § 24 Abs. 1 StGB stets, in solchen des § 24 Abs. 2 StGB mittelbar dann von Bedeutung ist, wenn sich die (gemeinsame) Verhinderungsleistung von Versuchsbeteiligten in einem einverständlichen Unterlassen des Weiterhandelns erschöpfen kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09 mwN).
34
Allen Fällen ist gemeinsam, dass es auf das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt ankommt. Diese Vorstellung ist gegebenenfalls auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2005 - 4 StR 216/05 mwN).
35
Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen , hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12; BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - 3 StR 298/11; BGH, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 4 StR 8/03).
36
Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, weil es sich um ein mehrstündiges und mehraktiges Tatgeschehen handelt und auch die Prüfung der Annahme nur einer Tat im Rechtssinne vorzunehmen ist. Denn würde man, was hier nicht fern liegt, eine oder mehrere Zäsuren (hinsichtlich der abschließenden versuchten Nötigung ist der Tatrichter selbst davon ausgegangen [UA S. 13]) annehmen, ist die Mitteilung des Vorstellungsbildes des Angeklagten nach der jeweils letzten Ausführungshandlung geboten.
37
Die Annahme des Landgerichts, das Dauerdelikt der (einfachen) Freiheitsberaubung verklammere auch gefährliche Körperverletzungen (die konkrete Fesselung kann ebenfalls eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen; vgl. u.a. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 364/03 mwN; Fischer, StGB, 60. Aufl., Rn. 9b zu § 224), begegnet rechtlichen Bedenken; denn das im Strafrahmen des § 224 StGB zum Ausdruck kommende Gewicht übersteigt das des Dauerdelikts (§ 239 StGB) erheblich (vgl. Fischer aaO Rn. 32 vor § 52).
38
Zu denken ist aber an eine natürliche Handlungseinheit. Eine solche und damit eine Tat im materiell-rechtlichen Sinne liegt bei einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn die einzelne Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind und zwischen ihnen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint.
39
Für die Beurteilung einzelner Versuchshandlungen als eine natürliche Handlungseinheit ist deshalb eine solche Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dabei begründet der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne Weiteres eine die Annahme einer Handlungseinheit ausschließende Zäsur. Eine tatbestandliche Handlungseinheit endet jedoch mit dem Fehlschlagen des Versuchs (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 25. November 2004 - 4 StR 326/04 mwN).
40
Auch für die Beurteilung, ob die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind, ist die (jeweils rechtsfehlerfreie ) Feststellung der subjektiven Tatseite erforderlich.
41
An all diesem fehlt es hier.
42
Die Urteilsgründe lassen weiter nicht eindeutig erkennen, ob der Angeklagte durchgehend davon ausging, den Tod der N. (als außertatbestandliches Ziel) als Unfall darstellen zu können oder nur noch ihren gewaltsamen Tod erstrebte , obwohl dafür das Risiko für ihn größer wurde, als Täter in Verdacht zu geraten und deshalb die Versicherungssumme nicht ausbezahlt zu erhalten. Denn es ist naheliegend, dass bei einem offensichtlich gewaltsamen Tod der N. in der Wohnung des Angeklagten kurz nach Abschluss einer entsprechenden Lebensversicherung und bei einem möglichen Sorgerechtsstreit (UA S. 7) der Tatverdacht auf den Angeklagten fallen würde.
43
Die Urteilsgründe lassen offen, ob der Angeklagte möglicherweise nur noch weiterhandelte, um seine vorausgehende Tat zu verdecken.
44
Das Fehlen entsprechender Feststellungen und Erörterungen lässt eine abschließende Prüfung durch das Revisionsgericht nicht zu.
45
Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils im angefochtenen Umfang.
46
Die zugrundeliegenden Feststellungen waren ebenfalls aufzuheben, da der Senat nicht ausschließen kann, dass auch insoweit neue Feststellungen getroffen werden können, die sich auf das Vorstellungsbild des Angeklagten im jeweiligen rechtserheblichen Zeitpunkt ausgewirkt haben.
