BVerfG: Frage gegenüber Polizisten, ob dieser kein deutsch verstehe ist keine Beleidigung

bei uns veröffentlicht am

Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

EnglischDeutsch
Zusammenfassung des Autors

Das höchste Gericht entschied, dass die Frage eines Bürgers gegenüber einem Polizisten, ob dieser kein Deutsch verstehe, während einer Auseinandersetzung, weder Schmähkritik noch eine Formalbeleidigung darstellt. Um festzustellen, ob es sich bei dieser Frage, um eine strafbare Beleidigung handelt, muss die Meinungsfreiheit des Bürgers gegen das allgemeine Persönlichkeitsrechts des Grenzpolizisten abgewogen werden. Das haben die Gerichte zuvor versäumt.  

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts mussten sich im Verfahren 1 BvR 2805/19 erneut mit dem Verhältnis zwischen der Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht befassen. Am 16.10.2020 haben sie entschieden: Die Frage eines Bürgers gegenüber einem Polizisten, ob dieser kein Deutsch verstehe und nicht in der Lage sei, einfachste Sachverhalte zu erfassen, rechtfertige keine Verurteilung wegen Beleidigung gem. § 185 StGB, wenn keine umfassende Interessenabwägung stattfindet, die zu Gunsten des Grenzpolizisten ausfällt. Das Bundesverfassungsgericht ist der Ansicht, die Strafgerichte hätten diese erforderliche Abwägung unterlassen. Vorliegend handle es sich auch nicht um Schmähkritik oder eine Formalbeleidigung.

Dirk Streifler – Streifler&Kollegen – Rechtsanwälte Berlin

Was ist passiert?

Nach Angaben des Beschwerdeführers reiste dieser im Oktober 2018 gemeinsam mit einer Arbeitskollegin (einer Nicht-EU-Bürgerin) über den Flughafen München nach Deutschland ein. Der Beschwerdeführer ärgerte sich über die viel zu lange Wartezeit: Die Einzelbefragungen bei der Ausweiskontrolle von Nicht-EU-Bürgern wären zu lang und es seien auch keine Toiletten verfügbar gewesen. Nachdem beide die Kontrolle passierten, forderte der Beschwerdeführer zunächst einen Praktikanten und anschließend einen Grenzbeamten auf, seinen Namen und seine Dienstnummer offenzulegen, damit er Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen kann. Da der Grenzbeamte den Beschwerdeführer nicht selbst kontrolliert hat, versuchte er zunächst herauszufinden, was der Grund für dessen Ärgernis ist. Nachdem es zu einem hitzigen Wortwechsel gekommen war, wurde der Beamte gefragt, ob er der deutschen Sprache mächtig sei. Der aufgebrachte Mann „attestierte“ dem Polizisten zudem die Unfähigkeit einfachste Sachverhalte zu erfassen und zu bewältigen, indem er dies in Frage stellte.

Erst nachdem der Beamte von der Dienstaufsichtsbeschwerde Kenntnis erlangte, entschied er sich Strafantrag zu stellen.

Die Ansicht der Strafgerichte

Die Frage, ob der Beamte kein Deutsch verstehe, sei ebenso wie die Frage, ob er nicht in der Lage sei die einfachsten Sachverhalte zu begreifen, eine rhetorische Frage auf die, der Beschwerdeführer habe keine Antwort finden wollen. Sie enthalte vielmehr die Aussage, der Polizist verfüge nicht über die notwendigen intellektuellen Fähigkeiten, die einfachen, zu ihm gesprochenen Sätze zu verstehen. Dies stelle eine Kundgabe der Missachtung dar und rechtfertige eine Verurteilung wegen Beleidigung gem. § 185 StGB, so das Amtsgericht.

Die Wahl der Form der Äußerungen habe die Äußerung zu Beleidigungen gemacht und sei deshalb nicht durch § 193 StGB gerechtfertigt. Das Amtsgericht ist der Ansicht, der Beschwerdeführer habe nicht lediglich versucht den Grenzbeamtes in einer überspritzen Form auf ein Fehlverhalten aufmerksam zu machen, sondern habe ihn vielmehr versucht zu diffamieren und in seiner Person herabzuwürdigen.

