Bundesverfassunsggericht bestätigt die Verurteilung eines Mannes, der eine Amtsleiterin beleidigte und dessen psychiatrisches Gutachten anforderte

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors

Das Bundesverfassungsgericht bestätigt die Verurteilung eines Mannes wegen Beleidigung. Im Zuge einer Auseinandersetzung mit einer Amtsleiterin, bezeichnete sie der Mann als eine:

„in stabiler und persönlichkeitsgebundener Bereitschaft zur Begehung von erheblichen Straftaten befindlichen Persönlichkeit, deren geistig seelische Absonderlichkeiten und ein psychiatrischen Gutachten zu deren Geisteskrankheit Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen sind“.

Das Persönlichkeitsrecht der Amtsleiterin überwiegt hier die Meinungsfreiheit des Mannes.

Ein Statement des Bundesverfassungsgericht zum Verhältnis zwischen der nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungsfreiheit und der strafrechtlich geahndeten Beleidigung gem. § 185 Abs. 1 StGB setzt das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen vom 19.05.2020. Ein Verfahren, welches nicht zur Entscheidung angenommen wurde betrifft die Verurteilung eines Mannes wegen Beleidigung (1 BVR 2459/19). In einer verwaltungsrechtlichen Klageschrift äußerte er sich zur der Leiterin eines Rechtsamtes. Sie sei „eine in stabiler und persönlichkeitsgebundener Bereitschaft zur Begehung von erheblichen Straftaten befindliche Persönlichkeit“. Auch sprach er von „geistig seelischen Absonderlichkeiten“. Das Bundesverfassungsgericht war der Ansicht, dass es sich hier nicht um Schhmähkritik handelt. Die Abwägung müsse jedoch zugusten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausfallen. Die Verurteilung des Mannes zu einer Geldstrafe ist damit verfassungsgemäß nicht zu beanstanden.

Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin


Was ist passiert?

Kern der Auseinandersetzung eines Mannes mit einer Amtsleiterin war eine nicht entrichtete Fernleihgebühr für ein Buch. Der Mann meint, er habe nicht dieses sondern ein anderen Buch bestellt. In Absprache mit dem Rechtsamt, sowie der Bibliotheksleitung habe man diesen dann aufgefordert bei weiteren Bestellungen das Bestellformular selbst auszufüllen. Aus Wut darüber und über die zuvor erstatteten Anzeige der Leiterin des Rechtsamts wegen Urkundenfälschung, beantragt er die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über ihren Geisteszustand. In einer Klageschrift beschwert sich der Mann darüber, dass er grundlos von der Nutzung ausgeschlossen wurde und die Amtsleiterin rechtswidrig Kopien von ihm forderte. Dabei nennt er sie namentlich und meint sie sei eine

„in stabiler und persönlichkeitsgebundener Bereitschaft zur Begehung von erheblichen Straftaten befindlichen Persönlichkeit, deren geistig seelische Absonderlichkeiten und ein psychiatrischen Gutachten zu deren Geisteskrankheit Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen sind“.

Darin behält sich der Beschwerdeführer, nach eigenen Angaben vor, ein Ordnungsgeld in angemessener Höhe zu beantragen. Tatsächlich wurde ein solches Gutachten lediglich angefordert jedoch nie ausgestellt.

Der Instanzenzug

Aufgrund dieser Äußerungen wurde er vom Amtsgericht zur einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt. Der Kläger habe mit seinen Aussagen die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen überschritten. Es handle sich bei den getätigten Äußerungen um Schmähkritik, deshalb sei eine Abwägung entbehrlich. Ein Zusammenhang zwischen dem Anliegen des Beschwerdeführer mit dem geistigen Zustand der Betroffenen ist aus der Klageschrift nicht ersichtlich.

Auch das Landgericht wies die Berufung des Beschwerdeführers zurück. Es war allerdings der Ansicht, dass ein Sachbezug durchaus gegeben sei. In der Klageschrift nämlich, werde eine Beteiligung der Amtsleiterin an dem Vorgang behauptet. Deshalb handle es sich nicht um Schmähkritik. Unter die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG fallen auch polemische Überspitzung und scharf geäußerte Kritik. Zudem war er in etliche Streitigkeiten mit der Amtsleiterin verwickelt, wessen Verhalten er als ungerecht empfand. Jedoch handle es sich um „drastische und in hohem Maße ehrverletzende Äußerungen“, so das Landgericht. Eine Abwägung muss deshalb zu Gunsten der Ehre der Betroffenen, mithin zu Gunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausfallen.

Schließlich verwarf auch das Oberlandgericht die Revision des Beschwerdeführers nach § 249 Abs. 2 StPO. Da sie offensichtlich unbegründet ist, wird auch die daraufhin eingelegte Anhörungsrüge als unbegründet zurückgewiesen.

Rüge vor dem Bundesverfassungsgericht

Der Beschwerdeführer rügt in einer Verfassungsbeschwerde die Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG. Weiterhin macht er die Verletzung des Willkürverbots nach Art. 3 Abs. 1 GG und des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG geltend.

Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht betont zunächst, dass eine, von den Fachgerichten vorzunehmende Abwägung, verfassungsrechtlich nicht vorgegeben wird. Grundsätzlich ist das Bundesverfassungsgericht nicht verpflichtet dessen Entscheidungen vollumfänglich zu prüfen und dessen Abwägung durch die eigene zu ersetzen. Es prüft lediglich, ob die angegriffenen Entscheidungen die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit verkannt haben.

Ob eine Verurteilung schon deshalb gerechtfertigt ist, weil es sich hierbei um Schmähkritik handelt kann insoweit dahinstehen. Das Landgericht habe eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Abwägung vorgenommen und insoweit die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung getragen, so das Bundesverfassungsgericht. Zwar müsse zwar der Umstand berücksichtigt werden, dass sich die Aussage an eine staatliche Amtsträgerin und deren dienstliche Handlungen bezog und nur ein kleiner Kreis Kenntnis von ihr erlangte. Der ehrschmälernde Charakter der Äußerungen, sowie der nur sehr schwach ausgeprägte Sachbezug lassen die Meinungsfreiheit hinter dem Persönlichkeitsschutz zurücktreten.

Der Amtsleiterin wird vorgeworfen krankhafte Neigungen zu schweren Straftaten zu haben. Gleichzeitig werden Zweifel darüber geäußert, dass sie in der Lage ist, in einer zurechnungsfähiger und verantwortlicher Weise mit anderen umzugehen.

Bei den angegriffenen Äußerungen handelt es sich um „drastische, den grundlegenden sozialen Geltungsanspruch der Betroffenen deutlich berührende Äußerungen“.

Bewusst untergebrachte und unwahre Behauptung der Existenz eines geistigen Gutachtens

Die bestrafte, überwiegend werte Äußerung zum geistigen Gesundgheitszustand der Leiterin enthielt zudem bewusst unwahre Elemente. Die Aussage des Beschwerdeführers sei dahingehend zu verstehen, dass ein solchen Gutachten existiere und nicht lediglich beantragt worden sei. Bewusst unwahre Tatsachen nehmen jedoch nicht am Schutz durch Art 5 Abs. 1 S. 1 GG teil (vgl. BVerfGE 61, 1 7; 85, 1 15). Der Beschwerdeführer habe insoweit also bewusst ein „verleumderisches Element“ in seine Klageschrift eingebracht, was den Schutz der Meinungsäußerung insgesamt mindert, so die Richter des Bundesverfassungsgerichts.

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