47
2. Der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung hatte im Übrigen schon deshalb keinen Bestand, weil die Strafkammer übersehen hat, dass tateinheitlich begangen auch eine Bedrohung (mit der Pistole; § 241 StGB) vorliegt. Ob diese hinter einem versuchten Tötungsdelikt zurücktreten würde, kann hier offenbleiben; sie würde aber nicht hinter der vom Landgericht lediglich angenommenen gefährlichen Körperverletzung zurücktreten (vgl. zur Problematik u.a. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2002 - 2 StR 523/01; auch BGH, Beschluss vom 9. Februar 2000 - 2 StR 639/99). Wahl Rothfuß Jäger Radtke Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 64/13
vom
10. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Oktober 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 24. Oktober 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) hinsichtlich Fälle II. 1 bis 3 der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung und versuchten Betrugs in zwei Fällen (Fälle II. 1 bis 3 der Urteilsgründe) unter Einbeziehung von (in den Urteilsgründen nicht mitgeteilten) früheren Einzelgeldstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie wegen Betrugs in 23 Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersicht-
lichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 1. Das Landgericht hat hinsichtlich der Fälle II. 1 bis 3 der Urteilsgründe folgendes festgestellt:
a) Der Angeklagte setzte sein von ihm allein bewohntes Haus, an dessen Seite ein Mehrfamilienhaus unmittelbar angebaut war, in der Absicht in Brand, die Versicherungsleistungen aus der Hausrats- und Wohngebäudeversicherung geltend zu machen. Dem Angeklagten „war bewusst, dass im Nachbarhaus die schwer lungenkranke Zeugin V. bei geöffnetem, zu seinem Haus hin gelegenen Fenster schlief und durch die Rauchgase an ihrer Gesundheit gefährdet werden würde“ (UA S. 11). Nachdem das Haus „in voller Ausdehnung“ brannte, „bestand die Gefahr eines Übergreifens der Flammen auf das angrenzende Mehrfamilienhaus sowie einer Rauchgas-Verletzung der dortigen Bewohner, vor allem der schwer lungenkranken Frau V. “ (UA S. 12;Fall II. 1 der Urteilsgründe

).


b) Am nächsten Morgen meldete der Angeklagte den Brand telefonisch der Versicherung. Am selben Tag versandte er zudem an die Versicherung eine schriftliche Schadensmeldung, wobei er den Eindruck erweckte, mit dem Brand nichts zu tun zu haben. Er beabsichtigte, eine Deckungszusage von der Versicherung zu erhalten, „obgleich er wusste, hierauf keinen Anspruch zu haben“ (UA S. 12). Die Versicherung erkannte den geltend gemachten Anspruch nicht an und leistete keine Zahlungen (Fall II. 2 der Urteilsgründe).
c) Etwa vier Monate nach dem Brand erhob der Angeklagte gegen die Versicherung Klage auf Zahlung von Schadensersatz, wobei er verschwieg, „auf eine solche Zahlung aufgrund der von ihm begangenen Brandstiftungkeinen Anspruch zu haben“. Zu der von ihm angestrebten Verurteilung der Versi-
cherung kam es nicht, da der Angeklagte die Klage nach einem Hinweis des Vorsitzenden der Zivilkammer auf „mangelnde Fälligkeit der Forderung“ zurücknahm (UA S. 14; Fall II. 3 der Urteilsgründe). 2. Die hinsichtlich der Fälle II. 1 bis 3 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen schwerer Brandstiftung und versuchten Betrugs in zwei Fällen nicht; auf die insoweit erhobenen Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
a) Die Annahme des Landgerichts, durch die Tat sei die Zeugin V. in die Gefahr einer Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 306a Abs. 2 StGB gebracht worden, wird durch die Feststellungen nicht ausreichend belegt. § 306a Abs. 2 StGB setzt als konkretes Gefährdungsdelikt voraus, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut – die Gesundheit eines Menschen – führt. In dieser Lage muss – was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt sein, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob ihre Gesundheit verletzt wird oder nicht. Zur Annahme einer konkreten Gesundheitsgefährdung in diesem Sinne reicht es noch nicht aus, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befinden (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2008 – 3 StR 441/08, BGHR StGB § 306a Abs. 2 Gesundheitsschädigung 2; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 306a Rn. 11, jeweils mwN). Nach diesen Maßstäben lässt sich den getroffenen Feststellungen die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung der Zeugin V. nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen. Das Landgericht hat insbesondere zu den örtlichen Gegebenheiten keine ausreichend genauen Feststellungen getroffen.