Der Beschwerdeführer wurde wegen Beleidigung gem. § 185 StGB zur Zahlung einer Geldstrafe verpflichtet.

Das Landgericht stimmte dem zu und verwarf die Revision als offensichtlich unbegründet.

Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht nimmt die Verfassungsbeschwerde zu Entscheidung an und erklärt sie für offensichtlich begründet.

Grundsätzlich erfordert eine strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung gem. § 185 StGB sowohl die Ermittlung des Sinns der Äußerung als auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen. Diese Abwägung kann ausnahmsweise nur dann entfallen, wenn es sich um eine herabsetzende Äußerung handelt, welche geeignet ist, die Menschenwürde anzutasten oder welche sich als Formalbeleidigung oder Schmähung herausstellt.  

Eine umfassende Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Einzelfalles und der Situation, in der die Äußerung gefallen ist, bleibt hingegen unumgänglich.

Für die Feststellung, ob es sich um eine Beleidigung handelt, ist es notwendig die Begleitumstände zu analysieren.

So könne es insbesondere entscheidend sein, ob die Äußerung spontan oder in einer hitzigen Situation gefallen ist sowie die Anzahl der sie wahrgenommenen Personen.

Äußerung fiel spontan im Rahmen einer mündlichen Auseinandersetzung

Das Bundesverfassungsgericht ist der Ansicht, die Strafgerichte hätten zu Unrecht eine die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers berücksichtigende Abwägung unterlassen. Diese sei weder unter dem Gesichtspunkt der Schmähung noch dem der Formalbeleidigung entbehrlich.  Die Strafgerichte hätten zwar die Äußerungen aufgrund ihrer Form als Beleidigung eingestuft und eine Schmähkritik angedeutet. Sie hätten jedoch versagt in einer hinreichenden Art und Weise zu begründen, weshalb es dem Beschwerdeführer einzig um die Herabsetzung des Beamten gegangen sei. Sie hätten dabei außer Acht gelassen, dass der Anlass für Äußerungen des Beschwerdeführers seine Verärgerung über die aus seiner Sicht problematische Abfertigung war und er sich darüber beschweren wollte. Deshalb und aufgrund der Tatsache, dass der Beamte nur zögerlich seinen Namen und Dienstnummer herausgeben wollte stehen seine Äußerungen in einem engen nachvollziehbaren Zusammenhang.

„Die Äußerungen fielen vielmehr bei der für eine Einordnung als Schmähkritik maßgeblichen Gesamtbetrachtung ersichtlich im Kontext einer hoheitlichen Maßnahme (Einreisekontrolle), der Kritik an deren Durchführungsweise und angesichts des Umgangs eines Hoheitsträgers mit dieser Kritik.“

Dem Beschwerdeführer sei es deshalb nicht allein um die Diffamierung des Beamten gegangen. Die Äußerungen weisen zudem nicht die erforderliche gehässige Form auf um als Formalbeleidigung eingestuft zu werden.

Fehlende Interessenabwägung

Aus diesem Grund hätte eine umfassende, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende und den gesamten Kontext berücksichtigende Abwägung, zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Polizeibeamten aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m Art. 2 Abs. 1 GG, vorgenommen werden müssen.

Deshalb ist die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Beleidigung gem. § 185 StGB verfassungsrechtlich nicht tragbar.

Haben Sie noch Fragen zum Thema Meinungsfreiheit, allgemeines Persönlichkeitsrecht oder Beleidigung? Dann nehmen Sie Kontakt zu Streifler&Kollegen auf und lassen Sie sich fachkundig beraten.

Gesetze

Gesetze

6 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Urteile

1 Urteile zitieren order werden zitiert von diesem Artikel

1 Urteile werden in dem Artikel zitiert

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 16. Okt. 2020 - 1 BvR 2805/19

bei uns veröffentlicht am 15.12.2021

Das höchste Gericht entschied, dass die Frage eines Bürgers gegenüber einem Polizisten, ob dieser kein Deutsch verstehe, während einer Auseinandersetzung, weder Schmähkritik noch eine Formalbeleidigung darstellt. Um festzuste

Anwälte der Kanzlei die zu passenden Rechtsgebieten beraten

Anwälte der Kanzlei die zu Strafrecht beraten

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch

Rechtsanwalt

Film-, Medien- und Urheberrecht


Die Kanzlei "Streifler & Kollegen" vertritt Sie auch in Angelegenheiten des Film-, Medien- und Urheberrechts.
EnglischFranzösisch 1 mehr anzeigen

Artikel zu passenden Rechtsgebieten

Artikel zu Strafrecht

Gesetze zum Strafrecht

08.01.2008

Strafverteidiger in Berlin Mitte - BSP Rechtsanwälte
Strafrecht

12.3 Geheimnisverrat nach dem KWG - § 55a KWG

23.06.2010

Rechtsanwalt für Wirtschaftsstrafrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Strafrecht

Strafrecht: Die Hörfallen-Entscheidung - Polizeilich veranlaßtes Telefongespräch mit dem Tatverdächtigten

14.12.2020

Erlangt eine Privatperson, die auf Veranlassung der Ermittlungsbehörden mit dem Tatverdächtigten ohne Aufdeckung der Ermittlungsabsicht spricht, Informationen zum Untersuchungsgegenstand, dürfen diese verwertet werden, wenn es um die Aufklärung einer Straftat von erheblicher Bedeutung geht sowie die Erforschung des Sachverhalts unter Einsatz anderer Ermittlungsmethoden erheblich weniger erfolgsversprechend oder wesentlich erschwert gewesen wäre – Streifler & Kollegen, Dirk Streifler, Anwalt für Strafrecht

Strafrecht: BGH bestätigt im Berliner Raser-Fall das Mordurteil des den Unfall verursachenden Angeklagten und verwirft das Mordurteil gegen den anderen Angeklagten

31.07.2020

Autofahrer, die ein illegales Wettrennen im Straßenverkehr mit dem Willen, das Rennen zu obsiegen, durchführen, können sich wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe strafbar machen. Wie ein bedingter Vorsatz in solchen Raserfällen das Mordurteil begründen und damit auch eine Abgrenzung zur fahrlässigen Körperverletzung mit Todesfolge geschaffen werden kann, prüft der 4.Strafsenat im folgendem Urteil (4 StR 482/19) vom 18. Juni 2020. In diesem Artikel lesen Sie, wieso der BGH das Mordurteil des einen Angeklagten bestätigt, das des anderen aber aufhebt und zurück an das Landgericht Berlin verweist. – Streifler & Kollegen – Benedikt Mick, Anwalt für Strafrecht

Strafprozessrecht: Welche richterlichen Äußerungen rechtfertigen Zweifel an seine Unvoreingenommenheit?

16.01.2021

Dieser Artikel bietet Ihnen einen Überblick, welche richterlichen Äußerungen einen Ausschluss des Richters aus dem Verfahren verursacht haben. Nicht jeder Verdacht über die Unvoreingenommenheit des Richters ist begründet. Die Äußerung muss immer in dem Kontext betrachtet werden, in dem sie geäußert worden ist - Streifler & Kollegen, Dirk Streifler. Rechtsanwalt für Strafrecht
Artikel zu Beleidigung
Artikel zu Persönlichkeitsrecht

Unterlassungsanspruch: Frau fordert einstweilige Verfügung gegen Schwiegermutter und verzichtet zum eigenen Nachteil auf Anspruch nach Gewaltschutzgesetz

05.01.2021

Der Versuch einer innerfamiliären Kontaktaufnahme, welche sich auf drei Anrufe sowie drei Whatsapp-Nachrichten in drei Wochen beschränkt, begründet keinen Unterlassungsanspruch.  Dirk Streifler – Streifler&Kollegen – Rechtsanwälte Berlin Was