Es wird schon nicht deutlich, wo sich der Raum befand, in dem die Zeugin V. bei geöffnetem, zum Haus des Angeklagten hin gelegenem Fenster schlief, obwohl jenes Mehrfamilienhaus „unmittelbar“ (UA S. 8) an das Haus des Ange- klagten angebaut war. Nicht dargelegt wird auch, ob bereits Schäden an dem von der Zeugin bewohnten Haus – zumindest teilweise – eingetreten waren, und ob sie der Einwirkung von Rauch oder Gasen tatsächlich ausgesetzt war. Eine konkrete Gesundheitsgefährdung ist daher nicht hinreichend belegt.
b) Die Verurteilung wegen versuchten Betrugs in zwei Fällen hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die Strafkammer die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB) nicht erörtert hat. aa) Den Urteilsgründen ist schon nicht zu entnehmen, warum die vom Landgericht als selbständig bewerteten Betrugsversuche nicht die Annahme eines einzigen Versuchs rechtfertigen, da der Angeklagte seinen ursprünglichen Tatplan, unberechtigt Versicherungsleistungen geltend zu machen, weiter verfolgt hat (vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. Juli 1998 – 4 StR 274/98, NStZ-RR 1999, 110). Setzt der Täter mehrfach zur Tat an, ist Voraussetzung für die Annahme eines Versuchs, dass die vorausgegangenen, erfolglos gebliebenen Teilakte mit dem neuen Anlauf, auf den der Täter schließlich verzichtet hat, einen einheitlichen Lebensvorgang bilden. Dabei ist ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Versuchshandlungen erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, insoweit in NJW 2013, 3383 nicht abgedruckt; Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, NJW 1996, 936, 937; Urteil vom 1. März 1994 – 1 StR 33/94, BGHSt 40, 75, 77; Fischer aaO § 24 Rn. 17 mwN). Ob hier ein solcher einheitlicher Lebensvorgang gegeben ist, hat das Landgericht nicht geprüft.
bb) Die Strafkammer erörtert nicht, welches Vorstellungsbild der Angeklagte nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung (en) gehabt hat. Nach dem Vorstellungsbild des Täters bestimmt sich indes nicht nur die Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch (vgl. nur Fischer aaO § 24 Rn. 14 mwN); die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung ist auch für die Frage entscheidend, ob ein Versuch fehlgeschlagen ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156, 157 f. mwN). Schließlich ist das Vorstellungsbild des Täters gegebenenfalls auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2005 - 4 StR 216/05, NStZ-RR 2006, 168, 169 mwN). Liegt – wie hier vom Landgericht angenommen – eine Zäsur vor, müssen zudem die Vorstellungen des Angeklagten jeweils nach der (vorläufig) letzten Ausführungshandlung dargetan werden (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274). Lässt sich – wie hier – den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten nicht (hinreichend) entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274; Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12 Rn. 5 juris). 3. Die dargelegten Rechtsfehler führen zur Aufhebung der Verurteilung wegen schwerer Brandstiftung und versuchten Betrugs in zwei Fällen, einschließlich der insoweit verhängten Einzelstrafen. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der (ersten) Gesamtstrafe nach sich, die zudem ihrerseits nicht rechtsfehlerfrei ist. Die Strafkammer hat die im Strafbefehl des Amtsgerichts Jülich vom 10. März 2011 unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtgeldstrafe verhängten Einzelstrafen in die Gesamtstrafe einbezogen, ohne jedoch die Höhe der Einzelstrafen mitzuteilen. Da eine Gesamtstrafe im-
mer nur aus Einzelstrafen gebildet werden kann, muss deren Höhe im Urteil angegeben werden, um dem Senat die Nachprüfung der rechtsfehlerfreien Bemessung der Gesamtstrafe zu ermöglichen (vgl. auch Fischer aaO § 55 Rn. 8, 15 mwN). 4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten ergeben. Fischer RiBGH Prof. Dr. Schmitt Eschelbach ist aus tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Ott Zeng