Die Kehrseite des Erinnerns – Das OLG verneint den Auslistungsanspruch des Klägers aufgrund eines öffentlichen Interesses an der Berichterstattung

07.09.2020

Der Kläger begehrte die Löschung eines auf Google veröffentlichten Artikels, welcher unter Nennung seines vollen Namens einen unliebsamen Bericht über seine Handlungen aus der Vergangenheit (insb. persönlicher Gesundheitsdaten) erstattete. Das OLG verneinte einen solchen Auslistungsanspruch mit der Begründung, dass Interesse des Betroffenen nicht schwerer wiege als die kollidierenden Grundrechts- und Interessenlagen. – Streifler & Kollegen, Benedikt Mick – Anwalt für Strafrecht

Unzureichende Begründung der Fachgerichte bei der Verurteilung wegen Beleidigung eines Finanzministers als "rote Null"

24.03.2022

Das Bundesverfassungsgericht gelingt zu der Ansicht, dass die Verurteilung eines Mannes wegen Beleidigung, verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt. Die Meinungsfreiheit des Mannes wurde von den Gerichten nicht hinreichend berücksichtigt, weil eine Abwägung zwischen den allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Finanzministers und der Meinungsfreiheit des Mannes nicht stattgefunden hat. Der Mann hat in einen Schreiben an die Finanzbehörden, den damaligen Finanzminister unter anderen als "rote Null" bezeichnet. 

Bezeichnung eines Richters als "Kindesentfremder", "Provinzverbrecher" und "asoziale Justizverbrecher" nicht strafbar

24.03.2022

Das Bundesverfassungsgericht bestätigt die Verurteilung eines Mannes wegen Beleidigung. Dieser hat sich in mehreren Blogeinträgen über die Verhandlungsführung der Richter in einem ihn betreffenden Verfahren ausgelassen und diese als „asoziale Justizverbrecher“, „Provinzverbrecher“ und „Kindesentfremnder“, welche Rechtsbeugung begehen und „Drahtzieher einer Vertuschung von Verbrechern im Amt“ seien, bezeichnet.

Referenzen

Bundesverfassungsgericht

BVerfG, Beschluss vom 16.10.2020

Az.: 1 BvR 2805/19
 

Tenor

Das Urteil des Amtsgerichts Erding vom 26. Juni 2019 - 2 Cs 303 Js 3598/19 - und der Beschluss des Landgerichts Landshut vom 11. November 2019 - 5 Ns 303 Js 3598/19 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Erding zurückverwiesen.

3. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 Euro (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung aufgrund von Äußerungen gegenüber einem Bundespolizeibeamten im Zusammenhang mit einer Einreisekontrolle.

1. Der Beschwerdeführer reiste im Oktober 2018 über den Flughafen München nach Deutschland ein. Nach seiner Darstellung im fachgerichtlichen Verfahren wartete er dabei zusammen mit seiner Arbeitskollegin, einer Nicht-EU-Bürgerin, in der Schlange für die Ausweiskontrolle für Nicht-EU-Bürger. Dabei habe er sich über die Abfertigung geärgert, weil diese seiner Meinung nach zu lange gedauert habe, aufgrund längerer Einzelbefragungen gegen die "Schengen-Regeln" verstoßen habe und keine Toiletten verfügbar gewesen seien. Nach Passieren der Kontrollstelle forderte der Beschwerdeführer nach übereinstimmenden Zeugenaussagen zunächst von einem beistehenden Praktikanten der Bundespolizei die Angabe seines Namens und seiner Dienstnummer, um Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen zu können. Da der Angesprochene nur in beobachtender Funktion anwesend war, verwies er den Beschwerdeführer an einen der diensthabenden Grenzbeamten. Dieser Polizeibeamte, der nach eigener Aussage den Beschwerdeführer nicht selbst kontrolliert hatte, gab die geforderten Informationen nicht sofort heraus, sondern versuchte, wie von ihm selbst im Verfahren bestätigt, den Grund der Erregung des Beschwerdeführers zu erfahren. In dem darauffolgenden Wortwechsel fragte der Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Amtsgerichts den Beamten, ob dieser der deutschen Sprache mächtig sei, und stellte infrage, ob beziehungsweise dass dieser in der Lage sei, einfachste Sachverhalte zu erfassen und zu bewältigen. Hierdurch hat er nach den Feststellungen des Amtsgerichts den Betroffenen in seiner Ehre herabwürdigen wollen. Im Rahmen des nach übereinstimmenden Zeugenaussagen zwischen fünf- und zehnminütigen Wortwechsels händigte der Beamte dem Beschwerdeführer eine Karte mit Namen und Dienstnummer schließlich aus. Nachdem später tatsächlich eine Dienstaufsichtsbeschwerde des Beschwerdeführers eingegangen war, stellte der Dienstvorgesetzte Strafantrag.

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer deshalb wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen je 50 Euro. Die nur als rhetorisch gemeinte Frage, ob er kein Deutsch verstehe, enthalte als Tatsachenkern die Behauptung, der Geschädigte sei intellektuell nicht in der Lage, die einfachen deutsch gesprochenen Sätze des Beschwerdeführers zu verstehen. Eine solche Behauptung stelle eine Kundgabe der Miss- oder Nichtachtung dar, ebenso wie die im selben Zusammenhang geäußerte weitere rhetorische Frage, ob der Geschädigte nicht in der Lage sei, die einfachsten Sachverhalte zu begreifen. Die Äußerungen seien nicht nach § 193 StGB gerechtfertigt, da jedenfalls die Form der Äußerungen diese zu Beleidigungen gemacht habe. Es sei nicht Ziel des Beschwerdeführers gewesen, den Betroffenen in möglicherweise überspitzter Form auf ein Fehlverhalten hinzuweisen. Die Formulierung zeige vielmehr, dass es dem Angeklagten um die Diffamierung der Person des Betroffenen gegangen sei, dessen Verhalten er überhaupt nicht nachzuvollziehen versucht habe, sondern den er durch Infragestellung seiner intellektuellen Fähigkeiten in seiner Person herabgewürdigt habe. Für die Strafzumessung sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer sich durch das aus seiner Sicht verzögernde Verhalten des Betroffenen provoziert gefühlt habe und schon vorher aufgrund der langanhaltenden Grenzkontrolle verärgert gewesen sei sowie, dass sich die gewählten beleidigenden Worte am unteren Rand des tatbestandlichen Spektrums bewegten.

3. Das Landgericht verwarf die Berufung des Beschwerdeführers als offensichtlich unbegründet. Das Amtsgericht habe dezidiert und prägnant ausgeführt, weshalb es in der konkreten Fallkonstellation von der Tatbestandsverwirklichung des § 185 StGB ausgegangen sei.

4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

5. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Verfahrensakten haben der Kammer bei ihrer Entscheidung vorgelegen.

II.

1. Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit auf die Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde fällt in die Entscheidungszuständigkeit der Kammer (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) und ist offensichtlich begründet. Die Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

a) Die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Beleidigung greift in dessen Grundrecht auf Meinungsfreiheit ein.

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Grundrechtlich geschützt sind insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt ungeachtet des womöglich ehrschmälernden Gehalts einer Äußerung. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 61, 1 <7 f.>; 93, 266 <289 f.>; stRspr).

Die strafrechtliche Sanktionierung knüpft an die in erster Linie wertenden, den Grenzbeamten in seiner Ehre herabsetzenden Äußerungen des Beschwerdeführers an und schränkt damit seine Meinungsfreiheit ein.

b) Dieser Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

aa) Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet das Grundrecht der Meinungsfreiheit seine Schranken unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und dem Recht der persönlichen Ehre. Dazu gehört auch § 185 StGB (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 ff.>), auf den sich die angegriffenen Entscheidungen stützen.

(1) Aufbauend auf eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung erfordert das Grundrecht der Meinungsfreiheit als Voraussetzung einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 185 StGB im Normalfall eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 85, 1 <16>; 93, 266 <293>; stRspr). Diese grundrechtlich angeleitete Abwägung knüpft an die wertungsoffenen Tatbestandsmerkmale und Rechtfertigungsgründe des Strafgesetzbuchs an, insbesondere die Begriffe der "Beleidigung" und der "Wahrnehmung berechtigter Interessen" (vgl. BVerfGE 12, 113 <124 ff.>; 90, 241 <248>; 93, 266 <290>). Sie erfordert - auf Grundlage entsprechend gehaltvoller tatgerichtlicher Sachverhaltsfeststellungen - eine umfassende Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der eine Äußerung gefallen ist (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 15 ff.). Das Ergebnis dieser Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>; stRspr). Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist es lediglich zu überprüfen, ob die Fachgerichte Bedeutung und Tragweite der durch die strafrechtliche Sanktion betroffenen Meinungsfreiheit ausreichend berücksichtigt und innerhalb des ihnen zustehenden Wertungsrahmens die jeweils für den Fall erheblichen Abwägungsgesichtspunkte identifiziert und ausreichend in Rechnung gestellt haben.

(2) Abweichend davon tritt ausnahmsweise bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde konkreter Personen antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 85, 1 <16>; 90, 241 <248>; 93, 266 <293 f.>; 99, 185 <196>; stRspr). Bei diesen Ausnahmen vom grundsätzlichen Abwägungserfordernis handelt es sich um verschiedene Fallkonstellationen, an die jeweils strenge Kriterien anzulegen sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 18 bis 22) und deren fachgerichtliche Feststellung eine tragfähige, auf objektiv feststellbare Umstände gestützte Begründung in Ansehung der konkreten Umstände erfordert (siehe näher dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 23 bis 25).

(3) Bei der danach im Regelfall gebotenen abwägenden Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist je nach Umständen des Falles der Aspekt der Machtkritik zu berücksichtigen, wobei dieser in eine Abwägung eingebunden bleibt (vgl. dazu näher BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 30 bis 32). Mit Blick auf Form und Begleitumstände einer Äußerung kann für deren Würdigung als strafbare Beleidigung auch erheblich sein, ob sie spontan in einer hitzigen Situation oder mit längerem Vorbedacht gefallen ist und ob sie von einem größeren Kreis von Personen wahrgenommen werden konnte (vgl. dazu näher BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 33 f.).

bb) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht.

(1) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings die Einordnung der Äußerungen als ehrkränkend. Die dieser Einordnung vorausliegende tatgerichtliche Würdigung des Geschehens, wonach der Beschwerdeführer sich nicht ernsthaft über die Sprach- und intellektuellen Kompetenzen seines Gegenübers erkundigen, sondern seinen Unwillen und Kritik äußern wollte, lässt verfassungsrechtliche Mängel nicht erkennen. Dass die öffentlich und unter namentlicher Nennung des Betroffenen zum Ausdruck gebrachten Zweifel des Beschwerdeführers an den Deutschkenntnissen des Beamten und seiner Fähigkeit, mit einfachen Sachverhalten umzugehen, diesen in seiner beruflichen Geltung und Eignung in Frage stellten, bedurfte vorliegend keiner weiteren Darlegung.

(2) Die angegriffenen Entscheidungen stützen die Verurteilung jedoch nicht auf eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende, kontextspezifische Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des betroffenen Polizeibeamten und der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers.

(a) Eine solche die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers berücksichtigende Abwägung war hier nicht unter dem Gesichtspunkt der Schmähung oder Formalbeleidigung entbehrlich. Zwar ordnet das Amtsgericht die Äußerungen "aufgrund ihrer Form" als Beleidigung ein, da es dem Beschwerdeführer nur um eine Diffamierung der Person des Betroffenen gegangen sei. Damit wird der Sache nach eine Einordnung als Schmähkritik zumindest angedeutet. Dass es dem Beschwerdeführer nicht um eine Äußerung in der Sache, sondern allein um eine Herabsetzung des Betroffenen gegangen sei, wird jedoch nicht in der erforderlichen, die konkreten, objektiv feststellbaren Umstände des Falles in den Blick nehmenden Weise begründet (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 23), sondern ohne nähere Ausführungen behauptet. Dabei lässt das Amtsgericht in seiner Einordnung der Äußerungen als Schmähung ohne Begründung außer Acht, dass der Beschwerdeführer diese aus Anlass der aus seiner Sicht problematischen Abfertigung am Flughafen tätigte, er sich über das Kontrollgeschehen nachträglich beschweren wollte und die Äußerung mit dem Gegenstand des Wortwechsels mit dem Grenzbeamten - der zögerlichen Herausgabe seines Namens und seiner Dienstnummer zum Zweck einer Beschwerdeerhebung - in noch nachvollziehbarem Zusammenhang stand. Ebenso wäre als objektivierbarer Umstand zu berücksichtigen gewesen, dass die Äußerungen spontan während einer mündlichen Auseinandersetzung fielen. Eine alleinige, von dem Gesamtgeschehen gelöste Zielrichtung der Äußerung, den Grenzbeamten in seiner Ehre herabzuwürdigen, lässt sich auf dieser Grundlage nicht objektiv ausmachen. Die Äußerungen fielen vielmehr bei der für eine Einordnung als Schmähkritik maßgeblichen Gesamtbetrachtung ersichtlich im Kontext einer hoheitlichen Maßnahme (Einreisekontrolle), der Kritik an deren Durchführungsweise und angesichts des Umgangs eines Hoheitsträgers mit dieser Kritik. Insofern entbehrten sie nicht jedes sachlichen Bezugs. Die Äußerungen können daher - mit der gegebenen Begründung - nicht aus diesem Kontext herausgelöst als allein auf die Diffamierung der Person des Beamten gerichtet verstanden werden. Weder zeichnen sich die Äußerungen durch eine besonders gehässige Form aus, noch verwendete der Beschwerdeführer schwerwiegende Schimpfwörter, die als Formalbeleidigung eingestuft werden könnten.

(b) Um zu einer verfassungsrechtlich tragfähigen Verurteilung gemäß § 185 StGB zu gelangen, wäre daher eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Grenzbeamten in den konkreten Umständen des Falles erforderlich gewesen. Dabei wären bereits bei der Einstufung der inkriminierten Äußerungen als ehrherabsetzender und rechtswidriger Ausdruck der Missachtung des Betroffenen - und nicht erst auf Ebene der Strafzumessung - die besonderen Umstände des Falles, insbesondere die Veranlassung durch die verbale, mehrminütige Auseinandersetzung im weiteren Kontext einer hoheitlichen Einreisekontrolle, die Spontaneität der Äußerung, deren flüchtiger Charakter und der vom Amtsgericht selbst als relativ geringfügig bewertete ehrschmälernde Gehalt, die Öffentlichkeitswirksamkeit der Äußerungen und die Betroffenheit des Beschwerdeführers durch die Amtsausübung des Beamten zu berücksichtigen gewesen. Eine solche Abwägung kommt in den angegriffenen Entscheidungen nicht zum Ausdruck. Vielmehr fehlt es bereits an gehaltvollen tatgerichtlichen Feststellungen, die Voraussetzung einer solchen kontextspezifischen Würdigung sind und ohne die sich die tatgerichtliche Einordnung der Äußerungen einer insbesondere verfassungsrechtlichen Überprüfung weitgehend entzieht.

cc) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler. Das ist schon deshalb der Fall, weil mangels hinreichender tatgerichtlicher Feststellungen zum Kontext der Äußerungen nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Amtsgericht bei erneuter Befassung im Rahmen einer Abwägung zu einer anderen Entscheidung kommt. Es ist dem Bundesverfassungsgericht in solchen Fällen verwehrt, die Sachverhaltsfeststellung und die gebotene Abwägung selbst vorzunehmen (vgl. BVerfGK 1, 289 <292>).

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.